Allein aufgrund des riesigen Aufwands muss dieser Beitrag aus dem Topic zum Leipzigtreffen hier nochmal verewigt werden ^^
#trynottolaugh
Alles anzeigenDie große Odysee
oder auch: Die Geschichte einer langen Heimreise(zur musikalischen Untermalung empfohlen: "Long Way Home" von Royal Jester)
8:48 Uhr, planmäßige Abfahrtszeit am Leipziger Hauptbahnhof. Steige kurz vorher in den Zug ein, völlig falscher Wagen natürlich (als nicht-ganz-so-armer Student hat man schließlich einen Sitzplatz reserviert), weil die Wagenreihung aus ungeklärten Gründen genau spiegelverkehrt zu derjenigen ist, die in der DB Navigator App angegeben wird. Na gut, muss man eben kurz durch den Zug laufen, was soll's. Der Zug fährt ab, und kurz später findet man auch den reservierten Platz. Besetzt. Scheinbar eine Mutter, die eigentlich den Nachbarplatz reserviert hat, angezeigte Reservierung bis Erfurt. Na gut, setzt man sich eben auf den falschen Platz, um in Erfurt Bäumchen wechsel dich zu spielen.
8:55 Uhr, Durchsage des hoffnungslos übermotivierten Schaffners - strebte sicher eine Karriere als Radiomoderator an, wurde aber nirgends angenommen, weil zu überdreht -, der Wagen 6 fehlt heute aus technischen Gründen, wer darin reserviert habe, solle doch bitte einen freien Platz in einem der anderen Wägen - zum Beispiel Wagen 1 - suchen, das Geld für die Reservierung könne man im Reisezentrum zurückerstattet bekommen. Mein reservierter Sitzplatz ist zum Glück in Wagen 7. Bemitleide einen Moment die armen Schweine, die eine Reservierung in Wagen 6 hatten, dann widme ich mich wichtigeren Dingen. Zum Beispiel dem täglichen Grind in Fire Emblem Heroes. Freue mich darüber, durch schlechte KI gesteuerte Computergegner der totalen Vernichtung durch meine viel zu starken Helden zu überlassen.
9:25 Uhr, Durchsage des übermotivierten Schaffners, man erreiche demnächst die wunderschöne Landeshauptstadt Erfurt. Pünktlich, natürlich. Mutter auf meinem Sitzplatz möchte gerne rausgelassen werden, spiele also Bäumchen wechsel dich. Sitze nun endlich auf meinem Sitzplatz, packe meinen 3kg-schweren Laptop aus, schließe gefühlt mehr Kabel an als mein Desktop-PC Zuhause besitzt und logge mich ins WIFIonICE ein, um Zugang zu meinem Google Drive zu erhalten. Verbindung steht, öffne mein Google Drive. Verbindung ekelhaft langsam, warte minutenlang darauf, dass sich die Seite aufbaut. Kann jedem Element einzeln zusehen, wie es sich langsam auf dem Laptop-Bildschirm materialisiert. Klicke ungeduldig auf den Ordner, aus dem ich etwas brauche. Nichts passiert. Warte also weiter.
9:35 Uhr, Laptop geht aus. Strom war wohl kurz unterbrochen. Schalte ihn genervt wieder an, verbinde mich wieder zum WLAN und öffne Firefox. Discord schiebt sich vor das Browserfenster und beschließt, dass jetzt eine tolle Gelegenheit ist, ein neues Update herunterzuladen. Öffne den Task-Manager um Discord den Garaus zu machen. Habe Wichtigeres zu tun. Öffne Google Drive erneut, dieses Mal lädt die Seite schneller. Ein bisschen. Komme endlich an die gewünschten Dateien, lade sie herunter und öffne sie, um an meiner Bachelor-Thesis zu schreiben.
9:40 Uhr, Durchsage des übermotivierten Schaffners, heute aufgrund einer Baustelle kein Halt in Eisenach, nächster Halt erst in Fulda. Fahren aber trotzdem durch Eisenach durch. Beschließe, das nicht zu hinterfragen.
9:50 Uhr, ein nettes Mädchen fragt, ob die Plätze mir gegenüber noch frei sind. Nicke zustimmend. Sie müht sich ab, einen schweren Koffer in die Gepäckablage zu wuchten. Sieht gefährlich wacklig aus. Überlege meine Hilfe anzubieten und frage "ob's geht", doch in dem Moment landet der Koffer endlich mit Wucht in der Gepäckablage. Beschließe, ihr später beim Herunterholen des Koffers meine Hilfe vorzeitig anzubieten. Sie setzt sich mir gegenüber und wechselt mehrmals den Platz von Fenster zu Gang und wieder zurück.
9:55 Uhr, Mädchen bleibt schließlich auf dem Gangplatz sitzen und packt ebenfalls einen Laptop aus. Naja Laptop, ein Macbook. Je nachdem wen man fragt, entweder ein besseres oder ein teureres Laptop. Vielleicht auch beides. Auf der Bildschirmrückseite sind zahlreiche Aufkleber. "GRL PWR", "This machine kills facists", ein Einhorn und diverse Nerd-Witze, z.B. #42. Lächle kurz.
10:00 Uhr, Mädchen fragt mich, ob es hier im Zug Steckdosen gibt. Fährt wohl nicht oft mit dem ICE. Nehme einen meiner Kopfhörer aus dem Ohr und weise auf die Steckdose unten zwischen den Sitzen hin. Mädchen bedankt sich.
10:20 Uhr, Mädchen fragt, ob ich auch "irgendwas mit Informatik" mache. Ich lache, habe bereits mit der Frage gerechnet. Halten etwas Smalltalk über unsere aktuelle Lebens- und Arbeitssituation. Sie ist wohl auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen, möchte nach Irland fliegen und dort einen Job finden. Schönes Gespräch. Machen zwischen einzelnen Gesprächspassagen Pausen, in denen ich weiterschreibe.
11:35 Uhr, Mädchen packt zusammen, der Halt in Frankfurt rückt näher. Stehe auf, um ihr mit dem Koffer zu helfen. In dem Moment greift bereits ein anderer Mann nach dem Koffer. Setze mich ein bisschen beleidigt wieder hin. Verabschiede mich von dem Mädchen, wünsche ihr Erfolg in Irland, sie mir mit der Thesis. Kenne nicht mal ihren Namen, aber war eine schöne Bekanntschaft.
11:40 Uhr, Durchsage des übermotivierten Schaffners, erzählt irgendwas von der Finanzstadt Frankfurt. Definitiv ein gescheiterter Radiomoderator. Immer noch pünktlich.
12:25 Uhr, sollten jeden Moment Mannheim erreichen. Muss dort umsteigen. Blick aus dem Fenster zeigt aber die Abwesenheit von irgendetwas, das sich auch nur entfernt als Stadt kategorisieren lässt, geschweige denn eines Hauptbahnhofs. Durchsage eines genervten Schaffners, vielleicht wurde der Radiomoderator in Frankfurt kurzerhand aus dem Zug geschmissen, vielleicht sind seine Anti-Depressiva leer. Die gefürchteten Worte ertönen: "Notartzeinsatz im Gleis". Hat sich also mal wieder irgendeiner vor den Zug geworfen. Statt Mannheim gleich zu erreichen wird der Zug über Worms umgeleitet. Prognostizierte Verspätung von 25 Minuten. Vielleicht geht es dem anderen Zug wenigstens genau so.
12:50 Uhr, immer noch kein Mannheim in Sicht. Durchsage, dass die Verspätung jetzt bei 35 Minuten liegt.
12:55 Uhr, immer noch kein Mannheim in Sicht, sehe dafür komische saarländische Käffer, deren Namen mir teilweise vage bekannt vorkommen. Durchsage, dass die Verspätung jetzt bei ca. 40 Minuten liegt und wir gegen 13:02 Uhr in Mannheim ankommen.
13:02 Uhr, stehen in einem Kaff-Bahnhof, dessen Namen ich von meiner Position aus nicht lesen kann. Habe zwischenzeitlich mein Gepäck geschnappt und stehe wartend mit zahlreichen anderen Fahrgästen im Gang. Durchsage, dass es einen weiteren außerplanmäßigen Halt gibt, es aber jetzt dann gleich sofort weitergeht.
13:07 Uhr, Zug fährt endlich in Mannheim ein. Durchsage, dass ein EC Richtung Basel um 13:48 Uhr von Gleis 8 abfährt.
13:10 Uhr, der Zug, in den ich umsteigen wollte, hatte scheinbar kein Problem mit dem Notarzteinsatz. Vielleicht hat er die einfach auf überfahren. Der reservierte Sitzplatz ist also davongefahren. Hole mein Handy raus, 15% Akku. Öffne die DB Navigator-App, um die nächste Verbindung nach Freiburg zu suchen. Die Ansagen auf dem Gleis, auf die wir hören sollten, verstummten bereits in dem Moment, in dem ich aus dem Zug ins Freie kam, zu verstehen war davon nichts. Von dem ominösen EC steht in der App nichts, dafür schlägt sie mir Gleis 5 vor, auf dessen Anzeigetafel tatsächlich ein ICE nach Basel über Freiburg angeschrieben steht. Planmäßige Abfahrt 13:35 Uhr, ca. 10 Minuten Verspätung.
13:15 Uhr, habe beschlossen in der Wartezeit Mittagessen zu besorgen. Nach der traurigen Erkenntnis, dass alle interessant klingenden Gerichte beim Asiaten Glutamat enthalten und Bauchschmerzen nicht unbedingt das sind, was ich gerade gut gebrauchen könnte, fällt die Wahl schließlich auf den "lokalen" Bäcker. LeCrobag.
13:17 Uhr, trete an den Verkaufsschalter heran um die Auswahl zu begutachten, die Verkäuferin verschwindet ins Hinterzimmer, sehe nur noch den Haaransatz hinter einem Sichtschutz hervorschauen.
13:22 Uhr, die Verkäuferin kommt endlich hinter dem Sichtschutz hervor. Inzwischen stehen hinter mir zwei weitere Leute, die gerne etwas kaufen würden. Entscheide mich für ein belegtes Brötchen, das den Namen "Curry Mango-Pute" trägt. Handelt sich scheinbar um ein halbes Vollkornbaguette mit gegrillten Putenstreifen, Salatblättern, einer Tomatenscheibe und Curry-Mango-Soße aus dem Supermarkt.
13:25 Uhr, bin zurück auf Gleis 5 und beginne endlich zu essen. Bereue es ein wenig, vor der Abfahrt noch keinen Hunger gehabt zu haben. Schmeckt verhältnismäßig gut, wahrscheinlich besteht die Soße zu 90% aus Zucker.
13:48 Uhr, ein ICE fährt ein, allerdings auf Gleis 6. Nicht der Zug nach Basel, sondern nach Stuttgart. Auf der Anzeigetafel steht immer noch ca. 10 Minuten Verspätung.
13:55 Uhr, erwarteter Zug auf Gleis 5 wird angekündigt, auf der Anzeigetafel sind plötzlich ca. 20 Minuten Verspätung zu lesen. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass dort jetzt ein völlig anderer Zug steht. Menschen auf dem Bahnsteig sind verwirrt, bleiben aber dort stehen. Akkustand 3%.
13:58 Uhr, ein ICE fährt auf Gleis 5 ein, von außen ist keine Nummer oder Fahrtrichtung zu lesen. Menschen beginnen auszusteigen.
14:02 Uhr, kann endlich einsteigen. Auf dem Bildschirm im Inneren steht eine andere Zugnummer und als nächster Halt München-Pasing gelistet. Menschen sind verwirrt, hoffen auf einen technischen Fehler.
14:05 Uhr, alle Menschen sind eingestiegen. Selbst einen freien Platz im Gang zu finden grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit, geschweige denn freie Sitzplätze zu finden.
14:08 Uhr, Durchsage von einer Schaffnerin. Sie könne "im aktuellen Zustand" nicht losfahren. Die Leute sollten doch nach vorne durchgehen um die Gänge etwas freier zu machen. Wahrscheinlich irgendwelche bescheuerten versicherungsrechtlichen Bestimmungen. Schaue über die Köpfe anderer Fahrgäste hinweg nach vorne, sieht überall gleich voll aus.
14:12 Uhr, beschließe, mich an den Franzosen vor mir vorbeizudrängen, die sich scheinbar mit ihrem aktuellen Platz abgefunden haben. In dem Moment entschließen diese sich dazu, doch weiterzulaufen.
14:16 Uhr, stehe jetzt im Gang einen Wagen weiter. Genau so voll wie vorher. Beschließe aufzugeben und stehen zu bleiben. Franzosen immer noch vor mir. Schaffe es mit 1% Restakku eine Nachricht abzusetzen, dass ich später komme.
14:17 Uhr, ein lauter Pfiff ertönt, Türen schließen sich.
14:18 Uhr, Zug fährt endlich los. Langsam. Gelegentlich drängeln sich Menschen vorbei, die die Hoffnung auf einen Sitzplatz noch nicht aufgegeben haben oder mal aufs Klo müssen.
14:38 Uhr, Durchsage, Zug fährt demnächst in Karlsruhe ein, Menschen stehen von Sitzplätzen auf und schnappen sich ihr Gepäck. Hoffe auf einen Sitzplatz und Strom.
14:40 Uhr, Zug hält in Karlsruhe, finde tatsächlich einen Platz und falle erschöpft auf den Sitz.
14:42 Uhr, hole meinen Laptop aus der Tasche, verbinde diesen mit der Steckdose und das Handy mit dem Laptop. Powerbank, die für sechs volle Ladezyklen reichen sollte, war bereits nach dreien am Morgen leer, Handy-Ladegerät liegt Zuhause.
14:45 Uhr, fange an, diesen Text am Laptop vorzutippen.
15:30 Uhr, Durchsage, Zug hält gleich in Freiburg. Speichere den Text und packe mein Zeugs zusammen.
15:48 Uhr, steige ich den Regionalzug.
16:13 Uhr, steige in der Nachbarstadt aus, da der Regionalzug laut Internet nicht in meinem Kaff hält. Werde dort abgeholt. 91 Minuten später als ursprünglich geplant.
16:35 Uhr, bin endlich Zuhause, habe Powerbank und Handy an Ladegeräte gesteckt und beginne, am PC die Geschichte der Odysee weiterzuschreiben.
17:37 Uhr, chronologische Folge der Ereignisse fertiggeschrieben. Beginne mit dem Rest des Beitrags.
Trotz dieser Odysee hat sich das Treffen für mich gelohnt. Für einzelne Shoutouts bin ich nach der anstrengenden Heimfahrt jetzt wirklich zu fertig, aber seid versichert, dass ich mich über euch alle gefreut habe und sehr viel Spaß auf dem Treffen hatte. Bin beim nächsten Leipzigtreffen sicher wieder dabei o/