Fairy Tale of Nobody

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  • Bereits in dieser Woche meldete ich mich von meiner Abstinenz zurück und nahm auch - Stück für Stück - meine Tätigkeiten wieder auf. Dieses Wochenende steht für mich ganz im Zeichen des Boards, das Lesen deiner Fortschritte ohnehin.



    Kapitel 5, Part 2
    Den Abschluss des ersten Parts habe ich - trotz Unmengen von unnötiger BWL, die in meinem Kopf herumgeistert - gut in Erinnerung. Ich prognostizierte ja bereits, dass der Titel dieses Kapitels erst ab diesem Part ausreichend thematisiert werden würde - und ich behalte recht. Die Pause ist nur von kurzer Dauer. Kann es sein, dass du diese Geschichte schamlos ausnutzt, damit du dich an dem Leid und der Qual anderer delektieren kannst? Weißt du, ich hätte es schon lange nicht mehr über das Herz gebracht, die Folter noch immer aufrechtzuerhalten. Die Wolken hätten sich bei mir längst gelichtet, der Hunger wäre längst ansatzweise gestillt, das Elend bis zu einem gewissen Maß schöngeredet. Aber nicht bei dir ...
    Wie hätte es auch anders kommen können, als dass die wermutsgetränkte Existenz einen weiteren (gefiederten) Schlag in die Magengegend bekommt? Der kurze Moment, als man abermals mit den Gedanken einer möglichen Entscheidung und der mit sich bringenden Konsequenzen ringt, hast du ein weiteres Mal sehr schön thematisiert. Kurz und knapp, aber alles, was auch ich gesagt hätte, ist vorhanden.


    Ich wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis die tickende Zeitbombe hochgehen würde. Dummerweise war die Lunte wohl doch zu lange (du genießt es, oder?). Oh, gerade diese Erwähnung ist natürlich von bedeutender Natur und ich präsentiere mich froh darüber, dass du sie erwähntest.


    Zitat

    Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich mit dieser Auseinandersetzung überhaupt erreichen wollte. Die verdreckten Reste des Burgers in ihren schmutzigen Schnäbeln interessierten mich nicht mehr und einen Ersatz würden mir diese schwarzen Vögelpokémon bestimmt nicht verschaffen. Das waren dumme Pokémon, mit denen konnte man nicht wirklich reden oder verhandeln ... Wieso redete ich überhaupt mich solchen Abschaum? Wenn ich aber eins wusste, dann, dass mir der Grund eigentlich völlig schnuppe sein konnte. Ich wollte mich irgendwie, egal wie, an diesen Viechern rächen. Das war alles, was für mich momentan zählte.


    Ja, eigentlich war es bereits zu spät. Warum sollte man einen Streit anfangen, wenn sich der Preis längst in den Mägen der Gewinner langsam auflöste. Aber das sühnen der Rache ... Ja, das darf natürlich nicht fehlen und ist genau das, nach was es hier und angesichts der Umstände der vergangen Stunden verlangte. Es hätte mich allerdings auch stark gewundert, wenn der blinde Hass von Erfolg gekrönt wäre. Der Ausgang dieser ganzen Situation war für mich überraschend. Ich hätte bereits mit weitaus schlimmeren Dingen gerechnet, als mit einer derartigen Blamage (du scheinst also doch einen Hauch von Mitgefühl übrig zu haben). Es stellt sich nur die Frage: Verheilen die Narben in einem angeschlagenen Ego schneller als die Verletzungen von zerhackenden Schnäbeln und stechenden Krallen? Und dann am Schluss natürlich wieder das abgrundtiefe Hassen, gepaart mit dem eigenen Selbstmitleid. Die Welt, sie ist grausam, sie ist gemein. Alle sind gegen mich ... Abermals erwichtest du genau die richtige Stelle und endest an einem wunderbaren Punkt, der zum Weiterlesen anspornt.


    Außer ein, zwei kleinen Hopplas in Sachen Rechtschreibung und Zeit ein sehr schönes Kapitel, wie ich es nicht besser machen könnte. Widmen wir uns also gleich dem dritten Part.



    Kapitel 5, Part 3
    Diese verbissene Engstirnigkeit erinnert mich irgendwie an jemanden ... Es ist durchaus nicht übertrieben, dass man alles um sich herum vergisst und jegliche Spur von gesundem Menschenverstand ablegt, nur um das zu erreichen, was einem im Moment am wichtigsten erscheint - und das ist in diesem Fall Rache, so trivial uns das auch vorkommen mag. Und da ist es schon wieder: Das Quälen geht weiter. Ihr bleibt keine Pause gegönnt, nicht wahr? Gleichzeitig setzt du noch einen drauf und konfrontierst deine ohnehin völlig am Boden zerstörte, angeschlagene Protagonistin mit dem Gedanken, sie könnte womöglich in dem schäbigsten Körper auf der ganzen Welt feststecken. Also, noch in fünfzig Jahren werde ich an diese Geschichte zurückdenken, wenn mir jemals der Drang danach steht, ein sadistisches Bühnenstück aufzuführen, das von Leid und Elend nur so überläuft.


    Oh, ich finde, es wurde auch wirklich an der Zeit, dass man sich mit dem eigenen Körper etwas mehr vertraut macht. Dummerweise, wenn ich so zurückdenke, sieht man, dass dieser Zeitpunkt sich bislang kaum ergeben hat. Natürlich hätte man auch einen gesonderten Part schreiben können, doch gerade dieser fließenden Übergang ist sehr schön gewählt. An dieser Stelle dann aber, als man sich endlich dem Klauen-Hindernis entledigt, bin ich dann doch etwas hin und her gerissen. Gespeist wurden die blitzenden Waffen von Instinkten, somit also von dem Ablegen des menschlichen Verstandes und dem Sinn für Logik. Als man dann auf diese Dinge wieder beruft, gelingt der Sieg der Vernunft gegen den Ruf der Wildnis. Gerade an dieser Stelle hätte ich erwartet, dass man dann doch davon absieht, die Hatz fortzusetzen; schließlich meldete sich der Verstand zurück. Versteh mich nicht falsch: Verkehrt ist es keineswegs. Wahrscheinlich hätte ich auch so gehandelt, dann aber - da ich die Dinge vielleicht aus einer anderen Perspektive betrachte - dann noch etwas darauf eingegangen.


    Gut, begeben wir uns jetzt aber wieder fern von meinen überflüssigen Gedankengängen und widmen uns wieder dem Geschehen. Ach, du kriegst einfach nicht genug ... Du bist schlimm, weißt du das? Wenn du das Tempo so beibehältst und nicht bald eine andere Richtung einschlägst, befürchte ich, dass sich deine Protagonistin bald schon als letzten verzweifelten Akt in dem reißenden Fluss ertränkt. Ich wage zu behaupten, dass diese Verletzung - so oft du es immer und immer wieder erneut aufkochst - noch lange thematsiert werden wird. Ich kenne das aus meiner ersten Geschichte. Wunden - sie wollen einfach nicht verheilen. Und wenn es dann mal endlich soweit ist, öffnen sie sich durch unglaubliche Zufälle erneut. Authenzität: In dieser Situation von mir abgrundtief verhasst, will man schließlich so glaubwürdig und realitätsnah schreiben, wie es möglich ist ... Die Zeit wird zeigen, ob ich bei deiner Geschichte recht behalte und welchen Verlauf es noch nehmen wird.


    Weitere Folter blieb ihr auch auf ihrem weiteren Weg (natürlich *bitterböse zu Toby schliel*) nicht erspart. Eine verschlossene Tür, unereichbare Klingel, qualvoller Aufstieg, ein falscher Schritt ... Zumindest in diesem Kommentar verkneife ich mir jedweden Kommentar zu dem stets wiederkehren Leid :(.


    Dass es so enden würde, war mir natürlich insgeheim bewusst. Die Entdeckung musste früher oder später kommen, alles andere hätte mich stark gewundert, auch wenn ich es ihr auch ein wenig gegönnt hätte, wenn sie ihre Klauen in eines ihrer Ziele versenken hätte können und somit einen Teil Genugtuung bekommen hätte. Das wäre meine Art gewesen, ihr ein wenig Zufriedenheit zu gönnen. Aber ich vergesse ja - wir befinden uns hier in "Fairy Tale of Nobody". Dieser Wendung der Dinge wäre wohl falsch, weshalb dieser Part zu schließt, wie er es einfach muss. Himmel! Du machst es weder deiner Pratagonistin einfach, noch deinen Lesern. Ich bin zwiegespalten zwischen aufrichtiger Bewunderung und tiefem Abscheu ^.^


    Vitali ist gerade nicht da, um sich deiner Geschichte vor der Veröffentlichung anzunehmen, habe ich recht? Man merkt es. Gerade in diesem Part häufen sich kleinerer Verschreiber. Nichts, was nun den Lesefluss besonders stark stören würde, aber vermeidbar. Statt aber nun diesen durchaus positiven Kommentar mit einer Auflistung von kleineren Verschreibern zu beschmutzen, schließe ich lediglich mit folgenden Worten ab: "Bleib dran!" Ich warte bereits sehnlichst auf die Aufklärung, ob nun der erste große und epische Kampf bevorsteht, ein glorreicher Sieg, eine niederschmetternde Niederlage, der Fall in den Fluss, das Ende allen Leids oder aber eine ganz andere Wendung der Dinge.

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    [tab=Kapitel 6 Teil 4]
    "Madam?"


    Für einen Atemzug erstarrte ich entsetzt in meiner schleichenden Bewegung. Diese Stimme ... deren Besitzer stand nicht etwa gerade hinter mir, oder? Das konnte nicht sein, diese Worte konnten doch unmöglich an mich gerichtet sein, niemand hatte mich beobachtet ... Unmöglich, ich konnte einfach nicht entdeckt worden sein!
    Doch da verstummte schlagartig der gesamte - über die Antennen, Lüftungsschächten und Satellitenschüsseln verteilte - Pokémonschwarm und richteten seine großen Augen in meine Richtung. Es waren nicht mehr diese stechenden Pupillen, mit denen sie mich in der Gasse angestarrt hatten, alles was ich nun in ihren Blicken las, war Erstaunen und Ehrfurcht. Noch bevor ich diesen einen Atemzug ausgehaucht hatte, war es offiziell: Man hatte mich entdeckt.
    Schließlich erwachte ich aus meiner Starre, um anschließend dem ersten Impuls nachzugeben, der durch meinen Körper schoss: Sofort um die eigene Achse wirbeln und mich diesem Unbekannten stellen. Was ich damit erreichen wollte? Das wusste ich selbst nicht, vielleicht folgte ich einfach dem zwanghaften Bedürfnis, mein Scheitern an diesem Mistvieh auszulassen, indem ich ihm sein verdammtes Gesicht zerkratzte … Oder es war nichts anderes, als ein Akt reiner Verzweiflung und Zorn. Bevor ich mich jedoch vollständig umdrehen konnte, wurde mir klar, wie idiotisch es von mir gewesen war, diesem Drang nachzugeben.
    Wie zum Hundemon drehte man sich überhaupt im Stand um, wenn man mehr als zwei Beine besaß? Auf allen Vieren hab ich so etwas noch nie gemacht, verdammt nochmal!
    Sogleich geriet ich aus dem Gleichgewicht und drohte jeden Moment wie ein nasser Sack umzukippen. Jedoch hatte ich keine Gelegenheit, dagegen zu steuern, zu schreien oder mich auf den Sturz vorzubereiten. Soweit kam es nicht.
    Ich sah nur ein paar schwarze Federn vom Himmel gleiten … gefolgt von einem Schatten, der auf mich zuraste … Dann wurde ich in völlige Dunkelheit gehüllt.


    ...


    Wie lange ich von dieser Finsternis eingehüllt blieb, wusste ich nicht. Was mir anschließend als erstes ans Gehör drang, war ein leises und aufgeregt klingendes Krächzen, doch es klang so, als wäre dieses noch weit von mir entfernt ... als ob es gar nichts mit mir zu tun hätte. Erst mit der Zeit wurde dieses Krächzen deutlicher. Nicht nur das, auch schienen sich immer mehr Stimmen anzuschließen, bis nach und nach ein ganzer Chor zustande kam, welcher laut krächzend seine Lieder trällerte. Regungslos lag ich mit geschlossenen Augenliedern in der Finsternis und lauschte teilnahmslos diesem Lärm, während ich darauf wartete, dass irgendetwas passierte. Was ... das konnte ich mir selbst nicht beantworten. Auch wenn ich nach und nach in die Realität zurückkehrte, in meinem Kopf herrschte weiterhin scheinbar endlose Leere. Alles was ich gerade wahrnahm, war der kalte Boden unter meinem Rücken … Und dass sich mein Brustkorb anfühlte, als hätte jemand ein gutes Kilo Ziegelsteine darauf gestapelt. Den Rest meines Körpers nahm ich anfänglich hingegen kaum wahr … Dieser Zustand der Benommenheit hielt jedoch nur wenige Augenblicke an, denn bald kehrte der Rest meines Körpergefühls zurück, gefolgt von meinem logischen Denkvermögen. Auf das Erste hätte ich jedoch im Nachhinein gerne verzichtet, nicht lange und ich konnte bereits ein – vorerst noch –harmloses Piksen in meiner linken Hinterpfote wahrnehmen. Begleitet wurde dieses Stechen von einem Pochen, welches sich immer mehr und mehr über meinen Rücken ausbreitete. Was anfänglich als ein sanftes Tippen begann, stieg schnell zu einem schmerzhaften Hämmern an, als ob mir jemand mit einem Ziegelstein die Wirbelsäule zertrümmern wollte … Demselben Ziegelstein, mit dem man mir anscheinend eine Ohrfeige verpasst hatte, demnach wie sich mein Gesicht anfühlte …
    Unbewusst entwich ein leises Stöhnen meinen Lippen. Ausgelöst durch die über meinen Rücken ausbreitenden Schmerzen. Ebenso intuitiv begann mein gequälter Körper mit den rechten Vorderkrallen über den Boden zu scharren, worauf ein leises metallisches Quietschen durch das Gekrächze hindurch zu hören war … Doch noch war mein Bewusstsein nicht vollständig zurückgekehrt, für mich erschien alles noch zu weit entfernt und so unwirklich, wie ein Tagtraum … Vielleicht war das ja alles wirklich lediglich ein Traum. Ja, wahrscheinlich träumte ich gerade und nichts war Realität gewesen … Weder meine Verwandlung, noch der Trainer ... oder diese schwarzen Diebe … die Feuerleiter ... mein Pirschversuch ... der schwarze Flügel! Mit einem Schlag kehrte mein Denkvermögen zurück, zusammen mit der bitteren Wahrheit, die wie ein heftiger Platzregen über mich hereinbrach.
    Eines dieser Viecher hat mich entdeckt, und das kurz bevor ich mich auf eines der Federbündel stürzen konnte. Mein Plan war durchkreuzt worden. Nein ... Verdammt nochmal, nein! Wieso hat man mich entdeckt, das ... das konnte doch nicht wahr sein ... Arg, dieser verdammte Rücken, was war jetzt schon wieder passiert?! Nun begann ich erst zu realisieren, wie sehr mein Rücken wirklich schmerzte, worauf ich meine Pfoten - so weit möglich – ächzend zusammenballte und meine Zähne fest aneinander biss.
    Nicht nur entdeckt hatte mich dieses verdammte Biest, es hatte es sogar so weit getrieben mich anzugreifen! Wie hatte so ein winziges Federbündel ... mich bloß wegschleudern können? Verdammt nochmal ...
    Schlagartig entfachte sich in meinem Körper erneut ein Feuer, entzündet durch den Gedanken an diese schwarzen Vogelpokémon, die bestimmt gerade hämisch krächzend über meinen Schädel schwirrten. Dieses brennende Feuer konnte man auch schlicht als puren Hass bezeichnen; Hass auf diese Diebe und auf mein verfluchtes Leben. Schnaufend öffnete ich meine Augenlider und starrte mit verzerrter Miene hinauf in den trostlosen Himmel. Statt Sternen bedeckten- wie erwartet - die schwarz gefiederten Aasfresser den Nachthimmel, die mich aufgebracht krächzend umkreisten. Wieder wurde ich an das Bild von aufwirbelnden Blättern erinnert, nur schien dieses Mal kein Windstoß, sondern ein Tornado sie durch die Luft zu fegen. Ihre großen roten Augen waren Großteils auf mich fixiert, doch alle hatten nun einen etwas anderen Blick in ihrem Gesicht: Entsetzten, Wut, Verwirrung ... Schadenfreude.
    „Ihr … verdammten …“, brachte ich angestrengt aus meiner Kehle hervor und versuchte frustriert und wütend gleichermaßen, meinen Körper aus dieser erbärmlichen Lage zu erheben, dem pochenden Rücken trotzend. Zwar würde ich mehr als eine Massage und Verbandszeugs benötigen, um diese Prellungen und sonstigen Verletzungen gänzlich wieder in Ordnung zu bringen, doch irgendwie reduzierten sich die Schmerzen für den Moment rasch auf einen – mehr oder weniger - erträglichen Bereich. Außerdem merkte ich nun, dass sich der Boden unter mir etwas nachgiebig und überraschend glatt anfühlte, ganz und gar nicht wie ein massiver Betonboden. Und dieses metallische Quietschen von vorhin ...
    Noch damit beschäftigt mich halbwegs aufzurichten, nutzte ich einen kurzen Moment und schielte in Richtung Boden. Tatsächlich, ich lag auf einem Lüftungsschacht, möglicherweise sogar der, an welchen ich mich eigentlich herangepirscht hatte, kurz bevor eines dieser Mistvieher hinter mir aufgetaucht war. Dabei war ich so nah dran gewesen … so nahe! Beinah hätte ich einem von ihnen das verdammte Gefieder … arg, verflucht! Dieser ganze Weg konnte doch nicht umsonst gewesen sein! Fünf Stockwerke hab ich mich hoch gequält, nur um plötzlich entdeckt und gegen einen Schacht geschleudert zu werden! Jetzt würden diese Viecher wieder abhauen, ganz wie zuvor ... Dass konnte doch nicht ernst sein … das war doch nur eine verdammt schlechter Witz, oder? Überhaupt, welches dieser Mistviecher hatte es überhaupt gewagt, mich zu attackieren? So ein kleines Federbündel konnte mich doch unmöglich mit seinen läppischen Flügeln …


    Entsetzt hielt ich in meiner Bewegung inne und sackte stattdessen zurück auf den kalten Metallschacht, während mir alle Farben aus meinem Gesicht entwichen. Mit einem fast schon fassungslosen Blick in den Augen starrte ich in die Höhe zu der großen finsteren Gestalt empor, die sich über mich aufgebäumt hatte. Mit seiner Größe überragte das Wesen mich und die schwarzen Vogelpokémon mindestens um das Doppelte, wenn nicht sogar um mehr. Gleichfalls entgingen mir nicht die rötlichen Augen, deren Pupille im Gegensatz zu den anderen schwarzen Pokémon eine kleine und eher rundliche Form besaß, doch darum wirkten sie nur noch umso bedrohlicher. Der Blick dieses Monstrum gab mir das Gefühl, als würde er mich mit diesem einfach durchbohren können und ich hatte keinen Zweifel daran, dass hinter diesen Augen die Bereitschaft steckte, ein kleines Vulpix zu töten. Unerwartet riss das Wesen seine zwei schwarz, rote Schwingen auseinander und ließ mich nur noch weiter zusammenschrumpfen. Entsetzt stieß ich einen erstickten Laut von mir und wollte rücklings das Weite suchen, doch der riesige Vogel schien diese gewaltigen Flügel nicht für einen Angriff zu benutzen. Vorerst nicht. Stattdessen öffnete das Pokémon seinen spitzen gelben Schnabel und rief in einem kratzigen, aber kräftigen Ton in die Runde: „Ruhe!“
    Im selben Moment verstummte das aufgeregte Geschrei über meinem Kopf. Die schwarzen Vogelpokémon, die vor wenigen Sekunden noch eifrig durch die Luft geschwirrt waren, flatterten schweigend zu der ihnen am nächsten stehenden Antenne, Satellitenschüssel oder Lüftungsschacht und ließen sich gehorsam darauf nieder. Panisch blickte ich zwischen den vielen kleinen Pokémon hin und her, die angespannt zu mir herab starrten, als wären sie genau im Klaren darüber, mit wem ich es hier gerade zu tun hatte. Als ich meine Aufmerksamkeit zurück zu dem riesigen Vogel wandte, kreuzten sich unsere Blicke, doch ich konnte diese stechenden Augen einfach nicht lange ertragen. Rasch wich ich diesen Augen aus.
    Bloß ... keine Angst ... zeigen. Das ist ja nur ein Pokémon ... nur ein normales Pokémon. Kein Grund ... in Panik zu geraten.
    Dennoch fühlte ich, wie in mir rasch ähnliche Gefühle emporstiegen, wie einige Stunden zuvor bei meiner Flucht vor diesem Trainer, egal wie sehr ich sie auch zu unterdrücken versuchte. Mir stand zwar kein Mensch gegenüber, der die Macht hatte, mich in einem Pokéball zu sperren, dafür ein Monster, welches mich möglicherweise allein mit seinem Blick töten konnte. Die Tatsache, dass es sich „nur“ um ein Pokémon handelte, konnte mich da nur wenig beruhigen. Egal wer oder was dieses Vieh aber wirklich war, es war bestimmt nicht seine eigentliche Absicht, mich hier freundlich zu empfangen, dass konnte ich alleine von der herrschenden Atmosphäre erkennen ...
    Nervös schluckte ich diese Befürchtungen hinunter und fixierte meinen Blick unentwegt auf das weiße Gefieder des großen Vogelpokemons, welches seinen Hals wie ein Pelzkragen umhüllte, um weiter direkten Augenkontakt zu vermeiden.
    Schließlich regte sich mein Gegenüber erneut und strich sich mit seinen großen Schwingen über sein ebenfalls hutähnliches Kopfgefieder - welches mehr an einen altmodischen Herrenhut, als den einer Hexen erinnerte - und begann mit einem ruhigen und, für ein Pokémon seltsam höflichen Ton zu sprechen: „Also nochmals Madam, dürfte ich bitte erfahren, was sie hier in unser bescheidenes Nest führt? Mit wem haben wir hier überhaupt die Ehre?“
    Zitternd versuchte ich die Flucht nach hinten anzutreten, in dem ich mich mit meinen Pfoten rücklings über den Metallschacht schob. Dieses Vorhaben funktionierte jedoch mehr schlecht als recht, denn meine Pfoten fanden auf dieser Oberfläche kaum halt, sodass ich nur sehr lahm vorankam.


    „Kramshef!“, erklang von wo anders eine mir bereits bekannte Stimme, „Das ist dieses Pokémon, welchem wir bei der Futtersuche begegnet sind und uns beschimpft und ...“
    „Schweig ...“, unterbrach ihn das Pokémon knapp, welches der kleine Vogel als Kramshef bezeichnet hatte, ohne seine Stimmlage zu ändern. Ohne zu widersprechen brach das Vogelpokemon ab und hielt gehorsam den Schnabel. „Seltsam, ich dachte immer, dass eure Art nicht viel von großen Höhen und langen Verfolgungen hält. Es ist also wahr, sie sind wegen meinen Schützlingen hier, hab wir nicht recht, Madam?“
    „Nein … also ich …“, stotterte ich und versuchte nur noch schneller von diesem gefiederten Monster weg zu weichen. Etwas Sinnvolleres wollte im Moment einfach nicht aus meinem Mund dringen, dazu blockierte mein Fluchtinstinkt mein logisches Denkvermögen zu sehr, der immer mehr Überhand gewann. Dieses Mal war es nicht nur dieser Vulpixinstinkt, sondern auch meine Menschenseite rief mich wiederholt zur Flucht auf. Dieses Vieh hatte sich immerhin lautlos angepirscht und mich mit einem einzigen Flügelschlag für einige Sekunden in die Welt der Finsternis befördert … Dieses Mal waren diese Warnungen wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht. Noch einmal zerrte ich mich mit meinen Pfoten über den Lüftungsschacht, doch dieses Mal rutschte ich gleich ruckartig mehrere Zentimeter über das glatte Metall. Und plötzlich musste ich feststellen, dass ich das Schachtende erreicht hatte. Überrumpelt stieß ich ein überraschtes Quietschen hervor, bevor sich mein Gleichgewicht nach hinten verlagerte und ich rücklings vom Lüftungsschacht kippte. Mit einem dumpfen Knall schlug ich unsanft auf dem Grund des Daches auf, jedoch nahm ich aus irgendeinem Grund die folgenden Schmerzen, wie die Prellung auf meinem Hinterkopf, nur halb war. Eifrig nach Luft schnappend versuchte ich möglichst schnell wieder auf meine Beine zu kommen, um nicht weiter deckungslos auf dem Rücken zu liegen. Während mich so bemühte, mich auf meine drei intakten Pfoten zu stützen, hörte ich ein dumpfen Klang, verursacht durch Kramshef, der sich mit einem einzigen Flügelschlag auf den Lüftungsschacht schwang, ohne mich nur einen kurzen Moment aus seinem stechenden Blick entkommen zu lassen.
    „Kommen Sie schon, Madam, wir können ruhig ehrlich zueinander sein“, krächzte der kohlrabenschwarze Vogel und plusterte seinen weißen Federkragen weiter auf, „Sollen wir vielleicht irgendwie behilflich sein, sollen wir Euch ein Nest bringen oder wollt ihr, dass man euch vielleicht direkt nach unten begleitet?“
    Bebend schaffte ich es schließlich auf meine Pfoten zu kommen, nur um mit eingezogenem Kopf hinauf zu dem völlig unbeeindruckten Kramshef hoch zu starren. Auch wenn ich jetzt wieder auf meinen vier Beinen stand, wirkte er nicht unbedingt weniger bedrohlich, auch wenn er nüchtern betrachtet kleiner war, als jeder durchschnittliche Jugendliche. In meinem Kopf wollte die Situation ebenfalls nicht besser werden, zwar löste sich meine Denkblockade etwas, doch wirklich viel half es mir nicht. Im Gegenteil, mein unterdrückten Emotionen schienen sich nun nur noch deutlicher bemerkbar zu machen.
    Nein, nur die Ruhe bewahren, ich war ja noch am Leben. Das Kramshef war auch nicht mehr als ein dämliches Pokémon was lediglich das dominanteste Mitglied dieser diebischen Bande war und dazu fähig, mich mit einem Flügelschlag bewusstlos zu schlagen ... Verdammt nochmal, wie sollte mir so ein Gedankengang in irgendeiner Weise beruhigen? Ich war verdammt, wenn ich nicht bald irgendeinen Weg aus diesem Dilemma fand, da war ich mir ganz sicher!
    Völlig am Ende strengte ich mein Hirn auf Höchstleistung an, doch mir wollte schlichtweg nichts Brauchbares einfallen, nebenbei weiter zurückweichend. Flüchten … das war momentan unmöglich, zwischen mir und der Feuertreppe, dem einzigen sicheren Ausweg von diesem Dach, stand dieser riesige Vogel, an dem kein Vorbeikommen war. Sonst gab es keine Möglichkeiten, die Dachränder waren zwar weder durch eine Mauer, noch durch ein Gitter gesichert, doch sich hinabzustürzen würde nicht gut ausgehen. Wenn ich jedoch hier blieb, würde es wahrscheinlich … auf dasselbe hinaus laufen …
    Völlig unbeeindruckt ließ sich Kramshef schließlich die paar Zentimeter vom Lüftungsschacht fallen und folgte mir mit ruckartigen Schritten. Unter anderen Umständen hätte diese Bewegung lächerlich und belustigend gewirkt, doch mir war gerade alles andere als nach Lachen zumute.
    „Also Madam ...“, begann Kramshef ungeduldig mit seinem Schwanzbüschel hin und her wippend, „wenn Sie keine Lust zum Sprechen habt, muss ich Sie wohl oder übel mit anderen Mitteln davon überzeugen ...“
    Dabei gab das Pokémon ein unerwartet amüsiert klingendes Gurren von sich, bevor er seine Schwingen wieder eng an seinen Körper legte, „Vielleicht werdet ihr aber danach überhaupt nicht mehr in der Stimmung sein, zu reden. Das wäre doch wirklich schade, findet ihr nicht auch?“


    Entgeistert starrte ich dieses übergroße Biest an, welches mich noch immer mit einem Hauch von Spott betrachtete.
    Komm schon … mach irgendwas! Wenn ich nicht bald etwas unternahm, würde mein erbärmliches Leben bald schneller vorbei sein, bevor ich bis drei zählen konnte ... beendet durch die Krallen oder Schwingen dieses Vogelmonsters! Und ich hatte geglaubt, der Trainer war das Katastrophalste, was mir je begegnen konnte ... Wieso musste mich die Welt immer eines Besseren belehren, verdammt nochmal! Nein ... Ich musste jetzt ... etwas unternehmen ...
    „Ihr …“, begann ich mit zitternder Stimme, während ich versuchte, das kleine bisschen Mut und Kampfgeist, das in mir steckte, heraufzubeschwören.
    „Ihr habt mir mein Fre … Fres … mein Essen geklaut …“, setzte ich nach einigen Sekunden des Stimmversagens fort und versuchte mir noch einmal vor Augen zu halten, weswegen ich hier war. Der Überfall in der Gasse ... Der Diebstahl meines Essens ... Die Erniedrigung. Als ich mir so diese Bilder und Emotionen durch meinen Kopf gehen ließ, fühlte ich schlagartig, wie ich stärker von einem unbekannten Mut gepackt wurde, der für einen Augenblick all meine Ängsten und Sorgen unterdrückte. Ich durfte nicht Schwäche zeigen … Ich durfte keine Angst vor diesen Viechern zeigen! Ich musste …
    „Ihr … Ihr Diebe! Ihr verdammten dreckigen Pokémon, ihr seid an allem schuld!“
    Die letzten Worte schallten über das Dach hinweg, ähnlich wie meine Worte, mit denen ich mich im Kirchengebäude über mein Leben beklagt hatte. Für den Moment war es mir egal, was für Konsequenzen meine Ausdrucksweise haben würde und dass mir diese Worte den Kragen kosten konnte … es kümmerte mich einen Dreck. Dieses verfluchte Vieh wollte den Grund für mein Kommen; nun, da hatte er ihn! Und dazu noch meinen gesamten Hass, meine Wut und alles, was ich ihm noch mit meiner Stimme entgegen werfen konnte. Für einen Bruchteil einer Sekunde konnte ich in Kramshef Gesichtsausdruck einen Ansatz von Überraschung und Verärgerung über meinen neuen Tonfall erkennen. Ich fühlte reichlich Genugtun über diese winzige Reaktion, endlich ließ er seine ruhige und überhöfliche Maske fallen, mit der er ganze Zeit über mich herabblickte. Jetzt konnte das Mistvieh sehen, dass ich nicht dieses schwächliche Vulpix war, für das er mich hielt! Doch bevor ich dessen Reaktion völlig auskosten konnte, nahm das schwarze Vogelpokémon schon wieder eine unbeeindruckte Ausdruck an und sprach weiter mit anormaler ruhiger Stimme: „Und deswegen seid ihr hier herauf geklettert? Statt nach anderer Nahrung zu suchen, wollt ihr nun uns beschimpfen und … fressen?“
    Bei seinen letzten Worten ging ein leises Raunen durch die Menge der schwarzen Vögel, die bis jetzt vollkommen lautlos ihrem Anführer und mir zugeschaut hatte.
    „Wirklich ungewöhnlich ... Ich hab noch nie zuvor ein so törichtes Pokémon getroffen, welches so weit gehen würde, in ein Kramurxnest einzudringen und ...“
    „Ich bin kein verdammtes Pokémon!“, schnitt ich dem Vieh wutentbrannt ins Wort und reckte meinen Kopf hoch gegen den Nachthimmel, „Ich bin ein Mensch, verdammt nochmal! Ich bin kein dreckiges Pokémon wie ihr!“
    Für einen Moment herrschte komplette Stille. Keiner der schwarzen Pokémon gab einen Mucks von sich, weder die – offensichtlich Kramurx genannten – kleinen Vogelpokémon, die mich verwirrt anstarrten, noch ihr Anführer, welcher mich weiter kühl betrachtete. Diese kurze Pause machte mir klar, dass es nicht Mut gewesen war, der mir die ganze Kraft geben hatte, meine Meinung zu sagen... Es war wieder reine Verzweiflung gewesen.


    Schlagartig wurde das Schweigen von einem amüsierten Krächzen beendet, welches nun von allen Seiten gleichzeitig losbrach. Die Kramurx schlugen belustigt mit ihren Schwingen und riefen sich spöttisch gegenseitig zu: „Ein Mensch, ein Mensch! Die da will ein Mensch sein? Krakrakra!“
    „Seid still“, kreischte ich völlig hysterisch, doch meine Stimme ging einfach in dem lauten Chor aus Gespött unter. Wie ein von einem Rudel Magnayen umzingeltes Pokémon drehte ich mich verzweifelt umher und versuchte irgendetwas gegen diese schwarzen Vögel zu unternehmen oder wenigstens ihrem Hohn zu entkommen.
    „Hört auf! HÖRT AUF!“
    Vergeblich brüllte ich mir meine Seele aus dem Leib, doch diese verfluchten Pokémon ignorierten mich einfach. Es war egal, dass wir im Moment dieselbe Sprache benutzten, anders als damals bei den Menschen auf der Einkaufsstraße. Nun erkannte ich, dass es keinen Unterschied machte, ob man mich verstehen konnte oder nicht, mein Aussehen nahm man eher für bare Münzen, als meine eigenen Worte. Solange ich in diesem verdammten Körper steckte, würde mir niemand glauben …
    Mit dieser Erkenntnis war der Mut, mich gegen diese Pokémon aufzulehnen, völlig verschwunden.
    „So, so, ein Mensch also ... Seid ihr euch sicher, dass wir dieselbe Definition von ‚Menschen‘ haben?“, bemerkte Kramshef mit einem wieder amüsierten Ton in der krächzenden Stimme, ohne sich um das laute Geschrei seiner Schützlinge zu kümmern. Nun etwas kleinlaut senkte ich wieder meinen Kopf und benahm mich so jämmerlich wie ein Hundemon, dem man den Schwanz eingetreten hatte, während ich weiter den Rückzug antrat. Unter der höhnenden Menge, deren Spott ich unmöglich entkommen konnte, schien ich nur noch weiter zu schrumpfen. Ich wollte einfach meine Ohren verschließen und mir wieder Mut zu zusprechen, doch da konnte ich im Augenblick machen was ich wollte. Ich wollte mich einfach nur irgendwo verkriechen, wo ich von diesen verdammten Pokémon und meinem „Schicksal“ in Ruhe gelassen wurde. Diese verdammten schwarzen Biester ... sollen sie doch alle einfach abstürzen und elend krepieren! Noch bevor ich aber aus dem Kreis der Kramurx entkommen konnte, erhob plötzlich ihr Anführer wieder eine seiner Schwingen, worauf krächzende Chor schlagartig verstummte. Endlich herrschten wieder Stille, doch Zeit diese wertzuschätzen blieb mir nicht …


    „Ihr seid wirklich ein sehr seltsamer Fall, wenn ich das so sagen darf“, bemerkte das aufgeplusterte Vogelpokémon noch immer im belustigtem Ton: „Ihr seid also ein Mensch im Vulpixfell und wollt nun ein paar Kramurx überfallen, sehe ich das richtig?“
    „Sei … einfach …“, murmelte ich und fühlte, wie mein ganzer Körper zu beben begann. Ich fühlte kaum noch Motivation, mich noch verbal gegen dieses idiotische Pokémon aufzulehnen; diese Kraft war wieder irgendwo ganz tief in mein Inneres versickert. Meine Frustration hingegen stieg nur noch weiter an, gefördert durch das hämische Lachen und den Spott dieser Diebesbande. Hilflosigkeit … Machtlos zu sein … Diese deprimierenden und frustrierenden Gefühle schienen mich von innen aus zu zerfressen. Sie waren im Moment sogar stärker als alle meine Warninstinkte, die wieder aufgeregt zu läuten begannen … Doch ich hörte ihnen nun nicht mehr zu. Lange würde ich das nicht mehr ertragen, ich drohte innerlich zu zerreißen, wenn ich bald nicht verschwinden oder …
    „… Still!“, beendete ich meinen Satz und sprang – soweit mit meinem verletzten Bein möglich – impulsiv auf den schwarzen riesen Vogel zu. Mein ganzer Hass, meine ganze Verzweiflung und Frust steckte in dieser einen Aktion. Ich wollte dieses verdammte Pokémon einfach damit in Stücke zerreißen, zerfetzen oder wenigstens seinen Schnabel unbrauchbar machen. Irgendetwas, damit ich dieser Hilflosigkeit entkommen konnte, ich wollte nicht lediglich ein Opfer von diesen Vogelpokémon sein … Wenn nicht Verbal, dann mit roher Gewalt, Größenunterschied hin oder her. Fauchend stürmte ich weiter auf das nur wenige Mauzisprünge von mir entfernte Kramshef zu und zückte schon meine weißen Krallen, während im Hintergrund erneut ein lautes – dieses Mal jedoch fassungsloses – Krächzen und Kreischen die Luft zerriss … Gefolgt von einem schwarzen Flügel.
    Bevor ich es überhaupt realisiert hatte, war mein Sichtfeld abermals gänzlich von schwarzen Federn verhüllt worden, sodass es mir wieder vorkam, als wäre schlagartig dunkelste Finsternis über mich hereingebrochen. Genauso wie vorhin wie bei seinem ersten Angriff.
    Für einen einzigen Sekundenbruchteil war ich weder fähig auf irgendetwas zu reagieren, noch meine eigene Bewegung zu stoppen. So konnte ich nicht verhindern, dass mir Kramshefs Flügel mit voller Wucht gegen mein Gesicht knallte und mich gewalttätig von den Pfoten riss. Entgeistert wollte ich einen Schrei von mir stoßen, doch bevor überhaupt ein Laut aus meiner Kehle kam, schlug ich bereits hart mit meinem Rücken auf dem Boden auf.
    „Urg …“, das war alles, was aus meinem Mund drang, während sich in mir schlagartig Übelkeit breitmachte, als müsste ich mich jeden Moment gleich kotzen. Ebenso durchflutete ein brennender Schmerz meinen gesamten Körper; sowohl mein Rücken, als auch mein Gesicht fühlten sich an, als hätten mir ein paar Leute gleichzeitig auf mich eingedroschen … Mit Ziegelsteinen. Das einzige was mich noch verschonte, war die verletzte Kralle …
    Hektisch atmend wälzte ich mich gequält auf dem Boden herum.
    Arg ... Mein Rücken … Verfluchtes Biest … Musste mich dieses verdammte Kramshef - physisch und psychisch - derartig fertig machen, nur weil ich mich rächen wollte? Das war mein gutes Recht, diese Kramurx haben damit angefangen, ich wollte ja nur ... Verdammt, das rechtfertigte das alles nicht! Was zum Hundemon hatte ich mir überhaupt dabei gedacht, diesen aufgeblasenen Vogel frontal anzugreifen?! An Selbstmord?
    Bebend vergrub ich meine Vorderpfote in meinem schmerzverzerrten Gesicht, mich nicht darum kümmernd, dass alle meine Krallen immer noch ausgefahren waren.
    „Ihr wolltet euch also alleine gegen all meine Schützlinge stellen?“, hörte ich Kramshefs ruhige Stimme ganz in der Nähe. Keuchend schielte ich mit einem vernichtenden Blick in den Augen zu dem riesigen Federvieh hinüber. Hau einfach ab, lass mich in Ruhe, geh einfach, verdammt nochmal! Lass mich …
    „Ein paar Krallen gegen unsere Schnäbel? Vielleicht etwas von unserem Gefieder mit einem Feueratem versengen? Ihr seid wirklich sehr töricht, Madam. Ihr seht ja, was ihr bis jetzt erreicht habt …“
    Als wäre damit irgendein Stichwort gefallen, riss das Pokémon plötzlich seine beiden Schwingen weit auseinander, doch dieses Mal musste ich mit Bestürzung feststellen, dass es mich damit nicht nur einschüchtern wollte. Das Vogelpokémon schlug kurz mit seinen großen Flügeln und katapultierte sich sogleich einige Meter in die Lüfte, worauf sein gesamtes Gefieder mit der finsteren Nacht zu verschmelzen schien. Lediglich seine roten Augen leuchteten in der Dunkelheit auf, die das schwach vorhandene Licht reflektierten, waren noch sichtbar und entfernten sich immer weiter … bis sie schlagartig wieder größer wurden. Entsetzt wollte ich einen Satz nach hinten machen und mich vor dem heranbrausenden Monster in Sicherheit bringen, jedoch war das in meinem Zustand unmöglich. Ich lag gerade völlig bewegungslos, wie auf dem Präsentierteller auf dem Rücken, was sollte ich da bitte tun? Kaum hatte ich diesen Gedanken beendet, blitzten schon direkt über meinem Kopf zwei Klauen auf und bevor ich mich versah, presste mich eine von ihnen mit einem festen Ruck gegen den harten Boden. Ein weiterer Laut meinerseits wurde sofort erstickt, ich konnte für einen Augenblick nicht einmal mehr Luft in meine Lungen füllen, derartig grob drückte mir das Biest seine spitzen Krallen in meinen Brustkorb. Noch einmal explodierten jeder erdenkliche Schmerz in meinem Vulpixkörper auf, meine Sicht begann zu flackern und ich drohte gleich aufs Neue das Bewusstsein zu verlieren ... Zitternd versuchte ich meine Vorderpfote zu heben und nach Kramshefs Klauen zu packen, doch nach wenigen Zentimetern versagte meine Motorik. Was aber die Schmerzen betraf … entweder wurde ich langsam resistent oder ich stand noch völlig unter Schock, denn sie verschwanden schneller als sonst und reduzierten sich bald auf ein erträgliches Maß … Wenn man von dem brennendem Schmerz absah, welches durch die weißen Krallen des schwarzen Monstervogels verursachte wurde. Vielleicht war das aber auch wieder ein Instinkt, der es diesen Pokémon ermöglichte, trotz Verletzungen weiter zu kämpfen … Was zum Hundemon zerbrach ich mir meinen Kopf darüber, ich musste hier weg! Verzweifelt versuchte ich weiterhin meinen Körper zu bewegen und mich aus der unsanften Umklammerung zu befreien. Vergeblich, Kramshef hatte meinen Oberkörper und Teile meines rechten Vorderbeines förmlich auf den Boden festgenagelt und ließ mir kaum Freiraum. Nicht einmal meinen Kopf konnte ich noch drehen, sodass ich mein Blick unweigerlich nach Oben gerichtet war, hinauf zu dem schwarzen Vogel, der mich weiter mit seinen stechenden Augen durchbohrte. Doch auch die großen Augen der Kramurx, die sich ganz in der Nähe auf einer Antenne oder einem Schacht niedergelassen hatte, betrachten mich mit einer Mischung aus Genugtuung und Ehrfurcht, als wüssten sie genau, was mit mir gleich geschehen würde.
    „Lass ... mich los ...“, zischte ich und versuchte noch etwas von Entschlossenheit aufzubringen, jedoch klang meine Stimme alles anderes als überzeugend, sodass meine Botschaft völlig den Bach runter ging. Nichts schien dieses Vogelpokemon zu beeindrucken.
    Bloß ... nicht ... verzweifeln ... Ich komme hier noch weg ... bestimmt ...
    Ein völlig bedeutungsloser Zuspruch, ich war schon längst in größer Verzweiflung. Über mir stand ein Monster, dass mich jeden Moment mit seinen Klauen oder Schnabel aufspießen konnte, wie sollte ich da nicht in Panik geraten? Verdammt nochmal, warum war ich einfach nicht unter dieser blöden Mülltonne liegen geblieben. Ich durfte doch nicht... Ich will doch nicht durch ein verdammtes Pokémon ste- ...
    Ich beendete diese furchtbare Vorstellung nicht, sondern versuchte - völlig mit den Nerven am Ende – einen anderen Weg aus Kramshefs Fängen zu finden. Als Antwort darauf, quetschte mich das Vogelpokemon nur noch fester ein und sprach wieder mit seiner krächzende Stimme: „Wissen Sie, meine Schützlinge sind keine richtigen Kämpfer, wir halten uns lieber in den Schatten der Nacht und agieren ... auf eine gewisse Art und Weise friedlich. Doch wenn es jemand wagt, uns anzugreifen, verteidigen wir uns vereint. Meine Schützlinge könnten es ihnen hier auf der Stelle beweisen und Euch die Augen auspicken!“
    Demonstrativ fuchtelte das große Vogelpokémon lässig mit seinen weißen Krallen knapp vor meinem linken Auge herum. Dass seine Schützlinge mir die Augen auspicken konnten, machte mir gerade weniger Sorge, ich hatte viel mehr Angst, dass mir Kramshef mein Augenlicht in seiner Unachtsamkeit sofort nehmen würde. Wenn das Vieh jedoch so weiter machte, waren nicht nur mein Sehsinn in Gefahr, sondern meine gesamte jämmerliche Existenz! Diese spitzen Dinger schienen nur so danach zu rufen, irgendetwas aufzuschlitzen ...
    Verbittert schlug ich meine Augenlider zu, als könnte ich so verhindern, dass mir das Pokémon meine Augen auskratzen könnte. Auch wollte ich diese Krallen nicht sehen … Ich wollte nicht mehr zu diesem Monster und diesen roten Augen empor blicken. Ich wollte aus diesem verdammten Albtraum aufwachen, in dem ich schon seit zwei Tagen gefangen war! Verzweifelt kämpfe ich gegen diese ganzen Vorstellungen, was wohl gleich mit mir geschehen würde. Augen auskratzen ... aufschlitzen ... mich in Stücke zerreißen ... oder gar Fressen, würg ...
    Mit all meiner Kraft, die mir noch zur Verfügung stand, wand ich mich unter dem festen Griff und versuchte irgendwie Gelegenheit zu finden, einen kurzen Moment der Unachtsamkeit, in der ich fliehen konnte. Doch je länger ich es versuchte, desto schneller verließ mich jegliche verbliebene Hoffnung zu entkommen, so wie der Sauerstoff in den Lungen … lange würde ich das Ganze nicht durchstehen können …
    „Doch sie müssen euch gar nichts beweisen ... Mensch“, hörte ich wieder Kramshefs Krächzen … als plötzlich der Druck auf meinem Brustkorb nachließ. Völlig überrumpelt rollte ich zur Seite, bevor ich prustend nach Luft schnappte, als wäre ich gerade wieder aus den Tiefen eines Flusses aufgetaucht. Keuch … Was zum … wieso … wieso bin ich wieder frei? Wie war das möglich …
    Überrascht öffnete ich meine fest verschlossenen Augen … und wünschte mir einen Sekundenbruchteil später, sie einfach geschlossen gehalten zu haben. Kramshef hatte tatsächlich aufgehört, mich mit seinen Krallen am Dachgrund festzuhalten; nun stand der übergroße Vogel gut zwei Meter von mir entfernt, seine Schwingen weit auseinander gerissen die er nun …
    Entsetzt strampelte ich panisch mit meinen Beinen herum und versuchte vergeblich meinen Körper in die Höhe zu zerren.


    … mit einem Mal zusammenschlug *2


    Ein heftiger Windstoß war die Folge, welcher mir an meinen großen Vulpixohren vorbei pfeifte und innerhalb eines Atemzuges die Stärke erreicht hatte, mit der man ein kleines Pokémon spielend umzureißen konnte. Dieses kleine Pokémon war ich.
    Gnadenlos riss mich die Böe vom Boden weg, ich hatte in meiner misslichen Lage nicht einmal die Chance, mich irgendwo festzukrallen, ganz zu schweigen zu flüchten. Keine Antenne, Satellitenschüssel oder Wasserspeicher befanden sich in meiner Reichweite, an denen ich Halt hätte suchen können. Alles was um mich herum lag war Abfall und nestartige Gebilde, die gleichzeitig mit mir durch die Luft geschleuderter wurden. Von Todesängsten erfüllt, ruderte ich zwanghaft mit meinen Beinen durch die Luft, kurz davor einen gellenden Schrei über das ganze Dach zu jagen. Einmal kreuzte ich noch einen Blick mit Kramshef, der noch immer diesen herzlosen Ausdruck in seinen Augen hatte, bevor sich alles um mich herum zu drehen begann, als würde ich gerade in einer Achterbahn sitzen. Das Dach und der Nachthimmel, Oben und Unten, der aufgewirbelte Müll ... Und ich war der Mittelpunkt dieser ganzen Drehbewegung. Doch noch bevor mir wirklich übel werden konnte, kehrte mein Körper ein weiteres Mal unangekündigt zurück auf den festen Grund des Daches zurück, doch von einem Ende dieses Höllentrips konnte noch keine Rede sein. Kaum hatte ich den Betonboden kurzzeitig berührt, federte ich schon wie ein Ball ab und überschlug mich infolge kopfüber. Als hätte ich schon nicht genug Verletzungen, Schürfwunden und Prellungen über meinen ganzen Leib verteilt ... jeder Aufprall fügte nochmals einen schmerzenden blauen Fleck hinzu, doch ich nahm diese immer nur für einen kurzen Bruchteil wahr. Was dauerhaft blieb, war diese unbeschreibliche Angst und Panik. Schließlich schien ich mich genug überschlagen zu haben, denn abrupt reduzierte sich meine Geschwindigkeit, mein Körper schlitterte nun nur noch über den grauen Boden bevor ... der Boden einfach zu Ende war. Meine Hinterbeine rutschten einfach ins Leere. Entgeistert fuhr ich wie ein aufgeschrecktes Haspiror zusammen, als mir klar wurde, was dies bedeutete: Ich hatte das Ende des Daches, welches weder von einem Gitter, noch von einer kleinen Mauer abgegrenzt war , erreicht ...
    Nun völlig in Panik versuchte ich alles, um einen Sturz zu verhindern und mit meinen Vorderbeinen irgendwo Halt zu finden, bevor es zu spät war. Intuitiv rammte ich meine ausgefahrenen Krallen in den harten Boden, um noch rechtzeitig abzubremsen. Trotzdem schlitterte ich noch weiter gegen das Ende zu, meine weißen Klauen hinterließen lediglich sechs längliche Kratzer im Beton. Nun musste ich auch gegen das Gewicht meines Unterkörpers kämpfen, welcher bereits von der Dachkante baumelte und mich hinunter zu zerren drohte.
    Halt … Halt sofort an! Stopp … Bitte! Ich will nicht runterfallen, ich … ich will nicht sterben! Wieso holt mich niemand hier raus?!
    Mit meinen Kräften und Nerven beinah am Ende, strampelte ich verzweifelt mit meinen Hinterbeinen durch die Luft, während ich oben mit meinen Vorderbeinen versuchte, zu retten, was noch zu retten war … Und dann passierte es: Mein Körper hielt tatsächlich an.


    Bereits mehr als die Hälfte meines Körpers hing über den Rand des Daches, alles was mich den dünnen Faden, an dem mein Leben hing, vom Reißen abhielt, waren meine Vorderbeine und meiner großer Schädel. Doch ich war noch da, ich war noch am Leben … doch … wie lange noch? Nach Luft ringend, krallte ich mich nur noch verbissener an das letzte bisschen Halt, der mir verblieben war, doch trotz aller Mühe und Anstrengung, rutsche immer wieder einen Millimeter weiter auf den Rand des Daches zu. Knapp an einem Nervenzusammenbruch, warf ich einen flüchtigen Blick in die Tiefe, nur um es kurze Zeit später zu bereuen. Um ein Haar hätte ich vor Schreck den Halt unter meinen bebenden Pfoten verloren, doch in allerletzter Sekunde konnte ich diesem Katastrophenszenario entgehen.
    Mochte vielleicht sein, dass ich mich hier „nur“ fünf Stockwerke über der von Straßenlampen beleuchteten Straße befand, doch hier hatte ich jedoch mehr den Eindruck, dass es mindestens doppelt so viele sein mussten. Die am Straßenrand geparkten Autos und die gelblich leuchtenden Laternen wirkten im Verhältnis zu ihrer wahren Größe winzig und verdeutlichten mir nochmals, dass ein Sturz nur mit einem Tod enden konnte.
    Durch den Schock begann meine Sicht wieder etwas zu flimmern und sich etwas zu verdunkeln, worauf ich meine Augen wieder einmal fest schloss.
    Nicht daran denken … einfach nicht an die Straße unter mir denken! Beruhig dich … bloß jetzt keinen Fehler machen, sonst bin ich dran. Lass einfach …. nicht los!
    Mein Atem raste wie verrückt und immer wieder drang ein verzweifeltes Wimmern aus meinem Mund, welches ich gar nicht mehr zu unterdrücken versuchte.
    Verdammt … Was sollte ich nun tun? Ewig konnte ich mich hier nicht fest klammern, in Fakt spürte ich längst meine ohnehin spärlichen Kraftreserven erschreckend schnell schwinden. Und hochziehen … Nein, nein, das würde ich nicht schaffen! Unmöglich, ich … ich konnte doch nicht … Unmöglich! Ich … konnte es einfach nicht, verdammt nochmal! Wenn ich meine Pfote ein bisschen hob, würde ich hinab stürzen! Ich wusste wie hoch dieses Haus war, diesen Sturz würde ich niemals überleben!
    Als ob ich nicht schon genug Probleme hatte, hörte ich plötzlich ein leises Krächzen direkt vor mir. Kaum hatte ich meine Augen einen Spaltbreit geöffnet, erkannte ich sofort ein Paar grauer Fänge, die nur einem einzigen Pokémon gehören konnte. Ein weiteres Mal rutschte mir mein Herz in die nicht vorhandene Hose.
    „Wisst Ihr Madam …“, begann Kramshef, der Besitzer dieser Vogelfüße, welcher seinen Blick mit völlig kalter Miene langsam über meine zitternden Pfoten schweifen ließ. Gleichzeitig strich er mit seiner rechten Klaue bedrohlich über den Beton und näherte sich langsam meinen Vorderpfoten.
    „… die meisten Menschen sind wirklich niederträchtige Kreaturen. Sie reißen sich alle Nester ... all unseren Lebensraum unter ihre Krallen …“
    Hilflos starrte ich seine Klaue an, mit der er nun meine Vorderpfote packte und langsam von ihrer krampfhaften Haltung in die Höhe hob.
    „Aufhören …“, hauchte ich, doch mir versagte meine Stimme.
    „… Zwar gibt es bei ihnen reichlich zu fressen … Doch zu welchem Preis frag ich dich?“
    Für einen Moment hielt er inne, als wartete er darauf, dass ich mich noch irgendwie zur Wehr setzte, doch als nichts weiteres passierte, ließ er schließlich – fast enttäuscht wirkend - von meiner Vulpixpfote ab. Völlig angespannt knallte diese zurück auf die Dachkante, doch ich hatte keine Möglichkeit mehr mich mit meinen Krallen daran festzuhalten. Sie glitt einfach an der Kante ab und baumelte nun wie meine Hinterbeine frei über dem Abgrund.
    „Nein!“, drang es letztendlich doch heißer aus meiner Kehle, während ich mich nur noch verzweifelter mit meiner verbliebenen Pfote an meinen Halt krallte. Diese rutschte jedoch unter der neuen Last nicht mehr wenige Millimeter Richtung Ende ab, sondern gleich ein paar Zentimeter. Doch noch hielt ich mich oben …
    „Wissen sie, ich hab mehr meiner Söhne und Töchter an Menschen verloren, als durch jagende Pokémon.“, setzte Kramshef seine Rede fort und packte unbarmherzig mein verbliebenes Vorderbein und vergrub dabei seine stechenden Klauen tief in meine Haut. Entgeistert starrte ich seinen grauen Vogelfuß an, wie dieser langsam meine letzte Pfote von meinem unsicheren Halt zerrte, so sehr ich mich auch dagegen stemmte. Ich hatte keine Chance … nicht die die Geringste.
    Noch während ich diesem Schauspiel hilflos beiwohnte, wurde meine Sicht immer miserabler, als würde ich gerade ohne Taucherbrille Unterwasser schwimmen. Auch schienen sich meine Augen etwas mit Tränenflüssigkeit zu füllen und dieses Mal konnte ich sie mir nicht aus dem Gesicht wischen. Doch um mein Leben flehen … konnte ich nicht. War es Stolz oder war es einfach Panik, die mir meine Stimme raubte? Was …
    „Wenn du wirklich ein Mensch wärst“, rief Kramshef nun plötzlich mit kräftiger und hasserfüllter Stimme „würde ich dich hier und jetzt in Stücke zerreißen!“


    Ruckartig riss er seine Klaue in die Luft … und trennte kurzerhand meine Pfote vom Dach. Im selben Moment rutschte mein großer Kopf von der Kante ab; ich stürzte. Meine aufgerissen Augen starrten hinauf in den verschwommenen Nachthimmel, während neben mir die trostlose Hausfassade vorbeizog. Der Himmel blieb wo er war, doch das Hausdach und das Kramshef, schienen sich wie in Zeitlupe von mir zu entfernen, immer weiter und weiter von mir weg, während mir die kalte Nachtluft in den Rücken wehte. Ich war völlig unfähig zu denken, meine Sicht begann endgültig zu verblassen, verdeckt durch viele schwarze Punkte, die wieder über meine Auge verteilten. Alles was ich zuletzt wahrnehmen konnte, war wieder dieser schwarzer Schemen, der von oben auf mich zu stürzte, zusammen mit einem immer leiser werdendem Krächzen: „Doch ich glaub nicht, dass ihr ein Mensch seid … Vulpix …“

    [tab=Wort zum Samstag]
    Soviel zu meinem Vorhaben, im Mai zwei Parts herauszubringen *hust*
    Im Gegenzug dafür, handelt es sich bei diesem wieder um einen längeren Part, ich hoffe ihr könnt mir verzeihen. Das einzige was ich im Moment befürchte ist, dass manche Passagen etwas … zu lang gestreckt sind, kürzen wollte ich aber am Ende dann aber auch nicht. Wäre toll, wenn ihr mir sagen könnt, ob das die richtige Entscheidung war, oder nicht^^;
    Damit sind wir jedenfalls (endlich) beim letzten Teil von Kapitel 5 angelangt. Ich will noch nicht allzu viel verraten, aber so viel kann ich schon mal sagen: Ab jetzt sollte die Handlung allmählich vorrankommen. Bei mir stehen auch bald die Sommerferien an, deswegen werde ich hoffentlich mehr zum Schreiben kommen. Da ich mir dieses Mal doch recht viele Ziele für die freien Tage gesetzt haben und meine Motivationskurve recht unsicher ist, kann ich leider nichts versprechen. Allgemein Motivation für die Geschichte hab ich aber immer noch, keine Sorge. Immerhin stehen die besten Sachen dieser Fs uns noch immer bevor : D


    Besondere Musikbegleitung war dieses Mal unteranderem verschiedene Dark Souls und Dragon's Dogma Soundtracks, wie auch paar Lieder von Megurine Luka; für die es interessiert.^^
    Und dieses Mal glücklicherweise wieder als Betaleser dabei: Vitali



    Jens:
    Wieder vielen Dank für dein ausführliches Kommentar^^

    Dummerweise war die Lunte wohl doch zu lange (du genießt es, oder?).


    Oh ja und wie XD
    Wie es aussieht hab ich doch eine bisschen … sadistische Seite mit dieser Geschichte entwickelt. Aber ganz ehrlich: So Privat bin ich eigentlich ein ganz netter Mensch xD
    Aber keine Sorge, unsere Protagonistin wird schon ihre Pause bekommen, ganze Zeit nur Leid und Elend ist ja auch langweilig. Wie schon erwähnt hab ich ja für diese Fs genau Pläne, an die ich mich Großteils halte …
    Natürlich hätte ich die Sachen, wie das genauere Kennenlernen des Vulpixkörpers, gesondert in einen eigenen Part fassen können, aber ich versuche so etwas lieber flüssig in die Handlung einzubauen. Vielleicht wäre es aber wirklich nicht schlecht gewesen, wenn sich bei dieser einen Situation nochmal ihre Menschenseite gemeldet hätte …

    Ich bin zwiegespalten zwischen aufrichtiger Bewunderung und tiefem Abscheu ^.^


    Der Smiley am Ende macht die ganze Aussage auch nicht besser XD
    Kleiner Schmerz, also dieser Satz hat mich wirklich sehr zum Grinsen gebracht^^



    Damit wünsche ich allen viel Spaß beim Lesen^^


    [/tabmenu]

  • Gestern noch dachte ich, es wäre mal wieder Zeit für einen neuen Part deinerseits. Es passt mir daher sehr gut in den Kram, dass du meinen stillen Ruf vernommen und unverzüglich in die Tat umgesetzt hast. Zu der Größe, ob es nun meiner Auffassung nach eine gute oder schlechte Entscheidung war, äußere ich mich (vielleicht) am Ende des Kommentars.


    Wir waren stehen geblieben ... wir lagen auf der Lauer. Die Brut wurde versorgt, wenn ich mich recht erinnere. Doch die Anwesenheit unserer Protagonistin blieb nicht lange unverborgen. So, jetzt bin ich wieder völlig im Bilde. In meinem letzten Kommentar äußerte ich ja bereits Vermutungen, inwiefern sich wohl die Vorkommnisse in Worte fassen lassen. Ich muss zugeben, dass ich über einen derartigen Ablauf der Dinge, auch wenn das Ende natürlich gewissermaßen offensichtlich war, nicht völlig vorausgesehen habe. Vielleicht habe ich es schon gesagt, aber ich finde es beeindruckend, wie du eine eigentlich so kurze Szene so in die Länge ziehen kannst und dann abermals auf solch banale Dinge so herausragend eingehst, wie das schnelle und doch so komplizierte Herumdrehen des eigenen Körpers. An Aufregung mangelt es defintiv nicht - und auch mal wieder nicht an einem Hauch an Sadismus. Wie viel muss deine Protagonistin eigentlich noch einstecken, bis der schwächliche Funke ihrer Lebensflamme erlicht? Ich bin kurz davor, eine Petition zu starten, in der ich alle Leser dazu auffordere, dem Leiden der Hauptdarstellerin endlich ein Ende zu bereiten - auf die ein oder andere Art. Herje, du musst doch zugeben, dass es langsam reicht, meinst du nicht? Ich kann dir nur versprechen, dass man sie irgendwann mit einem Tagkratzer vom Boden aufschaben kann, wenn du in diesem Maß weiter machst (dann gönn ihr doch mal einen Hamburger -.-. Ich habe gehört, manche Leute sind richtig scharf auf Dinge, die sie in der Mülltonne finden, wobei sich natürlich über Geschmack bekanntlich streiten lässt).


    Also, wie bereits erwähnt, wurde ich in meiner Vermutung zum Ablauf dieses Kapitels nicht völlig bestätigt. Und dennoch - ich finde die gelassene, sogar sehr höfliche Haltung Kramshefs sogar recht passend und den letztendlichen Gefühlsausbruch, als man sich dem aufdringlichen Eindingling entledigt, unglaublich passend. Dieses langsame darauf Drängen und die langsame Anbahnung der Dinge sind dir einfach vortrefflich und absolut glaubwürdig gelungen; von den immer nur sehr kurz geratenen Kommentaren Kramshefs ganz zu schweigen. Hinzu kommen einmal wieder die Gedankengänge der Protagonistin, die sich immer wieder selbst einredet, wie schlecht doch alles wäre, sich dabei wiederholt in Ausreden flüchtet, die sie dann immer und immer wieder selbst widerruft. Mit diesen ganzen Mitteln ziehst du die Handlung schön in die Länge, wobei sich an diesem Punkt vielleicht die Geister scheiden mögen, ob es an einem gewissen Punkt nicht vielleicht sogar genug ist. Meine Meinung ist, dass es bislang so vortrefflich ist. An Spannung kann man eigentlich nie genug haben. Eigentlich hatte ich in der Szene (dritter Absatz), in der du plötzlich die "feurige Wut" thematisiert hast, fest damit gerechnet, dass es an diesem Zeitpunkt zum letztendlichen Wecken der Fähigkeiten eines Feuer-Pokémons kommen würde. Ein Irrtum. So aber könnte man es durchaus verpacken, sollte es mal irgendwann wirklich soweit sein.


    Ein guter Punkt, diesen Part dann doch in zwei Teile zu hälfteln, wäre wohl die Stelle gewesen, als man die Tatsache der eigenen Existenz vor den Vogel-Schwarm enthüllt. Hier wäre wohl die Spannungskurve noch einmal steil nach oben angestiegen, da man sich natürlich bis zur Veröffentlichung des nächsten Parts abermals mit der Frage beschäftigen muss, was nun wohl passieren wird. Aber ich denke, es ist auch so okay. Du endest schließlich auch dieses Kapitel mit einem Cliffhanger (man merke den Bezug auf dieses Kapitel) der Extraklasse. Auch wenn ich bereits erwähnte, dass das Ergebnis dieses Kapitels fast schon klar auf der Hand lag, so gab es immer wieder Momente, an denen ich schon fast glaubte, es würde am Ende doch anders kommen, dass man beispielsweise den gegenseitigen Argwohn fallen lassen würde und man gewissermaßen sogar einen Waffenfrieden schließen würde. Du hast mich also wiederholt verblüfft. In diesem Punkt ein Kompliment von meiner Seite.


    Rechtschreibung ist hier und da verbesserungsfähig. Ein wenig erschwerend sind Formatierungsfehler, die du wohl unschwer herauslesen kannst, wenn du diesen Part hier noch einmal durchliest. Ein weiterer Punkt, den ich noch ein wenig negativ aufgreifen möchte, ist der zweite Absatz, dem ich nur etwas schwer zu folgen vermochte. Da hätte ich mir gleich zu Beginn im Aufschluss erwünscht.


    Gut, das soll es dann nun von meiner Seite aus sein. Abermals hoffe ich auf eine baldige Fortsetzung der Geschichte (analog dazu aber vorzeitiges Ende der Qualen deiner Protagonstin ...).

  • [tabmenu]
    [Tab=Vorwort]
    Was lange währt, wird endlich gut - heyho, Blackdraco! :D
    Endlich komme ich dazu, bei dir zu kommentieren. Da ich mir nicht sicher bin, wie ich die beiden Teile benennen soll, kommentiere ich beide Parts ungetrennt - ich hoffe, das ist ok für dich :3
    -------------------------------------------------------------------------------
    Eine Trennlinie wie oben trennt dabei die beiden zu kommentierenden Parts - du siehst dann schon, was ich meine^^
    [Tab=Gesamtkommentar]
    [Subtab=Positives]
    "Wahrscheinlich war das ja der Grund, weswegen diese Viecher so selten anzutreffen waren, ganz einfach, weil sie leicht im Kampf krepierten."
    Eine Stelle, die trotz ihrer gewissermaßen vorhandenen Grausamkeit doch zum Schmunzeln anregt. Abgesehen davon beinhaltet sie aber auch einen wichtigen, evolutionären Gedanken: Man geht ja allgemein davon aus, dass bestimmte Pokémon selten sind, weil sie besonders stark sind. Was aber ein Trugschluss ist, denn überleben können nur die Spezies, die sich wirksam anpassen. Vielleicht sind Vulpix also einfach nur nicht fähig dazu, mit ihren Umgebungen zurecht zu kommen? Interessanter Gedanke, der hier aufgeworfen wird, und definitiv nicht alltäglich.


    Krallengedanken
    Mhm, interessant, wie du dir die körperlichen Funktionsweisen der Kralleneinfuhr vorstellst. Zumindest aber ist dir sehr gut gelungen, die Schwierigkeiten im Umgang mit einer gänzlich anderen Körperform darzustellen. Wirklich gut geglückt, aber das hast du auch schon mehrfach bewiesen.


    Anpirschen
    ich muss sagen, auch, wenn es im Grunde ein simpler und schlichter Vorgang war: Das Schleichen auf dem Dach war eine gute Mischung aus innerer Gefühlswelt deiner Charakterin, der nebenbei bemerkten Geschäftigkeit des Kramurxschwarms, Ihrer Konzentration usw. Dadurch hast du es auch geschafft, eine gewisse Spannung aufzubauen, die durch die Bemerkung des Unbekannten am Ende schließlich ein abruptes (gutes) Ende findet. Ein schönes Ende nebenbei, das auf jeden Fall gut dazu beiträgt, zum Weiterlesen anzuregen.


    Empfindungen
    Die Emotionen in diesem Kapitel kamen so gut rüber, wie sie es immer tun; ich habe aber auch mit Freuden festgestellt, dass du dich vermehrt damit beschäftigst, die Wahrnehmungen des Körpers selbst einzubeziehen. Weiter so!


    -----------------------------------------------------------------------------


    Herumdrehschwierigkeiten
    Auch hier beweist du wieder deinen Feinsinn und deine scharfen, klaren Gedanken in Bezug auf die handelnden Personen. Dass es vielleicht Probleme bereiten könnte, eine so simple Handlung in diesem ungewohnten Körper zu vollführen, kommt sicherlich nicht jedem in den Sinn. Ich bin immer wieder überrascht, was du dir alles einfallen lässt!


    Kramshef-Konfrontation
    Wow, ich muss sagen, dieser Teil des Kapitels war ungemein spannend! Deine Handlung kommt insgesamt langsam richtig in Fahrt, ich bin gespannt, was noch passieren wird. Wie auch immer, ich schwankte zwischendurch regelrecht. Bietet er ihr womöglich Hilfe an? Nein, er versucht, sie zu töten ... verschont er sie doch? Oh, er stößt sie vom Dach, das ist ein Bezug zu der Szene ganz am Anfang (übrigens sehr gelungen, finde ich, mal schauen, ob das noch eine tiefere Bedeutung haben wird) - und letztendlich rettet er sie scheinbar. Hmmm, das verursacht einiges an Spannung, sehr gut gemacht!
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]
    "Die Frage war nur, wie bewegte man dieses Ding?"
    Ich würde hier Plural nehmen, "diese Dinger"; das Problem ist, dass du direkt im Satz zwar von einer Kralle sprichst, sich die innerliche Frage aber auf alle ausgefahrenen Krallen bezieht.


    Handlungsverlauf
    Sehr positiv finde ich, dass du dich wieder mehr und mehr in der Handlung voranpirschst. Allerdings kommen mir einige Stellen (gerade Ihre Leidensbeschreibungen) fast noch ein wenig zu lang vor. Sicher ist, dass sie einiges von deinem Schreibtalent offenbaren und an einigen Stellen zwingend sind (etwa die Probleme beim Ersteigen der Leiter). Gelegentlich verwendest du aber zu viel Zuneigung auf solche Stellen, sodass die Handlung etwas ins Stocken gerät. Wie gesagt, diese Stellen sind durchaus nachvollziehbar, an einigen Stellen aber auch durch leichte Kürzungen versehbar.


    -----------------------------------------------------------------------------


    Ihr-zen und Sie-zen
    Kramshef spricht ja in sehr gehoben höflichem Ton zu unserer Miss Nobody. Allerdings vermischst du beide Anredearten ein wenig, du solltest dich für eine entscheiden. "Ich glaube, Sie sollten sich beruhigen" wäre eine neutral höfliche Anrede, wie man sie Fremden gegenüber gebraucht. Das gleiche mit "Euch" wäre noch eine Stufe stärker, es drückt ein gewissermaßen Respekt aus und wurde im Allgemeinen ja auch als Anrede für Würdenträger eines hohen Amtes (Könige, Fürsten, Bischöfe etc.) verwendet.
    [Subtab=Fehlerteufel]

    Zitat

    […] und ich wusste ganz genau, an wem ich diese geballte Kraft auslassen würde.


    Zitat

    Alles was ich tun musste, war, dem Gehsteig zu folgen, an den parkenden Autos entlang/vorbei? die Straße zu überqueren und einen Weg hinauf zu finden


    Zitat

    Jeder Weg war mir recht, solange ich es diesen verdammten Viechern heimzahlen konnte. Sie hatten mir mein Essen gestohlen, [...]


    Zitat

    Dann werden sie es sich es nächstes Mal mehrmals überlegen, wenn sie da beraubten [...]


    Zitat

    Aus meinem Mund drang ein kurzes und trockenes Lachen, welches selbst mit dieser jämmerlichen Vulpixstimme einen verächtlich Unterton hatte.


    [Statt "Mund" passt hier imo "Schnauze" besser.]


    Zitat

    Schließlich wurde der Schmerz so harmlos, wie das Pieksen einer Nadel, [...]


    Zitat

    [...] dass der Schmerz mehr oder weniger Ruhe gab, warf ich sogleich einen wütenden Blick auf das nervende Hinterbein.


    Zitat

    [...] wenn damit das Problem aus der Welt geschaffent wäre, [...]


    Zitat

    [...] zwischen dem unstillbaren Hasses und dem Gefühl der Ratlosigkeit, [...]


    Zitat

    Ich war ein Menschen, verdammt nochmal, Menschen hatten so etwas nicht ...


    Zitat

    Immer wieder wanderte mein grimmiger Blick in die Richtung, wo sich das graue Gebäude mit den schwarzen Vogelpokémon befinden musste, [...]


    Zitat

    Im Hintergrund dieses Spiegelbildes zeichneten sich die Umrisse eines - durch den Lack - rötlichen Gebäudes ab, mit vielen altmodischen roten Fensterrammen und Scheiben ab, welche, wie die vielen schillernden Karosserien der parkenden Autos, von dem Licht der Straßenlaterne beleuchtet wurden.


    Zitat

    Ich ging sogar so weit, dass ich gegen, sie wütend gegen das Rad zu hämmern, [...]


    Zitat

    Etwas konzentrierter starrte ich nunb auf die weißen Knochen [...]


    Zitat

    [...] wandte ich schließlich meine Aufmerksamkeit abermals dem verletzten Teil meines Vulpixkörpers zu.


    Zitat

    Aus dem unmerklichen Pieksen einer Nadel wurde auf einmal wieder die Spitze eines scharfen Schwertes, [...]


    Zitat

    Wahrscheinlich hätte ich das ohnehin nicht können gekonnt, denn momentan war meine Muskulatur so starr, wie ein Stahlgerüst.


    Zitat

    Doch so langsam die Zeit auch verstrichen, [...]


    Zitat

    Stöhnend öffnete ich abermals meine Augenlieder und wischte wütend die restlichen Tränen an meinen Vorderbein ab. Endlich … Diese verdammte Kralle!


    Zitat

    In diesem Moment drang ein fast unhörbares Pfeifen in meinem Ohr.


    Zitat

    „Dann eben nicht“, flüsterte ich grimmig vor mich hin, bevor ich wieder die ausgefahrenen Klauen mit ein paar Anläufen in meiner rechten Pfote verschwinden ließ, „hinke ich halt die Fassade hoch, mir auch egal."


    Zitat

    [...] ich musste diesen verdammten, schwarzen Viechern nachjagen [...]


    Zitat

    Es war richtig frustrierend, nicht fähig zu sein, schneller voran zu kommen. Kraft und Motivation hatte ich ja nach der Schandtat dieser Vögel reichlich erhalten, doch dieses verfluchte Pieksen in meiner linken Hinterpfote erinnerte mich daran, was passieren würde, wenn ich versuchte zu laufen.


    Zitat

    [...] die auf den ersten Blick lediglich wie ein massiver Block aus Beton wirkte, [...]


    Zitat

    [...] als würde man auf einer unsicheren Hängebrücke spazierteen.


    Zitat

    Und mich von einem irgendeinem Pokémon überraschen zu lassen, welches eventuell unter einem dieser Fahrzeuge kauerte, wollte ich mich genau so wenig …


    Zitat

    [...] nur die gläserne Türe mit Metallrahmen wies ansatzweise eine Art Verzierung auf.


    Zitat

    Das Problem war, dass ich dieses Gebäude aus der Ferne etwas unterschätzt hatte, denn fünf Stockwerke wirkten aus der Nähe doch etwas überragender, als ich angenommen hatte.


    Zitat

    Wie ich aus der Ferne bereits bemerkt hatte, bestand die Türe hauptsächlich aus einem milchigem Glas, welches von einem weißen Metallrahmen in den Scharnieren gehalten wurde.


    Zitat

    [...] dass dieser Versuch irgendwie funktionieren würde.


    Zitat

    Innerlich wollte ich dieser winzigen Hoffnung keinen Glauben schenken, doch was hatte ich schon zu verlieren? Lieber ich suchte ich die Rückseite dieses Mietshauses ab, [...]


    Zitat

    Das letzte was ich jetzt brauchen konnte, war ein greller Schrei, der die verdammten Viecher auf dem Dach vor meiner Ankunft warnte.


    Zitat

    Dieser Gedanke hallte unaufhörlich durch meinen Schädel und gab mir ein weiteres Mal Energie und Motivation zum Weiterkämpfen, aber vor allem fütterte er weiter meinen Hass gegen diese verdammten Pokémon. Bis hinauf die Höhe des ersten Stocks zu gelangen war eine Kleinigkeit, auch wenn ich nach meinem Geschmack noch immer viel zu langsam unterwegs war. Auch der Erste und war schnell überwunden, doch ab der Hälfte des zweiten Stockwerk begann ich langsam zu merken, dass dieser Körper nicht fürs Treppensteigen ausgelegt war [...]


    [Vom ersten Stock war bereits die Rede, hier mir "auch" fortzusetzen ist also etwas unpassend.]


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    [...] doch die Vogelpokémon blieben blind und unaufmerksam.


    -----------------------------------------------------------------------------


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    "Madam?"


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    Doch da verstummte schlagartig der gesamte - über die Antennen, Lüftungsschächten und Satellitenschüsseln verteilte - Pokémonschwarm und richteten ihre seine großen Augen in meine Richtung. Es waren nicht mehr diese stechenden Pupillen, mit denen sie mich in der Gasse angestarrt hatten, alles, was ich nun in ihren Blicken las, war Erstaunen und Ehrfurcht.


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    Schließlich erwachte ich aus meiner Erstarrung Starre, [...]


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    [...] vielleicht folgte ich einfach dem zwanghaften Bedürfnis, mein Scheitern an diesem Mistvieh auszulassen, indem ich ihm sein verdammtes Gesicht zerkratzte [...]


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    Statt Sternen bedeckten - wie erwartet - die schwarz gefiederten Aasfresser den Nachthimmel, [...]


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    Entsetzten, Wut, Verwirrung ... Schadenfreude.


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    [...] und versuchte frustriert und wütend gleichermaßen, meinen Körper aus dieser erbärmlichen Lage zu erheben, dem pochenden Rücken trotzend.


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    [...] dass sich der Boden unter mir sich etwas nachgiebig und überraschend glatt anfühlte, [...]


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    [...] nur um plötzlich entdeckt zu werden und gegen einen Schacht geschleudert zu werden!


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    [...] Es ist also wahr, Ihr seid wegen meiner Schützlingen hier, haben wir nicht recht, Madam?“


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    [...] dazu blockierte mein Fluchtinstinkt mein logisches Denkvermögen zu sehr, der immer mehr Überhand gewannen.


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    Noch einmal zerrte ich mich mit meinen Pfoten mich über den Lüftungsschacht, [...]


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    [...] jedoch nahm ich aus irgendeinem Grund die folgenden Schmerzen, wie die Prellung auf meinem Hinterkopf, jedoch nur halb war. Eifrig nach Luft schnappend versuchte ich möglichst schnell wieder auf meine Beine zu kommen, [...]


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    „Kommen Sie schon, Madam, wir können ruhig ehrlich zueinander sein“, krächzte der kohlrabenschwarze Vogel und plusterte seinen weißen Federkragen weiter auf, „sollen wir vielleicht irgendwie behilflich sein, sollen wir Euch ein Nest bringen oder wollt Ihr, dass man Euch vielleicht direkt nach unten begleitet?“


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    [...]
    zu dem völlig unbeeindruckten Kramshef hoch zu starren.


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    „Also Madam ...“, begann Kramshef ungeduldig mit seinem Schwanzbüschel hin und her wippend, „wenn Ihr keine Lust zum Sprechen habt, muss ich Euch wohl oder übel mit anderen Mitteln davon überzeugen ...“
    Dabei gab das Pokémon ein unerwartetes amüsiert klingendes Gurren von sich, bevor er seine Schwingen wieder eng an seinen Körper legte. „Vielleicht werdet Ihr aber danach überhaupt nicht mehr in der Stimmung sein, zu reden. Das wäre doch wirklich schade, findet Ihr nicht auch?“


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    [...] während ich versuchte, das kleine bisschen Mut und Kampfgeist, das in mir steckte, heraufzubeschwören.


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    Fauchend stürmte ich weiter [...]


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    Keuchend schielte ich mit einem vernichtenden Blick in den Augen zu dem riesigen Federvieh hinüber.


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    [...] worauf sein gesamtes Gefieder mit der finsteren Nacht zu verschmelzen schien.


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    „Wissen Sie, meine Schützlinge sind keine richtigen Kämpfer, wir halten uns lieber in den Schatten der Nacht und agieren ... auf eine gewisse Art und Weise friedlich. Doch wenn es jemand wagt, uns anzugreifen, verteidigen wir uns vereint. Meine Schützlinge könnten es Euch hier auf der Stelle beweisen und Euch die Augen auspicken!“


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    „Doch sie müssen euch gar nichts beweisen ... Mensch.“, hörte ich wieder Kramshefs Krächzen [...]


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    … mit einem Mal zusammenschlug *2.


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    [...] erkannte ich sofort ein Paar grauer Fänge, die nur einem einzigen Pokémon gehören konnten. Ein weiteres Mal rutschte mir mein Herz ein weiteres Mal in die nicht vorhandene Hose.
    „Wisst Ihr Madam …“, begann Kramshef, der Besitzer dieser Vogelfüße, welcher seinen Blick mit völlig kalter Miene langsam über meine zitternden Pfoten schweifen ließ.


    Zitat

    [...] dass ich mich noch irgendwie zur Wehr setzte, doch als nichts weiteres passierte, ließ er schließlich – fast enttäuscht wirkend - von meiner Vulpixpfote ab. Völlig angespannt knallte diese zurück auf die Dachkante, doch ich hatte keine Möglichkeit mehr, mich mit meinen Krallen daran festzuhalten.


    [Tab=Nachwort]
    Wow, ich kann es nur noch mal wiederholen: Dieses Kapitelteilchen war wirklich enorm spannend. Es macht ganz erhebliche Lust, weiterzulesen, und ich hoffe, dass ich beim nächsten Mal weit schneller ans Kommentieren kommen werde :3


    Glg


    ~ Kleio (ehemals Clio/Jingsel)
    [/tabmenu]

  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 7]


    Die schmale Straße war gefüllt mit Menschen. Sehr vielen Menschen, ob Alte, Teenager oder Kinder mit ihren Müttern und Vätern. So ziemlich jede Schicht der Stadt schien in dieser einen Straße, mit all ihren verschiedenen Geschäften und extravaganten Restaurants, vertreten zu sein, eingepfercht zwischen den riesigen Hausfassaden, die hoch in den grauen Himmel ragten. Doch trotz der düsteren Regenwolken empfand ich die Luft als angenehm warm, so warm, dass man problemlos mit einem kurzärmeligen Shirt durch die Gegend hätte rennen können. Gleichzeitig spürte ich jedoch auch ein Art Knistern, das die gesamte Luft um mich herum erfüllte; möglicherweise ein Vorbote eines anrauschenden Sturmes.
    „Es wird bald regnen.“, sagte ich tonlos, ohne irgendjemanden anzusprechen. Ich wollte diese Vorausahnung lediglich laut anmerken, das war alles. Mürrisch stapfte ich weiter über das verdreckten Pflaster unter meinen Füßen, während ich langsam meine rechte Hand aus meiner Hosentasche zog, um anschließend meine leere Handfläche nachdenklich anzustarren. Verdammt nochmal, und ich hab natürlich weder eine Jacke, noch einen Regenschirm mitgenommen, tolle Arbeit Kaptain Weise-Voraussicht.
    Genervt schloss ich meine Hand zu einer Faust und senkte sie wieder hinab. Meinen Blick hingegen ließ ich in der Zwischenzeit über die vielen Passanten wandern, die wie eine riesige Herde einheitlich in dieselbe Richtung durch die schmale Einkaufsgasse marschierten. Die Einzige, die gegen diesen Strom zu schwimmen schien, war ich. Im Vorbeigehen konnte ich flüchtig ihre Gesichter erkennen, bevor sie immer wenig später hinter meinem Rücken verschwanden und weiter ihren eigenen Wege gingen. Doch niemand erwiderte meinen knappen Blick oder wollte gar denselben Pfad wie ich nehmen, als ob die Richtung, die ich gewählt hatte, für sie überhaupt nicht in Frage käme. Mir konnte es egal sein, ich hatte ohnehin meine ganz eigenen Ziele. Wenn mir keiner folgte, umso besser. Ich teilte meinen Pfad ohnehin mit keinem anderen.
    Mit erhobenem Haupt bannte ich mir meinen Weg durch die Menge, selbst wenn ich dazu die entgegenkommenden Menschen achtungslos zur Seite rempeln musste. „Pass auf ... Sei gefälligst vorsichtig ... Hast du keine Augen im Kopf“ … das wären wohl die Worte gewesen, die ich als Reaktion erwartet hätte, doch die Passanten bevorzugten es mich zu ignorieren und mich mit schnellen Schritten hinter sich zu lassen. Stattdessen halte in meinen Ohren der dumpfe und unrhythmische Klang der vielen Schuhe und das ruhige Knistern, welches langsam lauter zu werden schien, doch das machte mir wenig Sorgen. Ich war ja bald da, bevor der Sturm losbrechen würde … Hoffte ich jedenfalls. Noch während ich mich durch die vielen Passanten kämpfte, bemerkte ich plötzlich eine alte Frau, die zusammen mit dem Strom aus Menschen direkt auf mich zu hinkte und mir dabei lächelnd zuwinkte. Mit erhobener Augenbraue ließ ich meinen Blick zu der Alten wandern, die mich in diesem Moment ansprach, als wäre ich ihre zehnjährige Enkelin: „Beeile dich, wir müssen die Fenster noch schließen!“
    „Jetzt halt mal den Rand ... Welche Fenster?“, murmelte ich entnervt und starrte die alte Oma an, die mich mit ihren in schwarzen Augenhöhlen versunkenen Augen anglotzte. Wieso sprach mich diese Alte überhaupt an? Ich konnte mich gerade nicht daran erinnern, sie von irgendwo zu kennen, also was wollte diese Frau von mir? Das Lächeln verschwand für einen Augenblick aus dem Gesicht der Frau, bevor sie in aber im genau selben Ton anmerkte, „Das ist aber nicht nett von einem Vulpix.“


    Abrupt hielt ich inne.
    Vulpix? Hatte mich diese Alte gerade als ein Vulpix bezeichnet? Ich und ein verdammtes Pokémon? Hatte die Oma vielleicht einen Sprung in der Schüssel, wie verwirrt konnte man denn sein und mich mit einem dieser Viecher verwechseln?!
    „Was soll der Mist!“, zischte ich die weißhaarige Oma gereizt an und warf ihr einen giftigen Blick entgegen. Die Alte konnte meinetwegen über hundert Jahre alt sein, ich ließ mich von niemand als ein Pokémon beleidigen, da war die Alte an der völlig falschen Adresse! Am liebsten hätte ich ihr Verbal noch etwas entgegen geworfen, doch da hob die Frau plötzlich ihren dürren Arm und deutete mit einem sanften Lächeln im Gesicht gemächlich zu ihrer linken. Ohne den leisesten Schimmer was mir die alte Frau damit sagen wollte, drehte ich meinen Kopf ruckartig in jene Richtung. Anfangs konnte ich jedoch nicht wirklich erkennen, auf was sie da hinaus wollte, denn alles was ich in diese Richtung erblicken konnte, waren weitere fremde Menschen, graue und alte Hausfassaden und ein Geschäft das mit Fahrrädern handelte. Rein gar nichts was es überhaupt die Mühe wert machte, sich überhaupt für diese Seite zu interessieren. Bevor ich mich jedoch wieder genervt der Alten zuwenden konnte, streifte mein Blick das schwarze Schaufenster dieses eigenartigen Ladens, in dessen Inneren gerade totale Finsternis herrschte. Was mich aber wirklich verblüffte, war das Spiegelbild, welches sich mir in diesem Fenster offenbarte. Von dem großen Zug aus Passanten, der gerade wortlos an mir vorbei marschierte war keinerlei Anzeichen zu entdecken, so sehr man auch suchte. Alles was sich in diesem finsteren Fenster spiegelte, war eine menschenleere Pflastersteinstraße, in dessen Zentrum ein mutterseelenalleines Wesen stand … ein Vulpix.
    Entgeistert starrte ich das Pokémon an, welches mir bösartig mit seinen spitzen Zähnen und rötlichen Augen entgegen grinste. Nein … das … das war nicht möglich! Das war bestimmt nicht mein Spiegelbild, das konnte nicht sein, ich war doch … ich war doch ein Mensch! Wieso zeigt mir dann dieses Schaufenster nicht mein wahres Spiegelbild?! Geschockt wandte ich mich hektisch von dem falschen Spiegelbild ab und starrte hinab zu meinen Händen, um mich davon zu überzeugen, dass ich noch immer ein Mensch war.


    Ein gellender Schrei jagte über die Menschenmenge und die gesamte Einkaufsstraße hinweg.
    Pfoten?! Wieso waren da plötzlich … Vulpixpfoten? Wo waren meine Hände und meine Füße? Warum hatte ich jetzt ein Fell und … und sechs Schweife? Fassungslos blickte ich über meinen ganzen Körper, doch nichts erinnerte an meine menschliche Gestalt, die ich noch vor wenigen Sekunden besitzt hatte. Ich hatte mich gänzlich in ein kleines Pokémon verwandelt, mit all Eigenheiten. Mein Spiegelbild hatte mich nicht belogen.
    „NEIIN!“, kreischte ich und wandte meinen Kopf verzweifelt zu dem grauen Himmel empor. Alles um mich herum war schlagartig angewachsen, die Häuser ragten nun wie riesige Wolkenkratzer hinauf ins grauen Wolkenmeer und auch die Menschen machten den Eindruck, als könnten sie mich wie einen mickrigen Käfer unter ihren Schuhen zerquetschen. Genau diese Menschen, die mich die ganze Zeit über ignoriert hatten, wandten sich in diesem Moment zu mir um und durchbohrten mich nun mit ihren leeren Blicken, nur um gleichzeitig langsam von mir zurückzuweichen.
    „Was passiert hier?! Erklärt mir das jemand gefälligst!“, rief ich panisch, während ich immer weiter zu schrumpfen schien. Mein Ruf blieb jedoch ungehört, die gigantischen Menschen schritten schweigend immer weiter von mir weg und taten so, als könnten sie meine Aufforderung nicht mehr verstehen. Wobei schweigend nicht ganz korrekt war ... Mit einem mal kapierte ich endlich, was dieses allgegenwärtige Knistern tatsächlich war, das mir in den Ohren gesurrt hatte. Es war nicht das Anzeichen für einen anbrausenden Sturm gewesen, es war das leise Flüstern und Murmeln in den Mündern der Passanten gewesen.
    „Dieses Pokémon … Dieses klägliche Ding … Hab ihr es gesehen ... Schockierend ...“
    Während diese Worte wie ein Raunen durch die gesamte Menschenmenge ging, begannen sie allmählich einen geschlossenen Kreis um mich zu bilden, sodass ich wenig später der Mittelpunkt einer leeren Straßenfläche war, als ob ich etwas wäre, von dem man mindestens fünf Meter Abstand nehmen musste. Zwischen Verzweiflung und Rage rannte ich auf die umstehenden Menschen zu und versuchte durch diese Blockade durchzubrechen, doch trotz meiner bereits winzigen Größe konnte ich nicht durch den dichten Wald aus Beinen hindurchschlüpfen. Ich war gefangen, gefangen in einem Vulpixkörper, umkreist von einer Mauer aus Menschen. Wieder drang mir das Geflüster der Menschen ans Ohr, dieses Mal mit etwas anderen Worten: „Dieses Vulpix … Bald wird es hingerichtet.“
    Hingerichtet? Mir klappte förmlich die Kinnlade herunter. Ein Vulpix … Ich?! Wieso … Ich meine, was quatschten diese Menschen für einen Müll? Was meinten sie damit, das konnte doch nicht ihr ernst sein? Warum sollte man mich hinrichten?
    „Nicht mehr lange ...“, fegte das Gemurmel wie ein leiser Windstoß über die Straße, „Die Hinrichtung beginnt bald.“
    Jetzt konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen, jetzt lagen meine Nerven fast endgültig blank. Entsetzt rannte ich auf und ab, während ich die gesamte flüsternden Menschen aus voller Seele anbrüllte: „SEID STILL! ICH HAB NICHTS GETAN!“
    Doch das Raunen wollte nicht ablassen, ganz im Gegenteil, es wurde nur noch lauter und hallte wie ein bedrohliches Echo zwischen den Häusern. Vergeblich raste ich weiter im Kreis herum und suchte vergeblich nach einem Ausweg aus dieser Irrenanstalt, nach einer kleinen Lücke, um diesem ganzen Quatsch zu entkommen.
    Wann hat man mich beschlossen hinzurichten? Warum überhaupt, ich war doch unschuldig, ich hab nichts Falsches getan, oder? Warum … warum wollte man mich töten?! Panisch nach Luft schnappend suchte ich mich dumm und dämlich, doch es gab einfach keinen Ausweg. Ich konnte meiner eigenen Hinrichtung nicht entfliehen, die bald starten würde.
    „Es hat keinen Sinn, Madam“, hörte ich plötzlich eine ruhige Stimme hinter mir, die mir erschreckend bekannt vorkam. Mit den Nerven völlig am Ende, wandte ich meinen Blick hektisch in die Richtung der Stimme, die ich aus der Mitte des Kreises stammte. Das erste was mir sogleich ins Auge sprang, war ein schwarzes Vogelpokémon, welches an jener Stelle scheinbar aus dem nichts einfach aufgetaucht war und mir nun einen kalten Blick zu warf. Zu seiner linken und rechten flatterten zwei weitere, etwas kleinere Vögel durch die Luft, die mich ebenfalls mit ihren rötlichen Augen angafften, als wäre ich das abscheulichste Wesen überhaupt.
    „Die Hinrichtung wird bald beginnen, genießen sie lieber die Zeit, die sie noch haben“, setzte das Pokémon komplett gefühlskalt fort und strich mit seinen rasiermesserscharfen Klauen über den Boden und hinterließ dort drei tiefe Kratzer Im Pflaster.
    „Ich bin aber unschuldig“, schrie ich ihn an und stampfte mit meinen Pfoten demonstrativ auf, doch meine Miene zeigte den Umstehenden ganz genau, wie sehr ich gerade unter diesem Druck und der Verzweiflung litt. Rasch drehte ich mich wieder zu den Menschen und appellierte auch da nochmals auf meine Unschuld: „Ich hab nichts getan, ich bin unschuldig! Glaubt mir doch, ich … ich … ICH BIN UNSCHULDIG!“
    Doch sie ignorierten mich. Sie alle schenkten meine Worte keinen Glauben, alles was sie taten, war lediglich im selben Ton immer den exakt selben Satz ohne Pause zu wiederholen: „Die Hinrichtung beginnt bald … Die Hinrichtung beginnt bald …“
    Als wäre das nicht genug der Folter, schien sich der Kreis wie eine Schlinge um meinen Hals, Schritt für Schritt, zusammenzuziehen. Vergeblich versuchte ich Wiederstand zu leisten, doch die Menschen verkleinerten meinen ohnehin winzigen Freiraum unaufhaltsam weiter und drängten mich immer weiter zu dem schwarzen Vogelpokemon, das geduldig zu warten schien.
    „Wir haben noch Zeit …“, begann dieser ruhig und schielte für einen Augenblick zu einem weiteren Wesen, dass ein Stück entfernt über mir und den Menschen schwebte, „Irgendwann werden sie schon kommen und dann bringen wir das alles schnell hinter uns.“
    Unruhig atmend gab ich keine Antwort auf diese Bemerkung. Meine völlige Aufmerksamkeit war für diesen Moment komplett auf dieses seltsame Wesen fixiert, das uns von dort oben zu beobachten schien. Allein dieser Anblick erzeugte in mir einen weiteren Anflug von Panik, denn wenn es ein Geschöpf gab, das den Tod wohl am besten repräsentieren konnte, dann diese Gestalt: Man konnte sagen, der Tod schwebte wortwörtlich direkt über mir. Sein Körper erinnerte mich an das schwarze und schattenhafte Gewand eines Geistes, wie oft in Geschichten und Filmen dargestellt. Das Gesicht hingegen war nicht mit einer Totenmaske verborgen, sondern hinter einigen roten Zacken, die ähnlich wie der weiße Kragen des Vogelpokémon seinen Hals umgaben. Doch auch diese konnten nicht die türkisfarbenen Augen verstecken, mit denen mich das Geschöpf mit einem undefinierbaren Blick anstarrte. Bevor ich mich selbst aus dem Bann dieses Wesens losreißen konnte, kam mir die umstehende Menschenmasse mit diesem Gefallen zuvor. Unsanft wurde ich von den vielen Beinen und Füßen weiter in die Mitte des Kreises gedrängt, sodass ich gezwungen wurde, meine Aufmerksamkeit von dieser finsteren Gestalt abzuwenden. Stattdessen rückte wieder das schwarzgefiederte Biest in mein Blickfeld, der nun mit seinen zwei Gefolgen keinen Mauzisprung mehr von mir entfernt war. Ich war völlig eingekerkert, es gab keine Möglichkeit mehr zu flüchten ... Ich war meinem Scharfrichter hilflos ausgeliefert, es gab daran kein Vorbei.
    „Haben sie vielleicht noch irgendeinen letzten Wunsch? Oder irgendwelche finale Worte?“, murmelte das Vogelpokémon gelassen und erhob seinen schattenartigen Flügel, wie das Beil eines Henkers.
    „Ich ...“, stotterte ich, meine Furcht und Panik förmlich ins Gesicht geschrieben. Letzter Wunsch, was half mir dieser jetzt noch? Damit gewährte man einem Todgeweihten nur noch einen kleinen Traum, um sein Ableben nur noch schmerzhafter zu machen. Für einige Sekunden versagte mir meine Stimme, während hinter mir die Menschen nur noch ungeduldiger versuchten mich in die Mitte zu drängen. Schließlich vollende ich ohne viel darüber nachzudenken meinen Satz: „ ... ich will ... noch meine Freunde sehen.“
    Ich hätte mir im Moment alles wünschen können, das Ende der Hinrichtung, meine menschliche Gestalt oder einen Kaugummi1*, doch rein intuitiv kam schließlich dieser eine Wunsch aus meiner Kehle. Wieso wünschte ich mir das ... Ich konnte es selbst nicht ganz begreifen.
    Unverhofft verstummte ohne Vorwarnung das Gemurmel und Raunen. Für einen kurzen Moment legte sich damit Totenstille über die gesamte Einkaufsstraße - deren Häuser mich nicht mehr an graue Betonklötze, sondern an die Wände einer Kirche erinnerten - als hätte ich gerade die Masse zu einer Schweigeminute aufgefordert, für einen Toten, der bald in der Mitte dieser Straße liegen würde. Obwohl dieses düstere Geflüster aufgehört hatte, hörte ich trotzdem noch immer in meinem Kopf ihre Worte, während ich zappelig und innerlich am Zerreißen auf eine Antwort wartete.
    „Freunde ...“, unterbrach schließlich das schwarze Vogelpokémon die Stille und betrachtete mich einem völlig verständnislosen Blick, „Madam … Welche Freunde?“


    Was?
    Verstört starrte ich das Pokémon an, immer noch nicht meinen Ohren trauend. Was meinte er damit, ich meine... Ich bin eine Einzelgängerin, aber ... jeder hat doch ... jeder hat ... Das machte doch alles keinen Sinn, oder etwa schon? Regungslos blieb ich wie angewurzelt in mitten der vielen Schaulustigen stehen, während ich mit der Antwort dieses Henkers kämpfte und sie zu verdrängen versuchte. Ich reagierte nicht einmal dann, als die zwei kleinen Vogelpokémon plötzlich auf mich losflatterten und mich mit ihren kleinen Klauen an den Vorderbeinen packten. Als ich mich schließlich von meinem Gefühlschaos wegreißen konnte, war es bereits für alles zu spät. Ich war komplett bewegungsunfähig, als würde mich ein ganzer Schwarm dieser schwarzen Bestien am Boden festnageln, da half auch kein Rütteln und kein Zerren weiter, ich war endgültig am Hinrichtungsplatz angekommen, das war mein offizielles Todesurteil.
    Nein ... Nein… NEIN, ich wollte nicht sterben! Ich war noch nicht fertig, ich konnte einfach jetzt nicht hingerichtet werden! Nicht einmal mein Wunsch wurde erfüllt, wo war da bitte die Moral?! Ich war verdammt nochmal unschuldig, glaubt mir endlich!
    „LASST MICH!“, brüllte ich, knapp vor einem Nervenzusammenbruch, „ICH HAB NICHTS GETAN! IHR TÖTET EINEN UNSCHULDIGEN!“
    „Madam ...“, murmelte der Scharfrichter in der Gestalt des Vogels, dessen schattenhafter Flügel direkt über meinem Kopf schwebte, „... schweigt.“
    Der Flügel sauste pfeifend herab.
    „NEEIIINNN!“, kreischte ich den Tränen nah, hysterisch meinen Kopf in die Höhe reißend, um anschließend … meine Augen zu öffnen.



    Um mich herum war es mit einem Schlag still geworden, kein Murmeln, kein Geflüster, keine krächzende Stimme ... Alles was ich hörte, war mein eigener schwerer Atem und das dumpfe Klopfen meines aufgeregten Herzens. Begleitet wurde dieses Geschnaufe und Klopfen von einem leisen Rauschen, dass gelegentliches aus der Ferne zu kommen schien, doch das war alles. Schwer keuchend starrte ich perplex ins Leere, genau an die Stelle, wo vor wenigen Augenblicken noch eine massenhafte Ansammlung von Schaulustigen meiner Hinrichtung beigewohnt hatten. Jetzt konnte ich dort nichts anderes, als verschwommene Formen und Farben erkennen, für die meine Fantasie nicht ausreichte, um mir irgendetwas darunter vorstellen zu können. Wenn ich aber eins wusste, dann war es eines: Ich befand mich nicht mehr auf dieser gepflasterten Straße. Die Hinrichtung … war sie zu Ende? Was zum Hundemon war gerade passiert, wollte mich dieses Biest nicht gerade töten?
    Einige Momente lang lauschte ich ungewiss meinem schnellen Herzschlag, der sich nur zögerlich wieder beruhigen wollte. Doch egal wie lange ich auch wartete, das Flüstern der Schaulustigen kehrte nicht mehr zurück, ihre Stimmen waren endgültig verstummt. Dafür schüttelte allmählich die starke Benommenheit von meinen Gliedern ab und auch meine Augen begannen sich nach und nach zu erholen, sodass all diese unterschiedlichen verzerrten Farbflecken schnell zu ganzen Objekten verschmolzen.
    Konnte es sein ... War das etwa alles ...
    „ ... nur ein Traum“, stöhnte ich mit trockener Kehle, nicht ohne eine ungemeine Erleichterung in meiner Stimme. Diese ganze Hinrichtung war nichts weiter gewesen, als ein Albtraum. Keine unheimliche Menschenmenge, keine absurd großen Menschen, kein Henker in Pokémon-Gestalt. Und ich … Ich war noch am Leben!
    Beruhigt schloss ich meine Augen und senkte dabei meinen trägen Kopf wieder hinab. Jetzt wenn ich jetzt so darüber nachdachte, konnte ich mich nur noch darüber wundern, wie ich diesen Traum für real hab halten können. Eine Hinrichtung auf einer Einkaufsstraße und dann dazu noch durch so ein schwarzes Vogelpokémon, musste ich noch mehr sagen? Dann war da außerdem diese komische alte Frau, die seltsamen Passanten und dieser Spiegel und … ach ja, war da nicht so etwas wie ein letzter Wunsch gewesen aber ... was hatte ich mir genau gewünscht?
    Angestrengt bemühte ich mich doch noch daran zu erinnern, doch die Erinnerungen an diesen Albtraum verblassten schneller als erwartet und verschwanden ins Nirwana, je mehr ich Realität und Einbildung auseinander halten konnte. Bald war es mir unmöglich, mich an bestimmte Details und Abschnitte zu erinnern, sei es die einzelnen Gesichter der vielen Menschen oder eben meine letzte Bitte. Stöhnend öffnete ich allmählich wieder meine Augen.
    Was spielte das überhaupt für eine Rolle, alles war lediglich ein Traum gewesen, nichts, über das ich mir den Kopf zerbrechen sollte. Ohne einen einzigen Gedanken daran zu verlieren, verdrängte ich auch den Rest dieses Albtraumes aus meinem Gedächtnis und starrte nach unten … wo ich sofort zwei pelzige Dinger bemerkte, auf denen ich meinen Kopf gestützt hatte. Es waren meine Vorderpfoten.
    „Verdammt ...“, zischte ich und verzog missmutig mein Gesicht. Mehr sagte ich nicht dazu. Dieser Anblick hätte mich eigentlich mehr überraschen oder schockieren sollen, doch das tat er nicht. Im Moment hätte ich alles sein können, frustriert, genervt oder schlichtweg müde, doch verblüfft über den unerwünschten Handersatz … Nein, das war vorbei. Ich hatte es bereits kapiert, meine Seele steckte in dem verfluchten Körper eines Vulpix; meine Verwandlung war kein Traum gewesen, dieser Teil der Geschichte war real gewesen. Dies bedeutete aber bei weitem nicht, dass ich mich mit diesem verdammten Körper je abfinden würde, ganz im Gegenteil, ich hasste ihn von Minute zu Minute nur noch mehr für die vielen Schwierigkeiten und Qualen die er mir bereitet hatte. Trotzdem musste ich, obwohl alles in mir sich dagegen sträubte, akzeptieren, dass im Gegensatz zu meiner Hinrichtung, das hier kein Albtraum war, aus dem ich aufwachen konnte. Es war so real, wie alle Geschehnisse der letzten Tage, sei es mein Überlebenskampf im Fluss, mein Hunger, die Verfolgung oder … hatte ich nicht gegen ein schwarzes Vogelpokémon gekämpft? Mit gerunzelter Stirn versuchte ich mich an genauere Details zu erinnern, doch aus irgendeinem Grund klaffte an dieser Stelle noch eine große Lücke in meinen Gedächtnis auf ...
    Wieder hörte ich ein leises Rauschen, dicht gefolgt von einem gedämpften klingenden Tuten einer Autohupe, das jedoch wie ein flüchtiger Windstoß rasch davongeweht wurde.


    Für einen Moment ließ ich von dieser fehlenden Erinnerung ab und begann mich anfänglich eher passiv um den Ort zu kümmern, an dem ich irgendwie gelandet war. Meine Vulpixgestalt möchte mich vielleicht nicht mehr überraschen, der Ort an dem ich gelandete war, tat es hingegen sehr wohl. Im Gegensatz zu meinem letzten Erwachen, an dem ich mich auf dem harten und feuchten Grund einer Straße wiedergefunden hatte, fühlte sich der Boden alles anderes als kalt und unbequem an. Mein Schlafplatz war weich und warm wie ein Polster, eine Decke oder … ein Bett? Verwirrt erhob ich wieder meinen Kopf und blickte mich nun doch sehr verblüfft um.
    „Was zum Hundemon …“, murmelte ich etwas heißer und blickte erst einmal innerlich durcheinander umher, bevor ich wieder verwirrt zu Boden starrte, „ Wo bin ich?“
    Von einer dreckigen Seitenstraße konnte keine Rede sein, ich lag auf einer weichen Decke, die unordentlich über eine gefederte Matratze ausgebreitet war, auf welcher knapp zwei Personen Platz gehabt hätten. Vorausgesetzt, diejenigen hatten kein Problem mit direktem Körperkontakt, doch für eine klägliche Gestalt mit meinen Maßen, wirkte dieses Gestell wie das größte Himmelbett. Zögerlich fuhr ich mit meiner rechten Pfote vorsichtig über den sanften Stoff, als müsste ich noch einmal bestätigen, dass ich tatsächlich gerade auf einem richtigen Bett lag und nicht etwa auf einer nassen Zeitung inmitten einer leeren Gasse. So sehr ich es auch nicht fassen konnte, es war tatsächlich eine richtige gemütliche Decke … aber ganz sauber war sie auch nicht mehr. Um meinen Körper herum war das reine Weiß durch viele Flecken beschmutzt worden, die höchstwahrscheinlich von dem Vulpixfell stammten, welches gestern noch völlig durchnässt und verdreckt gewesen war. Nun war das braune Fell zwar mehr oder weniger trocken, aber sauber … davon konnte keine Rede sein. Und was den Gestank anging …
    Schlagartig verzog ich angeekelt das Gesicht, als mir der Geruch dieses stinkenden Felles in die Nase drang, den ich bis jetzt gar nicht wahrgenommen hatte.
    Verdammt nochmal, ich stank so erbärmlich, als hätte ich für eine Woche in einem fauligen Morast gebadet, wäh, ekelerregend! Wie konnte ich bloß so stinken, das war ja widerlich! So gut es möglich war, unterdrückte ich trotzdem meinen überempfindlichen Geruchssinn und versuchte einfach für den Moment den Duft von nassem Fell zu ignorieren. Stattdessen ließ ich nun meinen Blick durch die mir unbekannte Umgebung umherwandern, nach irgendwelchen Hinweisen suchend, wo ich hier gelandet sein könnte. Meine Augenprobleme waren mittlerweile gänzlich verschwunden, sodass ich nun sicher bestätigen konnte, dass diese Matratze nicht etwa draußen auf dem Sperrmüll deponiert worden war. Weder von einem grauen Himmel, noch von meterhohen Hausfassaden, Laternen oder blecherne Mülltonnen war die kleinste Spur zu entdecken. Spätestens nachdem man die Wände, die mit einer ausgebleichten Tapete überzogen waren und die weiße Zimmerdecke bemerkt hatte, müsste jeder Vollidiot kapiert haben, dass man sich nicht im Freien befand. Ich befand mich in einem menschenleeren Zimmer.
    Noch einmal starrte ich die besagten Wände an, die scheinbar zusätzlich noch als Zeichen- und Notizfläche für die Bewohner oder Besucher dieses Raumes, nach den vielfältigen Kritzeleien zu urteilen, zur Verfügung stand. Ein Haufen Namen und Sätze wie etwa, „Ich war hier“ oder „Mir ist langweilig“, wie auch diverse Zeichnungen, auf die ich nicht genauer eingehen wollte, zierten einen Großteil der Wände und gaben ihr ein noch schäbigeres Aussehen, als sie ohnehin schon hatte. Das Muster selbst war wahrscheinlich zum letzten Mal vor drei Jahrzehnten in Mode gewesen, wenn nicht sogar länger. Schnell hatte ich mich an der Tapete sattgesehen, so ließ ich kurz darauf meinen Blick weiter durch das unbekannte Zimmer wandern. Dabei bemerkte ich mitunter ein hölzernes Nachtkästchen, das sich direkt neben dem Bettgestell befand, sowie ein kleiner Tisch mit den dazugehörigen schlichten Stühlen. Gleich gegenüber von mir, stand an die Wand gelehnt ein niedriger Kasten, auf dem ein älterer Fehrnsehr seinen Platz hatte. Wie auch die Wände, wirkte das Gerät wie aus dem letzten Jahrhundert, sodass ich so meine Zweifel hatte, ob das Ding überhaupt noch funktionierte oder ob dieser bereits den Geist aufgegeben hatte und nun nur noch zur Zierde auf diesem Kasten stand. Allgemein konnte man sagen, dass diese Einrichtung alles andere als Modern war. Hier zu wohnen musste echt ätzend sein ... Ich für meinen Teil würde sofort ausziehen und mir ein ordentliches Hotel oder ähnliches suchen.


    Ein weiteres flüchtiges Rauschen zog anschließend meine Aufmerksamkeit zu einem Fenster mit gelblichen Vorhängen, die von einem schwachen Luftzug leicht hin und her geweht wurden.
    Zwischen den weit geöffneten Fenstertüren lachte mir ein übertrieben strahlendblauer Himmel entgegen, ganz anders als die grauen und bedrückenden Regenwolken, die sich gestern noch über meinen Kopf gesammelt hatten. Irritiert rollte ich etwas mit den Augen. Na klar doch, jetzt zeigte sich auf einmal der Himmel wieder, wie toll. Verdammt, die Regenwolken hätten gestern genauso gut verduften können, dann wäre mir so einiges sicher erspart geblieben. Und jetzt, wo ich im Trockenen saß, herrschte draußen schönstes Frühlingswetter und verhöhnte mich aus sicherem Abstand durch ein Fensterrahmen. Grummel … egal, über das Wetter konnte ich später auch meckern, jetzt sollte ich lieber herausfinden, wie ich überhaupt in einem fremden Bett, inmitten eines mir unbekannten Zimmer, gelandet war.
    Ein weiteres Mal blickte ich ratlos durch den altmodisch gestalteten Wohnraum, doch abgesehen von zwei Türen, einem kleinen gräulichen kompakten Kühlschrank und einen am Boden liegenden Wecker, der scheinbar den Geist aufgegeben hatte, konnte ich nichts neues entdecken.
    Stöhnend wandte ich meinen Blick von der schwarzen Digitalanzeige der funktionsunfähigen Uhr und starrte wieder hinaus zu dem wolkenlosen Himmeln. Vielleicht sollte ich einfach mal einen Blick aus dem Fenster riskieren, möglicherweise könnte ich mich dann schneller an die gestrigen Ereignisse erinnern. Meine Gedächtnislücke schien sich mit der Zeit langsam wieder zu füllen, so kehrte die Erinnerung an die Kramux und ihren Anführer zurück, wie sie mich auf diesem Dach umkreist haben … Was ist aber dann geschehen?
    Mit noch leicht tauben Gliedmaßen versuchte ich mich aufzurichten, während ich mein Gedächtnis nach weiteren Hinweisen durchkämmte.
    Genau, ich war nach oben geklettert, um mich an diesen verdammten Biestern zu rächen! Diese Vögel hatten mir unverschämt mein Essen geklaut, deswegen wollte ich ihnen diese Bosheit zurückzahlen, doch im letzten Moment ist aber dieses Kramshef aufgetaucht und …


    Ein ersticktes Quietschen entwich meinen Lippen, als sich plötzlich ein unangenehmes Kribbeln in meiner linken Vorderpfote breit machte. Ungalant ließ ich mich zurück auf die weiche Matratze plumpsen und blieb wenige Sekunden reglos auf ihr liegen. Schnell war das Stechen jedoch beinah verschwunden, auch wenn nicht vollständig, denn es schien sich irgendwie unauffällig im Hintergrund zu halten und darauf zu warten, bei meiner nächsten unüberlegten Bewegung wieder stärker zu werden.
    Was sollte das schon wieder ... Oh, natürlich, meine verletzte Kralle, wie konnte ich die vergessen. Die hatte ich mir ja auf die dämlichste Art und Weise verletzt, die möglich war; alles was ich eigentlich vorgehabt hatte, war mich auf diese verdammten Vogelpokémon zu stürzen, aber nein, diese auch so gefährliche Vulpixwaffe blieb in einem kleinen Spalt stecken. Wollte mir mein Körper aber jetzt allen Ernstes erklären, dass ich mich mit dieser verfluchten Kralle noch weiter plagen musste? Genervt ließ ich meinen Kopf langsam in Richtung meiner Vorderpfoten wandern. Doch bevor ich meine störende Pfote wirklich begutachten konnte, wurde meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet. Um meinen Bauch und Rücken hatte jemand in weiße Bandagen gewickelt, auch wenn nicht unbedingt viel.
    „Wer …“, murmelte ich verwirrt, doch bevor ich diese Frage beenden konnte, zuckte meinen großen Vulpixohren aufmerksam nach oben, aufgeschreckt durch ein näherkommendes Geräusch: Schritte.
    In diesem einen Moment wurde mir schlagartig bewusst, wie sorglos ich gewesen war. Ich lag gerade auf dem Bett, welches im Zimmer eines fremden Menschen stand, ohne einen Schimmer wieso … Hätte ich noch meine alte Gestalt, würde ich wohl annehmen, dass ich eine heftige Nacht hinter mir hatte, doch jetzt war es was anders. Ich steckte in einem Vulpixkörper fest, für Menschen war ich damit nicht mehr als ein streunendes Pokémon, wer würde mich dann also in seine Wohnung schleppen … Doch etwa nicht ein Pokémontrai …


    Die Schritte verstummten, jedoch kehrte keine entwarnende Ruhe ein. Stattdessen hörte ich ein Klirren, möglicherweise stammte es von einem Schlüsselbund, denn gleich darauf versuchte die unbekannte Person - dem Geräusch nach zu urteilen - einen Schlüssel ins Schloss zu stecken.
    Panisch wich ich zurück und ließ meine Augen hin und her huschen, auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich verstecken könnte. Ich wollte aufspringen, doch mein Körper fühle sich noch viel zu taub an und schien sich nur langsam emporheben zu wollen. Verdammt, ich saß in der Falle! Ich hatte keine Zeit mehr mich zu verstecken, der Schlüssel wurde bereits umgedreht, das Schloss knackste; dann schwang die Tür quietschend auf.



    [tab=Wort zum Mittwoch]
    Es hat wieder einige Zeit gedauert … dabei wollte ich eigentlich jeden Monat mindestens einen Part heraus bringen^^; Außerdem wäre dieser Part eigentlich schon seit gut 4 Tagen bereit … Naja, dafür ist es ein längerer Kapitel, ich könnte dieses zwar theoretisch in weitere zwei Parts splitten, aber das lasse ich dieses Mal noch sein.


    Wer hier her gefunden hat, wird es wahrscheinlich schon bemerkt haben: „Fairy Tale of Nobody“ is nun im Profibereich!!! Vielen Dank nochmals an alle, die das möglichgemacht haben! Besonderen Dank gilt Vitali, der mich als Betaleser unterstütz und diese Fs auch für den Profibereich vorgeschlagen hat. Aber natürlich auch vielen Dank an alle Leser und Kommentarschreiber (besonders an Eagle aber auch Kleio! ), denn ohne diese wäre ich bestimmt nie so motiviert gewesen, weiter zu schreiben. Also nochmals vielen Danken an alle^_^



    Eagle:
    Ich weiß schon, warum diese Petition ungehört bleiben wird: „Helft mit, Niemand endlich aus ihren Qualen zu retten.“ XD
    Ähm, aber wieder vielen Dank für dein positives Feedback^^ Freut mich besonders, dass das höfliche Kramshef gut bei dir angekommen ist.
    Keine Sorge, sie kann viel einstecken (glaube ich jedenfalls *hust* ), also wird man sie nicht so schnell vom Boden aufschaben müssen. Das mit der feurige Wut … ehrlich gesagt hab ich daran gar nicht gedacht, weil ich da schon so meinen Pläne habe, aber ich das werde es im Kopf behalten. Natürlich hätte ich den Part splitten können, nur bin ich oft unfähig festzustellen, wo ich das genau machen soll xD Das mit dem zweiten Absatz hab ich fast befürchtet … Okay, ich werde versuchen, nächstes Mal so einen Übergang nicht ganz so unverständlich zu machen^^;


    @Kleio:

    Zitat

    „Was lange währt, wird endlich gut“


    Ich hoffe, dass kann man auch auf meine verspäteten Kapitel übertragen xD


    Auf jedenfalls, auch dir vielen Dank für dein Kommentar und das Fehlersuchen! Waren ja dieses ziemlich viele dabei, wie es aussieht^^;
    Okay, bezüglich der Länge sind die Gemüter etwas gespaltet … Hm, sieht danach aus, als müsste ich irgendwo so ein Mittelding finden. Ich hoffe ich finde da eine zufriedenstellende Lösung^^
    Das mit den verschiedenen Anredearten war mir ehrlich gesagt gar nicht bewusst, danke für den Hinweis. Hätte versucht das wenigstens ein bisschen auszubessern, aber irgendwie komme ich da trotzdem etwas durcheinander … Beim nächsten Mal werde ich aber darauf achten.
    Übrigens, die Zahlen, die manchmal im Text vorkommen, sind fürs Trivia. Ich sollte sie eigentlich kleiner machen, aber irgendwie funktioniert das nicht^^;



    [/tabmenu]

  • Du weißt, ich bin in letzter Zeit äußerst beschäftigt. Gar muss ich nun hier vor dir und allen anderen Lesern gestehen, dass ich für den Augenblick einen großen Bogen um das Forum einlege; eine Präventivmaßnahme sozusagen, die verhindern soll, dass ich in den alten Trott zurückfalle. Der Tag mag kommen, zweifelsohne, alsbald aber nicht, nein. Zurzeit möchte ich mich ganz meiner anderen großen Leidenschaft hingeben - du weißt, welche. Nichtsdestotrotz habe ich deinen Ruf unlängst vernommen. Du weißt, ich bin ein großer Anhänger deiner Kunst. D'rum erachte ich es keineswegs als vertane Zeit, sondern als Vergnügen, dort wieder einutauchen, wo du uns, deine Leser, so schön und lange auf die Folter gespannt hast.


    Ein flüchtiger Blick auf die doch recht beachtliche - im Sinne von umfangreiche - Fortsetzung lässt mir ein anerkennendes Staunen über die Lippen kommen. Versteh' mich nicht falsch - "Fairy Tale of Nobody" hatte sich vom Schreibstil schon immer stark von "Born to be wild" dabgenrezt. Doch handelt es sich hierbei - zumindest auf meiner Perspektive - unzweifelhaft um das bislang beeindruckendste deiner Kapitel. Der Beginn macht ein Handlungsstrang, der - zumindest in meinen Augen - kaum zu übertreffen ist. Alles scheint zu stimmen: die Wortwahl, wie du alle Teilnehmer dieses Akts mit der Umgebung verschmelzen lässt und die richtigen Emotionen und Reaktionen zum ebenfalls richtigen Zeitpunkt einsetzen lässt.
    Ich vermochte anfangs fast nicht zu urteilen, aus welcher Perspektive verichtet wird, schließlich befand man sich Augenblicke zuvor noch in einer prekären, aussichtslosen Situation. Zwar huschte mir wiederholt der Traumgedanke durch den Kopf, doch wollte ich mich noch nicht festlegen. Schließlich aber wurde meine Vermutung immer mehr bestärkt und schließlich auch bestätigt. Für mich war es zu Beginn überhaupt nur wichtig zu wissen, ob nun aus einem völlig anderen Blickfeld berichtet wird - der Rest hätte sich angesichts des erfrischenden Schreibstils von selbst ergeben. Die zynische, militante und engstirnige Betrachtungsweise der Dinge in Verbindung mit der raschen Abfolge typischer Ereignisse, wie das Konfrontieren gewisser Ängte, machte dann schnell Nägel mit Köpfen. Nein, kein perspektivenwechel, und ja, zweifelsohne ein äußerst bizarrer Traum.


    Die Desorientierung nach dem Erwachen ist dir ebenfalls erstaunlich gut gelungen. Hier, an diesem Punkt, gebe ich dir zu erkennen, dass ich bereits seit geraumer Zeit die Vermutung hegte, dass es auf kurz oder lang einfach darauf hinauslaufen musste, was nun wohl eintreten wird. Angesichts deiner tadellosen Beschreibungengen des Schauplatzes gehe ich davon aus, dass es sich bei dem ominösen Erwachensort um den Wohnsitz einer betagten Person handeln muss; womöglich einer Witwe (?). Man darf gespannt sein.


    Eine Hand voll kleinerer Verschreiber von fast unbedeutender Natur haben sich eingeschlichen - nichts aber, was ich hier im Angesicht der anderen, und so denke ich, begeisterten Leser ankreiden möchte. Der Gefühl von Entkräftigung und Leere, insbesondere in Anbetracht der kürzlichen Erlebnisse, hätten bei mir bereits früher eingesetzt, was aber nichts zu heißen hat. Ich denke, es ist gut so, wie es ist.


    Abschließend bleibt bei drei Fragen: Was hält das Schicksal für das arme, verwunschene Mädchen bereit, in wie weit hat der unterbewusste Ruf nach Freunden eine Bedeutung und bis zu welchem Zeitpunkt dürfen wir auf die Fortsetzung hoffen?

  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 7 Teil 2]Entgeistert starrte ich auf die rasch aufschwingende Türe, während ich mir gleichzeitig bewusst wurde, dass die Zeit um sich zu verstecken, bereits vorüber war. Wer auch immer gleich im Türrahmen auftauchte, lange würde es nicht dauern, bis mich diese Person auf dem Bett bemerkte. Wäre ich die Heldin eines Abenteuerfilms oder Romans, ich hätte in diesem Moment bestimmt gerade noch das rettende Versteck entdeckt und wäre glimpflich davon gekommen, doch weder war ich solch eine Person, noch lebte ich in einer klischeehaften Abenteuerwelt. Und dennoch zuckte mein großer Schädel suchend in alle Richtungen, vergeblich auf das noch so unwahrscheinliche Wunder hoffend. Bett … Nachtkasten ... Tisch ... Aber nichts, wo ich mich in so kurzer Zeit hätte verschanzen können.
    Fernseher … Türe … Fenster?


    Die Türscharniere quietschten laut auf.


    Hektisch huschte mein Blick zurück in Richtung der nun bis zum Anschlag geöffneten Türe und bevor ich überhaupt den nächsten Gedanken fassen konnte, war ich bereits nicht mehr allein in dem Zimmer. Auf der Türschwelle stand nun ein mir fremdes Mädchen.
    Leise in mich hinein fluchend wich ich schreckhaft ein Stück in Richtung Fenster, während ich mit zuckenden Augenlidern die Fremde anstarrte, als stünde gerade ein Alien oder eine andere fremdartige Kreatur im Eingangsbereich des Zimmers. Doch dieses „Alien“ wandte sich mir – wie eigentlich befürchtet – nicht zu, sondern stellte erst ihren weißen Plastiksack, den sie bei sich hatte, auf den Boden ab und schien gleich darauf eher damit beschäftigt zu sein, die Türe hinter sich sorgfältig abzuschließen. Ich konnte wieder das Klirren eines Schlüsselbundes wahrnehmen, begleitet von einem tiefen Seufzen aus dem Mund des Mädchens. Nervös verzog ich meinen Mundwinkel und ließ meine Augen keinen Millimeter von dem Rücken ihrer gräulichen Kapuzenweste weichen.
    Verdammt, verdammt nochmal … ich war hier eingeschlossen, eingesperrt zusammen mit einer Fremden! Die Türe konnte ich als Fluchtweg nun vergessen, diese wurde mir gerade versperrt … Warum muss diese verfluchte Teenagerin den Ausgang auch sofort abschließen und überhaupt, wer war dieses Mädchen? Doch nicht noch einmal so eine Trainerin? Wie zum Hundemon war ich in ihr verfluchtes Zimmer geraten … Das war doch ihr Zimmer, oder etwa nicht? Konnte es etwa sein ...
    Unauffällig schielte ich Richtung Fenster, nur um mich sogleich zurück an die noch immer beschäftigte Fremde zu wenden.
    ... dass ich mich gestern heimlich durch das Fenster in ihr Zimmer geschlichen hatte? Möglicherweise ahnte diese gar nicht, dass ein Vulpix auf ihrem Bett lag. Dies würde jedoch nicht erklären, woher diese weißen Verbände auf meinem Körper stammten … Arg, scheiß auf diese Fragen, ich musste so schnell wie möglich hier weg, noch war dieses Mädchen mit irgendetwas beschäftigt, das war möglicherweise meine allerletzte Chance die Flucht zu ergreifen!
    Beinah widerwillig wandte ich meinen Blick von dem Rücken der Unbekannten ab und starrte abermals zu dem über dem Bett ragendem Fenster hinauf, dem im Augenblick einzigen Ausgang aus diesem Raum. Egal ob ich nun von dort hier hereinspaziert war oder nicht, jetzt würde ich auf alle Fälle auf diesem Weg abhauen!
    Nicht mehr ganz so widerwillig, jedoch dafür träge wie ein Sack Mehl, konnte ich meinen Körper schließlich dazu „motivieren“, sich halbwegs in Bewegung zu setzen und lautlos auf die gelben Vorhänge zu schleichen. Dieses Mal war das Risiko, ungewollten Lärm zu verursachen, mein letztes Problem, denn meine Schritte wurden völlig von dem weichen Untergrund erstickt. Viel problematischer hingegen war die Frage, wie ich auf den Fenstersims kommen sollte, immerhin überragte mich der doch um ein Stückchen und dieser Vulpixkörper war noch nicht völlig bei Kräften.
    Verbittert blickte ich hinaus zum blauen Himmel und hauchte mir selber zu: „Komm schon, so hoch ist das wieder auch nicht ... Das ist nichts im Vergleich zu der verfluchten Feuertreppe.“
    Dennoch spürte ich ein flaues Gefühl im Magen, als wäre mein Körper nicht ganz so sicher darüber, ob ich das tatsächlich schaffen würde. Nicht das ich darauf gehört hätte.
    Schnaufend schüttelte ich diesen Zweifel von mir und setzte zum Sprung an, um kurze Zeit später nochmals einen flüchtigen Blick zu dem fremden Mädchen zu werfen. Die würde ich jetzt zum letzten Mal in meinem Leben sehen, also …adieus, ciao, auf nimmer wiedersehen, war unschön mit dir Bekanntschaft zu ma…


    „Du bist ja wach“


    Blitzartig verschwand das geradezu überhebliche Lächeln aus meinem Gesicht und wich zu tiefer Bestürzung, als sich meinen Blick plötzlich mit dem zweier dunkelbrauner Augen kreuzte. Erschrocken fuhr ich am ganzen Leib zusammen, konnte aber gerade noch verhindern, dass sich mein Körper selbstständig machte und von der Matratze sprang, um sich anschließend unter dem Bett zu verkriechen.
    Verdammt nochmal, das Mädchen hat mich schon bemerkt?! Nein, nein, nein! Nicht jetzt, das war zu früh!
    Hektisch riss ich meinen Kopf zurück in Richtung Fluchtweg, während mein Herz zwei Gänge zulegte und tat das einzige, was mir in dieser Situation richtig erschien: Keine Zweifeln oder Fragen mehr, ich sprang einfach los.


    Die Matratze unter mir gab unter der Kraft meiner kleinen Beine nach, doch auch das konnte mich nicht mehr aufhalten. Nichts konnte mehr verhindern, dass ich einen Bruchteil einer Sekunde später direkt auf das aufgerissene Fenster zu sprang. Ich realisierte es anfänglich gar nicht, dass ich da gerade tatsächlich durch die Luft segelte. Es war so, als hätte dieser Vulpixkörper abermals die Kontrolle übernommen, wie damals auf der überfüllten Einkaufsstraße, denn ich bezweifelte, dass ich je so einen Sprung selbst ausführen könnte … oder möglicherweise doch? Diese Frage blieb vorerst unbeantwortet, denn bevor ich überhaupt weiter nachdenken konnte, hatte mein Bauch bereits die erste schmerzhafte Begegnung mit der Fensterbrettkante. Gequält verzog ich mein gesamtes Gesicht, als der kleine Funke des Erstaunens verschwand und stattdessen einen brennenden Schmerz hinterließ, der sich über meinen Magenbereich ausbreitete, gefolgt von dem abermaligen Pieksen in meiner hinteren Pfote.
    Urgs ... Dieser lächerliche ... Schmerz ist gar nicht mal der Rede wert! Da hatte ich gestern … schon schlimmeres erlebt. Ich stand so gut wie auf dem Fenstersims, bald war ich raus aus diesem verfluchten Zimmer ... das war alles was zählte!


    Lange konnte ich es mir nicht leisten, diese winzige Errungenschaft zu genießen, denn hinter mir hörte ich bereits die entsetzt klingende Stimme dieses Teenagers, die schnell lauter wurde, doch ich spielte auf taub. Es interessierte mich einen feuchten Dreck was sie da rief, ich wollte lediglich um jeden Preis aus dieser Bude raus!
    Verbissen krallte ich mich an das Fensterbrett fest und versuchte stöhnend meinen restlichen Körper hinauf zu zerren. Mein Körper war zwar noch immer etwas verkrampft, dafür schien ihm der Aufprall wenigstens etwas „geweckt“ zu haben. Ohne weitere Unterbrechung trieb ich mich zur Eile an und zog mich hinauf in Richtung Ausgang. Kaum eine Sekunde später war ich mit dem Großteil meines Körpers oben angelangt, meine Nase zur Hälfe bereits in der Freiheit. Eine Freiheit, die nach Abgasen stank und die sich nach einen zweiten Blick aus dem Fenster als eine Lüge herausstellte.
    Erstarrt hiel ich inne. Draußen bot sich mir im Grunde genommen kein ungewöhnlicher Anblickt, gegenüber versperrte mir ein gelblich gestrichenes Haus die weitere Sicht, das direkt vor einer recht ruhigen Autostraße platziert war. Es gab nur ein einziges Problem … Ich starrte gerade aus einem Fenster, das sich mindestens 5 Stockwerke über dem Erdboden befand. Paralysiert blickte ich hinab auf die momentan menschenleere Straße, als gäbe es dort etwas ungemein interessantes zu sehen, doch das war nicht der Fall. Alles was ich nun sah, spielte sich vor meinem geistigen Auge ab.
    Die Bilder ... die Erinnerung! Gestern Nacht, wie ich mich verzweifelt am Rand dieses Daches festgekrallt hatte, bis dieser Riesenvogel mich …
    Mit einem Mal füllte sich die Lücke in meinem Gedächtnis, nun konnte ich mich wieder genau daran erinnern, an meinen vergeblichen Widerstand gegen das Kramshef, bis zu dem Punkt, wo mich das Pokémon kaltblütig von dem Hausdach geschleudert hatte, hinab in die asphaltierte Tiefe.
    Als ich nun so aus diesem Fenster hinausblickte, wurde mir schlagartig schwindelig und ich hatte das Gefühl, als ob mein Magen sich in eine Waschmaschine verwandelt hätte. Alles drehte sich.
    Jegliche Entschlossenheit wich schlagartig von mir, meine Pfoten wurden kraftlos und verloren ihren Halt. Ohne dass ich etwas dagegen unternahm, rutschte ich von der Fensterbank ab und klatschte schwerfällig zurück auf das federnde Bett, während sich in meinem Kopf noch alles zu drehen schien. Die Erinnerungen, nun wo ich sie wieder erlangt hatte, wollten nicht mehr aus meinen Gedanken verschwinden, jetzt, wo ich sie am Liebsten wieder in einer verschlossenen Schublade im hintersten Winkel meines Gehirns verschwinden lassen wollte, um sie zu vergessen. Doch ich konnte dieses Trauma genau so wenig verdrängen, wie das Gefühl des ewigen Fallens, das nicht mehr aus meinen Gliedern verschwinden wollte. Teilnahmslos versuchte ich auf dem Rücken ein Stück von dem Fenster und azurblauen Himmel wegzurutschen, als ob ich so etwas Abstand von den letzten Geschehnissen nehmen wollte. Gleichzeitig kam in mir ein merkwürdiges Gefühl hoch, so, als ob ich noch etwas Wichtiges vergessen hätte. Erst einige Wimpernschläge später, was mich noch in meinem Inneren beschäftigte …
    „Wieso ...“, murmelte ich heißer und starrte weiterhin mit meinen aufgerissenen Augen durch das geöffnete Fenster, „ ... wieso lebe ich überhaupt noch?“


    „He … Al … nun …?“, riss mich plötzliche einzelne Wortfetzen aus meinen schwerverdaulichen Erinnerungen. Ihre Worte klangen beinah so, als stünde sie bereits knapp hinter mir ... Moment mal!
    Die finsteren Erinnerungen für den Moment hinter mir lassend, kippte ich meinen Kopf ruckartig ein Stücken nach hinten. Ein leiser Aufschrei entwich meiner Kehle, als ich direkt über mir wieder dieses Gesicht und die dazugehörigen dunklen Augen erblickte, die mich sorgfältig musterten.
    Leck mich doch, dass war eindeutig viel zu nahe! Verfluchte Trainerin, verschwinde!
    Sofort rollte ich - so gut konnte - einmal um die halbe Achse, um anschließend zitternd auf meine vier Pfoten aufzuspringen. Das funktionierte zwar auch dieses Mal nicht perfekt, denn ein oder zwei Male wurden meine Knie weich, doch trotz allem war das immer noch um Welten besser, als am letzten Morgen.


    „ …“
    Panisch starrte ich das Mädchen an, welches noch immer unverändert vor dem Bett gebeugt stand, wie sie ihre Mund auf und ab bewegte, um etwas zu sagen, doch ich hörte die Worte nicht. Selbst wenn ich diese gern gehört hätte, wäre es nicht möglich gewesen, nicht wo ich jetzt derartig auf ihre Bewegungen fixiert war. Wie sie ihre Lippen, von denen eine mit einem Ringpiercing durchbohrt war, weiter zu Worten formte, sie sich langsam weiter nach vorne beugte und die Hand wie in Zeitlupe nach mir ausstreckte.
    „Geh weg von mir!“, drang es quietschend aus meiner trockenen Kehle, während meine Glieder immer weiter zu beben anfingen, „Bleib weg! Mach die Fliege!“
    Doch ihre Finger kamen immer näher, kein Sekunde später konnte ich schon förmlich ihren Eigen- und Schweißgeruch vor meiner Nase spüren, so nahe war ihre Hand bereits. Jeden Moment würde sie nach mir packen, mich festzuhalten und einzusperren! Mein Blick sprang hastig zwischen der Hand und dem Gesicht dieses Mädchens hin und her, in welcher ich das Abbild des verhassten Trainers sah, der mich gestern um ein Haar gefangen hätte. Sie war genau wie er, sie wollte mich versklaven und mich zum kämpfen zwingen, obwohl ich gar kein streunendes Pokémon war, sondern ein Mensch! Und dieses Mal gab es auch keine Kirchenhalle, in die ich mich verkriechen konnte, um zu entkommen ...
    „VERSCHWINDE!“, kreischte ich das Mädchen ein weiteres Mal an, deren Hand nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt waren, „FASS MICH NICHT AN!“
    Kaum hatte ich ausgesprochen, spannte sich mit einem Mal all meine Muskeln im Körper an. Reflexartig riss ich mein Rachen wie ein Vipitismaul auf und bevor dieses Mädchen reagieren konnte, biss ich ihr in den Zeigefinger.
    [tab=Wort zum Sonntag]


    Und wieder eine lange Pause^^"
    Ich bitte nochmals um Entschuldigung, aber bin seit Schulanfang mit allen möglichen Projekten und Aufgaben beschäftigt ... Nur schreiben gehörte leider nicht dazu. In nächster Zeit scheint es außerdem so, dass ich weiterhin nicht so viel zum schreiben kommen werde, aber ich werde trotzdem versuchen, weiter an Fairy Tale of Nobody zu arbeiten. Ich würde schon gern die Handlung weiter voran treiben, besonders weil diese erst jetzt allmählich in Fahrt kommt. Es gibt noch so einige Kapitel auf die ich mich sehr freue ... Aber lasst euch überraschen (aber hoffentlich nicht erst in 3 Jahren xD )


    Eagle: Macht ja nichts, war ja selbst in letzter Zeit mit anderen Tätigkeiten beschäftige^^ Auf jedenfalls vielen Dank für dein großzügiges Lob, hätte nicht erwartet das dieser eher spontane Teil so gut ankommen wird o.o Bin auf jedenfalls froh, dass die Traumszene dir gefallen hat, hat mir persönlich auch viel Spaß gemacht, die eine Stelle zu schreiben. Tja und zu den drei übrigen Fragen: Die letzte Frage sollte hiermit beantwortet sein, die anderen zwei ... Nun, das wird man schon zeigen xD


    Ach ja und wieder vielen Dank an Vitali, für die Beta-Korrektur des Kapitels^^
    [/tabmenu]

  • Grüße! Es hat ja wirklich auf sich warten lassen. Umso glücklicher bin ich, dass du es tatsächlich geschafft hast. Wie du bereits angekündigt hast, ist dieses Teilkapitel tatsächlich vergleichsweise kleiner als das, was man sonst von dir kennt. Du wirst sicherlich verstehen, dass ich tiefes Bedauern darüber empfinde, da ich keinem bisher erfahrenen Erlebnis deiner Geschichte so sehr entgegengefiebert habe, wie eben dieser Begebenheit. Der erste Kontakt, wenn man es so will.


    Es gab zwei Stellen in diesem Part, in denen ich es mir nicht hatte nehmen lassen, einen kurzen Kommentar laut auszusprechen. Zum einen war es der Moment der Gewissheit; der Augenblick, in dem sich "die Entführerin" vor den Augen der Welt preis gab. Wider meinem Erwarten, handelt es sich bei ihr nicht um eine schrullige alte Frau, sondern um ein Mädchen in - zumindest für mich - undefinierbarem Alter. Mein schlichter Kommentar an dieser Stelle: "Also doch nicht ..." Logisch. Dieser Ausgang kam unvorhergesehen. Gerade an diesem Moment hätte ich es gut empfunden, wenn du das Alter des Mädchens noch in etwa abgeschätzt hättest. Zum Beginn dachte ich da an eine Achtjährige, später dann mehr an einen Teenager, was wohl auch der Fall sein wird.
    Mein nächster, mir selbst zugesprochener Kommentar - du ahnst es vielleicht schon, kam, als du zum wiederholten Mal deine Protagonistin die Sadistenpeitsche über das Fell gezogen hast: die Szene mit dem Fensterbrett ("Autsch!"). Alles andere und auch der weitere Verlauf, also die schwindelerregende Wahrheit über die unmögliche aus dem fünften Stock, wäre meiner Meinung nach verschwendetes Potenzial gewesen. Sprich: Einmal wieder hast du alles richtig gemacht. Toll!
    Für mich weniger unerwartet kam dann das Ende. Wo Emotionen hochkochten und man von Wut und Angst überwältigt wurde, durfte ein in die Enge getriebener Fuchs natürlich auf keinen Fall einfach tatenlos zusehen, wie man mit ihm straffrei machte, was man wollte. Ein perfekter Ausgang, der zuletzt wieder eine Menge Möglichkeiten der weiteren Handlung offen lässt. Meine Vorstellungen über einen weiteren möglichen Verlauf behalte ich nun aber für mich, denn bin ich selbst über die zwei Möglichkeiten völlig verunsichert.


    Bevor ich abschließe, hier noch zwei Dinge, die mir aufgefallen sind:


    Mach weiter so und halte mich auf jeden Fall auf dem Laufenden!

  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 7 Teil 3]


    Als ob mein gesamtes Leben davon abhing - was eigentlich auch der Fall war- rammte ich meine kleinen spitzen Zähne in den dürren Finger des Mädchens. Mein Körper reagierte dabei unabhängig von meinem Verstand, welcher erst, nachdem ein erstickter Schmerzschrei an meine Ohren drang, aufholte. Erst dann kapierte ich überhaupt, was mit mir passiert war.
    Wie ... was … was tue ich da gerade? Ich hab ihr eben in den Finger gebissen?! Das … ich meine ... aber …
    Völlig verblüfft ließ ich das Mädchen ohne jegliche Gegenwehr meinerseits ihren Zeigefinger aus meinem Gebiss herauszerren. Alles was zurückblieb, war ein bitterer und metallischer Geschmack auf meiner rauen Zunge. Im selben Moment machte sowohl ich und als auch mein unerwünschtes Gegenüber einen hastigen Satz voneinander weg, ich zurück in Richtung Fenster und sie, das Gesicht von Furchen durchzogen, ein Stück von der Bettkante entfernt.
    „Fass ... Fass mich nicht an ...“, stieß ich beim Zurückweichen aus meinem Mund und versuchte den bitteren Geschmack aus meinem Mund zu bekommen, indem ich auf das weiße Laken spuckte. Gleichzeitig vergrub ich meine ausgefahrenen Krallen fest in die Decke; der dünne Stoff riss auf, doch das hinderte mich nicht daran, immer krampfhafter na ihm festzukrallen, so, als versuchte ich irgendwo Halt zu finden. Vielleicht wäre es logischer gewesen, wenn ich schleunigst vom Bett gesprungen und mich unter dem Lattenrost verkrochen hätte, nur um wenigstens ein bisschen Zeit zu schinden, doch dazu ich war momentan noch zu perplex; gleichzeitig nahm mir die Aussichtlosigkeit dieser Situation alle Zuversicht. Es hatte ja ohnehin keinerlei Sinn, ich war in diesem Zimmer eingesperrt, kein Weg führte aus dieser Falle heraus, was brachte es mir groß, wenn ich mich unter dem Bett oder hinter dem Kasten versteckte? Egal wo ich mich auch verschanzen würde, solange ich zwischen diesem Fenster und der Türe einschlossen war, gab es keinen sicheren Ort für mich.
    So verharrte ich zitternd auf der Stelle und beobachtete schwer atmend das vor mir stehende Mädchen, wie sie mit leicht verzerrter Miene ihren rechten Zeigerfinger fest umklammert hielt und nuschelnd einige unverständliche Worte von sich gab. Doch ansonsten bewegte sie sich nicht, sie schien zu warten, doch auf was wusste ich nicht. Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen, denn was auch immer auf mich zukommen würde, es war bestimmt nichts Gutes. Nicht nochmal wollte ich mir diese ... diese Ängste und sonstigen Gefühle durch den Kopf gehen lassen, wie vor gar nicht allzu langer Zeit bei meiner Jagt durch die verregneten Gassen. Denn sollten diese Erinnerungen und Emotionen abermals mein Hirn zumüllen, wäre weiteres logisches Denken unmöglich für mich. Aber obwohl ich versuchte diese Gedanken zu verdrängen, konnte ich es trotzdem bereits auf mich zukommen sehen: Die rot, weiße Kapsel, wie sie auf mich gerichtet und wie ich kurz danach in ihrem Inneren eingesperrt werden würde. Und dieses Mal würde ich nicht durch einen glücklichen Zufall entkommen, denn kein Weg führte mehr hier heraus … oder?
    So starrte ich noch einige Augenblicke, die in meiner Gedankenwelt genauso gut Stunden oder Tage hätten sein können, nervös schnaufend das fremde Mädchen an. Ihr Gesicht und Züge schienen - oberflächlich betrachtet - die einer etwa 18 Jährigen zu sein; möglicherweise wirkte sie auch lediglich äußerlich so reif und war in Wirklichkeit viel jünger, so genau konnte ich es nicht bestimmen. War nicht unüblich, dass ein Mädchen viel älter wirkte als sie wirklich war, was nicht selten ein entscheidender Vorteil bei einer Bar und in einem Club war. Ihr etwas kürzeres, schwarzes Haar verdeckt teilweise ihre kastanienbraunen Augen und stand zudem leicht ungekämmt in alle Richtungen. Am Haaransatz konnte ich außerdem erkennen, dass schwarz wohl nicht ihre natürliche Haarfarbe war, denn dort zeigten sich bereits leicht die Ansätze ihrer wahren Färbung, brünett. Das Piercing an ihrer Unterlippe war mir bereits zu Beginn aufgefallen, doch dies war nicht das Einzige, welches sie sich hat stechen lassen. Auch auf ihrem rechten Nasenflügel steckte eine glänzende kleine Perle; Ihre Ohren, die unter ihren Haaren herausragten, waren außerdem nicht nur mit einem einzelnen Ring durchbohrt, sondern gleich von mehreren. All diese Merkmale stachen mir in diesen wenigen Augenblicken ins Auge, mehr Aufmerksamkeit auf ihr Äußeres schenkte ich ihr nicht. Immerhin konnte ich es mir nicht leisten darauf zu achten, was für Schuhe sie trug ...


    Als das unbekannte Mädchen leise stöhnend die feste Umklammerung ihrer linken Hand löste, bemerkte ich sofort einen rötlichen Schimmer auf ihrer Haut. Blut. Die Wunde, die sich waagrecht über ihren Zeigefinger zog, hätte genauso gut auch von einem gezackten Küchenmesser stammen können, mit dem sie sich ausversehen beim Karotten schneiden verletzt hatte. Ich selbst hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt, dass ich ihr dieser Verletzung zugefügt hatte, hätte ich nicht selbst nur zu gut mitbekommen, wie ich ihr meine Zähne in die Haut gerammt hatte … Dabei hatte ich doch kaum fest zugebissen. Aber Mitleid oder eine Entschuldigung war das allerletzte, was diese verdammte Fremde von mir erwarten konnte. Geschah ihr ja recht! Diese Trainerin hatte nichts anderes verdient … Ja, sie hatte immerhin versucht mich zu packen und wegzuzerren! Ich musste mich … ich musste mich wehren! Verteidigen …
    Mein Blick sprang hinab zu meinen scharfen Klauen, die sich bereits tief durch die weiche Deckenfüllung eingegraben hatten.
    … Was war eigentlich verflucht nochmal mit mir los, wieso spielte ich mich so als Feigling auf? Warum suchte ich überhaupt nach einer Rechtfertigung, mochte vielleicht sein, dass vorhin diese Instinkte für mein Handel verantwortlich waren, aber nun würde ich diesem Punk persönlich nochmal in die Hand beißen, wenn sie mir nochmals zu nahe käme! Ich konnte mich doch hier nicht kampflos ausliefern lassen und aufgeben, wie irgendein rosa Prinzesschen, die nicht in der Lage war, sich ohne einen Märchenhelden zu befreien, oder? Ich hatte in den letzten Stunden bereits mehr als genug den Schwächling gespielt, dass würde sich nun ändern!
    Mein Körper hörte mit einem Mal auf zu beben und als ich meinen Kopf wieder empor hob, strahlte dem Mädchen nun zwei ganz andere Augen entgegen: Augen voll von Trotz und Zorn.
    Ich hatte mich bereits gegen einen schwarzen Henkersvogel gestellt, welcher sich mit zwei Paar geschärfter Klauen auf mich gestürzt und sturmartige Windböen auf mich gehetzt hatte. Und ob man es glaubt oder nicht, ich hatte überlebt! Wie auch immer … Was hatte da bitte diese schwächliche Teenagerin zu bieten? Zehn Stück Fingernägel? Ein paar stumpfe Backenzähne? Oder vielleicht ein spitzes Nasenpiercing? Nur zu, mit dem kann ich es aufnehmen!
    Mit einem Mal viel zuversichtlicher, riss ich meine Krallen von der mittlerweile aufgeschlitzten Bettdecke. Jegliche Befürchtungen und Pessimismus schluckte ich einstweilen die Kehle hinunter und schaffte sie damit aus meinem Kopf ... fürs erste. Denn in Luft lösten sie sich nicht auf, sie wurden lediglich vom dem plötzlich aufkeimenden Mut überdeckt. Ja, Mut und mein Selbsterhaltungstrieb, von Hoffnung wagte ich nicht zu sprechen, denn ich hatte keine. Alles was ich im Augenblick wollte, war es dieser Trainerin ihre kläglichen Fangversuche zur Hölle auf Erden zu machen. Dies musste mir im Moment als Befriedigung reichen.
    Angriffslustig, doch trotz allem etwas zögerlich stellte ich mich breitbeinig auf die federnde Matratze und starrte weiterhin diese Trainerin an, die sich gerade ihre blutende Wunde leckte. Der gequälte Ausdruck war jedoch aus ihrem Gesicht verschwunden und auch ihre braunen Augen, die vorhin noch mitleidig auf ihren blutenden Finger gestarrt hatten, betrachten mich schon wieder mit diesem undefinierbaren Blick. Unsere Blicke kreuzten sich abermals, meine bernsteinfarbenen Vulpixaugen mit ihren kastanienbraunen Menschenaugen.
    Ihr Blick … er war fast nicht zum Aushalten. Warum? Keine Ahnung verdammt nochmal, ich konnte es mir selbst nicht erklären. Resignierend wollte ich ihren unangenehmen Augen entgehen und wieder auf das Laken herabstarren, doch mein Stolz und meine Sturheit hielten mich schließlich davon ab. Krampfhaft erwiderte ich ihren Blick und setzte ich „zum Gruß“ noch ein bissigen Zähnefletschend drauf. Nur das es nicht freundlich gemeint war. Es war alles andere als nett und willkommen, sondern eine direkte Aufforderung, sich zu verpissen und mindestens einen Kilometer Abstand zu halten!
    Doch das Mädchen schien nichts dazugelernt zu haben, denn wieder näherte sie sich vorsichtig dem Bett und hob langsam ihre unverletzte Hand. Misstrauisch beäugte ich jede einzelne ihrer Bewegungen, in der Erwartung, dass sie gleich in ihre Hosentasche greifen würde, um einen Pokéball hervorzuziehen. Ich durfte diesen einen Moment nicht verpassen, ich musste dafür bereit sein. Wieder öffnete die Fremde ihren Mund und formte mit ihren Lippen einige Worte, welche dieses Mal sogar über die großen Ohrmuscheln an mein Trommelfell gelangten.
    „Tut mir Leid …“, sagte das Mädchen mit ihrer leicht jungenhaften Stimme und ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, „Ich wollte dich wirklich nicht verängstigen.“


    Hä?
    Hatte ich mich gerade verhört? Das war alles? Ich hatte ihren Finger blutig gebissen und das war ihre Reaktion darauf? Skeptisch und gleichzeitig verwirrt hörte ich auf mit meinen Zähnen zu fletschen und lockerte unbewusst leicht meine angespannte Stellung. Doch mein Blick blieb unverändert starr auf der Fremden haften, auch wenn sich nun in meine Augen ein Spur von Unverständnis einschlich.
    Das war doch nicht normal, ihr Finger blutete und alles was sie tat, war sich dafür zu entschuldigen, dass sie mich verängstig hatte? Nein, so leicht traute ich der nicht über den Weg, die hatte doch bestimmt irgendetwas vor! Meinen sogenannten „Mitmenschen“ vertraute ich kein bisschen mehr, nicht nachdem ich am eigenen Leib erfahren musste, wie grausam diese mit mir umgingen. Gefühlslos, ohne den kleinsten Funken Rücksicht, nur weil alle blind für das waren, was sie wirklich vor Augen hatten. Außerdem, wer war hier bitte verängstigt, ich für meinen Teil bestimmt nicht! Ich hatte doch keine Angst vor dieser aufgeblasenen Tante da, also bitte! Das war ...
    Erschrocken zuckte ich zusammen, als diese Teenagerin wieder langsam ihre riesigen „Pranke“ in Bewegung setzte, abermals direkt auf mich. Alarmiert wechselte ich in eine aggressive Angriffsstellung zurück und bleckte ihr nur noch drohender die weißen Beißer entgegen, mit denen ich jederzeit bereit war, ihr einen Finger abzubeißen.
    „Halte … einfach … deine Fresse“, zischte ich, innerlich im Zweispalt darüber, ob ich vorsichtig zurückweichen oder doch provozierend auf die Trainerin zu springen sollte, „Erzähl deinen Dreck jemand anderem … Hau einfach ab!“
    Ich musste jeden Moment mit dem Schlimmsten rechnen, von den Techniken und Tricks, mit denen Trainer Pokémon einfingen, hatte ich zwar nicht den leisesten Schimmer, aber sonderlich scharf darauf diese an mir selbst zu testen, war ich nicht. In diesem Zimmer roch es förmlich nach einer Falle!
    „Hab keine Angst, ich tu dir nichts“, kam es abermals von der Teenagerin, die sich weiter behutsam über das Bett lehnte und ihre linke Hand in meine Richtung streckte.
    Ich hab keine Angst vor dir, verdammt nochmal, werde ja nicht überheblich! Zieh einfach deine stinkende Flosse von mir weg, sonst liegst du gleich heulend auf dem Boden, das schwör ich dir!
    Zornig knurrte ich und beugte mich allmählich nach vorne, während ich ihr noch einige weitere Beschimpfungen an den Kopf warf. Ihre Bewegungen schienen tatsächlich langsamer zu werden, als ob sie spürte, was meine beleidigenden Laute bedeuteten. Doch sie hielt nicht komplett inne, sondern steuerte ihre Hand weiter unaufhaltsam auf meinen Kopf zu. Ein schwerer Fehler!


    Brüllend stieß ich mich mit aller Kraft nach oben und schlug blindlings mit meiner rechten Klauen nach den mir entgegengestreckten Fingern. Blitzschnell schnellten meine Krallen durch die Luft, bereit diesem Punk die Haut aufzuschlitzen, das Mädchen jedoch hatte allem Anschein seit meinem letzten Attentat dazugelernt. Ruckartig riss sie ihren Arm gerade rechtzeitig von mir weg; meine Pfote verfehlte ihre Hand nur um haaresbreite, sodass ich stattdessen nutzlos ins Nichts schlug. Unbarmherzig erinnerte mich im selben Augenblick die Schwerkraft wieder daran, wo genau unten und oben war und zog mich hinunter Richtung Erdboden. Wäre da nicht die Matratze gewesen, die meinen Sturz wie ein großes Trampolin abfederte, ich hätte mir bereits den nächsten blauen Fleck für heute zugezogen. Unelegant plumpste ich seitlich auf den weichen Untergrund und hinterließ auf der Decke drei weitere Risse, um, kaum eine Sekunde zurück auf dem mehr oder weniger festen Boden, herum zu rollen und rasch wieder aufzuspringen. Dieses verdammte Mädchen könnte immerhin diesen kurzen Moment meiner Wehrlosigkeit ausnutzen, um mir so einen Pokéball in den Rücken zu schleudern, was mein Ende bedeutet hätte. Schnaufend stand ich wieder wackelig auf meinen Beinen und blickte abermals das Mädchen an, welches sich einen großen Schritt von mir entfernt hatte. Mein Brustkorb senkte und hob sich eifrig, während ich schwer nach Atem rang.
    „Du hast …“ stieß ich einige Worte hervor, welche aber wahrscheinlich von meinem röchelnden Schnaufen verschluckt wurden, „… nur … Glück gehabt … Nächstes Mal … treffe ich …“
    Das – meiner Überzeugung nach – verunsicherte Mädchen stand noch immer reglos da und hielt ihre verletzte Hand schützend vor ihrem Arm, den ich verfehlt hatte. Dabei schmierte sie ausversehen etwas von ihrem Blut den Ärmel ihrer grauen Kapuzenweste, die eher zu einem pubertierenden Jungen passte, als zu einem Mädchen, das halbwegs über etwas Modebewusstsein verfügte. Doch weder der erste, noch der zweite Punkt schien sie auch nur ansatzweise zu stören, ihre Augen waren weiterhin auf mich gerichtet, doch diese Aura der absoluten Ruhe war aus ihnen verschwunden. Doch trotz allem musste ich ihr ein winzig kleines bisschen von Respekt zollen: Hätte mich jemand derartig attackiert, ich hätte ganz anders reagiert. Also entweder war diese Idiotin wirklich die Ruhe in Person oder lediglich sehr leicht zu verängstigen. Im Grunde war es mir ja egal, es lief doch auf dasselbe hinaus: Wenn sie mir noch einmal zu nahe kam, würde sie nicht mehr so ruhig bleiben, dass konnte ich versprechen.
    Paradoxerweise machte ich einen Schritt auf sie zu, obwohl ich sie eigentlich weit weg von mir haben wollte. Ich tat dies aus Vorsichtsmaßnahme, damit ich im Notfall noch in Reichweite war, um sie zu attackieren ... was aber reichlich sinnlos war, denn selbst von der Bettkante aus, hätte ich sie nicht mehr erreichen können.


    „Verstehe ...“, unterbrach mich das Mädchen mit ihrem Gemurmel das kurze Schweigen und hielt ihren Ärmel nur noch fester umklammert. Es war so, als hätte sie gerade tatsächlich auf meine Drohung geantwortet, jedoch zeigte sie mir ihr wieder aufblitzendes Lächeln, dass sie keinen blassen Schimmer davon hatte, was ich ihr da gerade gesagt hatte. Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, drehte sie mir plötzlich den Rücken zu und ging gemächlich auf die verschlossene Zimmertür zu. Anfangs blickte ich ihr leicht perplex nach.
    Was sollte das wieder werden, die wollte doch jetzt nicht einfach so verschwinden, oder? Moment, wenn schon, dann … das wäre doch meine Chance!
    Reflexartig hopste ich weiter auf die Bettkannte zu, doch hielt sogleich inne, als die Teenager vor dem weißen Plastiksack innehielt. Verständnislos beobachtete ich sie, wie sie sich nach vorne beugte und anfing, in dem Inhalt der raschelnden Tasche zu kramen, als ob sie etwas suc ...
    Schlagartig wich alle Farbe aus meinem Gesicht, als mir klar wurde, was sie sich gerade aus ihrem Plastiksack fischen wollte. Ein Pokéball! Darum hatte bisher noch keinen Pokéball geworfen, sie hatte noch keinen bei sich! Verdammt, verdammt … Wieso stehe ich noch so planlos in der Gegend herum, ich muss sofort etwas unternehmen und sie aufhalten! Verunsichert und entsetzt zu gleich, sprang ich endgültig auf das Ende der Matratze zu und rutschte völlig überstürzt die Bettkannte hinab, um keine Sekunde später auf dem hölzernen Fußboden zu landen. Elegant konnte man auch diese Landung nicht nennen, doch sie war zweckmäßig und mehr oder weniger schmerzfrei. Doch an dieser Stelle kam ich ein weiteres Mal zum Stillstand, denn das Rascheln, welches gerade noch warnend in meinen Ohrmuscheln gedröhnt hatte, hörte abrupt auf. Das Mädchen hatte gefunden, was sie suchte.
    Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper gleich in zwei Teile zerreißen würde, einer, der weiter dickköpfig und verzweifelt auf die Trainerin stürmen wollte, um sie aufzuhalten und jener, der panisch das Weite suchen wollte. Auf wen sollte ich verdammt nochmal hören? Hin und her gerissen schwenkte mein Schädel in beide möglichen Richtungen, doch erst als sich das Mädchen langsam erhob, etwas mit ihrer unverletzten Hand umklammernd, das sich aber noch meinen Augen entzog, ergab ich mich dem Willen meiner zweiten Seite. Wie ein in die Enge getriebenes Rattfratz, wich ich vor dem „Mauzi“ zurück, die Rollen wurden wieder vertauscht. Rückwärtsgehend geriet ich jedoch ins Stolpern und plumpste ungeschickt mit meinem Hintern auf diese Vulpixschweife. Doch als ob nichts passiert wäre, rutschte ich unbeirrt auf den sechs Schweifen sitzend über den Fußboden, denn eine Verzögerung konnte ich mir wirklich nicht mehr leisten. Mit einem kräftigen Stoß beförderte ich mich genau rechtzeitig unter den Schatten des Bettes, als sich das Mädchen umdrehte und auf mich zu marschieren wollte. Mein Hinterkopf knallte zuvor noch dumpf gegen die Bettkante, sodass ich mich doch noch zurück auf den Boden werfen musste, um überhaupt vollständig in den Spalt zwischen Bettkante und Boden zu passen, aber letztendlich hatte ich es geschafft. Ich saß nun leicht im Dunkeln, nur das Licht, welches durch den Spalt hindurch leuchtete, sorgte dafür, dass ich dennoch genügend sehen … und gesehen werden konnte. Der Staub, der sich wahrscheinlich bereits seit der Existenz dieses Hauses unter dem Lattenrost gesammelt hatte, wirbelte durch die Luft, kitzelte meine Nase und kratzte mit jedem meiner Atemzüge in meinem Rachen. Ich wagte es jedoch nicht nur einen leisesten Laut, ganz zu schweigen ein Niesen von mir zu geben, obwohl die Trainerin bereits bestimmt wusste, wo ich mich gerade verkrochen hatte. Auch wenn sie meine plumpe Flucht nicht bemerkt haben sollte, solange sie mindestens einen winzigen Teelöffel Grips im Schädel verfügte, würde sie sofort erahnen, wo ich mich versteckt hielt. Trotzdem presste ich meinen Mund gegen mein bebendes Vorderbein, während ich die zwei weißen Turnschuhe fixierte, die sich zögerlich in Bewegung setzten. Erst erhob sich der linke Schuh und setze ein Stück weiter auf dem Boden auf, dann folgte der rechte Schuh, wieder der linke, der Rechte der linke … Und jedes Mal kamen sie mir einen Schritt näher und näher.
    „Grab dich doch einfach ein und bleib von mir weg!“, entwich eine Verwünschung aus meiner Kehle, jedoch wurde diese von dem Fell erstickt, das ich weiterhin gegen mein Maul drückte.
    „Ich … hab keine Angst vor dir!“
    Nein, ich fürchtete mich nicht vor ihr, bestimmt nicht ... Ich meine, sich vor diesem beschränkten Mädchen zu fürchten wäre eine absolute Peinlichkeit. Ich konnte mich gut genug gegen sie zur Wehr setzen aber … ich … ich wollte einfach … Verdammt nochmal, mit einem Pokéball war das eine ganz andere Situation! Das war so, als würde man zwei Menschen gegenüber stellen, den einen nackt und den andere bis an die Zähne bewaffnet und ließ sie gegeneinander kämpfen. Genauso sah meine momentane Situation aus, nur das ich zwar ein paar Krallen besaß, die Trainerin dafür eine Kapsel bei sich hatte, die meinen Willen sofort brechen könnte. Ob ich dieses Mal abermals so unverschämt viel Glück hatte wie am Vortag, wagte ich mächtig zu bezweifeln. Ich hatte also keine Angst vor diesem dämlichen Mädchen ... Ich hatte nur gewaltige Panik vor ihrer verfluchten Waffe! Dazwischen war ein großer Unterschied …
    Verunsichert kroch ich noch ein Stück durch den Schmutz und Dreck, weiter ans Ende dieser Sackgasse, in die ich mich gebracht hatte. Das Paar Turnschuhe war in der Zwischenzeit direkt vor dem Bett zum Stehen gekommen. Die Vorderkappe der kleinen Schuhe ragte unter der Bettkante hindurch und verharrte reglos an dieser Stelle. Lange wagte ich nicht mein Maul zu öffnen und nach Luft zu schnappen, ich starrte einfach unentwegt auf diese zwei weißen Schuhe.
    Jetzt war es so weit ... Ich saß total in der Falle. Verdammt nochmal, wie ich mein Leben hasse! Wie ich das hier alles hasse!!! Ich will keine verdammte Sklavin werden, ich will nicht nochmal diesen grausamen Sog an meinen Körper fühlen, diese unbarmherzige Kraft, die mich ins Nichts ziehen versucht. Ich hab genug davon!
    Draußen glaubte ich ein Rascheln zu hören, kurz bevor es plötzlich soweit war: Die Hand dieser Teenagerin tauchte direkt vor dem Spalt auf. Augenblicklich presste ich mich panisch gegen die Wand als ich die Faust erblickte, die etwas Rötliches umklammert hielt … doch es war kein Pokéball. Es war nicht mal annähernd rund. Eigentlich war es nichts mit dem ich gerechnet hatte. Es war ein ganzes, halb in Verpackungspapier eingewickeltes Stück Speck.
    Überrumpelt starrte ich dieses wunderbare Fleisch an, das nur wenige Mauzisprünge von mir entfernt auf dem Holzboden herumlag. Auch wenn ich meinen Augen anfangs nicht glauben wollte, bestätigte mir schnell der intensive und salzige Geruch - der meine empfindliche Nase zärtlich zu streicheln schien - meinem Gehirn, dass dort tatsächlich etwas zu essen lag, dass nicht verfault, vergammelt oder in der Kanalisation gelandet war. Für mich war es mehr als das, im Moment entsprach dieses Stück Fleisch für mich einem Festmahl, serviert auf einem goldenen Teller! Wie auf Kommando begann mein völlig außeracht gelassener Magen wie ein grimmiges Ursaring grollende Laute von sich zu geben und erinnerte mich damit daran, wie hungrig ich in Wahrheit wieder war. Alles was ich am Vortag zwischen meine Zähne bekommen hatte, war diese stinkende Keule, die mich nicht langfristig gesättigt hatte. Aber in der ganzen Aufregung hatte ich meinen leeren Magen und meine trockene Kehle vergessen; nun wo mir aber Essen quasi auf dem Präsentierteller vorgesetzt wurde, konnte ich dieses Bedürfnis nicht mehr ignorieren. In Fakt konnte ich diesen Vulpixkörper kaum noch unter Kontrolle halten, denn durch den herzhaften Duft stimuliert, fühlte ich das Bedürfnis, sofort aufzuspringen und mich auf das Festmahl vor meinen Augen zu stürzen. Je mehr mein Körper zurück auf die vier Pfoten springen und freudig jauchzend auf das Fleisch zu rennen wollte, umso mehr Willenskraft forderte es mich diesen inneren Zwängen zu widersetzten. Mein Körper machte bereits ein paar kleine Schritte in Richtung Bettkannte, doch ich konnte ihn noch davon zurückhalten, sich blindlings loszumachen.
    Das war doch alles einfach zu schön um wahr zu sein … Genau deswegen konnte es nicht wirklich sein! Der Speck ist eine Lüge! So eindeutig wie ich dieses Festmahl … was für ein herrlicher Duft … ähm, ich meine, so eindeutig ich dieses Fleisch riechen konnte, so eindeutig stank es hier nach Steak … Hinterhalt, nicht Steak natürlich! Wahrscheinlich hatte sie den Pokéball ganz einfach in der anderen Hand versteckt und wartete darauf, dass ich mir diese Beute schnappte, um anschließend ihr Essen zu wer … Arg verdammt, ich krieg diese Sehnsucht nach Essen nicht aus meinem Schädel!
    Sehnsüchtig wischte ich mir den Speichel aus den Mundwinkeln, der wieder unkontrolliert zu Boden tropfte.
    Verdammt, ich durfte mich nicht davon hinreißen lassen. Das war ja so, als würde ich einem Gengar für etwas Brot meine Suppe … Verdammt, nicht Suppe … meine Seele verkaufen, wenn nicht sogar schlimmer! Nicht das ich an Geisterpokemon glaube ...
    Unruhig drängte ich meinen zitternden Vulpixleib wieder zu Boden, der stur versuchte aufzuspringen. Die sechs Schweife wedelten unaufhörlich wie ein Staubwedel über den finsteren Boden und der herrliche Duft des geräucherten Specks wollte meine Nase nicht mehr verlassen, sondern schien mich stattdessen wie ein Seil näher zu ziehen. Wie sehr ich mir in diesem Moment gewünscht hätte, dass ich allein von dem Geruch satt werden könnte, doch das Gegenteil war der Fall. Je länger ich diesem himmlischen Duft ausgesetzt war, umso mehr wuchs in mir der Wunsch, alles hinter mich zu lassen und meine Seele zu verschenken, nur damit ich endlich dieses Aroma auch auf meiner Zunge schmecken konnte.
    Das Mädchen schien in der Zwischenzeit müde vom Stehen geworden zu sein, denn sie entfernte sich einen Schritt vom Bett, um gleichdarauf sich mit abgewinkelten Beinen zu Boden zu setzt, ihre Hände in den Hosentaschen verborgen. Ha, wusste ich es doch, das war der Beweis! Sie versteckte etwas … nämlich diesen blöden Pokéball, das war doch eindeutig! Darauf würde ich nicht hereinfallen …
    „Du musst hungrig sein“, hörte ich wieder ihre Stimme dumpf durch den Spalt hindurch, „Iss ruhig“
    Iss ruhig? Iss RUHIG?! Wie verdammt nochmal sollte ich ruhig bleiben, dies war die reinste Folter, verfluchte sadistische Vollidiotin!
    Mittlerweile sabberte ich wieder wie ein Wasserfall, machte mir jedoch nicht mehr die Mühe, mir den Speichel aus dem Fell zu wischen. Meine Glieder zuckten unruhig und mein Magen drohte mir damit jeden Augenblick zu implodieren, wenn er nicht sofort mit diesem Stück Speck gefüllt werden würde. Das war fast dieselbe Folter wie am Vortag.
    „Du musst wirklich keine Angst haben“, kam es wieder aus ihrem Munde, doch die Worte drangen kaum noch zu mein Bewusstsein durch; momentan schwirrten alle möglichen Fantasien und Vorstellungen in meinem Kopf herum, die sich alle nur um eines drehten: Essen, Essen und nochmals Essen.
    „Ich kann verstehen, dass du dich fürchtest …“
    Meine Schweife wedelten nicht mehr, sie rotierten bereits wie die Quirle eines Mixers, mit dem man gerade Kuchenteig rührte. Meine Pfoten trommelten unterdessen unruhig auf das Holz.
    „Aber ich will dir wirklich nichts tun …“
    Langsam ließ in mir jeglicher Wiederstand nach. Mein Körper stemmte sich gegen meinen vergeblichen Bemühungen und erhob sich Zentimeter für Zentimeter vom staubigen Untergrund.
    „Es tut mir leid … „


    Es reicht, das Maß ist voll! Von einem Augenblick zum anderen war mein Wille gebrochen und in etwa tausende von Scherben zuschmettert. Ich hörte auf mich gegen meinen Hunger zu wehren und ergab mich diesem ohne weiteren Wiederstand. Sofort entglitt mir jegliche Kontrolle über meinen eigenen Leib, der meinen Magen zu seinem neuen Hirn erklärte. Völlig eigenständig schien mein Körper aufzuspringen und hechelnd auf den Spalt, auf das Licht, auf mein Essen zu zustürmen. Nun war es mir mehr als schnuppe, was die Konsequenzen sein würden. Ebenso Wurst war es mir, dass ich mir mit jedem Schritt mit meiner Schädeldecke gegen den Lattenrost über mir knallte, mein einziges Interesse galt es endlich etwas zwischen meine Zähne bekommen!
    Spielend überwand ich die geringe Distanz, die mich und den Speck trennte, um sofort fauchend meine Zähne in das Fleisch zu schlagen. Überstürzt riss ich ein übertrieben großes Stück, welches nicht einmal vollständig in mein Maul passte, mit meinen Beißern ab; umso erstaunlicher war es, dass ich diesen gewaltigen Happen ohne lang zu kauen meinen Rachen hinunter würgte, dieses Mal nicht aus Abscheu, sondern aus purer Gier. Einer zarter und salziger Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus, so genüsslich und wundervoll, am liebsten hätte ich Stunden damit verbracht, nur da zu stehen und dieses so sehr erwartete Aroma förmlich auf meiner Zunge zergehen zu lassen, doch stattdessen riss ich ohne lang zu fackeln ein weiteres Stück von meinem Festmahl herunter.
    Wäre jedoch mein jetziges und altes Ego zwei verschiedene Personen gewesen, hätte mein menschliches Ich diesem „Vulpix-Ich“ völlig angewidert zugesehen, wie es über dem Stück Fleisch gebeugt, Bissen für Bissen verschlang. Wie eine wilde Bestie, die man in verschiedenen Dokumentationen anglotzen konnte. Sie hätte mich abwertend betrachtet und mir alle möglichen Beleidigungen und Worte an den Kopf geworfen, ganz vorne dabei: „Wie kannst du so verdammt tief sinken“. Auch wenn ich jetzt gern gesagt hätte, dass mir dieser Gedankengang egal war ... ich konnte es leider nicht, ansonsten hätte ich mich selbst belügen müssen. Immerhin waren diese zwei „Ich“ nicht zwei verschiedene Lebewesen, sondern eine einzige Person und deswegen musste meine noch menschliche Seite fluchend miterleben, wie ich weiter instinktgetrieben das Fleisch regelrecht zerfetzte. Denn im Moment bestimmte mein Magen all meine Bewegungen und Taten, dessen Ziel es war so schnell wie möglich gefüttert zu werden, bevor es zu spät dafür wurde. Gleichzeitig erwartete ich nämlich mit jedem Bissen, dass ich in einen grellen Lichtblitz eingehüllt und wie ein Staubkorn in eine rot, weiße Kapsel eingesaugt wurde.
    Unersättlich schlang ich das Fleisch den Hals hinunter und erwartete weiter das Eintreffen meiner Befürchtungen. Nichts passierte.
    Noch ein weiterer Happen wanderte in mein Maul und verschwand kurz darauf in meinem Magen.
    Es passierte weiterhin nichts. Kein Pokéball, kein Sog, kein gar nichts. Nur ich und meine wundervolle Mahlzeit …
    „Da ist ja jemand wirklich hungrig“, hörte ich in der Nähe die lachende Stimme des Mädchens.
    … und meine Todfeindin. Diese saß noch immer neben mir auf dem Boden, die leeren Hände nun um ihre Knie geschlungen. Einen kurzen Moment blockte ein Fluchtinstinkt meinen Appetite, doch dieser gewann schnell wieder an Kontrolle zurück, als ich weiterhin kein Anzeichen eines roten Pokéball entdeckte ... und es schien im Moment nicht danach, dass noch einer demnächst folgen würde. Dennoch packte ich das Verpackungspapier, auf welchem der schmackhafte Fleischklumpen lag, mit meinem Zähen und zerrte es rasch unters Bett, wo ich mehr oder weniger außerhalb der Schusslinie ungestört weiter wie über mein Essen herfallen konnte. Den Großteil meiner Mahlzeit hatte ich bereits in dieser kurzen Zeit gierig vertilgt, doch mein Hunger war noch immer nicht völlig gestillt.
    „Ich … ich hab dich mitten in der Nacht auf einer Straße entdeckt. Du hast dich nicht bewegt …“, begann das Mädchen einige Augenblicke später, völlig aus dem Kontext gerissen, zu reden. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie der Schatten ihres Kopfes durch den Bettspalt fiel, der plötzlich direkt vor dem Spalt auftauchte. Leicht alarmiert hielt ich mit vollem Mund inne und richtete abermals meinen Blick auf sie, die sich gerade bäuchlings zu Boden legte und ihr Kinn auf ihre Unterarme stützte. Den verletzten Finger hatte sie mittlerweile in ein weißes Taschentuch gewickelt, durch welches ihr Blut jedoch teilweise hindurch schimmerte. Wieder betrachte sie mich mit diesem ruhigen und interessierten Blick, als wäre ich so ein Vieh, dass man hinter Gittern in einem Zoo bestaunen konnte. Meinetwegen hätte sie mich auch mit großen Fukanoaugen anflehen können, ich konnte ihren verfluchten Blick einfach nicht ausstehen, er machte mich krank! Argwöhnisch packte ich den letzten Rest meiner Mahlzeit und versuchte damit noch weiter in denen finsteren Schatten zu verschwinden, weg von diesen nervigen Augen. Diese Teenagerin mochte zwar den Moment der Stunde noch nicht dazu genutzt haben, mich in eine winzige Kapsel zu sperren, doch das bedeutete noch lange nicht, dass ich ihr deshalb im Geringsten vertraute. Dieses Mädchen war mir überhaupt ein großes Mysterium und genauso etwas konnte ich ganz und gar nicht ab!
    „Ich hatte keine Ahnung wo das nächste Pokemoncenter war, also hab ich dich sofort hier her gebracht.“
    Ich fraß einfach weiter.
    Soll sie doch einfach weiter reden und ihr Herz ausschütten, wenn sie das glücklich machte, nur zu, mir war es egal. Immerhin war ich ja nur ein stink normales Pokémon ... Warum sollte ich mich also um so etwas kümmern, pah.
    Doch ganz konnte ich ihre Worte nicht ignorieren, denn es gab paar Dinge, die ich in meinem Kopf einfach nicht erklären konnte.
    Sie hatte mich also auf der Straße gefunden … könnte mir dann bitte jemand erklären, wie ich den Sturz von dem Dach jenes Hauses überleben konnte? Ich hätte doch wie eine Wassermelone auf dem Asphalt zerschellen müssen, oder nicht? Aber wenn ich mich selbst betrachtete … zerquetschtes Gemüse oder Obst sah anders aus. Alles was ich abbekommen hatte, waren ein paar kleinere Verletzungen, die ich im Augenblick kaum wahrnahm. Und überhaupt, wieso hatte mich dieses Mädchen mitgenommen, wenn sie mich scheinbar nicht versklaven wollte? Sah sie sich selbst als eine Art Wanderschwester, die sich um verletzte und streunende Pokémon kümmerte? Na klar doch, genau so sah sie auch aus: geschmacklosen Kleidung und dazu die ganzen Piecings … Sie war möglicherweise noch gar nicht volljährig, verdammt nochmal!
    „Oh, ich hab mich noch gar nicht vorgestellt“, erinnerte sich plötzlich das Mädchen und legte ihren großen Kopf schräg die Arme, „Ich bin übrigens Nana.“
    Sie lachte kurz.
    „Redest du immer wie eine Geistesgestörte mit irgendwelchen Viechern, die dir nicht antworten können“, maulte ich zurück, im Klaren darüber, dass ich von ihr keine Antwort erhalten würde. Nana … Toll, jetzt kannte ich das Böse beim Namen, das half mir wirklich sehr im Moment. Sie sollte mir lieber sagen, was sie vorhatte, damit ich mich entscheiden konnte, ob ich ihr sofort die Augen ausstechen sollte. Am besten sollte sie mir gleich freiwillig die Türe aufhalten, damit ich verschwinden konnte …


    Ich blickte hinab auf den bescheidenen Rest meiner Mahlzeit, der noch vor meinen Pfoten lag.
    Wobei, jetzt wo mein Verstand allmählich wieder klarer wurde … Was sollte ich überhaupt anschließend tun, wenn ich, gegen den Willen dieser Nana oder nicht, aus dieser Türe ins Freie trat? Ich wäre wieder ganz auf null, ohne einen Unterschlupf, ohne etwas zu Essen und es würde wahrscheinlich nicht lang dauern, bis diese Kramurx meine elenden Überreste von der Straße kratzen könnten. Hätte ich wenigstens ein genaues Ziel auf das ich zusteuern könnte, doch die einzige Richtlinie die ich hatte, hieß: „Wieder ein Mensch werden, egal wie.“
    Mit einem kurzen Biss wanderte der letzte Happen in mein Maul. Während ich diesen nun viel andächtiger kaute, blickte ich das liegende Mädchen an, die gerade etwas wie „Schön das es dir besser geht“ und ähnliches Blabla von sich gab.
    Was zerbrach ich mir überhaupt groß den Kopf, ich saß ohnehin noch in diesem Zimmer fest und solange mir dieses Mädchen nicht demnächst die Türe öffnete, würde ich sowieso nicht hier rauskommen. Das wäre sozusagen das Problem meines zukünftigen Ichs, ich selbst hatte ja im Moment genug anderes Zeug mit dem ich mich herumschlagen musste … Hust, hust!
    Hustend beugte ich mich hastig nach vorne und unterbrach fürs erste meinen schier endlosen Gedankengang. Mein Hals begann plötzlich furchtbar zu kratzen an und machte mir endgültig wieder klar: Der Mensch lebt nicht vom Fleisch alleine. Der salzige Speck hatte mich zwar beinah gesättigt, aber dafür war ich nun noch durstiger als ich es im Vorhinein bereits gewesen war. Wein, Cola, Kaffee … ja sogar Wasser, wenn es sein musste, ich brauchte irgendetwas das ich mir die Gurgel runter schütten konnte.
    „Alles in Ordnung?“, hörte ich wieder die Stimme des Mädchens, die einen leicht besorgten Ton annahm.
    „Hör einfach auch zu fragen verdammt … Du kannst mich sowieso nicht verstehen!“, bellte ich zurück, unterbrochen von kleineren Hustanfällen. Natürlich, jetzt kommt sie auch noch mit dieser Mitleids-Tour daher, die hat doch keine Ahnung! Ihr verdammtes Mitgefühl konnte sie sich behalten, so was konnte ich nicht ausstehen …
    Die Teenagerin schien langsam ihren Arm heben zu wollen, senkte diesen jedoch nach kurzen Zögern wieder zu Boden, als sie von mir ein bissiges „Lass deine Finger von mir“ vernahm. Mittlerweile schien sie wenigstens halbwegs verstanden zu haben, dass ich mich nicht von einem übergroßen Menschen anfassen ließ, wenigstens ein kleiner Fortschritt; löste aber nicht mein momentanes Problem.
    Nana schien wieder etwas sagen zu wollen, doch da schnitt ihr eine leise Melodie ins Wort, die plötzlich leise durch das Zimmer trällerte. Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen und wandte ihre Augen ruckartig von mir ab, ich hingegen blieb weitgehend ruhig auf meinem Platz, während ich versuchte mit Speichel meinem kratzendem Hals entgegen zu wirken.
    „We've been together a long, long time …”, drang die dumpfe Stimme eines Sängers an mein Ohr, der zu dem Gitarre Geplänkel dazu sang. Die Teenagerin setzte sich eifrig wieder und durchsuchte hastig ihre Hosentaschen, jedoch checkte sie schnell, dass diese Melodie nicht aus ihren Taschen stammte.
    „But nothing's changed, has it? Even the mood ...“
    Nicht wirklich elegant stand sie schließlich wieder vom Boden auf und eilte auf den weißen Plastiksack zu, um dessen Inhalt wenig später ohne Rücksicht auf dem Boden verstreute. Ein paar Flaschen und eine Rolle Klopapier rollten über den Boden, verpackte Lebensmittel wurden achtlos zu Boden geworfen ... Stumm verfolgte ich dieses Spektakel, nicht ganz sicher was ich nun tun sollte. Sollte ich weiter hier unten bleiben oder irgendeinen Fluchtplan in die Tat umsetzen? Verächtlich verzog ich die Miene, als ich die Fremde weiter dabei beobachte, wie sie ihre scheinbaren Einkäufe durchwühlte. Ja sicher, ein Fluchtplan ... als ob ich irgendeinen Plan hätte.
    „How would it be if you ... Bieb!“
    ... War es denn so schwer, dieses Lied einfach zum Verstummen zu bringen? Wieso hatte sie überhaupt ausgerechnet diese Melodie als Klingelton, ich meine, das Lied war bereits seit Jahren derartig ausgelutscht und verbraucht. Immerhin war es vor paar Jahren wirklich überall, im Radio, im Netz und sogar im Fernsehen ... Seltsam, an dieses Lied konnte ich mich erinnern, aber von meinem persönlichem Leben ...
    „… now we ... Bieb!“
    Endlich hatte das Mädchen die Quelle der Melodie gefunden – was natürlich ihr Handy war – und würgte den Sänger abrupt ab. Sie richtete sich wieder auf, sodass ich aus meinem Blickwinkel wieder lediglich ihre weißen Schuhe erkennen konnte. Was sie gerade genau machte blieb mir verborgen. Sie schien keinen Anruf entgegenzunehmen und blieb stattdessen einfach vor dem mehr oder weniger leeren Plastiksack stehen wie angewurzelt.
    Vielleicht hatte sie ja nur eine SMS bekommen oder dieses Lied war lediglich ihre Weckermelodie ... wie sollte ich das bitte wissen. Selbst wenn ich meinen Kopf schräg zu Boden legte, würde ich nicht mehr als ihre blauen Jeans erspähen können. Natürlich, ich könnte einfach vor das Bett kriechen und nachschauen, doch im Moment blieb ich lieber in den Schatten ... jedenfalls noch. Mein Kampfgeist hatte sich zusammen mit meinem Hunger verabschiedete, wer weiß, ansonsten hätte ich vielleicht tatsächlich versucht ihr wörtlich in den Rücken zu fallen. Aber jetzt ...
    Unerwartet setzte sich die Teenagerin doch wieder in Bewegung, eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie noch eine Stunde so verharren würde. Nicht nur dass, sie schien es auf einmal sehr eilig zu haben. Hastig rannte sie erst nach links, hielt jedoch sofort inne und stürmte dann in die andere Richtung wo sie irgendetwas vom Boden aufklaubte, um anschließend durch die zweite Zimmertüre zu treten, die bisher zu gewesen war. Alles was ich dann hörte, war ein Zischen und Rauschen und bevor ich mich überhaupt wundern konnte, was diese seltsame Fremde überhaupt tat, stand sie schon wieder vor dem Bett und stellte abermals etwas zu Boden. Dieses Mal zuckte ich weder verschreckt zurück, noch machte ich Anstalten ihr die Hand zu zerkratzen, sondern sah nur leicht perplex dabei zu, wie sie eine Plastikschüssel vor dem Spalt absetzte.
    Bevor ich überhaupt ganz kapierte, was das Ganze soll, hallte schon wieder das dumpfe Aufstampfen ihrer Schuhe in meinen Ohren, gefolgt von einem bekannten Klirren. Verwirrt blickte ich von der blauen Schüssel auf und entdeckte die weißen Turnschuhe, die direkt vor der Ausgangstüre zum Halt gekommen war. „Tut mir leid, ich muss schnell weg … Ich komme bald wieder zurück“, hörte ich wieder das Mädchen, dieses Mal lag jedoch einen undefinierbaren Ton in ihrer Stimme. Es war fast so, als wäre sie wegen etwas … besorgt.
    Das Scheppern der Schlüssels wurde lauter … dann knackste es und die Türe schwang auf, der Ausgang in die Freiheit war offen.

    In dem Moment hätte ich los laufen sollen. Ich hätte unter ihren Beinen hindurch hinaus ins Freie schlüpfen und dieses Mädchen und ihr Zimmer hinter mir lassen müssen.
    Warum ... Warum saß ich dann noch immer in diesem Zimmer und schaute der Tür zu, wie sie mit einem dumpfen Knall wieder ins Schloss fiel? Ich hatte diese ein Chance einfach an mir vorbeigehen lassen …
    Es wurde für einen Augenblick völlig still in dem Zimmer, keine Fußschritte, kein Schlüsselklirren, kein gar nichts. Doch dann erfüllte ein wütendes Geschrei das gesamte Zimmer, während ich mich darüber verfluchte, dass ich meine einzige Fluchtmöglichkeit vergeudet hatte …


    [tab=Wort zum Donnerstag]
    Hab ich schon mal erwähnt, dass ich eher ein Typ der langsamen Sorte bin? Wenn nicht, dann sollte es nach dieser circa 3 Monat langen Verspätung wieder deutlich geworden sein.^^" Tut mir wirklich leid, diese Unregelmäßigkeit ist nicht gerade der Idealzustand, ich weiß.
    Leider bezweifle ich, dass sich in den nächsten Monaten etwas an diesem Schneckentempo ändern wird, immerhin steht im Mai meine Matura(Abitur) an, also bin ich nicht sicher, wie viel Zeit ich da fürs Schreiben aufbringen kann. Wäre aber auch verlogen, wenn ich diesen Zustand rein auf die Schule schieben würde, es liegt leider auch etwas an meiner stark schwankenden Motivation, die ich leider nicht auf Kommando rufen kann. Na ja, ich hoffe aber trotzdem, dass ich in Zukunft wieder viel regelmäßig einen neuen Part online stellen kann, es gibt so viele Kapitel, die ich kaum abwarten kann zu schreiben^^ Und wer weiß, vielleicht kommen in nächster Zeit doch wieder etwas mehr Parts, manchmal schaffe ich es mir besonder dann Zeit zu verschaffen, wenn ich eigentlich keine habe ...


    Und wieder einen besonderen Dank an Vitali fürs Betalesen des Textes!


    Jens: Tut mir leid, dass ich dich jetzt noch länger hab warten lassen(siehe für weitere Ausreden im oberen Absatz). Dieser Part ist dafür wieder etwas länger geworden und schließt auch Kapitel 6 entgütig ab, ich hoffe das ist wenigstens eine kleine Entschädigung.
    Du hast recht, eigentlich wäre es besser gewesen, wenn ich ihr Alter bereits eher am Anfang des Kapitels erwähnt hätte. Manchmal bin ich einfach auf etwas zu sehr fixiert, sodass ich vergesse, was ich weiß und was der Leser nicht. Hoppala, wie hab ich diese Anmerkung vergessen können ... das ist mir ein bisschen peinlich^^"
    Musst mir - wenn es soweit ist - unbedingt verraten, ob du mit deinen Vermutungen über den weiteren Verlauf, richtig gelegen bist, oder nicht.
    Auf jeden Fall, freut mich sehr, dass dir der eine Part trotz allem gefallen hat, auch wenn er etwas kürzer war.




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  • Zu Beginn will ich gleich einmal das Geschehene kurz zusammenfassen: Der bereits im vergangenen Kapitel verursachte Biss, der in diesem Kapitel thematisiert wird, eine ordentliche Portion Misstrauen, Fütterungszeit und ein rätselhafter Anruf. Und das alles, diese eigentlich doch eigentlich sehr knappe Handlung, dehnst du auf satte 6.500 Wörter aus. Was soll ich sagen - Respekt! Es gibt vieles, was mich in diesem Kapitel doch sehr überrascht. Da wäre zum einen natürlich doch die sehr gefasste Art des Mädchens, Nana. Obwohl du ihre Präsenz bislang auf so wenig Raum deiner doch bereits sehr umfangreichen Geschichte beschränkst, geht durch das zutage gelegte Verhalten eine scheinbare Komplexität hervor wie man sie selten sieht. In den Augen deiner Protagonistin wird sie als unreif und naiv beschrieben wie auch natürlich als äußerst lästig, gerade dadurch, dass ei ihre Annäherungsversuche mehrfach wiederholt. Ich für meinen Teil gehe aber weniger davon von den genannten Eigenschaften aus, sondern, dass sich einfach hinter dieser Figur eine unglaubliche Geschichte verbirgt, eine Vergangenheit. Ich wage die Behauptung, du hast nur Bruchteile deiner Register gezogen und wirstuns noch mit einer breit gefächerten, detailreichen Geschichte diesem Charakter bezüglich überraschen.


    Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der für mich völlig unerwartet kommende Wandel deiner Protagonistin. Sicher hatte sie die Schwelle von Mensch zum Pokémon bereits einige Male übertreten (Stichwort: ranziges Fleisch), aber dass sie plötzlich derart ihren Mann steht (im übertragenen Sinn), kam für mich sehr unvorhergesehen. Diese Paarung aus gebieterischem Trotz und Aufsässigkeit, mit denen sie ihre Furcht übertünchen will, sind dir beide sehr gut gelungen. Du siehst: Ich kreide diesen Punkt keineswegs an, sondern halte es für eine absolut vortrefflichen Schritt.


    Dann möchte ich noch kurz die Beharrlichkeit deiner Protagonistin absprechen. Wie ich bereits im letzten Punkt erwähnte, hat sie außer der körperlichen Transformation noch Ansätze einer Verhaltensveränderung durchlebt, was ja in diesem Kapitel stark thematisiert wird. Wo man allerdings noch nichts erkennen mag, ist, dass sie eigentlich weiterhin ihre sture und aufsässige Art beibehält. Hier mag ich keinen Wandel festzustellen. Ist die Lage noch so aussichtslos, bleibt sie ihrer ursprünglichen Art sehr treu. Ich weiß nicht, ob du diesbezüglich etwas geplant hast. Wie du bei mir ja schon einige Male erwähnt hast, verändern sich meine Charaktere im Laufe der Zeit, wobei auch sie ihren ursprünglichen Idealen treu bleiben. Ich finde es nur natürlich und es bringt auch Ansätze von frischem Wind. Im Bezug auf "Fairy Tale of Nobody" sehe ich eigentlich nur das mögliche Problem, dass es unmöglich so auf Dauer fortgehen kann. Wie deine Protagonistin ja selbst festgestellt hat, hatte sie bislang sehr viel Glück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese seltsame, manchmal sehr raue Form des Glücks ihr dauerhaft erhalten bleibt, wenn sie nicht irgendwann eine Wendung erfährt. Diesbezüglich denke ich aber, ist sie in deinen fähigen Schreiberhänden sehr gut aufgehoben. Ich schätze, du hast da schon noch etwas geplant.
    Nicht unter den Tisch fallen und unbedingt erwähnenswert ist dann natürlich noch das Szenario, als du Geist gegen Instinkte hast ausfechten lassen. Hier hast du das Geschehene auch wieder so schön ausgeweitet. In die Ecke gedrängt, die Paarung aus Furcht, vaagen Vermutungen und dem niedersten Instinkt, der letztendlich obsiegt. Der innere Schweinehund, der am Ende die Oberhand hat. Ja, das habe ich schon einmal erwähnt. Es ist dir auch hier wieder klasse gelungen, auch wenn hier mehr die Angst an die Tür im Hinterstübchen klopft, während bei der Fleisch-Geschichte mehr der erstmalige Verlust des Menschseins und somit innere Zerrissenheit und Trauer im Vordergrund standen. Ich finde es bemerkenswert, wie du diese Szene so schön lang gezogen hast und es einem beim Lesen nie langweilig wird, weil hier einfach die Spannung niemals fallen gelassen wird; gerade weil du immer wieder schilderst, wie die Situation ist und welche Dinge eintreten können. Man wartet einfach nur, bangt und fiebert ...


    Schlussendlich bleibt eigentlich nur zu sagen, dass ich wieder einmal feststellen muss, wie sehr man doch eine Handlung ausweiten kann. Dieses In-die-Ecke-gedrängt-Gefühl ist dir einfach nur vortrefflich gelungen. Sollte ich jemals eine derartige Situation schreiben - ich weiß, wo ich mich orientieren kann.

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    [tab=Kapitel 8]


    Bittere Medizin


    „Komm ... schon ...“, stöhnte ich und zappelte mit meinen Hinterbeinen wild auf und ab, „ ... so schwer ... kann das doch nicht sein!“
    Verbissen klammerte ich mich an den weißen Beckenrand der Badewanne und versuchte meinen Unterkörper und die dazugehörigen Hinterbeine, die kaum einen Zentimeter über dem Boden baumelten, zu dem Rest meines Körpers heraufzuziehen. Vergeblich bemühte ich mich, mit diesen Pfoten etwas Halt an der äußeren Beckenwand zu finden, doch meine Versuche wirkten eher, als würde ich gerade Trockenübungen fürs Einrad fahren machen. Schnaufend presste ich mein Kinn gegen den oberen Rand der Wanne und zerrte allmählich den Rest meines Körpergewichtes in die Höhe.
    Verdammt nochmal, hätte mir dieses blöde Mädchen zumindest etwas mehr zu trinken da gelassen, dann müsste ich jetzt nicht diesen unnötigen Aufwand auf mich nehmen. Ganz im Ernst, ich hatte mittlerweile die Schnauze voll, an irgendwelchen Dach-, Fenster- oder Beckenrändern zu baumeln und mich hochziehen zu müssen. Eine einzige Schüssel mit Wasser ... vielleicht hätte die gereicht, wenn nicht die Hälfte davon zu Boden beziehungsweise auf mich geschwappt wäre. Ohne ein vernünftiges Paar Hände war Trinken aus Gefäßen eine verdammte Floink-Arbeit, die sogar noch um einiges lästiger war als in dieser Gestalt zu essen. Aber gut, mit einer halben Schüssel Wasser hätte ich möglicherweise gerade noch auskommen können ... wenn ich nicht fast einen ganzen Tag in diesem kleinen Zimmer eingesperrt gewesen wäre!
    Meine läppischen Kletterkünste zeigten schließlich den erwünschten Erfolg, denn auch ohne die Hilfe meiner Hinterbeine gelang es mir, den Großteil dieses Vulpixkörpers auf den schmalen Rand der Badewanne zu bekommen. Am liebsten hätte ich erleichtert aufgeatmet und mich für einen Augenblick entspannt, aber nun musste ich zusehen, dass ich auch hier oben das Gleichgewicht behielt und nicht sofort auf den glatten Fliesenboden oder in die Wanne hinein plumpste. Platz war hier oben sehr knapp bemessen, sogar für meine momentane Zwergengestalt. Die Badewanne selbst wirkte von hier oben jedenfalls nicht weltbewegender als von unten. Es war eine stinknormale Wanne, ohne irgendwelchen großen Schnickschnack, wie sie oft in irgendwelchen billigen Mietwohnungen oder Hotelzimmern zu finden waren. Der Beckenboden war zum Teil mit einer Art Gummimatte bedeckt, die verhindern sollte, dass irgendwelche Idioten drinnen ausrutschten und sich den Schädel an der Wand anschlugen. Dem plastikartigen Vorhang und dem für mich - wie die Wasserleitung des Handwaschbeckens - unerreichbaren Duschkopf nach zu urteilen, konnte man diese Badewanne gleichzeitig als Dusche benutzen. Logisch.
    Das Ziel meines Aufwandes ragte hingegen etwas weiter rechts von mir aus der Mauer heraus: ein silberner Wasserhahn.


    Seufzend zog ich auch den Rest meiner Hinterbeine auf den Wannenrand hinauf.
    So, der schwere Teil war damit erledigt, bald konnte ich meine trockene Kehle endlich mit Wasser durchspülen. Nachdem man stundenlang tatenlos in einem Zimmer herumsaß und schließlich damit begann, Verpackungen von irgendwelchen Snacks aufzureißen, um sie anschließend leer zu mampfen ... Da wurde man einfach durstig, besonders wenn man gierig Chips, Salzstangen und anderes salziges Zeugs hinunterschlang. Nicht nur Durst, sondern auch leichte Magenkrämpfe plagten mich seither, doch diese waren nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die ich am gestrigen Tag ertragen musste. Zudem konnte ich mich glücklich darüber schätzen, dass dieses Mädchen sich nicht die Mühe gemacht hatte, ihre Einkäufe vom Boden aufzusammeln, aber warum konnte sie nicht eine Flasche Cola einkaufen, wenn sie ohnehin dabei war? Und überhaupt, wohin war dieses Mädchen am Morgen so eilig verschwunden? Erst versucht sie mich mit ihren süßen Worten und salzigen Leckereien zu umgarnen und dann haut sie einfach so ab. Nicht, dass ich sie vermisste oder so … es war nur verdammt frustrierend, wenn man Stunden vor der verdammten Türe lauerte und darauf wartete, dass sie endlich zurückkehrte und den Ausgang öffnete. Ein zweites Mal wollte ich mir nicht noch einmal eine Fluchtmöglichkeit entgehen lassen.
    Wütend schielte ich über meine Schulter durch die offene Badezimmertüre, wohinter sich irgendwo der einzige Ausgang zu diesem Zimmer befand, getränkt in das orangefarbene Licht der untergehenden Sonne.
    Aber sie kehrte natürlich nicht zurück. Bald würde es in dieser Wohnung stockfinster sein und trotzdem war von dieser Nana weit und breit keine Spur. Ehrlich, dank ihr hatte ich diese paar Stunden keine Ruhe finden können. Immer wieder hatte ich mir eingebildet, das Quietschen und Knarren der Türe zu hören, doch jedes Mal stellte es sich als ein Fehlalarm heraus. Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, zerfraß mich innerlich ein einzelner Gedanke: Wieso hab ich verdammt nochmal nicht reagiert, als dieses Mädchen die Türe geöffnet hatte?
    Ein krampfartiges Drücken ging durch meinen Magen, was nicht nur daher stammte, dass mein Magen noch Probleme hatte, die ganzen Chips zu verdauen. Nicht nur das, ich hatte das Gefühl, als würde ich mir mit einem Messer durch die Brust stechen, so sehr verfluchte und bereute ich meinen Fehler, nicht schnell gehandelt zu haben. Genervt schüttelte ich dieses unangenehme Gefühl von mir.
    Toll, jetzt wurde es langsam Nacht, einen Teil der Knabbereien und anderer Nahrungsmittel hatte ich verschlungen, doch noch immer war diese Teenagerin nicht zurück. Eigentlich hätte es mir sehr recht sein können, wenn ihr unterwegs ein Klavierflügel auf den Kopf gedonnert wäre, doch leider hätte ein derartiger Zufall meinen eigenen Hungertod bedeutet. Die Türe war wie bereits erwähnt abgeschlossen und das Fenster war ein Balkon für Selbstmordgefährdete; nur dieses verfluchte Mädchen hatte den Schlüssel in die Freiheit.
    „Wenigstens verdursten werde ich hier nicht ...“, murmelte ich und versuchte mich vorsichtig auf dem Beckenrand aufzurichten. Der Platz reichte gerade nicht, um zwei Pfoten nebeneinander zu setzen …also viel zu wenig Platz für mich!
    Leicht wankend bemühte ich mich aufzustehen, auf die Gefahr hin, jede Sekunde das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen. Schließlich wurde mir dieses drohende Risiko jedoch zu viel, weswegen ich meinen Körper sogleich wieder hinunter senkte.
    Verdammt, ich war doch keine Seiltänzerin! Das würde doch nur darauf hinauslaufen, dass es mich wieder unglücklich auf die Fresse schleuderte und das konnte mir wirklich gestohlen bleiben. Die Schmerzen in meiner Hinterpfote und auf meinem Bauch hatten endlich nachgelassen, große Lust, mir deswegen eine Beule zu verpassen, hatte ich nicht. Sieht wohl so aus, dass ich den Wasserhahn robbend erreichen musste …
    Seufzend legte ich mich nun völlig auf den Bauch und kroch langsam in Richtung der Wasserleitung. Wenigstens war es nur eine sehr geringe Strecke die ich zurücklegen musste, sodass ich bereits einige Sekunden später kurz vor dem silbernen Hahn zum Stehen kam. Der Hebel, mit dem ich Wasser in die Badewanne lassen konnte, war schon fast zum Greifen nahe. Das einzige Problem war, dass ich mich wenigstens halb aufrichten musste, um diesen überhaupt erreichen zu können.
    Kein Problem, hier konnte ich mich wenigstens an der Badezimmerwand stützen, also konnte das doch nicht so schwer werden, oder?
    Leise schnaufend zog ich meine zwei linken Beine wieder auf den Wannenrand und versuchte mich zum zweiten Mal aufzurichten, dieses Mal mit Hilfe der Wand. Es klappte problemlos, bald hatte ich den Hebel mit meinem Kopf erreicht und konnte ihn langsam in die Höhe drücken …


    Zisch!


    Mit einem Rauschen, das in meinen empfindlichen Ohren wie eine laufende Flugzeugturbine klang, donnerte ein weißer Wasserstrahl die Leitung heraus und begann langsam die Badewanne darunter aufzufüllen. Kurz verzog ich wegen dem quälend lauten Lärm das Gesicht, doch mein großer Durst war stärker als mein Bedürfnis, ein Paar Ohrenstöpsel in meine Lauscher zu stecken.
    Wasser, na endlich! Begierig starrte ich das schäumende Wasser an, während ich mich eilig wieder nach unten gleiten ließ, um an den Wasserstrahl zu kommen. Ungehalten setzte ich meinen Mund an der Wasserleitung an und schlürfte sofort einen Schluck des kühlen Nasses die Kehle hinunter. Einige Sekunden lang verharrte ich an dem Wasserstrahl und trank so viel Wasser, wie es in einem einzigen Zug möglich war, bevor ich erleichtert davon abließ.
    Ahhh, was für ein herrliches Gefühl, nach all diesem Salzkrams endlich etwas zu trinken. Für das hatte sich der kleine Aufwand ausgezahlt.
    Auch meinem Magen schien das kalte Wasser gut zu tun, denn meine leichten Magenschmerzen wurden allmählich etwas erträglicher, doch ganz verschwanden sie nicht. Mein Durst war jedoch noch nicht gestillt; ein weiteres Mal bediente ich mich an der Wasserleitung und trank nach Herzenslust weiter. Mit jedem weiteren Schluck wurde mein krampfhafter Drang nach Wasser gestillt, aber auch meine anfängliche Euphorie wurde langsam weniger, bis ich schließlich nur noch geistesabwesend und in Gedanken versunken am Wasserstrahl nippte. Obwohl mein Durst einige Minuten später längst gelöscht war, blieb ich einfach weiter an dem Beckenrand liegen und ließ meinen Gedanken abermals freien Lauf.


    Schon bedenklich … Wäre ich noch ein Mensch, hätte ich lediglich ein Glas am Wasserhahn füllen müssen, um etwas zu trinken, aber in dieser winzigen Gestalt war das schon ein Abenteuer für sich. Wenn man in dem Körper eines halben Meter großen Pokémon herumrennen musste, war jede Kleinigkeit der reinste Aufwand, sogar simple Aufgaben wie eine Chipsverpackung zu öffnen war einfach nur lästig …
    „Zum Kotzen …“, murmelte ich verdrossen und gähnte leise, nachdem ich minutenlang einfach immer wieder von dem Wasserhahn trank, während meine Ohren weiterhin zwangsbeschallt wurden, doch mit der Zeit fiel mir der Lärm kaum noch auf, so als würde mein Hirn diesen einfach wegschalten. Letztlich bekam das Geräusch schon fast etwas Beruhigendes und Einschläferndes an sich, je länger ich dem Rauschen zuhörte.
    Wie sollte ich bloß weiter in dieser Gestalt leben können … wie sollte ich wieder zu einem Menschen werden, wenn ich nun in so einer verdammten Wohnung festsaß? Natürlich, selbst ich konnte nicht leugnen, dass es hier im Moment sicherer war als draußen auf den lebensgefährlichen Straßen der Stadt. Hier gab es zumindest auch etwas ansatzweise Vernünftiges zu essen, mit dem aber mein Magen scheinbar nicht ganz einverstanden war, und für Trinken war mehr oder weniger ebenso gesorgt … Doch im Grunde war es ein Gefängnis. Jetzt mochte es hier vielleicht noch - annähernd - angenehm sein, doch spätestens in ein paar Tagen würde ich wahrscheinlich bereitwillig aus dem Fenster springen, wenn mich dieses Mädchen nicht doch noch vorher in einen Pokéball steckte. Aber nun … was sollte ich tun? Das war eine Frage, die ich mir heute schon viel zu oft gestellt hatte, ohne auf irgendeine richtige Antwort gekommen zu sein. Flüchten, aber was dann? Hier bleiben, doch was wird dann aus mir?
    Immer wieder ließ ich mir diese Frage durch den Kopf gehen. Minutenlang verharrte ich still neben der sich immer weiter füllenden Badewanne, ohne dass ich auf irgendwelche neuen Erkenntnisse kam. Alles was mir dieses Kopfzerbrechen bereitete, war eine immer mehr ansteigende Müdigkeit, die sich langsam in meinen ganzen Gliedern breit machte.
    „Ich wünschte …“, murmelte ich, nachdem etliche Minuten verstrichen waren, seitdem ich zu dem Wasserhahn hinauf geklettert war, „… dass ich einfach …“
    „Knarr!“
    Unerwartet schnappten meine großen Lauscher ein weiteres Geräusch auf, das sicher nicht Teil des rauschenden Wasserstrahls war. Instinktiv richtete sich mein Körper auf, bereit sich gegen einen potenziellen Gegner zu Wehr zu setzen oder sich schlichtweg unter dem nächsten Kasten zu verkriechen … zumindest waren das wohl die Intentionen meines Körpers. Aber ich konnte mich nicht aufrichten, ich stand auf dem schmalen Badewannenrand, der auf einer Seite durch eine Wand abgegrenzt war. Stattdessen sprang ich auf, worauf die Hälfte meiner Beine den Halt verloren hatte und ehe ich mich versah, kippte ich bereits wie ein voller Sack in die halbgefüllte Wanne.
    „Ieekkks … blub!“, stieß ich einen entsetzen Schrei aus, kurz bevor dieser von dem Wasser erstickt wurde. Nein, nicht schon wieder Wasser, nicht noch mal! Nicht noch mal, ich hasse Wasser, ich hasse schwimmen, verdammt noch mal! Unkontrolliert begann ich um mich herum zu strampeln wie ein gestrandetes Karpador, nur dass ich nicht gestrandet, sondern am absaufen war. Ich wusste zwar, dass die Wanne niemals so tief sein konnte wie der Fluss, in dem ich beinah ertrunken wäre … ich wusste, dass es hier keine Strömungen gab, die mich gegen Felsen schwemmen konnten … doch das änderte nichts an meiner panischen Angst vor tiefem Wasser, mein rationales Denken ging abermals den Bach runter.
    „Hilf … “, schrie ich panisch als ich meinen Kopf wieder aus dem Wasser bekam, nur um sofort den rauchenden Wasserstrahl über mir direkt ins Gesicht zu bekommen. Halb fluchend, halb ersaufend schlug ich mit meinen Vorderpfoten vor meinem Kopf herum, als könnte ich dadurch den Strahl von mir abwenden, doch stattdessen drückte mich das Wasser wieder unter die Oberfläche. Unter Wasser wirbelte ich noch einige Male sinnlos umher, versuchte sinnlos irgendwo Halt zu finden und gleichzeitig aufzutauchen, doch wahrscheinlich sorgten meine Versuche nur dafür, dass ich kurz meine Nase aus dem Wasser strecken konnte, bevor ich wieder untertauchte. Das war nun mein Ende, ertrunken in einer nicht vollen Badewanne, was für eine erbärmliche Art zu sterben …
    „B e i A r c e u s . . .“, hörte ich plötzlich, als ich abermals von dem Wasserstrahl unter Wasser gedrückt wurde, eine verschwommen klingende Stimme von oben rufen. Anfangs nahm ich diese nicht wirklich wahr … ich war zu sehr darauf fixiert herum zu strampeln und aufzutauchen, sodass ich alles andere ignorierte. Doch gerade, als ich nochmals mit meinem Schädel an dem Wannenboden anstieß, fühlte ich einen festen Griff um meine Taille und ehe ich mich versah, wurde ich ruckartig aus dem kalten Nass gezogen, hinaus an die frische Luft. Trotzdem strampelte ich noch weiter und verteilte dabei den Inhalt der Wanne plantschend über das halbe Badezimmer. Erst als mein Hirn endlich überrissen hatte, dass ich nicht mehr gefangen in den Tiefen der Badewanne war, ließ ich es endlich sein und schnaufte heftig, während ich aus gut einem Meter Höhe auf das noch unruhige Wasser starrte.
    Hah … hah … verdammte Badewanne … jetzt wäre ich beinah wirklich … in Badewasser ersoffen …
    „Alles klar bei dir?“, ertönte wieder dieselbe Stimme wie zuvor, nur dieses Mal viel klarer und deutlich. Ich brauchte noch ein paar Sekunden, ehe ich realisierte, dass diese Mädchenstimme direkt hinter mir ihren Ursprung hatte und als ich so über meine Schulter blickte, sah ich sie: Dieses schwarzhaarige Mädchen mit dem Nasenpiercing, welches mit seinen Händen meinen Oberkörper gepackt und mehr als einen Meter über dem Boden festhielt. Verdammt nochmal, nicht die schon wieder!
    Fauchend schlug und kratzte ich um mich herum, bevor ich mich von ihr losriss und … mit einem lauten Platsch wieder in der Wanne landete.



    [tab=Wort zum Samstag]
    Was soll ich bloß sagen ... Fairy Tale of Nobody ist nach gut 4 Monaten Unterbrechungen zurück. In dieser Zeit ist doch so einiges passiert, manches davon eher positv ... anderes leider negativ. Diese Ereignisse liegen aber nun wieder etwas zurück und meine Motivation fürs Schreiben ist wieder zurückgekehrt, also denke ich, ist es an der Zeit, dass ich wieder anfange, mehr an Fairy Tale of Nobody zu arbeiten.
    Gleich eine Ankündigung: Snake hat sich freundlicherweise bereit erklärt, nun als Betaleserin einzuspringen. Dafür vielen Dank, es ist für mich immer wieder eine große Hilfe, wenn jemand über meine Parts drüber ließt und sich um meine lästigen Rechtschreibfehler kümmert^^ Außerdem hab im Zusammenhang dazu im Startpost einen kleinen Tab mit Danksagungen eingefügt, in dem ich ein paar Leute erwähnt habe, denen ich besonders danken möchte. Dachte mir nur, dass es mal an der Zeit für so etwas wäre. An dieser Stelle aber nochmals ein herzliches Dank an alle Leser, die meine FF bisher verfolgt haben^^


    Ich entschuldige mich hier nochmals für die Verzögerung und versuche, ab nun wieder etwas regelmäßiger zum Schreiben zu kommen (arbeite parallel im Moment an einem zweiten Projekt, doch will ich versuchen, dennoch Fairy Tale of Nobody genug Zeit einzuräumen)
    Dieses Kapitel hat im Moment kein Titelbild, da ich im Moment noch im Ausland bin, aber das werde ich hoffentlich nachtragen.


    [/tabmenu]

  • Vier Monate, sagtest du? Eine lange Zeit ... So kam es mir aber auch vor. Heimlich fragte ich mich bereits, ob du vielleicht die Geschichte völlig pausieren lässt. Mir aber geht es aktuell kaum anders. Die Tage scheinen nicht genug Stunden bereitzuhalten, als dass ich zu Potte komme, geschweige denn, dass ich überhaupt etwas zustande bringe.


    Zu Beginn ging ich in der Annahme, ich hätte ein kleines Kapitel übersprungen. Kein allzu krasser Handlungswechsel, jedoch haben sich beiläufig kleinere Dinge zugetragen. Von dieser Freiheit mache ich viel zu selten Gebrauch, da ich einfach sehr pedantisch bin und fast jedes Detail – und sei es noch so klein – beschreibe. Mit solchen Sprüngen käme ich sicherlich schneller voran, und oft vielleicht auch leichter. Back to Topic: Im Rahmen des spontanen, unverblümten, prinzipienlosen Wesens deiner Protagonistin halte ich für sehr gut vorstellbar, dass sie sich alles Essbare ungeniert einverleibt und dabei sicherlich eine Schneise der Verwüstung in der Wohnung hinterlässt – es fehlen nur noch die Schweinespuren an der Decke/Tapete, oder dass sie vor lauter Frust vom Eingesperrtsein die Regale von sämtlichen Nippes leert und sich grimmig lächelnd in den Trümmern suhlt.


    In gewisser Hinsicht finde ich es sehr angenehm, dass der Spannungsbogen endlich langsam abfällt, trotz der ängstigenden Erfahrungen dieses Kapitels aus Sicht deiner Protagonistin. Andererseits ärgert es mich natürlich, dass die Story sich gerade voranschleppt; beinahe eine versessene Gier zu erfahren, wie es um die undurchschaubare Zukunft des verwandelten Mädchens gestellt ist. Obwohl dieses innerlichen Frusts, denke ich, dass du es richtig machst, gewisse Dinge hinauszuzögern, um langsam auf wahrscheinlich bedeutsame Dinge hinzuarbeiten. Immer wieder konfrontierst du dabei mich und den Rest deiner stillen Leser vortrefflich mit der von Vorurteilen stark behafteten, zynischen Wahrnehmung der Umgebung und insbesondere der misslichen Lage, wobei du es dir auch nicht nehmen lässt, stets die Glut um die Frage „Was passiert nun mit mir/was soll nur aus mir werden“ neu zu schüren.


    Ich persönlich fand dieses Kapitel sehr angenehm zu lesen. Es war entspannend, selbst als sich die kalte Hand des Todes einmal wieder grob um den zerbrechlichen Vulpix-Hals geschnürt hatte. Insbesondere diese Besinnung, dieses Entspannen und „Durchatmen“ bei der Trinkszene ist dir sehr gut gelungen. Ich sehne mich darauf zu erfahren, ob sich die Einstellung deiner Heldin gegenüber Nana nicht ein wenig gebessert hat, wie es um diese Jugendliche steht, und zuletzt natürlich auch, in welche Bahnen du deine Geschichte mit den nachfolgenden Kapiteln lenken wirst.

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    [tab=Kaptiel 8 Teil 2]
    Was dann folgte, glich einer Szene aus einer Comedy Sitcom. Kaum wieder in der Wanne gelandet, begann ich erneut wie verrückt um mich zu strampeln. Ohne Rücksicht wühlte ich dabei das Badewasser auf, sodass das kalte Nass nur so durch das Badezimmer spritzte. Immer wieder versuchte Nana nach mir zu greifen, die ersten Male jedoch ohne wirklichen Erfolg. Erst nachdem allmählich meine Kräfte schwanden und ich nur noch – mit allen Pfoten am Wannenboden – meinen Kopf hin und her schüttelte, schaffte es das Mädchen mich schließlich ein weiteres Mal hinaus ins Trockene zu zerren. Mit bebenden Beinen hielt ich mich auf dem weißen Fliesenboden und lauschte benommen meinem Keuchen, dass zusammen mit dem leisen Schnaufen Nanas, das Badezimmer erfüllte und im Einklang mit dem Rauschen des Wasserhahns fast wie eine Melodie klang ... Eine sehr abstrakte Melodie.
    „Alles in Ordnung?“, unterbrach endlich Nana diesen Rhythmus und blickte mich sorgevoll an.
    „Sehe ich so aus?“, murmelte ich mit noch zittriger Stimme und versuchte sie nicht anzustarren. Wie peinlich, da landete ich zum zweiten Mal in dieser verdammten Badewanne und musste mich abermals von diesem Mädchen aus der Patsche helfen lassen. Irgendwie kam ich mir langsam wie ein dämliches Karpador vor, dass andauernd von irgendjemand aus dem Wasser gefischt wurde …
    Schließlich sah ich doch matt zu meiner „Retterin“ auf, die zwei Meter von mir entfernt in die Hocke gegangen war und sich das ebenfalls durchnässten Haare aus dem Gesicht strich. Nicht nur ihr Haar, sondern auch Teile ihre Kleidung waren voller dunkler, durchnässter Flecken, die sie dieser tollen Rettungsaktion zu verdanken hatte. Mit noch etwas weichen Knien und einem vor Nässe triefenden Fell, wich ich noch einen guten Meter zurück, doch ab dort war endgültig Schluss, hinter mir gab es nichts als eine weiße Fliesenwand. Die Türe zum Badezimmer befand sich genau gegenüber von mir, das Problem war nur, dass mir diese Nana den Weg blockierte; Abhauen war also unmöglich. Wenn sie nun doch einen Pokéball aus ihrer Tasche ziehen würde, wäre ich ihr jetzt wirklich hilflos ausgeliefert …
    Als ob ich jetzt nicht schon genug Sorgen hatte, versuchte mein Magen ebenfalls meine Aufmerksamkeit zu erlangen, in dem er seltsame Geräusche von sich gab und mich langsam mit leichten Krämpfen zu plagen begann.
    Die Teenagerin seufzend leise, bevor sie abermals ansetzte: „Du hast noch immer Angst vor mir, nicht wahr?“
    „Nein“, zischte ich bissig, „Ich mag nur keine Menschen, die eineinhalb Meter größer sind, als ich!“
    Wirklich, warum machte sie sich überhaupt die Mühe, mit einem Pokémon zu sprechen, das ließ mich nur noch mehr an ihrem mentalen Zustand zweifeln. Konnte sie nicht einfach verschwinden und mich in Ruhe lassen? Ich fühlte mich körperlich elendig, mein Magen begann langsam zu rebellieren, ich war von oben bis unten durchnässt und meine Laune war absolut im Keller. Ich wollte einfach hier raus und mich irgendwo verkriechen …
    Das Mädchen wartete einige Sekunden, bevor sie schließlich nach dem weißen Handtuch griff, dass neben dem Waschbecken aufgehängt war und versuchte sich mir ein weiteres Mal zu nähern.
    „Bleib … weg“, fauchte ich und gab alle möglichen bedrohlichen Geräusche von mir. Gleichzeitig bleckte ich meine spitzen Zähne, um diese Göre abzuschrecken, doch das schien sie dieses Mal nicht sonderlich zu beeindrucken.
    „Nur ruhig, ich will dir wirklich nichts tun, versprochen“, flüsterte Nana behutsam und näherte sich mir hockend in Babyschritten, „Ich werde dich nur etwas abtrocknen … ein nasses Fell ist nicht gerade angenehm, besonders nicht für ein Feuerpokémon.“
    Für einen kurzen Augenblick stellte ich mein Knurren ein und starrte das flauschige Handtuch in ihren Händen an. Warum trocknete sie nicht erst einmal ihr eigenes Haar, sie sah doch selbst so aus wie ein Yorkklef, das in einem Swimmingpool gelandet war. Egal wie sehr ich versuchte, diese Gröe zu verstehen, mir wollte einfach nicht klar werden, warum sie sich so viel Mühe gab, sich um ein scheinbar streunendes Pokémon zu kümmern. Der einzige logische Grund - der mir sofort in den Sinn kam - war dass sie mich einfangen und zu irgendwelchen Kämpfen zwingen wollte … doch dazu hätte sie bereits vor einigen Stunden die Möglichkeit gehabt. Auch als ich in die Badewanne gestolpert war, hätte sie mir längst mit Pokébällen um die Ohren werfen können, ohne dass ich mich hätte wehren können. Dieses Mädchen machte in meiner Logik einfach keinen Sinn.
    Wieder machte sie einen kleinen Schritt auf mich zu und wartete nun kurz ab, scheinbar auf eine Reaktion meinerseits wartend. Was erwartete sie überhaupt, dass ich ihr antwortete? Dass ich ihr ein eindeutiges Zeichen gab? Zähnefletschend ließ ich meinen Blick zwischen ihrem Gesicht und dem Handtuch springen. Noch während ich mich in meinen eigenen Zweifeln badete, nahmen die Bauchschmerzen immer etwas weiter zu. Ich krümmte mich leicht zusammen, um diese zu unterdrücken und verzerrte etwas meine Miene. Verdammter Magen, das war nicht der richte Zeitpunkt für so einen Mist … Es hatte keinen Sinn, dass ich mir mit diesen Magenschmerzen weiter meinen Kopf zerbrach. Dieses Fell würde sich nicht so schnell von selbst trockenen ...
    Resignierend gab ich ein Stöhnen von mir, bevor ich grummelnd meinen Kopf zur Seite wandte und mehr oder weniger an Nana gerichtet murmelte, „Mach doch was du willst …“
    Zerknirscht starrte ich ungeduldig in die Ecke des weißen Badezimmers und wartete darauf, dass diese Teenagerin sich wieder regte, doch die nächste paar Sekunden blieben still. Keiner von uns beiden schien sich auch nur einen Zentimeter zu rühren oder einen Laut von sich zu geben ... abgesehen von meinem Bauch, der allmählich sehr zu nerven begann.
    „Hast du nicht gehört!?“, stieß ich genervt hervor, „Mach einfach schon, verdammt nochmal …“
    Zögerlich schielte ich wieder in die Richtung des Mädchens, das schließlich doch aus ihrer Starre erwachte und langsam das Handtuch auf mich zubewegte. Angespannt bemühte ich mich, desinteressiert in die Luft zu schauen, doch letztendlich zuckte ich doch zusammen, als ich den flauschigen Stoff auf meiner Haut spürte. Reflexartig schnellten meine Krallen aus den Pfoten, doch ich hielt mich gerade noch unter Kontrolle und zwang mich, still stehen zu bleiben. Wieder merkte ich, dass diese Nana für einen kurzen Augenblick innehielt, doch dieses Mal nur für einen Augenblicke, dann machte sie sich weiter daran, dieses triefende Fell zu trocknen. Vorsichtig verstrubbelte sie mit dem Tuch mein Fell, während ich missmutig wegblickte und diese leichte Demütigung über mich ergehen ließ. Ich fühlte mich so verdammt lächerlich, nichts konnte ich in diesem verdammten Körper alleine machen, nicht einmal mich selbst abtrocknen … mein Selbstwertgefühl und Stolz erreichten schon bald einen neuen Tiefpunkt. Von irgendeinem fremden Mädchen musste ich mir das Fell trocknen lassen, ich war doch nicht irgendeine Behinderte, die sich nicht alleine um sich selbst kümmern konnte … Aber so wenig ich es auch akzeptieren wollte, im Moment war ich nichts als ein Mensch mit einigen riesigen Handicaps: Ich war winzig, konnte nicht sprechen, hatte keine Hände und konnte nur auf allen vieren marschieren; Hätte ich noch einen menschlichen Körper würde man das als eine schwere Behinderung bezeichnen.
    „Arg, pass auf“, stieß ich gereizt hervor, als das Mädchen begann, meinen Kopf abzutrocknen, wobei sie etwas grob über meine Ohren fuhr. Ich schüttelte mich leicht, doch unternahm ansonsten nichts dagegen und hoffte einfach, dass diese dämliche Prozedur bald vorbei war …
    „Ist doch nicht so schlimm, oder?“, begann Nana währenddessen wieder ihren halben Monolog zu führen, „Ich hab ja gesagt, dass ich dir nichts böses antun werde.“
    „Dafür demütigen ...“, raunte ich und kniff meine Augen etwas zu, als sie mit Handtuch über mein Gesicht fuhr, „Hey, aufpassen!“
    Ich fauchte kurz und stieß das Tuch etwas mit meiner rechten Pfote aus meinem Gesicht. Im Ernst, konnte sie nicht etwas mehr achtgeben und mir nicht direkt ins Auge fahren?
    „Hoppla ... Verzeihung“, kam es darauf von ihr und hielt kurz in ihrem Tunen inne, bevor sie sich wenig später meinem Rücken widmete. Ein Weilchen schwieg sie und ich versuchte diesen kurzen Moment der Ruhe meine Gedanken wieder zu fassen, was aber schwer möglich war, wenn irgendjemand mit einem Handtuch ganze Zeit über dein Fell fuhr und man gleichzeitig von leichten Magenschmerzen geplagt wurde. Bei diesen blieb es aber nicht, allmählich fühlte ich, dass mir ganz leicht schwindelig wurde, doch ich schüttelte einfach meinen schweren Kopf, um dieses Gefühl los zu werden. Klasse … hab ich mir irgendeine Krankheit wegen dem ganzen Tumult eingefangen? Nein, Unfug, so lange war ich jetzt nicht in diesem kalten Wasser gewesen, um mir Fieber oder eine Erkältung zu holen … glaube ich jedenfalls.
    Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, öffnete jedoch diese Nana schon wieder ihr Mundwerk, „Weißt du … ich bin kein Freund davon, ein Pokémon gegen seinen Willen in einen Pokéball zu stecken. Ich will keinen Zwingen mich gegen seinen Willen zu begleiten … Ich will auch dich nicht zwingen hier zu bleiben, aber …“
    „Dann lass mich verdammt nochmal raus“, knurrte ich und drehte meinen Kopf langsam in ihre Richtung. Also gut, dieses Mädchen will keine Pokémon in Pokebälle stecken, aber sie will, dass diese sie begleiten, oder wie soll ich das jetzt verstehe? War sie jetzt eine Trainerin, ein Mitglied einer Pokémonschutzorganisation oder einfach irgendeine Göre die Pokémon von der Straße aufsammelte? Und was soll diese „Aber“ am Ende des Satzes, das wollte doch wieder nichts Gutes verheißen.
    „… aber hier ist einfach nicht der richtige Ort für ein Vulpix wie dich. Ich frag mich noch immer, wie du hier gelandet bis …“


    Verdammt nochmal ich bin kein Vulpix, ich wurde nur irgendwie in eines verwandelt! Verneinend schüttelte ich mich heftig und blickte Nana nochmals finster an. Diese jedoch schien nicht sonderlich darauf zu reagieren, sondern wandte sich wieder ihrer Tätigkeit zu.
    „ … Auf alle Fälle kannst du unmöglich hier bleiben“, murmelte sie leise und blickte nachdenklich hinauf zur Decke.
    Langsam fragte ich mich, ob diese Nana einfach zu dämlich war, derartig eindeutige Zeichen zu verstehen, oder ob allgemein alle Menschen die Körpersprache eines Pokémon nicht deuten ko … urg …
    Stöhnend krümmte ich mich abrupt nach vorne und biss knirschend die Zähne zusammen. Die Bauchschmerzen, die ich bisher so gut wie ich konnte ignoriert hatte, wurden mit einem mal beinah exponentiell stärker. Als ob das nicht schon genug war, wandelte sich mein leichter Schwindelanfall abrupt in Übelkeit um und ich bekam das Gefühl, dass ich mich jeden Moment übergeben musste ...
    „Hm ... da fällt mir ein ...“, warf Nana ein, die offensichtlich noch immer irgendwo in die Luft starrte oder vielleicht erblindet war, da sie nicht bemerkte, wie elendig es mir plötzlich ging. Ganz im Gegenteil, ihre Stimme schien sogar einen munteren Ton anzunehmen, „Wie sollte ich dich in der Zwischenzeit eigentlich nenne? Dich immer nur Vulpix zu nennen ist irgendwie unpersönlich.“
    Im Ernst … was wollte sie schon wieder …
    Eigentlich wollte ich zu ihr aufblicken, doch stattdessen krümmte ich mich immer mehr nach vorne, bis ich schließlich mit meiner Stirn gegen die weiße Fliesenwand anstieß. Heftig atmend schloss ich die Augen und versuchte, irgendwie diese plötzliche Übelkeit zu unterdrücken, doch es half nichts. Das einzige was ich von mir geben konnte, war ein heißeres „Wage es ja nicht …“, jedoch musste ich mitten im Satz abbrechen, da die Gefahr bestand, dass mehr als nur unschöne Wörter meinen Hals hinauf kletterten.
    „Ich hab‘s“, hörte ich ihre unglaublich Nerv tötende fröhliche Stimme über mir, die wieder etwas lauter wurde, „Ab sofort nenne ich dich einfach May! Ist doch ein schöner Name, denn hat … Ähm, alles in Ordnung mit dir?“
    „Mir egal, kleb dir den Namen doch an den Arsch“, stöhnte ich und stieß ein paar Mal mit meinen Kopf gegen die Wand, nur um dieses Übelkeitsgefühl aus meinem Schädel zu bekommen. Ich hätte mich am liebsten groß und breit über diesen dämlichen Namen ausgelassen - der mehr zu einem kleinen Mädchen gepasst hätte, das durch Blumenwiesen und Wälder tanzte - doch im Moment war mir ganz und gar nicht danach zumute. Als Nana nochmals ihre letzten Worte wiederholte, platzte mir endgültig der Kragen. Mit einem Satz sprang ich auf und hastete – oder besser gesagt, stolperte - ich keuchend unter dem Handtuch hindurch und schließlich an Punk vorbei.
    Mir … ist schlecht … ich glaub …
    Kaum hatte ich es gerade durch den Türrahmen geschafft, landete ich würgend auf dem Holzboden, nur wenig später von dem Inhalt meines Magens gefolgt …




    [tab=Worte zum Montag]
    Nach einer abermals längeren Pause bin ich zu einem Entschluss gekommen ... Ab jetzt werde ich alle 2 bis 3 Wochen einen Part online stellen. Ich sag jetzt bewusst "werde" und nicht "versuche", weil ich es satt habe, mich immer von meinem inneren Schweinehund besiegen zu lassen. Keine Ahnung ob für diese Parts überhaupt ein Bedarf ist, aber ich möchte wirklich nicht, dass diese Geschichte noch bis zur 10. Pokemongeneration bei Kapitel 7 festhängt. Ich sollte die nächsten Monate auch Zeit haben, mich kreativ zu betätigen, also hab ich eigentlich keine Ausrede, nicht zu schreiben.
    Mehr hab ich dieses Mal nicht wirklich zu sagen ... Außer, dass der jetzige Part von niemanden Beta gelesen wurde, ich hoffe das fällt nicht zu sehr auf^^" Weiß nicht wie es bei den zukünftigen Parts aussehen wird, dass wird sich noch zeigen.


    Jens: Tja ... und jetzt schon wieder 3 Monate Pause, ganz was neues xD Aber nein, die Story wird nicht für immer pausieren werden, so viel trau ich mich sogar zu versprechen. Wie recht du hast ... der Tag bräuchte viel mehr Stunden, um alles unterzubekommen, was man wirklich machen will ...
    Wie du weißt, kann ich Abschnitte extrem in die Länge ziehen, genau deswegen werde ich diese Sprünge in Zukunft etwas öfters verwenden, da ich ansonsten wirklich viel zu langsam vorankomme. Übertreiben werde ich es aber hoffentlich damit nicht.
    Tja ... die Frage ist, wann der Spannungsbogen wieder steigen wird, ich glaube lange wird es bis dahin nicht dauern … oder vielleicht doch? : P
    Nochmals Entschuldigung dafür, dass sie das hier alles so sehr zieht (besonders weil die Abstände zwischen den Parts brutal groß sind) aber wird sich hoffentlich in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Und vielen Dank für dein Kommentar^_^


    [/tabmenu]

  • Du erwähntest es bereits: Diesmal hat keiner einen kurzen Blick auf dein neustes Kapitel geworfen, und das sieht man. Insbesondere zu Beginn ... ein paar fast schon Nichtigkeiten. Ich denke, du findest sie, wenn du dir die Zeit nimmst.


    Handlungstechnisch geht es nur zäh voran, wie man es eben im Vorfeld bereits von deiner Protagonistin erwartet. Egal in welcher Form - es fällt ihr wahnsinnig schwer, sich anderen gegenüber zu öffnen. Nennen wir es Stolz, Ego oder einfach nur Sturheit. Letztendlich ist es einerlei. Ich hege Zweifel, dass das Geschehene ohne das Zutun der von dir geschriebenen Magenkrämpfe eingetreten wäre. Kein weiterer Körperkontakt, die kalte Schulter, Distanz. Folglich wäre die Geschichte an dieser Stelle unnötig stagniert. Ein gelungener Schachzug deinerseits also, eben so eine Beziehung zwischen den Charakteren aufzubauen ... oder es eben zu versuchen. Das Sträuben, weitere körperliche Nähe einzulassen, ist dir besonders gut gelungen. Besser sind allerdings noch die kleinen Reaktionen sowie die Seitenhiebe während der Handtuch-Behandlung.


    Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die kurzen Dialoge nehmen werden. Es lässt sich nicht wirklich herauslesen, ob deine Protagonistin ihrer Retterin gegenüber weniger negative Gefühle hegt, nun, da ihr mitgeteilt wurde, dass Nana offenbar keine "böse Absichten" hegt. Sollte das allerdings zu eben diesem Punkt, als das Mädchen ihr dies sagte, der Fall gewesen sein, so hat sie mit ihrer Namensidee unfreiwillig einen Schritt in die falsche Richtung getan. Durch einen individuellen Namen den Versuch einer persönliche Ebene anzustreben ... eigentlich eine formidable Idee, nicht nur aus rein leserlicher, sondern auch aus emotionaler Ebene betrachtet. Vielleicht, wenn das Eis bereits ein klein wenig mehr geschmolzen wäre ... zu diesem Zeitpunkt aber wohl eher fatal. Lässt sich nicht ändern. Bleibt abzuwarten, ob mögliche Pflegebemühungen diesen "Fehler" wieder ausbügeln können. Ebenso, bleibt ungeklärt, warum sich Nana sogar ein wenig widersetzt, die Pflegebedürftige weiterhin Obdach zu bieten.


    Zitat

    Auf alle Fälle kannst du unmöglich hier bleiben ...


    Bleib dran!


  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 8 Teil 3]
    Ich stellte wohl keinen schönen Anblick dar, wie ich so auf dem Boden kauerte und den Inhalt meines Magens hervor würgte. Doch statt dass meine Übelkeit damit ein schnelles Ende fand, folgten sogleich in wenigen Sekundenabständen einige weitere Anfälle, die mir keine Pause gönnen wollten. Verkrampft hielt ich meine Augen fest verschlossen und wartete sehnlichst darauf, dass diese Übelkeit vorüber ging, doch im Moment schien mein Magen noch weit davon entfernt zu sein, sich zu beruhigen.
    Im Hintergrund ertönte Nanas Stimme, doch ihre Worte tanzten abermals bei dem einen Ohr hinein, um sofort beim anderen hinausgeworfen zu werden. Ebenso ignorierte ich ihre warme Berührung, denn selbst wenn ich meinen Kopf in ihre Richtung hätte drehen wollen, ich hätte es in meinem jetzigen Zustand nicht zustande gebracht. So blieb ich wie ein Wollknäuel zusammengekauert liegen und versuchte ein weiteres krampfartiges Würgen zu unterdrücken – ohne Erfolg.
    „Urg ...“, stöhnte ich, als ich auf einmal leicht zu beben begann, doch dieses Mal hatte mein Körper keine Schuld daran. Hinter mir hörte ich plötzlich hastige Schritte, die gleichzeitig den Fußboden unter mir leicht zum vibrieren brachte.
    „Halt durch May ... ich ... ich mach gleich was dagegen!“, hörte ich dieses Mal sogar Nanas sorgevoll klingende Stimme.
    „Nenn mich nicht May … verdammt nochmal“, versuchte ich hervorzubringen, doch alles was ich hervor würgte, war ein weiterer Teil meiner letzten Mahlzeit.
    Verdammtes Verdauungssystem ... Gammel Fleisch aus dem Sondermüll, kein Problem. Super Chili-Chips, frisch aus der Tüte? Natürlich völlig ungenießbar, was für eine hirnlose Logik! Selbst wenn die Chips in Flammen gestanden wären, sollte der Magen eines Feuer-Pokémons nicht in der Lage sein, etwas Derartiges zu verdauen? Nein, scheinbar nicht und als ob das nicht schon ironisch genug gewesen wäre, begann mein Hals nun auch noch höllisch zu brennen.
    Erschöpft schnitt ich eine schmerzverzerrte Grimasse und wartete angespannt darauf, dass mir jede Sekunde der Rest meines Bauches den Hals hinauf rutschte. Dieses Mal wurde ich aber von einem weiteren Anfall verschont, jedenfalls für den Moment. Dennoch wagte ich es weiterhin nicht, mich nur einen Zentimeter zu rühren, aus Furcht, dass ich meinen Körper nochmals verstimmten könnte. Als aber der Boden weiterhin wie bei einem kleinen Erdbeben erzitterte, öffnete ich schließlich doch vorsichtig meine Augen um endlich mehr herauszufinden. Was trieb dieser Punk da, musste sie so einen Krawall machen, wenn sie sah, dass es mir speiübel ging?
    Das erste, was ich erblickte, waren Nanas blaue Jeans, ein für mich mittlerweile vertrauterer Anblick, als mir eigentlich lieb war. Die Teenagerin raste wie von einem Bibor gestochen durch das Zimmer, während sie die Einkäufe und leeren Chipsverpackungen durchwühlte, die noch immer am Boden verstreut herumlagen, bevor sie schließlich dazu überging, wahllos irgendwelche Schubladen zu öffnen.
    Ich verfolgte mit meinen Pupillen ihre Bewegungen, wie sie eine Lade nach der anderen aufriss und wild durchsuchte, bis mir schließlich meine Augenlieder drohten, wieder zuzufallen. Doch bevor dieser Fall eintreten konnte, hielt plötzlich Nana inne und fischte aus einer zufälligen Schublade eine kleine gelbliche Flasche hervor, die von der Form etwas an eine Sprühdose erinnerte. Für einen Augenblick blieb sie reglos mit dem Gefäß in ihren Händen stehen und schien angestrengt das angebrachte Etikett anzustarren. Warum sie so lang drauf glotzte, wusste ich nicht und einen Augenblick später verlor ich mein winzigen Rest an Neugier, als mein Sichtfeld leicht zu verschwimmen begann und ich gleichzeitig abermals von starken Magenkrämpfen heimgesucht wurde. Rasch fielen meine Augenlider zu, als ich mich wie ein Wurm auf dem Fußboden krümmte.
    Das war ... nicht auszuhalten! Jeden Tag Bauchschmerzen ... Augenprobleme ... und Angriffe von Menschen und Pokémon. Allmählich war ich mir hundertprozentig sicher, dass mich das Unglück auf magische Art verfolgte.
    „Hier“, durchbrach Nanas leicht jungenhafte Stimme meine Gedanken, „Ich glaub ... das sollte helfen.“
    Schwach zwang ich meine Augenlieder zurück in die Höhe und erblickte direkt über mir Nanas sorgevolles Gesicht, sowie die nun geöffnete Flasche, die sie mir nun direkt vor die Schnauze hielt. Man sagte ja sprichwörtlich, dass es Dinge gab, die Berge versetzen konnten ... Nun, der Gestank dieser Brühe gehörte zu jenen Dingen dazu. Als der Duft aus der Flasche nämlich in meine Nase kroch, erwachte ich auf der Stelle aus meiner Starre und kroch – trotz noch anhaltender Übelkeit - angewidert ein Stück zurück. Mein Körper schien auch nicht glücklich über das Gestankgemisch aus Schwefel, Putzalkohol und Bananensaft zu sein, denn jetzt war ich wirklich kurz davor, den letzten Rest aus mir heraus zu kotzen.
    Einen guten halben Meter von dem Teufelszeug entfernt, konnte ich schließlich auch lesen, was mir da Nana direkt vor die Augen hielt. Keine Kunst, immerhin war das Etikett so groß und deutlich beschriftet, dass es selbst für einen Zehnjährigen leicht zu entziffern wäre: „Hyperheiler – Bekämpft Verbrennungen, Vergiftungen, Paralyse, Vereisungen und temporäre Schlachtsucht!“
    Selbst das Kleingedruckte, welches davor abriet, dieses Produkt bei Menschen anzuwenden, konnte ich erkennen, doch das tat in meinem Fall nichts zur Sache. Was mir wirklich Sorgen bereitete war, dass Nana tatsächlich vorhatte, mir dieses Zeug zu verabreichen. Mochte zwar sein, dass die Beschreibung dieses Zeugs auch als ein „Gegengift“ angepriesen wurde, doch ich hatte sehr starke Bedenken, dass meine Magenschmerzen eine Folge von Lebensmittelvergiftung waren. Außerdem war ich nicht einmal sicher, ob dieses Zeug überhaupt zum Trinken gedacht war, denn wie zum Hundemon heilte man Verbrennungen und Vereisungen mit einer Trinkmixtur? Und wenn es zum Sprühen gedacht war, wie heilte das Zeug bitte vor Vergiftung und übermäßigem Schlaf? Hatte sie dieses dubiose Wundermittel irgendeinem unseriösen Händler auf der Straße abgekauft?
    „Oh nein, das schlucke ich nicht ...“, stammelte ich mit verschlossener Nase – jedenfalls soweit ich konnte - und schüttelte meinen Kopf vor Ekel, während ich mir ein weiteres Mal die Mühe machte, mich wieder auf meine vier Pfoten zu stellen. Doch kaum hatte ich nur ansatzweise meinen Körper erhoben, begann mein Magen nochmals aufs Heftigste zu protestieren. Kurz davor zu kotzen blies ich die Backen auf und unterdrückte gerade noch den Drang. Ich brauchte einige Augenblicke, doch schließlich brachte ich noch ein paar Worte hervor: „ ... reiß her damit!“
    Instinktiv biss ich nach der gelben Flasche, die Nana mir unnachgiebig erneut ans Gesicht. Mit einem Ruck riss ich deren Hals hinunter und sogleich floss der halbe Inhalt des Hyperheilerdingsdabums heraus, genau in mein Maul ... Anschließend konnte ich nicht wirklich sagen, was schlimmer war: Mein quälender Magen, der ganz und gar nicht positiv auf dieses gelbe Zeugs reagierte, mein Sodbrennen, das sich gerade anfüllte wie eine Wunde auf die man Alkohol geschüttet hatte, oder der absolut widerliche Geschmack, der gerade dabei war, mir sämtliche Geschmacksnerven auf meiner Zunge zu töten. Nein, töten war nicht einmal der richtige Ausdruck, meine Zunge fühlte sich an, als würde mir dieses furchtbare Zeug Zunge und Zahnfleisch wegätzen! Und meinen Hals ... Und mein Hirn ... Das Gesöff setzte einen ganz neuen Standard für die Begriffe „Ekelhaft“, „Widerlich“ und „Fast tödlich“, selbst das Rotfleisch von gestern konnte da nicht mithalten.
    Prustend spuckte ich den Rest der Mixtur aus, dicht gefolgt von dem nun wirklich letzten Rest meines Mageninhaltes. Dieses Mal ohne die Hilfe eines bebenden Untergrunds begann ich mich am ganzen Leib zu schütteln, während ich meine Miene zu einem total angeekelten Ausdruck formte.
    Wie gern ich mir jetzt einfach die Zunge herausgerissen hätte, damit ich dieses Zeug ... nicht mehr schmecken musste. Verdammt, sag ich doch, dass dieses Zeug nichts als Quacksalber ist, Medizin soll helfen und einem nicht fast töten!
    „Verdammt ... es hilft nicht ...“, hörte ich über mir Nanas allmählich verzweifelte Stimme klingen ... Langsam gingen mir ihre „Kapitän-Obvious“ Bemerkungen richtig auf den Keks und wäre ich nicht gerade so fertig ... ich hätte ihr am liebsten in den nächsten Finger gebissen.
    „Ach was du nicht sagst!“, stöhnte ich zynisch, nachdem das Würgen wieder ein Ende hatte und ich weiter herumspuckte, damit ich endlich dieses Gift aus meinem Maul bekam. Genug war genug, ich konnte einfach nicht mehr ... Ausgeknockt durch einen verdammten Hyperheiler ... Ich hatte für heute ... wirklich genug.
    Resignierend schloss ich wieder meine Augen und gab keinen Mucks mehr von mir. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit: Würde meine Übelkeit vielleicht doch noch verschwinden oder würde mir dieses Gebräu meine Innereien zerfressen?
    „Hey, May? May?!“, ertönte abermals die Stimme dieser Göre, doch dieses Mal nahm sie einen panisch klingenden Ton an. Gleichzeitig fühlte ich wieder ihre Hand, mit der sie mich unnötig am Rücken schüttelte. Zu einer anderen Zeit hätte ich ihr dafür die Finger aufgeschlitzt, doch für jetzt hatte ich keine Lust, mich irgendwie noch zu bewegen. Warum konnte sie mich nicht einfach in Ruhe lassen, auf ihre „Hilfe“ konnte ich jetzt gern verzichten, verflucht nochmal ... Die hat mit diesem verdammten Pokémontrank nur mehr Schaden angerichtet. Außerdem war es doch ihre Schuld, dass mich jetzt wieder Magenkrämpfe plagten, warum musste sie ausgerechnet Chilichips kaufen und auf dem Fußboden verstreuen?
    Als ich mich weiterhin weigerte, irgendeine Reaktion von mir zu geben, ertönte nochmals Nanas bebende Stimme: „Okay ... nur die Ruhe, alles wird gut ... ich muss nur ... ich ...“
    Ich befürchtete schon, dass sie mich sogleich wieder mit ihren Selbstgesprächen vollplappern wollte, doch da spürte ich, wie die Göre wieder im Zimmer herum zu rennen begann, gefolgt von dem Geräusch einer geöffneten Schublade. In Angst, dass sie mir noch so ein Mittel einflößen wollte, öffnete ich eines meiner Augen einen Spalt breit, sodass ich gerade noch sehen konnte, wie sie eine der Schubladen mit Gewalt aus dessen Fassung heraushob. Verdutzt beobachtete ich, wie sie deren Inhalt aufs Bett schmiss und anschließend das Ding neben mir auf den Boden stellte und ehe ich mich versah, packte sie mich mit beiden Händen. Bevor ich irgendetwas hätte tun können, hob sie mich mit einem Ruck in die Luft und setzte mich in dieser hölzernen Schublade ab.
    „Was ...“, stieß ich schwach hervor, als Nana nun mich samt Schublade in die Höhe zerrte. Nana setzte sich ohne zu Zögern in Bewegung, scheinbar in Richtung Türe, worauf ich in der Schublade hin und her geschaukelt wurde. Ich hörte das dumpfe Geräusch ihrer Schuhe, wie sie über den Holzboden rannte ... dann wurden die Schritte laut und hallend, bis am Schluss diese in dem Laut von Motoren und fremden Schritten unterging ...


    [tab=Wort zum Montag]
    Ein Part bei Fairy Tale of Nobody, der nicht nach einer monatelangen Pause folgt, wie ist das überhaupt möglich? Keine Ahnung, scheinbar ist geht es irgendwie xD
    Naja, der Part ist dafür etwas kürzer als sonst, aber die längeren Kapitel werden schon früh genug noch folgen, wage ich zu behaupten. Mein Ziel bleibt jedenfalls weiterhin, alle drei Wochen einen neuen Part online zu stellen. Falls ein Part zu lang wird und etwas mehr Zeit benötigt, kann sich das ganze eventuell um eine Woche verschieben, aber das wird hoffentlich nur die Ausnahme sein^^
    Ach ja, dieses Mal wurde der Part wieder von Snake beta gelesen. Nochmals vielen Dank dafür^^


    Jens: Vielen Dank für dein Kommentar^^
    Hab ich schon befürchtet, dass man das schnell erkennt … sollte mit bei Parts ohne Betaleser mehr Zeit zum Suchen nehmen, aber ich werde da immer so schnell ungeduldig. Du kannst die mittlerweile sehr gut beschreiben, schon fast besser als ich xD Aber ja, ohne etwas „göttliche Fügung“, wäre an dieser Stelle wohl nichts weiter gegangen. Freut mich jedenfalls zu hören, dass mir die Stellen da doch einigermaßen gelungen sind^^ Und wieder einige offene Frage, die wohl etwas später beantwortet werden … vielleicht … möglicherweise …


    [/tabmenu]

  • Ich kann heute leider nichts Großartiges zum Besten geben. Wie du selbst bereits angemerkt hast, ist das Kapitel recht kurz. Als Folge dessen ist die Handlung auch nicht so üppig, dass ich viel anzumerken hätte. Jedoch muss ich einmal wieder feststellen, dass du es dir einfach nicht nehmen lassen konntest, kräftig nachzutreten. Man hätte es jetzt mal gut sein lassen ... nach einem dermaßen erlebnisreichen Tag. Einfach schreiben können, dass sie - zumindest körperlich - langsam auf dem Weg der Besserung ist. Aber nöööh. Leidest du eigentlich nicht mit deinen Charakteren? Ich habe es schon einmal erwähnt: ich könnte das alles nicht. Irgendwann ist bei mir die Schmerzgrenze erreicht - und ehrlich gesagt, ist sie bei mir schon mindestens fünfmal überschritten worden, seit ich die Geschichte verfolge. Ich hoffe für dich, du leitest mit diesen Ereignissen zu wirklich wichtigen zukünftigen Geschehnissen ein. Irgendwo muss diese Tortour ja gerechtfertigt sein ...


    Inhaltlich bin ich ein wenig stutzig geworden, als du von "temporäre Schlachtsucht" gesprochen hast. Ist das irgendwie vergleichbar mit Tobsucht?


    Jetzt geht es wohl zum Onkel Doktor. Das ruft Erinnerungen hervor ... Leider ist die Schiene nicht dieselbe - es ist doch etwas ernster. Wenig Spielraum wohl für etwas komischere Szenen. Ich schätze, es wird vergleichbar darauf hinauslaufen, ein fünfjähriges Kind zum Arzt zu bringen, wo es dann seine Impfung - natürlich mit Nadel - erhält. Viel Gequängel und Gezeter also. Dann bin ich mal gespannt, wie lange du den Abwärtstrend noch beibehalten kannst, du kleiner Peiniger. (Denk daran: es ist doch bald Weihnachten.)

  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 9]

    Pflaster




    Das Quietschen von bremsenden Reifen, dicht gefolgt von dem unverkennbaren Dröhnen einer Autohupe, rissen mich schlagartig aus meinem Halbschlaf. Überrascht öffnete ich meine Augen und starrte perplex auf die mir gegenüberliegende Schubladenwand.
    Urg ... Wann … bin ich eingeschlafen? Verdammt, dieses ganze Geschaukel musste mich still und heimlich eingeschläfert haben …
    „Verzeihung!“, hörte ich über mir die erschrockene Stimme Nanas, doch sie löste damit lediglich eine Flut von anfängerhaften Beschimpfungen aus, die ihr von einer fremden Männerstimme an den Kopf geworfen wurden.
    „Was für ein Lärm“, stöhnte ich erschöpft und versuchte mir im Schneckentempo mit meinen Pfoten die Lauscher zu verstopfen. So scharf war ich nicht darauf, Hörschaden aus der Liste der noch nicht in den letzten Tagen erlittenen Beschwerden zu streichen. Der Erfolg ließ jedoch zu wünschen übrig. Noch etwas benommen ließ ich meinen Blick ins leere Schweifen. Der Geschmack von Magensäure klebte mir noch auf der Zunge, wie der üble Nachgeschmack eines bitteren Getränks. Außerdem brannte mein Hals noch leicht, doch das Würgen hatte offensichtlich ein Ende. Mein Magen hatte sich in der Zwischenzeit ein bisschen beruhigt und gab nur noch in unregelmäßigen Abständen einen beleidigten Mucks von sich. Völlig genesen war ich jedoch bei Weitem noch nicht ... Ob ich dem Hyperheiler diese Besserung zu verdanken hatte, wagte ich jedoch zu bezweifeln.
    Schließlich versuchte ich mich etwas zu erheben, um endlich sehen zu können, wohin mich diese Göre eigentlich verschleppt hatte, doch kaum hatte ich mich nur ansatzweise einige Zentimeter vom Boden erhoben, wurde die Schublade unter meinen Füßen besonders heftig durchgeschüttelt. Ungeschickt rutschte ich mit meinen Pfoten aus und landete wieder flach auf meinem Bauch, hin und her geschaukelt, wie in einer Schiffsschaukel im Vergnügungspark.


    „Wir sind endlich da“, sprach Nana, die sich mittlerweile von den krawallmachenden Autofahrern entfernt hatte, „Das müsste es sein.“
    „Was ... müsste was sein?“, wiederholte ich krächzend, als ich sogleich das Surren einer automatischen Schiebetüre vernahm. Schlagartig begrüßte uns stickige Zimmerluft, die rasch die Kälte aus meinen teilweise noch nassen Gliedern trieb. Ehe ich ganz realisiert hatte, dass wir gerade irgendein Gebäude betreten hatten, hörte ich bereits, wie sich die Türe hinter uns schloss und die kalte Abendluft sowie den Verkehrslärm aussperrte. Ruhe erhielten meine Ohren aber deswegen nicht … ganz im Gegenteil.
    Statt fahrender Autos und vorbeigehender Passanten war der Raum erfüllt mit Stimmen, die alle durcheinander sprachen, schrien oder sangen, sodass man kaum noch den Inhalt einzelner Sätze verstehen konnte.
    „Hey, spielen wir fangen. Ich fange und du läufst davon? “
    „ Ich will nach Hause ... “
    „ ... Ich hätte siegen können … Warum war ich bloß so langsam? Hätte ich schneller reagiert, dann wäre das bestimmt ganz anders verlaufen! Ja genau … “
    „Au ja, aber ich will Fänger sein und du versteckst dich!“
    „Oh, ist das unser Schicksal oder unser Wille?♪
    Wir werden kämpfen, bis … ♪ “
    Nicht nur viele fremdartige Stimmen, sondern ein Haufen unterschiedlicher Gerüche schlichen sich in meine Nase, doch ich konnte weder einzelne Düfte auseinander halten, noch bestimmen. Das Einzige, was sie mir brachten, waren Kopfschmerzen. Deswegen ignorierte ich diese einfach soweit es möglich war und schielte stattdessen verwirrt hinauf zu Nana, die in diesem Moment angehalten hatte. Wo zum Hundemon hatte mich diese Teenagerin hingebracht? Das hörte sich an, als wären wir in ein Klassenzimmer geraten, in dem Schüler gerade Pause feierten.
    Meiner Trägheit und meinen leichten Magenbeschwerden trotzend wagte ich – jetzt wo die Schublade zum Stillstand gekommen war – mich wieder ein Stück zu erheben und über den Rand zu lugen. Diesmal ohne Probleme schafte ich es auf meine Pfoten und riskierte sogleich einen Blick in meine fremde Umgebung. Hinter der eintönigen braunen Schublade erspähte ich sogleich ein paar rote, weiße Wände eines doch recht großen Raumes. Das Einzige, was dieser Ort jedoch mit einer Klasse teilte, war, dass es auch hier Tische und Stühle gaben. Damit hörten jedoch die Gemeinsamkeiten bereits auf, denn statt Kinder oder Schüler hatten sich hier Pokémon mit ihren Trainern versammelt.
    Jetzt könnte man meinen, dass die vielen unterschiedlichen Gespräche von Menschen stammten, jedoch waren diese eher damit beschäftigt, eine Ausgabe des Pokémon-Journales zu lesen, die sich auf den niedrigen Glastischen stapelweise türmten oder auf ihren roten PokéCom herum zu tippen, statt mit ihren Sitznachbarn zu kommunizieren. Die Stimmen stammten von ihren Pokémon. Da gab es zwei Yorkleff, die lautstark miteinander zu spielen schienen, unter einem der Stuhl hatte sich ein rosa, bräunliches Katzenvieh versteckt, über den Köpfen der Sitzenden schwirrte singend ein Vogel-Pokémon mit notenähnlichem Kopf herum und dann war da noch das Pikachu, dass auf dem Schoß seines Trainers ohne Unterlass irgendetwas vor sich hin quietschte ...
    „Arg, genug!“, stöhnte ich und hätte am Liebsten nochmals meine Ohren mit meinen Pfoten blockiert. Seit meiner Begegnung mit den Kramurx wusste ich zu gut, dass ich der Sprache anderer Pokémon mächtig war, doch warum musste man mich so brutal daran erinnern? Warum konnten sie nicht weiterhin irgendwelche Geräusche von sich geben und blöd vor sich hin bellen, tröten, kreischen, was auch immer? Am liebsten hätte ich mich wieder auf den Boden geworfen - was fast ohnehin passierte, als sich Nana ohne Vorwarnung in Bewegung setzte. Eilig stützte ich mich mit meinem Kinn an einer der Schubladenwände ab und blickte zerknirscht umher.
    „Das ist doch nicht etwa ...“, murmelte ich etwas verstört und mein Blick streifte an einem Hinweisschild vorbei, welches Besucher darüber informieren sollte, dass Pokémon über 0,8 Meter in ihren Pokébällen aufbewahrt werden mussten, „ ... ein Pokémon Center, oder?“
    Selbst eine Person wie ich, die null Interesse an dem Trainerdasein hatte, sollte dazu in der Lage sein, ein Pokémon Center zu erkennen, wenn man drinnen stand, es sei denn natürlich, man lebte seit Jahrzehnten hinter dem Mond. Meist weiß-rot gestrichene Gebäude, in welchen Trainer, nachdem sich ihre Pokémon gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hatten, diese in die Behandlung schicken konnten ... Mehr musste man dazu nicht wissen.
    Wir befanden uns offensichtlich gerade im Warteraum des Centers, leicht zu erkennen an den zahlreichen Wartestühlen, die alle in einzelne Tischgruppen unterteilt waren. Nana schritt jedoch an den wartenden Menschen und Pokémon vorbei, direkt auf einen roten Tresen zu und überquerte dabei ein großes Pokéballsymbol, das auf dem Boden aufgemalt war. Diese führte mir noch einmal vor Augen, dass dieser Ort für Pokémon war und nicht für mich!
    Toll ... jetzt hatte mich diese Göre tatsächlich an so einen verdammten Ort geschleppt, das wollte mir ganz und gar nicht gefallen. Ich mochte zwar aussehen wie ein Vulpix, aber wenn ich mich schon untersuchen lassen musste, dann gefälligst von einem richtigen Arzt oder Ärztin und nicht in einer Heilanstalt für Vieh, Magenbeschwerden hin oder her. Mir ging es eh bereits besser, da musste ich mich nicht zwangsheilen lassen ... und gegen meinen Willen herum gezerrt werden, genau so wenig! Aber mal davon abgesehen ...
    Noch etwas träge blickte ich mich nach irgendwelchen Ausgängen um.
    ... ich war raus aus diesem von Wandkritzeleien beschmierten Zimmer. Die Teenagerin war zwar noch in meiner Nähe, doch wäre das trotzdem nicht eine günstige Stelle, um ihr jetzt endgültig den Rücken kehren zu können und abzuhauen? Ein weiterer Blick durch den Raum machte mir diese Idee jedoch fast zunichte: Wie es aussah, war ich von einem Gefängnis in das nächste gelangt, denn es gab abgesehen von der Eingangstüre nur noch eine Treppe, die in den nächsten Stock führte und einen Durchgang direkt hinter dem Tresen. Die Fenster selbst waren alle verschlossen und schützten die Wartenden mittels zugezogener Rollos vor spärlichem Sonnenlicht und neugierigen Stallkern. Es wäre unmöglich, rechtzeitig durch die automatische Schiebetüre zu flüchten, besonders mit meinen Magenbeschwerden ...
    „Zum Hundemon damit ...“, murmelte ich leise und versuchte die ganzen Bedenken und diese Müdigkeit von mir zu schütteln. Hatte ich mich nicht in den letzten paar Stunden darüber grün und blau geärgert, dass ich nicht sofort an Nana vorbei aus dem Zimmer gestürmt war? Wenn ich jetzt ebenfalls noch länger zögerte, würde ich bald gar nicht mehr weg können ... ich musste es nur durch diese verdammte elektrische Türe schaffen, dann war ich wieder in Freiheit und konnte meinen eigenen Weg gehen ...
    Unauffällig warf ich einen Blick hinten über den Schubladenrand und versuchte meine innere Stimme zu ignorieren, die abermals hinterfragte, was diese „eigenen Wege“ sein sollten.
    Derartig niedrig wie gedacht war diese Höhe jedoch nicht, jedenfalls im Vergleich zu meiner Vulpix-Körpergröße. Aber hatte ich denn eine Wahl? Außerdem hatte ich die letzten zwei Tage schon viel Ärgeres überlebt, da war dies ja nicht einmal ein Vergleich wert.
    Schließlich packte ich einfach meinen ganzen Mumm, meine Kraft und meinen Leichtsinn zusammen und zog mich mit einem Ruck über den Rand der Schublade hinweg. Jetzt hätte ich nur noch „You only live once“ brüllen müssen und es wäre perfekt gewesen ... doch dieses Motto war in meiner Situation mehr eine Drohung als ein Partyspruch. Ich hatte nur ein Leben und wenn ich einen Fehler machte, wäre dieses zu Ende.
    „May!“, ertönte in diesem Moment, als ich gerade mit meinen Vorderpfoten den hölzernen Untergrund zurückgelassen hatte, das erschrockene Geschrei von Nana. Ich spürte wie sie mich zu packen versuchte, doch mein Körper reagierte reflexartig und versuchte sie von mir wegzutreten. Bei dem Versuch mich zu fangen, ließ Nana jedoch von der Schublade ab, was dafür sorgte, dass ich nun endgültig den Boden unter meinen Füßen verlor. Erst in diesem Moment, als die Gesetze der Schwerkraft an mir zerrten, wurde mir klar, wie dämlich mein halbdurchdachter Fluchtplan eigentlich war, doch es war bereits zu spät, irgendetwas anderes zu tun, als meine Augen zuzukneifen. Schneller als mir ein lautes „Verdammt“ von meinen Lippen entweichen konnte, lärmte bereits ein lautes hölzernes „Klong“ durch den Raum und brachte kurzzeitig sogar das Geschnatter der Pokémon zum Schweigen. Mein schmerzhafter Aufprall ... blieb jedoch aus.
    „Ha ... das war knapp“, hörte ich in meiner Nähe Nanas erleichtert klingendes Keuchen, worauf ich – als wäre ich auf ihre Stimme konditioniert – meine Augen wieder aufriss. Da war sie schon wieder, Nana, halb am Boden liegend, während sie mich abermals mit diesem sorgevollen Blick musterte, den ich einfach nicht mehr sehen konnte. Und ich ... ich lag direkt in ihren von sich gestreckten Armen.
    Einen kurzen Augenblick starrte ich perplex in ihr mit einem Piercing geschmücktes Gesicht, und beobachtete, wie sich ihre Miene rasch wieder aufzuhellen schien. Jedoch nicht für lange.
    „LASS DAS!“, kreischte ich plötzlich und riss aufgebracht meine gezückte Klaue in die Höhe. Warum musste mich diese Göre immer aufs Neue anfassen, warum versuchte sie mir immer so zu helfen?! Einmal hab ich sie mir zu nahe kommen lassen und das war bereits mehr als genug. Ich brauchte keinen Ritter, der mich heldenhaft vor dem Sturz bewahrte, auch keinen weiblichen! Diesen läppischen Meter hätte ich auch so überstanden, das war ja keine verdammte Klippe von der ich mich gestürzt hatte. Ich war bereits von einem mehrstöckigen Hochhaus gestürzt, da war dies ja nicht einmal ...
    Mitten in der Bewegung entfuhr meiner Kehle ein leises Quietschen, während mir gleichzeitig zwanghaft ein paar Tränen in die Augen schossen. Arg ... verdammter Dreck ... was soll das schon wieder ...
    In dem Moment, in welchem ich mein Vorderbein ruckartig nach oben befördert hatte, zuckte durch meinen Rücken ein kurzer, heftiger Schmerz, ähnlich wie bei einem Ellbogen, den man volle Wucht gegen eine Sesselkante geknallt hatte. Dieses Stechen war genug, um mich mitten in meiner Bewegung innehalten zu lassen. Kleinlaut senkte ich langsam meine Pfote herab und starrte mit noch immer leicht tränenden Augen in die mir gegenüber liegenden Pupillen, deren Eigentümerin nun selbst das Lächeln verging.
    „Hey ...“, sprach Nana und richtete sich zögerlich auf, nur um mich gleich gegen meinen Willen an ihre Brust zu drücken, „Alles in Ordnung May?“
    „Das ist ... gar nichts ... “, stammelte ich, bevor ich mich in ihren Armen wie ein Sandamer zusammenrollte. Mein Fluchtversuch war damit vorerst offiziell beendet ...
    Verflucht, das war doch nur ein schlechter Witz, oder? Natürlich musste sich ausgerechnet jetzt eine meiner Verletzungen vom letzten Abend wie eine alte Kriegswunde melden ... Als ob diese nur den ganzen Tag darauf gewartet hätte, mir genau in diesem Moment wörtlich in den Rücken zu fallen, aber während meiner gescheiterten Fensterflucht und meinem unfreiwilligen Bad hat es natürlich keine großen Probleme gegeben ... Ich schwöre, da ist irgendjemand dahinter, der das mit voller Absicht macht ... Urg, vielleicht hätte ich den Verband doch nicht so voreilig vom Leib reißen sollen.
    Laut schnaufend hielt ich dieses Mal meine Augenlider offen und starrte auf einen kleinen Staubfussel am Fußboden, einfach um mich von dem nur zögerlich schwächer werdenden Stechen abzulenken. Währenddessen hörte ich im Hintergrund noch eine andere, männliche Stimme, die scheinbar Nana danach fragte, ob er vielleicht helfen könne.
    „Danke ... machen sie sich keine Umstände, wir kommen zurecht“, war ihre Antwort darauf und bevor der andere Kerl irgendetwas darauf erwidern konnte, erschallte ein langgezogenes Piepsen durch den Raum, kurz bevor eine leicht rauschende Stimme ertönte: „Nummer 15627, Nummer 37891 und Nummer 18200, ihre Pokébälle sind abholbereit!“
    Hinter uns schien im Wartebereich etwas Bewegung hineinzukommen, doch weder hatte ich die Muse, noch die Möglichkeit, mich nachhinten zu drehen; ich für meinen Teil war noch immer damit beschäftigt, den Fussel anzustarren. Doch lange währte diese „Freundschaft“ nicht, denn in dem Moment, als sich die Teenagerin plötzlich völlig aufrichtete, wurde mir das Ding ruckartig aus dem Sichtfeld genommen. Stattdessen durfte ich nun das rote Tresen betrachten, welches Nana weiterhin ansteuerte. Ausgestattet mit Bildschirm, Tastatur, Formularen und Schreibzeug war es sehr offensichtlich, dass dies wohl eine Art Empfangsschalter war. Sogar eine kleine Blumenvase hatte man aufgestellt, wahrscheinlich um die Atmosphäre etwas zu bessern, was jedoch dadurch nach hinten los ging, da die Pflanzen offensichtlich für längere Zeit nicht mehr gegossen worden waren und nun vertrocknet die Köpfe hängen ließen. Gleich an der dahinterliegenden Wand befand sich, neben dem bereits erwähnten Türrahmen, eine weiße tickende Uhr sowie einige Notizen, Kalender und Bilder an einer braunen Pinnwand hängend und auch ein großes Poster, das gerade noch zwischen dem ganzen anderen Papierkram sichtbar war. Das Poster zeigte eine zerbrochene, bläuliche Flasche, die an einem Straßenrand lag und gleich darunter stand in deutlich zu lesender Schrift: „Gefälschte Arzneien können unerwünschte Wirkungen auf ihre Pokémon haben. Kaufen sie deswegen nur Produkte von lizensierten Händlern der Pokémon Liga, um ihre Pokémon vor unnötigem Schaden zu bewahren.
    - The Pokémon League International “
    Unnötigen Schaden ... danke für den tollen Hinweis, der hilft mir im Nachhinein wirklich hervorragend. Dann hatte ich doch damit Recht, dass Nana den Hyperheiler an irgendeiner dubiosen Straßenecke gekauft hatte.
    „ ... ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“
    Ach ja, und dann war da noch diese blonde Frau auf der anderen Seite des Tresen, die gerade ein paar unwichtigen Trainern, die vor einigen Augenblicken noch gelangweilt auf ihren Plätzen gewartet hatten, ein paar Pokébälle in die Hand drückte. Lächelnd winkte sie ihnen hinterher, als sie eilig das Center verließen, so als könnten sie es kaum erwarten, ihre Pokémon beim nächstbesten Gegner aufs Neue K.O. gehen zu lassen. Als ich hinter uns abermals die elektrische Türe hörte, senkte sie rasch ihren Arm und strich sich die Falten aus der weiß roten Pokéball-Schürze. Für einen Bruchteil einer Sekunde bildete ich mir ein, dass sie ihr Lächeln für einen müden und leicht mürrischen Ausdruck eintauschte, doch ehe ich es mir versah, war die freundliche Miene zurückgekehrt. Schnell richtete sie ebenfalls noch ihre weiße Kopfbedeckung, bevor sie uns mit einer überspitzt fröhlichen Stimme begrüßte: „Willkommen im Pokémon Center der barmherzigen Joy, wie kann ich ihnen helfen?“
    „Mit einer Überdosis Schmerzmittel“, ächzte ich leise und hob vorsichtig meinen Kopf. Die Schmerzen in meinem Rücken hatten bereits radikal abgenommen, doch ich wagte es momentan trotzdem nicht, mich mehr als nötig zu bewegen. Nochmal so eine Aktion und mir rissen tatsächlich noch irgendwelche Muskeln und Sehnen.
    „Nun, ich ...“, stammelte Nana und blickte wieder einmal unnötig sorgevoll zu mir hinunter, „also May ... also sie hier hat sich vor Kurzem übergeben müssen und jetzt scheint sie noch irgendwelche anderen Schmerzen zu haben, zusätzlich. Können sie ihr helfen?“
    „Natürlich, Verletzungen oder Krankheiten, spielt absolut keine Rolle“, antwortete die Blonde, doch nachdem sie Nana nochmals von oben bis unten gemustert hatte, fügte sie noch hinzu, „jedenfalls, solange sie als offizielle Pokémon-Besitzerin bei der Pokémon-Liga registriert sind. Wenn sie mir also bitte ihren Trainerpass oder einen anderen gültigen Bescheid zeigen könnten ...“
    „Ja ... Ja mein Trainerpass“, erwiderte sie plötzlich etwas zögerlich, kurz bevor ich wieder durch die Luft transportiert wurde. Dieses Mal setzte sie mich lediglich behutsam auf dem Tresen ab, direkt neben den vertrockneten Blumen, um mit ihren nun freien Händen ihre Hosentaschen zu durchsuchen. Wieder festen Boden unter Pfoten und Bauch, stieß ich einen kurzen Laut von mir, der als ein Seufzer interpretiert werden konnte und legte meinen Kopf matt auf die Oberfläche des Tresens.
    Die konnten mich doch alle gern haben ... hin und her getragen wie ein Gegenstand und weder die Menschen um mich, noch mein eigener Körper akzeptierten irgendeine meiner Entscheidungen. Es war so, als wäre ich noch immer in diesem verdammten Fluss gefangen: Egal wie sehr ich auch versuchte dagegen anzukämpfen, die Strömung der Ereignisse riss mich erbarmungslos mit sich. Missmutig schielte ich hinauf zu der blonden Frau, die ungeduldig mit ihren Fingern auf den Tresen klopfte. Sie hatte noch immer dieses gekünstelte Lächeln auf den Lippen, doch trotzdem war ersichtlich, dass sie nicht sonderlich davon begeistert war, dass Nana mich einfach auf ihren Arbeitsplatz gelegt hatte und so lang benötigte, um ihren Trainerpass vorzuweisen ... Moment einmal ... Jetzt wo ich darüber nachdachte, warum hatte diese Göre überhaupt einen Trainerpass? Warum zur Zerrwelt würde sie so etwas benötigen, bisher hatte sie ja kein Interesse daran gezeigt, mich zu fangen, noch hatte ich bei ihr einen Pokéball oder ein anderes Pokémon gesehen. Konnte man einen Trainerpass so einfach wie eine Kundenkarte in einem Supermarkt erwerben?
    Skeptisch schielte ich wieder zu der schwarzhaarigen Teenagerin, die schließlich doch ihren Pass aus ihrer Hosentasche hervorzog und ihn langsam der Krankenschwester reichte. Vielleicht sollte ich doch nochmals einen Fluchtversuch starten, jetzt wo ich sicher war, dass sie zu mindestens offiziell eine Trainerin war … eine sehr seltsame, aber trotzdem änderte dies nichts an den Tatsachen.
    Die blonde Frau nahm den Schein gar nicht an sich, sondern warf nur einen knappen prüfenden Blick darüber, bevor sie nickte und ihr mit einer Handgeste deutete, dass sie den Pass wieder zurückstecken konnte. Sie tippte etwas auf ihrer Tastatur herum, bevor sie sich wieder an die Schwarzhaarige wandte und ihr zuvorkommend die Hand entgegen streckte: „Nun, am besten schicken sie Ihr Pokémon in seinen Pokéball zurück und wir kümmern uns dann um den Rest.“
    Für einige Augenblicke blieb es still. Nana lächelte einfach weiterhin blöd vor sich hin, als wartete sie darauf, dass irgendjemand noch etwas Wichtiges zu dieser Konversation hinzufügte. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Nachricht durch ihre lange Leitung gelangt war und sie endlich die entsprechende Miene aufsetzte.
    „Pokéball?“, wiederholte sie nun wirklich verunsichert und blickte etwas ratlos umher, „Ehrlich gesagt hab ich keinen Pokéball für May. Ich hab sie nicht gefangen. Ist das denn so … wichtig?“
    Ich nehme alles zurück was ich gesagt habe, sie hat ihren Pass bestimmt gestohlen, aus der Lotterie oder als Kundenkarte ausgestellt bekommen. Sogar ich traute mir zu, dass ich mehr Ahnung von Pokémon Centern hatte als diese Möchtegern Trainerin!
    „Nicht ... gefangen?“, wiederholte die ihr gegenüber stehende Frau mit hochgezogener Augenbraue, doch ihre freundliche Miene hielt sich wacker bei.
    „Ja, ich hab sie nicht gefangen ... Braucht sie unbedingt einen Pokéball?“, fragte Nana und drehte ihren Kopf leicht nervös zur Seite, „Könnten sie May auch so behandeln?“
    Ich musste dieser Krankenschwester trotz allem eingestehen, dass es etwas beeindruckend war, wie sie noch immer mit dieser ruhigen Miene da stehen konnte, obwohl sich Nana wie ein Vollpfosten benahm.
    Statt Nana war die Blonde nun diejenige, welche für einige Augenblicke wortlos und lächelnd verweilte. Ihr Blick schien währenddessen aber in Richtung Warteraum zu wandern, in welchem sich in der Zwischenzeit ein paar weitere Personen eingefunden hatten, die ebenfalls in Richtung Tresen marschierten.
    „Nein ... das ist kein Problem“, antwortete sie schließlich, als sie aus ihrer Versteinerung erwachte und ließ ihre Hände bedrohlich auf mich zu kommen, „Machen sie es sich einfach im Wartebereich bequem und warten sie, bis ihre ID Nummer durchgesagt wird.“
    „Nicht ... wieder ... anfassen“, zischte ich leise und machte einige vergebliche Anstalten, noch ein paar Zentimeter von ihr wegzurücken, doch ohne Mühe hatte sie mich bereits gepackt und vom Tresen gehoben. Am liebsten hätte ich angefangen wie ein Karpador zu zappeln, doch ich hatte noch immer Angst davor, dass ich dadurch meine störende Verletzung noch einmal zu sehr reizen könnte, weswegen ich missmutig zu ließ, dass mich diese Frau wie ein Baby herum trug. Noch einmal kreuzten sich mein und Nanas Blick, jedoch konnte ich ihren einfach nicht genau deuten, bevor ich durch die offene Türe geschleppt wurde.


    [tab= Wort zum]


    [subtab=Ende des Jahres]
    //edit: Dieser Abschnitt wurde nachträglich von Kapitel 8 getrennt


    Der letzte Part für dieses Jahr ... hätte ehrlichgesagt nicht gedacht, dass dieses Jahr doch noch einiges hier weiter gehen würde. Eigentlich wäre „mehr Schreiben“ einer meiner Vorsätze für das nächste Jahr gewesen, aber sieht so aus, als funktionieren Vorsätze auch bereits vor Silvester xD
    Jedenfalls wünsche ich allen heute schon ein schönes und erfolgreiches neues Jahr 2014!


    Tja und wieder hab ich nicht sonderlich viel zu sagen … abgesehen dass ich jetzt das Trivia (falls es etwas Nennenswertes gibt, was dieses Mal eher wenig der Fall ist) einfach direkt zum jeweiligen Part als ein Subtab einfügen werde. Ich empfehle aber weiterhin, lieber erst nach dem Lesen des Parts, in das Trivia reinzuschauen, einfach wegen der „Spoilergefahr“.


    Dieses Mal wurde der Part nicht Beta gelesen, einfach weil ich noch immer etwas an meinem Zeitmanagement arbeiten muss ... wollte den Part unbedingt noch 2013 posten, nur ist mir die Zeit einfach etwa zu knapp geworden^^". Hoffe es ist trotzdem einigermaßen ertrag- und lesbar.
    Der Part wurde jetzt nachträglich (und unerwartet) doch noch von Snake durchgelesen und korrigiert. Vielen Dank dafür!


    [subtab=Trivia]


    • Der Gesang des Plaudagei ist einem Soundtrack des Anime "Attack on Titan" entnommen.


    [/tabmenu]

  • Kurz vor Beginn des neuen Jahres sollst du deinen verdienten Kommentar noch erhalten.


    Natürlich war es offensichtlich, wohin die Reise führen würde. Da blieb einfach kein sonderlich großer Spielraum für Phantasien. Ich bin irgendwie erleichtert darüber, dass du dir keine große Mühe gemacht hast, der Weg dorthin noch sonderlich großer Beachtung zu schenken, sondern diese im Großen und Ganzen fast völlig übersprungen hast und somit direkt zur Sache kommst. Die wenigen Anhaltspunkte, mit denen du den kleinen Trip in Schnelle beschrieben hast, sind mehr als genug und projezieren meiner Meinung nach ein sehr gutes Bild von den geschäftigen, teilweise verrückten Straßen mit den dazu gehörigen Verkehrsteilnehmern einer Stadt in des Lesers Gedanken. An dieser Stelle gebe ich mich ein wenig neidisch darüber, womit du beim Betreten des Centers auffährst. Du weißt, dass Pokémon-Centren in meinen Geschichten regelmäßig besucht werden, aber irgendwie kamen sie bei mir immer zu steril und viel zu sehr an das Spiel angelehnt vor. Da fehlte meist wirkliche Action im Wartebereich, was dir allerdings famos zu vermitteln gelungen ist. Ich bin irgendwie nie auf die Idee gekommen, dem Treiben neben Menschen weiteren Pokémon beizufügen, und sei es nur als Nebensächlichkeit. Aber warum eigentlich? Schade, dass ich diesbezüglich immer so blind war - muss wohl selbst öfter den Arzt aufsuchen, um eine solche Atmosphäre zukünftig zu verinnerlichen. Kurzum: All diese Kleinigkeiten, auch die Nichtigkeiten, wurden durch die ablehnenden Augen deiner Protagonisten sehr gut vermittelt.


    So viel erst einmal dazu. Ehrlich gesagt hatte ich insgeheim fest damit gerechnet - insbesondere, als die Anwesenheit weiter Pokémon bekannt wurde -, dass es zu weiteren Krawallen kommt. Als du dann aber mich, deine anderen Leser und auch deine Protagonistin so schmerzhaft an die Ereignisse des letzten Tages erinnerst, wurde klar, dass es so weit nicht kommen würde. Zumindest vorerst. Die Idee mit dem Trainerpass als Beglaubigung des Trainerdaseins finde ich übrigens sehr nett. Es wirkt auf mich wie ein kleiner Seitenhieb gegen die Realität: "Kasse oder Privat?" Wenn vielleicht von dir ursprünglich nicht beabsichtigt, erweiterst du somit auch in gewisser Hinsicht das Pokémon-Universum um einen Punkt; meiner Ansicht nach, dass es neben der netten, sonnigen Oberwelt (den registrierten Trainern) auch eine Unterwelt geben muss (die unregistrierten). Vielleicht ist es aber auch nur eine schräge Phantasie meinerseits. Jedenfalls lässt du mit dieser kleinen Nebenhandlung großen Spekulationsraum über Nanas Privatleben, denn wie deine Protagonistin anmerkte, ist es angesichts Nanas ungeschickten, unbeholfenen Auftretens doch recht verwunderlich, dass diese sich als Trainerin ausweisen kann. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, ob der kurze Anflug der Vorsicht, als die Ärztin realisierte, welchen wahrscheinlich recht aufmüpfigen Patienten sie vor sich hat, berechtigt ist. Mir kommen so die Bildern einer plötzlich ganz und gar nicht mehr gut gelaunten, völlig zerzausten und zerkratzen Ärztin in den Sinn, die ihren eben erst gepflegten Patienten temperamentvoll auf den Tresen ablässt, ihre Haube aus dem Fenster schmeißt und lautstark ihren frühzeitigen Renteneintritt ankündigt.

  • [tabmenu]
    [tab=Kapitel 9 Teil 2]„Keinen Pokéball ...“, hörte ich die Pokémon-Krankenschwester über mir murmeln, nachdem wir Nana ein kleines Stück hinter uns gelassen hatten. Das Lächeln, welches sie hinter dem Tresen so eisern bewahrt hatte, war in dem Moment, als sie der Öffentlichkeit den Rücken gekehrt hatte, abgefallen wie ein vertrocknetes Blatt von einem Ast.
    Wenig feinfühlig setzte sie mich auf einem silbernen Gestell ab, das stark an einen Servierwagen erinnerte, mit dem Unterschied, dass die einzelnen Etagen mit einer Vielzahl von runden Einbuchtungen versehen waren, die offensichtlich für Pokébälle gedacht waren. Nur eine Handvoll von ihnen war jedoch mit einer derartigen Kapsel besetzt. Ächzend versuchte ich, eine halbwegs bequeme Liegeposition auf diesem durchlöcherten Untergrund zu finden, während ich nebenbei unauffällig zu der Blonden schielte. Sie selbst betrachtete mich mit müder sowie genervter Miene, so als könnte ich irgendetwas für ihren schlechten Tag.
    „Was gibt’s da zu glotzen“, knurrte ich leise und verengte meine Augen zu Schlitzen, jedoch nicht um die Bedeutung meiner Worte zu unterstreichen, sondern als Reaktion auf einen flüchtigen Schmerzimpuls der durch meinen Rücken zuckte. Sonderlich überrascht darüber, dass sie mich, anstelle mir eine normale Antwort zu geben, lediglich weiter musterte wie ein unerwünschtes Geburtstagsgeschenk, das sie am liebsten irgendwo eintauschen hätte, war ich nicht.
    „Ich sollte später überprüfen, ob ihr das Vulpix überhaupt gehört ...“, murmelte sie dabei in ihren nicht vorhandenen Bart, laut genug, sodass ich es deutlich hören konnte.
    „Ich gehör niemanden! Nur mir alleine …“, kam es von mir eingeschnappt zurück, während ich mich genervt auf dem Untergrund festkrallen wollte, doch stattdessen kratzten meine Krallen über das Metall und verursachten ein scheußliches Quietschen, das wie ein kleiner Haufen Nadeln in mein Ohr drang. Die Frau hingegen schien das Geräusch nicht einmal wahrzunehmen, denn sie stand noch für einige weitere Sekunden still wie ein Mogelbaum, bevor sie endlich den Wagen packte und ihn durch den leeren Gang schob. Ratternd setzte sich das Gefährt in Bewegung und schepperte dabei bei jeder überquerten Fliesenrille. Sehr zerknirscht über meine jetzige Situation ließ ich meinen Blick kurz über die an mir vorbeiziehenden eingerahmten Fotos schweifen, die irgendwelche Personen zusammen mit ihren Pokémon zeigten. Die Menschen lächelten mir ihr schönstes Fotogrinsen entgegen, doch mir selbst war absolut nicht nach Lachen, Lächeln oder Grinsen zumute. Ich wollte nur weg von hier...
    Während ich mich noch etwas mit diesen Bildern beschäftigte, schwenkte der Servierwagen nach rechts auf eine geöffnete Türe zu. Als wir mit gemächlichem Tempo die Türschwelle überschritten, ließ ich sogleich meinen Blick angespannt durch den neuen Raum schweifen. Erster Eindruck: Es war ziemlich heiß hier drinnen, dieses Mal nicht stickig, aber eindeutig über Zimmertemperatur. Zweiter Eindruck: Wieder ein weiß und rot gestrichenes Zimmer, welch eine Überraschung. Natürlich war der Raum nicht völlig ident mit dem Warteraum, sondern unterschied sich in Form und Größe, aber die farblichen Merkmale waren einfach nicht zu übersehen. So war dieser Raum eher in die Länge gezogen und bot bei Weitem nicht so viel Platz, als dass hier eine größere Gruppe Trainer warten könnte. An den Wänden standen etliche mannshohe Regale, deren einzelne Etagen ebenfalls mit Einbuchtungen übersät waren, von denen aber - anders als beim Servierwagen - erstaunlich viele gefüllt waren. Nicht bloß die klassischen Pokébälle belegten da die Reihen, sondern auch blaue, gelbe, grüne, wie auch ein paar wenige schwarze.
    Ich selbst konnte die meisten von ihnen benennen – vom Superball bis zum Luxusball - was aber eher daran lag, dass es in der modernen Zeit schwierig war, Werbungen für Pokémon-Utensilien zu entkommen, ob man die nun haben wollte oder nicht.
    Langsam schweifte mein Blick in Richtung Zimmerende, welches weder Fenster noch irgendwelche Regale beherbergte, dafür aber eine große und mir unbekannte Maschine. Das weiß-rote Ding hätte leicht Teil eines Sci-Fi-Films aus dem vorletzten Jahrzehnt sein können, denn ich war mir sicher, dass es mittlerweile neuere Modelle von dem Ding gab. Irgendwie erinnerte es mich etwas an diese riesigen Gehirnscanner - oder wie auch immer man die nannte– die gelegentlich in Krankenhäusern ihre Verwendung hatten. Es war aber offensichtlich, dass dieses Gerät nicht für Menschen gedacht war, denn anstatt einer Liege ragte ein schubladenähnliches Ding an der Vorderseite heraus, in welches man ebenfalls einige rundliche Einbuchtungen eingestanzt hatte. Im Ernst, diese Halbkugeleinbuchtungen könnten genauso gut als Markenzeichen dieses Pokémon Centers durchgehen, gleich nach dem rot-weißen Farbschema.
    Rumpelnd kam der metallene Wagen vor einem niedrigen Glaskasten ganz in der Nähe der Türe zum Halten. Misstrauisch beobachtete ich die blonde Pokémon-Krankenschwester, die nun von dem Servierwagen abließ und an mir vorbei auf die Maschinerie zu schlurfte. Sie traf nicht einmal irgendwelche Vorkehrungen, um mich gefangen zu halten, so als erwartete sie ohnehin nicht, dass ich irgendwohin abhauen könnte.
    „Ach ...“, hörte ich sie leise murmeln, als sie plötzlich innehielt und einen Blick über ihre Schulter warf, „ich muss auf manuellen Scan umstellen ... So viel Arbeit für eine einzige Person … Zur Zerrwelt mit diesen Einsparungsmaßnahmen ...“
    Im Ernst, begannen alle Menschen wie bekloppt hörbare Monologe zu führen, sobald sie sich alleine mit einem Pokémon wiederfanden? Fühlten sie sich dadurch besser, wenn sie glaubten, dass ihnen jemand zuhörte, oder was sollte das bedeuten?
    Meine Frage unbeantwortet lassend gab die Frau noch ein undeutliches Grummeln von sich, das ich als ein „Warum müssen Katrina und Sonja ausgerechnet gleichzeitig krank sein?“ interpretierte, bevor sich die Blonde zu einem kleinen Terminal an der Maschine stellte und etwas lustlos wirkend auf dem Screen herumtippte, welches jedes Mal ein Nerv tötendes Piepsen von sich gab.
    "Pieps ... pieps, pieps ..."
    Für einige Sekunden beobachtete ich sie stumm bei ihrer Arbeit, bevor ich meine Aufmerksamkeit zurück auf die noch immer geöffnete Tür wandte.
    Jetzt, wo sie mir so leichtsinnig den Rücken gekehrt hatte, wäre dies eigentlich nicht eine großartige Gelegenheit abzuhauen? Ein paar Minuten zuvor hätte ich mir wahrscheinlich einen Rück gegeben und mich von diesem Wagen gestürzt, nun aber war ich wieder in meine vorsichtige und pessimistische Haltung zurückgekehrt.
    "Pieps, piiieps ..."
    Vorsichtig richtete ich mich wieder behutsam auf meine vier Pfoten und achtete dabei auf meinen Rücken, in der Erwartung, dass dieser jeden Augenblick unangekündigt entzwei riss. Das Stechen befand sich zwar momentan auf einem mehr oder weniger tolerierbaren Maß, doch ob das von Dauer war, konnte ich noch nicht beantworten. Aber bei einem war ich mir sicher: Wenn ich da einfach runter sprang, würde ich unten vor Schmerzen wimmernd ankommen und darauf konnte ich verzichten. Stattdessen könnte ich natürlich versuchen, hinunter zu klettern, doch wahrscheinlich würde das letztlich zu demselben Ergebnis führen. Und dann war da noch das Problem mit dem Fluchtweg, denn die einzige Türe, von der ich wusste, dass sie nach draußen führte, lag hinter dem Tresen am anderen Ende des Wartezimmers. Alle anderen Türen in dem kurzen Flur waren meiner Erinnerung nach geschlossen gewesen. Jetzt eine Flucht zu riskieren wäre komplett zwecklos.
    Leise in mich hinein fluchend starrte ich den Ausgang an, so als könnte ich mit meinem Blick nochmals ein Loch in die ohnehin geöffnete Türe brennen.
    War also die einzige Option, diese ganze Prozedur über mich ergehen zu lassen, bis sich schließlich ein Moment zur Flucht ergab? Verdammt, mich hier verarzten zu lassen, auf das hatte ich absolut keine Lust. Alles was ich brauchte, war ein Bett und etwas Ruhe, das sollte Behandlung genug sein. Verdammt nochmal, es musste doch einen Ausweg geben ...
    Doch während ich auf dem Servierwagen unentschlossen meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, realisierte ich plötzlich, dass das lästige Piepsen der Maschine aufgehört hatte, ohne dass ich es bemerkt hatte. Sogleich wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Terminal zu, doch die blonde Frau hatte sich bereits von diesem entfernt und schlurfte ebenso lustlos zu mir zurück. Kurz bevor sie bei mir angelangt war, legte sie einen kleinen Stopp vor dem Fenster über der Glasvitrine ein, um diesen auf ebenso epische Art und Weise zu öffnen.
    Mit unmotivierter Miene drehte sie sich schließlich nach mir um, um ihre in weiße Gummihandschuhe gehüllten Hände nach mir auszustrecken. Dieses Mal ließ ich mir ihren Packversuch jedoch nicht so träge über mich ergehen. Heiser fauchend stolperte ich etwas auf dem Metallwagen herum und gab mein–wie es in der Situation für mich möglich war - Bestes, ihren Pranken auszuweichen. Doch zu meinem Leid war diese Frau offensichtlich sehr geübt darin, sich um aufsässige Pokémon zu kümmern.
    Unbeirrt packte sie mich am Nacken und zerrte mich gegen meinen Willen in die Luft, wo ich wie ein nasser Waschlappen herab baumelte. Als ob sie befürchtete, dass ich sie in diesem Zustand noch beißen oder bespucken könnte, drehte sie mich noch extra so, dass ich von der blonden Frau wegblickte.
    „Arg ...“, stieß ich hervor; mehr aus Gewohnheit als vor Schmerz, denn obwohl sie mich lediglich am Nacken festhielt, spürte ich dies kaum. Wütend zappelte ich durch die Luft und versuchte mich aus ihrem eisernen Griff zu befreien, während ich sie ununterbrochen beschimpfte: „Du verdammte Hexe, lass mich gefälligst runter! So was lass ich mir nicht gefallen! Ich dreh dir deinen Hals um, sobald ich den zwischen meine verfluchten Pfoten bekomme! “
    Offensichtlich kümmerte sie sich null um mein Geschrei, denn sie drückte mich schließlich einfach gewaltsam an sich und umklammerte meine zappelnden Beine. Rasend versuchte ich mich gegen diese unliebsame Umklammerung zu wehren, doch als ein drohendes Pulsieren durch meinen Rücken fuhr, sah ich mich dazu gezwungen, mich vorerst wehrlos zu ergeben ... so sehr es mich auch innerlich schmerzte.
    Ich würde dieser verdammten Frau für ihre Demütigungen am liebsten so gewaltig in den Hintern treten, dass sie die nächste Woche nicht mehr sitzen konnte! Ich schwöre, sobald ich die Gelegenheit dazu habe, würde ich ihr diesen Gefallen erwidern ...
    Ohne mir weiter Beachtung zu schenken, schritt die Krankenschwester flott auf die Maschine zu und ließ mich erst wieder los, als ich mich direkt über der länglichen Pokéballliege befand.
    „Na warte ...“, knurrte ich noch etwas matt, nachdem ich plump auf dem Plastikboden gelandet war und warf ihr einen vernichtenden Blick nach oben hin zu, doch da drückte sie schon ruckartig den Boden unter meinen Füßen wie eine Schublade in das Innere der Maschine. Der unerwartete Ruck riss mich abermals von den Beinen und so landete ich mit allen vieren auf dem Boden, unfähig irgendetwas dagegen zu tun, als ich zusammen mit dieser Plastiklade in einen großen zylinderförmigen Hohlraum geschoben wurde. Mit jedem Zentimeter den wir uns bewegten, fiel immer weniger Licht durch den schmäler werdenden Spalt, bis schließlich nach einem leisen Klick die Dunkelheit völlig Überhand nahm.
    Für einen Atemzug starrte ich reglos durch diese Finsternis, die mich völlig umhüllte. Sehr unangenehme Erinnerungen kamen in mir hoch, Erinnerungen an meine kurzzeitige Blindheit während meiner Flucht vor diesem Trainer. Sachen, an die ich absolut nicht mehr denken wollte.
    „LASS MICH RAUS!“, brüllte ich schlagartig und hämmerte in der Dunkelheit mit meinem Kopf gegen das, was ich für den Ausgang hielt. Doch die einzige Antwort die ich erhielt, war das dumpfe Klopfen der Wand.
    Verdammt nochmal, was sollte das für eine Aktion werden, mich einfach so in die stockfinstere Maschine zu stopfen! Was fällt ihr ein?! War das etwa ihre Art, sich unerwünschter Patienten zu entledigen? Sie einfach in eine dunkle Zelle wegsperren?
    Nur wenig später hörte ich mit dem zwecklosen Klopfen auf und drückte nur noch meinen Schädel schnaufend gegen die Wand und lauschte meinem schweren Herzschlag, den ich bis hinauf in den Hals fühlen konnte. Zu dem Pochen in meinen Brustkorb gesellte sich kurz darauf ein leises Surren, welches ich zuvor dank meines Gehämmers nicht wahrgenommen hatte, jedoch konnte ich nicht bestimmen, woher es stammte. Nach einigen Sekunden weiterer Finsternis war ich mir aber schließlich sicher, dass es von allen Seiten gleichzeitig stammen musste. Das Surren hing über mir wie eine Smogwolke über einer Großstadt und ich hätte nichts dagegen unternehmen, abgesehen davon mir die Ohren zu stopfen. Stöhnend ließ ich von der sicheren Wand ab, als die Lärmglocke sich über meinem Kopf zu verdichten schien. Das Geräusch war bereits so intensiv, dass ich beinah das Gefühl hatte, dass ich die feine Vibration der Luft wie einen hauchdünnen Nebel vor mir sehen konnte, doch das war wohl bloß eine Illusion. Immerhin hatte ich mittlerweile meine Augen geschlossen, also war das entweder nichts als eine Einbildung oder meine Augen konnten mir auch mit geschlossenen Lidern einen Streich spielen.
    Ich schüttelte meinen Schädel heftig, so als könnte ich diesen Dunst einfach so aus meinen Augen entfernen.
    Verfluchtes Surren, noch etwas lauter und es würde bald genauso nerven, wie das Geräusch der ramponierten Straßenlaterne, bei welcher ich mich gestern Nacht ausgeruht hatte … nur mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal keine geräuschvolle Ablenkung brauchte, um mich vom Nachdenken abzuhalten.
    Ohne Erwartung, dass ich irgendetwas in dieser schwarzen Leere sehen würde, öffnete ich wieder meine Augenlider. Darum war ich umso verblüffter, als ich inmitten der Finsternis tatsächlich etwas erblickte: Kein feiner Dunst, so wie zuvor, sondern einige sehr unscheinbare, ja beinah unsichtbare Umrisse, die sich von dem Schwarz der Kammer abhoben. Verdattert blinzelte ich einige Male, bevor ich abermals meinen Kopf schüttelte und ihn gelegentlich gegen die Innenwand schlug.
    Meine verfluchten Augen, jetzt sah ich zwar nicht mehr einen imaginären Nebel, aber dafür irgendwelche schwebenden Linien! Langsam reichte es wirklich mit diesen ganzen Täuschungen ...
    Als ich meine Lider jedoch das nächste Mal wieder aufschlug, befanden sich die schwachen Schemen noch immer unverändert an ihren ursprünglichen Positionen. Auch weiteres Blinzeln änderte nichts daran, diese Umrisse waren dieses Mal keine Täuschungen, meine Augen gewöhnten sich offenbar tatsächlich an die Dunkelheit.
    Hmpf, sieht danach aus, als würden Vulpixe doch eine Art Nachtsicht besitzen … auch wenn nicht sonderlich ausgeprägt oder beeindruckend. Besonders, weil die Gewöhnung an diese nachtartigen Verhältnisse so flott vorranging wie ein Schalellos bei einem vierzig Kilometer Marathon. Es dauerte ewig, bevor sich weitere Linien aus der Finsternis hoben und sich Schritt für Schritt zu ganzen Formen zusammenschlossen. Aber immerhin konnte ich überhaupt was in der Dunkelheit ausmachen, jetzt fragte sich nur ... warum es so verdammt lang gedauert hat, bis sich diese verdammte Nachtsicht endlich eingeschaltet hat! Gestern hätte ich diese genauso gut benötigen können, vielleicht sogar um eine Spur dringender!


    Angestrengt starrte ich umher, um herauszufinden, was sich da eigentlich vor meinem Auge zusammensetzte, doch gerade als ich anfing, die ersten genaueren Details zu erkennen, wurde die vermeintliche Leere wie aus dem Nichts von einem roten Laserstrahl durchschnitten.
    „EHHH?!“, stieß ich aus meinem Mund hervor und drehte mich schützend zur Seite, um dem intensiven Licht auszuweichen. Arg, direkt in die Augen … als ob meine Augen nicht so schon genug Probleme hätten, noch so eine Aktion und ich würde tatsächlich blind werden! Was zum Hundemon sollte das nun schon wieder werden!?
    Das Surren hatte sprunghaft einen neuen Höhepunkt erreicht und erinnerte nun an den Klang einer Kontrabasssaite, über welche gemächlich mit einem Bogen gestrichen wurde.
    Blinzelnd starrte ich auf den Boden und beobachtete die grellen Lichtpunkte, die als Folge jetzt wie ein paar winzige Volbeat vor meinen Augen herumtänzelten. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Meisten von ihnen ihr letztes Licht ausgetanzt hatten und am Ende blieben nur noch ein paar einzelne Punkte als auch Linien zurück, die ich jedoch auch nach einem energischen Augenreiben nicht aus den Augen bekam.
    Ach ja ... das mussten dann diese Laserstrahlen sein, welche mir fast meine Augäpfel aus dem Kopf gebrannt hatten ... Konnte mich endlich irgendjemand oder etwas darüber aufklären, was das alles werden sollte? Warum wurde ich in irgendeine finstere Maschine gestopft, um von irgendwelchen Laserpunkten betastet zu werden? Waren ein paar Worte der Erklärung denn so viel verlangt verdammt nochmal?! Natürlich ... ich war ja nur ein verfluchtes verletztes Vulpix, wie konnte ich das vergessen, pff!
    In mir staute sich wieder Zorn an und drohte bald in einem Schreianfall auszuarten, doch ich unterdrückte den Drang für den Moment, an dem ich dieser unfähigen Krankenschwester wieder gegenüberstand. Stattdessen warf ich erstmals einen Blick über meine Schulter, um das Lichtspektakel hinter meinem Rücken zu beobachten. Tatsächlich stammten die ganzen Laserstrahlen von der Decke, doch durch den grellen Wirrwarr von roten und blauen Lichtern konnte ich kaum irgendetwas Genaueres ausmachen. Das Einzige, was ich mit großer Sicherheit sagen konnte, war, dass dieses Licht aus gleichmäßig an der Decke verteilten Löchern und Streifen stammte, deren Umrisse ich zuvor etwas in der Dunkelheit erspäht hatte.
    Geblendet wandte ich mich wieder in Richtung Boden und beobachtete, wie die Laserstreifen und Punkte sich weiter über die Kammer ausbreiteten und das braune Vulpixfell abtasteten. Es war beinah so, als wäre ich in einer Lasershow oder in einem überdimensionalen Scanner gelandet.
    Bevor ich darüber wirklich nachdenken konnte, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte, begannen die Punkte und Streifen jedoch auch schon wieder zu erlöschen, einer nach dem anderen. Finsternis kehrte in diese Kammer zurück, zusammen mit dem nun wieder dezenten Surren, das mich wie eine Fliege zu umkreisen schien.
    Okay ... ist es vorbei?
    Den Atem anhaltend drehte ich meinen Kopf langsam umher, in der stillen Befürchtung, dass dies nicht das Ende der Prozedur war. Ich konnte nicht genau sagen warum, aber mein – schmerzhaftes – Bauchgefühl hielt mich davon ab, auf sofortige Freilassung zu hoffen. Zu dem bohrenden Surren gesellte sich nun ein anderes vertrautes Geräusch dazu, nämlich das - von hier aus beinah unhörbare - Piepsen des Touchscreens. Die Krankenschwester schien wieder auf dem Schirm herum zu tippen, bis schließlich das Piepsen in ein ratterndes Geräusch überging, das irgendwie an den Laut einer Kopiermaschine oder eines Druckers erinnerte.
    In dem Moment, als in mir doch ganz dezent die Hoffnung aufkeimte, dass ich endlich ausgelassen wurde, leuchteten auf einmal mit einem leisen Klicken die kleinen Löcher an der Decke abermals auf. Dieses Mal sonderten diese aber keine scharfen Laserstrahlen ab, sondern erhellten die Kammer lediglich mit schummrigem Licht.
    Grimmig bewegte ich meinen Kopf gemächlich in die Höhe und machte ansatzweise Anstalten dazu, mich wieder auf meine Pfoten aufzurichten.
    Langsam reichte es mit diesem ganzen Surren, Klicken, Piepsen, Gurgeln, Licht an und aus …. Misstrauisch blickte ich mich in der leicht beleuchteten Kammer um, doch interessanter wurde es mit Licht auch nicht wirklich. Abgesehen von den kleinen Öffnungen an der Decke gab es außerdem am anderen Ende eine turbinenartige Einbuchtung, welche aber weder Licht absonderte, noch sich sonst irgendwie rührte.
    „Wird’s allmählich …“, knurrte ich leise und lauschte nebenbei dem langsam ansteigenden Surren, sowie dem Pochen, das durch meinen leicht schmerzenden Rücken ging. Ich hatte keine Lust auf diesen Schwachsinn, die konnten mich mit so viel Licht wie sie wollten bestrahlen und meinem Magen und Rücken würde es nicht besser gehen. Mittlerweile hatte ich die Vermutung aufgestellt, dass ich gerade in einem Art Röntgengerät steckte, welches mich nach irgendwelchen Verletzungen durchleuchtete, was aber recht sinnlos war. Man musste mich lediglich kurz anschauen, um zu kapieren, was mir eigentlich fehlte.
    In der Zwischenzeit hatte ich mich bereits mit meinen Vorderbeinen aufgerichtet ... als unerwartet noch etwas passierte.
    Dieses Mal änderte sich nichts an der Beleuchtung, die blieb so schummrig wie zuvor. Auch das Surren wurde nicht abrupt stärker und ansonsten schien alles um mich herum beim Alten zu bleiben. Alles bis auf eine Kleinigkeit …


    Ich blieb wie eingefroren in meiner halbaufgerichteten Stellung inne. Ein kalter Schauer lief über meinen Rücken und stellte mir sämtliche Fellhaare am Nacken in die Höhe.
    Das einzige was sich veränderte, war in meinem eigenen Körper. Ein fremdartiges Gefühl – wenn man es überhaupt als etwas derartiges bezeichnen konnte – erfüllte mich von den Spitzen meiner Kralle bis hinauf zu den Fellhaaren an meinen Ohren, etwas was ich in meinem ganzen Leben noch nie empfunden hatte. In diesem Moment war es mir, als spürte ich gerade jede einzelne Zelle, jede Muskelsehne, jede Hautpore, jeden Nervenstrang und jedes Organ – vom Hirn bis zu den Nieren - die meinen Körper ausmachten. Ich hörte mein Blut durch die Venen rauschen und Atemluft durch meine Lungen gleiten, begleitet von dem unermüdlichen Klopfen meines Herzens, das den Takt in meinem Körper vorgab. Es war schwer das alles irgendwie beschreiben zu versuchen. Es war wie ein Rauschzustand durch Drogen oder Alkohol, doch ohne die normalen Folgen. Es kribbelte überall an meiner Haut, doch andererseits irgendwie nicht. Schmerzen zuckten durch mein Fleisch, jedoch fühlte ich mich gleichzeitig erfrischt und entspannt. Mein Inneres drohte zugleich zu explodieren wie auch zu implodieren. Ich war mir sicher: Wenn man jemals in die Verlegenheit kommen sollte, dass einem ein dritter Arm aus dem Schädel wuchs, dann würde man höchstwahrscheinlich genau diese Sinnesempfindung fühlen.
    Während ich von diesen ungewöhnlichen Sinneseindrücken überflutet wurde, spürte ich eindeutig, wie mit jedem Herzschlag, der kürzlich neu entfachte Schmerz an meinem Rücken verschwand. Es war so, als würde ich gerade mit anfühlen, wie sich eine Wunde im Zeitraffer von selbst verschloss, bis zu dem Punkt, wo nur noch die unversehrte Haut zurück blieb. Alle meine Verletzungen, Schmerzen und blauen Flecken, die noch von der letzten Nacht übrig waren, schienen sich in atemberaubender Geschwindigkeit von selbst zu heilen.
    Und dann ... dann hatte plötzlich der Spuk ein Ende. Wo ich erst noch vor wenigen Sekundenbruchteilen das Gefühl gehabt hatte, jeden mikroskopisch kleinen Teil meines Körpers spüren zu können, fühlte ich nun nur noch meine Beine, Pfoten und alle anderen Körperteile dieser Größenordnung. Das berauschende Gefühl war ohne Vorwarnung verschwunden und ließ mich völlig nüchtern in dieser von schummrigem Licht gefüllten Kammer zurück. Noch völlig baff hielt ich weiter in meiner derzeitigen Stellung inne, während sich meine Nackenhaare langsam wieder senkten.
    Was ... zum Hundemon ... war eben gerade geschehen? Hat man mich tatsächlich unter Drogen gesetzt oder mir irgendein Gas eingeflößt, das Halluzinationen auslöst? Oder war ich in eine Art Trancezustand verfallen? Doch so sehr ich auch dafür eine logische Erklärung suchte, ich konnte keine finden. Dieser Zustand war so surreal, so unglaublich voll mit Sinneseindrücken gewesen, im Vergleich dazu fühlte sich die Realität an, wie ein unwirklicher Traum. Was auch immer mir in dieser Maschine verabreicht worden war, es hatte nicht irgendwie meine Sinne getäuscht oder gestört, sondern ins Unendliche geschärft, so unrealistisch dies auch klingen mag. Und wenn das wirklich nur die Wirkung einer Droge gewesen wäre, müsste ich jetzt erst recht jeden Teil meines Körpers – auf eine eher unangenehme und schmerzhafte Art – spüren, oder? Dem war jedoch nicht so, dafür war mir, als hätte man mir mein altes und verletztes Fleisch von den Knochen gekratzt und gegen ein neues und Energie geladenes ausgetauscht. Keine Schmerzen zuckten mehr durch meinen Rücken, kein blauer Fleck drückte unangenehm auf der Haut und kein ach so kleines Kribbeln ging durch meine Hinterpfote. Nur eine klitzekleine Kleinigkeit blieb unverändert …


    „Urg ... Mein Magen …“, fluchte ich leise und schlug aufs Stichwort mit meiner Stirn gegen die Wand, als mein Bauch wieder ein Schmerzenszeichen von sich gab. So genesen wie ich mich auch fühlte, meine Magenkrämpfe schien diese Wiedergeburt völlig kaltgelassen zu haben. Nun wo ich sonst keine anderen Beschwerden mehr hatte, beanspruchten meine Bauchschmerzen die ganze Aufmerksamkeit für sich selbst und bohrten provokativ in meinem Magen herum. Zwar waren diese nicht so gravierend und schmerzhaft wie anfangs, doch das änderte nichts daran, dass sie mir unglaublich auf den Keks gingen. Beinah wünschte ich mir, dass diese seltsame Maschine wieder angeworfen wurde, damit mich dieser Rauschzustand von meinen Magenschmerzen ablenkte, als unerwartet der Boden unter mir abermals in Bewegung kam. Richtiges Licht strömte durch den größer werdenden Spalt und löste die schummrige Beleuchtung endgültig ab. Das Nächste, was ich auf der anderen Seite der Plastikschublade erblickte, war die blonde Pokémon-Krankenschwester, die mich aus der Maschine zog und gleichzeitig einige bedruckte Zettel zu überfliegen schien, die sie in ihrer anderen Hand festhielt.
    „ … Hormonbeschleunigung … Drei weitere Diagnosen ... hm ... eine Fehlermeldung“, murmelte sie leise, als sie schließlich mein „Gefängnis“ bis zum Anschlag hinausgezogen hatte, ohne mir einen Funken Aufmerksamkeit zu schenken. Keine Ahnung was sie da gerade vor sich hin faselte, aber das war für mich jetzt ohnehin nicht relevant.
    Leise knurrend vollendete ich endlich meinen Aufstehversuch und stand wenig später wieder standhaft auf meinen vier Pfoten.
    Diese Frau da oben würde bald erfahren, dass sie sich keinen Gefallen damit getan hatte, mich körperlich zu heilen. Jetzt, wo mich lediglich noch diese lächerlichen Krämpfe belästigten, gab es keinen Grund mehr, dass ich mich zurückhalten musste. Dieses Mal hatte sie kein leichtes Opfer vor sich, sondern eine widerspenstige Kämpferin.
    [tab=Wort zum Freitag]
    //edit: Dieser Abschnitt wurde nachträglich von Kapitel 8 getrennt
    Tja, dieses Mal hab ich nicht ganz innerhalb der 3 Wochen Deadline geschafft … naja, gibt’s dafür stattdessen wieder ein „Wort zum Freitag“ xD
    Eigentlich sollte das der letzte Part für Kapitel 7 werden, aber letztlich hat es sich viel zu sehr in die breite gezogen, als das ich es innerhalb von 3 Wochen hätte fertig bekommen können bzw. wäre das einfach eine zu große Textwand geworden. Aber der nächste Part sollte das Kapitel wirklich abschließen.
    Text ist dieses Mal gleich von Snake beta gelesen worden, wieder einmal vielen Dank für ihre Mühen^^


    Jens: Sieht so aus, dass ich abwechselnd in deinem Gästebuch und direkt hier auf deine Kommentar antworte xD Also wieder vielen Dank für dein positives Kommentar, hat mich wieder sehr gefreut zu lesen.
    Die eine Szene mit den Pokémon im Warteraum habe ich jetzt schon seit gut seit zwei Jahr vorgehabt, weiß also nicht mehr, ob vielleicht wirklich ein Arztbesuch bei mir der Anstoß dazu war. Bin deswegen aber umso glücklicher, dass die ganze Situation scheinbar ganz gut rübergekommen ist^^
    Weiß nicht wie viel ich zu der Sache mit dem Trainerpass sagen soll, ohne irgendetwas zu verraten. Ich sag mal so, du denkst gar nicht mal so in die richtige Richtung^^



    Damit viel Spaß mit dem fünften Teil von Kapitel 7 8^_^

  • Viel Text ist da zusammengekommen, und wie du bereits gesagt hast, wäre es wohl noch mehr geworden, hättest du an dieser Stelle nicht das Kapitel gekappt. Obwohl es vergleichsweise ein großes Kapitel ist, begrenzt sich die Handlung auf wenigen Fortschritt. Der Fokus liegt überwiegend auf die Fülle der Eindrücke, die vermittelt werden. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass du dir außerordentlich viel Mühe gegeben hast. Jeden noch so kleine Eindruck beschreibst du hier penibel bis ins kleinste Detail, wobei du selten von dir zu hörendes, treffendes Vokabular einsetzt. Finde ich sehr schön.


    Wenn man die Welt nicht gerade aus einem derart zynischen Blickwinkel wie den deiner Protagonistin betrachtet, ist eigentlich klar, welchen Ausgang diese maschninelle Prozedur nehmen soll, inmitten sie sich befindet. Persönlich könnte ich es wohl damit vergleichen, wie es aus fast mikroskopischer Sicht einem im Inneren eines PC's vorkommen müsste. Der Genesungsrausch ist meiner Meinung der beste Teil. Es mit einem Drogentrip gleichzusetzen, finde ich überaus treffend. Es ist wohl mit keinem realen Gefühl dieser Welt vergleichbar, wenn einem von einem auf den anderen Augenblick jede Last, jede Pein aus allen Poren gepresst wird. Unglaublich stimmulierend und doch unheimlich. Du hast dir diesbezüglich offenbar wahnsinnige Mühe gegeben. Ob da die ein oder andere Zukunfsfiktion (Science-Fiction-Film) einen Einfluss geübt hat?


    Wenig überraschend fand ich die Gedankengänge eines Fluchtversuchs vor und auch nach der Prozedur. Dass ein Entkommen mit derartigen Handicaps aussichtslos wäre, leuchtete ihr ein, auch wenn der Ego darunter offensichtlich litt. Danach aber ... Ja, das kam wenig unerwartet. Und so stellte ich es mir auch vor. Widerspenstig und wenig dankbar für die Genesung. Doch irgendwie ... irgendwie glaube ich, dass deine Protagonistin ihre Chancen überschätzt und gleichzeitig die ihr entgegengesetzten Erfahrungen der Krankenschwester unterschätzt. Ich schätze, es wird eine kurze Flucht.