*Pflicht und Ehre*

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • Weit und breit kein Komi? Das muss ich schleunigst ändern : D
    Sorry, dass ich so lange kein Komentar mehr abgegeben habe... hab dafür für die 5 Tage die ich wieder weg war, alles ausgedruckt und nachgelesen : D
    Also dann das Komi:


    Fehler: 35 Seiten gelesen, nur zwei Fehler entdeckt. Eigentlich nicht wirklich erwähnenswert, aber damit ich hier wenigstens etwas habe, womit du (vielleicht) was anfangen kannst...


    Zitat

    Zwei Pokémontrainer, beziehungsweise deren Pokémon, schlugen sich just in dem Moment die Köpfe ein, als Stan und ich das Gelände verließen.


    Keine Ahnung ob es beabsichtigt war, hier ein Wörtchen auf Englisch zu schreiben. (hier


    Zitat

    Doch war waren seine Absichten?


    Ist mir einfach ins Gesicht gesprungen. Nur ein kleiner Tippfehler^^ (hier)



    So jetzt kommen wir zu meinem Lieblingsteil; dem Inhalt:


    Hm, also ich fasse mal alles ab Kapitel 6 zusammen. Also ich kann dir sagen, ich war die ganzen 35 Seiten total unterhalten :D
    Als Erstes hab ich mir gedacht: "Schon wieder ein Pokemoncenter? Ein Wiederholung" Aber was du da alles raus gebracht hast war wirklich köstlich. Sheinux (erneute) Mülltonnen Aktionen, Schienbeintritte (und Stans erfolglose Entschuldigungen), die Foltermaschine Badewanne (offensichtlich einer von Sheinux Schwächen, der Kleine hat mir schon richtig Leid getan) und Mike, Tom und Felix Reiseziele (Ich fand interessant die ganzen Orte die es in der Pokemonwelt gibt mal zu erwähnen)
    Besonders musste ich aber bei der Stelle ziemlich grinsen

    Zitat

    „Ich werde wohl einige Zeit lang in Fleetburg bleiben. Hoffentlich ist die Bibliothek überhaupt wieder zugänglich. Vor kurzem soll ein vierbeiniges Ungeheuer ein ganzes Stockwerk zerlegt haben... Es stand doch dick und fett in jeder Zeitung...“, stöhnte er, als er unsere fragenden Blicke bemerkte.


    Jedenfalls hab ich auch einen weiteren Lieblings Charakter bei deiner Story: Feurigel! Ich musste echt lachen, als Stan das Pokemon wieder aus dem Pokeball lies und es noch immer weiter pennte. Hilarious : D Erinnert mich an mein Glumanda beim Bisafans RPG. Ist genau so schläfrig drauf.
    Aber aus Oliviana City hättest du theoretisch noch mehr machen können, vielleicht irgendetwas, bevor Sheinux fast überfahren worden ist. Ich meine dort haben wir den Leuchtturm oder ein Restorant... aber ist deine Entscheidung. Das du Oliviana City als Großstadt beschreiben finde ich ok. Ich halte mich auch nicht wirklich an die Beschreibungen der Städte aus der Anime oder dem Spiel (Spiel eher noch). Künstlerische Freiheit eben.
    So und jetzt sind die beiden unterwegs nach Hoenn, ich glaub jetzt haben wir bereits jede Region (außer die ganz Issun Region) wenigstens kurz betreten XD
    Pokemon sind am Tisch verboten, Sheinux Flüchtet vor den ganzen Kindern (ich kenn jemand der das gut nachvollziehen kann), Stan steht die ganze Zeit im Spielkasino und verplempert sein ganzes Geld und nun dürfen Sheinux und Feurigel ein Tunier gewinnen, damit sie wieder genug Kohle zum Essen kaufen haben. Ich habs ziemlich ärgerlich gefunden, als bei mir die Letzte Seite mit "Etwas... Nun, seht selbst." aufgehört hat. Ich hab eher darauf spekuliert das der Gegner einen Kollaps erleidet und deswegen Stan und Sheinux gleich eins weiter rücken. Deswegen hat es mich eher überrascht, das Feurigel ins Spiel gekommen ist und gezeigt hat, was es drauf hat. Respekt :D


    So ich glaub das war mal alles. "Kritik" kann ich dir wiedermal keine vernünftig geben, ich hoffe aber trotzdem du kannst etwas mit diesem Komi anfangen. Ich werde versuchen, wieder regelmäßiger zu Kommentieren (jedenfalls bei einem vollem Kapitel). Ich hab halt nur manchmal etwas Probleme mit deinem Schreibtempo mit zu halten^^" Außerdem bekomme ich wenn ich hier lese, immer selbst Lust weiter zu schreiben : D
    Naja, dann kann ich nur sagen, sehr gelungenen Kapitel!


    mfg Blackdraco



    Ps: Sehe du bietest PN-Benachrichtigung. Könntest du mich bitte immer Benachrichtigen, wenn du ein ganzen Kapitel On gestellt hast (also alle Teile) Wäre nett^^

  • Part 4: Schwalboss' Höhenflug


    Stan schien durch seinen Sieg wie ausgewechselt zu sein. Nahezu nichts erinnerte mehr an den schüchternen und nervösen Jungen, der noch heute Morgen rege an der Verwüstung des Speisesaals beteiligt war. Auch Feurigel war nicht mehr das Pokémon, wie ich es kannte. Eine Kampfmaschine. Gefährlich und völlig unberechenbar. Nicht mehr der kleine, müde und stets hungrige Zeitgenosse, wie ich ihn noch in Erinnerung hatte.
    Das Publikum stand jubelnd und grölend auf den Beinen und schien Stan bereits als Sieger des Wettbewerbs zu feiern.
    „Meine Damen und Herren. Der Sieger des zweiten Wettbewerbs: Stan Leonheart aus Azalea City mit seinem Pokémon, Feurigel“, tönten die Worte durch die Jubelrufe, die von der Tribüne kamen, hindurch. „Ich darf aber auch noch einmal um einen kräftigen Applaus für seinen tapferen und unerschrockenen Gegner bitten: Colin Knox aus Laubwechselfeld, verehrtes Publikum.“
    Er deutete zu Colin, zu seiner Rechten.


    Colin sandte, sichtlich deprimiert und unter dem höfflichen, wenn auch nicht ganz so kräftigen Beifall wie bei Stan, seinen bewusstlosen Kampfgefährten wieder zurück in seinen Pokéball und verließ mit leicht glasigen Augen den Kampfring.
    Und ich...? Was in mir vorging? Ich weiß nicht, ob einfache Worte das beschreiben können, was mir in jenem Moment durch den Kopf ging. Missverstanden und verwirrt. Hass und Eifersucht loderten in mir und drohten mich innerlich bei lebendigen Leibe aufzufressen.
    Das waren wohl die Worte, die meinen Gefühlszustand am einfachsten beschrieben. Warum hatte Stan Feurigel und nicht mich in den Kampf geschickt? Wieso ihn und nicht mich? Was hatte er, was ich nicht hatte?
    Ich blickte melancholisch an den langen Beinen, dem schmalen Oberkörper, bis hin zu den glücklichen und erleichterten Gesichtszügen des Gesichts meines Trainers hinauf, als wir den Kampfring verließen. Es musste etwas geben. Etwas, warum seine Wahl Feurigel und nicht mich traf. Nur was?


    Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Wie konnte ich nur so blind sein? Es lag doch auf der Hand: Er wollte sich meine Stärke für die späteren Kämpfe aufheben. Seine Trumpfkarte, spielt man natürlich erst am Ende aus.
    Von dieser Erkenntnis bestärkt, schwamm ich förmlich auf einer Woge des puren Glücks gebettet. Stan, das hieß, wir hatten gewonnen und uns unseren Weg eindrucksvoll in die nächste Runde gesichert. Auch ich konnte nun nicht anders und grinste breit in die Runde, während wir zielsicher auf die Bank mit den übrig gebliebenen Teilnehmern zusteuerten.


    Stan ließ sich wieder neben Phil O’Brien, unseren Gegner im Halbfinale, nieder. Ich nahm zu Stans linken Platz und ließ es mir nicht nehmen, mich als Sieger dieses Kampfes, ordentlich breit zu machen. Genüsslich reckte ich mich in die Länge und gähnte ausgiebig. Noch ein kleines Schläfchen vor dem großen Kampf. Ich wollte schließlich in Topform sein.
    „Gute Arbeit!“, lobte Phil Stan und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Ich sagte doch, es geht ganz wie von alleine, wenn man erst einmal draußen ist.“
    „Äh... Ja...“
    Huch? Was war das? Hatte ich mich etwa gerade verhört? Nein, das musste ein Scherz sein.
    Trotz meiner schweren Augenlider konnte ich nicht anders und zwang mich dazu, einen kurzen Blick auf Stan zu riskieren. Mich davon zu überzeugen, dass mir nur meine Müdigkeit eben einen Streich gespielt hatte.
    Langsam wanderten meine müden Augen an Stans Körper hinauf. Gleich hatten sie sein Gesicht erreicht. Da war es...
    Rums! Meine Stirn knallte demonstrativ auf die harte Bank herab. Heftiger Schmerz durchflutete schlagartig meinen Kopf, doch es war mir in diesem Moment völlig gleichgültig.
    Stan, noch vor wenigen Minuten auf Mülltonne Sieben schwebend, hatte es binnen weniger Sekunden geschafft, sämtliches, seines neu gewonnenen Selbstvertrauen zu verlieren und war wieder auf ein kümmerliches Häufchen, dass verunsichert die Krümel auf dem Boden zählte, zusammengeschrumpelt.
    Nein, fragt mich bitte nicht. Hört mich auf zu quälen. Ich weiß auch nicht, wieso, weshalb oder warum...


    „Hoch verehrtes Publikum“, riss mich die vertraute Stimme des Kampfkommentators aus meinen Frustgedanken. „Kommen wir nun zu unserem dritten Kampf, der ersten Runde. Ich freue mich, Ihnen diese beiden jungen Trainer vorzustellen: Eric Anderson aus Ebenholz City...“
    Eric Anderson, am anderen Ende der Bank, erhob sich. Er wirkte noch wesentlich angespannter, als zu dem Zeitpunkt, an dem er seinen Namen aus der Box ziehen musste. Er steuerte, unter dem Beifall und Jubelrufen von der Tribüne, den rechten Platz des Kampfrings an.
    „...und seine Gegnerin: Cecilia Murdock aus Teak City.“
    Ein farbiges Mädchen, mit einem schwarzen, hüftlangen Zopf, erhob sich zwei Plätze von Stan entfernt von der Bank und nahm, unter nicht weniger Applaus, den Platz gegenüber von Eric ein.
    „Trainer: Ring frei!“


    Abermals spürte ich, wie sich mein Interesse an den Geschehnissen um mich herum verflüchtigte. Eine Welle der Müdigkeit überkam mich und riss mich binnen weniger Augenblicke in den Schlaf. Nur flüchtig konnte ich Sätze wie „Autsch, das muss weh getan haben...“, oder „Die Kämpfer schenken sich wirklich nichts...“ und das stellenweise Aufstöhnen des Publikums während kurzen Wachphasen aufschnappen. Es interessierte mich reichlich wenig, wer gewann. Wenn überhaupt konnte nur Ray und Voltenso mit uns Schritt halten. Alle andere waren eh nur kleine Fische.


    „...freue ich mich, Ihnen die Gewinnerin des dritten Kampfes der ersten Runde bekannt zu geben: Cecilia Murdock mit ihrem Waaty und Smettbo aus Azalea City. Applaus!“
    „Hurra...“, murrte ich tonlos und drehte mich gelangweilt auf die andere Seite.
    Als ob sich überhaupt irgendjemand dafür interessierte, wer in den Vorrunden triumphierte. Einzig und allein das Finale zählte...
    „Kommen wir nun zu unserem vierten und letzten Kampf der ersten Runde: Zhana Mic aus Moosbach City...“
    Ein Mädchen mit langem, strohblondem Haar und saphirfarbenen blauen Augen erhob sich von der Teilnehmerbank. Von allen Teilnehmern schien sie die Älteste zu sein. Sie warf einen kurzen Blick in Richtung der Teilnehmerbank zurück. Genau genommen: in Rays Richtung. In ihrem rasiermesserscharfen Blick lag etwas bedrohliches, schon fast furchterregendes. Als ob sie sich jeden Moment wie ein Raubvogel auf ihre wehrlose Beute stürzen würde. Oder versuchte sie vielleicht einfach nur, ihre Furcht durch ihre bitterböse Grimasse zu verbergen? Wusste sie vielleicht schon, was in wenigen Augenblicke auf sie zukam? Falls dem so war, wusste sie wirklich, ihre wahren Gefühle zu verbergen.


    Zhana nahm ihren Platz, unter den Pfiffen und Jubelrufen des Publikums, auf dem linken, äußeren Kampfring ein.
    „... und unseren achten und letzten Teilnehmer: Ray Valentine aus Malvenfroh City!“, rief die Stimme des Ringrichters in die Menge.
    Auch Ray erhob sich von der Teilnehmerbank. Lässig schlenderte er zielsicher auf die gegenüberliegende Seite des Kampfrings zu. Es blieb mir nicht verborgen, dass von allen Teilnehmern, Ray den meisten Beifall bekam. Seinen gestrigen, triumphalen Kampf auf dem Achterdeck, musste bei vielen Zuschauern einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Er war wohl so etwas, was man einen Topfavoriten nennen musste.


    Ray lächelte seiner Kontrahentin charmant entgegen. Zhana war scheinbar jedoch nicht für Späße auferlegt und verzog keine Miene und starrte ihrem Gegenüber weiterhin völlig unbeeindruckt, mit ihrem vernichtenden Blick, an.
    Nennt es Instinkt, ich wusste einfach, dass mit Zhana nicht gut Kirschen essen war. Sie machte den Eindruck, als wollte sie dieses Turnier um jeden Preis gewinnen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Obwohl ich sie und ihre Pokémon noch nicht kämpfen gesehen hatte, wusste ich, dass sie es zumindest ansatzweise mit Ray und Voltenso aufnehmen konnte.


    „Trainer: Ring frei!“
    „Schwalboss, los!“, rief Zhana im selben Moment und schleuderte ihren Pokéball in den Kampfring. Im Gegensatz zu ihrem hübschen, blonden Haar, war ihre Stimme eher rau und dunkel; nicht weniger unheilbringend wie ihr Blick.
    In der Luft auf ihrer Seite des Ringes, materialisierte sich ein Raubvogelähnliches Pokémon mit gigantischer Flügelspannweite. Selbst aus dieser großen Distanz, konnte ich die starken Luftschwingen spüren, die von Schwalboss’ kräftigen Schwingen ausgingen.
    Wenn man von der bläulichen Farbe seines Gefieders absah, waren Zhana und ihr Pokémon wie aus dem selben Stoff genäht: Stechend scharfe Augen, ein absolut unbarmherziger Blick und Krallen, die scheinbar selbst den härtesten Stein zum zerbersten bringen würden.
    Zum ersten Mal war Rays Gelassenheit wie aus seinem Gesicht gefegt. Ihm war wohl inzwischen auch klar, wie gefährlich seine Gegnerin war. Der Kampf versprach spannend zu werden.


    „Stollrak, du bist dran!“, rief Ray, tat es seiner Gegnerin gleich und warf einen Pokéball in den Kampring. Auf seiner Spielfeldseite erschien eine Art... Nun, ich würde es schlichtweg als “gepanzerte Riesenechse“ bezeichnen. Stollraks Rückenpanzer war mit metallisch, silberfarbenen und scheinbar äußerst scharfkantigen Schuppen bestückt. Eine offenbar unzerstörbare, silberfarbene Schädelplatte zierte seinen Kopf und machte ihn frontal schier unangreifbar. Sein restlicher Körperaufbau hingegen schien aus blankem Granit gemeißelt zu sein. Ein wandelndes Bollwerk. Uneinnehmbar und gefährlich.
    Ich wusste nicht warum, aber meine Interesse für den Ausgang dieses Kampfes hatte sich mit dem Eintreffen von Stollrak noch einmal verdoppelt. Niemals zuvor hegte ich solche Interesse an einem Kampf anderer. Damals, zu meiner Zeit als unangefochtener Revierherrscher des westlichen Nationalparks, hatte ich selbst die erbittersten Auseinandersetzungen von anderen Bewohnern meiner Heimat einfach nur links liegen lassen. Doch dies hier, war kein normaler Kampf. Man konnte die Spannung förmlich fühlen, die hier, im Raum 002 in der Luft lag. Dem scheinbar niemals schweigsamen Ringrichter fehlten wohl zum ersten Mal in seinem Leben die Worte und selbst das grölende und jubelnde Publikums, war völlig verstummt.
    Nun gab es nur noch die Teilnehmer im Ring. Die grenzenlose Freiheit des Himmels traf auf die unbändige Gewalt einer wandelnden Festung.


    „Schwalboss, zeig es ihm!“, rief Zhana und reckte ihren Arm in die Höhe. „Angriff aus der Luft!“
    Schwalboss’ mächtige Schwingen schlugen kräftig auf und ab, erfüllten den ganzen Raum mit einer sanften, kühlen Brise und trugen ihn stetig und anmutig in die Höhe. Im Kampfring schien alles, was nicht niet- und nagelfest irgendwo befestigt war, augenblicklich von den Böen der kräftigen Flügelschläge fortgerissen zu werden. Tatsächlich musste sich Ray seine rücklings aufgezogene Schirmkappe gegen seinen Kopf pressen, damit diese nicht sofort von dem böigen Wind fortgeweht wurde. Stollrak stand dagegen völlig unbeeindruckt an seinem Platz. Sein mäßiger Körper schien gegen die heftigen Windstöße völlig immun zu sein.


    Schwalboss stieg derweil immer höher. Schon fast erreichte er die Decke des kuppelförmigen Raums, als er schließlich seinen Aufstieg beendete. Man glaubte schon fast, er würde förmlich in der Luft schweben, als er plötzlich, mit wahnwitziger Geschwindigkeit, zum Sturzflug ansetzte. Mit weit ausgestreckten Krallen, seine scharfen Augen fest auf Stollrak gerichtet, näherte er sich seiner unbeweglichen, und scheinbar wehrlosen Beute, am Boden.
    „Los schnell! Eisenabwehr“, brüllte Ray seinem Pokémon zu. Etwas angsterfülltes, was im Grunde überhaupt nicht zu seiner lockeren und lässigen Art passte, lag in seiner Stimme.
    Noch bevor Schwalboss seine Krallen in den dicken Panzer seines Gegners schlagen konnte, blitzte Stollraks gesamter Körper in einem gleißenden Licht auf. Was auch immer er soeben getan hatte: Schwalboss’ unheilbringende, rasiermesserscharfen Krallen prallten wie Papierkügelchen an dem schuppigen Körper Stollraks ab. Etwas benommen schwankte der, noch vor wenigen Sekunden so anmutig fliegende Vogel, in der Luft.
    „Jetzt Stollrak! Kopfnuss!“, rief Ray.
    „Wieder in die Luft!“, ertönte Zhanas barsch klingende Stimme von der anderen Spielfeldseite aus.
    Das Publikum stöhnte auf.
    Der silbrigfarbene Schein hatte den Körper der Panzerechse verlassen. Er wandte sich der, über sich fliegenden, benommen wirkenden Gestalt seines Gegners zu. Stollraks kräftige Beine stießen sich von der Kampffläche ab und trugen seinen schweren, gepanzerten Körper in die Luft; genau in Schwalboss’ Richtung. Doch noch ehe sein schildförmiger Kopf sein Ziel erreichte, hatte sein gefiederter Gegner wieder, für ihn unerreichbare Höhen, erreicht. Der Boden erzitterte, als Stollrak wieder sicher auf dem Boden landete.


    Schwalboss’ Schwingen trugen ihn derweil immer weiter in die Höhen, bis er schließlich einen knappen Meter unter der Decke seine kreisförmigen Bahnen zog. Selbst aus dieser großen Distanz konnte ich deutlich erkennen, dass seine beiden Augen wieder die sich unter ihm befindende Gestalt seines Gegners fixiert hatten.
    „Los Schwalboss! Setz Stahlflügel ein!“, brüllte Zhana ihrem Pokémon in die Höhe.
    „Wieder Eisenabwehr und anschließend Kopfnuss“, befahl Ray.
    Ob nun Schwalboss’ Flügel, oder Stollraks Körper heller leuchtete, konnte ich nur mutmaßen. Jedoch schien Stollrak abermals den Angriff seines Gegners erfolgreich abgewehrt zu haben. Die scheinbar plötzlich bleischweren Flügel, hinterließen auf dem schuppigen Panzer seines Gegners nicht einmal einen Kratzer.
    Ein weiteres Mal konnte sich Schwalboss in die rettenden Lüfte erheben und dem Schädel der wütenden Bestie entgehen. Langsam stieg er in die, für Stollrak unerreichbaren Höhen, hinauf.


    Schwalboss war stark, ohne Zweifel, doch er war scheinbar kein Gegner für das unüberwindbare Schuppenkleid von Stollrak. Aber was diesen an Defensive ausmachte, wurde durch seine Trägheit zum größten Manko. Offenbar konnte niemand diesen Kampf gewinnen. Zumindest, bis bei einem der beiden Kämpfenden die Luft ausging. Ray sah das offensichtlich genauso.
    „Keine Angst Stollrak. Schwalboss ist zwar schnell, aber er kann dir trotzdem nicht das Wasser reichen.“
    „Oh, glaubst du?“, ertönte Zhanas raue Stimme von der gegenüberliegenden Seite. „Halt besser deine schicke Mütze fest, Kleiner.“
    Etwas lag an Zhanas Stimme, dass mir überhaupt nicht gefiel. Sie schien für ihre Verhältnisse merkwürdig optimistisch zu sein. Ja, fast schon siegessicher. Sie grinste Ray höhnisch entgegen und zeigte ihm dabei ihre makellosen, weißen Zähne.
    Ray blickte auf. Man merkte ihm deutlich an, dass er sich seiner Sache plötzlich nicht mehr sicher war.


    „Schwalboss, beende den Kampf. Runter und Wirbelwind!“
    Auf Zhanas Geheiß, setzte Schwalboss schlagartig ein weiteres Mal zum Sturzflug an.
    „Stollrak, wieder Eisenabwehr!“, rief Ray. Ihm stand der Angstschweiß auf der Stirn.
    „Das rettet dich auch nicht! Los Schwalboss! Feg ihn vom Kampfplatz!“
    Schwallboss bremste schlagartig in der Luft, einige Meter von dem harten Boden, ab und begann so heftig mit seinen kräftigen Schwingen zu schlagen, dass sich um Stollrak ein kleiner, rotierender Wirbelsturm bildete, der die hilflose Panzerechse sofort völlig gefangen nahm. Stollraks Beine begannen sich plötzlich langsam vom Boden zu lösen, während Schwalboss, mit wilden Flügelschlägen, den Orkan weiterhin mit Stärke speiste. Ray hatte sich inzwischen bäuchlings auf den Boden geworfen und musste sich tatsächlich, wie es Zhana ihm prophezeit hatte, sein Cappi festhalten. Verzweifelt blicke er zu seinem Partner in den Kampfring hinüber, der inzwischen hilflos zappelnd im Wirbelsturm kreiste.
    „Raus mit ihm!“, befahl Zhana.
    Mit einem letzten, kräftigen Flügelschlag verflüchtigte sich der Tornado in alle Winde. Stollrak, der zu diesem Moment noch immer in den Fängen des Sturms gefangen war, wurde durch die letzte Böe aus dem Ring, über Rays Körper hinweg, gegen die hinter ihm gelegene Wand geschleudert.
    Der ganze Raum erzitterte, als Stollraks kräftiger Torso gegen die steinerne Blockkade prallte und auf den Boden klatschte. Der Putz bröselte von der Wand auf die regungslose Gestalt Stollraks hinab und bedeckte ihn seinen schuppigen Panzer mit einer feinen, weißen Schicht.


    „Stollrak hat den Ring verlassen und kann nicht mehr weiterkämpfen. Damit geht die erste Runde an Zhana Mic aus Moosbach City und ihrem Schwalboss“, ertönte die Stimme des, über den ganzen Kampf hinweg, schweigsamen Ringrichters.
    Das Publikum tobte vor Begeisterung.
    Mir stockte der Atem. Mein Herz raste förmlich vor Aufregung. Ray saß in der Klemme. Zwar hatte ich damit gerechnet, dass ihm Zhana einen äußerst schweren Kampf liefern würde, aber das sie ihn so in die Schranken weißen würde, damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet.
    Mit fassungsloser Miene rief Ray die bewusstlose Gestalt Stollraks zurück in seinen Pokéball. Er warf seiner hämisch grinsenden Gegnerin einen panischen Blick zu. Sie zuckte nur lässig mit den Schultern, als wollte sie „Schau nicht so. Ich hab es dir doch gesagt, Jungchen,“, sagen.
    Ray hatte sich derweil wieder auf seinem Platz aufgebaut. In seiner Handfläche lag inzwischen ein weiterer, kreisrunder Pokéball, auf dessen blanke Oberfläche sein Blick ruhte. Schwalboss stand inzwischen mit seinen kräftig schlagenden Schwingen, zirka einen guten Meter vom Boden entfernt nahezu schwebend in der Luft.
    „Mit Spannung erwarten wir nun, welches seiner verbliebenen Pokémon unser junger Trainer aus Malvenfroh City gegen Zhanas mächtiges Schwalboss einsetzen wird“, schallte die Stimme des Ringrichters durch den Raum. „Ich glaube... Ja, Ray scheint seine Wahl bereits getroffen zu haben.“
    Ich war mir absolut sicher: Es gab nur ein Pokémon, welches es mit Schwalboss aufnehmen konnte. Ja, zweifelsohne. Nun musste Ray seine Trumpfkarte ausspielen.
    „Voltenso, befrei den Himmel von dieser Schmeißfliege! Los!“, brüllte er und schleuderte den Pokéball, den er die ganze Zeit über in seiner rechten Hand gehalten hatte, in den Kampfring.


    Natürlich war es für mich absolut keine Überraschung, als sich tatsächlich Voltensos Gestalt auf Rays Seite des Rings materialisierte. Sein struppiges, blaugelbes Fell knisterte vor energiegeladener Elektrizität. Seine scharlachroten Augen trafen die Gestalt Schwalboss’. Er fletschte angriffslustig die Zähne.
    „Voltenso hat den Ring betreten. Ring frei!“
    „Du hast keine Chance, du mickriger Wurm“, feixte Schwalboss seinem neuen Gegner entgegen. In dem Klang seiner Stimme lag der gleiche siegessichere Unterton, wie in der seiner Trainerin.
    Voltenso grinste gehässig.
    „Schwalboss, wieder ab in die Lüfte und Sturzflug“, befahl Zhana ihrem Pokémon.
    „Feg dieses Vögelchen vom Himmel, Voltenso!“, rief Ray und deutete auf die langsam steigende Gestalt des blauen Vogelpokémons.


    Wie um alles in der Welt, wusste ich nicht. Voltenso hatte es irgendwie geschafft, in dem Bruchteil einer Sekunde, Schwallboss mit einem blitzartigen Sprung buchwörtlich auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Seine Zähne schlugen sich im freien Flug in den muskulösen, federbespickten Hals seines Gegners und riss die Gestalt Schwalboss’ ruckartig auf den harten Boden hinunter.
    Zhana stieß einen spitzen Schrei aus, doch es war zu spät. Voltenso hielt seine wehrlos zappelnde Beute fest zwischen seinem kräftigen Kiefer gefangen.
    „Funkensprung, los!“, brüllte Ray.
    Zhanas Pokémon wurde sofort in einen knisternden, energiegeladenen Schein gefangen genommen. Schwalboss versuchte flügelschlagend dem Elektroangriff seines Gegners irgendwie zu entkommen, doch nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei. Seiner Flügel fielen kraftlos auf den Boden hinab.
    „Schwalboss kann nicht mehr weiterkämpfen. Ray Valentine und Voltenso gewinnen diese Runde!“, rief der ungläubig klingende Schiedsrichter in sein Mikrophon. Auch das Publikum schien völlig fassungslos über diesen Sieg zu sein. Man konnte förmlich jede Feder im Raum hören hören, die langsam in Richtung der Erde segelte.


    Mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Voltenso hatte den Kampf in weniger als zwanzig Sekunden für sich entschieden und Schwalboss war alles andere als ein leichter Gegner gewesen. Voltenso war noch gefährlicher, als ich es mir vorgestellt hatte.
    Voltensos Blick wanderte langsam durch den Raum, bis er schließlich mir direkt in die Augen sah. Er kräuselte seine Lippen zu einem gehässigen Lachen.

  • Kapitel 12: Ring frei zur Runde zwei



    Part 1: Der Weg in die nächste Runde


    Muss ich euch hier eigentlich noch großartig schildern, wie der weitere Kampf ausging? Hatte es eigentlich überhaupt jemals zur Debatte gestanden, dass Ray diesen Kampf nicht gewinnen konnte? Nein, ich glaube kaum... Auch wenn er kurzzeitig etwas in Bedrängnis zu sein schien, hatte Zhana jedoch nie den Hauch einer Chance gehabt, siegreich aus dem Kampf hervor zu gehen. Nicht solange Voltenso felsenfest an Rays Seite stand.

    In Ordnung. Genug der vielen Worte. Fassen wir es kurz und bündig zusammen: Zhana schickte nach Schwalboss’ Absturz ein weiteres ihrer Vogelpokémon in den Kampfring, mit dem Voltenso, nicht weniger spektakulär, den Boden aufwusch. Die junge Trainerin aus Moosbach City verließ, das heißt, sie floh, das verweinte Gesicht in ihren Händen verborgen, Hals über Kopf aus dem Raum. Sie konnte einem wirklich leid tun, doch hätte sie sich einfach nicht mit Ray und Voltenso anlegen sollen. Die beiden spielten in einer weitaus höheren Liga, als ihre Vogelpokémon jemals erreichen konnten.

    „Verehrtes Publikum...“, tönte die Stimme des Ringrichters durch den Raum 002. Zhana hatte inzwischen die schwere Tür hinter sich zugeschlagen und den Raum unter eifrigem Getuschel der Zuschauer verlassen. „... Ich freue mich Ihnen den Sieger vorzustellen: Ray Valentine aus Malvenfroh City mit seinem Pokémon, Voltenso. Ich möchte für Applaus für diesen einmaligen, spektakulären Sieg bitten.“
    Das Gemurmel des Publikums erstarb. Explosionsartig war die Tribüne auf den Beinen und der ganze Raum mit Geklatsche, Pfiffen und Jubelrufen erfüllt. Voltenso, der mich die ganze Zeit über mit seinen furchterregenden, scharlachroten Augen ansah, hatte sich inzwischen wieder, aus Geheiß seines Trainers, in seinem Pokéball eingefunden. Ray schien mit dem Ausgang des Kampfes nicht wirklich zufrieden zu sein und nahm den Sieg recht gleichgültig hin. Ausdruckslos schlurfte er zur Teilnehmerbank zurück.
    Zumindest für mich war es kein Geheimnis, warum er seinen Triumph nicht richtig genießen konnte: Voltenso, seine Geheimwaffe, die er wohl am Liebsten erst im Finale zünden wollte, war nun alles andere als geheim. Seine möglichen Finalgegner konnten nun eine wirkungsvolle Strategie gegen Voltensos unbändigen Kampfgeist austüfteln.

    „Damit endet die erste Runde unseres Turniers. Verpassen Sie keinesfalls die zweite Runde, in der Sie ebenfalls Nervenkitzel und spannungsgeladene Kämpfe erwarten werden. Wir unterbrechen nun unser Turnier und legen eine kleine Verschnaufpause von fünfundvierzig Minuten ein. Ihnen und den Teilnehmern stehen vor der Tür kostenlose Erfrischungen zur Verfügung. Der Wettkampf wird dann pünktlich um Zehn Uhr fortgesetzt. Ich würde mich freuen, Sie später hier wieder begrüßen zu dürfen.“

    Eifriges Gemurmel und das Gekratze von Stühlen machte sich hinter uns auf der Tribüne breit. Die meisten Zuschauer nutzen wohl die Zeit, sich eine kleine Erfrischung zu gönnen, an der frischen Luft einmal richtig durchzuatmen, oder in aller Ruhe mit Familie und Freunden über die Kämpfe zu diskutieren. Tatsächlich schnappte ich durch das undeutliche Gemurmel die Worte, „Ich sage euch: Ray und sein Voltenso werden gewinnen. Da gehe ich jede Wette ein. Die anderen sind dagegen nur Witzfiguren. Blutige Anfänger. Na, wer wettet dagegen?“, auf. Sofort schoss mir das Blut in den Kopf. Mein ganzer Körper erbebte vor Zorn.
    Witzfigur? Blutiger Anfänger? Hatte ich es nötig, mich von einem kümmerlichen Menschen so beleidigen zu lassen.
    Ich hatte mich in meinem Wutrausch bereits um die eigene Achse gedreht und die Gestalt des locker und ungeniert, vor sich hinredeten Menschen, für eine meiner energiegeladenen Elektroattacken fixiert, als plötzlich das Gewicht einer zittrigen Hand auf meinem Kopf lastete.
    Ich wirbelte erschrocken herum.
    „Wollen wir vielleicht auch noch schnell einen Happen essen?“, fragte er mich.
    Stans unerwartetes Eingreifen hatte mich völlig aus meinen hasserfüllten Gedanken gerissen. Ich warf einen raschen Blick über die Schulter. Mein wehrloses, über mich spottende Opfer, hatte sich in den Menschenmassen verloren und war außer Sichtweite.
    „Glückspilz...“, murmelte ich. „Nun gut. Gehen wir was essen.“

    Der Genuss von Schokoladenkuchen und Orangenlimonade lösten langsam aber sicher meine Wut in Luft auf.
    „Soll er doch vor sich hinreden“, dachte ich und leckte mir genüsslich die Lippen. „Spätestens in der nächsten Runde, werde ich ihn eh vom Gegenteil überzeugen.“
    Wir konnten natürlich von Glück reden, dass die Speisen und Getränke aufs Haus gingen. Schließlich war es Stans umwerfendem Talent mit Geld umzugehen zu verdanken, dass wir überhaupt an diesem Wettkampf teilnehmen mussten.

    Stumm vor mich hinkauend, ruhte mein Blick auf der Gestalt meines hungrigen Pokémon-Kameraden. Der vergangene Kampf musste ihm wirklich alles abverlangt haben. Zügellos und ohne Rücksicht auf Verluste stellte Feurigel abermals seine Fähigkeit zur Schau, ein sprichwörtliches Fass ohne Boden zu sein. Ausgehungert, als hätte er bereits seit Dekaden nicht ordentliches mehr zwischen die Zähne bekommen und als ob auf diesen Tag kein neuer folgen würde, stopfte er sich ein Kuchenstück nach dem anderen in seinen Mund. Feurigel erntete durch seine Fressattacke natürlich nicht wenig Aufmerksamkeit. Zu meiner großen Verwunderung, schienen jedoch die Menschen von seinen “Tischmanieren“ eher angetan als angeekelt zu sein; warum auch immer...
    Abermals überkam mich das Gefühl, von der ganzen Welt missverstanden zu sein. Gestern noch hatte man mich aufgrund meines Verhaltens vom Tisch verwiesen und heute schienen die Menschen am liebsten bei jedem von Feurigels Rülpsern einen Luftsprung vor Freude zu machen.

    Die Zeit bewies einmal mehr, wie unerbittlich sie sein konnte. Noch bevor wir die Schlachtplatte ansatzweise gelehrt, und unsere Mägen ausgiebig gefüllt hatten, war unsere Schonfrist auch schon wieder abgelaufen. Stan, der sich die ganze Zeit über dezent im Hintergrund gehalten, und uns großzügigerweise seine Portion überlassen hatte, führte mich (Feurigel war unter Protest wieder in seinen Pokéball zurückgekehrt) am Ende des Menschenstroms zurück auf die Teilnehmerbank der Arena. Sein Zustand schien sich während der kurzen Pause nicht wirklich verbessert zu haben. Im Gegenteil: Hätte ihn Phil O’Brien, sein Gegner im nächsten Kampf nicht darauf angesprochen, mit ihm in Raum 002 zurückzukehren, hätte Stan wohl seinen Rucksack längst mit Kuchen und Limo beladen und klammheimlich die Fliege gemacht. Nun, zurück auf der deutlich leichteren Teilnehmerbank, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als die Sache mit mir und Feurigel an seiner Seite, zuende zu bringen. Neben Stan und Phil, hatten sich auch Ray und Cecilia inzwischen auf der Bank eingefunden. Unsere kleine Runde war also komplett.

    „Hoch verehrtes Publikum...“
    Unser niemals stiller Ringrichter hatte die Mitte der Kampfarena betreten. In seiner altbekannten Montur, mit Mikrophon und Klemmbrett, schaute er breit grinsend in die Menge.
    „...Ich freue mich, Sie bei unserem Halbfinale willkommen zu heißen und begrüße hier natürlich auch alle Neuankömmlinge. Von unseren acht Teilnehmern mutigen Teilnehmern haben es vier in die nächste Runde geschafft und aus diesen vier, werden wir nun unsere beiden Finalisten ermitteln.“
    Hinter uns ertönte der, mir inzwischen bereits altbekannte, Beifall des Publikums. Der Ringrichter ließ einige Male sein silbernes Mikrophon lässig von einer Hand in die andere gleiten, während er auf das Abflauen des Applauses wartete.
    „Ich möchte nun bitte Stan Leonheart aus Azalea City und Phil O’Brien aus Marmoria City zu mir in den Kampfring bitten. Applaus bitte.“
    Erneut machte Stan den Eindruck, als würde er lieber einen Bibor-Schwarm einen Topf Honig vor der Nase stibitzen, als die paar Meter in die Arena zu gehen. Doch noch bevor er überhaupt irgend etwas in der Art tun konnte, hatte ihn Phil längst unter den Armen gepackt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht in den Ring geschleift.
    Ich folgte diesem peinlich anzusehenden Trauerzug unauffällig, als ob ich keinen der beiden Anwesenden überhaupt kennen würde.
    „Danke...“, murmelte der Schiedsrichter feixend in Phils Ohr.

    „Meine Damen und Herren: Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen unsere beiden Kontrahenten kurz vorzustellen. Stan Leonheart zu meiner Linken...“, er rechte seinen Arm aus und deutete mit flacher Handfläche auf die erbärmlich bibbernde Gestalt meines Trainers, „... hat in seiner ersten Runde einen kolossalen Sieg gegen seinen Gegner, Colin Knox aus Laubwechselfeld, errungen. Stan baute während des ganzen Kampfes einzig und allein auf die Stärke seines Feurigels und schaffte es, trotz anfänglicher Startschwierigkeiten, beide Pokémon seines Gegners mit Leichtigkeit auszuschalten. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass er dabei einem klaren Typenvorteil unterlag und dennoch die Oberhand hatte.“
    Abermals gab es regen Beifall aus der Richtung der Tribüne.
    „Stan, möchtest du uns vielleicht etwas über dich erzählen?“, fragte der Ringrichter und hielt ihm sein Mikrophon vor den Mund. „Nicht...?“, sagte er sichtlich enttäuscht, als Stan heftig den Kopf zu schütteln begann. Ihm stand seine Panik förmlich ins Gesicht geschrieben.
    Von der Tribüne schallte reges Gemurmel und einiges hohles Gelächter zu uns hinab. Dies war wieder einmal einer dieser peinlichen Momente, bei denen ich mich am Liebsten in Luft aufgelöst hätte... Falls mich irgendjemand fragt: Nein, der gehört nicht zu mir...

    „Phil O’Brien zu meiner Rechten...“, nun deutete der Kommentator in Phils Richtung, „... hat ebenfalls in der ersten Runde einen triumphalen Sieg erlangt und sich seinen Weg ins Halbfinale geebnet. Wie Stan, setzte auch er nur ein Pokémon, nämlich ein wirklich trickreiches Bisasam, ein und fegte seine Gegnerin förmlich von der Kampffläche.“
    Erneut brach von der Tribüne eine Welle des Beifalls, dieses Mal für Phil, aus.
    „Möchtest du uns vielleicht etwas über dich erzählen; Wie du dich fühlst oder etwas was dir auf dem Herzen liegt?“ Er schob Phil sein Mikrophon vor den Mund.
    „Ja, Hallo!“, sagte Phil und klang dabei, im Gegensatz zu Stans altbekanntem Gestammel, recht locker. „Ich heiße Phil, bin Fünfzehn Jahre alt und komme aus dem schönen Marmoria City in Kanto und auf der Durchreise in die Hoenn-Region, wo ich mich den Arenen-Herausforderungen stellen möchte. Was noch... Ach ja: Ich freue mich natürlich hier zu sein und noch mehr freue ich mich auf den bevorstehenden Kampf. Äh, ich glaube, das war alles. Gut so?“
    „Formidabel“, lobte ihn der Ringrichter und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.
    Zum dritten Mal in Folge applaudierte das Publikum.
    „So wird das gemacht“, brummte ich zu Stan hinauf. „Nimm dir doch einmal an deinen Artgenossen ein Beispiel, dann braucht man sich deinetwegen nicht immer in Grund und Boden zu schämen...

    „Trainer, nehmt Eure Plätze ein.“
    Stan entschied sich diesmal für die rechte Seite des Spielfelds, während Phil bei der gegenüberliegenden Seite Stellung bezog.
    „Für die Neuankömmlinge unter Ihnen, möchte ich Sie noch einmal mit den Regeln unseres Turniers bekannt machen: Jeder Trainer darf insgesamt zwei Pokémon einsetzen, wobei immer nur eines sich im Kampfring befinden darf. Den Trainern steht es frei, seine Pokémon jederzeit auszuwechseln. Wer die Kampfläche verlässt, oder kampfunfähig wird, hat verloren. Wessen beide Pokémon als erstes besiegt werden, scheidet aus und ebnet seinem Gegner den Weg ins Finale. Eine Kapitulation endet natürlich auch sofort mit einer Niederlage.
    Freuen wir uns nun auf die erste Runde unseres Halbfinales. Trainer, Ring frei!“

  • Part 2: Auf die Ersatzbank verdammt


    „Mit Spannung erwarten wir, welche Pokémon unsere beiden jungen Trainer einsetzen werden. Beide unserer Jungtalente setzten in der vorherigen Runde nur je ein Pokèmon ein; unterschiedlicher wie sie nicht sein können. Doch wie werden sie sich nun entscheiden?“


    Keiner von beiden, weder Stan noch Phil, schien erpicht darauf zu sein, den ersten Schritt zu wagen. Phil allerdings, hatte offenbar weitaus größere Probleme, eine Entscheidung zu fällen. Sein Gürtel zierte, im Gegensatz zu dem meines Trainers, nicht nur zwei, sondern ganze vier Pokébälle. Er konnte sich also auf die Schlagkraft, Ausdauer und Geschwindigkeit von vier meiner Artgenossen verlassen, während Stan sich einzig und allein auf Feurigel, und natürlich auch mich verlassen musste. Doch wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Welches von Phils Pokémon konnte es mit uns aufnehmen?


    Die Sekunden zogen ereignislos dahin. Stan und Phil übten sich weiterhin als regungslose Statuen, während das undeutliche Gesumme von der Tribüne immer angriffslustiger wurde. Es blieb mir nicht verborgen, dass er mir einige Male kurze, aber vielsagende Blicke zuwarf. Feurigels lodernder Kampfeswillen schien also nicht sein einziges Problem zu sein.


    Endlich entschied sich Phil zum ersten Schritt: Mit sichtlich verunsicherter Miene zupfte er einen seiner Pokébälle vom Gürtel. Ein weiteres Mal schielte er, offenbar stark über seine Handlungsweise befangen, in meine Richtung. Er machte den Eindruck, als würde er mit seiner Auswahl nicht wirklich zufrieden zu sein.


    „Zubat, ich wähle dich. Los!“, rief Phil und katapultierte den Pokéball, den er die ganze Zeit über argwöhnisch beäugt hatte, auf seine Spielfeldseite des Kampfrings. Wie in den anderen Kämpfen zuvor, klappte auch dieser Pokéball auseinander und gab einen gleißenden Lichtschein frei, in dem sich wenige Augenblicke später ein graues, Fledermausähnliches Pokémon manifestierte.
    Ich konnte mir ein Grinsen in diesem Augenblick einfach nicht verkneifen. Warum ich grinste, fragt ihr? Nun, von Feurigel wusste ich ja bereits, dass seine Sehkraft dank seiner kleinen Augen nur knapp bemessen war. Es war wohl seinen anderen Sinnen, insbesondere seiner guten Nase zu verdanken, dass er nicht nächst besten Augenblick, völlig orientierungslos gegen die eine Wand donnerte. Doch Zubat hier, hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, überhaupt keine Augen im Kopf und das machte sich auch sofort erkennbar. Ziemlich planlos flatterte die kleine Fledermaus in wilden, unregelmäßigen Kreisbahnen auf dem Spielfeld herum.
    Ich schnaubte spöttisch bei diesem armseligen Anblick. Wie konnte Phil nur ein offenbar blindes Pokémon für sich in den Kampf schicken? So hatte ich doch mittlerweile geglaubt, Menschen seien halbwegs intelligente Wesen; offenbar doch ein Irrtum.
    Einzig und allein seine spitzen Zähne, waren die einzige Gefahr die von Zubat ausgingen. Dennoch keine ernstzunehmende Bedrohung für mich.


    „Na, das sollte dann kein großes Problem sein...“, gähnte ich gelangweilt und streckte mich als kleine Aufwärmübung in die Länge. „Den Flattermann feg ich dir vom Himmel, noch ehe du bis drei gezählt hast, versprochen.“
    „Feurigel, los!“
    Ungläubig und mit weit geöffneten Augen musste ich mit ansehen, wie Stan Feurigels Pokéball von seinem Gürtel zupfte und mit fester Überzeugung in den Ring schleuderte. Einige Sekunden lang sah ich der rotweißen Kugel nach, doch noch bevor sie meinen Kollegen aus seinem Gefängnis befreite, drehte ich mich bebend vor Zorn in Stans Richtung.
    „Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein!“, rief ich schäumend vor Wut. „Soll ich etwa auf der Ersatzbank versauern?“
    Ein lautes “Blopp“ verriet mir, dass sich soeben Feurigel auf Stans Seite des Kampfplatzes materialisiert hatte. Mit der Ankunft meines Artgenossen hatte sich mein Zorn auf meinen Trainer schlagartig vervielfältigt. Ich würdigte meinen Kollegen im Kampfring keines Blickes. Es war mir in jenem Moment einfach nur völlig gleichgültig. Hier ging es nicht nur um ein albernes Turnier der Menschen. Meine Ehre wurde auf schändlichste Art und Weise befleckt und ich hatte ein Recht darauf, es diesen Menschen, besonders jenem, der mich vor der Pause so abgrundtief beleidigt hatte, zu zeigen, dass ich keinstenfalls eine Witzfigur war.
    „Du wirst sofort Feurigel zurückpfeifen und mich in den Ring steigen lassen. Hast du gehört, du langes Elend?“, tobte ich und hämmerte mein kraftvolles, rechts Vorderbein gegen Stans linkes Schienbein.


    Es dauerte eine Weile, bis der Schmerz seinen Weg in Stans Kopf fand. Blöde in den Ring gaffend, schienen sich meine kräftigen Tritte gänzlich in der Luft zu verpuffen. Fast glaubte ich, erneut die Flegmonschar vor mir zu haben, welche sich einst in meinem Revier breit machen, und mir meine Lieblingsmülltonne am Springbrunnen streitig machen wollten. Bei denen hatte es auch einige Zeit gebraucht, bis sie auf einige meiner kleinen “schockierenden Argumente“ Hals über Kopf die Flucht angetreten hatten.
    Stan hüpfte erschrocken einige Male einen guten halben Meter in die Höhe und rieb sich fluchend und mit schmerzerfüllter Miene sein Bein.
    „Sheinux, was soll das jetzt schon wieder?“, rief er.
    „Habe ich das nicht gerade gesagt? Pfeif die Flasche zurück. Jetzt bin ich dran. Los!“, antwortete ich ihm mit drohender Stimme und visierte bereits sein noch gesundes Bein an.
    Stan blickte scheinbar recht überfordert von oben auf mich hinab. Wie konnte man nur so einfältig sein?
    „Geheimwaffe oder nicht: Jetzt bin ich dran!“, tobte ich und näherte mich bedrohlich meinem Ziel. Erneut holte ich mit meinem rechten Vorderbein aus, verfehlte dieses Mal aber knapp.
    „Jetzt lass das!“, jammerte Stan und versuchte hüpfend meinen Tritten zu entgehen.


    Von der Tribüne schallte lautes Gelächter auf uns hinab, doch es prallte förmlich vor mir ab. Es war mir in diesem Augenblick reichlich egal, was die Leute über mich dachten. Sollten sie doch sehen, mit was für einem jämmerlichen Trainer ich mich abgeben musste.
    „Meine Damen und Herren... Also so etwas habe ich in meiner ganzen Laufbahn als Kampfrichter noch nicht gesehen...“, ertönte die, durch sein Mikrophon verstärkte, ungläubige Stimme durch den Raum 002. Indessen erreichte das spöttische Gelächter des Publikums noch nie zuvor da gewesene Maßstäbe.
    „Feurigel... Feurigel... Er...“
    „Was wollt ihr mit Feurigel?“, brummte ich, ließ zum ersten Mal von Stan ab und erniedrigte mich dazu, einen Blick in den Ring zu werden. „Hier geht es doch schließlich um mich, also was soll...“
    Abrupt stockte ich mitten in meinem Satz ab.
    Wo war eine Wand, an der man seinen Frust durch kräftiges Kopf dagegenschlagen ablassen konnte, wenn man eine brauchte? Was sich in jenem Augenblick im Ring abspielte war wirklich der Gipfel der Peinlichkeit. Am Liebsten hätte ich wohl Rotz und Wasser geheult. Das Höhnische Gelächter des Publikums drohte mich förmlich in seinen unendlichen Tiefen zu ertränken. In meinen Ohren dröhnten die wohl soeben gedachten Worte des mich vor einer guten Stunde beleidigten Menschen „Na, habe ich es nicht gesagt? Allesamt Witzfiguren“.
    Oh, warum ich...?


    „Verehrtes Publikum... Feurigel... Also er... Schläft.“
    Von den unglücklich gewählten Worten des Schiedsrichters noch weiter angestachelt, erreichte das Spottgelächter von der Tribüne seinen Höhepunkt. Ich warf einen flüchtigen Blick auf Stan hinauf. Auch er machte den Eindruck, als würde alle Mülltonnen dieser Welt dafür geben, sich augenblicklich in Luft aufzulösen. Da konnte ich ihm nur allzu gut nachempfinden...
    „Er scheint wohl von seinen vorherigen Kämpfen noch recht erschöpft zu sein“ sagte der Ringrichter und klang nun recht amüsiert.
    „Nun, nach den offiziellen Regeln der Pokémonliga, wird der Kampf dennoch ausgeführt. Trainer, Ring frei!“
    „Das ist doch wohl ein Witz!“, rief ich empört in den Raum. „Was sollen das für schwachsinnige Regeln sein? Die möchte ich doch gerne mal mit eigenen Augen sehen.“
    Phil, unser Gegner aus Marmoria City, blickte auch recht verdattert zu der seelenruhig pennenden Gestalt Feurigels. Zubat dagegen, schien sich nicht weiter stören zu lassen und zog weiterhin unbeirrt seine Bahnen.


    „Zubat, äh, los! Horrorblick!“, rief Phil und hatte dabei eine erschreckende Ähnlichkeit mit Stan, in seiner Stimme.
    Wie es Zubat schaffte, doch aufgrund seiner Sehschwäche, sein Ziel mit nahezu absoluter Präzession zu finden, war mir schleierhaft. Kaum hatte Phil seine Worte zuende gesprochen, hatte Zubat seinen ersten Angriff ausgeführt; nur scheinbar ohne einen wirklichen Effekt auf Feurigel ausgeübt zu haben. Er förmlich vor der friedlich schlummernden Gestalt meines Kameraden und schien ihm böse Blicke zuzuwerfen. Zugegeben: Es war schon irgendwie angsteinflößend, aber was konnte schon großartig passieren. Mehr als das Feurigel im Schlaf vielleicht schlecht wurde und er seinem Gegner sein halbverdautes Essen entgegenspie, wohl nichts. Feurigel drehte sich völlig unbekümmert auf die andere Seite. Mit der traurigen Flamme auf seinem Rücken konnte man wohl nicht mal mehr Suppe aufwärmen.
    „Feurigel, zurück“, rief Stan, zückte seinen Pokéball und zielte damit auf Feurigel. Zu meiner großen Verwunderung erfasste zwar der orangerote Strahl Feurigel, doch wurde er nicht, wie ich es bereits zig mal gesehen hatte, zurück in den Ball befördert. Was war da los?
    „Das ist bitter...“, ertönte die Stimme des Ringrichters. „Durch Zubats Horrorblick kann Stan Feurigel nicht aus dem Kampf abziehen. Jetzt heißt es: Kampf bis zum bitteren Ende.“
    „Unfair!“, brüllte ich aufgebracht in den Ring. „Kein Funken Ehrgefühl! Die ganze Bande!“
    Ich spürte Stans flehenden Blick auf mir kleben.
    „Schau nicht so! Das ist schließlich alles deine Schuld!“, zischte ich und warf ihm einen eiskalten Blick zu. „Hättest du mich von Anfang an kämpfen lassen, wäre das alles nicht passiert.“


    „Gut Zubat. Weiter: Superschall, los!“, donnerte es uns von der gegenüberliegenden Seite des Kampfrings entgegen.
    Ein weiteres Mal hatte Zubat seinen ziellosen Flug gestoppt und schwebte über der friedlich atmenden Gestalt Feurigels. Obwohl nicht ich, sondern Feurigel das Ziel war, schüttelte es mich plötzlich am ganzen Körper. Was auch immer unser Gegner gerade tat, mir standen schlagartig jedes einzelne Haar meines Fells zu Berge. Umso wunderlicher war es, dass mein, nach wie vor schlummernder Kamerad, völlig unbeschadet blieb.
    „Gut so! Weiter! Lass dich bloß nicht aus der Ruhe bringen!“, rief ich in den Ring (Lächerlich, ich weiß. Aber was sollte ich schon tun...?)
    Auch Phil schien recht irritiert zu sein, doch war ich mir sicher, dass Zubat noch nicht die ganze Palette seines Könnens gezeigt hatte.
    „Zubat, Bissattacke!“, feuerte Phil sein Pokémon an.


    Um ehrlich zu sein: Es hätte mich doch stark verwundert, wenn Feurigel nach dieser Aktion nicht erwacht wäre. Zwar hatte er sicherlich nicht bemerkt, wie der federleichte Zubat auf seinem Körper landete, doch als sich die zwei äußerst spitze Zähne ihren Weg in den Hals bahnten, da dürfte man selbst aus dem tiefsten Schlaf gerissen werden.
    Die nur müde flackernde Flamme auf Feurigels Rücken loderte im Hauch einer Sekunde einen guten Meter in die Höhe und versengte dabei den linken Flügel der seelenruhig an Feurigel nuckelnden Gestalt Zubats.
    Heulend vor Schmerz sprang Feurigel in die Höhe und schüttelte dabei, wohl eher unbeabsichtigt, den völlig perplexen Zubat ab. Arg mitgenommen klatschte die Fledermaus auf den Boden, rappelte sich aber sekundenschnell wieder auf. Sein Kampfwille war offensichtlich noch nicht gebrochen.

  • Part 3: Unverhofft kommt oft

    Es dauerte ein Weilchen, bis Feurigel endlich realisierte, an welchem gar “schrecklichen“ Ort er sich wiederfinden musste. War es daher eine Überraschung, dass Feurigel alles andere als begeistert war, als er sich urplötzlich aus seinen wohlbehüteten Träumen herausgerissen in dem ganz und gar nicht behaglichen Ring der Arena wiederfand? Wohl kaum...
    Auch Feurigel, wie schon Stan zuvor, schien jeglichen seines vorherig gewonnenen Kampfeswillen völlig verloren zu haben. Mit einem vorwurfsvollen Blick schaute er zu mir und der traurigen Gestalt seines Trainers hinüber.
    „Liebe Zuschauer: Feurigel hat endlich den Weg in den Kampf gefunden und gleich seine erste vernichtende Attacke auf seinen Gegner gestartet. Sehen Sie nur den Kampfwillen, der in seinen Augen lodert.“
    „Kampfwillen?“, wiederholte ich mit sarkastischem Unterton und musterte Feurigel völlig verdattert. Die ganze Welt musste verrückt sein. Selbst ein frisch geschlüpftes Taubsi hatte wohl mehr Interesse an einem guten Kampf, als das kleine Häufchen Elend namens Feurigel.

    „Du musst dir doch selbst eingestehen, dass er um nichts in der Welt kämpfen möchte. Also was zum Plaudagei soll das?“, redete ich auf Stan ein in der Hoffnung, er würde endlich zu klarem Verstand kommen. Doch es half nichts: Unter den hitzigen Anfeuerungsrufen des Publikums spornte er meinen mitleiderregenden Leidenskameraden zu neuen Höchstleistungen an.
    „Feurigel, los! Flammenwurf“, befahl Stan und deutete auf Zubat, der sich bereits wieder wild flatternd in die Lüfte erhoben hatte.
    Trotz sichtbar zu erkennendem Widerwillen, tat Feurigel wie von seinem Trainer befohlen, und spie seinem Gegner, als hätte er soeben die wohl schärfste Frucht der Welt gekostet, einen glühenden Feuerstrahl entgegen.
    „Drüber weg und noch einmal Bissattacke!“, rief Phil von der gegenüberliegenden Seite.
    In einem wahrlich gekonnten spiralförmigen Flugmanöver, wich Zubat der unheilbringenden Attacke Feurigels aus. Blitzschnell hatte er einige weitere Meter an Höhe gewonnen. Die Flammenattacke Feurigels verfehlte sein eigentliches Ziel um Längen und schlug dagegen auf die gegenüber liegende Wand ein, wo sie, auf der Stelle, hässliche schwarze Brandmale hinterließ. Zubat hatte sich derweil in rettende Höhen erhoben, wo er sich schließlich unheilvoll auf Feurigel hinabstürzte. Seine spitzen weißen Zähne funkelten bedrohlich, während er seinem Opfer unaufhaltbar näher kam.
    „Schnell, Rauchwolke!“, rief Stan.

    Wie in Zeitraffer stürzte Zubat im freien Fall auf die plötzlich gänzlich in einem pechschwarzen Nebelschleier verborgene Gestalt Feurigels. Sekundenschnell war auch Phils Pokémon von dem dunklen Rauchgebilde völlig verschlungen.
    „Meine Damen und Herren: Alles passiert so schnell, dass es mir schwer fällt, dem Kampf zu folgen. Zubat ist dem Flammenwurf seines Gegners auf eine spektakuläre Art und Weise ausgewichen und hat gleichzeitig einen neuen Angriff vorbereitet. Doch Feurigel konnte, noch bevor Zubat seine gefährliche Attacke durchführen konnte, Schutz in dem rettenden dunklen Nebelschleier suchen. Beide Kontrahenten sind nun in...“
    Ein ohrenzerreisender und gar jämmerlich klingender Laut, hallte plötzlich über das Schlachtfeld und ließ den Ringrichter und das leise murmelnde Publikum jäh verstummen. Für die Menschen wohl undefinierbar, wer oder was da in jenem Moment einen so kläglichen Schmerzensschrei ausgestoßen hatte, war ich mir bereits völlig sicher, dass es sich dabei um niemand anderes als Feurigel handeln musste.

    Langsam verflüchtigte sich der Nebel und gab den Geheimnissen seines Inneren endlich preis. Die Zuschauer, wohlbehütet auf ihrer sicheren Tribüne, stöhnten auf und auch ich drehte angewidert meinen Kopf weg; allerdings nutzlos, wie ich augenblicklich feststellen musste.
    „Autsch, das ist bitter“, tönte die Stimme des Ringrichters in meinen Ohren und klang dabei kein bisschen mitfühlend. „Zubat hat trotz der scheinbar völlig undurchdringlichen Rauchwolke seinen Gegner offenbar mit Leichtigkeit ausmachen können, und hängt nun wie ein hungriger Parasit an seinem gut genährten Wirt.“
    Ich musste mich förmlich zu einem Blick in den Kampfring zwingen, was ich jedoch sogleich bitter bereute: Man hätte es nicht besser beschreiben können, als wie es unser... einfühlsamer Schiedsrichter soeben getan hatte. Zubat hatte sich erneut an Feurigels kleinen Hals festgeheftet und machte dabei den Anschein, als würde er um nichts in der Welt seine Beute loslassen wollen. Unterdessen rannte Feurigel, wie von einem Zubat geb... (hust) völlig aufgelöst und mit schmerzverzerrtem Gesicht wild im Kreis und versuchte verzweifelt, sich seiner erbarmungslosen Klette zu entledigen.
    Phil, Zubats Trainer, machte derweil einen recht zufriedenen Eindruck. Offenbar hatte er keine Sekunde daran gezweifelt, dass Zubat trotz seiner Sichteinschränkung, sein Ziel finden würde.

    „Dieser Kampf ist wohl zuende. Feurigel kann Zubat nicht abschütteln und keine seiner Attacken werden ihm in seiner jetzigen Situation noch helfen können“, rief unser Kommentator in sein Mikrophon hinein.
    Wohl zum ersten Mal, musste ich ihm leider recht geben. Wie auch immer es Zubat schaffte: Er war Feurigel offenbar überlegen. In jeder weiteren Sekunde in der mein Kollege in seiner verzweifelten Situation ausharren musste, sickerte mehr und mehr seiner Kraft aus seinem Körper hinaus.
    Stan schaute derweil hilflos auf das jämmerliche Schauspiel im Kampfring. Die Augen nahezu gänzlich zusammengekniffen und sein blasses Gesicht völlig verkrampft, machte es den Anschein, als würde er die Qual seines Pokémon teilen. Ich konnte ihm nur sehr gut nachempfinden. Doch was sollte er tun? Feurigel konnte den Kampfring nicht verlassen. Die Lage war aussichtslos. Selbst ich wusste mir in Feurigels Situation absolut nicht mehr zu helfen. Außer...?

    Wie ein Blitz aus heiterem Himmel, schoss mir es mir plötzlich durch den Kopf. Es gab eine Chance! Feurigel hatte sich schon einmal von Zubats Würgegriff gelöst; auch wenn es eher unbeabsichtigt geschah.
    „Feurigel!“, brüllte ich in heller Aufregung in den Kampfring. „Gib noch einmal alles, los!“
    Mein Kamerad schien anfangs nicht wirklich begreifen zu wollen, auf was ich hinaus wollte. Reichlich planlos schoss er wild mit seinen Feuerattacken in alle Himmelsrichtungen um sich, ohne auch nur ansatzweise seinem Gegner sichtlichen Schaden zuzufügen. Dagegen mussten die Zuschauer auf der Tribüne einige Male rasch den Kopf einziehen, damit sie nicht binnen weniger Sekunden gänzlich felllos dastanden.
    „Nein, nein!“, rief ich erregt und entging dabei nur knapp einer von Feurigels blindlings abgefeuerten Feuersalven, während Stans linker Hosenbund Feuer fing und dieser sich laut fluchend neben mir auf dem Boden herumzuwälzen begann. „Leg dich ordentlich ins Zeug, werd wütend, irgendwas... Mach schon!“

    Endlich schien er begriffen zu haben: Noch immer mit der hässlichen grauen Schmeißfliege an seinem Körper versehen, züngelten plötzlich wild peitschende, aufgewühlte Flammen meterhoch aus den kleinen Öffnungen in seinem Rücken hervor. Selbst aus der großen Distanz zwischen mir und den beiden sich im Ring befindenden Kontrahenten, konnte ich den Hitzeschwall, der auf einmal von meinem Kameraden ausging, brennend heißt auf meinem Gesicht spüren. Ich musste einige Schritte zurückweichen, um nicht das Schicksal Zubats zu teilen.
    Zu meiner großen Zufriedenheit, ging mein Plan völlig auf: Zubat, der halblings über dem Rücken seines Opfers hing, bekam die volle Ladung der ungebremsten lodernden Wut Feurigels ab. Abermals stöhnte das Publikum auf. Fiepend vor Schmerz und mit stark versengtem rechten Flügel, lag die kleine Fledermaus hilflos zappelnd auf dem Boden. Das war dann wohl das Aus.

    „Zubat kann nicht mehr weiterkämpfen. Damit geht die erste Runde an Stan Leonheart mit seinem Pokémon Feurigel“, verkündete der Ringrichter unter heftigen Jubelrufen des Publikums lautstark allen Anwesenden.
    „Zubat, zurück!“, rief Phil und sandte seinen kampfunfähigen Partner in die Tiefen seines Pokéballs zurück. Zu meiner großen Verwunderung machte er nicht den Anschein, als wäre er sonderlich über diese Niederlage bestürzt. Im Gegenteil: Er machte merkwürdigerweise sogar einen recht zufriedenen Eindruck. Hatte er etwa noch ein Ass im Ärmel?
    Abermals schielte Phil verstohlen in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich. Mir gefiel sein selbstzufriedener Gesichtsausdruck ganz und gar nicht. Doch ich war mir sicher: Was auch immer unser Gegner im Schilde führte: ich, und nur ich allein, konnte es schaffen.

    „Hey Stan“, sagte ich und stupste das Bein meines völlig perplex in die Wäsche guckenden Trainers an. „Jetzt ist die Zeit gekommen. Zubats Bann sollte mit seinem Verschwinden entgültig gebrochen sein. Schick mich in den Ring. Los!“
    Stan schaute mich groß an. Abermals schien er mich nicht zu verstehen, oder es einfach nicht zu wollen.
    „Feurigel pfeift doch aus dem letzten Loch“, flehte ich nun schon fast und machte eine unmissverständliche Geste in den Kampfring. Schwer atmend und deutlich von den Strapazen des Kampfes gezeichnet, stützte sich Feurigel, auf seinen heftig zitternden Beinen, vom Boden ab. Die, vor wenigen Augenblicken noch hell lodernden Flammen auf seinem Rücken waren wieder auf einen kläglichen Kerzenschein zusammengeschrumpft. „Du kannst doch unter keinen Umständen in Erwägung ziehen, ihn noch weiter kämpfen zu lassen!“, rief ich bestürzt.
    „Ich... Ich weiß was du mir sagen willst... Aber...“, stammelte Stan.
    „Aber was?“, entgegnete ich ihm und ignorierte dabei sogar die Tatsache, dass er mich wohl zum ersten Mal seit unserer Bekanntschaft verstanden hatte.
    „Ich kann dich unter keinen Umständen kämpfen lassen... Tut mir leid...“

    Was das sollte, fragt ihr? Keinen blassen Schimmer... Ich jedenfalls, verstand die Welt nicht mehr. Stan konnte mich nicht in den Kampfring schicken? Doch warum? Warum bei allen Mülltonnen dieser Welt, konnte, oder wollte er nicht meinem Wunsch nachgehen? Doch so sehr ich mir doch den Kopf zerbrach: ich fand einfach keine plausible Antwort auf das Verhalten meines Trainers. Ich verspürte erneut einen mächtigen Zorn in mir aufkeimen. So stark, dass er das gesamte verfluchte Schiff hätte auf den Grund des Ozeans befördern können.

    „Trainer bereit? Oder worauf wartet ihr?“
    Erschrocken fuhr ich aus meinen gar schrecklichen Gedanken auf und blickte instinktiv in den Kampfring. Feurigel allein, in seiner ganzen jämmerlichen körperlichen Verfassung, hütete den Austragungsort der Kämpfe. Phil hatte noch keines seiner Pokémon für die zweite Runde des Kampfes ausgewählt. Neugierig linste ich an Feurigel vorbei, hinüber zu unserem Gegner. Auf einmal merkwürdig beklommen, ruhte Phils Blick auf seinem angeschlagen Gegner. Die, vor wenigen Augenblicken noch so angsteinflößende Selbstsicherheit, war spurlos verschwunden.
    Ich schnaubte verächtlich. Menschen... Ich würde sie wohl nie verstehen.

    „Was ist denn nun?“, schallte erneut die deutlich missgelaunte Stimme des Ringrichters durch den Raum. „Wir warten.“
    Plötzlich und ohne zu zögern, aber zweifellos ganz und gar mit der aktuellen Situation unzufrieden, zupfte Phil einen seiner Pokébälle vom Gürtel, jedoch nicht ohne mir noch einmal einen unergründlichen Blick zuzuwerfen und schleuderte diesen in den Kampfring. Was in drei Teufels Namen wollte er eigentlich von mir? Stan oder Phil: ich wusste nicht, wer mir ein größeres Geheimnis war.

    “Zisch!“ Aus Phils Pokéball hatte sich soeben unser zweiter Gegner befreit. Vierbeinig, mit blasstürkisem Farbton und mit einem giftgrünen, zwiebelförmigen Keimling auf seinem Rücken, schaute er abfällig in unsere Richtung. Ich erkannte ihn sofort. Bisasam. Er hatte bei Phils erster Runde beide seiner Gegner mülltonnenhoch geschlagen. Doch täuschte ich mich, oder handelte es sich bei ihm um ein Pflanzenpokémon? Nein, sicherlich nicht, denn nicht nur ich schien über Phils Entscheidung völlig verwirrt zu sein.
    „Welch Überraschung!“, rief unser Schiedsrichter und klang dabei nicht weniger verwirrt, als ich es war. „Phils Wahl ist auf Bisasam gefallen. Wir erinnern uns: Bisasam hatte in der ersten Runde unseres Turniers beide seiner Gegner in einem einmaligen Gefecht besiegt. Doch nun steht er niemand anderem als Feurigel, einem Pokémon vom Typ Feuer, gegenüber. Es wird nicht leicht, sich in dieser Auseinandersetzung zu behaupten, auch wenn Feurigel wahrlich schon bessere Tage gesehen hat.“
    Ein weiteres Mal blickte Feurigel flehend zu Stan und mir hinüber.
    Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war es also. Phils Plan. Bisasam gehörte wohl zu den stärksten Pokémon in seinen Reihen. Doch wusste Phil sehr wohl, dass Bisasam kein Gegner für Feurigels starken Feuerattacken war. Der erste Kampf mit Zubat diente also nur dazu, Feurigel müde zu machen, oder ihn sogar zu besiegen, um dann am Ende durch Bisasams mir gegenüberliegendem Typenvorteil, leichtes Spiel zu haben. Raffiniert.
    Doch sein Plan ging nicht auf: Feurigel hütete, wenn auch recht wackelig auf den Beinen, unsere Seite des Spielfelds. Phil hatte wohl geglaubt, Stan würde Feurigel nach Zubats Niederlage zurückpfeifen und mich in den Kampfring beordern. Deshalb hatte er wohl auch solange seine Wahl hinausgezögert.
    Ich warf Stan einen anerkennenden Blick zu. Er war wohl doch klüger, als es den Anschein hatte. Doch irgendetwas stimmte dennoch nicht mit ihm. Da war noch etwas... Zweifellos. Er verheimlichte mir etwas; warum auch immer...

    Viel weitere Gelegenheit um in Gedanken zu schwelgen, bekam ich nicht. Die angriffslustige Stimme unseres Gegners trompetete über den Kampfring und läutete somit den Beginn des Kampfes ein.
    „Wir dürfen nicht verlieren. Los Bisasam! Rasierblatt!“
    Ein wahrer Wirbelsturm von scharfkantigem Laub strömte plötzlich aus dem Keimling auf Bisasams Rücken hervor, direkt auf Feurigels Position. Phil meinte es wirklich ernst. In seiner Stimme lag nichts mehr von der Gutherzigkeit und Freundschaft, dessen wir auf der Teilnehmerbank zuteil wurden.
    „Abwehren schnell! Glutattacke!“, rief Stan.
    Allen Widrigkeiten zum Trotz, feuerte Feurigel der gegnerischen Attacke eine Welle von glühend heißen Feuergeschossen entgegen. Es zischte und knackte, dass es eine wahre Freude war. Die unheilbringenden Rasierblätter, zerfielen in der Luft zu einem kümmerlichen Häufchen Asche und verwehten sofort in alle Winde.
    Es gab regen Beifall von Seiten des Publikums.
    „Glanzparade! Bisasams Attacke ist durch Feurigels Feuerbällen förmlich in der Luft zerpufft. Phil O’Brien steckt wohl ganz schön in der Bredouille. Er wird sich wohl etwas anderes überlegen müssen, um gegen seinen Gegner Land zu sehen. Sehen sie nur die Verzweiflung in seinen Augen.“
    „Verzweiflung ist maßlos untertrieben“, schoss es mir durch den Kopf, als ich zu Phil hinübersah. Er weckte förmlich den Eindruck, als wünschte er Stan und Feurigel die Beulenpest an den Hals. Doch in einem, hatte unser Ringrichter völlig recht: Phil musste seinen Plan ändern, wenn er den Sieg nachhause tragen wollte.

    „Noch einmal Rasierblatt, los!“, brüllte er erregt.
    „Abwehren mit einer weiteren Glutattacke!“, befahl Stan ohne zu zögern.
    Ein weiteres Mal konterte Feurigel den Angriff seines Widersachers mit spielender Leichtigkeit aus. Bisasam war zweifelsohne stark, doch einfach keine Herausforderung für Feurigel. Inzwischen machte Phils Pokémon den selben übelgelaunten und bitterbösen Gesichtsausdruck wie sein Trainer. Wie ein wildes Tauros, kurz vor dem alles entscheidenden Angriff, schürfte er mit seinem rechten Vorderbein über den Boden.
    „Bleib auf Distanz“, rief Phil seinem Pokémon zu. „Im Nahkampf können wir nicht lange bestehen. Versuch es mit Egelsamen!“
    Bisasam nickte seinem Trainer, deutlich missgestimmt jedoch offenbar über Phils Rat einsichtig, zu, und formierte sich zu einem neuen Angriff. Mit einem lauten “Blopp!“, katapultierte Bisasam aus der Öffnung seines Saatguts auf dessen Rücken, einen kleinen, leicht bräunlichen Kern zu.
    „Soll das etwa eine Attacke sein?“, höhnte ich in Gedanken und musterte das kleine Geschoss spöttisch. Leichtes Spiel für Feurigel. Das dachte wohl auch Stan.
    „Feg es aus der Luft! Noch einmal, Glut!“
    Doch etwas ging furchtbar schief. Zu Stans großem Entsetzen, quollen aus Feurigels bislang so verlässlichen Rachen, nur drei müde Rauchwölkchen hervor. Feurigel war am Ende seiner Kräfte angelangt.
    „Ausweichen! Schnell!“, brüllte Stan verzweifelt, doch es war bereits zu spät.
    Die von Bisasam abgefeuerte Attacke, traf Feurigel zielgenau in der Mitte seiner kleinen Brust. Binnen einer Sekunde spross ein Blattwerk aus wildem Gestrüpp aus dem kleinen Saatgut und breitete sich über Feurigels Körper wie im Zeitraffer wachsendes Efeu aus. Bereits einen Wimpernschlag später, war mein Kamerad völlig von dem Gewächs umschlossen. Geknebelt und gefesselt fiel Feurigel hilflos zu Boden. Die Ranken um seinen Körper schienen ihn jeglicher seiner letzten Kraftreserven beraubt zu haben.

    „Ja, gut so!“, ertönte Phils siegessichere Stimme von der anderen Spielfeldseite. „Jetzt hast du ihn. Los, Rankenhieb!“
    Zwei giftgrüne Ranken lösten sich links und recht von dem Keimling auf Bisasams Rücken und schwirrten peitschend auf die regungslose Gestalt Feurigels zu.
    „Nein!“, rief Stan verzweifelt. „Wehr dich!“
    Doch selbst wenn Feurigel im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre, hätte er sich wohl ohne fremde Hilfe nicht aus den Fängen des Gestrüpps befreien können. Die beiden, von Bisasam ausgehenden Ranken, hatten sich derweil fest um Feurigel geschlossen und schnürten sich um seinen gesamten Körper. Feurigel glich inzwischen beinahe einem viel zu sorgfältig verschnürten Geburtstagsgeschenk.
    „Genau so. Und jetzt spielen wir Teppich klopfen. Du weißt was du zu tun hast“, rief Phil triumphierend.
    Ein wahrlich widerliches Schauspiel spielte sich plötzlich im Kampfring ab. Von der Seite der Zuschauer löste sich der Klang des Abscheus und auch ich konnte bei diesem Anblick nur meine beiden Augen fest zusammenkneifen. Bisasam hielt seinen Gegner durch seine beiden strammgezogenen Ranken fest in seinem Würgegriff, hob ihn einen guten Meter in die Höhe und schmetterte ihn kraftvoll gegen den harten Boden, nur um das Spiel, wenige Augenblicke später, zu wiederholen.
    “Rumms!“ Trotz fest geschlossener Augen, konnte ich mich des Schauspiels nicht entziehen. Das Poltern Feurigels auf den harten Boden, sein leises Winseln bei jedem weiteren Aufprall, das Aufstöhnen des Publikums, Stans flehende und bettelnde Stimme und Phils siegessicheres Kampfgeschrei, stachen wie Messerstiche auf mich ein.
    “Wamm!“ Ein weiteres Mal krachte Feurigel auf den Boden.
    „Aufhören! Sofort!“, brüllte ich außer mir vor Zorn. Mir standen bereits sämtliche Haare zu berge und ein noch nie in meinem Leben da gewesener, unbändiger Hass, drohte meinen Kopf in tausend kleine Stücke zu sprengen.
    „Krach!“ Erneut schleuderte Bisasam seinen völlig wehrlosen und bereits ohnmächtigen Gegner zu Boden. Irgendjemand musste endlich etwas tun.
    „Stopp, das reicht!“, rief endlich die rettende Stimme des Ringrichters. „Feurigel kann nicht mehr weiterkämpfen. Phil O’Brien und Bisasam gewinnen diese Runde.“
    Zum ersten Mal, seit dem Beginn des Turniers, gab es für diesen Triumph keinen Applaus vom Publikum. Vielmehr rumorte ein abfälliges Gemurmel in Richtung des Kampfrings hinunter.

    Endlich löste Bisasam seinen Haltegriff und zog die beiden Ranken, mit denen er Feurigel malträtiert hatte, zurück in seinen Körper
    Feurigel lag regungslos und am ganzen Leib mit hässlichen blauen Flecken übersäht, auf dem dunkelbraunen Kunststoffbelag des Bodens.
    Stan stand völlig apathisch neben mir und schüttelte fassungslos den Kopf. Er zitterte am ganzen Leib; heftiger, als er es jemals getan hatte.
    „Feurigel hat hart gekämpft. Doch schließlich wurde er besiegt. Mit Spannung erwarten wir, welches Pokémon unser junger Trainer aus Azalea City gegen Phil O’Briens Bisasam einsetzen wird. Ein spannender Kampf um den Einzug ins Finale er... Was zum?!“

    Was in jenem Moment geschah, ist für mich nur schwer zu beschreiben. Im Grunde genommen weiß ich nicht mehr, was in jenem Moment in mich gefahren war. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich plötzlich, wie im Rausch, auf die völlig verdattert dreinblickende Gestalt Bisasams zurannte und ihn in meiner unbändigen, zügellosen Wut mit einem wahren Gewittersturm aus Blitzen und Funkenstößen überflutete. Aus meinem Fell entluden sich die gewaltigsten Stromschläge meines bisherigen Lebens und durchfluteten den Körper meines Gegners mit meinem ganzen Hass und Abscheu, bis dieser, nach wenigen Sekunden, unter seinen Schmerzen heftig zuckend zu Boden ging.

    Mein Herz schlug so heftig gegen meinen Brustkorb, dass mir das Atmen schwer fiel. Noch immer stand mir mein Fell heftig zu Berge und der unbebändige Hass pulsierte in meinem Kopf. Doch ganz langsam, mit dem Genugtuung, Bisasam vor Schmerzen hilflos zuckend am Boden zu sehen, flaute meine Aggression ab.
    „Sheinux... Sheinux hat Bisasam besiegt...“, hörte ich die völlig perplexe Stimme des Ringrichters in meinen Ohren klingeln, während ich noch nach wie vor meinen zu Boden gegangenen Gegner fest im Visier hatte. „Damit haben wir unseren ersten Finalteilnehmer. Stan Leonheart mit seinen beiden Pokémon: Feurigel und Sheinux.“
    Mein ganzer Körper erschauderte jäh. Blitzartig hatte sich mein gesamter Hass aus meinem Körper verflüchtigt.
    „Feurigel, verdammt!“, rief ich bangend und rannte zu ihm hinüber. Mir schwante böses.
    „Feurigel, hey? Kannst du mich hören? Hallo?“ Ich stupste ihn leicht an, in der naiven Hoffnung, dass er nur vor Erschöpfung eingeschlafen war. Doch Feurigel rührte sich kein Stück. Doch er atmete; wenn auch sehr schwach.
    „Stan! Schnell! Hier wird Hilfe gebraucht!“
    Mein zur Salzsäule erstarrter Trainer verstand sofort. Ohne zu zögern rannte er zu mir und meinem bewusstlosen Kameraden hinüber. Auch Phil O’Brien näherte sich. Stan beugte sich angsterfüllt über den zerbeulten und ausgezehrten Körper Feurigels.
    Der Ringrichter, welcher soeben auch den Ort des Geschehens erreicht hatte, griff eilig in seine Tasche und zückte ein kleines, weißes Kunststoffgerät hervor, was ich sofort als eines dieser Telefone identifizieren konnte, mit denen ich schon so manch einen Reisenden in meinem Revier herumstolzieren sah.
    „Medizinisches Personal bitte sofort zum Raum 002. Ein Notfall.“

  • Komidienst ist da : D Dann fang ich mal ohne groß zu fackeln an:


    Fehler: Sorry keine gefunden, oder besser, mir ist keiner ins Auge gesprungen. Fehler suchen ist ja nicht so sehr mein Ding. Bin nur auf zufällig auf einen gestoßen, der vom Word als Fehler erkannt wird (siehe rot gestrichenes im nächsten Zitat). Gehört klein geschrieben, aber ehrlich, mir wäre das nicht aufgefallen…


    Inhalt:

    Zitat

    Gestern noch hatte man mich aufgrund meines Verhaltens vom Tisch verwiesen und heute schienen die Menschen am Liebsten bei jedem von Feurigels Rülpsern einen Luftsprung vor Freude zu machen.

    Die Stelle musste ich einfach zitieren. Einfach nur genial :D


    Ein echt spannendes Kapitel, das muss ich schon sagen. Ray vs Zhana und Stan vs Phil (ja im Grund genommen haben die Pokemon gekämpft, nicht die Menschen, wenn man aus Sheinux/Fukano Philosophie betrachtet). Man konnte die Spannung richtig knistern hören XD Die verschiedenen Taktiken fand ich richtig genial bzw wie du die Fähigkeiten der Pokemon beachtet hast (ich kenne einige Beispiele, wo das einfach außeracht gelassen wurde...) Ist ja logisch, dass eine Rauchwolke nichts gegen Zubat anhaben konnte, genau so, dass man ein schlafendes Pokemon nicht verwirren kann. Einzig und allein bei Horroblick kann man sich streiten, aber nach dem Spiel eher funktioniert das auch, wenn das Pokemon schläft : D Die Knockouts fand ich auch super. Schwalboss hat einfach den Gegner aus dem Ring gewirbelt, Feurigel hat einfach einen Feuerfontäne gegen das saugende Zubat verwendet und wurde letztendlich von Efeu umschlungen und... ziemlich armes Vieh :/ Im Ernst, wer bei so einem Kampfende begeistert Klatschen würde, hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Sheinux Auszucker, die betroffene Menge und der Anruf des Ringrichter hat quasi das Kapitel in einer recht emotionalen Stimmung beendet. Ich frag mich nur, weswegen Stan Sheinux nicht in den Kampf schicken wollte…
    Tja was gibt es sonst noch zu sagen... ah ja. Den Kampf Cecilia vs Eric hast du quasi ausgelassen, was eigentlich gar nicht mal so schlecht war, da der Kampf nicht wirklich relevant war. Trotzdem hätte es sicher noch "elegantere" Methoden gegeben, als einfach Sheinux ein bisschen ein dösen zu lassen, den Kampf zu überspringen. Was weiß ich, dass einer der Trainer nur Kapadors im Team hat, welche anschließend alle eilig vom Ring geplanscht waren… ok das wäre unlogisch aber wie wäre es, dass beide Trainer ein Woingenau verwenden, weswegen der Kampf mit Schere, Stein, Papier entschieden werden musste... ok blödes Beispiel^^" Naja du weißt (hoffentlich) was ich meine.


    Allem in allem ein sehr spannendes, unterhaltsames und dramatisches Kapitel
    Freue mich schon auf mehr^^


    mfg Blackdraco

  • Huhu Eagle^^ *huray* Endlich hab ich es geschafft mir deine FS durchzulesen *-* Sie ist echt toll, ich bin sehr begeistert


    Auf Fehlersuche bin ich jetzt nicht gegangen, aber darin bin ich auch echt nicht gut^^
    Nur, einmal ist mir aufgefallen, dass du irgendwo „Erdbeeren“ oder „Erdbeer-Feld“ geschrieben hast. Ich weiß nicht ob es absichtlich ist, aber ich dachte vielleicht, dass es dort keine Erdbeeren gibt, sondern Pfirsifbeeren oder so^^


    Deine Art zu schreiben gefällt mir, erst mal, dass du in der Ich-Perspektive so spannend und Personalbezogen schreiben kannst… Respekt! Sheinux ist frech und selbstbewusst und das wird einem durch deine Schreibweise echt gut verdeutlicht. Seine Kommentare zu gut wie allem bringen mich immer wieder zum lächeln. Besonders toll finde ich es, wie du es schaffst die gegnerischen Pokémon zu beschreiben, denn es sollte Sheinux ja nicht klar sein, welches Pokémon gerade vor ihm steht. Da beneide ich dich sehr, ich konnte mir Pikachu und die Anderen wirklich bildlich vorstellen, einfach super. Außerdem mag ich deinen Geschmack an Pokémon, die du einbaust, das ist wirklich eine tolle Mischung, die gefällt mir. Von Feuriegel bis hin zu Stolrak… einfach toll gewählt^^ Hast du dich an den Pokemon der Hoehn-Region orientiert? Ich liebe diese Generation und bin, wie schon gesagt, begeistert von der Wahl *-*


    Dann mag ich es, wie du die Redewendungen so gut umformen kannst, z.B.


    Zitat

    Wie ein wildes Tauros, kurz vor dem alles entscheidenden Angriff, schürfte er mit seinem rechten Vorderbein über den Boden.


    Sowas mag ich einfach, Kreativität ist einfach wichtig und du bekommst das wirklich gut hin!


    Weiter zu deinen Charakteren… sie sind einfach genial. Einerseits das Sheinux, wie ich ja schon sagte, so selbstbewusst, frech und dennoch ehre bewusst und andererseits der schüchterne und teilweise sehr ängstliche Stan. Auch wenn mir Stan etwas leid tut (ich fühle mit ihm^^), mag ich es, wie du seine Art so vielfältig beschreiben kannst. Ich bin gespannt was noch kommen wird was Stan noch so erwarten wird.


    Dann zum Inhalt…
    Wirklich atemberaubend… Von den lustigen bis hin zu den spannenden Stellen einfach genial. Ich liebe es, eine Geschichte zu lesen in der man auch mal über spaßige Szenen stolpert und dass ist deiner Geschichte nicht zu selten der Fall. Immer wieder schmunzele ich über die Kommentare von Sheinux. Allein der Gedanke, dass er auf Mülltonne sieben, statt auf Wolke sieben steht, bringt mich wieder zum kichern. Auch, dass Sheinux so gut wie alles mit einer Mülltonne in Beziehung stellt und dass dann noch als positiv empfindet ist wirklich amüsant.
    Das Ehre Gefühl von Sheinux gefällt mir. Stan hat es gerettet (sogar inzwischen zweimal^^) und daher möchte er seinen Trainer auch retten, um von der „Schuld“ befreit zu sein. Cool, dass du auf so eine Idee kamst. Ebenfalls super ist, dass Stan so viel an Sheinux liegt, und dadurch kommt der Haupt-Protagonist ja auch hier und da zum Nachdenken. Supi!
    Die spannenden Szenen bekommst du auch gut hin. Hier und da hoffe ich, dass noch mehr geschieht (liegt wahrscheinlich an meinem Drang zur Dramatik und Action^^), aber so wie du es hinbekommst ist es einfach am besten. Das Ende birgt sehr viel, denn ich möchte unbedingt wissen, was mit Feuriegel geschieht. Ganz schön reizvoll machst du den Schluss. Das sonst so verschlafene Feuerpokémon scheint erstmals richtig in der Klemme zu stecken. Bin ebenfalls gespannt, wie Stan damit umgeht. Den hab ich schon richtig ins Herz geschlossen^^ Er tut immer so unbedeutend und klein, ich hoffe er wird noch zeigen (oder Sheinux wird ihm dabei helfen^^), was er alles kann. Er ist wirklich mein Favorit, aber wie schon gesagt, mag ich auch all die anderen Charaktere.
    Hach… ich freu mich einfach wenn‘s weiter geht *-*


    Weiter so Eagle, ich mag deine Schreibkunst!
    LG


    PS: Du kannst mich gerne auch per PN benachrichtigen, wenn du weitergeschrieben hast^^

  • Kapitel 13: Das Finale


    Part 1: Geheimniskrämerei


    „Du hast wirklich umwerfend gekämpft. Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass du soviel auf dem Kasten hast. Ich selbst hätte es fast nicht besser machen können.“
    „Ohne Stans und deine Hilfe, hätte ich nicht einmal den ersten Kampf von Runde eins heil überstanden...“
    In einer kleinen Runde bestehend aus Feurigel, der mit wohlriechenden Salben einbalsamiert, und mit schneeweißen Bandagen an seinem ganzen Körper versehen im Bett unseres Quartiers lag, Stan, am Fußende selbigen Bettes stillschweigend und mit völlig unergründlicher Miene sitzend, zwei Mitglieder des medizinischen Personals, die sich leise am anderen Ende des Raumes unterhielten, und mir. Ich hatte zu Feurigels Seite Platz genommen und redete sanft auf ihn ein.
    „Meine Unterstützung vielleicht. Aber doch nicht die von Stan“, schnaubte ich. „Er allein ist schließlich der Grund, warum wir überhaupt an diesem albernen Schauspiel menschlicher Ignoranz teilnehmen müssen. Wobei ich ehrlich gesagt zugeben muss, dass mir persönlich der Nervenkitzel gefällt.
    „Mag sein, aber ohne seine Anleitung, wäre die Geschichte wohl ganz anders ausgegangen“, erwiderte Feurigel und schüttelte leicht den Kopf.
    „Zieh dich doch nicht so runter. Du hast viel mehr zu bieten, als du dir vielleicht eingestehen willst“, sagte ich aufbauend. „Ich wüsste nicht, was ich hätte besser machen können.“
    Unter seinen Verbänden schimmerte ein leichtes Rot auf seinen Wangen.


    Einige Sekunden lang war der Raum nur noch mit dem leisen, geheimnisvollen Getuschel der beiden Ärzte erfüllt, die Feurigel vor wenigen Minuten zusammengeflickt hatten.
    „Apropos...“, murmelte Feurigel und wendete leicht seinen Kopf in meine Richtung. „Da gibt es etwas, was ich dich unbedingt fragen will.“
    Ich konnte mir ein etwas verlegenes Grinsen nicht verkneifen.
    „Mein Erfolgskonzept, richtig?“, schwärmte ich verträumt. „Tja, da bist du nicht der Einzige, der mich danach ausfragt.“
    „Also eigentlich...“
    „Sheinux’ Weg ins Glück, ein einhundert Punkte Konzept für eine sorgenfreie und glückliche Existenz, ist ein strenges Regelwerk, nach dem es sich aber zu leben lohnt, sag ich dir. Angefangen mit “Morgenstund hat Blech im Mund: Richtig aufwachen in nur drei Schritten“, über “Frühstück auf leicht metallische Art: Die richtige Mülltonne für das richtige Pokémon, denn nur das Beste ist gerade gut genug“, bis hin zu “Eine Mülltonne voll Schlaf: Gesunder Schlaf für ein strahlendes, himmelblaues Fell“. Nicht zu vergessen die goldene zehn Punkte Regel für die perfekte...“
    „Ich meinte eigentlich...“, unterbrach mich Feurigel abrupt, noch bevor ich überhaupt richtig in Fahrt gekommen war. „...warum ich, und nicht du, die ganze Zeit über Stellung im Ring beziehen musste. Sagtest du heute morgen nicht, dass du eigentlich das Turnier schlagen wolltest. Korrigier mich, wenn ich mich täusche, aber Stan schien irgendwie ganz und gar nicht davon angetan zu sein, dich auch nur eine Sekunde kämpfen zu lassen. Übrigens macht dein Fell eher einen türkisfarbenen, als einen himmelblaufarbenen Eindruck... Äh Sheinux? Hörst du mir überhaupt zu? Hallo?“


    Feurigel hatte mich mit seiner Frage schlagartig auf den kleinsteinharten Boden der Tatsachen zurückbefördert. Auch ihm war es nicht entgangen, dass Stan mich einfach nicht kämpfen lassen wollte – warum auch immer. Betrübt lies ich mich nach einigen Augenblicken des tiefen Nachdenkens rücklings auf das weiche Kissen am Kopfende des Bettes fallen und starrte an die triste Zimmerdecke unseres Quartiers. Mir wollte es einfach nicht in den Kopf, warum sich Stan so vehement dagegen wehrte.
    Langsam machten sich heftig pulsierende Schmerzen, wohl vom vielen Nachdenken, in meinem Kopf breit und verhinderten, dass ich auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte. Über Stans idiotischem Verhalten und meine eigene Schwäche verärgert, fluchte ich laut auf. Kleine Funken entwichen auf meinem Fell und verpufften in der Luft, während mein Herz von all meinen aggressiven Gefühlen angestachelt, unbarmherzig gegen meinen Brustkorb hämmerte. Wäre das Kopfkissen aus Fleisch und Blut, hätte es wohl plötzlich laut vor Schmerz aufgeschrieen, als sich meine Krallen immer weiter in seinen unschuldigen Stoff bohrten.
    „Entschuldige“, murmelte Feurigel kleinlaut. „Konnte ja nicht ahnen, dass dir die Farbe deines Fells so wichtig ist...“
    Mit Feurigels eingeschüchterter Entschuldigung, war mir schlagartig noch elender zumute, als mir ohnehin schon war. Feurigel konnte nichts für mein Elend. Ich durfte meinen Zorn über meine missliche Lage nicht an ihm auslassen. Mit schuldbewusster Miene schüttelte ich den Kopf.
    „Das ist es nicht...“, murrte ich. „Vielmehr...“


    Zeit, meine Ausfertigung zuende zu bringen, bekam ich nicht, denn genau in diesem Moment klopfte es laut an unserer Zimmertür.
    Selbst die beiden nach wie vor heftig aufeinander einredenden Ärzte stoppten zum ersten Mal ihre Unterhaltung. Jeder, mich eingeschlossen, schaute auf unsere massive, kiefertonfarbene Zimmertür. Ereignislos zogen die Sekunden herum. Erneut pochte es an unsere Türe. Nun waren alle Blicke auf die regungslose, schneeweiße Gestalt Stans gerichtet, offensichtlich in der Erwartung, dass er dem Gast vor unserer Schwelle Einlass gewähren würde.
    „Nun mach schon!“, zischte ich Stan entgegen, nachdem es ein weiteres Mal, heftiger als die beiden Male zuvor, an unserer Tür hämmerte.
    Nach einigen weiteren Sekunden des Zögerns, erhob sich Stan schließlich, wenn auch langsam, und öffnete unserem Besuch die Pforte.


    Uns bot sich ein ungewöhnlicher Anblick, als niemand anderes als der Ringrichter des Turniers, zum ersten Mal weder mit Klemmbrett noch mit Mikrophon bewaffnet, in unser Quartier eintrat.
    „Hallo“, begrüßte er uns gut gelaunt und schaute breit grinsend in unsere kleine Runde. „Wie geht es Feurigel?“ Er linste interessiert zu mir und Feurigel hinüber.
    „Warum fragst du ihn nicht selbst? Von Stan hier wirst du wohl keine gescheite Antwort bekommen...“, brummte ich.
    „G-Gut. Danke...“, murmelte Stan und ließ sich wieder auf seinen Stammplatz am Fußende des Bettes nieder.
    Die beiden Ärzte nickten dem Neuankömmling zu und vertieften sich gleich wieder in ihre private Unterhaltung.
    „Mich bringt die Nachricht, über den Ausgang des zweiten Kampfes der zweiten Runde zu dir.“
    Ihr könnt euch sicherlicht vorstellen, dass mein Interesse an dieser bislang recht langweiligen Unterhaltung schlagartig geweckt wurde, obwohl ich jede prallgefüllte Mülltonne dieser Welt verwetten hätte können, dass ich die Antwort bereits wusste. Selbst meine Kopfschmerzen waren auf einmal wie aus dem Kopf gefegt.
    „Der Name deines Gegners im Finale lautet Ray Valentine, aus Malvenfroh City.“


    Sollte ich nun über diese Nachricht froh oder eher bestürzt sein? Ich wusste es in jenem Moment einfach nicht. Einerseits fieberte ich der Begegnung mit Voltenso seit unserer ersten Begegnung entgegen. Andererseits sträubte sich tief in meinem Inneren irgendetwas dagegen, mich mit ihm zu messen. Aber keinesfalls Angst, klar?!
    „Das Turnier wurde zur Mittagspause für insgesamt zwei Stunden unterbrochen. Wir sehen uns dann pünktlich um 14:00 Uhr zum Endrundenkampf“, sagte der Schiedsrichter und wendete sich wieder dem Ausgang zu.
    Stan richtete sich so ruckartig auf, dass das Bett erzitterte.
    „Also um ehrlich zu sein...“
    Der Ringrichter, seine Hand bereits an der Türklinke liegend, schaute neugierig über die Schulter.
    „Ja?“
    „Um ehrlich zu sein...“, wiederholte Stan und schnappte nach Luft. „Würde ich gerne aussteigen.“


    Hatte ich mich eben verhört, oder sagte Stan gerade tatsächlich „aussteigen“? Doch Feurigels ebenfalls völlig verdutzter Gesichtausdruck zu Folge, täuschte ich mich keineswegs. Doch noch vor dem eigentlichen Kampf das Handtuch zu werfen, kam für mich absolut nicht in Frage. Besser in einer aussichtslosen Schlacht zu Boden zu gehen, als sich wie ein Feigling in einem finsteren Loch zu verkriechen.
    Erbost richtete ich mich auf.
    „Was soll das heißen, “aussteigen“?“, riefen der Schiedsrichter und ich wie aus einem Mund.
    „Du kannst doch jetzt nicht einfach aussteigen!“, hakte der Schiedsrichter nach. Ihm stand der Schreck ins Gesicht geschrieben.
    „Willst du mich etwa vor allen Leuten lächerlich machen“, tobte ich, schäumend vor Wut.
    Stan, von uns heftig torpediert, schrumpelte plötzlich wieder auf seine gewohnte Größe zusammen.
    „Es ist eben...“, murmelte er.
    „Ja?“, fragten der Schiedsrichter und ich im Chor.
    „Feurigel...“, antwortete Stan.
    „Was ist mit ihm? Er kommt schon wieder auf die Beine. Oder willst du mir etwa weismachen, dass du außer ihm kein anderes Pokémon besitzt?“, fragte der Ringrichter bestürzt. Seine Augen huschten zu mir hinüber.
    „Du hast ja immerhin noch dein Sheinux, oder?“
    „Ja, schon, aber...“
    „Dann ist ja alles klar“, sagte der Schiedsrichter. Dem Klang seiner Stimme nach, war die Unterhaltung für ihn beendet. „Wir sehen uns dann in alter Frische um 14:00 Uhr. Bis später.“


    Mit dem Verschwinden des Ringrichters, kehrte wieder die vertraute Ruhe in unsere Runde ein. Stan schien wie vom Blitz getroffen zu sein. Ausdruckslos und leer starrte er auf die Tür, durch die unser Gast vor wenigen Augenblicken entschwunden war.
    „Ich... Ich kann nicht...“, murmelte er leise, lies sich wieder auf das Bett sinken und legte seine rechte Hand über die Hälfte seines Gesichts.
    Abermals schoss mir, unter meinem vor Zorn immer schneller werdenden Puls, das Blut in den Kopf. Warum nur? Warum wehrte sich Stan so verbissen, mich für ihn Kämpfen zu lassen. Er hatte doch nichts zu verlieren, also was sollte das? Außerdem hatte mich doch bereits einmal kämpfen lassen und das war noch gar nicht allzu lange her. Kurz bevor wir Feurigel trafen. Was kam danach?


    Die Schmerzen in meinem Kopf gewannen mit jeder weiteren Sekunde an Intensität. Doch versuchte ich krampfhaft meine Gedanken irgendwie zu ordnen.
    Ein Picknick im Grünen, unsere Ankunft in Oliviana City worden war, eine ruhige Nacht in einem Pokémon-Cen...
    Bilder und Geräusche, tauchten plötzlich schleierhaft vor meinem inneren Auge auf und verschwanden so schnell wieder, wie sie gekommen waren. Scheinbar niemals endende Häuser, die in den Himmel ragten, eine mit Menschen überfüllte Straße, der widerwärtige Geruch von verbrannten Gummi, und dann...
    Ich stockte abrupt. Mein Magen machte rege Anstalten, sich übergeben zu wollen. Ein riesiges, röhrendes, metallisches Ungeheuer, dass sich heimtückisch auf mich stürzte. Der Tag, an dem ich beinahe zu einem Bettvorleger fabriziert worden war.
    Eine Stimme, so zart und doch so schmerzhaft wie tausend kleine Nadeln, hämmerte mir durch den Kopf.
    “Du solltest ihn jedoch vorerst nicht einem solchen Trubel, wie dem lebhaften und lärmenden Stadtleben aussetzen und schon gar keinen Kämpfen.“
    Ich hatte diesen kleinen Zwischenfall schon beinahe innerlich völlig verdrängt. Doch war dieses Ereignis wohl der eigentliche Grund, warum wir nun auf diesem Dampfer in der Weltgeschichte herumgondelten.


    Das war die Erklärung. Die wohl einzige, logische Schlussfolgerung. Ich richtete mich unter Feurigels fragenden Blick, der auf mir wie eine matschige Pirsifbeere klebte, auf. Langsam schweiften meine beiden Augen zu der Gestalt meines Trainers hinüber, der stillschweigend und offenbar selbst tief in Gedanken versunken am Fußende des Bettes saß.
    Die Nervosität stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, als sich unsere Blicke kreuzten.

  • Part 2: Kein Weg zurück


    Obwohl plötzlich alles für mich Sinn ergab, wollte ich es dennoch nicht richtig glauben. War ich nicht mit der Reise an Bord dieses idiotischen Schiffs genug bestraft? Musste ich mich jetzt auch noch im Schatten der anderen zu Tode langweilen? Auch wenn ich im Grunde genommen eine tiefe Abneigung gegen diese Schaukämpfe hegte, war es dennoch nicht fair. Jeder schien sich königlich zu amüsieren. Das Publikum, die Teilnehmer, der Ringrichter, einfach jeder. Bis natürlich auf Stan, Feurigel und ich.


    Stans Augen huschten unter meinem anhaltenden, eisigen Blick zu Boden, was mich nur noch mehr in rage versetzte. Eigentlich konnte ich mich ja geschmeichelt fühlen. Schließlich wurde mir noch nie in meinem Leben ein solches Mitgefühl und Sorge um mein persönliches Wohl zuteil. Doch hatte ich das überhaupt nötig? Wer, wenn nicht ich, wusste wohl am Besten, was für mich das Beste war? Niemand, aber absolut niemand, selbst nicht mein Lebensretter hatte das Recht, Entscheidungen von solch einer Bedeutung für mich zu treffen.
    Das Bild meines Trainers verwandelte sich vor meinem inneren Auge zu der hämisch grinsenden Gestalt Voltensos. Sein bellendes Lachen drohte mein Trommelfell in Stücke zu zerreisen.


    „Alles in Ordnung mit dir?“, hörte ich die vorsichtig klingende Stimme Feurigels aus der Ferne ertönen, während sich meine Krallen immer tiefer in das Betttuch schlugen.
    „Ich werde kämpfen!“, sagte ich. Meine Stimme klang in jenem Moment zwar merkwürdig fremd, doch mein Entschluss war gefasst.
    „Äh, was?“, fragte Feurigel und musterte mich verdutzt.
    „Ich werde kämpfen!“, wiederholte ich und hörte dabei wieder meine vertraute Stimme aus meinen Worten heraus. „Egal was mein oller Trainer, irgendeine blöde Krankenschwester oder sonst wer sagt!“
    Feurigel schien über meine Worte mehr als nur verwirrt zu sein. Kein Wunder: Schließlich hatte er nichts über die Vorfälle in Oliviana City mitbekommen. Doch in einem schien er sich klar zu sein.
    „...Okay“, sagte er. „Dann ist also für die Verpflegung für den Rest der Reise gesorgt?“
    Tja, das war eben Feurigel, wie er leibte und lebte. Magen vor allem anderen. Doch wie konnte ich ihm böse sein? Er hatte seinen Soll erfüllt. Nun war ich an der Reihe.
    Ich nickte ihm, felsenfest von meinem Sieg überzeugt, zu.


    Essen war auch das Stichwort, als es plötzlich abermals an unserer Zimmertür klopfte. So dämlich der Dampfer auch immer war; wenn es ums Essen ging, war der Service einfach unschlagbar. Zwei, in schneeweiße Trachten gekleidete Stewards, betraten unser Quartier, nachdem sie ungefähr eine Minute vor verschlossener Tür ausharren mussten, bis Stan ihnen Einlass gewährte. Mit einer demütigen Verbeugung verließen sie, so schnell wie sie gekommen waren, unser Quartier, aber nicht ohne das, auf zwei Silbertabletten servierte Festmahl, demonstrativ auf unseren Tisch aufzutragen. Das vor wenigen Augenblicke noch mit duftendem Balsam und Heilsalben erfüllte Zimmer, nahm schlagartig den Geruch von pürierten Kartoffeln, unterschiedlichem Gemüse, delikatem Fisch, ofenfrischem Brot, süßem Obstsalat und... sicherlich äußerst vorzüglicher und wohlschmeckender Pokémon-Trockennahrung an.


    „Wir werden Sie dann nun allein lassen“, sagte einer der beiden Ärzte, die Feurigel liebevoll umsorgt hatten, während sich sein Kollege noch einmal um das Wohlergehen seines Patienten vergewisserte.
    „Okay...“, murmelte Stan tonlos.
    „Feurigel wird in ein paar Tagen wieder auf den Beinen sein. Bis dahin sollten Sie ihm aber keinen körperlichen Belastungen aussetzen. Wir werden gegen 18:00 Uhr noch einmal nach ihm sehen und die Verbände wechseln.“
    Man brauchte kein Gedankenleser zu sein, um die Gefühle meines Trainers zu deuten. Seine Mimik sprach mehr als tausend Worte. Hatte er wirklich allen ernstes geglaubt, Feurigel könnte abermals für ihn in den Ring steigen und seine Schlacht schlagen? Töricht, wenn ihr mich fragt. Doch Stans bitterer Enttäuschung zufolge, die ihm förmlich ins Gesicht gemeißelt war, hatte er sich tatsächlich, bis zu eben diesem Augenblick, verzweifelt an diese vage Hoffnung geklammert.


    „Also dann...“, verabschiedete sich das medizinische Personal auf Stans nicht verlautenden Abschiedsgruß und verließ das Zimmer. Mit ihrem Verschwinden war unsere kleine Runde nun auf Stan, Feurigel, mich und natürlich unserem köstlich duftendem Mahl zusammengeschrumpft.
    Feurigels, wie auch mein Blick ruhte auf der stillschweigenden Figur unseres Trainers. Nach gefühlten zehn Minuten des stummen Angaffens, riss mir allmählich, wie schon so oft, der Geduldsfaden. Ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, sprang ich von dem weichen Bett herunter, stolzierte hoch erhobenen Schwanzes zum Tisch hinüber, hüpfte auf den vierbeinigen mahagonifarbenen Holzstuhl und schließlich auf die Tischoberfläche, wo ich mich auch gleich über mein wohlverdientes Mahl hermachte.


    Ein knarzendes Geräusch zu meinem Rücken verriet mir, dass sich auch Stan soeben erhoben hatte. Leise schlurfte er zu mir und unserem Bankett herüber.
    „Bedien dich...“, rülpste ich mit dem Mund voller Kartoffelbrei. „Aber Finger weg von dem Fisch, klar! Kannst dich dafür an dem komischen Grünzeug auslassen. Dem trau ich nicht weiter über den Weg, als ich es riechen kann.“
    Stan stöhnte leise und griff sich eine gläserne Schale voller Pokémon-Nahrung.
    „Oder so...“, murmelte ich. „Guten Appetit, wünsche ich.“


    Gemein? Ich? Nun ja, vielleicht... Aber ihr müsst euch eben mal in meine Lage versetzen. Mein einziger Lebensinhalt war bislang immer, mein Revier vor unerwünschten Eindringlingen zu verteidigen und dann bei Feierabend auf eine Dose Limo in meine Lieblingsmülltonne einzukehren. Sicherlich euch für auch der perfekte Lebensinhalt. Doch mit einer Reise an der Seite eines Menschen, ist nun mal alles anders. Alles was für mich bislang immer selbstverständlich war, war in Stans Augen nun auf einmal falsch und auch die Welt schien sich völlig zu wandeln. Aus wohlriechendem grünem Gras wurde harter Beton, aus satten Obstbäumen die hässlichen Fassaden von Menschenhäusern, und statt zu tun und zu lassen was ich wollte, galt es nun das Hosenbein meines Trainers zu hüten. Ganz zu schweigen die Tatsache, dass Mülltonnen nur noch Kunstobjekte waren, die es anzusehen, aber bloß nicht anzufassen galt.
    Aber mir das Privileg zu nehmen, meinen Widersacher meine unangefochtenen Besitzansprüche, und wer hier überhaupt das Sagen hat klar zu machen, war nun mal der Gipfel. Hatte man überhaupt schon einmal so etwas irrsinniges gehört? Statt auf meine breite und umfangreiche Lebenserfahrung zu hören, den Worten irgendeiner dahergelaufenen, mit Spritzen bewaffneten Psychiaterin glauben zu schenken... Ich brauche wohl nicht weiter darauf einzugehen, oder?


    Feurigels gierigem Geschmatze zu urteilen, hatte Stan soeben ihm seine Mahlzeit verabreicht. Abermals näherte sich Stan mir und den wenigen, von mir noch nicht angerührten Happen.
    „Kannst du alles essen. Ich habe keinen Hunger...“, murmelte er.
    „Umso besser“, schlürfte ich genüsslich.
    „Ich mache einen kleinen Spaziergang. Bis später“, sagte Stan und kehrte mir wieder den Rücken zu.
    „Vor 14:00 Uhr bist zu zurück, klar?“ rief ich ihm nach, noch ehe die Tür ins Schloss gefallen war.


    Eine Weile lang war unser nun menschenfreies Quartier nur noch von Feurigels und meinem Schlürfen und Schmatzen erfüllt. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Menschen waren zwar merkwürdige Geschöpfe, aber vom Essen zuzubereiten verstanden sie wirklich eine Menge.
    Nach meiner ausgiebigen Mahlzeit spürte ich die altbekannte Müdigkeit in mir hochkommen. Unser großes Bett wirkte auf einmal einladender denn je. Mein Blick huschte schläfrig auf den stumm tickenden, kreisrunden Chronometer. Buchstaben waren eine Sache, aber Zahlen, ja die verstand ich noch. Der kleine Zeiger deutete etwa auf eine eins, während der große Zeiger sich seinen Weg langsam aber sicher in Richtung der großen zwölf bahnte. Was das aber nun bedeutete, wusste ich allerdings nicht. Man kann ja eben nicht alles können, oder?


    Es war Stans unruhig klingende Stimme und das rhythmische Schaukeln, das mich abrupt aus meinem kurzen, traumlosen Schlaf riss. Langsam öffnete ich meine noch recht schweren Augen.
    „Was ist denn los...?“, murrte ich verdrießlich und rieb mir den Sand aus den Augen.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass sich die Umrisse der Menschen, Wände und Türen um mich herum bewegten. Ich musste feststellen, dass ich mich in den Armen meines Trainers befand.
    „Was soll das?“, rief ich halb bestürzt, halb verärgert.
    „Zu spät...“, schnaufte Stan völlig außer Atem. „Wo war noch mal Raum 002...?“
    Mir klappte der Kiefer nach unten.
    „Zu spät?“, wiederholte ich geschockt. „Du bist auch zu nichts zu gebrauchen!“
    Mit einem Satz sprang ich von den mageren Armen meines Trainers und fand wieder sicheren Fuß auf den mit Holzbrettern bekleideten Fußboden.
    „Mir nach! Ich kenn den Weg.“


    Ganz verkehrt hatte uns Stan zwar nicht gelotst, aber letztendlich war es meinem makellosen Orientierungssinn zu verdanken, dass wir keine zwei Minuten später die großflüglige Tür des Raums 002 erreichten. Ein Schwall von Begeisterung und Euphorie kam uns entgegen, als wir uns schwer atmend und in Stans Fall mit heftigem Seitenstechen, unseren Weg in Richtung des Kampffeldes bahnten. Ray, unser Gegner, hatte bereits seine Stellung am linken Spielfeldrand bezogen und blickte argwöhnisch in unsere Richtung. De Gestalt des Schiedsrichters tauchte vor uns auf.
    „Na endlich!“, seufzte der, wieder mit Klemmbrett und Mikrophon bewaffnet, erleichtert. „Ich dachte schon ernsthaft, du hättest mich hängen lassen.“
    Stan mied seinen Blick und schien mal wieder die Krümel auf dem Boden zu zählen.
    „Ist ja auch egal...“, antwortete der Ringrichters auf Stans Schweigen. „Wichtig ist nur, dass du hier bist. Dann kann es ja los gehen.“
    Sein Mikrophon gezückt, stolzierte er sichtlich erleichtert in die Mitte des Rings.
    „Meine sehr verehrten Damen und Herren“, verkündete er fröhlich. „Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung. Was lange währt, wird endlich gut! Ich freue mich Ihnen mitzuteilen, dass unser Finale in wenigen Augenblicken starten wird.“
    Das Stadion schien vor Ekstase förmlich zu explodieren. Ein noch nie da gewesener Sturm von Beifall, Pfiffen und Jubelrufen regnete von der Tribüne auf uns hinab.
    Ich spürte wie meine Wangen ein leichtes rot annahm. Kein Wunder, schließlich waren sie alle nur gekommen, um mich kämpfen zu sehen.
    „Acht Teilnehmer haben an unserem Turnier teilgenommen, doch nur zwei haben es bis in die Endrunde geschafft. Es erfüllt mich mit Stolz, Ihnen unsere beiden Finalisten vorzustellen.
    Zu meiner Linken...“, mit weit ausgestecktem Arm deutete er auf Stan und mich, „...haben wir Stan Leonheart aus Azalea City.“
    Stan zuckte bei dem Klang seines Namens leicht zusammen. Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber der Lärmpegel hatte sich mit dem Verkünden des Namens meines Trainers noch einmal erhöht.
    „Stan hat mit seinem Pokémon Feurigel eine nahezu einwandfreie erste Runde hingelegt. Auch in der zweiten Runde glänzte Feurigels Kampfeseifer, wo er seinen Gegner eindrucksvoll auf die Matte beförderte. Leider musste er sich aber schließlich und endlich vor dem seinem vierten Gegner geschlagen geben. Sheinux konnte diesen gefährlichen Gegner aber spielend besiegen und ebnete Stan somit den Weg ins Finale.“
    „Zu meiner Rechten: Ray Valentine aus Malvenfroh City“
    Es war nicht herauszuhören, wessen Applaus größer war: Stans oder Rays.
    „Zwar unterlag in der ersten Runde noch sein Stollrak gegen eine wirklich engagierte und temperamentvolle junge Trainerin, doch konnte er sich durch die Stärke seines Voltensos einen einwandfreien Weg in die Endrunde bahnen. Mit Spannung erwarten wir nun, wer, Stan Leonheart oder Ray Valentine, siegreich aus diesem Kampf hervorgeht und den, Ruhm, die Ehre und ein Preisgeld von Fünfundzwanzigtausend Pokédollar nachhause trägt.“
    „Trainer...“, sagte der Ringrichter und schaute abwechselnd zu den beiden Spielfeldseiten, „...ich würde sagen, wir haben unsere Zuschauer lange genug auf die Folter gespannt. Ich sage nun die Worte, auf die Sie so lange warten mussten: Ring frei!“


    Endlich. Meine Stunde war gekommen. Mein ganzer Körper kribbelte förmlich vor Begeisterung und natürlich auch vor Hochspannung, mit der ich gleich meine Gegner in den Staub schicken würde. Voltenso gehörte mir. Mir ganz allein.
    Ich schaute erwartungsvoll an Gestalt meines Trainers hinauf. Formhalber wollte ich darauf warten, bis er meinen Namen glorreich in den Kampfring brüllte. Doch die Vergangenheit schien mich eingeholt zu haben. In Stans Gesicht stand nicht die Spur der Absicht geschrieben, mich für ihn kämpfen zu lassen. Mit blankem Entsetzen musste ich feststellen, dass er an seinen Gürtel griff und einen Pokéball daran löste.
    „Los!“, brüllte er und schleuderte die rote Kugel entschlossen in den Kampfring.
    Wer oder was war hier los?

  • Was wird passieren, nachdem der Pokéball sich geöffnet hat? 12

    1. Feurigel erscheint abermals auf der Bildfläche (1) 8%
    2. Der Pokéball ist leer. Ein deutliches Zeichen der bedingungslosen Kapitulation (2) 17%
    3. Ein völlig fremdes Pokémon befreit sich aus dem Pokéball (9) 75%

    Bitte nur daran teilnehmen, wenn ihr die Geschichte auch wirklich verfolgt.

  • Huhu Eagle^^


    Du bist wirklich schnell mit deinen Kapiteln bzw. deinen Parts. Dafür kann man dich echt beneiden. Schnelle Finger und ein Kopf voller Ideen sind dazu wohl gefragt.


    Hab glaube zu Abwechslung mal ein Fehlerchen gefunden^^ Weiß aber nicht ob es wirklich eins ist

    Zitat

    Musste ich mich jetzt auch noch im Schatten der anderen zu Tote langweilen?


    "Tote" mit "d" kann, glaube ich, oder?


    Echt bemerkenswert, wie du an die Worte der Krankenschwester gedacht hast, dass Sheinux am besten noch nicht kämpfen soll. Ich selbst hätte daran bestimmt nicht gedacht. Ebenfalls bringst du die Gefühle von Sheinux gut zur Schau, als es sich in das Kissen krallt und sich fragt, wieso Stan ihn nicht kämpfen lassen will. Das hat mir echt gefallen.
    Armer Stan^^ Ich fühle richtig mit ihm. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie ihn seine Gedanken auffressen, weil er nicht weiß, was er tun soll. Aber sollte ich mir Sorgen um ihn machen? Er hat so lange schon nichts mehr gegessen xD
    Das Ende machst du ja ganz schön spannend. Bin sehr gespannt wies weiter geht, und was sich jetzt in dem Pokéball verbirgt. Ich denke es ist ein anderes Pokémon, oder?^^


    Supi, mach weiter so *-*

  • Part 3: Alle Klarheiten beseitigt?


    Fassungslos starrte ich der, wie in Zeitlupe wild durch die Luft rotierenden Kugel, nach. Wie nur? Wie bei allem was mir lieb und teuer war konnte das sein? Hatte Stan nicht einst, gerade als wir uns kennen gelernt hatten, verlauten lassen, dass ich sein ersten Pokémon war, welches ihn auf seiner Reise begleitete? Und war ich ihm in dieser Zeit auch nur eine Sekunde von der Seite gewichen? Zugegeben, da gab es ein, zwei Momente, wo ich tatsächlich meinen eigenen Dingen nachgegangen war. Aber es war völlig ausgeschlossen, dass er sich in dieser Zeit mit einem anderen meiner Art “angefreundet“ hatte. Also konnte es nur eins heißen: Feurigel.


    Kochender Zorn pulsierte in meinem Kopf. Wie konnte er nur Feurigel, wo er doch noch so schwach und gebrechlich war, erneut in den Kampf schicken? Mich vor Gefahr schützen zu wollen war eine Sache. Das dafür allerdings jemand anderes leiden musste, eine andere...
    Doch ich wollte mich in jenem Moment mit eigenen Augen von der erneuten Missetat meines Trainers überzeugen. Mein Blick fixierte den kreiselnden Pokéball. Jeden Moment würde er sich öffnen und die armselige Gestalt meines Leidensgenossen vor uns präsentieren, da war ich mir sicher.


    Das vertraute, aufploppende Geräusch sobald sich ein Pokéball öffnet, ein gleißender Lichtblitz... Etwas nahm im hellen Lichtschein auf unserer Seite der Kampffläche Form an... Etwas, doch nichts was Feurigel auch nur ansatzweise ähnelte.
    Mit seinem, vom spiegelglatten Kopf, bis hin zur letzten Schuppenplatte an der Schwanzspitze von einem matten Gold bemalt, versehen mit zwei äußerst spitzen Ohren und noch spitzer wirkenden Krallen an beiden Armen und Beinen, sowie einem Paar schwarze, eiförmige Knopfaugen, die im Scheinwerferlicht leicht glänzten, hatte die kleine Gestalt des Fremden ungefähr so viel Ähnlichkeit mit Feurigel, wie man die tölpelhafte Gestalt meines Trainers mit der seines charismatisch wirkenden Artgenossens auf der gegenüberliegenden Seite des Kampfrings vergleichen konnte.


    Wo wir gerade von tölpelhaft.... äh, meinem Trainer sprachen: Ich musste tatsächlich an der Gestalt zu meiner Rechten hinaufschauen um mich zu vergewissern, dass dies tatsächlich Stan war. Doch zweifelsohne handelte es sich dabei um niemand anderen als um denjenigen, der mir bereits zweimal das Leben gerettet hatte. Und doch war mir fast so, als blickte ich auf einen mir völlig fremden. Wie, wo und wann hatte er diese Figur im Ring aufgegabelt? Vor zwei Stunden noch der festen Überzeugung endlich von allen Machenschaften meines Trainers im Bilde zu sein, war ich nun mit meinem Latein völlig am Ende.
    „Sag mal: Wann hattest du denn vor, uns vorzustellen?“, fragte ich Stan mit kalter Stimme. Mein Blick schweifte, auf Stans Schweigen hin, wieder zurück in den Kampfring.
    Merkwürdigerweise stand dem von Stan herbeigerufenen Pokémon im Ring, wohl der perplexeste Ausdruck im Gesicht geschrieben, den man sich nur vorstellen konnte. Täuschte ich mich, oder war er noch verwirrter als ich es selbst war, was eigentlich überhaupt nicht möglich war.


    „Stan Leonheart, unser junger Trainer aus Azalea City, hat seine Wahl getroffen: Sandan hat die Bühne betreten und wartet bereits begierig auf seinen Gegner. Wir dürfen gespannt sein, wie Ray Valentine aus Malvenfroh City kontern wird.“
    Angefressen war gar kein Ausdruck für die Gefühle, die mir im Kopf herumspukten: Vulpixteufelswild traf es eher. Ja sogar der Ringrichter hatte bereits Bekanntschaft mit dem mir völlig fremden Pokémon namens Sandan geschlossen. Und ich? Jaah, warum sollte man mir überhaupt etwas sagen? Warum auch? Ist ja nicht so, dass ich irgendjemand besonderes war...
    „Warum weiß eigentlich die ganze Welt bescheid und nur ich tappe mal wieder im Dunkeln?“, fluchte ich laut.


    „Mach mich stolz: Los, Tauboga!“, rief Ray, seiner Sache offenbar recht sicher und schleuderte nun auch einen Pokéball in den Ring.
    Auf seiner Seite des Spielfeldes, beziehungsweise in der Luft, materialisierte sich ein prächtig gefiedertes Vogelpokémon. Tauboga war im Vergleich zu Schwalboss, der Ray in seinem ersten Kampf schwer zu schaffen machte, um einiges größer. Auch war im Vergleich zu Schwalboss’ sein Federkleid durch die hellen Farben auffälliger. Auch wenn Taubogas Krallen und Schnabel nicht ganz so ausgeprägt waren, wie bei seinem Artgenossen aus der ersten Runde, machten sie dennoch einen mehr als nur ernstzunehmenden Eindruck. Taubogas rubinroter Kamm flatterte lässig im Wind, während er über der Spielfeldseite seines Trainers anmutig kreiste und dabei seine potenzielle Beute scharf fixierte. Sein Flugstil hatte etwas einzigartiges. Taubogas dichtes Federkleid sorgte selbst mit der nur spärlichen Briese dieses Ortes für den perfekten Auftrieb. Mühelos und mit einer einmaligen Eleganz schwebte er förmlich in der Luft ohne auch nur ansatzweise seine Flügel bewegen zu müssen.


    „Gute Wahl“, tönte der Ringrichter. „Ray Valentine hat sich für Tauboga entschieden. Sandan wird es als Boden-Pokémon gegen diese Lufthoheit nicht leicht haben, insbesondere auf diesem Terrain. Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Stan hat in seinen beiden Vorrundenkämpfen bereits mehrmals bewiesen, dass man ihn besser nicht unterschätzen sollte. Wir dürfen gespannt sein, zu welchen Ebenen der Kampfkünste uns diese Auseinandersetzung führen wird.“
    „Wohl eher nicht überschätzen...“, schoss es mir durch den Kopf. Sicher, Stan hatte sich wacker geschlagen, aber dabei auch jede Menge Glück gehabt.
    Ich musterte die Gestalt meines Trainers. Er schien, wie schon so oft, nicht richtig von seiner Handlungsweise überzeugt zu sein. Woran ich das erkannte, fragt ihr? Nun, das war nicht schwer zu erkennen...


    „Sandan, das Mauspokèmon. Sandan lebt für gewöhnlich in trockenen Gebieten und zieht ein Leben weit unter Tage vor. Nur nachts begibt es sich an die Oberwelt um zu jagen. Sandan ist durch seinen kräftigen Schuppenpanzer gut vor seinen natürlichen Feinden geschützt. Bei Gefahr rollt es sich zum Schutz zu einer Kugel zusammen.“
    „Das hilft mir nicht weiter... Attacken, wo stehen die Attacken...?“
    Wäre damit eure Frage beantwortet? Stan war mit seiner Situation so überfordert, dass er im Schweiße seines Angesichts seinen nervtötenden Piepscomputer um Rat fragen musste. Sichtlich verzweifelt hämmerte er auf den seinen kleinen roten Ratgeber unter den verdutzten Blicken von Sandan und mir ein. Mein Trainer war wohl alles, nur nicht vorbereitet...


    „Wir legen los, Tauboga. Angriff mit Ruckzuckhieb!“, ertönte die wesentlich entschlossener klingende Stimme Rays durch das Dröhnen des Publikums zu uns hindurch.
    Noch bevor ich überhaupt realisierte, was gerade vorgefallen war, hatte Tauboga bereits seinen ganzen Körper wie einen spitzen Pfeil in die regungslose Gestalt seines Gegners geschossen. Sandan purzelte schwer getroffen einige Meter zurück und landete bäuchlings einen knappen Mauzisprung von Stans Position entfernt. Mit seiner spitzen Nase am Boden klebend, machte er nicht gerade die beste Figur.
    „Jetzt mach schon! Tu etwas du ach so toller Trainer, du!“, forderte ich meinen, nach wie vor heftig auf seinen Computer einprügelnden Trainer auf.
    „Feg ihn aus dem Ring! Noch einmal Ruckzuckhieb!“, drang Rays Stimme erneut zu uns hinüber.


    „Sandan, Einiger, schnell!“, befahl Stan.
    So wie es bereits Feurigel einige Male getan hatte, rollte sich nun auch Sandan zu einer leicht unförmigen Kugel zusammen und leuchtete dabei hell auf. Sein massiver Schuppenpanzer jedoch machte einen wesentlich stabileren Eindruck als Feurigels bloßgestellter Rücken.
    Abermals rammte Tauboga seinen Körper mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Gestalt Sandans; doch diesmal ohne ein wirkliches Ergebnis zu erzielen. Sandan hatte sich selbst nach der Wucht des Aufpralls keinen Millimeter gerührt. Tauboga, wieder anmutig in luftige Höhen kreisend, plusterte seinen mit Federn besetzten Brustkorb auf und musterte die runde Kugel fraglich.


    „Gut so“, lobte Stan sein Pokémon. „Und jetzt... – er stierte kurz auf den kleinen Monitor seines Computers – Äh, Sandwirbel!“
    „Bist du von allen guten Geistern verlassen, oder siehst du hier rein zufällig einen Sandkasten rumstehen?!“, stöhnte ich mit dem unbändigen Drang, meinen Kopf irgendwo dagegen zu schlagen. „Um mit Dreck spielen zu dürfen, hättest du wohl einen Aufpreis bei dieser Etepete-Kreuzfahrt zahlen müssen!“
    Sandan warf Stan einen zutiefst argwöhnischen Blick zu. Endlich schien auch die Gestalt zu meiner Linken das Offensichtliche zu realisieren.
    „Äh, richtig... Versuch es mit der Kratzer-Attacke.“
    Ich vergrub mein Gesicht in den Pfoten. Das war wohl die Spitze der Peinlichkeiten: Sandan hüpfte im Sekundentakt, wild mit seinen Klauen fuchtelnd, in die Luft und versuchte verzweifelt, unter dem dröhnenden Gelächter des Publikums, seinen, inzwischen gelangweilt dreinschauend, in der Luft schwebenden Gegner irgendwie zu erwischen. Das Problem an der ganzen Geschichte war einfach nur, dass Sandan nicht einmal ansatzweise in die Nähe des müde kreisenden Vogels kam. Genauer gesagt, entfernten sich seine Füße nicht einmal einen halben Meter vom Boden. Tauboga schien sich mittlerweile so zu langweilen, dass er sogar seinen Höhenflug absichtlich etwas senkte, nur um dann elegant der plumpen Attacke seines Gegners auszuweichen.


    „Das ist bitter...“, ertönte die Stimme des Ringrichters in meinen Ohren und klang dabei so, als das er gegen den Drang ankämpfe, nicht jeden Augenblick vor Belustigung in sein Mikrophon zu sabbern. „Sandan ist seinem Gegner völlig unterlegen. Zwar besitzt er dank seines beschuppten Körpers einen scheinbar unüberwindbaren Schutz, doch kann er mit Verteidigung allein diesen Kampf nicht gewinnen. Sehen sie nur die Verzweiflung in den Augen seines Trainers.“


    Oh ja, Stans Nerven lagen tatsächlich blanker als eine auf Hochglanz polierte Mülltonne. Tauboga war Sandan buchstäblich haushoch überlegen. Es hätte mich doch stark gewundert, wenn Stan diesen Kampf noch irgendwie hätte drehen können.
    „Tauboga, Flügelschlag!“
    „Einigler, schnell!“
    Das Geräusch ähnelte dem einer Peitsche, als Taubogas rechter Flügel Sandans rundes Rückenbollwerk traf. Abermals schien die Attacke des Vogelpokémons förmlich in der Luft zu verpuffen. Aber wie der Ringrichter bereits richtig erwähnt hatte: Stan konnte mit seiner defensiven Taktik nicht gewinnen.
    „Wenn es so nicht geht, dann eben anders!“, hörte ich Rays mehr als nur entschlossene Stimme zu uns hindurchdringen. Der Klang von Rays Stimme gefiel mir überhaupt nicht. Irgendwie war ich mir bereits sicher, dass dies wohl der Anfang vom Ende war.
    „Pack dir das Bündel und dann raus mit ihm!“


    Mit einem schrillen Schrei und weit ausgestreckten Krallen, stürzte sich Tauboga auf die kreisrunde, eingerollte Figur des Bodenpokémons. Wie als würde man auf welkem Laub laufen, knackte es als sich die Pranken von Rays Pokémon in das steinharte Knochenskelett Sandans hineinbohrten. Doch dieser schien auch von diesem Angriff völlig unbeeindruckt zu sein. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als seine Füße den sicheren Boden verließen und er sich plötzlich in luftigen Höhe wiederfand.


    „Das gibt es nur bei uns zu sehen!“, rief der Ringrichter, unter dem Johlen des Publikums, begeistert. „Offenbar mit spielender Leichtigkeit hat Tauboga seinen Gegner gepackt und fliegt langsam aber sicher mit seiner Beute fest im Griff ins bedrohliche Aus. Ich brauch hier wohl nicht mehr zu erwähnen, dass, wenn Sandan den Boden außerhalb des Kampfrings berührt, sein Trainer diese Runde verliert.“
    Kreidebleich und völlig hilflos musste Stan mit ansehen, wie der Sieg förmlich aus dem Ring entschwebte. Doch diesmal hatte selbst ich keine Lösung für diese heikle Situation parat. Sein Glück schien ihn nun entgültig verlassen zu haben.


    Tauboga steuerte derweil zielsicher die Außenlinie des Kampfrings an.
    „Jetzt tu doch etwas!“, rief ich meinen Trainer an, während Rays Pokémon nur noch einen Wimpernschlag von seinem Ziel entfernt war. Doch welches Wunder hätte er in seine misslichen Lage noch vollbringen können?
    „Das reicht! Lass ihn fallen, Tauboga“, befahl Stan seinem Pokémon.
    Kaum hatte Ray seine Worte zuende gesprochen, lockerte Tauboga seinen Griff um Sandan. Ähnlich einem schweren Bündel Steine, stürzte Sandan metertief in das vernichtende Aus.
    Mit einem dumpfen Aufprall, schlug Sandan schließlich außerhalb des Rings auf. Auch wenn Sandan durch den tiefen Fall offenbar nicht einmal einen Kratzer davongetragen hatte und er reichlich verdutzt in alle Richtungen schaute, als er endlich wieder den sicheren Boden unter seinen Füßen verspürte, war dieser Kampf somit beendet.


    „Aus!“, brüllte der Schiedsrichter unter dem Toben der Menge in sein Mikrophon. „Sandan hat den Ring verlassen und somit heißen die Sieger der ersten Runde des Finalkampfes Ray Valentine und Tauboga!“
    Mit glasigem Gesichtsausdruck betrachtete Stan sein Pokémon. Man musste nicht die Sinne eines Lucario besitzen um die Gefühle meines Trainers zu deuten. Sichtlich am Boden zerstört schloss sich seine rechte Hand um den Pokéball, den Sandan vor wenigen Minuten verlassen hatte, und rief eben diesen in die unendlichen Tiefen des Balls zurück.
    „Die Luft in der Arena ist zum Zerreisen gespannt. Welches Pokémon wird unser junger Trainer aus Azalea City in den Kampf rufen? Freuen Sie sich auf die zweite Runde unseres...“
    „Entschuldigung...“, murmelte Stan kleinlaut. Er hatte sich mit mir an seiner Seite neben dem Ringrichter eingefunden. „Ich gebe hiermit auf...“
    Der Ringrichter schien durchs Stans Kapitulation wie aus allen Mülltonnen zu fallen und auch ich war von dieser Nachricht alles andere als begeistert.
    „Bist du noch zu retten?!“, tobte ich mit dem unbändigen Verlangen, Stan eine kleine Schocktherapie zu verpassen.
    „W-Was soll das heißen? Aufgeben?“
    Dummerweise hatte der Ringrichter in seinem Schockzustand eben diese Worte in sein Mikrophon gesprochen. Nun stand nicht nur er und ich, sondern das ganze Publikum vor Wut auf den Beinen.
    „Das kannst du mir doch nicht antun...“, flehte der Ringrichter unter zahllosen Buhrufen von der Tribüne ausgehend und packte Stans zitternden Arm. „Du kannst jetzt nicht einfach davonlaufen! Was soll mit mir und dem Publikum werden, hast du daran schon einmal gedacht?“ Er schaute panisch in Richtung der tobenden Menge.
    „Und mit mir?!“, fügte ich laustark hinzu.
    Auch Stans angsterfüllter Blick richtete sich nun auf die Zuschauerbänke. Sein Gesicht hatte inzwischen die schneeweiße Farbe eines Wingulls angenommen, während es von der Tribüne Blechdosen und Plastikbecher auf uns hinabregnete. Stan biss sich auf seine Lippen.
    „Also gut...“, murmelte er.
    Noch bevor er überhaupt seinen Mund geschlossen hatte, schallte die Stimme des Ringrichters durch den Raum 002.
    „Entschuldigen Sie die Verzögerung. Der Kampf wird in wenigen Augenblicken fortgesetzt. Trainer, macht euch bereit!“, sagte er sichtlich erleichtert über Stans rettenden Entschluss, nun doch den Kampf zuende zu führen.


    „Überlass das nur mir“, sagte ich zu Stan und dehnte meine müden Muskeln lässig, als wir endlich wieder unseren Platz auf unserer Seite des Spielfelds eingenommen hatten. „Dem Vogel werde ich gleich die Flügel stutzen. Du wirst Bauklötze staunen.“
    Der missmutige Blick meines Trainers lastete auf mir, doch es war mir egal. Endlich, nach einer schier endlosen Zeit der Entbehrung war meine Stunde gekommen. Der Moment, auf den ich so lange warten musste. Nur noch dieses alberne Vögelchen trennte mich von dem Aufeinandertreffen mit Voltenso.


    Leichtfüßig, ohne diesmal auf die ersehnten Worte meines Trainers zu warten, stolzierte ich in den Ring. Tauboga hatte wieder kreisend seine Stellung, in der Nähe seines Trainers auf der gegenüberliegenden Seite des Rings, bezogen.
    „Sheinux hat den Ring betreten“, sagte unser Kommentator. „Bislang hatte Sheinux nur einen kurzen Auftritt im zweiten Kampf des Halbfinales genossen, wo dieses Pokémon seinen Gegner binnen weniger Sekunden besiegt hatte. Doch wird seine Stärke es auch mit den zwei Pokémon seines Gegners aufnehmen können? Wir werden sehen.“
    „Was soll diese lächerliche Frage?“, spottete ich. „Ich brauche Gegner, keine Opfer.“
    Tauboga warf mir einen eisigen Blick zu. Offenbar war er alles andere als von meinen Worten angetan.
    „Was schaust du so dumm aus der Wäsche? Hast wohl Angst?“, höhnte ich und grinste gehässig.
    „Vor dir kleinem Würstchen? Träum weiter“, fiepte Tauboga. In seiner Stimme lag keine Spur von Angst. Vielmehr schien er bereits von seinem Sieg fest überzeugt zu sein. Doch dieser Übermut würde ihm zum Verhängnis werden.


    „Ring frei!“
    „Tauboga, Tackle!“
    „Funkensprung, Sheinux!“
    „Firlefanz!“, rief ich und wisch elegant dem Rammmanöver meines befiederten Widersachers zur Seite aus.
    „Noch einmal Tackle, Tauboga!“, rief Ray seinem Pokémon zu.
    Erneut, noch viel einfacher als vor wenigen Sekunden, entging ich Taubogas Attacke mit einem gekonnten Seitensprung.
    „Was ist los? Große Töne spuken, aber nichts dahinter, was?“, lachte Tauboga, der wie ein Raubvogel über seiner Beute kreiste.
    „Sheinux, Ruckzuckhieb!“, drang Stans Stimme an mein Ohr, die ich aber gekonnt ignorierte.
    „Von wegen“, entgegnete ich grinsend. Mein ganzer Körper kribbelte bereits vor Hochspannung. Endlich war ich soweit.


    „Jetzt zeig ich dir mal etwas, was ich von deinem Kollegen gelernt habe.“
    „So? Dann hör auf mich zu langweilen und...“
    Einem geölten Blitz ähnlich, schoss ich in die Höhe; mein Maul das Ziel fest im Visier: Taubogas Hals. Der Geschmack von weichen Vogelfedern erfüllte das Innenleben meines Mundes, als sich meine spitzen Zähne in den Nacken meines Opfers bohrten und es in die Tiefe zerrten.
    Normalerweise war es nicht meine Art, mich der Kampftaktiken meiner Feinde zu bemächtigen, aber ich muss wahrlich zugeben, dass Voltensos Strategie, in seinem ersten Kampf gegen Schwalboss, mich schwer beeindruckt hatte und es war nur fair, dass ich diese Taktik anwendete, um mich ihm schneller stellen zu dürfen.
    Doch die Praxis war es viel schwerer, als ich es einfach nur in der ersten Runde bei Voltenso beobachtet hatte. Kaum am Boden mit meinem Opfer angekommen, wurde mir erst die ganze Kraft und Gewalt meines Gegners bewusst. Tauboga wehrte und zappelte nach Leibeskräften und versuchte sich flügelschlagend und wild kreischend von meinem Haltegriff zu befreien. Immer tiefer bohrten sich meine Zähne in den Hals meines Gegners, während es mich durch Taubogas Fluchtversuche heftig durchschüttelte. Ein kribbelndes Gefühl hatte nun jede Faser meines Körpers erreicht. Es war soweit.
    „Nein!“, rief Ray verzweifelt, doch seine Worte allein konnten Tauboga nicht retten. Energiegeladene Blitze strömten pausenlos aus meinem Körper und schossen in alle Richtungen. Doch die wildeste Party spielte sich in meinem Mund ab. Schier jegliches Volt in meinem Körper, hatte sich in den Spitzen meiner Zähne gesammelt und eben diese waren fest in Taubogas Körper verankert.


    Nach nur wenigen Sekunden war schließlich der Spuk vorbei: Nicht viel anders, als es bei Voltensos Kampf gegen Schwalboss geschehen war, ließ auch Taubogas wildes mit den Flügeln schlagen, nach wenigen Augenblicken nach. Am Ende seiner Kräfte fielen seine müden Glieder auf den Boden, wo er dann regungslos, wenn man von dem ständigen Zucken absah, liegen blieb.
    „Schluss mit den Spielereien!“, rief ich, würgte dabei einige Federn hervor und wandte mich in Rays Richtung. „Du weißt genau, wen ich haben will!“

  • Part 4: Aufeinandertreffen der Gewalten


    Also bitte... Habt ihr wirklich auch nur eine Sekunde an mir gezweifelt? Okay, zugegeben: Ich muss tatsächlich eingestehen, dass ich von meiner Glanzleistung doch selbst etwas überrascht war. Dem Raunen zufolge, dass bleischwer in der Luft lag, ging es jedoch den Meisten so. Aber vielleicht würden sie nun endlich begreifen, mit wem sie es zu tun hatten.


    „Tauboga kann nicht mehr weiterkämpfen. Damit gewinnt Stan und Sheinux die zweite Runde des Finalkampfes.“
    Der Ringrichter war der Erste, der seine Sprache wiederfand. Auf seine Worte hin folgte der mir allein gebührende Beifall des Publikums. Ich zwinkerte der völlig verblüfften Gestalt meines Trainers zu. „Jetzt tu nicht so überrascht. Ich sagte doch, dass ich das Kind schon schaukle.“


    Ein roter Lichtstrahl, ausgehend von Rays Pokéball, erfasste meinen befiederten, kampfunfähigen Spielkameraden. Rays Blick ruhte einige Zeit auf mir. Wenn überhaupt war er wohl der Einzige in diesem Raum, der das gesamte Ausmaß meiner Kräfte zu verstehen schien. Es gab nur einen, der sich dieser Kraft entgegen stellen konnte, und das wusste Ray ganz genau. Mein ganzer Körper begann vor Aufregung zu kribbeln, als Rays Hand langsam in Richtung seiner Hüfte fuhr. Der Augenblick war gekommen: Die Zeit der Geplänkel war vorbei.


    „Voltenso, los!“, brüllte Ray und schleuderte seinen Pokéball in den Ring.
    Unerbittlich schlug mir mein Herz gegen die Brust, als sich niemand anderes als Voltenso auf der gegenüberliegenden Seite des Kampfplatzes langsam materialisierte. Er war es, ohne Zweifel. Unter Tausenden hätte ich ihn wiedererkennen können: Sein struppiges, blaugelbes Fell, die stechenden, scharlachroten Augen, seine spitze Schnauze, seine kraftvollen und gut durchtrainierten Läufe, der schon beinahe freche, nach oben gehakte Schwanz, und schließlich der eiskalte, arrogante Blick, mit denen er mich aus der Ferne musterte.
    „Ray hat sich für Voltenso entschieden. Bislang konnte sich unser junger Trainer aus Malvenfroh City durch die Stärke Voltensos sowohl in seinem ersten, als auch in seinem zweiten Kampf behaupten. Doch auch Sheinux, sein Gegner, ist kein unbeschriebenes Blatt bei unserem Turnier. Aber nur einer von beiden kann als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen. Wer wird es sein? Geben wir also den Kampfring für Sie, werte Zuschauer, frei. Möge der Bessere gewinnen.“


    Mein ganzer Körper fühle sich merkwürdig steif an, als ich mich langsam in die Mitte des Rings, und somit Voltenso, näherte. Auch er tat es mir gleich und schritt mit einer noch nie gesehenen Eleganz auf das Zentrum des Kampfrings zu. Der Boden unter seinen Pfoten schien förmlich bei jedem seiner Schritte zu glühen, solche Macht ging von ihm aus. Beinahe beängstigend konnte man meinen, wenn sein Gegner jedoch niemand anderes als ich, Sheinux, war. Schließlich hatte ich es geschafft: Ich hatte die Stärksten unter den Stärksten geschlagen und mir meinen Weg in dieses Finale erkämpft. Wer, wenn nicht ich, besaß also die Kraft, diesen Kampfkoloss zu bezwingen?


    Endlich, nach einem schier endlosen Fußmarsch, standen wir uns gegenüber. Auge in Auge mit Voltenso, wenn man es so nennen durfte. Schließlich war er überraschenderweise einen halben Kopf größer als ich selbst. Doch das war nicht das einzige, was ihn von meinen bislang gemachten Erfahrungen unterschied: Erst in diesem Augenblick, wo er beinahe zum Greifen nah war, spürte ich das gesamte Ausmaß der Aura, die von ihm ausging. Er war noch sehr viel stärker, als mit bloßem Auge zu erkennen war. Ich war mir sogar sicher, dass er seinen Fans noch nicht einmal ansatzweise die ganze Palette seines Könnens präsentiert hatte.


    „So treffen wir uns also endlich...“, sagte Voltenso und musterte mich gehässig grinsend. „Himmel, du bist noch hässlicher, als es aus der Ferne den Eindruck macht.“
    „Sagt gerade der Richtige. Schon einmal in den Spiegel gesehen? Wo haben dich denn deine Eltern aufgegabelt? Beim Sonderschlussverkauf auf der Billigmüllkippe?“, konterte ich lässig.
    „Du musst ein größerer Idiot sein, als ich bislang dachte, sonst hättest du dich wohl schon längst wieder in dein Ei verkrümelt, aus dem du dich wohl auch nur durch puren Zufall befreien konntest“, sagte Voltenso.
    „Oh, entschuldige. Müsste ich dich etwa kennen?“, fragte ich spöttisch und legte im übertriebenen Ausmaß meine Stirn in Falten.
    „Ja, das solltest du. Dort wo ich herkomme, fallen mir meine Gegner vor die Pfoten, wenn ich komme.“
    „Das kann ich gut nachvollziehen, bei dem Mundgeruch“, entgegnete ich lachend.
    „Voltenso, Donnerwelle!“, rief Ray.
    „Jetzt mal ganz ehrlich“, sagte ich, während mein Blick von seinen Beinen bis hinauf in seine kalten Augen wanderten. „Ich kenne ein paar Skunkapuhs, die mehr auf dem Kasten haben als du jemals haben wirst.“
    Voltenso lachte.
    „Oh, wie niedlich. Du hast also deine Verwandten bei eurem letzten Familientreffen getroffen?“, entgegnete Voltenso aalglatt.
    „Sheinux, Tackle! Los!”
    „Aber mal ernsthaft. Du musst doch einen Zwillingsbruder haben. Einer allein kann doch nicht so blöd sein“, höhnte Voltenso.
    Stans leises Gefluche drang an mein Ohr. Offenbar glaubte er, ich würde schwächeln und mein Gesicht vor dem Feind verlieren. Na da hatte er sich aber geschnitten.
    „Sagt ausgerechnet derjenige, der, wenn er eine Fliege verschluckt, mehr Grips im Bauch als im Kopf hat“, verspottete ich ihn.
    „Sheinux, jetzt mach schon! Angriff!“
    „Voltenso, auf was zur Hölle wartest du? Leg los!“
    „Was ist denn nun? Unsere Zuschauer warten...“
    „Normalerweise vergesse ich ja nie ein Gesicht. Aber bei deinem könnte ich doch glatt eine Ausnahme machen. Ungelogen: Bei dir wäre jeder Biborstich eine Schönheitstherapie“, sagte Voltenso hämisch.
    „Och, zähl doch mal bitte leise bis zehn, damit ich eine halbe Stunde Ruhe vor deinem sinnlosen Geschwafel habe“, gähnte ich. „Oh, nein. Warte. Tut mir unendlich leid. Ich vergaß: Das intelligenteste, was du jemals zustande gebracht hast, war ohne Pause bis drei zu zählen.“


    „Funkensprung!“ dröhnten Stans und Rays Stimme im Chor.
    Der Kampfring schien förmlich unter der Wucht unserer Elektroangriffe zu beben, als sich die ganze aufgestaute Gewalt von Voltensos und meiner Attacke in der Mitte des Spielfelds trafen. Erfüllt mit dem schier endlosem Hass und dem blanken Abscheu gegenüber dem Gegenüberstehenden, waren unsere beiden Körper durch unsere flackernden Energieangriffe miteinander verbunden. Genau dort, wo unsere beiden Energieattacken aufeinander prallten, hatte sich eine prismaförmige Sphäre gebildet. Man konnte es ohne Übertreibung als ein Duell der Gewalten beschreiben.


    Scheinbar von der Macht unserer Elektroattacken gespeist, wuchs das Gebilde in der Mitte des Schauplatzes stetig an. Ich glaubte, mein Körper müsste unter den dort wirkenden Kräften jeden Moment zerbersten, und just in diesen Momenten, schwebte die Sphäre unheilbringend genau auf mich zu. Doch kaum hatte sie sich mir auch nur einen Wimpernschlag genähert, überschritten meine Kräfte ihr bisheriges Limit und drängten das Gebilde wieder in Voltensos Richtung zurück.


    Angefeuert von den undeutlichen Rufen des Publikums und dem Kampfgeschrei unserer Trainer, lieferten Voltenso und ich uns ein erbittertes Gefecht. Keiner von uns beiden schien freiwillig das Handtuch werfen zu wollen. Nicht einmal, wenn es mein eigenes Leben fordern sollte, hätte ich die den Stromfluss gekappt und auch in Voltensos vor Anstrengung verzerrtem Gesicht spiegelte sich keine Spur von Kapitulation. Doch langsam aber sicher schienen mich meine Kräfte zu verlassen. Mein ganzer Körper begann heftig zu zittern und das Gefühl in meinen Beinen verlies mich. Die knisternden Blitze, ausgehend von meinem Körper, wurden immer unkontrollierter und schlugen wild in alle Richtungen. Voltenso schien jedoch auch am Ende seiner Kräfte angelangt zu sein. Das hasserfüllte rot in seinen Augen funkelte mich schwach durch die Manifestation unserer Attacken an. Aber wessen Kraftreserven waren zuerst aufgebraucht?


    Eine plötzliche Energieschwankung drohte mich fast von meinen tauben Beinen zu fegen. Voltenso hatte noch einmal die letzten seiner verbliebenen Volt in seinem Körper mobilisiert und sie mir entgegengefeuert. Abermals schwirrte das prismaförmige Gebilde unheilvoll surrend genau in meiner Richtung. Schritt um Schritt schoben mich die vor mir liegenden unbändigen Mächte immer weiter zurück.
    „Nein... Ich gebe nicht auf...“, stöhnte ich und versuchte verzweifelt, meinen Halt auf dem rutschigen Turnhallenboden zu verbessern.
    „Nicht vor dir...“ - Ich stemmte meinen Körper nach vorne, - „Nicht nachdem ich solange...“ - ich setzte unter dem heftigen Beben meines Körpers meine rechte Vorderpfote einen kleinen Schritt voran, „... auf diesen Moment gewartet habe...“ – mein linkes Vorderbein tat es ihm gleich, - „... Oh, nein. Nicht vor dir...“
    Heißer Schweiß perlte in Strömen von meinem Körper herab und tropfte ungehört auf den Boden. Langsam aber sicher schob ich die Energiekugel wieder zurück. Das mittlerweile schwache Scharlachrot aus der Richtung meines Gegners funkelte mich böse an.


    Nur noch Sekunden trennten mich von dem absoluten Nullpunkt meiner Kräfte. Jede Faser und Muskel in meinem ausgezerrten Körper, die noch nicht vor Anstrengung völlig taub waren, wurde von einem nicht zu beschreibenden Schmerz durchflutet. Die undeutlichen Stimmen der Zuschauer, der meines Trainers und das knisternde und knackende Geräusch des Stromflusses wurde immer undeutlicher, während auch die Bilder mehr und mehr verschwammen.


    Möglicherweise sogar zeitgleich, wurde die Verbindung, die Voltenso und mich minutenlang durch unsere Attacken verbunden hatte, von uns gekappt. Doch noch eher man sich den Schweiß von der Stirn hätte wischen können, prallten Voltensos und meine verbliebenen Kraftreserven aufeinander. Doch diesmal war es nur noch unsere rohe Körpergewalt, die sich miteinander maß. Die wohl letzte mir verbliebene Stelle meines Körpers, die noch nicht völlig gelähmt oder von Schmerzen durchflutet wurde, pulsierte heftig, als unsere beiden Köpfe aufeinander prallten.


    „Nicht aufgeben Voltenso!“, tönte Rays schier meilenweite Stimme hinter der Gestalt Voltensos auf.
    „Du schaffst es Sheinux!“, dröhnte die Stimme Stans in meinen Ohren.
    In Voltensos Augen spiegelte sich der blanke Hass, den er mir entgegenbrachte, als wir einander versuchten, den gegenüberstehenden mit den bloßen Körperkräften von den Pfoten, und somit aus dem Ring zu fegen.
    Ich stemmte meine tauben Hinterläufe fest gegen den rutschigen Boden. Voltensos Augen verengten sich im Schweiße seines Angesichts vor Zorn, als er langsam rückwärts von mir fortgeschoben wurde.
    „Du... Du hast keine Chance...“, stöhnte er, während ihm der Speichel langsam am Kinn heruntertropfte.
    „Ich hatte recht...“, entgegnete ich ihm hämisch grinsend. „Du hast Mundgeruch...“
    „Du mieses Stück!“, brüllte er.


    Blitzschnell, so rasant, dass es mir unmöglich war zu reagieren, tauchte mein Gegner ab. Noch immer meinen Körper mit meinen letzten mir verbliebenen Kräften nach vorne gestützt, taumelte ich benommen in Rays Richtung und konnte noch im letzten Moment mein Gleichgewicht wiederfinden. Erschrocken wirbelte ich herum. Ein schemenhafter Schatten einer haarigen, blaugelben Gestalt tauchte plötzlich an meiner Seite auf, zwei hasserfüllte Augenpaare, die mich böse anfunkelten, ein, mit einer Reihe von spitzen Zähnen versehener Kiefer, blitzte jäh auf...


    Ein noch nie verspürter Schmerz, bahnte sich seinen Weg in jede einzelne Zelle meines Gehirns. Ich schrie wie am Spieß. Schwere Tränen kullerten an meinen Wangen hinab, während sich Voltensos steinzermalmende Zähne immer tiefer in meinen Hals bohrten. Obwohl dem Raunen in der Luft nach zu urteilen, jeder einzelne stumme Beobachter meinen Schmerz mit mir zu teilen schien, konnte niemand wirklich auch nur ansatzweise das empfinden, was in jenem Moment in meinem Kopf vorging. Es gab nichts vergleichbares, was diese Schmerzen hätte beschreiben können.


    Der Haltegriff von Voltensos Kiefer und somit auch meine Höllenqual, verdreifachte sich, als ich verzweifelt versuchte, mich von seinem nassen Halt zu entziehen. Voltensos schadenfrohes, eiskaltes Grinsen spiegelte sich in meinen Augen. Der überirdische Hass gegenüber meinem Gegner, schien plötzlich jeglichen Schmerz in meinem Körper völlig zu verdängen. Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu zögern, hämmerte auch ich meine Zähne in seinen Nacken.


    Hätte Voltenso zu diesem Zeitpunkt nicht seine spitze Schnauze nicht in meinem Hals versenkt, so hätte wohl auch er vor Schmerz laut aufgeheult. Doch schien er eben gegen diesen Drang verzweifelt anzukämpfen, um somit seinen auf mir liegenden Haltegriff nicht zu verlieren. Jedes einzelne Härchen seines Fells bog sich unter meinem heißen Atem.
    Mein Körper war so ausgebrannt, dass wohl das kleinste und mickrigste Fünkchen genügt hätte, mich auf die Matte zu legen und auch Voltenso schien mein Schicksal zu teilen. Längst hatte sein Griff nicht mehr die selbe Stärke, wie als er mich vor wenigen Augenblicken noch damit belastete. Doch wem von uns beiden noch mehr Kräfte verblieben, kann ich euch nicht sagen. Der Schmerz, noch vor wenigem Momenten von meinem Hass gegenüber meinem Widersacher unterdrückt, kehrte wieder in meinen Körper zurück und drohte mich förmlich zu ertränken. Und als ob das noch nicht der Pein genug war, setzte Voltenso dem noch einen drauf: Wie er es geschafft hatte, ist mir bis heute noch ein Rätsel. Voltensos rechte Vorderpfote schnellte in die Lüfte, zielsicher in die Richtung meines rechten Vorderbeins. Seine rasiermesserscharfen Klauen rissen eine tiefe Kerbe in mein Bein und hinterließen einen, wie Höllenfeuer brennenden Schnitt. Ein kleines Rinnsal Blut tropfte leise im Sekundentakt gen Boden.


    Ich spürte wie sich mein Griff auf Voltenso lockerte. Ich konnte einfach nicht mehr... Immer mehr meiner Umgebung verblasste.
    Am Ende meiner Kräfte angelangt, sank mein Kiefer aus Voltensos kräftigem Nacken. Keine Sekunde später nahm die Gewalt ausgehend von Voltensos Zähnen in meinem Hals zu.
    Es war vorbei. Er war einfach stärker... Stärker und viel ausdauernder als ich. Nicht die Schmerzen, nein, sondern die Schmach, dass es jemanden gab, der besser als ich war, ließ meinen Körper abermals vor Zorn erbeben.
    „Nein... Vielleicht bist zu stärker... aber ich... bin besser.“, schoss es mir durch den Kopf.
    Doch auch mir war klar, dass das nichts weiter als Worte waren. Leere Drohungen. Versprechungen, die sich niemals bewahrheiteten, wenn ich mich jetzt geschlagen geben würde. Aber wie konnte ich ihn bezwingen? Mühselig und unter Voltensos schier tonnenschwerer Last an meinem Hals, bewegte ich meinen heftig zitternden Kopf langsam zur Seite. An dem nervigen, ständig dröhnenden Publikum vorbei, dass sich offenbar an meinem Leid ergötzte, zu der entzückt wirkenden Gestalt des Ringrichters, hinüber zu Stan, meinem Trainer, an der Außenlinie mit der Verzweiflung in seinen Augen stehend.
    Wie als hätte mich soeben ein Blitz getroffen, kribbelte plötzlich jede Stelle meines schmerzdurchflutenden Körpers. Es gab einen Weg. Eine Möglichkeit doch noch zu gewinnen. Meine letzte Chance...


    Langsam und doch zielsicher, setzte ich eine Pfote nach der anderen nach hinten und bewegte mich scherfällig mit Voltenso an mir klebend in die Richtung seines Trainers zu. Eile war geboten. Mehr und mehr schienen sich die Schatten meinem Verstand zu bemächtigen und mich zur Ohnmacht, und somit zur Niederlage zu bewegen.
    „Meine Damen und Herren! Dieser Kampf scheint gleich vorbei zu sein. Sheinux weicht angetrieben von den unerbittlich zupackenden Fängen seines Gegner immer weiter zurück. Nur noch wenige weitere Schritte trennen ihn von dem Aus. Ja, ich glaube, nein ich bin fest davon überzeugt, dass Voltenso diesen Sieg in der Tasche hat.“
    „Falsch gedacht!“, brüllte ich und ließ mich ruckartig rücklings auf den Boden fallen. Es geschah genauso, wie ich es geplant hatte: Voltenso, der sich nach wie vor an mir festgebissen hatte, riss es ebenfalls glatt von den Pfoten. Wie in Zeitlupe drohte sein ganzer Körper auf mich hinabzufallen und genau in diesem Moment schossen meine Hinterläufe in Voltensos Unterleib und katapultierten ihn in hohem Bogen über mich hinweg.


    Schwert atmend auf meinem Rücken liegend, das Gesicht mit heißem Schweiß überzogen, am Hals der klebrige Speichel von Voltensos Biss-Attacke klebend, dem leise aus meinem Bein sickernden Blut und durchflutet von den Höllenqualen des Kampfes, konnte ich noch einen knappen Blick erhaschen, wie die Gestalt Voltensos mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden außerhalb des Rings aufschlug.
    „G-Gewonn...“, entfuhr es mir auf meinem Mund, kurz bevor ich das Bewusstsein verlor.

  • Kapitel 14: Ein neuer Weggefährte


    Part 1: Urlaub vom Urlaub


    „Au, du tust mir weh!“
    „Jetzt hör doch endlich mal auf so zu zappeln!“
    „Was kann ich denn bitte dafür, dass deine Hände das Feingefühl eines Rihorniors haben?“
    „Wieso muss ich das eigentlich machen? Warum lässt du denn keinen der Ärzte an dich ran?“
    „Wenn überhaupt bist du der einzige, der mich ohne weitere Konsequenzen berühren darf. Du solltest dich geehrt fühlen.“


    Das Turnier war vorbei. Ich, wie es natürlich nicht anders zu erwarten war, hatte alle Widrigkeiten getrotzt. Die Besten der Besten waren geschlagen. Von galoppierenden Rankenheinis, über einem aufgeblasenen Spatzenhirn, bis hin zu Voltenso, der...
    Ja, ich gebe es ja zu: Voltenso war stark gewesen. Noch nie zuvor hatte ich mich einer solchen Herausforderung stellen müssen. Voltenso hatte einfach alles. Kraft, Ausdauer, Geschwindigkeit und Können. Aber letztendlich hatte ich ihn geschlagen, wenn auch nur knapp...
    Nun, nachdem endlich das Turnier zuende war, würden wohl wieder ruhige Tage auf uns zukommen. Stan hatte bei der Siegerehrung, die ich übrigens bewusstlos in meinem Pokéball verpennt hatte..., das Preisgeld einkassiert und widmete mir nun endlich seine ganze, ungeteilte Aufmerksamkeit. Es war eine wahre Wohltat, endlich dieser lärmigen Kampfarena entkommen zu sein und die Ruhe und Beschaulichkeit unseres gemütlichen Quartiers genießen zu können. Wenn man von Stans und meinem Gefluche absah, natürlich...


    „Kannst du den Verband vielleicht noch etwas enger ziehen? Damit auch ja mein Bein schön taub bleibt“, murrte ich, während Stan persönlich Hand an mir anlegte.
    „So, ich glaube das hält...“, murmelte Stan und wischte sich erschöpft mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Viel besser bekomme ich es nicht hin...“
    „Ein wahres Meisterwerk...“, sagte ich mit leicht abfälligem Unterton und begutachtete den schneeweißen Verband an meinem rechten Vorderbein. „Nein, ehrlich. Man könnte fast meinen, ein völlig besoffenes Raupi hätte seine Fäden im Spiel gehabt.“


    Stan ließ sich erschöpft rücklings auf das Fußende des Bettes fallen. Warum um alles in der Welt er so erschöpft war, war mir ein Rätsel. Schließlich hatte nicht er, sondern ich vor einer knappen Stunde Kopf und Kragen riskiert, nur damit wir unsere weitere Reise mehr oder weniger sorgenfrei weiterführen konnten. Eins war jedoch klar: Unsere Finanzen verwaltete von nun an ich allein. In Stans unfähigen Händen würde unser Geld wohl keine drei Tage reichen. Was haltet ihr von hiervon: Sheinux, Sohn des Sechsten Hauses, unangefochtener Champion und Revierherrscher des westlichen Nationalparks, großmeisterlicher Mülltonnendurchwühler, mit dem blechernen Bierdeckel ausgezeichneter Meisterlangfinger, legendärer Voltensobezwinger und unverzagter Hüter der Reisekasse. Zu lang, meint ihr? Hm, dann werde ich mir wohl etwas überlegen müssen...


    Nun gut. Für unsere Verpflegung auf unserer weiteren Reise war also gesorgt. Von Stan erwartete ich natürlich keinen großen Dank, ganz zu schweigen von der ausstehenden Entschuldigung, da es schließlich seiner Spendierlaune zu verdanken war, dass ich nun Feurigel Konkurrenz machte...
    Ach ja, wo wir gerade von Feurigel sprachen. Im Gegensatz zu meinem schwerfälligen Trainer, war er ganz und gar aus dem Häuschen.


    „Du hast also gewonnen?“, fragte er mich. Ich hatte wieder meinen Stammplatz zu seiner Rechten auf dem Kopfkissen eingenommen.
    „Natürlich!“, antwortete ich ihm prompt und mit stolz geschwellter Brust. „Hast du etwa etwas anderes erwartet?“
    „N-Nein, natürlich nicht. Obwohl ich dich noch nie zuvor habe kämpfen sehen...“, murmelte er.
    „Da hast du aber etwas verpasst, sage ich dir. Dieser Kampf wird in die Geschichte eingehen. Würde mich nicht wundern, wenn die Menschen sogar ein Buch darüber schreiben“, schwärmte ich. „Es war natürlich ein schwerer Kampf. Wohl der schwerste in meinem bisherigen Leben.“
    „Und du hast gewonnen“, sagte Feurigel ehrfürchtig. „Wenn die Reise weitergeht, ist fürs Essen also gesorgt. Dann kann ich ja beruhigt einschlafen.“
    Feurigels liebevolle Art nur an seinen Magen zu denken, störte mich nicht im Geringsten. Irgendwie beneidete ich ihn sogar, für seine einfältige Art und Weise, die Dinge zu sehen.


    Von den Strapazen des Tages noch schwer mitgenommen, und prallgefüllt mit den delikatesten Köstlichkeiten, welche die Küche zu bieten hatte und uns in unserem Quartier serviert wurde, fand ich an jenem Abend recht schnell Ruhe. Stan hatte sich am Fußende unseres gemeinsamen Bettes eingekringelt, während Feurigel und ich den Kopfende in Beschlag nahmen. Federweich, wie auf Wolken gebettet, verbrachte ich, für meinen Teil, eine ruhige und traumlose Nacht.


    Der nächste Tag verging wie im Flug: Nach einem nicht weniger köstlichem Frühstück, verbrachte ich die meiste Zeit damit, Feurigel jedes noch so kleine Detail von dem gestrigen Kampf gegen Voltenso zu schildern. Stan wippte derweil recht gelangweilt auf einem Stuhl hin und her, während er auf seinem kleinen Minicomputer irgendwelche Spielchen trieb.
    „... und du glaubst nicht, was er dann getan hat. Während wir uns also Kopf an Kopf gegenüber gestanden hatten, ist dieser Feigling einfach aalglatt abgetaucht. Natürlich war ich vor diesem hinterlisten und ganz und gar unfairen Manöver überhaupt nicht vorbereitet und taumelte...“
    „Ding Dong“
    Stan, wie hätte es anders sein können, übertrieb mal wieder maßlos: Kaum war der Läuten aus dem kleinen Lautsprecher in unserem Zimmer verstummt, stürzte Stan vor Schreck, mitsamt dem Computer in seiner Hand laut krachend zu Boden. Ich schüttelte abfällig den Kopf, widmete dann aber gleich meine ganze Aufmerksamkeit der Stimme, die aus dem Lautsprecher tönte.
    „... legen in fünfzehn Minuten im Hafen von Moosbach City an. Ich hoffe, Ihnen hat die Reise an unserem Luxuskreuzfahrtschiff M.S. Mistral gefallen. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir sie wieder an Bord begrüßen dürfen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“
    „Endlich...“, seufzte ich. „Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder wirklich sicheren Boden unter den Pfoten zu haben.“
    Feurigel gähnte gelangweilt. Tja, für ihn würde sich nicht viel ändern. Doch meine Reise an Stans Seite sollte nun weitergehen.


    „Schon? Fünfzehn Minuten?“, murmelte Stan und rappelte sich leicht benommen auf.
    Die hier und da liegenden Klamotten wurden ohne große Rücksicht auf Verluste gepackt und in seinen Rucksack gestopft, bis das Quartier den Anschein machte, er hätte niemals jemand zwei Nächte in ihm verbracht. Nun ja, wenn man von den beiden Pokémon absah, die noch im Bett saßen.


    „Äh, hast du nicht etwas vergessen?“, hustete ich, als Stan bereits seine blasse Hand auf der Türklinke gelegt hatte. Feurigel machte ein Gesicht wie Sieben Tage Regenwetter.
    Stan wirbelte erschrocken herum.
    „Verdammt, völlig vergessen...“, murmelte er und sah Feurigel und mich mit schuldbewusster Miene an.
    „Ein Gedächtnis wie ein Sieb...“, brummte ich, während Stan an seinem Gürtel herumzupfte. „Aber das bin ich ja mittlerweile von dir gewöhnt.“
    „Okay. Feurigel zurück“, sagte Stan und zog meinen Kollegen in sein trautes Heim zurück.
    „... Und du Sheinux?“
    „Wag es bloß nicht!“, brummte ich ihn an.
    „Äh, willst du auch in deinen Pokéball oder soll ich dich tragen? Oder vielleicht...“
    „Danke, ich laufe“, sagte ich, sprang leichtfüßig von unserem Bett und stolzierte unter dem Blick meines Trainers in Richtung der Tür.


    Es herrschte ein geschäftiges Treiben, als der Kahn endlich am Kai anlegte. Viel von dem soeben erreichten Eiland, konnte ich in dem Wald von unzähligen Beinen nicht erkennen. Doch im Grunde genommen interessierte es mich auch nicht. Es konnte sich schließlich nicht mit dem satten Grün meiner ehemaligen Heimat messen. Einzig und allein die Tatsache, endlich dieses Höllengefährt verlassen zu dürfen, war mir in jenem Moment wichtig.
    Stan und ich reihten uns in einer schier endlosen Schlange von Menschen ein und bewegten und langsam aber sicher in Richtung der rettenden Treppe. Die rettenden Stufen, die uns endlich die lang ersehnte Erlösung, in Form von festen Boden unter den Füßen, brachte.


    Fast hatten wir das blanke Metallgeländer der Treppe erreicht, als eine laute Stimme hinter uns ertönte.
    „Stan! Hey Stan. Warte mal!”
    Hatte ich mich etwa verhört, oder hatte da tatsächlich jemand Stans Namen gerufen? Und wenn ja, wer? Irgendwie kam mir die Stimme so merkwürdig vertraut vor.

  • Was glaubt ihr: Wer taucht plötzlich hinter Stan und Sheinux auf? 9

    1. Colin Knox (Stans Gegner in der ersten Runde) (3) 33%
    2. Phil O'Brien (Stans Gegner in der zweiten Runde) (2) 22%
    3. Ray Valentine (Stans Gegner in der dritten Runde) (4) 44%
    4. Ein völlig anderer Teilnehmer des Turniers (0) 0%

    Bitte nur daran teilnehmen, wenn ihr die Geschichte auch wirklich verfolgt.

  • Super Geschichte, wie immer.

    Keiner von uns beiden schien freiwillig das Hundtuch werfen zu wollen.


    Was ist ein Hundtuch?


    Beim 2. Durchlesen ist mir noch ein Fehler ganz weit vorne aufgefallen:

    Würde ich sie verraten, wäre ich auch nicht besser, als der Schurke, der mich so zugerichtet hatte.

    Das Komma ist fehl am Platz, ein nebensatz hat immer ein Verb oder ist gar keiner


    Noch etwas unnötiges zur Form:


    Du solltest dich geehrt fühlen.

    Da würde ein :!: besser passen, Sheinux schreit ja



    Und beim Inhaltsverzeichnis hast du bei Kapitel 13 (Wir sind schon bei 13 vollständigen Kapiteln 8| ???) "Part:4" vergessen
    In der Umfrage steht auch noch irgendwo Satn statt Stan


    Mir gefallen nach wie vor deine Formulierungen wie "von einem Ariados gestochen am besten", wobei ich eig. finde, Bibor passt besser. Es ist immer noch super, dass du die Geschichte aus der Sheinux-Sicht schreibst, für den die Mülltonne immer noch der schönste Taum ist^^. Armer Stan. Deine Kampf-Absätze gefallen mir auch gut, weil du spannende Momente richtig in die Länge ziehst und es auch spannend ausdrückst und es immer wieder aussichtslose Momente gibt, die dann doch geregelt werden. Aber Stan scheint bei Kämpfen ja eh nicht halb so erfahren wie Sheinux. Ich frage mich ab und zu, wer von den beiden die Hosen anhat (obwohl das zimlich klar ist... Es fängt nicht mit "St" an :yeah: )
    Das Stan noch ein drittes Pokemon hat war eigentlich keine große Überraschung für mich, dafür hatte ich ja auch gestimmt, das er aber wieder mit dem nervenden Piepsgerät spielen musste, hat mich umgehauen^^ Tolles Timimg, so viele Möglichkeiten, das zu erledigen, aber nein, es muss ausgerechnet während dem Kampf passieren.
    Zu den Umfragen:
    Ich finde es toll, dass du nach den Meinungen der Leser fragst und sie fragst, was wohl passiert. Ich weiß aber auch nicht, ob das jemand anders schon gemacht hat, da ich außer deine FS keine lese.


    Mir fällt auf, dass deine Parts werden immer länger werden.


    Lg.
    Arkande

  • Part 2: Ein vertrautes Gesicht


    „Stan! Mach doch mal langsam...“
    Abermals ertönte die mir vage vertraut vorkommende Stimme durch das emsige Geschnatter der ausschiffenden Passagiere.
    Stan, nicht weniger verwirrt als ich es war, warf unter dem Gedränge und Gestupse seiner Nachfolger einen Blick über die Schulter. Verlegenheit spiegelte sich in dem Gesicht meines Trainers als er seine Hand erschrocken auf seine Stirn patschte.
    „Mist, völlig vergessen“, hörte ich ihn leise murmeln.
    „Wer denn, was denn, wo denn?“, fragte ich und warf einen Blick über die Schultern. Doch das war eben einer der wenigen Nachteile, wenn man so kl... äh, von solch graziler und anmutiger Größe war. Statt den Ursprung der Stimme zu erspähen, blickte ich stattdessen auf das blaue Beinpaar eines ziemlich korpulenten, missmutig dreinschauenden Mannes.
    „Ja, gleich...“, rief Stan und winkte dem, wem auch immer, zu.
    „Los, weitergehen!“, brummte der Mann hinter mir griesgrämig und stupste meinen Trainer leicht nach vorne.


    Von unseren rüden Hintermenschen zur Eile gedrängt, arbeiteten Stan und ich langsam aber sicher voran. Die ganze Zeit über zerbrach ich mir den Kopf darüber, wo ich diese Stimme schon einmal gehört hatte. Viel Zeit konnte nicht dazwischen liegen, doch die Bruchstücke in meinem Kopf wollten sich einfach nicht ordnen lassen und schon gar keinen Sinn ergeben.
    Endlich, nach einer gefühlten Stunde Schneckmagtempo, ließen wir die letzte Sprosse der Metalltreppe hinter uns, erreichten den steinernen Kai und setzten somit die erste Pfote, beziehungsweise Fuß, in die fremde Welt. Doch wie ich unschwer feststellen konnte, unterschied sich das neue Eiland kaum von meiner alten Heimat, jenseits des Ozeans. Die Wogen brachen, so wie sie es auch in Oliviana City getan hatten, unbeeindruckt gegen den von Menschenhand geschaffenen Landeplatz. Die selbe, unverkennbare salzige Duftnote lag in der Luft und auch der Gesang der Meeresvögel, die anmutig über unseren Köpfen schwebten, kaum verändert. Für so etwas hatte ich also meine Heimat verlassen müssen...


    Von unseren ruppigen Nachfolgern endlich befreit, sonderten Stan und ich uns von den Menschenmassen an einem recht entlegenen Teil des Piers ab. Es versetzte mich doch in recht großes Erstaunen, wie viel Menschen an Bord dieses Schiffes waren. Jedoch war niemand dabei, den ich wirklich kannte. Hier und da erspähte ich einige flüchtig bekannte Gesichter vom Turnier. Einen kurzen Blick konnte ich auf Zhana Mic, Rays Gegnerin in der ersten Runde, erhaschen. Ihr glänzendes, strohblondes Haar ließ den schimmernden Ozean beinahe vor Neid erblassen, als sie, ohne uns nur eines ihrer anmaßenden Blicke zu würdigen, an uns vorbei stolzierte. Nicht zu vergessen mein “Freund“ aus dem Publikum, der mich kurz vor der zweiten Runde auf seine liebevolle Art als Witzfigur bezeichnet hatte. Tja, mein lieber Kollege: ich vergesse eben niemals etwas. Zu guter Letzt, und nach einer kleinen Massenpanik, als ich mich von meinem “Freund“ auf eine recht schockierende Art und Weise verabschiedet hatte (Stan drohte mit Pokéballarrest, also belies ich es mit nur drei, statt der fünf Sekunden des Abschiednehmens), schenkte uns Ray Valentine noch ein flüchtiges Lächeln. Allem Anschein nach, schien er seine Niederlage recht gut verkraftet zu haben.
    „Bis dann“, rief er uns zu und winkte uns zum Abschied, bevor er wieder in der Menschenmenge unterging.


    Doch niemandem wollte die Stimme gehören, die wir noch vor wenigen Minuten vernommen hatten. Hatte mich etwa diese Schiffsreise völlig um den Verstand gebracht? War ich wohlmöglich verrückt und hörte Stimmen in meinem Kopf? Doch genau in dem Moment, als ich eben diese Gedanken hegte, tauchte er plötzlich auf: der Ursprung der mysteriösen Stimme.
    „Endlich... Ich dachte schon, du hättest mich vergessen...“
    „Hallo Colin“, murmelte Stan verlegen.
    Mein Blick zog an den, im Vergleich zu Stan, recht kurzen Beinen hinauf zu dem nicht weniger schmächtigen Oberkörper, bis hin zu dem Gesicht des Fremden. Ja, ich kannte ihn, zumindest flüchtig. Es war Colin Knox, Stans und mein Gegner in der ersten Runde des Turniers. Offenbar recht atemlos presste er eine Hand auf die Rippen.


    „Hab ich dich endlich...“, schnaufte Colin. „Ich hab mir schon das Herz aus der Seele gebrüllt.“
    „Sorry“, nuschelte Stan und mied dabei Colins Blick. „Ich war...“
    „Musst dich nicht entschuldigen“, unterbrach ihn Colin. „Völlig verständlich, das du etwas in Gedanken versunken bist.“
    Hatte ich eigentlich irgendetwas verpasst, oder seit wann waren die beide Freunde?
    „...Ich meine: Hey, du hast das Turnier gewonnen!“, sagte er ehrfurchtsvoll und klopfte Stan auf die Schulter. „Umwerfend, echt!“
    „Und was ist mit mir? Schließlich war ich es, der Voltenso die Stirn geboten hat. Mein Name, und nicht Stans, ziert den Pokal des Turniers!“, rief ich aufgebracht.
    „Oh, und deine Pokémon waren natürlich auch Klasse“, hakte Colin nach.
    „Na also, geht doch“, sagte ich mit Stolz geschwellter Brust.
    „Sheinux ist eine Wucht. Wie er es mit Voltenso im letzten Kampf aufgenommen hatte. Einfach phänomenal!“, sagte Colin.
    Auch wenn es sich dabei nur um die Meinung eines Menschen handelte, fühlte ich mich im Glanze des Lobes fast wie neu geboren. Es war nur schade, das es Colin und nicht Stan war, der mich mit Lorbeeren überhäufte. Nicht das ich viel Wert auf Stans Meinung legte, aber...
    „Wie geht es eigentlich Feurigel?“, fragte Colin. „Er hatte ja in der zweiten Runde ganz schön was abbekommen.“
    „Geht so. Ihm ging es schon mal besser. Aber er wird wohl wieder“, antwortete Stan.
    „Armer Kerl... Er tut mir irgendwie leid, obwohl es eigentlich ihm zu verdanken ist, das ich in der ersten Runde die Koffer packen musste.“
    „Glaubst du etwa mit mir als dein Gegner wäre es dir anders gekommen?“, fragte ich ihn und schenkte ihm ein hämisches Grinsen.
    Wie vorprogrammiert, fiel Colins Blick auf mich.
    „Obwohl, wenn ich so an Sheinux denke...“
    Stan starrte stillschweigend aufs Meer hinaus.


    Eine zarte Meeresbrise strich mir sanft durchs Fell, während wir uns gegenseitig anschwiegen. Mit geschlossenen Augen sog ich die frische, salzige Meeresluft in meinen Körper. Das beruhigende und rhythmische Meeresrauschen ließ mich beinahe jeglichen Schmerz vergessen, der unter meinen Verbänden unbarmherzig pochte.
    „Ach ja...“, unterbrach Colin die harmonische Stille. „Jetzt wo das Turnier vorbei ist, kannst du mir ja auch mein Sandan wieder geben.“
    Ich schreckte abrupt aus meinen Gedanken auf.
    „Dein... Sandan?“, stammelte ich verwirrt und konnte nur noch einen kurzen Blick erhaschen, wie ein Pokéball den Besitzer wechselte.
    „Danke das du mir ihn geliehen hast“, murmelte Stan.
    „Keine Ursache“, sagte Colin und verstaute den Ball an seinem Gürtel. „Schade, dass er dir keine große Hilfe war. Aber egal. Ohne ihn hättest du vielleicht nicht gewonnen und das war es dann allemal wert.“
    Endlich fügte sich das letzte Teil des Puzzles für mich zusammen. Sandan, das Pokémon welches Stan überraschenderweise im ersten Kampf des Turniers gerufen hatte, gehörte ihm eigentlich gar nicht, was mich angesichts von Sandans überraschtem Gesichtsausdruck und Stans Planlosigkeit eigentlich gar nicht verwundert hatte. Stan und Colin mussten wohl, als Feurigel und ich uns in unserem Quartier den Magen vollgeschlagen hatten, irgendwie Freundschaft geschlossen haben. Vielleicht war es aber auch nur Mitleid gewesen, wer weiß das schon...?


    „Was hast du jetzt eigentlich vor? Bist zu zum ersten Mal in der Hoenn-Region?“, wollte Colin wissen.
    „Äh, also... Ja“, antwortete Stan verlegen.
    „Und was schwebt dir im Sinn?“, hakte Colin neugierig nach.
    „Ich... Also...“
    „Ja?“
    „...Wollte mir vielleicht mal das Raumfahrtzentrum anschauen....“, nuschelte mein Trainer leise.
    „Cool!“, sagte Colin. „Was dagegen wenn ich mitkomme? Da wollte ich auch schon immer mal rein.“
    „Ähm...“
    „Jetzt stell dich nicht schon wieder so an!“, rief ich zu meinem Trainer, als ich seinen, verzweifelt mit sich ringenden Gesichtsausdruck bemerkte. „Lass ihn halt zu dem was auch immer mitgehen! Schlimmer als du es bist wird er schon nicht sein.“
    Dieser Tour von ihm kannte ich bereits zu genüge. Ich erinnerte mich vage an den Tag zurück, als er bereits am Frühstückstisch seinen Zimmerkameraden das wildeste Seemannsgarn serviert hatte, nur damit er seine Reise, warum auch immer, alleine fortsetzen konnte.
    „Also gut...“, brummte Stan, offenbar nach sekundenlangen, erbitterten Kampf mit sich selbst.
    „Echt? Cool, nett von dir“, rief Colin fröhlich. „Gehen wir.“

  • Nein Sheinux, dein Ehrentitel hat genau die richtige Länge :D


    Ähm, muss noch mal ein Komi hinterlassen, bevor ich für eine Woche nach Italien verschwinde... Sehr fesselndes Finale, das muss ich dir schon lassen. Im Gegensatz zu den letzten Kapiteln sehr Dialogreich (Nicht negativ zu nehmen, ist mir nur aufgefallen^^)... Aber ich beginn lieber mal von Anfang an:


    Sorry, Fehler kann ich dir diesemal nicht servieren, irgendwie war ich zu faul zum suchen (Ha, als ob ich das nicht immer wäre :P )
    Sheinux und sein Konzept von Erfolg XD Eine recht unterhaltsame Diskussion, die Feurigel und Sheinux da geführt haben, jedenfalls zeigt es, das es dem hungrigen Feuerpokemon wieder gut geht (und das er wieder fast ganz der alte Vielfrass ist). Besonders "unterhaltsam" fand ich, den kleinen Wortaustausch, den Sheinux mit seinem gelb, blauen Gegner hatte. Also was die beiden sich da an den Kopf werfen... endlich hat Sheinux mal jemanden gefunden, den er an motzen kann, welcher auch zurück motzen kann (Ich meine sonst führt er wohl eher einen Monolog, beides hat seine Charme). Der Kampf war sehr spannend gestaltet, am ende hab ich schon glatt befürchtet, das Sheinux verlieren könnte... aber nur kurz : D
    Jedenfalls scheint Stan nun fürs erste doch mal einen Reisebegleiter am Hals zu haben. Frag mich bloss, wie die beiden so Freunde geworden sind. Und nun sind sie Richtung Raumzentrum unterwegs? Raumfahrtzentrum... mir persönlich fallen da tausend (ok, nicht ganz) Sachen ein, was da passieren könnte :evilgrin:
    Naja, also richtig Kritisieren kann ich diesmal nichts... sorry das ich da nicht weiter behilflich sein kann^^"
    Mich würde nur interessieren, ob die Umfragen, welche du da gepostet hast, nur so ein "Und wenn die Antwort richtig ist, siehst du wenn (im nächsten Kapi) das Licht an geht" oder ob du wirklich deine Story davon beeinflussen lässt.


    Also, das war's dann mal von mir^^
    Bin (schon wieder) für einige Tage weg, also falls es weiter geht, musst du dich etwas auf mein Komi gedulden. Naja... egal, freu mich schon auf die nächsten Teile :D


    mfg Blackdraco

  • Part 3: Von Freundschaft und Rivalität


    Durch Colins Anwesenheit fühle ich mich an Stans Seite plötzlich merkwürdig fremd. Seit Stan in mir einen Begleiter für seine Reise gefunden hatte, war unsere einsame Zweisamkeit zur absoluten Normalität für mich geworden. Seite an Seite. Durch dick und dünn dem Sonnenuntergang entgegen. Doch nun schien das vertaute Bild von mir und meinem stummen Begleiter durch unseren neuen Begleiter irgendwie nicht mehr richtig zu stimmen. Stan schenkte mir auf einmal noch viel weniger seiner schon zu selten gezeigten Aufmerksamkeit. Es kam mir beinahe so vor, als würde Colin unbeabsichtigt, durch seine bloße Anwesenheit, einen metertiefen Graben zwischen mir und meinem Trainer ziehen und uns immer weiter voneinander trennen.
    Wie war das? Eifersüchtig? Ich? Wo denkt ihr hin? Als ob mir irgendetwas daran liegen würde, von Stan bemuttert zu werden... Ich musste mich nur daran gewöhnen, dass mir nun von zwei Seiten jemand auf die Pfoten treten konnte. Das war alles...


    Unsere kleine Dreierrunde hielt nach verlassen des Hafens auf die dicht bevölkerten Straßen von Moosbach City zu. Alles in Allem sonderte sich dieser Ort nicht besonders von der in fernen Gestaden liegenden Stadt namens Oliviana City ab. Mit hartem Asphalt betonierte Gehwege, riesige, in den Himmel ragende Gebäude, laut aufheulende und übelriechende Fahrzeuge, die sich wie die Ameisen kreuz und quer durch die dichtbefahrenen Straßen kämpften und wohin man immer sah, tummelten sich scharenweise, in den verschiedensten kunterbunten Fetzen gehüllte Menschen. Ob eifrig mit Freunden über den aktuellen Tratsch klatschen, entspannt auf einer Bank sitzend Zeitung lesen und brühwarmen Kaffee schlürfen, genervt auf den mal wieder verspäteten Bus wartend, an der nächsten Ecke zuckersüßes Eis leckend, oder einfach nur gutgläubig durch die Straßen wandernd: Menschen hatten diesen Ort fest im Griff.


    Mit unserer Ankunft in Moosbach City und so vielen mir völlig unbekannten Gesichtern, die mich neugierig von oben herab angafften, könnte man meinen, das mich in jenem Moment nur mit der Frage quälte, wie groß die Welt außerhalb meines geliebten Nationalparks eigentlich noch sein konnte. Doch nein. Etwas völlig anderes beschäftige mich weitaus mehr.
    Worüber ich so sehr nachdachte, fragt ihr? War es euch etwa noch nicht aufgefallen das Stan, obwohl er in den vergangenen Tagen sich so sehr darum bemüht hatte, jegliches Übel von mir fern zu halten, sich nun überhaupt nicht mehr um mein Wohlergehen sorgte? So hatte er es sogar bis zur wirklich allerletzten Sekunde hinausgezögert, das ich für ihn in den Kampfesring steigen durfte. Und nun? Umgeben von Lärm, Abgasen und zwielichtigen Gestalten an jeder Straßenecke, schien Stan an die mahnenden Worte der Krankenschwester in Oliviana City keinen Gedanken mehr zu verschwenden. Nun gut... Stan war aber auch nicht unbedingt für sein überragendes Gedächtnis bekannt. Ich denke, ihr habt recht. Warum sollte ich mich so verzweifelt nach der Aufmerksamkeit meines Trainers sehnen. Letztendlich würde ich wohl nur wieder in diesen verteufelten Pokéball gesperrt werden und dafür war mir meine Freiheit, wenn man sie so nennen durfte, doch etwas zu kostbar.


    „Was hältst du von Mittagessen?“, fragte Colin meinen Trainer, als wir gerade in eine weitere geschäftige Einkaufsmeile einbogen.
    „Aber Hallo!“, rief ich plötzlich hellwach. „Diese Stadt ist nichts für mich. Ein karges, mülltonnenleeres Ödland.“
    Als ob er mich verstanden hatte, fiel Colins Blick plötzlich auf mich.
    „Ja, gute Idee“, antwortete Stan. „Wo ist das nächste Pokémon-Center?“
    Einige ereignislose Sekunden zogen dahin.
    „Colin?“
    Colin schreckte aus seinen Gedanken auf.
    „Äh, ja.... Moment...“ Er nahm seinen Rucksack vom Rücken und zückte nur kurzer Suche ein kleines Stück Pergament; offenbar ein Stadtplan. „Zwei Straßen weiter. Nicht weit.“
    „Gut“, sagten Stan und ich im Chor. „Ich sterbe vor Hunger.“ „Und mir tun langsam die Pfoten von diesem harten Boden weh.“


    „Sag mal...“, murmelte Colin leise in das Ohr meines Trainers, scheinbar in der Absicht, das ich nichts von ihrer Unterhaltung mitbekommen sollte. Tja, da hatte er aber nicht die Rechnung mit meinen ausgeprägten Sinne gemacht. Natürlich konnte man vor mir kein Geheimnis wirklich geheim halten. „... Kannst du dir vielleicht vorstellen, über was Sheinux die ganze Zeit redet? Es scheint, als würde er am laufenden Band irgendwelche Kommentare abzugeben.“
    Stans Augen huschten für den Hauch einer Sekunde zu mir hinab.
    „Äh, also...“
    „Tja, das wüstet ihr wohl gerne“, flötete ich mit leicht unterschwelligem Unterton. Es war mein Segen und gleichzeitig mein Fluch, das die Menschen mich nicht verstehen konnten. Zum Einen, konnte ich natürlich jeden, den ich nicht leiden mochte, auf die für mich zufriedenstellendste Art und Weise beleidigen. Doch anderseits, blieben so banale Bedürfnisse wie eine Rückenmassage natürlich leider unbefriedigt.
    „Da, schon wieder. Hast du ihn gehört?“, flüsterte Colin. „Glaubst du, er redet vielleicht über uns?“
    Albern... Warum interessierte es ihn eigentlich? War doch schließlich meine Sache, wen ich wann und wo beleidigte...
    „Keine Ahnung“, murmelte Stan. „Aber das macht er öfter.“
    „So?“, sagte Colin und schielte zu mir hinab. „Ich wüsste zu gerne, was er über uns denkt.“
    „Glaub mir: das willst du nicht wissen“, sagte ich und schenkte ihm ein spöttisches Lächeln.
    „Du scheinst ihn aber offenbar sehr zu mögen“, meinte Colin auf Stans Schulterzucken hin. „Schließlich lässt du ihn dich auf Schritt und Tritt begleiten.“
    Mein spöttisches Lächeln weitete sich zu einer hämischen Grimasse.
    „Als ob er großartig eine Wahl hat...“, dachte ich und ließ die Bilder von Stans ersten Versuchen, mich in einen Pokéball zu sperren, Revue passieren.
    „Sheinux mag es lieber draußen...“, sagte Stan, jedoch nicht ohne das seine blassen Wangen ein zartes rosarot annahmen.


    Colin blieb plötzlich abrupt stehen.
    „Glaubst du, Sheinux möchte vielleicht etwas Gesellschaft haben?“
    Ohne auf eine Antwort von mir oder Stan zu warten, fuhr seine Hand an seinen Gürtel. Ausnahmsweise mal ohne den üblichen Aufmerksamkeits-Pokéball-Schleuder-Quatsch zu tätigen, öffnete Colin den nach kurzer Überlegung ausgewählten Pokéball in seiner Hand.
    „Ich lege eigentlich keinen Wert auf irgendwelche Gesellschaft“, sagte ich und drehte mich demonstrativ von der im hellen Lichtblitz materialisierenden Gestalt weg.
    Wahre Chöre von Aufseufzen schwemmten aus allen Himmelsrichtungen kommend über unsere kleine Gruppe hinweg. Ich brauchte eigentlich gar nicht mehr hinzuschauen um zu wissen, wer sich soeben aus seinem Gefängnis befreit hatte. Aber was blieb mir anderes übrig? Die ganze Zeit über in eine andere Richtung schauen und dabei das Risiko eingehen, irgendwann unspektakulär gegen das nächst beste Hindernis zu knallen, konnte ich ja schließlich auch nicht...


    Widerwillig drehte ich meinen Kopf wieder in die Richtung der beiden Menschen. Doch natürlich waren sie mittlerweile nicht mehr alleine: Von seinem widerwärtigem Babyface bis hin zu seinem zackigem Schwanz mit einem sonnengelben Fell überzogen, zwei schwarze Knopfaugen über seinen beiden zartroten Backentaschen liegend und zwei spitz in den Himmel ragende Ohren. Darf ich vorstellen: Pikachu, ein Kotzbrocken wie er im Buche steht.
    Von überallher summten die Pikachu-hier, Pikachu-da Gesänge zu uns hinüber. Die ganze Welt musste verrückt sein. Was zum Plaudagei hatte er, was ich nicht hatte? Allein die Vorstellung, man könnte ihn mir vorziehen, war geradezu lächerlich absurd. Doch erschreckenderweiße schien eben dies der Fall zu sein. Schließlich schienen alle Augenpaare auf Pikachu zu ruhen, anstatt das man mich, dessen Namen man doch mittlerweile in der ganzen Welt kennen musste, um ein Autogramm bat.
    „Hallo Pikachu“, grüßte Colin und schenkte seinem, sich müde in der Sonne streckenden Pokémon ein sanftes Lächeln. Na, alles fit?“
    „Hi Colin“, rief Pikachu sichtlich gut gelaunt. Seine hohe Stimme passte regelrecht zu seinem clownsähnlichen Aussehen.
    „Schau mal, wir haben neue Freunde“, sagte Colin und deutete auf meinen Trainer. „Das hier ist Stan und sein Begleiter Sheinux.“
    Pikachu drehte sich nachdem er Stan kurz beäugt hatte zu mir herum. Seine schwarzen Knopfaugen kreuzten die Meinen. Ich verzog spöttisch mein Gesicht.
    „Oooh...“, flötete ich abfällig. „Der Publikumsmagnet.“
    Pikachu musterte mich einen Moment, bevor er mich auf einmal angrinste.
    „Bist wohl neidisch“, lachte er.
    „Neidisch? Ich? Auf dich? Das ich nicht lache! Warum sollte bitteschön jemand der so berühmt und berüchtigt ist wie ich, auf eine so kümmerliche und unbedeutende Gestalt wie du es bist neidisch sein?“
    „Sollte man dich etwa kennen? Du lebst wohl in einer Traumwelt wenn du glaubst, jedermann müsste deinen Namen kennen“, feixte Pikachu.
    „Glaub doch was du willst, Maus“, zischte ich. „Was weißt du schon?“


    „Die beiden scheinen sich gut zu verstehen oder was meinst du, Colin?“
    „Ich weiß nicht so recht... Kommt es mir nur so vor, oder wirkt Sheinux etwas missgelaunt?“
    „Äh, meinst du?“
    „Tu mir doch bitte den Gefallen und geh auf die Straße etwas spielen“, mokierte ich spitz. „Dort will man dich sicherlich kennen lernen.“
    Pikachu schenkte mir eine abfällige Grimasse.
    „Musst du ja wohl am Besten wissen. So ungepflegt und mitgenommen wie du aussiehst hast du sicherlich bereits sehr viele Freundschaften auf der Fahrbahn geschlossen. Kommst wohl auch gerade frisch aus der Intensivstation, was?“
    „Wo ist eigentlich eine Mausefalle, wenn man sie mal braucht...?“ Ich wandte meine beiden Augen angewidert von Pikachu ab und suchte den Blick meines Trainers. „Stan, würdest du bitte deinem Freund sagen, er soll die Maus wieder in ihren Käfig sperren, sonst passiert hier gleich ein Unglück!“
    Stan schaute, wie hätte es auch anders sein können, mich verwirrt von oben herab an.
    „Hm, gut Ding will wohl Weile haben“, meinte Colin schulterzuckend. „Wollen wir weiter, Stan?“
    Ich spürte den Blick meines Trainers auf mir haften, während ich mir weiterhin mit Pikachu ein hitziges Wortgefecht lieferte.
    „Es wird dich niemand wiedererkennen, wenn ich erst mit dir fertig bin!“, zischte ich.
    „Willst du mich etwa mit deinen Verbänden zu Tode kitzeln? Ich habe ja sooolche Angst“, lachte Pikachu.
    „Ja, gehen wir...“, murmelte Stan.

  • Part 4: Die bittere Wahrheit


    Was hatte sich dieser Colin nur dabei gedacht, als er mir diesen gelben Quälgeist auf den Hals gehetzt hatte? War ich mit der bloßen Anwesenheit von ihm und Stan nicht bereits genug gestraft? Zugegeben: Stan ging ja, einigermaßen... Aber durch seine recht eigentümliche Art und Weise Freundschaften zu schließen, war Colin bei mir unten durch.
    Pikachu, Colins Pokémon, hatte eine ganz und gar einmalige Art an sich, anderen wirklich den allerletzten Nerv zu rauben. Bis zu diesem Tag war ich der festen Überzeugung gewesen, Stans ewigpiepsender Minicomputer wäre das nervtötendste, was diese Welt zu bieten hatte. Ein Irrtum...


    „Was weißt du schon?! Schließlich habe ich, und nicht du, das Turnier gewonnen! Und was hast du vorzuweisen? Einen kolossalen Bauchklatscher in der ersten Runde. Lachhaft... Wenn ich du wäre, würde ich mich schnell wieder in mein Mauseloch verkrümeln, aus dem du gekommen bist“, entgegnete ich Pikachu kühl.
    Sein höhnisches Gelächter drang in mein Ohr.
    „An deiner Stelle würde ich mir auf den Sieg nicht viel einbilden.“ Er verzog grinsend sein Gesicht und winkte mit seiner Hand, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. „Dein dezenter Körpergeruch hat sicherlich all deine Gegner paralysiert.“
    Meine Muskeln zuckten im Gleichtakt zu meinem immer schneller werdenden Puls und drohten die weißen Verbände an meinem Körper zu sprengen.
    „Du kleiner, mieser...!“, rief ich wutentbrannt und wollte bereits zum Sprung auf die gelbe Nervensäge neben mir ansetzen.
    „So, wir sind da...“, hörte ich Colins weit entfernte Stimme sagen.


    Schlagartig wurde ich aus meinen hasserfüllten Gedanken hinauskatapultiert und fand mich auf den belebten Straßen von Moosbach City wieder. Stan und sein neuer Freund hatten bereits einen zehnsekündigen Vorsprung zwischen mir und Pikachu aufgebaut und sich vor einem weißen Gebäude mit apfelrotem Dach eingefunden, was ich sofort als ein weiteres Pokémon-Center identifizieren konnte.
    „Wo bleibt ihr denn, ihr beiden?“, rief Colin und schaute die Straße hinab in meine und Pikachus Richtung.
    „Komme!“, antwortete Pikachu, schenkte mir noch einmal eine hämische Grimasse und rannte unter etlichen, “Oh, wie süüüß“-Rufen, zu den beiden Menschen hinüber.
    Mein Blick verfinsterte sich, als ich dem gelben Pokémon nachschaute. Alles, aber wirklich alles an Pikachu ekelte mich auf eine unbeschreibliche Art und Weise an: Die Sticheleien seiner fellsträubenden hohen Stimme, mit denen er auf eine schon fast krankhafte Art mich zu provozieren versuchte, sein vierbeiniger, und manchmal auch menschenähnlicher, aufrechter Gang, die augenkrebsverursachende Farbe seines knallgelben Fells, oder die verlogene Art, wie er sich mit seinen schwarzen Knopfaugen und mit seinem Wonneproppen-Gesicht bei den Menschen einschmeichelte.
    „Sheinux! Wo bleibst du denn?“, rief Stan und winkte mir zu.
    „Ja ja...“, murrte ich, kickte verdrießlich eine leere Getränkedose, die meinen Weg kreuzte, auf die dicht befahrene Straße und schlurfte zu meinem wartenden Trainer und dessen Begleitern hinüber.


    Mit einem leisen Surren teilte sich die vollautomatische Eingangstür, als sich die beiden Menschen ihr näherten. Das wievielte Pokémon-Center war das nun eigentlich, dass ich an Stans Seite betrat? Das dritte oder sogar bereits das vierte? Mittlerweile hatte ich das Zählen aufgegeben... So glichen sie sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, eh alle bis auf ein Haar:
    Der markante, pharmazeutisch Geruch, wie ich ihn bereits von Übersee her kannte, lag in der Luft und auch der Eingangsbereich dieses Gebäudes schien dem selben Bauplan her entsprungen zu sein. Inzwischen verwunderte es mich bereits gar nicht mehr, dass auch jedes Pokémon-Center die gleiche Krankenschwester beherbergte. Lächelnd, hinter der Rezeption wartend und dem mir bereits altbekannten weiß-rosaroten Ärztekittel bekleidet, winkte sie uns zu ihr herüber. Von Pikachu hielt ich inzwischen einen mehr als nur großzügigen Abstand. Allein der Gedanke, man hätte mich als seinen Kameraden bezeichnen können, widerte mich an.


    „Willkommen im Pokémon-Center von Moosbach City, Trainer.“ Sie gab vor unseren Augen einen vornehmen Knicks zum Besten. „Wie kann ich euch helfen?“
    Colin löste gekonnt einen Pokéball nach dem anderen von seinem Gürtel und überreichte sie der Krankenschwester.
    „Wir haben eine lange Reise hinter uns. Meine Pokémon müssten etwas aufgepäppelt werden, Schwester Joy“, sagte er. „Stan, was ist mit deinen?“
    Stan schreckte auf.
    „Oh ja...“
    Er zupfte Feurigels Pokéball von seinem Gürtel und tat es seinem Gefährten gleich.
    „Es ist mir eine Freude“, sagte die Ärztin namens Joy und tätigte erneut einen Knicks. „Oh, und wen haben wir da?“ Sie schaute abwechselnd zu Pikachu und mir. „Was ist mit den beiden?“
    „Pikachu geht es gut. Aber Sheinux...“
    „Ich kann für mich selber sprechen“, unterbrach ich Colin mürrisch. „Mir geht es formidabel“, log ich kühl und kehrte allen Anwesenden den Rücken zu. Warum musste eigentlich Colin für meinen Trainer sprechen? Soviel Rückrat musste er doch inzwischen besitzen...
    „Hm, Sheinux scheint es auch gut zu gehen, auch wenn er nicht bei bester Gesundheit zu sein scheint“, sagte Joy.
    „Meine Gesundheit ist meine Sache, danke“, entgegnete ich ihr tonlos.
    „In Ordnung. In einer knappen Stunde sind eure Pokémon wieder in Höchstform. Wenn ihr derweil etwas die Zeit vertreiben wollt, steht unsere Küche natürlich in vollem Umfang für euch bereit.


    Keine fünf Minuten später, hatten Stan, ich, Colin, und zu meinem großen Leidwesen auch Pikachu, uns an einem langen Tisch in dem gut gefüllten Speisesaal des Pokémon-Centers eingefunden. Es wäre unmöglich gewesen, einen direkten Vergleich zwischen dem Kantinenfraß am Land und den Speisen und Getränken an Bord des luxuriösen Kreuzfahrtschiffes zu vergleichen, doch war es im Grunde genommen gar nicht übel. Insbesondere, da mein Essen mit zuckersüßer Schadenfreude gewürzt war. So hatte ich endlich wieder meinen mir rechtmäßigen Stammplatz auf dem Tisch angenommen, während Pikachu auf dem kalten Boden sitzend sein noch kälteres Pokémon-Essen verköstigen musste.
    Einige Male spürte ich deutlich, wie Pikachu missgelaunt zu mir nach oben schielte. Tja, die Maus war genau dort, wo sie hingehörte: Auf den Boden der Tatsachen. Sein Trainer hatte offenbar noch nie einen Gedanken daran verschwendet, den Tisch mit seinen Pokémon zu teilen. Zumindest bis heute...


    „Sag mal Stan...“, murmelte Colin. Erneut spürte ich nicht nur Pikachus, sondern auch den Blick seines Trainers auf mir kleben. „Hat das einen bestimmten Grund, warum Sheinux nichts von dem Pokémon-Essen isst?“
    Kauend, den Mund randvoll mit Paella gefüllt, schielte ich gereizt zu Colin hinüber.
    Was war nur mit diesem Typen los? Wollte er etwa die ganze Welt gegen mich aufhetzen?
    Stan mied währenddessen den Blick seines neuen Freundes und den meinen und schenkte sich stillschweigend Limonade in sein Glas.
    „Stan?“, hakte Colin nach.
    „Merkst du eigentlich nicht, das du den Leuten langsam auf den Zeiger gehst?!“, zischte ich.
    „... Sheinux hat nicht viel für Pokémon-Nahrung übrig“, murmelte Stan.
    „Und du lässt ihn immer auf dem Tisch mitessen?“, fragte Colin.
    „Wenn es dir nicht passt: dort drüben ist noch jede Menge Platz“, sagte ich verbittert. Aus meinem Fell lösten sich bereits kleine Funken vor Rage, während mein Puls ins Unermessliche zu steigen schien.
    „Ja...“, antwortete Stan.
    „Cool. Muss ich auch einmal probieren“, sagte Colin.
    Mir schwante bereits das knallgelbe Unheil auf mich zukommen.
    Colins Kopf verschwand kurz unter den Tisch.
    „Hey, Pikachu. Magst du nicht auch hoch kommen? Hier oben ist es doch viel schöner.“
    Es kam so, wie es kommen musste: Kaum hatte Colin seine Worte zuende gesprochen und ich den Bissen in meinem Halse hinuntergeschluckt, war die sonnengelbe Gestalt Pikachus mitsamt seines Napfes auf dem Tisch zu meiner Seite aufgetaucht. Er grinste mich hämisch von der Seite an.
    „So“, sagte Colin gut gelaunt. „Jetzt sind wir alle beisammen. Ist doch viel schöner.“
    „Sprich du nur für dich...“, schoss es mir durch den Kopf und versuchte Pikachu, dessen markanter gelber Farbton mir nun in die Augen stach, mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln zu ignorieren.


    Wenn man von dem gierigen Geschmatze des mir seitlich sitzenden Pokémons absah, ging es an unserem Tisch, nach diesem unerwünschten Vorfall, recht friedlich zu. Zwar brannte mein Gesicht noch immer vor Zorn und meine Wut gegen Colin und Pikachu wollte nur langsam abflauen, doch konnte ich mein Mittagessen ohne weitere Vorkommnisse herunterwürgen.
    Doch wie ich feststellen musste, ließ der nächste Angriff gegen mich nicht lange auf sich warten. Mein Trainer präsentierte uns gerade stolz die vier Schälchen Obstsalat, die er auf seinem Beutezug ergattern konnte, als Colin zu einem weiteren Schlag ausholte.
    „Stan, was ich dich noch fragen wollte...“
    Stan, gerade am Reinschaufeln seines Nachtisches, schaute interessiert zu Colin.
    „Natürlich musst du nicht, aber ich denke, fragen ist okay...“
    „Äh, von was redest du?“, fragte Stan verwirrt.
    „Dein Feurigel. Würdest du ihn gegen eines meiner Pokémon tauschen wollen?“
    Mir klatschte vor Schock die Obststückchen aus meinem Mund wieder zurück in das Nachtischschälchen vor mir. Konnte er das tatsächlich ernst meinen? Pokémon tauschen? Hatte ich, als Pokémon, denn überhaupt keine Rechte mehr? War ich denn nichts mehr wert als eine faules Stück Fallobst, dass an einem frühen Montagmorgen zu Schleuderpreisen auf dem Markt ausgerufen wird?
    „Also...“
    „Untersteh dich, auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken!“, rief ich wutentbrannt und richtete mich in die Richtung meines Trainers. Die Tischplatte bebte unheilbringend unter meinen Pfoten, als sich unsere Blicke trafen.
    „Wenn ich etwas dazu sagen...“
    „Niemand hat dich um deine Meinung gefragt, Maus!“, unterbrach ich Pikachu mit drohender Stimme und wandte mich zu in seine Richtung. Kaum noch konnte ich die kribbelnde Elektrizität, die meinen ganzen Körper durchflutete, zurückhalten.
    Mit vereinzelten Obststückchen im Gesicht klebend, grinste er mich verstohlen an.
    „Wollte dir eigentlich nur zustimmen“, sagte er buttrig.
    „So?“, fragte ich, obwohl ich jede Wette darauf einging, das er das unmöglich ernst meinen konnte.
    „Ja, wirklich“, sagte er, während sein hämisches Grinsen immer breiter wurde. „Es wäre eine absolute Verschwendung, wenn Colin solchen Flaschen, wie du eine bist, plötzlich trainieren müsste.“


    Das Geräusch von auf dem Boden in Aberhunderte Bruchstücke zersplitterndem Glas hallte durch den belebten Raum, als mich meine aufgestauten Aggressionen nun endgültig überwältigt hatten und ich mich mit all meinem Hass auf das Mauspokémon stürzte. Das Zerbersten der Nachtischschale in meinem Ohr, läutete zu dem viel zu lange vor sich hin geschobenen Vergeltungsschlag gegen Pikachu, wie eine Ringglocke zu einem Boxkampf, ein. Tische und Stühle kratzten auf dem Boden. Ein Trommelfeuer von, in heller Panik aufgesprungenen Menschen und deren angsterfüllte Schreie, hämmerte in meinen Ohren, als ich mit der gelben Ratte wild auf dem Boden herumkullerte. Die Funken aus unseren Körpern schossen wild und völlig ziellos durch den Saal, zerdepperten unbewegliche Glasflaschen und Porzellan auf den Tischen und setzten jeden unter Hochspannung, der auch nur den Versuch wagte, sich in diesen Kampf einzumischen.
    „Sheinux! Stopp!“, brüllte Stan, der inzwischen auch endlich auf den Beinen war.
    „Misch dich nicht ein!“, donnerte ich ihm entgegen. Abermals entluden sich etliche Blitze aus meinem Fell, denen Stan nur ganz knapp entging.
    Von Pikachus süßem Babyface fehlte inzwischen jede Spur. Auf den kalten Platten mit mir herumwälzend, war sein Gesicht hässlich und wutverzerrt.
    „Stopp! Hör auf Pikachu!“, schrie Colin, doch da hätte er ebenso gut einem Fluss befehlen können, nicht mehr zu fließen. In den schwarzen Knopfaugen seines Pokémons loderte der selbe überirdische Hass, der auch in mir tobte.


    Die von Panik ergriffenen Schreie der übrigen Menschen wurden immer lauter. Eine ferne Fensterscheibe zerbarst durch einen unserer ziellos abgefeuerten Blitze.
    Mit schier seiner ganzen armseligen Kraft, versuche Pikachu mich von seinem Körper zu hieven. Die spitzen Krallen seiner beiden Hände schürften über meine Beine, bis ich zum finalen Schlag ausholte.
    Ein ekelhafter, pelziger Geschmack kribbelte mir auf der Zunge, als mein Kiefer den astdünnen Arm Pikachus durchstach. Das, vor Schmerzen aufheulende Geräusch meines Widersachers, echote durch den Raum, als sich meine blanken Zähne immer tiefer in seinen Körper bohrten. Die lang ersehnten Klageschreie Pikachus und seine schweren Tränen, die ungehört auf den Boden aufschlugen, erfüllten mich mit einem schon lange nicht mehr verspürten Gefühl der Zufriedenheit. Ja, Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Doch die parteiischen Ringrichter sahen das anscheinend doch etwas anders. Ein gewaltiger Schatten drängte sich plötzlich zwischen mir und dem Rampenlicht. Noch bevor ich meine zuckersüße Rache in vollen Zügen genießen konnte oder überhaupt realisieren konnte, wie es um mich herum geschah, erfasste mich ein unbarmherzig reisender Luftzug. Im Hauch einer Sekunde lösten sich meine Pfoten, mit denen ich Pikachu auf den Boden presste, von dem wehrlos zappelnden Pokémon, meine Zähne, die sich fest in dem Arm der Maus verankert hatten, schnappten plötzlich ins Leere und alles um mich herum versank in einem bunten Farbenmehr. Sämtliche Rufe und Schreie, Pikachus Klagelaute, einfach jedes Geräusch im Raum ging in einem gewaltigen Rauschen unter. Ehe ich mir es versah, fand ich mich schwebend in der pechschwarzen Leere meines Pokéballs wieder.


    Etliche Minuten zogen dahin, bis ich endlich begriff, was soeben passiert war. Doch wollte ich es einfach nicht glauben: Stan, der Mensch, der sich selbst als mein Freund und Trainer schimpfte, hatte mich erneut auf gemeinste und hinterhältigste Art hintergangen, obwohl ich im Grunde nur in seinem Namen gehandelt hatte.
    Verschlungen von der Finsternis, tauchten vor meinem geistigen Auge die Gestalten, Colins, Pikachus, und die meines Trainers auf. Bei jedem weiteren Bild schien der Zorn ins Unermessliche zu steigen. Man konnte es überhaupt als Wunder bezeichnen, das der von all meinen aggressiven Gefühlen überschwemmte Pokéball, nicht schlagartig in Abertausende Stücke zersplitterte.
    Warum nur...? Warum hatte er mich hintergangen? Wo wir doch in den letzten Tagen unser gemeinsames Band enger, als es überhaupt jemals vorstellbar war, geknüpft hatten...
    Ich würde mich rächen...


    Wie lange ich mein Dasein in meinem verteufelten Gefängnis gefristet hatte, konnte ich nicht sagen. Die Erfahrung lehrte mich, dass die Gesetze der Zeit in der schier endlosen Leere des Inneren eines Pokéballs eine ganz andere Rolle spielten, als dass sie es in der Welt des Lichtes, des satten grünen Grases und der, der prall gefüllten Mülltonnen taten.
    Tief in dem eng verstrickten Netz meiner hasserfüllten Rachegedanken gefangen, öffnete sich plötzlich, nach einer mir endlos vorgekommenen Zeit, das Portal in die Freiheit. Meine Augen begannen unter dem gleißenden Lichtschwall heftig zu Tränen, während mich abermals der gnadenlose Windsog packte, und mich durch die Luft in die Freiheit wirbelte.


    Der schon beinahe in längst vergessene Ferne gerückte markante Geruch von jungen Nadelbäumen und klebrigem Harz, dass an langsam aus der Rinde verletzter Bäume heraussickerte, strömte mir in die Nase und in jede einzelne Pore meines Körpers. Kein fester und harter Beton, sondern leicht feuchte, lehmige Erde war unter meinen Pfoten zu spüren. Geblendet von dem grellen Licht der Außenwelt, linste ich in die mir völlig unbekannte Umgebung, deren Umrisse von Sekunde zu Sekunde immer klarer wurden. Bereits sehr späterer Nachmittag musste angebrochen sein. Goldgelbe Sonnenstrahlen bahnten sich mühselig ihren Weg durch das dichte Blatt- und Nadelwerk der zahlreichen, anmutig in den Himmel reichenden hölzernen Kolosse und fielen schwach auf den mit Tannennadeln übersäten, staubigen Waldboden. Nicht weit von mir entfernt, war ein Knistern und Knacken zu hören; offenbar ein kleines Lagerfeuer, dass munter vor sich hin flackerte.


    Plötzlich traf mein Blick eine Gestalt vor mir: Stan. Sein blasses Gesicht starrte mich mit vorwurfsvoller Miene an. Meine Gesichtszüge verfinsterten sich schlagartig bei seinem Anblick. Gerade, als er seinen Mund wohl zu einem weiteren Vergeltungsschlag gegen mich öffnen wollte, fuhr ich ihm ins Wort.
    „Spar es dir, was auch immer du sagen willst! Ich will es gar nicht erst hören!“
    Stan blickte mich einige Sekunden lang völlig ausdruckslos an. Auch wenn er mich wohl wieder nicht verstehen konnte, musste jedoch mein wutverzerrtes Gesicht mehr als nur eine deutliche Sprache sprechen.
    Er seufzte.
    „In Ordnung...“, sagte mein Trainer und kehrte mir den Rücken zu. „Wir sind hier drüben. Wenn du magst, kannst du uns ja Gesellschaft leisten.
    Langsam schritt er von dannen. Ich war schon fest davon überzeugt, dass er mich keines weiteren Blickes würdigen wollte, als er sich plötzlich noch einmal zu mir herumdrehte.
    „Ach ja... Nur damit du es weißt: Es ist Colin zu verdanken, das du wieder hier sein darfst. Es wäre daher mehr als angebracht, sich bei ihm für dein Verhalten zu entschuldigen...“
    Mit diesen seiner Worte ließ er mich mit all meiner aufgestauten Wut allein.


    Ich mich bei Colin entschuldigen? Ausgerechnet ich? Wer hatte denn damit angefangen, die ganze Welt gegen mich aufzuhetzen? Er doch! Nicht ich! Wenn sich hier jemand entschuldigen sollte, dann war er es! Doch war mir völlig klar, dass ich auf eine Entschuldigung lange warten konnte. Die Menschen waren in ihrer ganzen Ignoranz und Dummheit viel zu kurzsichtig, als dass sie ihre Fehler eingestehen würden.
    Regungslos stand ich rauchend vor Zorn auf der Stelle und bohrte mit meinem Blick brennend heiße Löcher in die dicke Rinde der kräftigen Bäume um mich herum.


    Letztendlich, nach einer gefühlten halben Stunde des Wartens, entschied ich mich dann doch, mich zu den Menschen zu gesellen. Das Geräusch des flackernden Lagerfeuers und der Geruch von verkohlten Holz, wurde mit jedem meiner Schritte in die Richtung, in der mein Trainer nach seiner kurzen Moralpredigt verschwunden war, immer intensiver. Schon bald tauchten die Umrisse von Stan und Colin auf, die auf einer, wohl vom Wind umgestoßenen Eiche, hinter dem Lagerfeuer saßen.
    Es dürfte für euch wohl keine Überraschung sein wenn ich euch sage, dass ich weder Colin noch Stan beim Vorrübergehen in die Augen sah, geschweige denn mich bei einem von beiden für die Gnade, mich auf meinem Gefängnis zu befreien, bedankte. Hoch erhobenen Schwanzes stolzierte ich an den beiden, auf einmal völlig wortkargen Menschen vorbei, und ließ mich auf der anderen Seite des Lagerfeuers nieder. Zufrieden musste ich jedoch feststellen, dass von Pikachu, einem der Hauptgründe für all dem heutig geschehenem Ärger, jede Spur fehlte. Offenbar hielt es Colin für das Beste, ihn fürs Erste unter Schloss und Riegel zu halten.


    Nicht viel Zeit zog ins Land, bis Stan und Colin ihre Schweigsamkeit überwanden und wieder damit begannen, leise über allen möglichen Menschen-Quatsch zu reden. Nur kleine ihrer Gesprächsfetzen drangen durch das rhythmische Knistern und Knacken des Lagerfeuers zu mir hindurch. Mein Unterbewusstsein schien die meisten ihrer Worte einfach abzublocken. Aber was scherte es mich auf, worüber sie redeten?
    Langsam aber sicher spürte ich, wie meine Augen unter dem Einfluss des wärmenden Lagerfeuers immer schwerer wurden. Schon fast war ich in die heile und unbekümmerte Traumwelt übergetreten, als ich plötzlich das Wort „Turnier“ undeutlich zu mir herüberschallen hörte. Verstohlen linste ich in die Richtung der beiden Menschen und spitzte die Ohren.
    „... Sieg war einfach phänomenal! Umwerfend! Atemberaubend!“, tönte Colin.
    Stan schwieg.
    „Glaub mir: Bereits als du mich in der ersten Runde geschlagen hattest, wusste ich, dass du das Turnier gewinnen wirst! Ehrlich!“
    Selbst durch das hell aufflackernde Funkenmehr vor mir, konnte ich ein zartes rosarot auf Stans Wangen zu mir herüberleuchten sehen.
    „Feurigel war echt eine Wucht. Schade, das es nicht fürs Finale gereicht hat. Hätte ihn gerne noch einmal richtig in Aktion erlebt.“


    Meine Aufmerksamkeit machte bereits wieder Anstalten, sich von der realen Welt zu verabschieden, als ich jedoch plötzlich meinen Namen fallen hörte.
    „Was ich aber überhaupt nicht verstehe ist, warum du während dem Finale kurz davor warst, das Handtuch zu werfen, obwohl du auf Sheinux’ Stärke bauen konntest...“
    „Wie sollst du auch...“, murmelte ich schlafestrunken, während meine Augenlider von Mal zu Mal immer mehr an Gewicht zulegten. „Zu dem Zeitpunkt hatten wir an dich noch nicht gedacht. Da war die Welt noch in Ordnung...“
    Natürlich waren Colin und sicherlich auch jeder einzelne Zuschauer über Stans merkwürdigen Verhalten mehr als nur verwirrt gewesen. Schließlich hatte keiner von ihnen weder etwas von den Vorfällen auf den Straßen von Oliviana City, noch von den mahnenden Worten der Ärztin im Pokémon-Center mitbekommen.
    „Also...“, murmelte Stan.
    „Ja?“, bohrte Colin nach.
    „Nun sag es ihm schon...“, gähnte ich mürrisch. „Wie man mich beinahe zu einem Bettvorleger verwandelt hat. Als ob es mich jetzt noch großartig interessieren würde...“
    „Du musst mir aber versprechen, nicht zu lachen, okay?“, murmelte Stan beklommen.
    Lachen? Wieso lachen? Was war denn bitte so lustig daran, beinahe von einem Auto überrollt zu werden?
    “Versprochen“, sagte Colin hastig. „Aber jetzt sag schon!“
    „Ich hatte einfach Angst...“, nuschelte Stan.
    Angst? Irgendwie verstand ich kein einziges Wort.
    „Angst? Vor was?“, wollte Colin wissen.
    „Sheinux... Ich hatte einfach Angst, dass er mich vor den Zuschauern bloßstellen würde. Er macht irgendwie nie das, was man ihm sagt. Ich hasse es einfach, wenn ich mich vor anderen lächerlich mache. Darum wollte ich ihn bei dem Turnier nicht antr... – AAARRRGH!“


    Selbst in meiner schier, in endlose Weiten gerückten Heimat, musste man die quälenden Schmerzensschreie meines Trainers hören, als ich jedes noch so kleine Fünkchen aus meinem Körper in den Stans leitete.
    Colin kippte vor Schreck rücklings von dem Baumstamm, auf dem er und Stan vor wenigen Sekunden noch so friedfertig gesessen hatten.
    Die Worte des Verräters, der sich all die Zeit über als meinen Freund bezeichnet hatte, waren wie Zehntausende rasiermesserscharfe Klingen, die soeben gnadenlos mein Herz durchlöchert und einen ozeangroßen Krater an dieser Stelle hinterlassen haben. Keine Vernunft, sondern blanker Hass, regierte mein Handeln, als ich den Körper des Menschen vor mir, mit meiner gesamten Wut überschwemmte. Heftig zitternd, mein Fell steil zu Berge gerichtet, hatte ich nur einen einzigen Wunsch: ihm Schmerzen zuzufügen. Mich für diesen niemals zu verzeihenden Verrat zu rächen.


    Die sich auf dem Boden vor Schmerzen krümmende Gestalt Stans, blieb mit dem Abflauen meines Funkenstroms regungslos liegen. Eine einsame Träne blitzte auf meinem Gesicht auf und sickerte ungesehen in den feuchten Waldboden, als ich Hals über Kopf in den Wald rannte.