[tabmenu][tab=Schnitzel!]Länger als eigentlich gewollt habe ich jetzt für das neue Kapitel gebraucht (uuh, tolles Deutsch <<)
Bevor gelesen wird möchte ich noch zwei Andeutungen machen: Läuterfeuer und Guillotine. Nur so am Rande. Vielleicht erkennt jemand den Zusammenhang ^^
Und noch was: Elfen Lied lässt grüßen! xD
HF beim Lesen
Danke ersma für das Kommi, nett von dir ^^ Hoffentlich gefällt dir auch dieses Kapitel – es ist nämlich ein sehr wichtiges, wenn auch nicht gerade langes, höhö.
Zitatich glaube, dass das Kommi, was du verpennt hast von mir war...
Ah, kann sein xD Danke jedenfalls dafür ^^ und btw, wenn du wieder ein Kurzkommi geben willst, spamm mein Gästebuch zu. Da löscht es dir sicher niemand ohne meine Erlaubnis ;]
ZitatPlatzangst=Angst vor weiten freien Räumen/Plätzen, nicht vor ängen Räumen. Diese Verwechslung tritt häufig auf.
Aber du wusstest, um was es ging, nichwah? Dann ist die Mission geschafft lol. Solange jeder weiß, worum es geht, ist es ja auch egal, wie es geschrieben wird ;) Außerdem möchte ich hinzufügen, dass auch Wolfgang Hohlbein die Platz vor engen Räumen als Platzangst bezeichnet (nachzulesen in „Die Tochter der Himmelsscheibe“, iwo in der Mitte, frag mich nicht welche Seite x3), und wenn er das in einem Buch macht, das jeder Depp lesen kann, darf ich das hier in einem kleinen Forum iwo in den Weiten des Internets auch ^^
ZitatFinde die Story sehr geil, schicker Eiseskälltemove, er kann alle Attacken ne? Er muss ein Farbeagle sein
Ich liebe es, wenn Leser Vermutungen anstellen. Weiter so ^^
ZitatAchja: Rechtschreibfehler gefällig? Habe welche zu Verschenken
Oh, ich hoffe, ich habe keine in meinem Kapitel, aber ich komme vielleicht auf das Angebot zurück xD
[tab=Gelese]Kapitel 19: Der Kuss (:0)
Kleine, unendlich weiche Händchen glitten über ihr Gesicht hinweg und versuchten, sie aus dem Schlaf zu reißen. Unwillig drehte Neko sich um und schlug die Decke über den Kopf, im Bestreben, wenigstens noch ein bisschen zu dösen. Doch den Plagegeist, der es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schien, ihrem Unterfangen entgegenzuwirken, hielt das auch nicht weiter auf. Seine Versuche setzten sich ungehindert fort, als sei zwischen ihm und seiner Menschenpartnerin gar kein Stoff.
„Neee!“
Erst als der Ruf schrill und hoch an ihr Ohr drang, fand sich Neko ganz plötzlich wieder im Bewusstsein wieder. Aus dem Schlaf geschreckt fuhr sie hoch, ließ sich aber gleich wieder sinken, als ihr die erste Bewegung bunte Lichtflecke vor die Augen zauberte. Als der Schwindel verflogen war, richtete sie sich wieder auf, vorsichtiger diesmal, um ihr anscheinend noch nicht ganz erwachtes Kreislaufsystem nicht wieder überzustrapazieren. Ihr unbarmherziger Wecker hockte neben ihr und blickte sie aus unschuldig blitzenden Geisteraugen an. Allein das leichte Grinsen um Traunfugils Mund verriet ihn, aber auch ohne hätte Neko natürlich sofort gewusst, wer sie so unsanft aus dem Land der Träume geholt hatte. Irgendetwas hatte sie geträumt, das wusste sie. Eigentlich träumte sie selten, und wenn, dann konnte sie sich meist nicht mehr an den Inhalt der nächtlichen Bilder erinnern. Doch gerade weil es nur Bilder waren, die ihr Unterbewusstsein im Schlaf kreierte, maß sie diesen auch nicht wirkliche Bedeutung zu.
„Neko, bist du wach?“, drang es gedämpft hinter dem Zelteingang hinein. Eine Hand schob sich in den Schlitz und schlug die Plane beiseite. Morgenlicht flutete herein, und Neko kniff geblendet die Augen zusammen. Mehr als einen dunklen Umriss auf gelbweißem Hintergrund konnte sie nicht erkennen, aber Stimme und Form der Silhouette verrieten ihr, dass es sich um Akari handelte. „Oh, entschuldige…“ Die Gotela machte sich daran, einen halben Schritt ins Zelt zu treten und den Eingang wieder zu verschließen. „Wir gehen bald weiter“, informierte sie ihre Teamkollegin und warf einen raschen, verstohlenen Blick auf Raikas Schlafstatt. Was die Tira wohl wieder angestellt hatte? Als Neko Anstalten machte, die Decke umzuschlagen und aufzustehen, hielt Akari sie aber sanft zurück: „Nur keine Eile, es ist noch recht früh. Aber es wäre gut, wenn ihr eure Sachen schon mal zusammenpacken würdet.“ Damit verließ sie auch schon das Zelt und überließ Neko das weitere Geschehen.
Die Chimäre sah sich im Zelt um und fragte sich, wen ihre Freundin mit „ihr“ gemeint hatte – wohl kaum sie und Traunfugil. Aber die Antwort kam von selbst, als der Eingang wieder geöffnet wurde und noch grelleres Licht Neko zuerst die Sicht raubte. „Wir sollen aufräumen?“, fragte Raika und gab sich nicht die Mühe, wie Akari zuvor das Zelt wieder zu verschließen und der Eloa zu ersparen, geblendet zu werden. Zumindest machte sie sich gleich daran, ihre Decke zusammenzufalten, was Neko ihr auch gleich nachtat, nachdem sie sich an das Morgenlicht gewöhnt hatte. Traunfugil beobachtete sie interessiert, hütete sich aber davor, irgendein Geräusch zu verursachen. Raika war für gewöhnlich nicht gerade freundlich zu ihren Mitmenschen, aber Neko spürte, dass sie jetzt besonders missgelaunt war. Das ständige Blinzeln, mit dem die Gelbhaarige ihre Augen wohl zu befeuchten versuchte, brachte die Chimäre zu der Annahme, dass sie wohl nicht gut geschlafen hatte. Was sie auch nachvollziehen konnte, denn der Boden war nicht besonders bequem gewesen. Ihr machte das zwar nicht sonderlich viel aus – immerhin hatte sie vier Jahre im Bau auf hartem Holzboden geschlafen, mit nichts weiter unter ihr als einer dünnen Matte –, aber sie wusste ja nicht, wie Raika auf solchen Untergrund reagierte. Jedenfalls gab auch sie sich Mühe, die Tira nicht weiter zu reizen.
Nachdem die beiden das Innere ihres Zeltes ausgeräumt hatten, machten sie sich an den Abbau des Zeltes selbst. Als Neko, noch an die Wärme der Decke gewöhnt, heraustrat, konnte sie ein plötzlich aufkommendes Zittern nicht unterdrücken. Sie hatte erwartet, dass es hier im Wald mit seinem dichten Blätterdach nicht besonders warm war, vor allem morgens. Aber damit hätte sie nie gerechnet. Auf ihren bloßen, nicht ausreichend von den kurzen Ärmeln ihrer Bluse bedeckten Armen zeigte sich sofort eine unangenehme Gänsehaut, und in ihre Füße, die nur in leichten Sandalen steckten, fraß sich sofort die frische Kühle des taubesetzten Grases. Sie rieb sich kurz aufwärmend über die Oberarme, bevor sie sich gleich Raika anschloss, die Zeltplane vom Gerüst zu nehmen und dieses abzubauen. Während sie die Stangen auseinanderschraubte, warf sie einen Blick in die Runde und stellte fest, dass die anderen Mitglieder ihrer Gruppe bereits alle erwacht waren und nur Kasai noch damit beschäftigt war, seine Decke halbwegs ordentlich zu falten. Die anderen hatten sich um ein Feuer gesammelt, auf dem ein Topf mit Wasser köchelte. Behutsam ließ Akari eine Hand voll getrockneter Kräuter in den Sud fallen, und die Luft war erfüllt von der morgendlichen Frische und dem würzigen Duft des Tees. Unweit des Feuers lag ein geöffnetes Bündel Proviant, und Nekos Magen meldete sich protestierend. Doch sie unterdrückte den Hunger wenigstens so lange, bis sie das Zelt vollständig zusammengeräumt hatten.
Eine Bewegung im Augenwinkel ließ sie herumfahren. Ein kleines Mädchen war um die Eiche, die ihren Lagerplatz und das Dorf voneinander schied, herumgegangen und hielt ertappt inne, als Neko zu ihr herübersah. Die Eloa glaubte natürlich sofort, dass das Kind deswegen stehen geblieben war, weil sie sich einer Chimäre gegenüberfand. Doch in Wirklichkeit lag es daran, was in der letzten Nacht geschehen war. Doch woher sollte sie das schon wissen?
„Kann ich dir helfen?“, fragte Neko und trat einen Schritt auf das Mädchen zu. Dieses wich zuerst dieselbe Strecke rückwärts gehend zurück, bevor es sich mit einem Ruck umdrehte und davonrannte. Beleidigt schüttelte Neko den Kopf und wandte sich ihrerseits um. Sie konnte es ja ein Stück weit verstehen, dass die Kleine misstrauisch einer Chimäre gegenüber war, eben weil sie noch ein Kind war, aber diese Reaktion konnte sie nicht nachvollziehen. Sie mochte Katzenohren haben, ja, und dadurch natürlich auch unverkennbar das alte Blut ihrer Vorfahren, aber sie würde niemals jemandem etwas tun. Wenn das Mädchen Angst vor ihr hatte, hatte sie eigentlich allen Grund, sich noch viel mehr vor Pokémon zu fürchten. Immerhin konnten diese etwas Übermenschliches, während sie, die bis auf ihre Ohren nichts Chimärisches geerbt hatte, nichts weiter vermochte als das, was auch normale Menschen zuwege brachten. Mal davon abgesehen, dass sie ganz nach Mauziart ihre Ohren in jede beliebige Richtung drehen konnte – aber was war an dieser Fähigkeit schon besonders?
Neko ließ ihre Bedenken sein und steuerte das Lagerfeuer an. Der Tee brodelte mittlerweile im Kessel, und mit dem feuchten Dampf, der daraus aufstieg, verbreitete sich der durchdringende Kräutergeruch. Sie kannte sich zwar nicht wirklich damit aus, aber sie meinte Minze und Brennnessel zu riechen. Von der Wärme des Feuers angehaucht forderte ihr unterkühlter Körper noch mehr nach der Nähe der Flammen. Mit einem Frösteln ließ sie sich neben dem warmen Schein nieder und hielt die Hände dagegen, allerdings kehrte die wohltuende Wärme über die feuchtkalte Luft nur langsam und widerwillig ein. (als ich das schrieb, sang in der Glotze SpongeBob das Lagerfeuerlied-Lied xD)
„Du warst noch nie im Großen Wald, nicht?“ Neko sah auf, als sie von hinten angesprochen wurde und ihr jemand eine kleine Decke um die Schultern legte. Als sich Shinzu neben sie ins Gras setzte, verkrampfte sich ihr Magen leicht; war wohl Zeit, dass sie etwas aß.
„Nein, noch nie“, gab sie ehrlich zu und zupfte am Stoff. „Danke.“ Sie wandte ihm den Blick zu und gewahrte, dass er selbst nicht viel mehr trug als seine Hose und ein kurzärmliges Hemd. „Dir ist nicht kalt?“, fragte sie skeptisch. Leicht verwundert stellte sie fest, dass ihr schon wärmer geworden war – wobei das unmöglich allein von dem dünnen Stoff der Decke kommen konnte.
Shinzu schüttelte nur den Kopf und beobachtete, wie Akari in dem Sud über dem Feuer rührte, um nachzuprüfen, ob der Tee bereits fertig war. Wie als könnte sie jemand belauschen, der es nicht hören sollte, beugte er sich etwas zu ihr rüber, sagte dann aber nicht besonders unhörbar: „Wenn dir nicht zu kalt ist, hast du dann einen Moment Zeit? Ich möchte dir was zeigen, bevor wir weitergehen.“
„Was willst du ihr zeigen?“, ließ sich Mizu vernehmen und tauchte plötzlich hinter den beiden auf. Neko zuckte zusammen, als habe er sie bei einer Missetat erwischt, sah aber dann zu ihm hoch. Auch Shinzu hob den Kopf und funkelte den Lynoer dunkel an. Anders als die Chimäre wusste er nicht um Mizus Gründe, wegen denen er misstrauisch war. Wahrscheinlich glaubte er nach wie vor, für ihr Heil verantwortlich zu sein, war er doch der einzige, der überhaupt im Ansatz von einer unbekannten Gefahr, die hier auf sie lauern mochte, wusste. Ob er Shinzu selbst als Gefahr ansah, konnte sich Neko zwar kaum vorstellen, aber sie überhaupt aus den Augen zu verlieren, war wahrscheinlich schon genug. Auch wenn sie sein Misstrauen durchaus verstand, konnte sie es nicht mit ihrem vernünftigen Denken in Einklang bringen: Was war hier schon hinter ihr her, das Mizu von ihr abzuwehren gedachte, aber vor dem Shinzu sie nicht zu beschützen vermochte?
„Wenn es dich etwas anginge, hätte ich es dir gesagt“, erwiderte Shinzu rüde, als hätte Mizu ihn persönlich angegriffen. Der Lynoer schien zu einer ebensolchen Antwort ansetzen zu wollen, aber Akari kam ihm zuvor:
„Der Tee braucht ohnehin noch einige Minuten“, sagte sie auffällig beiläufig und klopfte den Löffel ab, mit dem sie gerade noch einmal im Topf gerührt hatte.
Ohne Mizu noch einmal anzusehen stand Shinzu auf. „Länger wird es auch nicht dauern.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und trat zum nahen Waldrand, wo er sich umdrehte, um auf Neko zu warten. Diese zögerte noch einen Moment, sah Mizu an, in Erwartung darauf, dass er noch etwas sagen würde. Doch stattdessen ließ er sie mit ausdruckslosem Gesicht stehen und ging zu Tanhel, das einige Schritte entfernt von der Rebellengruppe damit beschäftigt war, Voltenso einer genauen Musterung zu unterziehen. Der Donnerhund zeigte ein einigermaßen merkwürdiges Verhalten, denn er drehte sich mehrfach im Kreis und schnüffelte immer wieder an derselben Stelle, hob die Nase und prüfte die Luft, nur um die Prozedur von neuem zu beginnen.
Neko seufzte innerlich, folgte Shinzu aber schließlich in den dichteren Wald hinein – nichts ahnend, dass sie schon bald verfolgt werden würden.
Augenblicklich sank die Lufttemperatur um sie herum um weitere Grade, und sie wickelte die Decke fester um ihre Schultern. Feuchter Tau sog sich in ihre Hose, wo sie an Büschen und niedrigen Pflanzen vorbeikam, und machte ihre Beinhaut klamm. Wie zum Trotz arbeitete sich warm scheinendes Morgenlicht durch die Kronen der verschiedensten Baumarten, nur um zu beweisen, wie kalt es eigentlich in Wirklichkeit war und den Kontrast zwischen Sichtbarem und Spürbarem zu verstärken. Aber irgendwie war das weniger schlimm, als Neko es erwartet hatte. Sie folgte Shinzu einfach immer tiefer in den Wald, immer weiter von ihrem Lagerplatz weg, und stellte fest, dass sie zum ersten Mal alleine waren. Weder ihre Teamkollegen noch ihre Partner waren hier. Hatte der Naminer das mit Absicht so gewählt? Wo führte er sie überhaupt hin? Ihre Fantasie erhob sich in den Himmel und malte die aufregendsten Vorstellungen, was nun gleich passieren würde, und ein paar davon waren weniger angenehmer Natur. Mizu hatte eine Gefahr gesehen – was, wenn sie von Shinzu ausging?
Wie um ihre Gedanken von diesen Pfaden abzuwerfen, die sie unversehens genommen hatten, schüttelte Neko den Kopf. Leider wirkte diese Maßnahme nicht wirklich so, wie sie es erhofft hatte, sondern bewirkte allenfalls, dass ihre Fantasien nur etwas langsamer liefen. Wenn Shinzu derart gefährlich für sie war, dann ebenso die anderen Mitglieder ihrer Gruppe. Auch wenn sie sich noch kürzer kannten als sie und Mizu vertraute sie dem Naminer doch ebenso wie dem anderen. Wobei… Tat sie das wirklich? Hatte sie überhaupt einen Grund dazu? Plötzlich kamen ihr Zweifel. Sie kannte weder den einen noch den anderen wirklich gut genug, um das mit Gewissheit sagen zu können. Was wusste sie schon um die Beweggründe der beiden, wegen denen sie der Schwarzen Rose beigetreten waren? Ihre eigenen waren ja schon nicht besonders nobel oder gar selbstlos. Wer konnte schon sagen, ob es nicht Ehrgeiz gewesen war, der sie dazu beflügelt hatte, sich den harten Vorraussetzungen des Hauptquartiers zu stellen, und nicht, für die Rebellion zu kämpfen? Was würden sie tun, um zu gewährleisten, dass sie nach der Probezeit einen festen Platz in der Hauptgruppe erhielten? Zum Beispiel Shinzu: Gerade jetzt, wo sie allein unter sich waren, wäre es für ihn ein Leichtes, sie aus dem Weg zu räumen…
Das ist unmöglich!, schalt sie sich selbst in Gedanken. Sie waren immerhin keine Konkurrenten – auch wenn er ihr irgendetwas antat, hieße das noch lange nicht, dass er dem Hauptquartier weiterhin unterstellt sein konnte. Wenn es irgendwann ans Licht kam, würde das für ihn sogar bedeuten, der Schwarzen Rose komplett gebannt zu werden. Von der Strafe, die man für jedes begangene Verbrechen nach Gesetz der Länder erhielt, ganz zu schweigen. Nein, wenn er sie aus dem Weg hätte haben wollen, hätte er sie einfach nur ertrinken lassen können. Es wäre gar nicht nötig gewesen, sich die Mühe zu machen, sie zu retten, und sie dann doch loszuwerden.
„Wohin gehen wir?“, fragte Neko schließlich, um sich abzulenken. Außerdem meldete sich die Neugier, die ihrer Chimärenart zu Eigen war, und eine leichte Ungeduld machte sich in ihr breit.
Shinzu blieb nur kurz stehen, drehte sich zu ihr um und schenkte ihr ein Lächeln, das sie einen Moment innehalten ließ. Erst im Weitergehen beantwortete er ihre Frage, und sie hatte Mühe, ihn zu verstehen: „Wir sind gleich da, dann wirst du es ja sehen.“ Die nächsten Meter sagte er nichts mehr, und die Stille zwischen ihnen peinige Neko. Sie hielt die negativen Grübeleien nicht so effektiv ab, wie es ein Gespräch vermocht hätte. Wieder griff ihr Vorstellungsvermögen in himmelhohe Weiten aus, und sie hatte Mühe, es wieder von dort zurückzuholen.
Aber auch nur so lange, bis sie ihren Zielort erreichten.
Mit einem Mal lichtete sich der Wald. Aus grünem Licht wurde ein Meer aus wie in Silber gegossenen Sonnenstrahlen, die einen bezaubernden Tanz vollführten, als Wind durch die Blätter strich. Eigentlich war es keine Lichtung, auf der sie jetzt standen: Dem dichten, kreisrunden Grasteppich zu ihren Füßen entwuchs etwa mittig eine von dünneren, jüngeren Trieben umwundene Ranke. Auf nichts als sich selbst gestützt schlängelte sie sich über zwei Meter empor, bevor ihre Stämme in einer Explosion aus Ästen aufgingen, die mit silbernen Blättern beschmückt waren. Nein, eigentlich waren die Blätter von einem schmierigen Graugrün, aber der silbern glänzende Flaum, der die ganze Pflanze wie ein samtener Pelz bedeckte, ließ sie im satten Sonnenlicht wie feines Gold glänzen. Die Luft war erfüllt von einem schwachen, trockenen aber lieblichen Duft, und pulvriger Silberstaub hing wie ein sanfter Nebel unter den Zweigen. Fasziniert trat Neko weiter auf die Lichtung und ließ sich von den zu lichtenem Bernstein veredelten Sonnenstrahlen streicheln. Augenblicklich waren die Kälte und Nässe dieses Morgens vergessen, und sie ließ die Decke von ihren Schultern sinken, um das Licht zu spüren. Sie griff nach einem Blatt, das an einem tiefer hängenden Ast wuchs, und strich sanft mit den Fingern darüber. Noch nie in ihrem Leben hatte sie Seide gefühlt, aber dennoch war sie sich sicher, dass der edle Stoff diesem Blatt an Schönheit und Weichheit nicht gewachsen sein konnte, so zart war der metallfarbene Flaum. Sie fühlte sich der Welt auf so schwer in Worte zu kleidende Weise fern, als sei das hier, diese wunderbare Pflanze, nur ein Traum.
Plötzlich, aber nicht unangenehm, wurde sie aus ihrer Trance gerissen, als Shinzu ruhig und wie selbst von dem Zauber dieses Ortes berauscht sagte: „Schön, nicht wahr?“ Neko schaffte es nicht, irgendetwas zu erwidern, sondern nickte nur stumm – auch wenn sie stark bezweifelte, dass das einzelne Wort „schön“ das ausreichend beschreiben konnte, was sie gerade empfand. „Das ist eine Silberranke“, fuhr Shinzu erklärend fort. „Vor über achthundert Jahren soll es im ganzen Wald von ihnen gewimmelt haben, heute sind sie leider nur noch selten.“ Er trat auf den gewundenen Stamm zu und strich mit der Hand über die glatte Rinde. Silbrig glitzernder Staub löste sich davon und trieb in der lauen Brise verträumt davon. Shinzus Blick wanderte von der Stelle, die er gerade berührt hatte, den Stamm hinauf und blieb an der ersten Astgabelung hängen. „Siehst du das?“, wollte er wissen und deutete dorthin. In der Gabelung, durch ein feines aber umso reißfesteres Gespinst aus weißem Faden gesichert, lagen vier honigmelonengroße Kugeln, die das Sonnenlicht leuchtend neongrün erwiderten. „In ein paar Tagen werden dort Raupy schlüpfen.“ Es raschelte in den Ästen der Silberranke, und aus dem Blätterdach, das die Lichtung wie ein schützendes Zelt überspannte, fielen ein Pudox und ein Papinella. Tobend und spaßend fingen sie den Fall kurz über dem Boden ab, umkreisten einmal den Stamm, um dann wieder nach oben durch die Blätter zu entschwinden. Neko, die Shinzu den Rücken gekehrt hatte und zu der Stelle sah, wo die beiden Falter verschwunden waren, hörte das Lächeln in seiner Stimme, als er sagte: „Bald wird es hier wohl auch kleine Waumpel geben.“
Sie spürte, wie er wieder neben sie trat. „Die Silberranke ist eine ganz besondere Pflanze. Sie bekommt weder Blüten noch Samen und auch keine Schösslinge. Sie pflanzt sich allein über die Pokémon fort.“ Sein Blick suchte zuerst den ihren, dann aber sah er zu den Raupyeiern hinauf. „Nur Käferpokémon, deren Eier auf eine Silberranke gelegt werden, die hier schlüpfen und deren erste Mahlzeit diese Blätter sind, sind in der Lage, die Attacke Silberhauch zu erlernen“, erklärte er, und selbst dieser Vortrag wie aus einem Schulbuch auswendig gelernt klang in Nekos Ohren im Moment wie eine Ode an diese Pflanze. „Trifft ein solches Staubkorn von einem Käferpokémon auf eines von einem andersgeschlechtlichen, befruchten sie sich gegenseitig und fangen dort, wo sie landen, zu keimen an. Und daraus wird wieder eine Silberranke.“ Jetzt glaubte sie, so etwas wie Bedauern in Shinzus nächsten Worten zu hören. „Aber sie ist seltener geworden, weil die Menschen Partnerschaften mit Käferpokémon eingehen und den Wert von Silberhauch nicht zu schätzen wissen. Außerdem ziehen sie durch andere Länder, und die Silberranke kann nur hier gedeihen.“ Er seufzte, bevor er melancholisch fortfuhr: „Ich wünsche den Raupy hier und den beiden Turteltauben viel Glück, dass sie groß werden und gesunde Kinder bekommen – damit diese Pflanze niemals ausstirbt.“
Neko spürte mehr, als sie es sah, wie sich Shinzu zu ihr umdrehte und sie lange ansah. Stille legte sich über die Ruhe der silbern glänzenden Lichtung. Weil nichts weiter geschah, erwidert Neko schließlich seinen Blick, und in diesem Moment schien er ihr plötzlich näher zu stehen als noch davor. Oder vielleicht irrte sie sich und der verwirrende Lichttanz der Blätter spielte ihr einen Streich; lediglich eine Sinnestäuschung. Irgendwie fühlte sie sich benommen, nicht schwindlig, aber erst recht nicht zu einem klaren Gedanken fähig. Shinzu kam noch näher. Es wurde so absolut geräuschlos, dass sogar die Stille eines Grabes noch laut dagegen gewesen wäre. Sein Gesicht näherte sich dem ihren. Ihre Augenlider wurden schwer. Plötzlich – oder auch nur nach und nach, denn Zeit spielte hier im Nichts keine Bedeutung – kam in ihr ein unsägliches Verlangen nach etwas hoch, das sie sich selbst nicht beschreiben konnte. Etwas, das schon lange in ihr schlummerte, und nun allmählich erwachte. Sie einzunehmen drohte, ohne dass sie ihm etwas entgegenzusetzen hatte.
Sie spürte die Wärme, die von ihm ausging, und mit der ihren zu einem leidenschaftlichen Feuer verschmolz. Wie ein Buschbrand, der durch trockenen Steppenweizen fährt, verzehrte es auch noch die letzten Reste ihres Verstandes in kürzester Zeit, bis ihr ganzes Sein nur noch aus Gefühlen bestand. Sie wusste nicht mehr, was geschah, was sie tat, nahm nur noch seinen Atem in ihrem Gesicht wahr, seine Lippen, kurz vor ihrer Berührung…
Ein Blitz schoss durch Nekos lahm gelegte Gedanken, ein Bild nur, durch die Schnelligkeit seines Aufkommens unverkennbar verzerrt. Mit einem Mal wieder bei klarem Bewusstsein riss sie die Augen auf und stieß Shinzu wütend von sich – oder eher sich selbst von ihm, denn obwohl er, sichtlich geschockt über ihre plötzliche Reaktion, wankte, blieb er fest an seinem Standpunkt stehen, als könne ihn nichts umhauen. Neko wich noch zwei Schritte zurück, unfähig, ihn anzusehen. In blankem Entsetzen – mehr gegenüber sich selbst als ihm – presste sie einen Handrücken so fest auf ihren Mund, dass ihre Zähne in ihre Lippen schnitten.
„Neko…“ Shinzus Stimme hatte einen entschuldigenden Unterton, dem sie nicht so recht glauben konnte, obwohl sie selbst nicht wusste, warum. „Neko, es tut mir leid, ich…“ Er verstummte, als sie ihn direkt fixierte. Sie hoffte, dass er genau das in ihrem Blick las, was sie empfand: Entsetzen, Empörung, Zorn – und doch ahnte sie, dass sie einfach nur verzweifelt wirkte. Shinzu kam einen Schritt auf sie zu, die Hände um Verzeihung bittend gegen sie erhoben, doch sie wandte sich um, als heiße Tränen in ihren Augen aufstiegen. Als sie seine Schritte hinter sich im Gras hörte, rannte sie los, einfach weg von der Lichtung, weg von der Stille, fort von ihm. Die Hand hielt sie immer noch auf den Mund gepresst, und jetzt schmeckte sie auch Blut. Bittere, heiße Tränen liefen ihre Wangen hinab, wie flüssiges Metall, so gebrandmarkt fühlte sie sich. Während sie einfach nur rannte, irgendwohin, ohne Ziel und ohne Plan, schoss ihr immer wieder nur ein Satz durch den Kopf: Ich hätte ihn fast… ich hätte ihn fast… geküsst!
Irgendwo raschelte es.
Papinella machte einen Salto und flog wieder auf Pudox zu. Wie glücklich sie doch war! So glücklich war sie nicht mehr gewesen seit… seit… seit fast zwei Tagen. Das Langzeitgedächtnis von Papinella und überhaupt ihrer ganzen Art war nicht besonders gut, sodass sie alles, was jenseits von achtundvierzig Stunden lag und das sie nicht immer wieder erlebte, einfach vergaß. Was natürlich nicht weiter schlimm war. Es reichte, um aufzuwachsen und die große Liebe zu finden, wie sie selbst herausgefunden hatte.
Auch Pudox schien glücklich, und die beiden umtanzten sich in einem Wirbel aus Silberhauch. Mit vor Glück und Freude geröteten Wangen ließen sie sich auf einem Ast nieder, so nah beieinander wie möglich, um den anderen zu spüren.
Da kam jemand in Papinellas Gesichtsfeld gerannt – ein Mensch, wie sie wusste, dessen langer Kopfpelz für ihre Augen gelblich schien. Vielleicht war es auch kein richtiger Mensch, überlegte sie, weil es für Menschen sehr untypische Dinger auf dem Kopf hatte, von denen sie wusste, dass man sie Ohren nannte. Wozu die auch immer gut sein sollten. „He, war das nicht eben bei der Mutterpflanze?“, fragte Pudox, während sie dem Menschen nachsahen.
„Kann sein“, gab sie wenig beeindruckt zu. Es kümmerte sie in Wahrheit nicht. „Komm, wir fliegen noch ein bisschen.“ Damit erhoben sie sich flügelschlagend in den Himmel. Mit dem Gedanken an ihre gemeinsamen Jungen, die sie bestimmt bald haben würden und die wie sie in einer Mutterpflanze schlüpfen würden, durchstieß sie zusammen mit ihrem geliebten Pudox das grüngelbe Blätterdach. Von hier oben aus konnten sie den silbernen Fleck – ihre Mutterpflanze – gut sehen. Glücklich sahen sie sich an und kamen aufeinander zu.
Doch vom einen Augenblick auf den nächsten schied Papinellas ganzer Traum dahin.
Pudox ging in sogar für ihre farbunempfindlichen Augen blauen und roten Flammen auf und stürzte vor Schmerzen schreiend wieder ab, einen unangenehm riechenden, schwarzen Schleier dicken Qualmes hinter sich herziehend. Auch Papinella schrie, in einer Tonhöhe, die ein Zubat in der Nacht blind gemacht hätte. Sie nahm Reißaus, wollte wegfliegen, das alles nicht glauben, als ihr eine unsichtbare Macht den Kopf vom Körper trennte und dieser mit einem dumpfen Rascheln irgendwo in einem Busch landete. Ihr graurotes Blut besprenkelte die Blätter der umliegenden Bäume, und nachdem ihr letzter, unhörbarer Schrei zwischen den Stämmen verklungen war, kehrte wieder ruhige Stille in den Wald ein.
Über das Gesicht des Prinzen legte sich ein dunkler Schatten.[/tabmenu]PN- und GB-Benachrichtigung aktuell nicht verfügbar. Bitte haben Sie Geduld...