Unwished - Wenn man eigentlich gar nicht existieren dürfte (Neu, am 18.11.12: Kapitel 10 + 11 überarbeitet gepostet!)

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  • Kapitel 7 - Traumbesuch



    (KPV, Teil 4)


    Der Abendessen kam und ging schnell, und als Inge die Küche verließ, warf sie uns nur einen kurzen Blick zu. Die Türe schloss sei leise hinter sich, als würde sie uns nicht beim Lesen stören wollen. Ich bekam es allerdings mit, da meine Konzentration noch immer nicht so gut ist wie zuvor. Wie die Sonne unterging und die Küche außerhalb des Scheins unserer Leselampe immer dunkler wurde, nahm ich allerdings nur am Rande meines Bewusstseins wahr.
    Damit war es wohl sicher, dass wir diese Nacht wieder in unserem Lager verbringen können. Dieses Mal schaffe ich es jedoch, mein Buch wegzulegen, als ich merke, dass ich zu müde zum Lesen werde. Gähnend ziehe ich mir die Decke über die Schulter, schmiege mich näher an Bodos Arm und richte meinen Kopf so auf seiner Schulter, dass ich im Schatten des Leselampenlichts liege. Das Lager mit meinem besten Freund an meiner Seite könnte nicht bequemer sein als mein Bett oben im Schlafsaal. Die Beine näher an meinen Körper ziehend, schließe ich meine Augen und wegdämmere.
    Es kommt mir so vor, als würde ich direkt von der Küche in den Traum fallen. Der Traum, in dem ich meine Mutter einfach wiedersehen muss… Mit den Armen fuchtelnd lande ich auf etwas, das groß und flaumig ist. Auf dem Rücken liegend fahre ich mit den Händen hindurch. Was ist das? Zuckerwatte? Nein, das wäre wahrscheinlich klebrig, und nicht so flauschig. Langsam öffne ich die Augen und schaue mich um. Obwohl mein Untergrund nicht aus Zuckerwatte besteht, sieht er dennoch genauso aus. Tatsächlich befinde ich mich auf einer riesigen, schneeweißen Wolke.
    Um mich herum erkenne ich nur zwei Farben, blau und weiß. Offensichtlich hat dieser Traum als Hintergrund den Himmel angenommen. Während ich mich aufrichte, blicke ich mich genauer um. Ich habe keine Ahnung, wo das Licht herkommt, da ich die Sonne nicht entdecken kann. Anders als das letzte Mal trage ich heute ein kurzes, schwarzes Trägerkleid, das sich bis zu meinen Hüften eng an meinen Körperschmiegt und sich danach aufbauscht. Außerdem habe ich eine purpurne Leggings an, die aussieht, als hätte man es in ein Bad aus Sternen getaucht. Außerdem stecken meine Füße in hellweißen Ballerinas und um meinen Hals baumelt ein Goldkettchen mit einem ebenfalls goldenen Kreuz.
    Aber abgesehen von mir scheint ansonsten niemand hier zu sein. Also beschließe ich mich, einen kleinen Spaziergang zu machen und auf dem Weg nach Bodo oder meiner Mutter zu suchen. Nach dem ersten Schritt bemerke ich bereits, dass ich mich total leicht. Jedes Mal, wenn ich meine Füße hebe, federt mich die Wolke ein Stückchen in die Luft. Mit einem vorsichtigen Sprung komme ich ohne Probleme auf eine höhergelegene Wolke. Auch meine Landung erfolgt ohne Probleme.
    Ich sinke ein bisschen in den weichen Flaum ein und stolpere ein bisschen, bevor sich sicheren Halt finde. Und dann erkenne ich, am anderen Ende der Wolke, eine Person mit dunkelroten, verstrubbelten Haaren. Mir ist sofort klar, wer das ist. „Bodo!“, rufe ich ihm zu, da er mit dem Rücken zu mir steht. Sofort wirbelt er herum. Leichtfüßig hüpfe ich auf ihn zu. In der Mitte der Wolke treffen wir uns.
    „Hast du Mama schon gesehen?“, frage ich mit meiner klingelnden Stimme, die ich bereits aus dem letzten Traum kenne. Er schüttelt nur müde mit dem Kopf. „Falls sie, nachdem sie dieses Loch gestern verschluckt hat, überhaupt noch hier auftauchen kann“, meint er. „Ich habe im Gefühl, dass sie kommen wird“, antworte ich und das genannte Gefühl bringt meinen Magen zum Kribbeln.
    Im nächsten Moment dringt etwas an meine Ohren. Überrascht blinzle ich und Bodo wendet direkt seinen Blick in die Richtung, aus der das Geräusch oder die Stimme kam. „Kaum, dass wir hier sind, werden wir auch schon wieder gerufen“, brummelt er. „Wa-“, ich stocke, dann spreche ich weiter, „Du hast es verstanden? Ich hab die Stimme gerade einmal als Geräusch wahrgenommen?“
    Er zuckt ungerührt mit den Schultern und grinst frech. „Da sollte wohl jemand nicht mehr so laut Musik hören, was?“, zieht er mich auf. „Ts“, mache ich. „Ach, komm schon“, gluckst Keith, „Du weißt doch, dass das nicht ernst gemeint war. Also, gehen wir der Stimme nach. Garantiert wartet deine Mama schon und steht sich die Beine in den Bauch.“ Seine schokoladenfarbenen Augen blitzen belustigt, als ich ihn mit einem Seitenblick anschaue und meine Augenbraue gespielt überlegen hochziehe. Kichernd gebe ich ihm einen Stoß zur nächsten Wolke und er fliegt mehr als dass er stolpert.
    Drei Wolken weiter verstehe ich die Rufe endlich klar und deutlich, aber meine Mutter haben wir immer noch nicht gefunden. Stattdessen machen wir uns einen Spaß daraus, dass wir hier oben offensichtlich beinahe schwerelos sind, während wir von Wolke zu Wolke springen. Bis wir auf der vierten, bis jetzt am höchsten gelegenen ankommen und das „Beeil dich!“ verklingt. Eine Frau mit braunen, taillenlangen Haaren, die in unsere Richtung geweht werden, erwartet uns hier bereits.
    „Da seid ihr zwei ja wieder“, spricht sie mit ihrer singenden Stimme. Ein ehrliches, kleines Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, das ich sogleich erwidere. Bodo fragt: „Ähm… Bevor wir letzte Nacht unterbrochen wurden, wollten Sie uns doch noch etwas erzählen?“ „Ach, bitte, sag doch ‚du‘ zu mir“, meint meine Mutter und lächelt ihn ein bisschen breiter an, „Ich fühle mich ansonsten immer so alt, dabei altere ich gar nicht mehr. Immerhin bin ich bereits tot.
    Außerdem bist du der beste Freund meiner ältesten Tochter, die ich, gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester, meiner jüngsten, alleine auf der Welt zurückgelassen habe. Versprich‘ mir, dass du gut auf meine Kathrin aufpasst, auch wenn euch eine schwere Zeit bevorsteht. Nur zu zweit werdet ihr das durchstehen.“ In ihren Augen sehe ich Anspannung und höchste Konzentration. Erst durchbohrt sie meinen besten Freund mit ihnen, dann treffen sich unsere.
    Kathrin, mein großes Mädchen“, murmelt sie, „Das wird mein letzter Besuch sein, aber ich weiß mit Sicherheit, dass du alles schaffen wirst, solange du es nur wirklich willst. Deine Freunde“, abermals huschen ihre Augen kurz zu meinem besten Freund, dann zurück zu mir, „Werden dich unterstützen und dir dabei helfen, das Ziel zu erreichen, das nötig ist, um das unscheinbare Böse auszumerzen.“
    Bodo und ich werfen uns verwunderte Blicke zu, dann sagt er: „Aber… Sind sie, entschuldige, bist du dir da ganz sicher?“, fragt er mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck. Mama nickte. „Ich weiß es einfach. Was es das angeht, könnt‘ ihr mir vertrauen“, antwortete sie, „Ihr müsst mir einfach vertrauen. Also, auf Wiedersehen, mein großes Mädchen. Du wirst mir sehr fehlen… Und sag auch Lucy, dass ich sie lieb habe, ja?“
    Ihre Augen sind erfüllt von Trauer, aber die Tränen kann sie zurückhalten. Es passierte das Gleiche wie damals an meinem fünften Geburtstag. Genau wie damals löst sie sich langsam, aber sicher in Luft auf, genau wie damals zerreißt mir der Anblick das Herz. Genau wie damals bleibt mir im ersten Moment die Luft weg und ich muss erst mal nach ihr schnappen, um meine Lungen mit ihr zu füllen.
    Allerdings steht dieses Mal anstelle meiner ebenfalls den Tränen nahen Schwester mein bester Freund. Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich gleich viel besser und stärker als beim letzten Mal. Trotzdem reicht die Szene vor meinen Augen aus, um das Gefühl der Einsamkeit, das Gefühl, verlassen worden zu sein in mir auszulösen. Die Welle, die mich in die Tiefe zieht, bleibt aus.
    Ich hole tief Luft und seufze: „Das war wohl endgültig das letzte Mal, dass sie sich von mir verabschiedet hat. Wirklich das letzte Mal, dass ich sie leibhaftig gesehen habe, auch, wenn das nur in einem Traum passiert ist…“ Obwohl ich versuche, sie mir zu verkneifen, laufen mir Tränen über die Wangen, aber sie schaffen nicht die Hälfte ihres Weges bis runter zu meinem Kinn, da Bodo sie davor wegwischt.
    Das nächste, was ich spüre, ist, dass er mich an sich zieht und mich fest umarmt. Vorsichtig lege ich ihm meine Arme um die Mitte und vergrabe meine Kopf in der Kehle seines Halses. Leider tröstet mich die Umarmung anfangs überhaupt nicht. Stattdessen muss ich daran denken, wie mich Mama früher immer aufgemuntert und in den Arm genommen hat, was dazu führt, dass aus den wenigen Tränen eine ganze Flut wird. Von Schluchzern geschüttelt versuche ich, die Erinnerung beiseite zu schieben und mich stattdessen auf die Gegenwart zu konzentrieren.
    Die Gegenwart… Die für mich momentan aus einem Traum bestand, in dem ich mich gemeinsam mit Bodo befand. Aber nicht nur das. Mein Gehirn brauche eine Weile, um die Botschaft richtig an mein Gehirn zu verschicken, dass ich mich gerade in seinen Armen befand und mich bei ihm ausheulte. Ausnahmsweise kann ich es mir sogar leisten, rot zu werden, ohne befürchten zu müssen, dass mich irgendjemand sieht.
    Es braucht einige Zeit, bis ich mich wieder beruhigt habe und auch die Hitze aus meinem Gesicht verschwunden ist. Rot ist es trotzdem, jedoch mehr von den Tränen als von der Nähe zu meinem besten Freund. Selbst, wenn ich deshalb noch Farbe im Gesicht haben würde, würde es nicht auffallen. „Tut mir leid“, murmele ich Bodo zu, während ich mir beide Augen reibe und schniefe.
    „Kein Problem… Wie deine Mama bereits gesagt hat, deine Freunde werden immer für dich da sein. Und ich als bester Freund gehöre jawohl auch in die Kategorie ‚Freunde‘, oder?“, lacht er, wobei er sein Gesicht in meinen Zöpfen vergräbt. „Hast schon Recht“, sage ich ein bisschen munterer als zuvor. So sehr wie das letzte Mal wird Mamas endgültiges Verschwinden mich dieses Mal nicht zerreißen.
    „Also, nun, da wir alleine in diesem seltsamen Traum sind… Was machen wir jetzt?“, fragt Bodo. „Uns austoben“, entgegne ich sofort, ihn an den Schultern packend und umdrehend, „Was sonst?“ Ich wollte so schnell wie möglich über die Szene von gerade eben hinwegkommen, weshalb ich mich kichernd meinen Plan zuwende. „Und wie stellst du dir das vor?“ „Ganz einfach“, erkläre ich, „Wir träumen, wir sind fast schwerelos und wir befinden uns ganz weit oben irgendwo im Himmel. Also, was hältst du von Bungee Jumping ohne Seil?“
    Meine Umgebung gefällt mir so sehr, dass meine Stimme sich in ein hübsches, kleines Trällern verwandelt, das, zugegeben, ein bisschen nach Musik klingt. Da Bodo sich nicht wehrt, fällt es mir nicht allzu schwer, ihn bis zum Wolkenrand zu schieben, wo wir erst einmal einen Blick nach unten werfen. Tatsächlich befinden wir uns soweit über der Erdoberfläche, dass wir uns nicht einmal mehr sicher sind, ob in diesem Traum überhaupt eine existiert. Alles, was wir erkennen können, sind weitere, flaumig aussehende Wolken.
    Also im echten Leben würde ich garantiert ablehnen, aber momentan weiß ich nicht, wovor ich mich fürchten sollte. Das ist immerhin eigentlich nur ein Traum“, lacht er und beugt sich noch ein wenig weiter vor. „Also springen wir?“ „Klar“, erwidert er, „Bungee Jumping irgendwo mitten im Himmel, ohne Seil, ohne Ende.“ Bevor ich noch irgendetwas sagen kann, hat er bereits meine Hand ergriffen, springt und zieht mich mit sich in die Tiefe.
    Der Fall löst das Gefühl der Leichtigkeit in meinem Magen aus, ähnlich dem, das die Schmetterlinge in meinem Bauch verursachen, wenn ich meinem besten Freund mal wieder zu nahe bin oder an den unmöglichen Spagetti Kuss denke. Ohne es verhindern zu können, reißt mich die seltsamerweise doch vorhandene Schwerkraft in die Tiefe, langsamer zwar, als es normal gewesen wäre, aber es war mir schnell genug.
    Leider dauerte es nicht allzu lange, bis uns eine Zuckerwattenwolke dazwischen kommt. Und in dem Moment, in dem ich rücklings darauf lande, federnd und weich, schließe ich kurz meine Augen und befinde mich im nächsten Moment bereits wieder in der Küche. Gähnend und streckend betrachte ich das Spiegelbild mir gegenüber, das ich bereits gestern, nachdem ich aufgewacht war, angeschaut habe. Dieses Mal sehe ich allerdings nicht mehr als unsere Köpfe, da wir bis zum Kinn hin zugedeckt sind.
    Natürlich zeigt das nicht nur das Spiegelbild im Ofen, auch mein Körper fühlt sich wohlig warm an, in der kuschligen Ecke mit Bodo. Das hilft mir nicht wirklich dabei, wacher zu werden, im Gegenteil! Die Wärme lullt mich derartig ein, dass mir beinahe sofort wieder die Augen zufallen. Um die Müdigkeit abzuschütteln, fange ich an, meine Gliedmaßen leicht zu strecken und ein bisschen zu verbiegen.
    Meine Zehen bewegen sich unruhig unter der Decke. Diese rutscht schließlich herunter und gibt meine Füße preis. Weiter gehe ich zu meinen Beinen, die ich komplett anspanne und, so gut es geht, ausstrecke, gehe dann über zu meinen Oberkörper und den Schultern, indem ich mich anspanne und leicht drehe, und komme schließlich bei meinen Armen an. Vielleicht hätte ich besser mit ihnen anfangen sollen. Dann wäre mir nämlich früher aufgefallen, dass ich mich mit ihnen fest an Bodos Arm geschmiegt habe.
    He, du Klammeräffchen“, begrüßt er mich, etwas heiser lachend. Wohl hat ihm der Schlaf etwas von seiner Stimme geklaut, und das muss er sich jetzt erst mit der Zeit wieder holen. Aber anscheinend hat er meinen Klammergriff bereits gemerkt. Ich blinzele meinen Kopf und blinzele ihm unschuldig entgegen. Dazu setze ich ein müdes, schwaches Lächeln auf. Er grinst zurück und verdreht mit seiner freien Hand die Zöpfe.
    „Ach, wer ist denn da endlich mal aufgewacht?“, dringt die Stimme einer weiteren Stimme an unsere Ohren und wir drehen die Köpfe in Richtung Türe. Natürlich gibt es nur eine Person, die wir um diese Uhrzeit in der Küche antreffen. Inge steht neben der Spüle, irgendetwas abspülend. „Oh, Inge“, gähne ich und schließe die Augen halb. Wenn ich daran denke, dass ich morgen um diese Uhrzeit mich wahrscheinlich schon wieder auf den Unterricht freuen kann… Dann wird mir direkt warm ums Herz. Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich die Ironie liebe?
    „Wie viel Uhr haben wir bereits?“, fragt Bodo Inge, und sich selbst. Die Augen zusammenkneifend, blickt er sich in der Küche um, als wolle er anhand des Lichtes, das durch das Fenster nach drinnen fiel, herausfinde, wie spät es bereits ist. Die Antwort ist leicht erschreckend, da es so sich so unnatürlich anhört. Wie kann es sein, dass wir bis beinahe zehn Uhr im Bett liegen? Im Normalfall ist es spätestens sieben Uhr, wenn wir aufwachen.
    „Uähh“, entfährt es mir unwillkürlich. Mein Körper will mir nur halb gehorchen. Einerseits will ich aufstehen, mich bewegen und wacher werden. Den ganzen Tag, auch, wenn es ein Sonntag ist, lahm herumsitzen und nichts tun, das ist einfach nichts für mich. Noch dazu sitze ich einfach nur verschlafen, mit halb offenen Augen in der Küche herum. Da bin ich direkt froh darüber, dass man von der Kantine aus nicht in unser Lager blicken kann.
    Deshalb finde ich es auch nicht allzu schlimm, wenn ich es jetzt doch nicht schaffe, aufzustehen. Weil es einfach viel zu warm und gemütlich ist. Kuschlig, und bequem. Diese Gründe reichen, um meinen vom Schlaf immer noch nebligen Kopf auf diese Seite zu ziehen. Also lasse ich meinen Kopf sinken, die Lider fallen und mich von der Wärme einlullen. Laut Inge ist das Frühstück ohnehin schon vorbei, weshalb es sich nicht lohnt, aufzustehen, nur, um sich dann zurückzusetzen und darauf zu warten, dass wir Mittagessen machen dürfen.
    „Hast du keinen Hunger?“, fragt mich mein bester Freund dennoch. Gähnend öffne ich die Augen und schaue ihn an. Leider stimmt es wirklich. Mein Magen gibt laut knurrend die richtige Antwort. Schade. Dabei war es gerade wirklich schön. „Eigentlich schon“, setze ich meinem Bauch hinterher, mir die Augen reibend. „Ach, irgendwann müssen wir ohnehin aufstehen. Also, komm‘, ich mach‘ uns etwas“, haucht er mir zu.
    Dass dabei sein viel zu warmer Atem an meinem Oh r und meiner Wange zu spüren ist, ist für mich nicht sehr hilfreich. Mein Gesicht wird abermals puterrot. „Okay…“, ist das einzige, das ich kleinlaut murmeln kann. Zuerst erhebt sich Bodo, ich lasse mir noch etwas Zeit, damit die Röte wenigstens einigermaßen verschwinden kann. Stattdessen müsste es jetzt nur noch so aussehen, als hätte ich aufgrund der Wärme schöne Apfelbäckchen bekommen.
    Kaum dass ich auf meinen wackeligen Beinen stehe, spüre ich bereits, dass sich ein weiterer Schwindelanfall anbahnt. Ohne es wirklich zu wollen, greife ich nach Bodos Arm, der sich zum Glück nicht weiter weg vom Schlafplatz bewegt hat. Leicht keuchend kneife ich die Augen zusammen. Bis ich merke, dass das Schwindelgefühl nachlässt. Mein Magen beschwert sich grummelnd.
    „Ach, sei doch still“, schimpfe ich zurück. Schön. Jetzt rede ich sogar schon mit meinem Bauch. Mein bester Freund neben mir lacht nur und fragt mich dabei: „Also, meine tägliche Frage: Was willst du heute zum Essen haben?“ Ich knuffe ihn leicht in die Seite. „Machen wir doch gleich eine Mischung aus Mittagessen und Frühstück, da wir schon recht spät aufgestanden sind. Wenn ich jetzt frühstücke, dann passt nämlich später nichts mehr in mich rein. Was hältst du von einem großen Omelett mit Schinken und als Nachspeise eine Schüssel Obstsalat für jeden?
    Natürlich nur, solange du das Omelett und den Schinken macht. Ich verstehe irgendwie nicht, wie du es schaffst, dass es so fantastisch schmeckt und gleichzeitig so aussieht, als hätte es ein Chefkoch gemacht. Ganz ehrlich, warum willst du das nicht auch mal beruflich machen? Als Koch in einer Küche stehen… Also, ich würde jeden Tag in das Restaurant kommen, nur um das zu essen, was du machst.“
    Ich tänzele ihm voran in die Speisekammer, wo wir alle Zutaten holen. Während ich die Eier aus der Schachtel abzähle, beantwortet Bodo endlich meine Frage: „Warum ich kein Koch werden will, fragst du? Nun, erstens glaube ich kaum, dass jeder so verrückt ist nach dem, was ich koche, wie du. Das verstehe ich übrigens nicht, wie du das nur so lecker finden kannst. Außerdem glaube ich, dass ich mit Pokémon Ranger sein einfach besser leben kann. Da fühle ich mich wirklich nach einem Tag so, als hätte ich etwas erreicht. Mägen zu füllen kommt da einfach nicht ran…“



    (BPV)


    Als das Essen fertig ist, setzen wir uns wieder auf eine der Arbeitsplatten. Meine vielen Seitenblicke bemerkt Kathrin nicht. Ganz ehrlich, ich weiß wirklich nicht, was sie an dem Essen, das ich mache, findet. „Und?“, frage ich sie, als sie den ersten Bissen genommen hat. Sie grinst und antwortet: „Lecker, wie immer“, bevor sie sich die nächste kleine Portion in den Mund steckt und zufrieden kaut.
    Nach dem Frühstück taumeln wir zurück zu unserem Lager, um uns, bis abends, unseren restlichen Büchern zu widmen. Kathrin fängt mit dem gleichen an, an dem sie gestern bereits einige Zeit saß. Es ist ungewohnt, sie so direkt neben mir zu haben, während ich lese. Bis jetzt habe ich immer im Gemeinschaftsraum oder, ganz ohne sie, im Schlafsaal gelesen. Noch dazu kommt, dass sie sich aufführen kann wie eine Schmusekatze. Und dieser Zwischenfall gestern beim Mittagessen. Den Gedanken daran kann ich nicht abschütteln.
    Egal, wie sehr ich es versuche. Das Gefühl und die Gedanken an den Kuss selbst kann ich einfach nicht verdrängen. Dieses Kribbeln in meiner Magengegend, dieses unvergessliche Höhengefühl, das mich durchflutet hat… Unerwartete Reaktionen, bei denen ich nie gedacht hätte, dass sie mich so überrumpeln können. Ich verwerfe den Gedanken an den Moment, in dem sich unsere Lippen berührten.
    Es fällt mir sehr schwer, bis zu dem Moment, als wir nach dem Abendessen hochgehen in den Gemeinschaftsraum. Dort werden wir bereits von Rhythmia und Primo erwartet. Naja, eigentlich wurde ich eher von Primo, und Rhythmia ignorierte mich vollkommen. Stattdessen wandte sie sich sofort Kathrin zu. Sie schleifte sie in den Mädchenschlafsaal und ließ mich alleine mit ihrem besten Freund zurück.
    „Ach, Gott, was ist denn mit Blondi los?“, sage ich überrascht. Ob sie vielleicht meine Gedanken lesen kann und Kathrin jetzt wegen des Kusses ausquetschen will? Wohl kaum. Wenn das wirklich so wäre, hätte sie mich davor mit giftigen Blicken umgebracht. „Keine Ahnung, die ist schon den ganzen Tag so drauf“, erwidert Primo, „Und was ist mit dir? Dein Wochenende mit Kathrin in der Küche genossen?“ Ich werfe ihm einen kurzen, nichts preisgebenden Seitenblick zu, antworte aber nicht auf die Frage.

  • Hallo Sosochan, ich lese deine Story nun schon etwas länger und möchte sie nun kommentieren. ^^ Vorher möchte ich aber noch etwas los werden - Lustig, dass du dieses Kapitel heute onstellst und noch darunter schreibst, dass du ab heute Soso heißt... Wieso? Ich habe heute nämlich den selben Spitznamen von jemandem verpasst bekommen xD


    Fangen wir mit dem Startpost an. An diesem habe ich am meisten zu bemängeln, da er leider sehr unstrukturiert ist. Nimm am besten die Umfrage heraus und frage die Leser persönlich, außer du stellst vielleicht einen Header daneben, der heutzutage schon ein Muss ist. Die grellen Farben machen es einem schwierig, alles in einem Zug durchzulesen, bei dem Vorwort, den Genres und der Fantasy-Abteilung hat das Board wohl einen Einfügungsfehler gemacht, den du hättest wenigstens korrigieren können.
    Die Charaktersteckbriefe hättest du in ein Tabmenu oder Spoiler packen müssen, so zieht es zwar das ganze in die Länge, aber Qualität geht vor Quantität. Außerdem sollten sie eigentlich zum Nachlesen genutzt werden als zum Kennenlernen der einzelnen Figuren, nimm am besten die Charaktere raus, die in der Geschichte noch nicht vorkamen, wie zum Beispiel Bodos bösen (?) Zwillingsbruder. Allgemein ist die Einteilung von Gut und Böse zu eindeutig, finde ich. Es gibt eigentlich niemanden auf der Welt, der wirklich böse ist, machthungrig und egoistisch vielleicht, aber böse gibt es nicht. Also streich wenigstens das 'Böse' xD
    Ich rate zur kompletten Neugestaltung des Startpostes, da er ehrlich gesagt eher abschreckend als einladend wirkt, sorry :/ Du kannst mir diesbezüglich gerne eine PN schreiben, ich würde dir bei der Gestaltung nämlich sehr gerne helfen, da ich in deiner Story einen Rohdiamant sehe, der geschliffen werden möchte!


    Zu den Kapiteln. Du solltest Text am besten immer in einen Blocksatz setzen (wenn du nicht weißt, wie das geht, frag ruhig), damit man eine bessere Übersicht hat. Ich habe es bisher immer nur geschafft, die Kapitel zu lesen, indem ich die schon gelesenen Stellen markiert habe. Nach einer wörtlichen Rede + "sagte er/sie" etc. solltest du einen Absatz machen, außer, wenn die selbe Person weiterspricht. Ein großer Pluspunkt ist schon mal, dass du die farbigen Markierungen dafür, wer gesprochen hat, nun weglässt.
    Ein schwerwiegender Fehler, den du oft machst, ist das Wechseln zwischen den Zeiten - Manchmal schreibst du im Präsens, aber im nächsten Moment schon im Präteritum! Gewöhnlicherweise schreibt man eine Geschichte in letzterem, daher würde ich es dir auch empfehlen, das zu tun. Es geht einfacher, ans Präsens trauen sich meist nur die Profis =D
    Dasselbe ist es mit dem Schreiben in der Ichform, viele Autoren hier im Bisaboard tun dies erst später in ihrer "Laufbahn", da Beschreibungen allgemein aus der Erzählersichtweise einfacher gehen. Ich selbst habe aber auch mit der Ichform angefangen und will dich auch nur bestärken, dies weiter zu tun, da die das Wechseln der Perspektiven deiner Story mehr pepp geben. ^^
    Eine weitere Sache, die mir aufgefallen ist, ist, dass du oft Umgangssprache benutzt. Zum Beispiel nennen Kathrin und Bodo beide Rythmia "Blondi" und das auch noch in der selben Art und Weise - Wenn du schon in der Ichform schreibst, solltest du die Gedanken einer Person nicht als deren Erzählung verwenden, damit übermittelst du nämlich ihre Meinung auf eine sehr unschöne Art und Weise. Auch wenn du in der Sichtweise einer Person schreibst, solltest du nicht auf Umgangssprache zugreifen!
    Dann noch eine Sache, die mich sehr gestört hat. In ein paar Kapiteln hast du in Klammern Kommentare zu der Geschichte geschrieben, tut mir Leid, wenn das jetzt hart klingt, aber das geht gar nicht. Es ist eine Geschichte, wenn du jemandem etwas mitteilen möchtest, dann tu das bitte in einem Vor- oder Nachwort. :/


    Jetzt komme ich aber mal endlich auf die Handlungselemente der Geschichte. Eigentlich war es Zufall, dass ich auf deine Story gestoßen bin, da ich aber ein riesiger Ranger-Fanatiker und außerdem noch Kathrin&Bodo-Fan bin, habe ich angefangen zu lesen. Die Idee mit den Engeln und co. gefällt mir sehr gut, es macht neugierig und ist ein sehr guter Storyansatz. Was ich zunächst als eher störend empfand war die Tatsache, dass Misty, Maike und Lucia eine erwähnt wurden - Nicht, dass ich sie nicht mögen würde, ich mag sie sehr xD - Aber ich frage mich, ob sie noch eine essentielle Rolle spielen werden, denn wenn nicht, solltest du sie besser streichen.
    Am Anfang ging es mir mit der Story noch etwas zu schnell voran, Langsam ist die kleine Schwester von Einführend und Angenehm! Du hättest dir Zeit für genauere Beschreibungen der Schule nehmen sollen, auch wenn eigentlich hier jeder weiß, wie sie aussieht, es gibt ein schönes Gefühl und man fühlt sich den Charakteren eher verbunden. Du hättest auch viel mehr Umschreiben können, dies würde die Kapitel in die Länge ziehen und uns Lesern eine bessere Vorstellung davon geben, wie du dir die komplette Geschichte vorstellst. Gib dein Bestes, damit wir sie so sehen wie du sie siehst!
    Seltsam kam es mir auch schon vor, als Bodo einfach die Tatsache akzeptiert hat, dass Kathrins Mutter in einem seiner Träume erschienen ist, und, noch mehr sogar, dass sie den selben Traum geträumt hat! Wie würdest du dich in einer solchen Situation fühlen? Sicher ziemlich geschockt, oder?


    Hoffentlich ist der Kommentar etzt nicht zu direkt oder kritisch geworden, ich bin nämlich ein neuer Stammleser und möchte dir beim Schreiben unbedingt helfen, weil ich in deiner Geschichte etwas Geniales sehe. [: Eine Benachrichtigung bei neuem Kapitel brauche ich nicht, ich habe das Thema schon vor Wochen abonniert, aber mich nie gezeigt ^.~
    Und ich hoffe, dass du mir bezüglich des Startpostes die PN schreibst, so, das wars aber nun von mir.


    Liebe Grüße, Lumina


    PS: Das Shipping zwischen Kathrin und Bodo heißt Schoolshipping!

  • Kapitel 8 – Das 1-Tages-Praktikum
    (BPV)



    Ich hoffe, ihr wisst alle, was heute ist?“, schreit Fräulein Mai in unser Klassenzimmer, als sie es betritt. Die ganze Klasse saß unnormal hibbelig auf ihren Plätzen. Daran dürfte unsere Klassenleitung eigentlich schon bemerken, dass keiner vergessen hat, was für ein spezieller Ausflug uns heute erwartet. Das 1-Tages-Praktikum steht an, wie immer gegen Ende des Schuljahres, ganz nahe bei den Abschlussprüfungen.
    Die ganze Klasse wurde bereits vor einer Woche in mehrere Gruppen eingeteilt und zu verschiedenen Ranger Basen zugeteilt. Ich darf zusammen mit Kathrin und Primo nach Brisenau, dort, wo unser Freiluftunterrichtslehrer Frohderich arbeitet. Auch ein paar, die den Wunsch hegen, Mechaniker oder Techniker zu werden, dürfen zur Brisenau Basis, und haben ab dann entweder bei den Technikern Einführungen und hören persönliche Eindrücke, oder sie sind bei ein paar Außeneinsätzen der Mechaniker dabei.
    Da jedoch gestern bereits zwei Gruppen genau das in Brisenau erlebt haben, sind heute wir als Ranger dran. Im Gegensatz dazu waren gestern die Ranger bereits in der Ranger Vereinigung, dafür wird heute gewechselt. Auch Rhythmia darf heute das Ranger HQ besuchen, zusammen mit Celia und Anna. Es gefällt ihr ganz und gar nicht, dass ich mit ihrem besten Freund den ganzen Tag verbringen muss, und nicht sie. Seit sie es weiß, hat sie mir das Leben noch schwerer gemacht als bisher.
    „Nun denn, ihr wisst, wohin ihr müsst. Macht bitte keine Abstecher, trödelt nicht, bleibt höflich und seid allen voran vorsichtig! Wenn ihr euch verletzt, werdet ihr so schnell nicht mehr erleben, wie es jemanden geht, der bereits euren Traumberuf ausübt“, schärft sie uns ein, „Das 1-Tages-Praktikum ist während eures Schuljahres eine einmalige Erfahrung.“ Die Schüler brummeln zustimmend, während sie das Klassenzimmer verlassen.
    Primo, Kathrin und ich, wir trotten hinterher. Ich spüre den bohrenden, giftigen Blick von Blondi in meinem Nacken, bis wir vor dem Schultor spielen. Meine Nackenhärchen haben sich auf dem Schulhof bereits aufgestellt und dem Drang, sie mit einem Knurren abzuschrecken, muss ich ebenfalls unterdrücken. Das einzige, was ich machen kann, ist, meine Hände zu Fäusten zu ballen und darauf warten, dass wir uns endlich trennen können.
    Am Schultor ist es schließlich so weit. Rhythmia muss sich, glücklicherweise, mehr beeilen als wir, um rechtzeitig zur Vereinigung zu kommen. „Bis heute Abend!“, verabschiedet sie sich zwitschernd von ihrem besten Freund und meiner besten Freundin, ignoriert mich weiterhin und zischt anschließend über die Holzbrücke. Ungerührt starre ich ihr hinterher. Ein ganzer Tag ohne sie, dafür darf ich zusehen, wie echte Ranger arbeiten. Das müsste mein absoluter Traumtag werden. Jedenfalls während meiner Schulzeit.
    Kathrin scheint diese Ansicht voll und ganz zu teilen. „Lasst uns schon gehen“, drängelt sie, packt sich meinen Arm und zieht mich hinter der Blondine, die schon längst im Wald auf der anderen Seite verschwunden ist, her. Primo hingegen ist genauso ruhig wie immer. Der macht keine Hektik. Nur kurz blicke ich mich zu ihm um. Sein entspannter Gesichtsausdruck wird von einem verträumt wirkenden Lächeln geziert.
    Wir wollen gerade durch das Tor gehen, als jemand an uns vorbeizischt und kurz danach auch ein kleines Bidiza hinterher. Als ich mich schnell umdrehe, schneller, als ich gewollt hatte, schaffe ich es sogar noch zu sehen, wie Klein Hein, der Milchmann in der Gegend, auf einen der Bäume klettern will. Leider schafft er es kaum. Schließlich klammert er sich nur noch an dem Stamm, gerade so weit oben, dass das Bidiza ihn selbst springend nicht erreichen kann.
    Es quietscht weiterhin bei den Wurzeln, umrundet den Baum und scheint total ausgelassen zu sein. „Spielt er Fangen mit dem Bidiza?“, fragt sich Kathrin. Ihr verwunderter Blick bestätigt, dass sie noch nie jemanden getroffen hat, der Angst vor Pokémon hat. Für mich ist das auch ein Schock gewesen, gerade, weil Hein vor einem viel zu kleinem Babyknospi weggelaufen ist. „Nein, ganz und gar nicht“, jammert er, ein Stück den Stamm hinabrutschend.
    Grinsend greife ich nach meinem FangKom und ehe ich es mich versehe, habe ich das verspielte Bidiza bereits zu meinem Pokémon Freund gemacht. Freudig mit dem Schwänzchen wedelnd, läuft es zu mir herüber und springt um meine Beine herum. Kathrin beugt sie zu ihm hinab, um es hinter den Ohren zu kraulen. „Was bist du denn für ein süßes Ding“, kichert sie.
    „Weißt du“, sage ich ihr so leise, dass Hein mich nicht verstehen kann, „Klein Hein hier ist nicht nur unser Milchmann, sondern auch die einzige Person in ganz Almia, die Angst vor Pokémon hat. Leider macht es ihm sein Beruf nicht leichter, denn der Milchgeruch scheint die Pokémon anzulocken.“ Inzwischen ist Hein zu uns herüber gekommen, aber seine Augen hat er unruhig auf das Bidiza gerichtet, das Kathrin immer noch streichelt.
    „Es wird Ihnen nicht hinterherlaufen“, erkläre ich ihm, „Erstens ist es viel zu abgelenkt durch Kathrins Streicheleinheiten und zweitens wird es sich Ihnen nicht mehr nähern, solange ich nicht sage, dass es das tun soll.“ „D-danke“, stammelt er, „Ich glaube, wenn ich daheim bin, brauche ich erst mal Aspirin…“ Sich die Stirn reibend, zieht er von Dannen. „Wie kann man nur Angst vor dir haben“, murmelt Kathrin und krault ein letztes Mal das Bidiza, „Aber jetzt erst mal weiter. Auf nach Brisenau!“
    Wortlos lasse ich mich von meiner besten Freundin mitziehen. Auf der Holzbrücke wird sie langsamer und blickt erst einmal runter auf den reißenden Fluss. Normalerweise dürfen wir den Schulbereich nicht verlassen, das heißt, alles hinter halb des Schultores ist für uns mehr oder weniger unbekanntes Terrain. Uns wurde mitgeteilt, dass das so sein muss, weil wir auch unsere Abschlussprüfung teilweise hier austragen werden.
    „Ich wusste gar nicht mehr, wie stark die Strömung hier ist!“, quiekt Kathrin. Tatsächlich sieht das Wasser unterhalb der Brücke nicht gerade so aus, als wäre es zum Baden gut geeignet. Das Ufer zu beiden Seiten ist teils steinig, teils felsig und teils auch dicht mit Gras bewachsen. „Wie solltest du auch, wenn du sie erst einmal gesehen hast, und das war damals, als du zum ersten Mal in Richtung Schule gegangen bist“, lache ich.
    „Naja, Baden möchte ich da drin auf jeden Fall nicht“, meint sie noch und dreht sich zu mir um. Primo hat uns inzwischen eingeholt, obwohl er immer noch träumerisch dreinschaut. Was ist denn mit ihm heute los? Tagträumen passt doch sonst auch nicht zu ihm. Ich wedele mit einer Hand sicherheitshalber vor seinem Gesicht. „Dir geht’s gut?“, frage ich. Er benimmt sich ein wenig so wie Kathrin, bevor sie mir erzählt hat, was an ihrem fünften Geburtstag passiert ist.
    Verwirrt blinzelt er mich an, als hinge ein Schleier vor seinen Augen, dann sagt er: „Klar, ich muss heute nur die ganze Zeit an etwas denken…“, erklärt er. „Und an was, wenn ich frage darf?“ Abwehrend schüttelt er den Kopf. „Morgen ist es vorbei“, verspricht er. Zweifelnd hebe ich eine Augenbraue, aber Kathrin hat schon wieder meinen Arm. So langsam wird sie Rhythmia immer ähnlicher, was es das hinter sich herziehen angeht.
    Aber lange macht sie es ohnehin nicht. Denn mitten auf der Holzbrücke treffen wir abermals auf eine Person. Ein kleines Mädchen, um genau zu sein, mit taillenlangen, blonden Haaren, in denen eine rote Schleife steckt, und in einem lila Kleidchen. Ihr verzweifeltes „Mein… Mein großer Bruder“ und ihr Schniefen habe ich schon von weitem gehört. Ein Blick genügt um zu merken, wie hilflos die Kleine ist.
    Als wir bei ihr ankommen, werden ihre Augen ganz groß. Ihr Wimmern wird zu leise, um noch etwas zu hören, aber ich frage trotzdem nach. „Was ist denn mit deinem großen Bruder?“ Die Nase hochziehend murmelt sie: „Er ist nicht hier…“ Meine Gegenfrage bleibt mir erspart, als ich bereits Schritte hinter mir wahrnehme. Ich wirbele herum. Zwei Jungen haben soeben die Holzbrücke betreten und ich erkenne sofort an den Haarfarben, wer das ist.
    „Hey, Tag, allen zusammen“, ruft Michel uns entgegen, „…. Was ist hier denn-“ Weit kommt er nicht, denn er wird von Albert neben ihm abgeschnitten: „Melodia! Was machst du denn hier?“ Sofort hellt sich das Gesicht des Mädchens auf. Freudig kichernd läuft sie an mir vorbei: „Hey, Albert! Ich wollte dich besuchen!“ Ich bemerke, wie Kathrin die Geschwister interessiert beobachtet und sich währenddessen ein Lächeln nicht verkneifen kann. Sicherlich kann sie nicht anders, als an ihre kleine Schwester Lucy zu denken.
    Albert findet es allerdings nicht gut, dass er Besuch hat. „Aber Melodia! Ich hab dir doch gesagt, du darfst nicht hierherkommen. Noch dazu alleine. Du weißt doch, wie lange und gefährlich der Weg von hier bis nach Havebrück sein kann.“ Das Mädchen fängt an, zu schmollen. „Aber… Großer Bruder! Ich musste dich einfach sehen…“, wimmert sie. „Melodia…“, der blonde Junge streicht ihr über den Kopf, „Ich vermisse dich ja auch, und sorge mich um dich, aber genau deswegen darfst du mich nicht besuchen. Komm, wir gehen gemeinsam zurück nach Havebrück.“
    Lächelnd nimmt er sie an der Hand, winkt uns kurz und verschwindet schließlich mit seiner kleinen Schwester und Michel am Ende der Holzbrücke. Wir starren ihnen eine Weile hinterher, Melodias blonde Haare leuchten sogar noch, als sie den Schatten des Waldes betreten. „Gib es zu“, sage ich aus den Mundwinkeln zu Kathrin, „Die zwei haben dich an dich und Lucy erinnert.“ „Natürlich“, erwidert sie, „Das würde sogar zu meinem Schwesterherz passen, dass sie mich ohne Erlaubnis in der Schule besuchen kommt.“
    Um ehrlich zu sein hatte ich mir das schon gedacht. Aus den Briefen kann man deutlich herauslesen, wozu Lucy fähig ist, und Regeln zu brechen scheint eine ihrer Stärken zu sein. Mein Bruder ist genauso, nur, dass er mir damit nicht hilft. Im Gegenteil, das hat ihm jahrelang geholfen, mir das Leben schwer zu machen. Um mir diese Erinnerungen aus dem Kopf zu schlagen, ziehe ich dieses Mal Kathrin in Richtung Wald.
    Wir müssen in die Gänge kommen!“, verkünde ich, „Ansonsten kommen wir noch dazu spät!“ Während meine beste Freundin und ich in unserem normalen Tempo recht schnell vorankommen, hängt Primo mit seinem träumerischen Gang hinterher. Er scheint kaum wahrzunehmen, was um ihn herum passiert. Selbst, als ein paar Knospi direkt vor ihm über den Weg hüpfen, nimmt er keine Notiz davon. Wenn das den ganzen Tag so anhält, dann stelle ich ihn heute Abend zur Rede. Dieses Verhalten passt absolut nicht zu ihm.
    Der Weg durch den Wald ist erfrischend und fast ein wenig zu kühl. Die Sonnenstrahlen durchdringen kaum die Äste der vielen Bäume um uns herum, der Boden ist gesprenkelt mit Licht und Schatten. Mit meinen Ohren kann ich viele Pokémon in unserer Umgebung wahrnehmen, doch nur wenige von ihnen zeigen sich, wie die Knospi. Schließlich erkenne ich den lichten Ausgang und die ersten Häuser von Brisenau.
    Das Dorf ist nicht übermäßig groß, aber es ist auch nicht zu klein. Ein großes Schild am Anfang verkündet in geschwungenen Lettern „Brisenau“, darunter befindet sich eine Karte. Wir nähern uns dieser und schauen sie uns genauer an. Auf ihr sind die wichtigsten Häuser vermerkt, die man als Tourist und als neu Hinzugezogener wissen sollte. Die Ranger Basis, die Farm von Klein Hein, der Supermarkt, das Postamt und ein kleines Restaurant.
    „Jetzt wissen wir wenigstens gleich, wohin wir müssen“, sage ich und wende mich der Straße zu, der man folgen muss, um zur Ranger Basis zu gelangen. Kathrin bleibt noch einen Moment stehen. „Guck mal, Bodo“, murmelt sie, „Wenn man weiter nach Süden geht, dann kommt man nach Schikolingen.“ „Mh, ich weiß. Der Weg ist allerdings zu lang als dass wir uns vor oder nach dem Praktikum hinschleichen könnten“, erkläre ich, „Wir haben höchstens die Chance, dass wir mit den Rangern dorthin gehen werde, aber irgendwie glaube ich nicht, dass wir das tun werden.“
    Sie nickt kurz. Wahrscheinlich muss sie daran denken, wie nah sie ihrer Schwester gerade ist, und dass sie sie dennoch nicht besuchen darf. Am besten versuche ich, sie auf andere Gedanken zu bringen. „He, Kathrin“, sage ich, leise genug, damit uns Primo nicht verstehen kann, „Was glaubst du, ist mit ihm los.“ Ich mache eine leichte Bewegung in seine Richtung. Meine beste Freundin wirft einen Blick nach hinten und antwortet dann: „Vielleicht liegt es daran, dass Blondi nicht bei ihm ist. Ich hab ihn ohne sie gesehen…“
    Ungläubig schüttele ich den Kopf. „Quatsch, im Schlafsaal führt er sich auch nicht so auf.“ „Aber da macht er wahrscheinlich kaum mehr als schlafen und träumt deswegen ohnehin, oder?“, kontert sie. „Das kann schon sein, aber irgendwie glaube ich das einfach nicht. Die zwei kennen sich zwar bereits seit dem Kindergarten, aber dass er ohne die Blondine so drauf ist, das ist nicht ganz logisch.“
    „Jetzt bin ich unlogisch?“, beschwert sie sich und knufft mich. „Nicht du“, gebe ich lachend zurück, sie an mich ziehend und an der Seite kitzelnd, „Aber deine Gedankengänge!“ Kichernd wehrt sie sich gegen meinen Griff. Sie hätte keine Chance, aber ich gebe nach und lasse sie wieder frei. Sie war mir ohnehin so nahe, dass ich Angst gehabt habe, dass sie mein Herz hört, wie es viel zu schnell hämmert und meinen Brustkorb sprengen will.
    Die Basis ist nicht schwer zu finden. Zum einem sticht sie aus der Menge der umliegenden Häuser, weil es so glänzend ist, zum anderen wächst ein riesiger Baum aus dem Dach heraus. Wer das übersieht, hat wirklich keine Augen im Kopf. Leider trifft das ziemlich auf Primo zu, der direkt am Eingang vorbeiläuft. Ich muss ihm hinterher und ihn aus seiner tagträumerischen Trance holen. Kopfschüttelnd kehre ich mit ihm zu meiner besten Freundin zurück.
    Zu dritt betreten wir die Basis. Der Raum hinter der automatischen Türe ist groß und halbrund. Es ist wahrscheinlich, dass er noch größer wirkt als er in Wahrheit ist, weil er so menschenleer ist. Keine Menschenseele lässt sich blicken. Nur die Pflanzen neben der Türe, ein langer Tresen in der rechten, hinteren Ecke, dahinter ein großer, schwarzer Monitor und ein Bild an der Wand auf der anderen Seite. Der Boden ist blank poliert und jeder Schritt halt unheimlich. Eine Tür, die sich direkt gegenüber der Eingangstüre befindet, muss in die Schlafsäle und zur Küche führen.
    Mein Herz überschlägt sich, als Kathrin sich meinen Arm nimmt und sich daran festklammert. Eine komplett leere Ranger Basis? Soll das ein Scherz sein? Oder bitterer Ernst? Was hat das alles zu bedeuten? „Hier ist wirklich sehr viel los, meinst du nicht?“, sagt Kathrin ironisch. Ihre Stimme erklingt im ganzen Zimmer, übertönt beinahe das Rascheln, das kurz darauf hinter den Tresen hervorkommt.
    Eine Frau mit lilafarbenen Haaren erhebt sich. „Tut mir leid, tut mir leid“, piepst sie, sich den Kopf haltend, der offensichtlich schmerzt, „Ich habe meine Brille fallen lassen, deswegen habe ich nicht mitbekommen, wie ihr hereingekommen seid.“ In der freien Hand hält sie die genannte Brille. „Ihr seid doch sicherlich die Schüler für das 1-Tages-Praktikum? Kommt doch bitte her. Ich habe hier etwas für euch“, winkt sie uns zu sich herüber.
    Bereits bevor wir ankommen, streckt sie uns einen Brief entgegen, den ich sogleich entgegennehme. „Den hat euch unser Chef dagelassen. Unsere Ranger mussten nämlich allesamt auf eine Mission, auf eine große Mission!“, erklärt sie uns weiter. Ich öffne den Briefumschlag und ziehe einen leichten, kleinen Zettel heraus, auf dem nicht viel steht. Für Primo und Kathrin lese ich laut vor.



    Willkommen, ihr drei
    Kaum, dass ihr in unserer Basis ankommt, müsst ihr auch schon wieder weg. Ich habe eine sehr wichtige Mission für euch. Bei meiner Technikerin Lea habe ich ein Paket dagelassen. Lasst es euch geben und bringt es so schnell wie möglich zum Windspiel Hügel, der sich westlich vom Dorf befindet. Lasst euch den genaueren Weg von Lea beschreiben und behandelt das Paket mit absoluter Vorsicht.
    Ich freue mich auf unser Treffen, Urs.“



    Gut, das war der Brief“, bemerkt Lea, bevor sie sich kurz bückt, um etwas hochzuheben, „Hier, das Paket, dass ihr abliefern sollt. Denkt wirklich daran, dass darin empfindliche Ware ist. Niemals auf die Seite drehen, oder auf den Kopf, nicht schütteln. Es fällt auf, wenn ihr das macht, also lasst es lieber bleiben und geht vorsichtig damit um.“ Kathrin nimmt es an sich, darauf bedacht, es so gut wie möglich gerade zu halten.
    Dann zeigt uns die Technikerin noch auf einer Karte, wie wir am besten zum Windspiel Hügel gelangen und schickt uns los. Wir verabschieden uns von ihr, bevor sich die automatische Türe der Basis hinter uns schließt. Zum Glück müssen wir als erstes nur der Straße folgen, bis wir Brisenau verlassen, und danach gelangen wir automatisch auf einen Pfad, der durch den Wald zwischen Brisenau und dem Zephyrstrand führt. Natürlich sind auch Schilder aufgestellt, aber dank Lea brauchen wir diese nun nicht mehr.
    Der Zephyrstrand ist mit Sicherheit einer der schönsten Orten auf ganz Almia. Der Strand besteht aus sehr feinem, weißem Sand, in Sommertagen immer von der Sonne aufgewärmt und angenehm weich an den Füßen und zwischen den Zehen. Muscheln verschiedenster Arten finden sich in der Nähe des Wassers, kleine und große, zerschlagene und ganze. Das Wasser schwappt mit leichten Wellen auf das Land, bevor es sich wieder zurückzieht, um erneut mit einem leichten Klatschen erneut auf den Strand zu treffen.
    Die Sonne bringt das Meer zum Glitzern, als wären abertausende von Diamanten auf der Oberfläche, die nur darauf warten, dass man zu ihnen schwimmt und sie einsammelt. In sanften Kreisen ziehen Wingull und Pelipper in der Luft darüber ihre Bahnen. Ihre Nester haben sie ganz in der Nähe an einem Klippenrand. Früher war ich im Sommer gerne hier, der Anblick hat mich immer beruhigt. Leider hatte ich nur selten die Gelegenheit.
    „Wow, das ist aber schön hier“, flüstert meine beste Freundin fasziniert. „Ja, das ist wahr“, stimme ich zu. Da wir eine ganze Weile am Strand entlang gehen müssen, bevor zu dem Aufstieg kommen, den wir einschlagen müssen, um an unser eigentliches Ziel zu gelangen, können wir den Ausblick noch weiterhin genießen. Das Rauschen begleitet uns den ganzen Weg über.
    Ein Feldweg führt von dem Strand weg, beschildert mit „Windspiel Hügel“. Das ist der Aufstieg, von dem Lea gesprochen hat. Sie meinte, es gäbe nur einen einzigen Weg, der an den Strand anschließt und wieder nach Norden führt. Außerdem ist das Schild zu eindeutig. Allerdings gehen wir nicht sofort weiter, da sich mitten auf dem Weg ein älterer Mann und drei verschiedene Pokémon befinden.
    Das Gefühl, nun festen anstelle von sandigem Grund unter den Füßen zu haben ist erleichternd. Kathrin und ich bleiben zuerst eine Weile stehen, um auf Primo zu warten, der mit seiner traumwandlerischen Art immer noch langsamer ist als normalerweise. Dafür können wir zuhören, wie der Herr mit den Pokémon spricht und sie füttert. „Ach, Pachirisu, Pachirisu“, das kleine Elektrohörnchen streicht ihm um die Füße, „So niedlich, so niedlich…“
    Während er es streichelt, versucht ein dicklicheres Pokémon aus seinen Jackentaschen Pokémonfutter zu mopsen. „Was ist los?“, natürlich bleibt der misslungene Diebstahl nicht unbemerkt, „Stimmt etwas nicht, Mampfaxo? Du hast doch nicht etwa schon wieder Hunger?“ Mampfaxo steckt sich eine Pfote in den Mund und schlabbert darauf herum. Es hat ganz offensichtlich einen leeren Magen. Das letzte Pokémon, das kleinste von allen, sieht ihm dabei zu. Augenblicklich hört es auf, an seinem Knursp zu knabbern, um es dem Hunger leidenden Mampfaxo zu überlassen.
    Mit einem Bissen ist die Pokémonsüßigkeit auch schon verschwunden. Garantiert ist das türkisblaue Pokémon davon noch nicht satt, aber es bedankt sich überschwänglich bei dem niedlichen Katzenpokémon. „Evoli, ach Evoli“, sagt nun der Mann, der bemerkt hat, was es getan hat, „Opferst du tatsächlich deinen letzten Knursp für jemand Fremdes. Du bist wirklich ein liebes Ding.“
    „Nicht nur lieb…“, höre ich Kathrin neben mir hauchen. Als ich aus den Augenwinkeln zu ihr schaue, sehe ich, wie ihre Augen, die weit aufgerissen sind, regelrecht glitzern. Sie hat ihre Hände zu Fäuste geballt und sie dicht vor ihrem Oberkörper, als würde sie jeden Moment wie eine Bombe losgehen. Ich weiß schon länger, dass Evoli ihr Liebling ist, aber dass sie so reagiert, wenn sie eines zu Gesicht bekommt, damit hatte ich nicht gerechnet.
    „Hey, warum steht ihr denn hier so tatenlos herum? Sollten wir uns nicht beeilen?“ Kathrins Quietscher ist tatsächlich kein Freudenquietscher wegen dem Evoli, sondern einer, den sie erschrocken ausstößt. Primo ist nun bei uns angekommen, aber wir haben ihn nicht bemerkt, weshalb meine schreckhafte beste Freundin wegen seinem plötzlichen Auftauchen beinahe einen Herzinfarkt bekommen hat. Überrascht klammert sie sich an meinen Arm, wobei ich reflexartig, ebenfalls durch einen kleinen Schock, einen Arm um ihre Taille lege und sie an mich ziehe.
    Primos verwunderter Blick wandert zwischen uns her. „Mensch, Primo“, schimpfe ich, „Du kannst dich doch nicht einfach so anschleichen, das macht man nicht. Außerdem bist du doch derjenige, der mal einen Zahn zulegen sollte.“ Mein Herz rast schnell und treibt meinen Puls in die Höhe. Leider hat der alte Mann uns durch Kathrins Aufschrei bemerkt.
    „Eurer Kleidung nach zu urteilen seid ihr von der Ranger Schule und garantiert gerade mitten im 1-Tages-Praktikum, habe ich Recht?“, sagt er zu uns und geht ein paar Schritte auf uns zu, „In den letzten 1-Tages-Praktiken waren ständig Schüler hier, immer mit einem Paket. Deshalb habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, die Praktikanten, also euch Schülern, ein kleines Quiz zu stellen, das mit ihrem späteren Beruf zu tun hat. Seid ihr bereit? Gut. Ich hoffe doch, dass ihr mir sagen könnt, was ein Partner Pokémon ist?“
    Primo hätte normalerweise schneller geantwortet als ich hätte denken können, aber momentan ist er wieder so geistesabwesend, dass ich vor ihm zum Zuge komme: „Einfach! Ein Partner Pokémon ist ein Pokémon, das einem Ranger sehr nahe ist und ihn ständig begleitet. Man kann sich selbst eines aussuchen, sobald man ein Ranger wird. Als Schüler darf man nämlich noch keines haben.“
    Ding Dong, das ist richtig“, stimmt der Herr zu, „Und als Zusatzinformation meinerseits möchte ich euch sagen, dass, alle Ranger, die ich kenne, ihr Partner Pokémon auf dem wundervollen Zephyrstrand getroffen haben. Er scheint ohnehin eine sehr bindende Wirkung zu haben, auf Pokémon und auf Menschen.“ Durch seine Brille hindurch betrachtet er mich, woraufhin mir einfällt, dass ich ja Kathrin noch im Arm habe. Schnell lasse ich sie los und brummele in mich hinein. Warum habe ich nicht bemerkt, dass sie noch direkt neben mir steht?
    Vielleicht hatte ich mich zu schnell an ihre Wärme gewöhnt. An ihre Nähe. „Auf jeden Fall habe ich noch eine weitere Frage für euch. Wenn ihr einmal Ranger seid und es zwei Pokémon gibt, die gerne eurer Partner Pokémon sein würden, was macht ihr? Dürft ihr beiden ihren Wunsch erfüllen?“ Dieses Mal ist Kathrin schneller bei der Antwort: „Ja, man darf. Als Ranger darf man mehrere Partner Pokémon haben, aber es darf einen immer nur ein einziges begleiten. Die anderen müssen an einem sicheren Ort darauf warten, dass sie an der Reihe sind.“
    „Sehr gut, das ist wieder richtig“, der Mann lächelt uns an, „Die Ranger Schule scheint euch Schüler, wie eh und je, bestens vorzubereiten.“ Mit diesen Worten spaziert er an uns vorbei auf den Strand und ließ uns alleine zurück. Einen Moment lang blicken Kathrin und ich uns verwundert an, aber Primo schien das ganze überhaupt nicht bemerkt zu haben. Er träumt leise vor sich hin, den abwesenden Blick gen Himmel gerichtet, die Augen inzwischen beinahe geschlossen. Was ist nur los mit ihm?
    Ich stupse ihm unsanft in die Seite, um ihn aufzuwecken. „Hey, Primo, nicht schlafen“, schimpfe ich ihn, „Wir sind auf einer Mission, hast du das schon vergessen? Also, Schluss mit der Träumerei!“ Sein Gesichtsausdruck wirkt im ersten Moment tatsächlich so, als wäre er gerade im Bett gelegen und ich hätte ihm einen Eimer mit eiskaltem Wasser übergeschüttet. Grinsend deute ich auf dem Weg, den wir folgen müssen, um weiter zu kommen.
    Der Pfad wendet sich noch eine Weile zwischen mehreren Bäumen hindurch, dann stoßen wir auf eine Treppe. Dieses Mal hängt auch Kathrin ein wenig hinterher, da sie das Paket trägt. Sie versucht, extra vorsichtig damit zu sein, damit sie es auf gar keinen Fall fallen lässt. Auch drehen darf sie es nicht. Verkrampft hat sie beide Arme darum fest geschlungen. „Willst du das wirklich noch weiterhin tragen?“, frage ich vorsichtig nach. Ich will jetzt nicht behaupten, sie sei ein Schwächling, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich stärker als sie bin. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich ein Junge bin und sie ein Mädchen ist…
    „Klar, ist ja nicht mehr weit“, beschwichtigt sie mich. Ihr Blick ruht einen Moment auf dem Schild, das neben der Treppe in die Erde eingeschlagen wurde. Darauf steht in dicken schwarzen Buchstaben gut leserlich geschrieben: „Windspielhügel – Warnung an verliebte Pärchen vor Steinschlag.“ „Selbst, wenn Pärchen dieses Schild sehen“, murmelt Kathrin, „Glaube ich kaum, dass sie sich beim Turteln daran erinnern, dass sie davor vor Steinschlag gewarnt wurden.“
    Obwohl sie mich nicht berührt, spüre ich dennoch durch die Luft ihre Wärme auf meinem Arm prickeln. Das bewirkt außerdem auch, dass mein Herz mehr als einen Zahn zulegt, als würde es für einen Marathon trainieren wollen. In dem Schatten der Bäume um mich herum fühlt sich ihre Nähe und mein erhöhter Puls angenehm an. „Nur noch diese Treppe hoch, dann sind wir da“, sage ich zu ihr.
    „Du scheinst sehr nervös deswegen zu sein.“ Primo hatte sich von hinten an mich herangeschlichen. Mein Herz macht einen zusätzlichen Hüpfer. Ich nicke nur kurz. Er muss nicht wissen, dass es nicht wegen dem 1-Tages-Praktikum und unserer Mission ist. Obwohl mir lieber wäre, wenn das der richtige Grund wäre. Aber ich kann mir so was nicht aussuchen. „Dann beeilen wir uns besser“, höre ich Kathrin neben mir, „Wer weiß, was uns dort oben erwartet.“
    Also, was wirklich dort oben, ganz hinten auf dem Windspielhügel, ist, daran hätten wir nicht gedacht. Nach einem kurzen Weg durch ein kleines Waldstück können wir auf eine große Fläche hinaustreten. Das Gras dort wird von einem starken Wind flach auf dem Boden gedrückt. Auf der rechten Seite ist eine steile Felsenwand, offensichtlich die, die den Steinschlag verursacht. Eine kleine Menschenansammlung befindet sich in der Mitte des Hügels, lachend und scherzend.
    Sie stehen weit genug weg von der Wand. „Da ist ja Frohderich“, flüstert Kathrin leise, „Und auch die anderen… Das sind doch Ranger. Die haben fast alle eine Ranger Uniform an. Aber… Was machen die hier?“ „Wir könnten hingehen und… Fragen?“, schlage ich vor. Primo, verträumt wie ohnehin den ganzen Tag, schlendert an uns vorbei. Er scheint nicht zu bemerken, dass dort vorne die Ranger stehen. Er ist dermaßen abwesend, dass er sogar viel zu nahe an der Felswand entlangspaziert.
    „Halt, Primo!“, schreie ich und laufe ihm hinterher. Erschrocken stellt er sich gerade hin, bevor er sich umdreht. Verwundert blinzelt er mir entgegen. Ich deute nach oben und sage zu ihm: „Hast du das Schild vorhin nicht gelesen? ‚Warnung von Steinschlägen‘. Dabei ist doch dein Lieblingssatz ‚Wer lesen kann ist klar im Vorteil.‘“ „Hab ich wohl vergessen“, erwidert er. Kopfschüttelnd drehe ich mich um.
    Und natürlich bleiben wir mit der Aktion nicht unbemerkt. Die Ranger, die wir vorhin noch beobachtet haben, haben uns jetzt bereits gesehen. Nur Kathrin, die in dem Schutz der Bäume geblieben ist, sehen sie nicht. „Hey, ihr zwei! Ihr kommt doch garantiert von der Ranger Schule und seid für das 1-Tages-Praktikum von Lea hierhergeschickt worden! Wo habt ihr denn unser Paket gelassen?!“, ruft uns Frohderich entgegen.
    Erst jetzt meldet sich Kathrin: „Das ist hier, bei mir!“ Sie tritt hinter den Bäumen hervor und blickt unser zwischen mir und der Rangergruppe hin und her. „Ach, gut“, sagt der Ranger weiter, „Dann kommt alle drei mal zu uns her. Wir beißen nicht, wirklich nicht!“ Das mag ja stimmen, aber davor haben wir auch keine Angst. Wobei, Angst kann man das nicht nennen, wir haben eher Ehrfurcht vor ihnen, weil sie bereits unseren Traumjob bereits ausüben dürfen.
    Die Truppe besteht aus zwei Frauen und zwei Männer, einer davon Frohderich. Die anderen sind mir unbekannt. Der älteste von ihnen ist ein Mann mit dunkellila Haaren. Er macht einen stämmigen Eindruck, stark und unbeugsam. Sein Gesichtsausdruck ist grimmig, man merkt, dass er Erfahrung in seinem Beruf hat. Trotz der harten Nuss, die er zu sein scheint, hat er etwas Freundliches an sich. Dass man ihm vertrauen kann.
    Frohderich daneben grinst wie üblich. Seine Arme hat er vor der Brust verschränkt, während das Knospi zu seinen Füßen leicht vor sich hin kichert. Die junge Frau neben ihm hat dunkelgrüne Haare, die beinahe schwarz in der Sonne schimmern. Sie ist ähnlich zierlich wie Kathrin, aber noch einen Kopf größer. Sie hat den Kopf selbstbewusst in die Höhe gereckt, die hellgrünen Augen funkeln schalkhaft. In ihren Armen hält sie ein Haspiror.
    Die letzte Person hat eine kurze, hellrote Jungenfrisur, eine lange Schlabberhose, fingerfreie Handschuhe, ein verdrecktes T-Shirt und darüber Hosenträger. An ihrem Gürtel hängen mehrere Werkzeuge. Die Hände gegen die Hüfte gestemmt lächelt sie uns freundlich entgegen. Sie hat kein Partner Pokémon dabei, aber sie macht ohnehin nicht den Eindruck, als wäre sie ein Pokémon Ranger.
    „Also, ich hoffe doch, ihr habt das Paket mit Vorsicht behandelt!“, begrüßt uns der Mann, der neben Frohderich steht, „Das ist nämlich echt wichtig! Nicht rütteln, nicht schütteln und erst recht nicht auf dem Kopf stellen!“ Kathrin tritt ein paar Schritte nach vorn, um es ihm zu überreichen. Frohderich stellt sich neben den Mann, öffnet das Paket so, dass wir den Inhalt nicht sehen können und ruft schließlich in die Runde: „Hey, Leute, unser Mittagessen ist endlich eingetroffen!“
    Moment… Was?! Ist es das, was Kathrin getragen hat? Essen?! Frohderich wirft einen kurzen Blick in unsere Richtung und bekommt direkt einen Lachanfall. „Oh, Gott… Euch Schüler kann man immer wieder reinlegen, mit dem gleichen Trick, aber eure Gesichtsausdrücke sehen jedes Mal anders aus. Unbezahlbar.“ Er muss sich den Bauch halten und in die Knie gehen, so sehr schüttelt es ihn.
    Während Kathrin und ich verdutzt, und Primo verträumt aussehen, Frohderich sich vor Lachen krümmt und die Pokémon fröhlich auf der Wiese tollen, breiten die übrigen eine bereits mitgebrachte Picknickdecke aus und lassen sich darauf nieder. Das Essen aus dem Packet legen sie in die Mitte, damit es für jeden zugänglich ist. „Los, ihr seid eingeladen“, erklärt der Mann mit den lila Haaren, „Ich bin übrigens Urs, der Chef der Brisenau Basis. Und bevor ihr auf falsche Gedanken kommt… Dieser Scherz war nicht meine Idee.“
    Sofort beschwert sich Frohderich: „Aber, Chef! Du hast doch gesagt, dass das eine gute Idee ist! Und jedes Jahr stimmst du wieder zu, dass wir das machen sollen!“ Kopfschüttelnd wendet er sich uns zu. „Und ein freudiges Hallo an euch drei! Hättet wohl nicht geglaubt, dass wir uns so schnell wiedersehen? Tut mir übrigens immer noch echt leid, dass der Freiluftunterricht damals so schnell enden musste…“
    Das nächste Mal habe ich Freiluftunterricht!“, ruft die Dunkelgrünhaarige, „Mein Name ist Luana und ich bin noch nicht sonderlich lange Ranger. Ich war die erste, mit der sie diesen Streich gespielt haben, müsst ihr wissen.“ Die Frau mit den roten Haaren kichert. „Ja, aber bei dir war das Essen ungenießbar. Du bist nicht so sorgfältig mit dem Packet umgegangen, wie es dir beauftragt wurde… Ich bin Eleonora“, stellt sie sich vor, „Wie ihr garantiert schon bemerkt habt, habe ich weder die Ranger Uniform an, noch bin ich im Besitz eines Partner Pokémons. Das hat auch seinen Grund! Ich habe den Posten der Mechanikern an der Brisenau Basis inne.“
    „Ähhm…“, beginne ich langsam. „Ich bin Bodo. Und das sind Kathrin“, ich deute auf meine beste Freundin, die ganz nahe neben mir steht, „Und Primo.“ Mein braunhaariger Klassenkamerad hat sich bereits gesetzt als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass man zum Essen eingeladen wird. „Kommt, setzt euch auch“, fordert uns Urs auf. Er hat bereits ein dickes Sandwich in den Händen. „Willkommen zu unserem Praktikantenbegrüßungsfestmahl!“
    Wir setzen uns genau dorthin, wo wir gerade stehen, Kathrin direkt neben mich und mit einem auffällig großen Abstand zu Primo. Bevor ich mich bedienen kann, merke ich, wie bei der Rangerin mir gegenüber ein kleines, wissendes Lächeln auf die Lippen huschte. Auch in ihren Augen funkelte ein gewisser Glanz, den ich bereits bei Rhythmia bemerkt hatte. „Ach, so ist das“, murmelt Luana, gerade laut genug, dass wir sie verstehen können, „Ihr zwei seid zusammen?“
    Es klang weniger wie eine Frage. Sie verlangte geradezu, dass wir „Ja“ sagen, dass sie ein „Nein“ nicht zulassen wird. Mein Herz macht einen aufgeregten Hüpfer, als Kathrin neben mir versteift. „Was?! Nein!“, entfährt es mir nach einer Sekunde Stille. „W-Wir sind nur beste Freunde“, setzt Kathrin dazu. Mein Puls schnellt, falls überhaupt möglich, noch mehr in die Höhe. Luanas Grinsen verdeutlicht, dass sie uns nicht glaubt.
    „Okay…“, sie zieht das Wort unnötig in die Länge, „Und was ist mir dir, Primo? Hast du auch eine… Beste Freundin?“ Der Angesprochene merkt den triefenden Sarkasmus in diesen zwei Worten nicht und plappert frei heraus: „Ja, aber sie hat sich dazu entschieden, Technikerin zu werden. Momentan ist sie in der Ranger Vereinigung, wegen ihrem Praktikum. Sie redet immer sehr viel und ich glaube, sie hat das Talent dazu, dass zu werden, was sie sein will.“
    „Was es das ‚viel reden‘ angeht hast du Recht“, stimmt Urs zu, „Unsere Technikerin, Lea, die kann manchmal gar nicht aufhören, zu reden. Ich wette, sie spricht sogar im Schlaf, weil sie die Anzahl der Wörter, die sie an einem Tag sprechen will, tagsüber nicht erreicht.“ Lachend stimmt Eleonora zu. „Dann ist es aber lustiger, ihr zuzuhören!“
    Wir sitzen eine Weile in dieser gemütlichen Runde. Kathrin und ich erzählen, wie wir die Schule finden, die Lehrer und unsere Mitschüler, und erhalten dafür viele Informationen aus dem Leben eines Rangers von allen Seiten. Jeder der drei Ranger hat andere Vorlieben, der eine steht mehr auf Action, der andere erledigt seine Arbeit mit Witz. Interessant, zu erfahren, dass sie alle das gleiche Ziel haben, dieses aber immer anderes erreichen wollen. Die Unterhaltung hätte ewig so weitergehen können, aber das tat sie nicht. In gewisser Weise spüre ich bereits davor anhand des Kribbelns in meinem Nacken, dass etwas passiert ist.
    Wir bereden gerade die Missgeschicke, die Luana während einer besonders heiklen Mission passiert sind, als jemand keuchend die Stufen zum Windspielhügel hochhastet. Er sieht reichlich mitgenommen aus, in seinen Haaren hängen Äste und Blätter und sein T-Shirt ist zerfetzt. Wahrscheinlich hat er sich von dem Strand aus durch den Wald zu uns geschlagen, um schneller da zu sein.
    „Hilfe, Ranger!“, ruft er uns, völlig aus der Puste, entgegen, „Bitte, ihr müsst zum Strand.“ So schnell, wie Urs auf den Beinen ist, so schnell kann ich gar nicht reagieren. „Was ist los, Junge?“, fragt er forsch nach. Der Neuankömmling nimmt sich kurz Zeit, damit sich seine Stimme nicht überschlägt, wenn er anfängt zu reden. „Wir waren… Am Strand“, erklärt er, „Meine Freundin und ich. Zuerst war alles ganz friedlich, aber dann hat sich mit einem Schlag alles geändert. Die Pokémon wurden gemein und haben mit einem Mal meine Freundin eingekreist. Jetzt wollen sie sie nicht mehr gehen lassen, attackieren jeden, der nur in ihre Nähe kommt.“
    Urs nickt verständnisvoll. „Leute? Ab hier übernehmen wir!“, ruft er uns übrigen zu, „Das ist eine Notfallmission! Kathrin, Bodo, Primo! Ihr kommt auch mit! Wir brauchen so viel Unterstützung, wie wir habenkönnen, damit wir die Pokémon wieder unter Kontrolle bringen können. Los, auf zum Strand.“ „Verstanden“, erwidern wir einstimmig und folgen dem Chef den Weg hinab zum Strand. Dort angekommen sehen wir unser Problem sofort.
    In der Nähe des Meeres sitzt ein Mädchen am Boden, weinend. Um es herum befinden sich mehrere Schalellos und Schwalbini, aber auch ein Mampfaxo, ein Pachirisu und ein Evoli. Ohne Zweifel sind das dieselben, mit der der nette alte Herr von vorhin geredet hat. Aber was für Beweggründe hat die zuvor zutraulichen Pokémon dazu veranlasst, ein wehrloses Mädchen gefangen zu nehmen?
    „Wir müssen das Durcheinander beenden“, befiehlt Urs, „Luana, Frohderich, ihr kümmert euch um die Schalellos und die Schwalbini, unsere Praktikanten, ihr fangt am besten die übrigen drei. Wer welches fängt, das könnt ihr doch sicherlich untereinander ausmachen. Aber beeilt euch, wir dürfen keine Zeit verlieren!“ Meinen FangKom halte ich bereits in meinen Händen, ich brenne geradezu darauf, zu beweisen, was ich kann.
    Primo läuft so schnell er kann auf das Pachirisu zu, dessen Backentaschen bereits vor Angriffslust knistern. Leuchtende Blitze schießen über den kleinen Körper bis hinauf zu dem aufstellten, langen Schweif. Das Evoli daneben rollt sich aufgeregt am Boden und wirkt dabei mehr wie ein flauschiger, hyperaktiver Ball als ein gefährliches Pokémon. Kichernd schickt Kathrin ihre Fangscheibe darauf zu. Ich hätte wissen müssen, dass sie es fangen will. Es ist ihr Lieblingspokémon.
    Also bleibt für mich nur noch das Mampfaxo übrig. Es hat eine Pfote in seinem Maul, um darauf herum zu kauen, während ihm Sabber aus den Mundwinkeln läuft. Grinsend mache ich ein paar Schritte darauf zu. Es wirkt ähnlich gefährlich wie das gummiballähnliche Evoli. Wahrscheinlich sind die beiden nur mit den anderen Pokémon mitgelaufen, weil es auch unter ihnen eine Art Gruppenzwang gibt.
    Kathrin und ich, wir beenden unsere Fangversuche gleich schnell. Das Mampfaxo lasse ich sofort frei, aber meine beste Freundin behält ihr Katzenpokémon noch. Dieses sprintet in einer irrsinnigen Geschwindigkeit auf das zierliche Mädchen zu und der Sprung in ihre Arme reißt sie beinahe von den Füßen. Schwankend torkelt sie über den Strand, bei dem Versuch, ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Gerade, als es sie beinahe endgültig von den Füßen zu reißen droht, kann ich sie auffangen. „Eeeevoliii“, quiekt das kleine Pokémon.
    Es schmiegt sich an Kathrins Hals, wirft mir einen kurzen Blick zu und steigt dann schnurrend auf ihrem Kopf. Lachend dreht sich meine beste Freundin zu mir um. Eigentlich will sie nach dem Evoli greifen, legt allerdings stattdessen die Arme um mich. „Wie ist es gelaufen, Leute?“, dringt Urs Stimme an mein Ohr, „Waren eure Fangversuche erfolgreich?“ Ich wende meinen Blick über Kathrins Kopf hinweg zu den anderen.
    Primo und Frohderich bejahen sofort, nur Luana lässt sich noch ein wenig Zeit. Zuerst kann ich sie gar nicht finden, bis mir auffällt, dass sie bei dem Mädchen ist, das zuvor auf dem Strand zusammengebrochen ist. Ihre Augen glimmen in meine Richtung. Sie sagt: „So wie es aussieht waren wir alle erfolgreich, nur Kathrin scheint mehr als nur ein Pokémon gefangen zu haben.“
    Damit haben wir sofort die Aufmerksamkeit von allen auf uns. Meine einzige Hoffnung liegt auf den Schultern des kleinen Evolis, das hoffentlich als hyperaktives Pokémon interessanter ist als Kathrin, die sich an mich klammert. „Alles freilassen“, kommt es von Urs. Ich spüre sofort, wie meine beste Freundin ihren Griff lockert und schließlich nach dem Evoli greift, das immer noch auf ihrem Kopf herumtollt. Vorsichtig setzt sie es auf dem Boden ab.
    „Also, tschüss, kleines Evoli“, sagt sie und streichelt ihm ein weiteres Mal über das weiche Fell. Als sie sich wieder erhebt, läuft das kleine Katzenpokémon allerdings nicht weg. Stattdessen streicht es schnurrend um Kathrins Beine herum. Es macht keine Anstalten, verschwinden zu wollen. Selbst, als wir zurück zu den Rangern gehen, kommt es mit und lässt sich nicht abschütteln. Urs beäugt es unsicher. „Ich dachte, ihr lernt bereits in der Schule, Pokémon freizulassen?“
    Haben wir ja auch, aber… Die Kleine will nicht weg…“, erwidert Kathrin. Schließlich gibt sie dem nun kläglich maunzenden Evoli nach und hebt es hoch. Zufrieden schnurrend reibt es sein Köpfchen an Kathrins Wange. Ist es normal, dass man ein Pokémon darum beneidet? Besonders dafür, dass es mit der besten Freundin kuscheln darf, und man selbst darf das nicht?
    „Darf ich sie nicht noch eine Weile behalten?“, murmelt Kathrin in das Fell des Evolis. Sie? Ein weibliches Evoli? „Na gut“, gibt Urs schließlich nach, „Ihr zwei scheint ein gewisses Band aufgebaut zu haben. Ihr wisst schon, so ein Band, das ein Ranger zu sein Partner Pokémon zueinander haben. Aber du darfst sie nicht in die Schule mitnehmen. Du weißt doch, dass es dort untersagt ist, bereits Partner Pokémon zu haben.“
    Er wendet sich den übrigen Rangern und der Mechanikerin zu. „Luana, Frohderich, ihr zwei überprüft am besten noch den Rest des Strandes nach weiteren aufgedrehten Pokémon. Wir können nicht davon ausgehen, dass das die einzigen sind, die aufgescheucht wurden, da wir die Ursache nicht herausgefunden haben. Eleonora, du kommst mit mir mit, wir müssen unser zurückgelassenes Picknick noch holen. Primo, Kathrin und Bodo? Ihr drei geht sofort zurück zur Ranger Basis und wartet dort darauf, dass wir zu euch stoßen. Ansonsten für alle… Mission geschafft!“
    Das gilt für uns übrige, dass wir nun unsere Rangerposen einnehmen dürfen. Bei mir heißt das, meine Pose nach einem gekonnten Salto einzunehmen. Kathrin ihre Pose sehe ich zum ersten Mal. Sie aktiviert ihren FangKom, dreht sich einmal um ihre eigene Achse, auf einem Bein und stemmt danach eine Hand gegen die Hüften. Primo wirft seinen SchulfangKom senkrecht in die Luft, dreht sich und kaum, dass er die Drehung beendet hat, fängt er das Gerät wieder.
    „Ach, wie schön, ihr habt ja bereits Ranger Posen! Ihr scheint euch wirklich bestens auf das Leben als Ranger vorbereitet zu haben“, lobt uns Urs, „Aber jetzt auf mit euch. Wir sehen uns dann später.“ Und mit diesen Worten verschwindet er. Luana und Frohderich haben sich bereits verzogen. Alleine sind wir nun auf dem Strand, nur Kathrin, Primo, das Evoli und ich. „Können wir nicht noch eine Weile hier bleiben? Ich find’s so schön hier, und je näher wir der Schule wieder kommen, desto ferner fühle ich mich dem kleinen Pokémon“, bittet mich Kathrin.
    Primo hat sich bereits entfernt, in Richtung Feldweg, der zurück nach Brisenau führt. Als er bemerkt, dass wir nicht kommen, dreht er sich um. Mit einem fragenden Blick sieht er mich an. „Geh‘ schon mal vor“, rufe ich ihm zu, „Wir kommen später hinterher.“ Bei meinen Worten spüre ich neben mir, wie die prickelnde Wärme, die Kathrin, wenn sie zu nahe steht, an meinen Armen auslöst, verschwindet. Sofort fahre ich herum, um zu sehen, was passiert ist.
    Als ich bemerke, dass sie sich nur in den Sand gesetzt hat, erhole ich mich schnell wieder von dem kleinen Schreckensmoment. Vorsichtig setze ich mich neben sie. Das kleine Evoli beäugt mich aus zufrieden geschlossenen Augen, schnurrend und von Kathrin hinter den Ohren gekrault werdend. Meiner Meinung nach ist es sich noch nicht sicher, was es mit mir anfangen soll. In welcher Verbindung ich zu Kathrin stehe.
    Eine Weile sitzen wir einfach nur am Strand, die Vogelpokémon und das Meer beobachtend. Der Wind hier ist nur halb so stark wie auf dem Windspiel Hügel, dafür wird einem nicht so schnell kalt. Die Sonnenstrahlen fallen ungehindert auf uns herab, nur hin und wieder von schneeweißen, flauschig aussehenden Wolken unterbrochen. Ich nutze die Ruhe, um den Sand aus meinen Stiefeln zu leeren.
    Irgendwann erhebt sich Kathrin wieder, das schnurrende Pokémon in den Armen. „Wir sollten besser zurückgehen, bevor es heißt, wir haben die Befehle missachtet“, murmelt sie und begibt sich in Richtung des Feldweges. In den Wald dahinter ist Primo bereits verschwunden. Wer weiß, ob er schon in Brisenau angekommen ist, oder ob er immer noch tagträumend umherschlendert.
    „Komm, machen wir ein Wettrennen“, schlage ich vor, „Wer als erstes bei Primo ankommt, hat gewonnen! … Bereit? 1… 2… 3!“ Sofort spurten wir los, am Anfang noch ständig über kleine Sandhügel stolpernd und im Sand selbst stecken bleibend. Erst, als wir den Feldweg erreicht haben und endlich festen Grund unter den Füßen, können wir besser rennen. Aber anstelle eines richtigen Wettrennens laufen wir einfach nebeneinander her, durch den kühlen Wald. Der kommt uns, nach dem von Sonnenstrahlen erhellten und erwärmten Platz am Strand eisig vor.
    Die Luft ist feucht und vereinzelt fallen Tropfen, die vom gestrigen Regen noch in den Wolken hängen, auf mich herab. Primo holen wir schneller ein, als ich erwartet hätte. Es sieht mehr so aus, als würde er nicht wissen, wo er hin muss, so sehr taumelt er. Als wir bei ihm ankommen, seufzt er einmal tief. „Heey, Primo, aufwachen“, rufe ich ihm zu, „Jetzt ist nicht die Zeit, um zu schlafen. Wie kannst du das überhaupt? Gehen und pennen gleichzeitig? Das musst du mir mal beibringen!“ Er dreht sich zu uns um.
    „Ach, da seid ihr ja bereits. Dachte eigentlich, ihr wollt noch ein bisschen länger am Strand bleiben“, meint er ruhig, aber völlig ahnungslos, dass man seine Worte auch falsch verstehen könnte. So ist es jedenfalls bei mir so. In meinen Ohren klingt es, als wären nur Kathrin und ich am Strand gewesen, ohne das Evoli, am besten noch mit Sonnenuntergang auf einer Picknickdecke und ganz nahe beieinander. So hat sich das für mich angehört.
    Sogleich erscheint ein passendes Bild in meinem Kopf, nur, dass Kathrin bei diesen nicht mit dem Evoli kuschelt. Sofort schüttele ich den Kopf. „Nein“, sage ich dann, „Uns wurde befohlen, zur Basis zurückzukehren, also sollten wir das auch machen.“ Meine Gesichtsfarbe hat sich trotzdem verändert. Ich spüre ganz eindeutig, wie es durch mein Blut erhitzt wird. Nur Kathrin scheint sich nicht weiter Gedanken darüber zu machen.
    Evo, Evoli, Evo, Evo!“, meldet sich das kleine Evoli zu Wort. Es sitzt immer noch in ihren Armen, wechselt aber nun auf ihre Schulter. Meine beste Freundin krault es am Nacken, bevor sie murmelt: „Ich weiß, meine Kleine. Aber ich muss zur Schule zurück, auch, wenn du nicht mitdarfst…“ Das klang ganz danach, als hätte sie das Katzenpokémon tatsächlich verstanden. „Moment… Kathrin? Weißt du wirklich, was das Evoli gesagt hat?“
    Verwundert blinzelt mich meine beste Freundin an. Auch Primo guckt verwirrt, als wüsste er nicht, wovon ich rede. Innerlich sackt mein Herz ein paar Stufen hinab, während es bei dem Anblick von Kathrin auch noch ein paar Saltos schlägt. Na, das habe ich wieder klasse hinbekommen. Meine Ohren haben mal wieder etwas aufgenommen, was sie normalerweise nie registriert hätten, und jetzt wundern sich alle, warum ich doch davon weiß. Hoffentlich komme ich aus der Sache wieder heraus.
    „Öhm, ja“, erwidert Kathrin, „Um ehrlich zu sein kann ich das bereits, seit ich klein bin. Mein Vater hat es mir beigebracht, und so etwas verlernt man nicht, ähnlich wie Fahrrad fahren. Er hat mir allerdings auch geraten, nicht allzu vielen davon zu erzählen, wie es eine seltene Gabe ist und nicht jeder es erlernen kann. Daher steht die Chance wohl niedrig, dass ich es jemals jemanden beibringen kann.“
    „Wow“, ist alles, was ich herausbekomme. Kathrins Wangen haben einen leichten Rosaschimmer angenommen. Heute mache ich einfach alles falsch. Ich wollte sie doch gar nicht in Verlegenheit bringen… Primo hingegen guckt nur entspannt zwischen uns umher, bevor er sich umdreht und wortlos weitergeht. Wir folgen ihm, am Anfang noch eher still, aber wir finden bald ein neues Gesprächsthema. Das kleine Evoli bindet sich immer wieder mit ein, obwohl niemand außer Kathrin es verstehen kann. Und wenn sie darauf antwortet, können Primo und ich kaum erraten, was das Pokémon gesagt hat.
    In der Ranger Basis müssen wir nicht lange auf Luana, Frohderich, Urs und Eleonora warten. Sie kommen alle gleichzeitig an, schnaufend, aber offensichtlich unbeschadet und in guter Laune. „Das war ein toller Tag. Ihr drei habt uns wirklich ein fantastisches Mittagsmahl geliefert!“, meint Urs, „Aber leider ist euer 1-Tages-Praktikum hiermit bereits vorbei. Sogar eine Mission mitsamt Fangversuch hattet ihr dabei… Das war bei uns noch nie so, nicht wahr, Leute?“
    Die übrigen drei nicken heftig. „Ich fand’s auch echt klasse. Wäre doch toll, wenn ihr hier arbeiten könntet, sobald ihr die Schule beendet habt“, sagt Frohderich mit einem schalkhaften Grinsen, „Jeden Tag Essen von euch geliefert zu kriegen… Au ja, das wäre toll.“ Sein Chef schlägt ihn daraufhin mit der Handfläche gegen den Hinterkopf. „Na na, wir wollen es nicht zu weit treiben“, schimpft er.
    Luana kichert. „Frohderich, manche Scherze solltest du dir echt manchmal verkneifen“, meint Eleonora, aber ich winke ab. „Ach, wir wissen doch, dass das nicht ernst gemeint war. Wir würden uns trotzdem darauf freuen, hier arbeiten zu dürfen“, erwidere ich. Urs nickt. „Nun gut, ich denke, ihr solltet nun zurück zur Schule gehen. Allerdings bin ich mir sicher, dass wir uns alle später einmal wieder sehen werden.“ Wir grinsen uns an. Es wäre wirklich toll, wenn wir zur Ranger Basis in Brisenau versetzt werden würden. Auch, wenn hierher wirklich nur die Besten der Besten kommen.
    Alles, was wir noch tun können, ist, uns zu verabschieden, bevor wir auf die Türe zuschreiten. Weit kommen wir jedoch nicht. Kaum, dass wir vor ihr stehen, öffnet sie sich unerwartet. Kathrin macht einen Satz nach hinten, tritt dabei auf ein Kabel am Boden, stolpert und fliegt beinahe nach hinten, wäre ich nicht da gewesen. So fange ich sie gerade noch rechtzeitig aus. Halb hängend, halb stehend liegt sie nun in meinen Armen. Obwohl ich zuerst nicht viel sehen kann, weil ihre Haare mir die Sicht versperren, spüre ich die Blicke der anderen auf uns ruhen.
    „Oho, wen haben wir denn da?“, erklingt eine neue Stimme, die mir unbekannt ist. Unwillkürlich verstärke ich meinen Griff um meine beste Freundin herum, ziehe sie auf ihre Beine, jedoch gleichzeitig auch näher an mich heran. Auch kann ich mich nun selbst wieder gerade hinstellen, was mir ermöglicht, über Kathrins Zöpfe hinwegzublicken. Ein älterer Herr mit einem weißen Bart, buschigen weißen Augenbrauen und durchdringenden hellgrünen Augen befindet sich im Türrahmen. Er zwirbelt seinen Bart, während auf in meine Richtung guckt.
    „Ich nehme an, 1-Tages-Praktikum? Hatten wir heute an der Ranger Vereinigung auch. Als ich diese verlassen habe, ist gerade ein Mädchen angekommen, ein verrücktes, aufgedrehtes kleines Ding. Sie konnte nicht aufhören, zu reden, besonders, als die auf die Techniker traf. Soweit ich mich erinnern kann, war ihr Name… Lütmia? Irgendetwas in der Art…“ der Mann überlege kurz und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Es war nur zu offensichtlich, von welcher Blondine er sprach. „Nun, denn. Urs, ich muss ein kurzes Wort mit dir wechseln!“
    Mit schnellen Schritten geht er an uns vorbei, ohne uns noch einmal eines Blickes zu würdigen. Nachdem wir den ganzen Truppe noch einmal ein „Tschau!“ zugerufen haben, stürmen wir aus der Basis und machen uns auf den Weg in Richtung Schule. Unterwegs machen sich Kathrin und ich über Rhythmias neuen Spitznamen lustig. Besonders meine beste Freundin findet ihn gut, da Blondi sie immer wieder gerne „Cathy“ nennt. Immer noch.
    Aber nach diesem Tag hat Kathrin nun einen Spitznamen, den sie gegen sie verwenden kann.




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  • Vorinformaionen zum Kapitel: Ich habe selber Französisch und hab einfach
    ein paar Verben rausgesucht... Dazu sollte man wissen, dass je nach Person (ich, du, er, sie etc) die
    Verben eine andere Form haben. Ein Beispiel: "Ich bin' heißt 'je suis', aber 'du bist' heißt 'tu es' und
    'er ist' 'il est'.



    Kapitel 9 – Abschlussprüfung und andere Probleme
    KPV


    Hallo, Schwesterherz!


    Ach, Gott, es ist so weit. Die Abschlussprüfungen stehen vor der Türe. Ich soll dir von allen Glückwünsche ausrichten. Von mir, von Maike, Misty, Lucia, auch Tante und Onkel wollen, dass du bestehst. Und Lala drückt dir ebenfalls ganz fest die Pfoten. Weißt du was? Wir sind ab sofort ganz nahe bei dir! Rate mal warum…! Rate, rate, rate, rate… Na, wahrscheinlich bist du ohnehin schon drauf gekommen. Also, Auflösung: Richtig! Wir wohnen ab sofort wieder in Schikolingen! Mir hat das Haus von Anfang an gefallen. Die Lage direkt am Dorfrand neben einem dichten Wald, ein großer Garten, den Tante Ruth wie eine
    Verrückte hegt und pflegt und ganz in der Nähe ein wundervoller, meist leerer Strand. Der eignet sich besonders für das
    Training. Du kannst, wenn du willst, uns so bald wie möglich besuchen kommen, dein Zimmer ist bereits fertig eingerichtet. Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird. Man hat mich bei dem Aussuchen der Möbel helfen lassen. Naja, um ehrlich zu sein, habe ich solange auf Tante und Onkel herumgehackt, dass sie gar nicht anders konnten, als es mir zu erlauben.
    Am besten kommst du, sobald du weißt, zu welcher Ranger Basis du versetzt wirst. Oder wenn du genug Zeit hast.
    Ich freue mich schon jetzt auf einen Besuch!


    Viele liebe Grüße & ganz viel Glück, dein Schwesterchen Lucy“



    Jedes Mal, wenn ein Brief von Lucy ankomme, freue ich mich darauf. Es ist, als würde in Stück von daheim in der Schule
    ankommen. Und das wird wohl die letzte Botschaft von ihr sein, bevor meine Prüfungen beginnen. Heute ist Sonntag, morgen in der Früh um halb neun beginnt die erste Prüfung, in Deutsch. Wir müssen bereits eine halbe Stunde vorher im
    Gemeinschaftsraum sein, bekommen unsere Platznummern zugeteilt und bereiten uns auf geschlagene vier Stunden vor, in denen wir einen Aufsatz zu einem bestimmten Thema schreiben müssen.
    Die ganze Schule in einem Raum, jeder Schüler an einem Einzeltisch mit genug Platz zu den Nachbarn. Allein bei der
    Vorstellung daran dreht sich mein Magen und ich bekomme das Gefühl, dass ich mich unbedingt hinsetzen und lernen sollte.
    Wenn ich dann jedoch vor einem Heft oder einem Buch sitze, vergeht die Lust wieder. Da hilft selbst der Gedanke an die
    Abschlussprüfungen nicht.
    „Erde an Kathrin, bist du fertig mit Lesen?“, durchschneidet eine bekannte Stimme meine Gedanken. Spontan richte ich mich gerade auf. Bodo sitzt neben mir und hat darauf gewartet, dass ich mit dem Brief von Lucy fertig werde. Nachdem wir
    festgestellt haben, dass uns beiden alleine lernen zu langweilig ist, haben wir beschlossen, uns gegenseitig auszufragen.
    Deshalb haben wir uns auf den Stein des Monumentes am PdA gesetzt, um dort zu lernen.
    Ich überreiche ihm den Brief meiner kleinen Schwester und nehme mir stattdessen mein Matheheft, in dem ich mir fein
    säuberlich die Aufgaben aufgeschrieben habe, mit denen ich die meisten Probleme haben. Auch, wenn wir morgen Deutsch schreiben werden, ich weiß, dass ich für Deutsch weniger tun muss, weil ich das kann. Jedenfalls so gut, dass ich dafür weniger machen muss als für Mathe. Oder Französisch. Das werden immer die schwierigsten Fächer für mich sein.
    Mein bester Freund liest nun ebenfalls die Nachricht von Lucy. „Wow“, staunt er, „Du wohnst jetzt sogar bald wirklich in Almia. Da wäre es sogar noch besser, wenn du nach Brisenau versetzt wirst.“ Lachend übergibt er mir den Zettel wieder, damit ich diesen einstecken kann, zurück in den Umschlag, in dem er gekommen ist. Was ich ihm allerdings nicht gezeigt habe, ist, dass darin mehr als nur ein Blatt enthalten war. Das zweite kreist einzig und allein um ein Thema, dass ich vor meinen besten Freund bis jetzt geheim gehalten habe. Und ich habe nicht vor, es ihm allzu schnell einzuweihen.
    Dafür unterstützen mich Rhythmia und Lucy wo es nur geht. Wobei Blondi meiner Meinung nach viel zu oft verschwörerisch grinst, und ihr unterdrücktes Kichern hilft einem auch nicht dabei, sich selbst zu beherrschen. Wenigstens hat sie sich
    zurückgehalten und Primo nichts davon erzählt. Dass sie dicht hält, das beweist schon einiges. Ich bin schon froh darüber, dass sie niemanden etwas gesagt hat. Die größte Klatschtante der Welt… Ausgerechnet sie hat es als allererstes herausgefunden.
    Seufzend blättere ich eine weitere Seite um. Die Aufgaben kapiere ich momentan ohnehin nicht. Selten verstehe ich den Lösungsweg in der Mathematik, wenn ich noch ein weiteres Mal einen Blick darauf werfe. Ich kann logisch darüber nachdenken, wenn ich noch lösen muss und genau weiß, wie ich mir die Schritte aufbauen muss, um ans Ziel zu gelangen, aber bei einem zweiten Blick am nächsten Tag habe ich meistens bereits alles wieder vergessen. Schlimmer wird das nur durch die fehlende Konzentration. Mein bester Freund sitzt direkt neben mir, ich spüre das, ich höre das, ich denke daran, nur daran. Und alles Übrige verschwimmt.
    Lange Zeit habe ich es nicht zugeben wollen. Mir selbst wollte ich es nicht eingestehen, weil ich mir dämlich deswegen vorgekommen bin. Viel zu dämlich. Vielleicht hätte ich es mir früher überlegen sollen, bevor ich ihn offiziell zu meinem besten Freund gemacht habe. Hätte ich das damals nicht gemacht, würde ich mich jetzt deswegen nicht schlecht fühlen. Seit ich es weiß, denke ich ständig daran, wie es wäre, wenn er nur ein Freund wäre. Nur ein Klassenkamerad.
    Ja, ich habe mich in meinen besten Freund verliebt. Und, ja, ich traue mich nicht, es ihm zu sagen. Stattdessen versuche ich, mich ganz normal zu benehmen und mir nichts anmerken zu lassen. Hin und wieder habe ich das Gefühl, dass mir das nicht ständig gelingt, aber Bodo scheint nichts aufzufallen. Natürlich versuchen wir auch, dass er weiterhin keinen Verdacht schöpft. Nur, dass ich mir sicher bin, dass das nicht ständig klappen wird, wenn es so weitergeht wie bisher.
    Die Blondine schafft es immer wieder, viel zu passende Kommentare in Situationen zu finden, dass ich mich frage, ob sie vielleicht genau mit dem Schicksal ausgemacht hat, wann was passiert, damit sie sich davor genau darüber Gedanken machen kann, wie sie mich am besten als nächstes umhaut. Aber Worte waren schon immer die Werkzeuge von Blondi gewesen.
    Genau wie Informationen.
    Trotzdem, sie hält dicht. Und das will etwas heißen. Aber sie hat mir auch bereits erklärt, was ein Grund ist, weshalb sie besser nichts sagt. Das ist die Befürchtung, die sie bereits hatte, bevor ich zur Ranger Schule kam und Bodos beste Freundin wurde, um genau zu sein eigentlich damals von verkuppelt wurde. Auf eine andere Art und Weise zwar… Dennoch, Rhythmia will Primo noch immer mit niemandem teilen. Und was würde passieren, wenn Bodo mich abblitzen lassen und danach gar nichts mehr von mir wissen wollen würde?
    Richtig. Er würde mehr Zeit mit Primo verbringen, die üblichen Streitereien zwischen meinem besten Freund und der Klatschtante würden wieder anfangen und ich… Ich will gar nicht darüber nachdenken, was dann mit mir wäre. Solange keinem etwas herausrutscht, wird dieses Szenario ohnehin nie eintreten. Außerdem hätte ich notfalls immer noch Lucy. Meine kleine Schwester würde mich nie im Leben hängen lassen. Nur, vielleicht, in der Zeit, in der sie Bodo und dem, der nicht dicht halten konnte, das Leben zur Hölle macht.
    Auf ihren zweiten Brief freue ich mich ebenfalls. Klar, sie ist meine kleine Schwester, aber sie ist eine coole kleine Schwester, mit einer Intelligenz, die gewisse Lehrer an ihrer Schule aufgrund eigener fehlender grauen Zellen nicht wahrnehmen können, mir aber bisher oft weitergeholfen haben. Deshalb frage ich mich jetzt schon, welche Tipps sie mir geben wird…
    „An was denkst du gerade?“, reißt mich Bodo aus meinen Gedanken. Er mustert mich mit schiefgelegtem Kopf. Zuerst blicke ich ihn nur mit einem Gesichtsausdruck, der perfekt wiederspiegelte, wie ausgesprochen klug ich doch bin. Dann erst schaffe ich es, meine Gedanken zu fassen und eine ausweichende Gegenfrage zu formulieren: „Sehe ich so aus, als würde ich überhaupt an etwas denken?“ „Wenn in deinem Hirn genauso viel gesteckt hat, wie in deinem Blick, dann müsste man in deinem Schädel erst mal die ganzen toten Fliegen und Spinnenweben wegsaugen“, erwidert er sofort.
    „Gut, dass du so genau weißt, wie es in mir aussieht. Ich dachte schon, es versteht überhaupt keiner!“, lache ich. Sofort stimmt er in mein Lachen mit ein. Selbst danach geht er nicht mehr weiter auf seine erste gestellte Frage ein, auf die er keine richtige Antwort bekommen hat. Mission Gegenfrage geglückt. Solange ich ihm auch nicht weiterhin ins Gesicht, und somit direkt in seine Augen schaue klappt das meistens auch ganz gut.
    Nur, wenn ich das nicht mache, brauche ich jemanden in der Nähe, der mir aus der Patsche hilft. Bisher war glücklicherweise immer die Blondine in der Nähe. Wenn nicht, wäre ich wahrscheinlich jämmerlich stotternd, mit knallroten Bäckchen und einem tatsächlich leergefegtem Gehirn in dem Schokoladensee, auch bekannt als die Augen von Bodo, versunken. So sehr ich
    Schokolade und überhaupt Süßigkeiten liebe… Das wollte ich dann doch nicht.
    Seufzend klappe ich das Mathebuch zu. Was nützt es schon, die Aufgaben im Kopf noch einmal durchzugehen, wenn ich doch nicht einmal mehr weiß, was für Zahlen dort stehen, weil ich mich nicht darauf konzentrieren kann. Weil ich einfach momentan kein Wort davon verstehe, was dort steht. Oder verstehen will. Die Unlust auf das Lernen, oder auf Hausaufgaben machen, der beste Freund eines durchschnittlichen, im Unterricht meist halb schlafenden Schülers. Na, in den kann man sich wenigstens nicht verlieben.
    Es sei denn, man hat den Intelligenzquotienten einer Kathrin Rose. Dann kommt es sogar vor, dass man, obwohl man weiß, dass man auf einen Nachmittag, an dem man mit seinem besten Freund lernen will, am Abend nicht als hart durchgelernten Nachmittag zurücksehen wird, sondern auf einen verträumten, verschwendeten. Typisch.
    Vielleicht hat jemand meinen stummen Hilfeschrei nach oben vernommen, denn ich sehe eine zierliche Gestalt mit blonden Locken zum PdA herabsteigen. Rhythmia, die ihr, mir inzwischen wohlbekanntes Grinsen aufgesetzt hat, ruft mir zu: „Hey, Kathrin! Komm‘ mal her, ich muss dich was fragen!“ Kurz werfe ich meinem besten Freund einen Blick zu. „Wartest du hier?“ „Natürlich“, grummelt er, „In letzter Zeit ist das Blondchen meiner Meinung nach zu aufgedreht, da will ich lieber nicht in ihre Nähe und mich anstecken.“
    Mit einer inneren Erleichterung gleite ich von dem Stein herab und laufe zu Rhythmia hinüber. Sie empfängt mich grinsend. „Ich hoffe, du hast Lucys Brief dabei?“ Demonstrativ halte ich den Briefumschlag in die Höhe. „Okay, dann können wir ja jetzt gleich den lesen“, sie schaut mich bedeutungsvoll an. Nein, natürlich wurde mein Hilfeschrei nicht erhört. Warum sollte man es mir auch leichter im Leben machen?
    Ursprünglichen hatten wir geplant, den zweiten Brief erst heute Abend im Schlafsaal zu lesen, da Bodo dort auf gar keinen Fall zu uns stoßen und ausversehen etwas mitbekommen kann. „Aber warum jetzt, und nicht später?“, hake ich nach. „Weil das nicht klappt. Leider muss ich später noch zu einer zusätzlichen Infoveranstaltung im IT-Raum, wegen dem Fortbildungszentrum für Techniker in Fiore und alle übrigen Alternativen. Deshalb dachte ich mir, wir lesen jetzt. Die Situation passt doch gerade sehr gut…“
    Augenrollend macht sie mir deutlich, was sie damit meint. Und sie hat Recht. Das hat sie ohnehin viel zu oft. Hier, am anderen Ende des PdA haben wir Bodo gut im Blick. Nie und nimmer schafft er es so, uns unvorbereitet zu unterbrechen. Dicht stelle ich mich neben Blondi, während ich das zweite Stück Papier aus dem Umschlag zerre und auseinanderfalte.


    Hallo Schwesterherz,


    ich kann nicht anders, ich muss mich einfach wiederholen, weil ich das vorhin nicht schreiben konnte, oder eigentlich einfach nicht durfte, wegen… Naja, du weißt schon: Du Arme… Als wären die Abschlussprüfungen noch nicht Stress genug, so muss sich dein Herz noch dazu entscheiden, endlich eine Schleife aufgesetzt zu bekommen und verschenkt zu werden. Warum kann man Gefühle nicht genauso gut aufs Ohr hauen wie die Lehrer, Schüler und Praktikanten an meiner Schule? Dann wäre das ganze gar kein Problem mehr!
    Aber man kann nichts daran drehen, dass du dich in Bodo verliebt hast. Kathrin, gerade Bodo. Irgendwie hatte ich schon so eine Vorahnung, als ich deinen Brief in der Küche auseinandergenommen und gelesen habe. Glücklicherweise waren weder Tante Ruth noch Onkel Herbert zu Hause. Stell dir mal vor, wie das gewesen wäre, wenn ich plötzlich ‚Meine große Schwester ist verliebt, meine große Schwester ist verliebt“ singend zwischen Herd und Tisch hin und her gehüpft wäre. Wie die mich
    angeschaut hätten!
    Und ich weiß, ich hätte es mir nicht verkneifen können. Es wäre in der Situation passiert, und es IST passiert. Ich hoffe einfach mal, dass weiterhin alles so gut läuft wie bisher. Sobald sich aber irgendetwas verändert, positiv (Du hast einen Freund), wie negativ (Die Hölle bekommt Besuch von mindestens einer neuen Person, und ich, Lucienne Rose, werde die Person dort höchst persönlich abgeben)… Sofort schreiben!
    Vielleicht sollte ich dich daran erinnern, dass in solchen Notfällen auch mal das Handy zum Einsatz kommen kann! Schließlich sind wir nun wieder in ein und derselben Region, und du schreibst und telefonierst so selten, da darfst du dir das schon mal erlauben!


    Ganz viele liebe Grüße von deiner, immer noch singender kleinen Schwester, Lucy“



    Bodo in der Hölle? Gar nicht mal eine so schlechte Idee… Am besten frage ich Lucy, wenn sie das je vorhaben sollte, ob sie mich dann mitkommen lässt. Das will ich auf gar keinen Fall verpassen“, kann es sich Rhythmia nicht verkneifen. Kurz darauf grinst sie mich halb frech, halb entschuldigend an. Sie und Bodo verstehen sich noch immer nicht wirklich. Ständig
    wiederkehrende Streits stehen auf unserer Tagesordnung.
    „Ich werde es ihr schreiben“, meine ich. „Wollen wir trotzdem mal hoffen, dass das nicht passieren wird, oder lässt die Wirkung von Amors Pfeilen bereits nach?“ Brummelnd stecke ich den Brief wieder ein. „War ja klar“, seufzt Rhyth, „Dann, geh mal zurück zu deinem Schätzchen und ‚lernt‘ brav weiter!“ Sie kichert und läuft die Treppen hoch zum großen Schulhof, mich alleine zurücklassend.
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als den Rückweg zu meinem besten Freund anzutreten. Kaum, dass ich wieder neben ihm sitze und mein Matheheft vor mir halte, wahrscheinlich nur, um wie vorhin, gleich wieder in Träumereien zu versinken, höre ich Bodos Stimme neben mir: „Was wollte die Blondine? Hast du ein paar Hyperaktivenbakterien abbekommen?“ Mein Herz macht einen gehörigen Hüpfer bis in meinen Hals.
    Automatisch antworte ich mit der Wahrheit: „Lucys Brief lesen! … Normalerweise hätte sie das heute Abend gemacht, weil sie dann am meisten Zeit gehabt hätte, aber sie hat festgestellt, dass sie es doch nicht schafft.“ Gerade noch so habe ich es geschafft, nicht den zweiten Brief zu erwähnen. Trotzdem muss ich feststellen, dass ich nicht gelogen habe. Nur etwas verschwiegen, aber das ist nicht weiter wichtig.
    „Achso“, sagt er, gähnt einmal ausgiebig und legt dann seinen Kopf auf den meinen, um in mein Heft mitreinschauen zu können. Zum Glück bemerkt er dadurch nicht, wie er es schafft, durch diese kleine Bewegung mein Herz dermaßen zum Rasen zu bringen, dass das Blut in mein Gesicht schießt. Beinahe automatisch lehne ich mich gegen ihn, platziere meinen Kopf auf seiner Schulter und schiebe das Heft mehr in seine Richtung, damit er mitlesen kann.
    Eine Weile sitzen wir nur so da, wobei ich mehr an seine Anwesenheit denken muss. Mein Gehirn hält das wohl für wichtiger als Mathe. Okay, es hält so gut wie alles wichtiger als Mathe. Wer braucht schon Zahlen im Leben, wenn man sich stattdessen darüber aufführen kann, in wen man sich verliebt hat?
    „Was hältst du davon, wenn wir uns abfragen? Ich habe das Gefühl, ansonsten kapiere ich nie wirklich, wie das funktioniert. Ständig die Lösung vor sich zu haben hilft mir nicht wirklich beim Lernen“, schlägt Bodo vor. In diesem Moment frage ich mich, ob mich das Schicksal tatsächlich herausfordern will. Diese Ausfrage wird so peinlich werden wie keine davor, obwohl ich keine Note darauf bekommen werde. Dafür bekomme ich wahrscheinlich den Blödheitstempel meines besten Freundes auf die Stirn gedrückt.



    (BPV)
    Lange lernen wir die Matheformeln nicht, da uns schnell die Lust vergeht. Stattdessen wechseln wir das Fach und
    machen uns über Französisch her. Oder, lustig, je nachdem, wie man das nimmt. So falsch wie wir die Wörter aussprechen oder die Grammatik versauen… Schlimmer geht es einfach nicht. Wir sollten einen Preis dafür erhalten.
    Nachdem wir uns von einem neuen Lachanfall erholt haben, greift Kathrin nach ihrem Buch. „Versuchen wir mal etwas Leichteres, vielleicht kommt dann endlich mal etwas Richtiges heraus“, kichert sie. Ich höre, wie sie ein paar Seiten umblättert. Kurz ist es noch still, dann befiehlt sie im Fräulein Mai ähnlichen Tonfall: „Mal schauen, ob du es schaffst, ‚prendre‘ durch zu konjugieren!“
    „Okay“, fange ich an, „je prends, tu prends, il prend, nous prennons, vous prennez, ils prennent, dann Vergangenheit il a pris? Und dann gibt’s noch ähnliche Verben, wie… Apprendre und comprendre.“ Mit einem Grinsen nickt sie: „Schau, jetzt hat es geklappt. Wir sind doch nicht ganz verblödet.“ „Wenn Fräulein Mai das merken würde, dann wären wir einen großen Schritt weiter.“
    Ein Schiggy hüpft ganz in der Nähe von uns von dem Ministeg in das Meer, gefolgt von einigen Freunden. Planschend rasen sie mit einem Affenzahn durch das türkisblaue Wasser, das von den Sonnenstrahlen zum Funkel gebracht wird. Es erinnert mich an Kathrins Augen, nur, dass mich diese überall hin verfolgen, selbst bis in meine Träume.
    Um nur ein Beispiel zu nennen, am Abend und in der Nacht nach dem 1-Tages-Praktikum fiel mir das zum ersten Mal richtig auf. Primo hat mich während der abendlichen Hausaufgaben ständig gefragt, warum ich denn so abwesend sei. Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Gedanken stetig um Kathrin kreisten. Um ihr Lachen, wenn ich einen Witz riss oder sie etwas lustiges gelesen hat, um ihre Lippen, ihr Lächeln, klein, aber süß, ihre leuchtenden Augen, wenn sie sich auf etwas freute, ihre schüchterne, aber trotzdem lebensfrohe Art. Und eine bestimmte Szene kann ich noch immer nicht vergessen, und das ist der Spagettikuss. Nie im Leben werde ich diesen aus dem Gehirn verbannen können.
    Oft frage ich mich, ob Kathrin sich ebenfalls manchmal daran erinnert. Sicher rückt er nicht so oft aus ihren Hinterstübchen hervor wie bei mir, aber trotzdem interessiert es mich. Nachzufragen traue ich mich allerdings nicht. Ich weiß nicht nur überhaupt nicht, wie ich so eine Art von Konversation anfangen könnte, noch bin ich mir nicht sicher, ob ich wissen will, die das Gespräch weiterhin verlaufen würde.
    „Konjugieren ‚croire‘“, dringt Kathrins Stimme in meine Gedanken hinein. Kurz muss ich mich von Träumereien auf Französisch umstellen, dann beginne ich, an den Fingern einzeln abzählend, die verschiedenen Verbformen herunter zu rattern. Mein Blick bleibt fest auf das Meer gerichtet. Als ich fertig bin, schaue ich zu meiner besten Freundin, die sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.
    Dieses Mal lief das Ganze nicht so geschmiert wie vorhin“, sagt sie, „Nur, weil du vorhin einmal komplett richtig lagst, heißt das nicht, dass das jetzt für alle Verben gilt. Schön wäre es, dann müssten wir jetzt nicht lernen, sondern könnten lesen. Oder einfach nichts tun. Momentan würde ich nichts lieber als das machen!“ „Was habe ich denn nun falsch?“, hake ich nach, als ich merke, dass sie nicht bemerkt, wie sehr sie vom eigentlichen Thema abschweift.
    „Du hast die Nous- und die Vous-Form verwechselt. Also, anstelle von ‚nous croyons‘ ein ‚nous croyez‘, und genau das gleiche mit Vous, nur umgekehrt“, erklärt sie, amüsiert grinsend. Sie reicht mir ihr Französischbuch, damit ich sie jetzt abfragen kann. Über meine Blödheit beim Konjugieren macht sie keinen Kommentar mehr. Vielleicht rechnet sie das meiner weitreichenden Dämlichkeit in diesem Fach an. Nicht, dass das momentan schlecht ist, wenn sie so denkt…
    „Wir haben noch fünf Minuten, dann fängt Inge an, das Abendessen herzurichten“, verkünde ich, nachdem ich einen gründlichen Blick auf meine Armbanduhr geworfen habe. Gründlich heißt, dass ich nicht kurze Zeit später wieder vergessen habe, wie viel Uhr es ist. Das passiert mir oft, besonders im Unterricht. Kann aber sein, dass mein Gehirn das mit Absicht macht, damit ich wieder ein paar Sekunden dafür verplempern kann, auf die Uhr zu gucken und nicht aufpassen zu müssen.
    Meine beste Freundin seufzt tief und murmelt dann: „Besser, wir gehen jetzt schon. Dann können wir uns Zeit lassen und sind in der Küche dann nicht außer Atem.“ Wir springen gleichzeitig von dem Monument, um uns auf den Weg zum Schulgebäude zu machen. Bei dem PdA tummeln sich normalerweise immer mehrere Schülergruppen, aber heute ist keiner hier. Es würde beinahe einsam wirken, wenn es die Pokémon nicht gäbe. Die sind immer hier, bei Wind und Wetter. Und fühlen sich
    gleichzeitig auch noch wohl.
    Abgesehen von dem kurzen Besuch der Blondine waren Kathrin und ich beim Lernen alleine. Nun sitzt Blondi mit Primo in der Nähe des Schulhauses, ihr Französischbuch aufgeschlagen. Als sie bemerkt, dass wir an ihr vorbeigehen, fängt sie an zu kichern. Kathrin schüttelt den Kopf und rollt ein wenig entnervt mit den Augen. Und ich und Primo, wir gucken nur nichtwissend.
    Okay, nicht ganz. Primo hat ein kleines Lächeln auf den Lippen, das mich wissen lässt, dass er weiß, dass ich gerade eben einen Nachmittag nur mit Kathrin hatte.
    Wahrscheinlich weiß er es von Rhythmia, die sich nichts verkneifen kann. Sie kann wirklich kein Geheimnis für sich behalten. Aber wie hätte ich ihr erklären können, dass sie ihm nicht sagen soll, dass ich ganz alleine mit meiner besten Freundin war? Einen ganzen Nachmittag lang?! Die hätte gleich ihre eigene Meinung dazu gebildet, Gerüchte an der Schule verbreitet und mich lächerlich gemacht.
    Wobei die Gerüchte dann wahr wären, wenn es die wären, von denen ich denke, dass es sie werden würden. Aber wie könnte ich das abstreiten, wenn mir jemand an den Kopf wirft: „Gib’s doch zu, du bist in Kathrin verliebt!“. Lügen konnte ich noch nie, also würde ich es kaum schaffen, ein glaubwürdiges „Nein“ zu formulieren. Da behalte ich lieber mein Geheimnis vor der Blondine und vor meiner besten Freundin und ertrage gleichzeitig Primo. In der Küche angekommen fragen wir als Erstes Inge, was wir zum Abendessen machen müssen.
    „Heute sind Spagetti Bolognese geplant, weil ich letztens erst die langen Nudeln wieder besorgen konnte“, antwortet sie und schmeißt die ersten Packungen mit den bekannten Almianudeln in unsere Richtung. Ich fange sie, weil meine Reflexe von Natur aus besser sind als die von meiner besten Freundin, lege sie neben mir auf die Arbeitsplatte und schnappe mir zwei der
    größeren Töpfe, um sie mit Wasser zu füllen. Meine Bewegungen wirken automatisch und abgehackt. Das liegt daran, dass ich versuche, mein Gedanken im Zaum zu halten.
    Inge hat die zwei Worte ausgesprochen, die ich nicht mehr sagen und hören wollte. Spagetti Bolognese… Dabei habe ich dieses Essen mal geliebt! Die einzige Erinnerung, die nun durch meinen Kopf schießt, wenn ich das Wort nur höre oder das Essen rieche, ist die von dem Kuss. Das in letzter Zeit alles etwas damit zu tun haben muss, dass ich mich in Kathrin verliebt habe? Oder kommt mir das nur so vor? Bilde ich mir das nur ein?!
    Ich stelle die Töpfe auf die Herdplatte, um das Wasser darin zum Kochen zu bringen. Mein Gesicht könnte das ebenfalls, eigentlich bräuchte ich dafür keinen Herd. Da ich mich nicht traue, nach dem Wettstreit zu fragen, den Kathrin und ich das letzte Mal ausgetragen haben, als es Spagetti gab, ist es eine Weile still, aber man sollte nicht Inge vergessen. Diese befindet sich noch immer in der Küche und bereitet die Soße vor. Und dann kam er wieder, einer der Momente, bei denen man am liebsten im Erdboden versinken will.
    Spielt ihr später wieder das Spielchen, genau wie beim letzten Mal?“ So langsam fange ich an, zu glauben, dass sie den Kuss gesehen haben muss. Warum sonst spielt sie ständig darauf an und grinst währenddessen? Nichtsdestotrotz erreicht sie damit ständig, dass mein Gesicht sich erhitzt, mein Puls sich erhöht und mein Herz mehrere Überschläge hintereinander macht. Kurze Zeit spüre ich, wie mein Körper einen ganz leichten Schwindelanfall verkraften muss. Mein Atem schwindet für eine Weile, bis sich meine Lunge zu Wort meldet.
    Zischend lasse ich Luft hineingleiten. „Wer weiß…“, höre ich Kathrin murmeln, während sie zwei weitere Töpfe halb mit Wasser füllt. Das Plätschern ist im ganzen Raum zu hören, gemeinsam mit den leisen Geräuschen des Herds und den Schritten von Inge, die in die Speisekammer geht, um von dort das Hackfleisch zu holen. In meinen Erinnerungen stoße ich auf das Gefühl von Kathrins weichen Lippen, die sich sanft auf die meinen legen. Garantiert habe ich noch nie etwas ähnlich Samtenes gespürt.
    Bei den Gedanken an den Geschmack, der geblieben ist, selbst nachdem sie von mir weggezuckt ist, bringt mich dazu, über meine eigenen Lippen zu lecken, nur um sicherzugehen, dass er nicht immer noch an ihnen haftet. Aber natürlich ist es vergebens. Die seltsame Süße gemischt mit den Spagetti und der Hackfleischsoße hinterließ in mir das Verlangen nach mehr. Zum Glück konnte ich es unterdrücken.
    „Hey, Bodo, kannst du mir den Deckel dort drüben geben?“, durchdringt Kathrins Stimme das unangenehme Schweigen. Zuerst greife ich nach dem Gegenstand, dann drehe ich mich in ihre Richtung, um ihn zu überreichen. Ihre Unsicherheit in ihrem Blick verwirrt mich. Den Kopf nach unten gesenkt, starrt sich mich an, die türkisblauen Augen unschuldig auf mich gerichtet. Schnell wende ich mich wieder dem langsam köchelnden Wasser zu.
    Beinahe hätte ich nicht widerstehen können. Beinahe wäre ich von dem Gefühl übermannt worden. Hat sie das absichtlich gemacht? Wusste sie, dass, wenn Mädchen einen von unten anschauen, bei Jungs automatisch der Beschützerinstinkt aktiv wird? Oder hat sie das selbst rein instinktiv gemacht? Oder ausversehen? Sie konnte auf jeden Fall nicht wissen, dass es einen noch stärkeren Einfluss auf mich haben würde.
    Mein leises Knurren während des Augenkontaktes, als würde ich der angeblichen Gefahr von Kathrin und mir bereits gegenüberstehen, hat sie anscheinend nicht gehört. Das hatte ich mir nicht verkneifen. Es ist mir angeboren, doch meistens vernimmt es ohnehin niemand.
    Als wir das Essen fertig gekocht und in der Ablage platziert haben, trudeln langsam die ersten Schülergruppen in der Kantine ein. Die Gesichter, größtenteils von dem Stress aufgrund der Abschlussprüfungen erhellen sich und die angespannten Muskeln wegen dem vielen Sitzens und Lernens entspannen sich, als sie den Geruch des Abendessens wahrnehmen. Bald sitzen einige bereits an ihren Tischen und drehen die Nudeln auf ihre Gabeln auf.
    Davon abgelenkt merke ich kaum, wie sich mir meine beste Freundin nähert. Erst, als sie mir einen Arm von der Seite um den Hals schlingt und mich näher zu sich herabzieht, damit sie mir etwas ins Ohr hauchen kann, reagiere ich. Um nicht umzufallen, schlinge ich automatisch einen Arm um ihre Taille. „Weißt du, was wir schon seit einer Weile nicht mehr hatten?“, fragt sie mich leise. Die Vorfreude ist deutlich aus dem Satz herauszuhören. Sie verrät mir außerdem die Antwort.
    „Spiegeleier mit Bratkartoffeln“, antworte ich. „Ja“, quietscht sie, aufgeregt auf und ab hüpfend. „Ich weiß gar nicht, was du an denen so findest! Es ist nicht einmal mehr ein schweres Gericht, einfach ein paar Eier in einer Pfanne, gemeinsam mit ein paar leicht angebräunten, geschnittenen Kartoffeln, beides leicht gewürzt und das war’s auch schon“, erkläre ich nochmal, aber Kathrin hört mir gar nicht mehr zu. Sie hat es aufgegeben, mir dabei zuzuhören, wenn ich über Rezepte sprach, die ich bereits gekocht habe und die sie nun ausprobieren sollte. Sobald sie etwas von mir gegessen hatte, schmeckte ihr ihr eigener „Fraß“, wie sie ihn gerne nannte, nicht halb so gut wie das, das ich ihr machte.
    Wir suchten in der Speisekammer die Zutaten zusammen und keine zwanzig Minuten später saßen wir Schulter an Schulter auf den Arbeitsplatten. Alles war wie immer. Während die Kantine vollgestopft ist mit Schülern und Lehrern, laut und einengend, können wir hier in der kühlen Küche sitzen, zu zweit unsere Gespräche führen, ohne, dass diese durch Zwischenrufe oder versehentliche Rippenstöße aufgrund zu wenig Freiraum unterbrochen werden.
    „Mir ist letztens aufgefallen, dass es ganz schön doof ist, so spät in eine Klasse zu kommen“, schneidet Kathrin ein neues Thema an, „Wegen den Abschlussprüfungen, meine ich. Die zwei Anfangsmonate, in denen ich noch nicht hier war, beinhalteten offensichtlich genug Stoff, den ich nachpauken musste. Natürlich war das nur die Schuld von Tante Ruth und Onkel Herbert. Die wollten immerhin eigentlich gar nicht, dass ich auf die Ranger Schule gehe und danach Ranger werde. Das war in ihren Augen kein richtiger Beruf. Oder, ist, um genau zu sein. Ihr Standpunkt hat sich nicht wirklich geändert.“
    „Bei mir war nur mein Vater dagegen, wie bei so vielem auch. Ich hatte das Glück, dass Mama ihn überreden konnte, ansonsten wäre ich ebenfalls später gekommen, eventuell sogar nicht“, erinnere ich mich, „Eine der Argumente war tatsächlich, dass ich hier auch Französisch lerne. Wer hätte gedacht, dass diese Sprache so wichtig sein würde, damit ich meinen Traumberuf ausüben darf.“ Meine beste Freundin kichert. „Aber sobald der Abschluss vorbei ist, sind wir die Sprache endlich los! Da fällt mir direkt ein Streich ein, den Lu Tante Ruth einmal gespielt hat, und das nur wegen Französisch!“
    Sie erzählt mir den Rest der Zeit, in der wir essen, wie ihre kleine freche Schwester einen gut ausgeklügelten Plan in die Tat umgesetzt hat, der ihre Tante zur Weißglut gebracht hat. Nachdem wir unsere Teller aufgeräumt haben, rennen wir hoch in den Gemeinschaftsraum. Leider können wir nicht lange bleiben. Jeder Schüler will morgen ausgeruht sein, wenn er vor seinem Text sitzt, oder vor dem Problem, mehrere Argumente für ein Thema zu schreiben, das einen nicht interessiert.
    Am nächsten Morgen wache ich trotz dem, für meine Natur, viel zu früh ins Bett gehen, genauso auf, als wäre ich länger wachgeblieben. Ich hätte also durchaus länger im Gemeinschaftsraum meine Zeit mit Kathrin, Primo und, leider, wo auch immer Primo auch ist, dort ist auch sie, Rhythmia verbringen können. Nur, dass die zuletzt genannten garantiert müder wären als ich, wenn dem so gewesen wäre.
    Im Gegensatz zu Kathrin. Sie wartet bereits extrem gut gelaunt in dem Gemeinschaftsraum auf mich. Ein kleines Liedchen trällernd tänzelt sie zwischen den Stühlen umher, dreht kleine Pirouetten und lacht hin und wieder leise vor sich hin. Wie kann man so unschuldig wirken? Ein kleiner Engel, der sich auf die Erde verirrt hat, oder hinabgeschickt wurde, um über jemanden zu wachen. Ich bleibe einen Moment im Türrahmen stehen und denke genauer über den Gedanken nach. Vorstellbar wäre es, aber die Realität war hart und hatte kein Verständnis für Fantasien dieser Art.
    Kathrin bemerkte mich, ehe ich mich dazu entschlossen hatte, den Raum endgültig zu betreten. Ihr unwiderstehliches Lächeln erhellte ihre ohnehin bereits fröhliche Ausstrahlung. Gerade an dem Morgen der ersten Abschlussprüfungen lässt sie sich den tagelangen Stress nicht mehr anmerken. Entspannt steigt sie mit mir die Treppen hinab, also beschließe ich zu fragen, warum sie so glänzender Laune ist.
    „Rhythmia war gestern ganz besonders amüsant. Aber sprich‘ sie besser nicht darauf an“, antwortet sie, leise vor sich hin summend, „Dir kann ich es leider nicht erzählen. Ich habe ihr versprochen, das Geheimnis zu behalten, genau wie sie. Kaum zu glauben, dass sie auch dicht halten kann, oder? Kann man sich bei ihr einfach nicht vorstellen.“ Ihre Wangen färben sich bei den Worten leicht rosa.
    „Sie behält ernsthaft ein Geheimnis für sich? Wie ist das möglich?“, spreche ich meine Gedanken laut aus. Noch nie hat die Klatschtante etwas für sich behalten. Irgendwann ist es immer ans Licht gekommen. Warum also schafft sie es dieses Mal, nichts zu sagen? „Indem sie selbst mittendrin hängt und sie weiß, wenn es schief geht, hat sie danach wieder ein Problem. Und ich spreche gerade nicht von mir, wenn ich herausfinde, dass sie den Rand nicht halten konnte, sondern von etwas anderem, das mit ihrem Geheimnis zusammenhängt“, lacht sie.
    Aus irgendeinem Grund belustigt sie Rhythmias Verhalten vom Vorabend noch immer. Wenn ich doch nur wüsste, wie es gewesen ist. Das wäre garantiert ein guter Grund, die Blondine wieder aufzuziehen. „Und was ist mit deinem Geheimnis?
    Erzählst du mir davon?“, frage ich. „Um ehrlich zu sein“, fängt Kathrin leise an, und ihre Augen gleiten unruhig über die Decke, „Würde ich das gerne noch eine Weile für mich behalten. Keine Sorge, du erfährst es, sobald ich glaube, dass du es wissen solltest.“
    „Aber Rhythmia darf davon wissen?“ „Bei ihr ist das etwas anderes! Sie hat es ausversehen herausgefunden. Die einzige Person, der ich es mit Absicht anvertraut habe, war Lucy. Aber du kennst doch die Blondine, sie findet alles heraus, wenn sie nur will. Und wenn man nicht mit den Informationen herausrückt, die sie hören will, dann nimmt sie einen in die Mangel und presst jedes einzelne Wort aus einen heraus.“
    Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Trotzdem stört es mich, dass meine beste Freundin mir etwas nicht erzählen will, dass sie der größten Klatschtante der Welt bereits berichtet hat. Als hätte sie Vertrauen in Blondi, aber nicht in mich. Als könnte sie meine Gedanken lesen, fügt Kathrin noch hinzu: „Es ist nicht so, als wüsste ich nicht, dass ich dir alles sagen kann, aber… Nun ja, es ist schwer zu erklären, warum ich es nicht mache. Mach‘ dir einfach keine Sorgen, du wirst es früh genug erfahren!“
    Ungläubig ziehe ich beide Augenbrauen hoch, während ich die Klinke der Türe zur Küche runterdrücke. Inge kommt gerade aus der Speisekammer heraus, die Arme voller verschiedener Packungen Müsli. „Wenn du sagst, keine Sorgen machen…“, murmele ich meiner besten Freundin hinter mir zu. Weiter komme ich nicht. Kathrin schlingt von hinten die Arme um mich.
    „Dann heißt dass, dass du dir keine Gedanken mehr darum machen sollst“, meint sie. Ich spüre ihren Kopf auf meinem Rücken liegen.
    „Schon gut, ich denke nicht darüber nach. Immerhin sollten wir uns heute auf die Abschlussprüfungen konzentrieren, richtig?“ „Genau“, stimmt Kathrin mit singender Stimme zu, „Und ich schlage vor, wir schlagen uns vor der Deutschprüfung den Bauch voll. Was sagst du dazu?“
    Genau das machen wir. Zuerst helfen wir Inge, das Müsli und die Cornflakes in große Schüsseln zu leeren und diese in die Ausgabe zu stellen, dazu jede Menge Kannen voller Milch, heißes Wasser, Saft und Teebeutel. Danach frühstücken wir, noch bevor die Schüler in die Kantine kommen. Während diese essen, gehen die Lehrer nach oben, schieben Tische und Stühle zurecht, legen die verschiedenen Platznummern darauf und verteilen die Aufgabenblätter.
    Jeder kann sich selbst aussuchen, ob er lieber eine Erörterung schreiben will, oder einen Textgebundenen Aufsatz. Zur
    Erörterung gibt es zwei verschiedene Themen, von denen man eines auswählen kann, bei dem Aufsatz muss man sich
    zwischen zwei Texten entscheiden. Bevor ich nicht alles vier gesehen habe, bin ich mir nicht sicher, was ich eher bearbeiten will. Was mir am meisten liegen wird. Wenn ich Glück habe, kommt bei der Erörterung ein ähnliches Thema dran, wie bereits bei unseren Schulaufgaben, wenn nicht, dann halt nicht.
    Nach dem Frühstück stellen wir uns alphabetisch vor der Treppe zum zweiten Stockwerk auf. Nacheinander dürfen wir zu dem Tisch, neben dem Fräulein Mai steht, und eines der umgedrehten Zettel umdrehen. Darauf steht eine Nummer, um genau zu sein die Nummer des Platzes, auf dem man während der Prüfung sitzt. Zu jeder Prüfung verläuft dieses Ritual von neuem, damit man nie weiß, wer vor, hinter oder neben einem sitzt.
    Heute habe ich das Pech, dass die Person, die die fünf Stunden hinter mir verbringen darf, Rhythmia ist. Hin und wieder spüre ich, obwohl ich in meinen Aufsatz vertieft bin, ihren Blick im Nacken. Dann wünsche ich mir wieder, ich hätte die nicht die Fähigkeit, das zu bemerken. Das verursacht eine prickelnde Gänsehaut auf meinen Armen, aber ich kann mich natürlich nicht umdrehen und ihr sagen, sie soll das lassen. Gerade mitten in der Prüfung. Und wie soll ich erklären, dass ich wusste, dass sie mich wütend anblickt?
    Zum Glück reicht mir die Zeit aus, mir bleiben sogar gegen Ende noch dreißig Minuten, die ich damit verbringe, die Texte durchzulesen, die für Leute ausgewählt worden sind, die einen Textgebundenen Aufsatz schreiben wollen. Pünktlich gegen Ende dürfen wir alle den Gemeinschaftsraum verlassen und nach unten in die Kantine gehen. Kathrin treffe erst dort, neben Rhythmia sitzend. Wir haben beschlossen, heute hier zu essen, weil Inge das Essen ohnehin bereits alleine während der Prüfung vorbereitet hat.
    „Immer noch so gut gelaunt?“, begrüße ich meine beste Freundin. Sie lacht und schiebt einen Teller zu mir rüber. „Ja, stell dir vor! Ich hab‘ das Thema einmal bereits mit Lucy vorbereitet und wusste daher genau, wie ich die Argumente formulieren muss, was für eine Einleitung und was für einen Schluss ich schreiben kann. Hier, ich habe von Inge auch gleich deinen Teller
    Apfelstrudel bekommen!“, erwidert sie.
    Ich lasse mich neben ihr nieder, setze mich aber nicht zu nahe. In der Kantine ist es ganz anders als in der Küche. Hier ist es laut, jeder Schüler mehr bringt ein neues Gespräch mehr, das mit der Zeit zu einem einzigen Hintergrundgeräusch wird. Mit der Zeit wollen immer mehr an unseren Tisch. Sie nutzen jeden Zentimeter der Bank. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auszurutschen, so dass mein Arm den Arm von Kathrin berührt.
    „Morgen gehen wir wieder in die Küche“, beschließt meine beste Freundin, die nun ziemlich zwischen mir und Rhythmia
    eingequetscht ist. Das scheint ihr nicht zu gefallen, aber die Blondine kann gar nicht aufhören zu kichern. Immer wieder kitzelt sie Kathrin, piekt sie in die Seite. Beinahe fällt sie rückwärts vor der Bank, weil sie das Gleichgewicht nicht mehr halten kann. Vorsorglich lege ich einen Arm um ihre Taille, damit es kein weiteres Mal passiert.
    „Lütmia, lass das bleiben“, knurre ich die Blondine mit einem gefährlichen Unterton an. Zu meiner Überraschung erwidert sie meinen gereizten Blick mit einem zufriedenen und amüsierten Gesichtsausdruck. Der wirft mich aus der Bahn. Seit wann gefällt es ihr, wenn ich gemein zu ihr bin? Im Normalfall wäre daraus ein handfester Streit geworden. „Gut, morgen in der Küche“, stimme ich Kathrin schließlich zu. Ihr Lachen wird zu einem leichten Kichern, als Rhythmia aufhört, sie zu kitzeln.


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  • Kapitel 10 – Besuch
    (KPV)


    Es ist Samstagabend und ich sitze momentan bei Rhythmia auf dem Bett, gegen einen der Pfosten gelehnt, die mein Bett oben halten. Mein Herz hat sich noch immer nicht beruhigt, es rast in meinem Brustkorb als wäre ich gerade eben einen Marathon gerannt. Dass ich gerade vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock gerannt bin, ist trotzdem nicht der einzige Grund hierfür. Inge hat mir gerade eben Lucys neuen Brief überreicht.
    Beim Schuleingang, mit Bodo an meiner Seite. Wie immer wollte er sofort wissen, was mir meine kleine Schwester mitteilen will. Allerdings würde ich es nie wagen, einen frisch angekommenen Brief direkt neben ihm zu öffnen, weil ich Angst davor hätte, dass ich anstelle des Zettels, den er auch lesen darf, den anderen mit dem Geheimnis als erstes herausziehe. Überhaupt, selbst, wenn es der richtige wäre, das zweite Blatt Papier würde immer noch auffallen. Deshalb stand ich vorhin besonders unter Strom.
    Zuerst konnte ich nicht mehr als die Briefmarke anzustarren, auf der man die Karte von Almia in Kleinformat sehen konnte. Die Form brannte sich in mein Gehirn, bis Bodos Stimme mich erreichte. Er sah mich verwundert an. Und ich wusste wegen dem Augenkontakt nur noch weniger, was ich sagen sollte. Glücklicherweise fiel mir eine vielfältige Ausrede ein, die ich früher bereits öfter benutzt habe.
    „Sorry, aber mir ist grad etwas eingefallen. Wir treffen uns in zehn Minuten im Gemeinschaftsraum!“, habe ich gestammelt und bin vom Haupteingang weg und die Treppen hochgerannt als würde mich ein Schwarm Bibor verfolgen. Erst, als ich im Mädchenschlafsaal angekommen bin, habe ich mir erlaubt, zu gehen. Bei Rhythmia und meinem Hochbett habe ich inne gehalten. Blondi hat mich genauso verwirrt angestarrt wie Bodo kurz zuvor, aber ihr Blick wurde wissend, als er auf den Blick fiel.
    Und jetzt steht sie neben mir, darauf wartend, dass ich den Zettel herausziehe. Es wäre tatsächlich der erste gewesen. Gut, dass ich mich dafür entschieden habe, die Flucht zu ergreifen, ansonsten wäre das in die Hose gegangen. Die abgedruckten roten Herzchen, die an einer hübschen Schnörkellinie am rechten Rand hingen, verkündeten ohne Umschweife das Thema.


    Hallo Schwesterherz,


    wahrscheinlich hast du fast alle Abschlussprüfungen hinter dir, wenn dieser Brief ankommt, aber ich wünsche dir trotzdem immer noch viel Glück für die letzte Abschlussprüfung. Ich schreibe dir das doppelt, hier und in dem anderen Brief, aber dann hast du eben doppelt so viel Glück.
    Als erstes würde ich noch gerne den Kuss durchkauen. Nachdem ich genauer über Bodos Worte ‚Er fühlt sich wie Strolchi‘ nachgedacht habe, denke ich nun, dass es ihn tatsächlich nervös gemacht hat. Es muss ihn genauso verlegen gemacht haben wie dich. Und das ist doch ganz normal, weil der Kuss doch für euch beide total überraschend kam. Oder hat Bodo auf dich den Eindruck gemacht, als hätte er das geplant? Vielleicht geht es ihm inzwischen genauso wie dir, vielleicht ging es ihm schon länger so…
    … Vielleicht war es, bei ihm wie bei dir, der erste Kuss? Haha, ich wette, du bist gerade total rot im Gesicht geworden! Gib’s zu, du bist rot! Ach, wie gerne wäre ich jetzt bei dir. Ich würde so gerne ein paar Verkupplungspläne mit Rhythmia aushecken, dich dazu bringen, dass dein Kopf aussieht, als wäre er eine überreife Tomate und Andeutungen in der Nähe von Bodo machen.
    Ach, übrigens, Tante Ruth und Onkel Herbert wissen noch gar nichts davon. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob sie
    überhaupt noch etwas wissen, was ich ihnen genaueres über die Ranger Schule erzählt habe. Wer weiß, wie sie darauf reagieren würden, wenn sie wüssten, dass du dich verliebt hättest.
    Irgendwann werden sie es erfahren, so viel ist sicher. Und kennenlernen. Ihr müsst kommen, wenn eure Abschlussprüfungen vorbei sind, versprich mir das!


    Noch viel Glück in einfach allem wünscht dir deine kleine Schwester Lucy.“


    Sie hatte Recht. Sie wusste es schon, als sie den Brief geschrieben hat. Mein Gesicht ist knallrot angelaufen, als sie mich daran erinnert hat. „Moment, das war dein erster Ku-“, gerade noch rechtzeitig schaffe ich es, mir ein Kissen zu schnappen und damit gegen Rhythmias Kopf zu schlagen, damit sie es nicht laut ausspricht. „Wir sind nicht alleine hier“; erinnere ich sie zischend. Ein paar Mädchen in der Nähe, darunter Celia und Theresa, drehen bereits neugierig ihre Köpfe in unsere Richtung. Man erregt zu schnell Aufmerksamkeit.
    „Ja, das war er“, füge ich seufzend hinzu. Blondi fängt an, zu kichern, versucht aber, es zu unterdrücken. Während ich den Zettel zusammenfalte und in meine Hosentasche stecke, ignoriere ich sie. Ich schnappe mir den Umschlag, um zu Bodo zu rennen, der inzwischen im Gemeinschaftsraum auf mich warten müsste. Die zehn Minuten, die bei meiner Ausrede vorhin herausgerutscht sind, müssten beinahe vorbei sein. Rhythmia folgt mir sofort.
    Mein bester Freund sitzt auf unserem Klassentisch, neben ihm Primo. Sie bemerken uns auch nur so schnell, weil die Blondine sich nicht zusammenreißen kann. Wie ein aufgeregtes Huhn gackernd hüpft sie hinter mir her. Augenrollend bitte ich sie, damit aufzuhören, bevor ich mich neben meinen besten Freund setze und den zweiten Zettel aus dem Umschlag hole.
    „Na, erledigt, was du erledigen musstest?“, fragt Bodo. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und schmiege mich näher an ihn. „Ja, hab‘ ich“, murmele ich. Obwohl ich den Brief von Lucy mehrere Male durchlese, verstehe ich kaum ein Wort, was sie sagen will. Da ich allerdings nicht komplett verblödet wirken will, stecke ich ihn weg, wobei ich mir vornehme, ihn später erneut zu lesen, wenn ich im Bett liege. Es dauert nicht lange und unser Gesprächsthema hängt bei den Abschlussprüfungen fest. Heute stand Französisch auf dem Programm.
    „Wahrscheinlich habe ich bei der Grammatikaufgabe die Teilungsartikel immer falsch eingesetzt…“, brummt mein bester Freund, den seine Fehler genauso aufregen wie mich. „Frag mich bloß nicht, ich habe die Aufgabe bestimmt verhauen. Für mich war schon immer klar, dass ich Französisch ein hoffnungsloser Fall bin. Mich wundert es auch noch, warum Fräulein Mai mich nicht schon längst aufgegeben hatte“, murre ich und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen, bis er an zwei
    Personen hängen bleib.
    Normalerweise bin ich nicht der Typ von Mädchen, der über Beziehungen von Klassenkameraden und anderen Schülern Bescheid weiß. Immer auf dem neuesten Stand zu sein war noch nie meine Stärke, dafür war Rhythmia da, aber momentan brauche ich einfach einen Grund, Blondi von ihrem, inzwischen zu einem Lachflash ausgeartetes Kichern abzubringen. Wenn ich Glück habe, vergisst sie dann den Grund für den Lachflash ebenfalls wieder und erzählt ihn mir später nicht. Garantiert hat er was mit mir zu tun.
    Unauffällig schaue ich erst zu ihr, bis wir Augenkontakt haben. Dann rolle ich langsam zu dem Celia und dem Jungen in der Nähe der Jungenschlafsäle. „Wusstest du davon?“, fragt sie dann, nachdem sie sich neben mir niedergelassen hat. Bodo, der schon nicht amüsiert ausgesehen hat, als sie näher gekommen ist, guckt nun mich an. „Nein“, antworte ich einsilbig. Den fragenden Blick meines besten Freundes kann ich regelrecht spüren.
    „Was ‚nein‘, was wusstest du nicht?“, löchert er nach. Mit Absicht vermeide ich nun, zu Celia und dem Jungen, der
    offensichtlich ihr Freund ist, hinüberzusehen. Hauptsache Bodo bemerkt nicht das Thema und schneidet es dann an. Mit ihm über „Verliebt-sein“ zu sprechen wäre wohl nicht die beste Idee. Rhythmia reagiert, bevor ich auch nur die Chance habe,
    meinen Mund aufzumachen.
    „Mädchenklatsch!“ Kurz bedenkt er mich mit einem undurchschaubaren Blick, dann wendet er sich Primo zu und fängt an, mit ihm eine Konversation zu führen. Das macht es mir möglich, mich weiter mit Rhythmia zu reden. „Und? Warst du darüber
    informiert?“, hake ich leise nach. „Was glaubst du denn? Du kennst mich doch, ich weiß immer über alles und jeden Bescheid! Außerdem gehört doch so etwas zu meinen Spezialgebieten“, erklärt sie. Daran, wie sie den letzten Satz ausgesprochen hat, weiß ich sofort, worauf sie anspielt.
    Zum Glück schafft sie es nicht, noch mehr Andeutungen zu machen. Bodo hat einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr
    geworfen und festgestellt, dass es bereits halb neun ist. Zeit, ins Bett zu gehen. Oder, auf jeden Fall dürfen wir uns nicht mehr weiterhin im Gemeinschaftsraum aufhalten, ohne Gefahr zu laufen, dass ein Lehrer hochkommt und wir dann Ärger bekommen. Genervt setze ich mich wieder gerade hin, da ich mich wieder an Bodo gelehnt hatte. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in unsere Schlafsäle zu gehen.
    Mit einem unzufriedenen „Gute Nacht“, verschwinde ich in den Raum, der insgesamt vier weiterführende Türen hat. Jede von ihnen führt in einen Mädchenschlafsaal, die nach Klassen verteilt sind. Nach einem kurzen Besuch im zum Glück leeren
    Badezimmer setze ich mich zu Rhythmia auf ihr Bett, erneut an den Bettpfosten gelehnt. Die Blondine nimmt bereits den
    größten Teil der Matratze für sich ein.
    Er hat gar nicht genauer wissen wollen, warum du einfach weggerannt bist“, überlegt sie mit einem schelmischen Unterton. „Eigentlich hatte ich bereits eine gute Ausrede, aber die war eindeutig nicht genau genug. Vielleicht hat er sich selbst bereits darüber Gedanken gemacht und ist auf einen eigenen Schluss gekommen“, erwidere ich. „Vielleicht… Auf jeden Fall habe ich beschlossen, euch, wie Lucy, nicht ungeschoren davonkommen zu lassen. In meinem Kopf haben schon einige, theoretisch gut ausführbare Verkupplungspläne Gestalt angenommen.“
    „Ich hoffe, sie bleiben Theorie und können in der Praxis nicht ausgeführt werden“, brummele ich. Warum müssen Freunde immer auf die Idee kommen, einen mit dem Schwarm verkuppeln zu wollen? Überall, wo ich bis jetzt etwas davon gehört habe, verlief das sehr peinlich. Und ich weiß nicht, wie ich mich aus so einer peinlichen Situation herauswinden soll. „Du solltest
    aufhören, so etwas zu hoffen. Denk doch mal genauer nach“, erinnert mich Blondi, „Mit euch beiden hat es schon einmal
    geklappt. Ohne mich wärt ihr nie beste Freunde geworden.“
    „Wären wir nie beste Freunde geworden, dann wäre es jetzt vielleicht auch einfacher, damit umgehen zu können, dass ich mich in ihn verliebt habe“, grummele ich. Danach steige ich wortlos die Leiter hoch und lege mich in mein Bett. „Das packst du auch so, Cathy“, ruft sie so laut zu mir hoch, dass der ganze Mädchensaal das gehört habenmuss, wenn nicht sogar die
    umliegenden Säle ebenfalls. Ein kleines Flüsterfeuer erwacht im Raum, dank dessen ich eine Weile brauche, um endlich
    einzuschlafen.
    Am nächsten Tag in der Früh stehen mein bester Freund und ich wie gewohnt in der Küche. Auf dem heutigen Plan steht unter anderen ein Obstsalat, für den wir das Obst klein schneiden sollen. Schulter an Schulter, Schneidebrett an Schneidebrett. Wir haben unsere eigene Technik, mit der wir zu zweit viel schneller sind, als wenn wir es alleine machen würden.
    „Mittwoch hängen die Listen aus… Was glaubst du, wohin werden wir versetzt?“, fragt Bodo, die soeben fertig geschälten Apfelviertel zu mir schiebend. Zwei Tage nach unserer letzten Abschlussprüfung im Fach „Pokémon fangen“, die am Montag, also morgen, sein wird, werden die Listen aushängen. Auf diesen wird stehen, wo man als Ranger arbeiten darf. Bei Bodo und mir ist es so gut wie sicher, dass wir zur gleichen Basis kommen, weil wir auf dem gleichen Niveau stehen. Da eine Basis
    ohnehin meistens zwei Ranger auf einmal aufnimmt, stehen unsere Chancen bei 99,9 Prozent.
    Trotzdem ist es wichtig, dass wir, bevor wir das erfahren, die hierfür wichtigste Prüfung ablegen werden. Für jeden Schüler, ob er nun Techniker, Mechaniker oder, wie wir, Ranger werden will, ist diese Prüfung entscheidend, wo er seinen Platz erhält. Rhythmia kämpft noch immer um ihren Platz an der Technikerfortbildung in Fiore, Primo will unbedingt ebenfalls nach Fiore, damit er bei ihr bleiben kann, Bodo und ich versuchen regelrecht, die besten zu sein und die beliebteste Basis zu erwischen. Am liebsten wäre uns hierbei Almia, weil wir beide hier wohnen.
    Da die einige Ranger von jeder Basis die Schüler bei ihren Prüfung beobachten dürfen, um danach ein Wahlliste zusammen zustellen, wen sie am liebsten hätten, kann man sich davor nicht sicher sein, wo man danach als Ranger arbeiten darf.
    „Brisenau wäre immer noch mein Favorit. Damit kann ich Lucy jeden Tag besuchen, wenn ich will“, antworte ich fröhlich. Bei Lucy bin ich mir sicher, dass sie es Urs, den Chef der Brisenauer Station, nicht gutheißen würde, wenn er mich nicht auswählen würde. Er wäre sich einen Besuch von ihr sicher, bei dem er ihr Rede und Antwort stehen müsste. Tante Ruth und Onkel
    Herbert haben garantiert ihre eigenen Ansichten von der Sache.
    Einerseits hätten sie mich gerne nahe bei sich, um mir ihre eigenen Theorien darüber, welcher Beruf am besten für mich wäre, aufzudrücken. Dass ich mich dafür entschieden habe, den Weg eines Rangers einzuschlagen, ist in ihren Augen die falsche Entscheidung. Daher wäre mein andererseits, dass sie mich garantiert nicht dabei beobachten wollen, wie ich als Ranger
    arbeite. Wie gut, dass Mama und Papa vorgesorgt und mich früh genug bei der Ranger Schule angemeldet haben. Wären sie nicht gewesen…
    Dann wäre ich nicht nur nicht am Leben, sondern auch nicht hier neben meinem besten Freund. Auch ihn hätte ich in dem undenkbaren Fall nie kennengelernt. Mich graut vor dem Gedanken, was ansonsten gewesen wäre. Schnell schüttele ich ihn wieder ab. Daran darf ich nicht denken, erst recht nicht so knapp vor den Abschlussprüfungen. Oder in den
    Abschlussprüfungen.
    Nur noch ein Tag voller Stress. Die Techniker müssen sich in der Früh im IT-Saal versammeln, da sie dort den ganzen
    Vormittag geprüft werden. Am Nachmittag finden die Einzelprüfungen statt, bei denen sie in einer kleinen Kammer geprüft werden. Dort wird ihnen eine simulierte Situation mit einem Ranger vorgegeben, die normal anfängt, dann aber langsam zu einer richtigen Lebensgefahr wird. Als Techniker muss der Geprüfte in der Lage sein, den Ranger sicher aus der Gefahrenzone zu leiten und genug hilfreiche Tipps auf Lager haben.
    Von Celia habe ich erfahren, dass die Mechaniker auch eine lange Prüfung haben, die sich über den ganzen Tag ziehen wird. In Sachen Traumberuf erfüllen hat sie den gleichen Standpunkt wie Rhythmia. Zu mindestens kämpfen sie beide gleich hart für ihren Traum. Zusammen mit den übrigen Möchtegernmechanikern aus den anderen Klassen wird sie im Schulgebäude sowie im Wald in Richtung Brisenau geprüft.
    Die Schüler, die sich im Fach „Pokémon-fangen“ prüfen lassen, werden zunächst in Zweiergruppen aufgeteilt. Im Normalfall gehen Ranger immer zu zweit auf Mission, nur die Patrouille wird meistens alleine erledigt. Die Ausnahme, sich eine Mission alleine zu erteilen, haben nur Top Ranger, von denen es weltweit nur zehn Stück gibt. Da wir allerdings nach Schulabschluss nicht mehr als normale Ranger sein werden, ist es sinnvoll, uns zu zweit zu prüfen. Wir können uns ohnehin nichts zuflüstern, weil morgen pures Talent gefragt ist.
    Vier Stationen mit verschiedenen Aufgaben, danach ist alles vorbei. Ich für meinen Teil hoffe, dass ich einen annehmbaren Partner bekomme, am besten wäre natürlich Bodo. Wenn ich Glück habe sorgt Fräulein Mai dafür, dass ich mit ihm in ein Team komme. Immerhin war es sie, die uns gesagt hat, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir zu einer Basis kommen, so hoch ist wie bei sonst keinem anderen. Dadurch, dass er mein bester Freund und eigentlich sogar größter Rivale ist, wäre das die wohl angenehmste und trotzdem die am meisten anspornende Prüfung von allen. Das Thema „Verliebt sein“ lasse ich mit Absicht aus. Früher oder später muss ich damit klar kommen können.
    „Jetzt steht nur noch eine Frage offen“, höre ich Bodo in meine Gedankengänge hineinfragen. Unwillkürlich zucke ich
    zusammen und mir schießt „Kann er Gedanken lesen?!“ durch den Kopf. Mit einem Seitenblick bemerke ich, dass er mich ebenfalls von der Seite her ansieht. „Was machen wir heute noch?“, fügt er hinzu.
    Uff“, sage ich und puste mir meinen Pony aus dem Gesicht, „Das ist eine sehr gute Frage, auf die ich meine Lieblingsantwort gebe: Keine Ahnung. Lernen wird nichts mehr bringen. Erstens wäre das kurz vor knapp, zweitens ist ohnehin nur Talent
    gefragt. ... Oder doch, mir fällt etwas ein! Hat Lucy nicht in ihrem Brief erwähnt, dass wir sie möglichst bald besuchen sollen?“ Bodo runzelt die Stirn. Hoffentlich hat sie das nicht nur in dem zweiten Brief geschrieben. Gestern habe ich, nachdem ich Rhythmia von ihren Verkupplungsplänen gesprochen hat, vergessen, den anderen zu lesen.
    „Kann mich nicht daran erinnern…“, murmelt er, offensichtlich in Erinnerung an gestern Abend. „Egal“, sage ich, viel zu schnell, „Auf jeden Fall weiß ich, dass sie sich über einen Besuch unheimlich freuen würde. Der Weg wäre nicht weit, und ich glaube kaum, dass Fräulein Mai uns das verbieten würde. Es wäre also perfekt.“ Beinahe hätte ich vergessen, dass man fragen muss, bevor man das Schulgelände verlassen darf.
    „Also, nach dem Frühstück besuchen wir schnell Fräulein Mai im Lehrerzimmer und machen uns dann auf den Weg nach Schikolingen?“, fasst Bodo meinen Vorschlag zusammen. Zustimmend nicke ich einmal. „Gut, dann esst ihr jetzt und ich hole euch von Direktor Lambert die Erlaubnis.“ Inge. Sie taucht so plötzlich hinter uns aus, dass ich vor Schreck einen kleinen Hüpfer mache. Natürlich hat sie unser Gespräch mitbekommen.
    Wir nicken zustimmend. Nach kurzer Zeit ist das Frühstück für die anderen Schüler fertig und wir verspeisen unseren eigenen Obstsalat, auf den Arbeitsplatten sitzend. Wir haben noch nicht einmal mehr die Hälfte gegessen, als die Hausmeisterin in die Küche zurückkehrt. Sie hält eine schriftliche Genehmigung in der Hand, die mir und Bodo erlaubt, heute das Schulgelände verlassen zu dürfen. Grinsend nehme ich sie entgegen. Schon jetzt freue ich mich auf meine kleine Schwester und ihren
    Gesichtsausdruck, wenn sie erfährt, dass ich sie besuchen komme.
    Noch bevor die ersten Schüler in die Kantine kommen, verlassen Bodo und ich die Küche. Rhythmia wird von Inge erfahren, wohin wir verschwunden sind. Ich weiß, dass sie sich ansonsten ihre eigene Geschichte zusammenreimen würde, und, um ehrlich zu sein, ist es mir so lieber.
    Als wir hinaus auf den Schulhof treten, spüre ich, wie kühl es doch ist. Es ist sehr frisch dafür, dass wir noch immer Sommer haben, doch im Osten, wo die Sonne bereits über dem Meer, kann ich sehen, wie die Sonne einen freundlichen, warmen Tag ankündigt. Wenn wir Glück haben können wir sogar noch zum Strand schwebt, auch, wenn das Meer wohl dank den verregneten letzten Tagen kaum warm genug sein wird, um darin schwimmen gehen zu können.
    Wir sind den ganzen Weg über, bis Brisenau, komplett alleine, selbst den Pokémon scheint es noch zu früh zu sein. Nichts regt sich, keine Menschenseele läuft uns über den Weg. Daher können wir ungestört unsere Konversationen führen und Witze reißen. Gerade Bodo fragt sich ständig, ob er jemals wieder lebendig zurückkehren wird. Er muss mich und Lucy wegen Lucys Streichen wirklich beim Wort genommen haben. Dass sie mir bereits in einem ihrer Briefe geschrieben hat, dass sie ihm mir zu liebe nichts antuen wird, verrate ich ihm vorerst nicht. Vielleicht hat es seine Vorteile, wenn er denkt, sie könne ihm etwas antuen.
    In Brisenau treffen wir nur auf Klein Hein, der eine Kanne in Richtung der Basis trägt. Offensichtlich versorgt er die Ranger mit frischer Milch. Jeder in Almia weiß von der Kuhmuhfarm von Klein Heins Familie und der Milchpudding seiner Frau, der
    Resoluten Ute, soll außergewöhnlich gut sein. Er ist voller Vitamine, da er Milch von glücklichen Kuhmuhs enthält, und perfekt für jedes Kind, das sich noch im Wachstum befindet. Aber auch Erwachsene greifen immer wieder gerne zu. Irgendwann werde auch ich die Chance beim Schopf ergreifen und mir einen Pudding besorgen. Vielleicht kann ich Lucy einmal anschaffen, mir einen zu bringen, falls ich nicht in die Brisenauer Basis versetzt werde.
    Der Weg von Brisenau nach Schikolingen erweckt viele Erinnerungen in mir. Zuerst kommt ein kleiner, aber dichter Wald, bei dem man auf dem dünnen Pfad bleiben muss, weil ansonsten die Zweige der vielen Nadelbäume nerven könnten. Auch
    verlaufen konnte man sich hier leicht. Trotz der Größe spielte die Dichte hierbei eine große Rolle. Man konnte kaum etwas erkennen, wenn man einmal vom Weg abgekommen ist. Das steht komplett im Gegenteil zu dem freien Feldweg, der danach folgt. Umgeben von Äckern mit Mais, Weizen und Rapsfeldern muss man höchstens Acht geben, dass einem nicht ausversehen ein Pokémon vor die Füße springt.
    Der Weg enthält nicht sonderlich viele Kurven und gerade gegen Ende wird er immer gerader, weshalb man schnell die ersten Häuser von Schikolingen erkennen kann. Es ist eines dieser gemütlichen Dörfer, bei denen die Gärten übergroß waren, gefüllt mit vielen Obstbäumen, Apfel, Pflaumen, Birnen und Kirschen, Sträuchern, die Pokémon einen Zufluchtsort im Sommer boten, und Hecken anstelle von Zäunen. Außerdem haben einige Häuser höhere Hausnummern als es tatsächlich Häuser in Schikolingen gibt.
    Man konnte nicht anzweifeln, dass es sich perfekt dafür eignete, um Kinder großzuziehen. Einen friedlicheren Ort konnte man wohl auf der ganzen Welt nicht finden. Kein Wunder also, dass sich meine Eltern damals entschieden haben, hierher zu ziehen. Ich hatte keine schlechten Erinnerungen, es war immer traumhaft. Die Nachbarn waren nett, die Umgebung zu allen
    Jahreszeiten schön.
    Das Haus hat sich, seit wir es verlassen haben, nicht sehr verändert. Offensichtlich hat sich die nette Dame von nebenan sehr gut um unseren Garten gekümmert, so dass Tante Ruth nicht viel neu anpflanzen musste. Ihre Rosen hat sie trotzdem an die Hauswand, rechts und links neben der Haustüre gesetzt und der Torbogen, der in den hinteren Teil des Gartens führt und der früher immer von Efeu umwuchert war, war nun beinahe komplett frei von dem dunkelgrünen Gewächs.
    Ich öffne vorsichtig das Gartentor und betrete den steinigen Weg, der direkt zur Haustüre führt. Bedächtig setze ich einen Fuß vor dem anderen. Endlich bin ich wieder hier, nach Jahren kehre ich nach Hause zurück. Dort, wo ich die ersten fünf Jahre meines Lebens verbracht habe. Die Kindheit, die ich gemeinsam mit meinen richtigen Eltern durchlebt habe, als glückliche Familie. Es schmerzt, nun genau zu wissen, dass diese Zeit nie mehr wieder kommen kann.
    Mein Blick gleitet über das Haus, strahlend weiß und von der Sonne beschienen. An einem der Fenster bleibe ich hängen. Soweit ich noch weiß ist was Lucys Zimmer. Sie hat es lieber, in der Früh direkt von der Sonne aufgeweckt zu werden, die Sonnenstrahlen im Gesicht. Deswegen steht ihr Bett dem Fenster gegenüber und nichts befindet sich dazwischen, so dass das Licht in der Früh ungehindert auf sie fallen kann. Die Vorhänge sind auch nun beiseitegeschoben. Ein Gesicht starrt ungläubig zwischen den hellgelbem Stoff zu beiden Seiten auf mich herab.
    Freudig winke ich meiner kleinen Schwester zu, die ihren Augen kaum Glauben schenken möchte. Einen Augenblick lang bleibt sie in ihrer Pose, bewegt sich kein Stück. Dann verschwindet ihr Kopf in dem Raum hinter dem Fenster und ich bin mir sicher, sie läuft gerade so schnell sie kann durch den Flur, dann die Treppen hinab, stürzt sich dort um die Kurve in einen
    weiteren Flur, von dort in den Windfang und reißt die Türe auf, noch bevor ich klingeln kann.
    „Kathrin!“, quietscht sie, sich auf mich stürzend und mich in eine Umarmung reißend. „Hey, Lu, damit hast du nicht gerechnet, was?“, lache ich und umarme sie fester. Sie hüpft ständig leicht auf und ab. Aus dem letzten Spalt schlüpft nun ein kleines, hellrotes Pokémon, dessen Schweif dunkelrot glänzte und dessen Fell schimmerte und leuchtete, als wäre es in
    Wahrheit ein loderndes Feuer. Hinter ihr fliegt die Türe schließlich ins Schloss. „Hallo, Lala“, begrüße ich das Vulpix. Ihre dunkelbraunen Augen gleiten ruhig über mich und Lucy, bevor sie zu Bodo wandern.
    „Vuuuu…“, grüßt sie melodisch zurück. Nun lockert Lu ihren Griff und ich trete einen Schritt zurück. „Gut, Zeit für das
    Förmliche. Schwesterherz, das ist Bodo. Bodo, das ist Lucy“, erkläre ich mit den typischen Armbewegungen zwischen den beiden. „Für einen kleinen Scherzteufel siehst du ähnlich unschuldig wie Kathrin aus. Wenn ich nicht wüsste, was du so
    anstellen kannst, dann würde ich es nicht für möglich halten“, lacht Bodo.
    Er hat Recht. Ihre taillenlangen, hellbraunen Haare umrahmen ihr engelsgleiches, leicht gebräuntes Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den hellblauen, sehr großen Augen. Selbst ihr Lächeln wirkte freundlich, hatte nichts von dem spitzbübischen, das sie ausstrahlte, wenn sie wieder einmal jemanden hereingelegt hatte.
    „Danke, ich sehe das als Kompliment“, erwiderte sie, bevor sie sich wieder an mich wendet, „Du hättest mir ruhig sagen
    können, dass du kommst. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass ihr kommt, noch bevor eure Abschlussprüfungen vorbei sind!“ „Aber wir haben erst heute Früh beschlossen, dass wir Zeit haben, zu kommen, deswegen hätte ich dich nicht vorwarnen
    können“, erkläre ich. Ruhig streicht Lala plötzlich um meine Beine, aber ich erschrecke trotzdem so sehr, dass ich einen Satz rückwärts auf einen kleinen, runden Stein mache.
    Mit den Armen wedelnd versuche ich, das Gleichgewicht zu halten, bis Bodo ein paar Schritte näher tritt und mich mit beiden Armen an der Taille fasst, um zu verhindern, dass ich falle. „Du bist schreckhaft wie eh und je, Schwesterherz“, seufzt Lucy, aber ich bemerke ihren Gesichtsausdruck. Etwas in ihren Augen und das Listige in ihrem Lächeln verraten mir, dass das nicht so zufällig passiert ist, wie man annehmen würde. So fängt es leicht mit den Verkupplungsplänen an, selbst mit kleinen Aktionen wie diese. Bodo merkt von alledem nichts, stattdessen stimmt er zu: „Wie immer halt.“
    Im nächsten Moment öffnet jemand die Haustüre erneut. Allerdings freue ich mich dieses Mal weniger über die Person, die zum Vorschein kommt. Seine Augen weiten sich zuerst, dann ziehen sich seine Augenbrauen zusammen. Er scheint sich nicht ganz sicher zu sein, ob er sich freuen soll oder eher ausrasten. Oder beides. Onkel Herbert ist dermaßen mich sich selbst im Konflikt, dass Lucy ungehindert an ihm vorbeischlüpfen kann.
    Morgen, Onkel Herbert“, sage ich, als er weiterhin nicht reagiert. Ein Klackern ertönt in dem Haus. Sicherlich ist das nicht Lucy. Natürlich kommt als nächstes meine Tante Ruth, die bei dem Anblick von mir und Bodo sofort erstarrt. Was ist nur los mit ihnen? So wie ich sie kenne müssten sie schon längt am Meckern sein. Warum sagen sie jetzt gar nichts? Langsam wird mir die Stille unangenehm.
    „Ihr entschuldigt uns…“, murmele ich, greife nach der Hand meines besten Freundes und schiebe mich an meinen Verwandten vorbei. Lucy wartet im Flur vor der Treppe auf uns. „Die zwei sind wohl völlig aus dem Häuschen, dass du da bist,
    Schwesterherz, dass sie vollkommen sprachlos sind.“ „Schön wär’s“, grummele ich, „Sie sind garantiert erneut einfach nur enttäuscht von mir, wie immer. Ich mache doch ohnehin alles falsch.“
    Ich pfeffere die Schuhe neben die Türe zum Windfang, bevor ich mich umschaue. Die Räume sind noch genau wie früher, auch, wenn sie anders dekoriert und gestaltet wurde. Die Küche befand sich links von mir, direkt im Anschluss durch eine Schiebetüre konnte man in das Esszimmer, oder, wie meine richtigen Eltern immer gesagt haben, Stube. Gerade aus kann man in das Wohnzimmer, rechts in das Büro meines Onkels und die Treppe hoch in den ersten Stock, oder runter in den Keller. Direkt neben dem Windfang liegt ein kleines Badezimmer mit einer Dusche und einer Toilette.
    Oben gab es nur vier Räume, mein Zimmer, das von Lucy, das von Tante Ruth und Onkel Herbert und ein weiteres Bad, diese Mal auch mit einer Badewanne. Lucy hat ihre Zimmertüre bereits mit einem großen Poster eines Vulpix zugeklebt, woran man erkennt, dass es ihres ist. An meinem hat sie ein Schild mit einem Evoli aufgehängt, genau wie früher. Vorsichtig drücke ich die Klinke nach unten. Kalte Luft schlägt mir entgegen, weil das Fenster weit offen steht.
    „Warum ist dieses Zimmer überhaupt eingerichtet, wenn ich sowieso kaum hier schlafen werde? Ich könnte genauso gut das Sofa im Wohnzimmer einnehmen“, denke ich laut. Es wirkt leer und kühl. Die Regale an der Wand sind leer, das Bett ist
    gemacht und bezogen mit einer eintönigen Farbe, der Schrank in der Ecke ist steht offen, aber es befinden sich keine
    Klamotten in ihm.
    Kathrin, Lucy! Kommt ihr bitte?!“, durchdringt die schellende Stimme meiner Tante das ganze Haus. „Anscheinend haben sie endlich die Sprache wiedergefunden“, stellt Lucy mit einem frechen kleinen Grinsen fest. Irgendetwas sagt mir, dass sie
    genauer darüber Bescheid weiß, warum sie vorhin nichts sagen konnten. „Soll ich mitkommen?“, fragt Bodo, „Mich hat man nicht gerufen.“ „Weil sie deinen Namen nicht wissen, können sie dich auch nicht rufen. Sicherlich wollen sie genauer wissen, wer du bist“, erklärt Lucy. Verwundert schaut ihr Bodo hinterher, als sie mein Raum hinterlässt.
    Unten in der Küche werden wir bereits erwartet. Auf dem Tisch stehen noch Teller, daneben Besteck, ein Körbchen mit
    Brötchen, dazu Marmelade, Nutella und Butter. Meine kleine Schwester steht bei der Kaffeemaschine und füllt gerade zwei Tassen mit warmer Milch. „Bodo, willst du auch was zum Trinken? Kakao? Wasser? Kaffee? Apfelschorle?“, bietet sie ihm an. „Ich nehme genau das, was du gerade machst“, antwortet er schnell. „Also Kakao.“
    „Kommt, setzt euch“, sagt Ruth schrill. Wild hasten ihre Augen zwischen mir und meinem besten Freund hin und her. Was ist nur mit ihr los? Normalerweise ist sie gar nicht so. Dadurch werde ich unsicher, und diese Unsicherheit überträgt sich
    automatisch auf meinen besten Freund. Sobald wir sitzen, stellt Lucy die dampfenden Tassen mit der heißen Schokolade vor unsere Nasen stellt.
    „Bedient euch“, bietet meine Tante sofort an. Sofort schüttele ich den Kopf. „Nein, wir haben schon in der Schule gefrühstückt, bevor wir gegangen sind“, erwidere ich, bevor ich einen Schluck nehme. Ruth mit gegenüber verschränkt die Arme vor der Brust und schlägt unter dem Tisch die Beine übereinander. Misstrauisch beäugt sie uns weiterhin, mit einer hochgezogenen
    Augenbraue. Das gibt mir das Gefühl, als wäre ich soeben verhaftet worden, sie wäre eine Polizistin und ich müsste ein
    Geständnis ablegen. Als hätte ich jemanden ermordet.
    „Was ist los?“, frage ich, „Da denkt man sich, man kommt euch besuchen, weil man einen freien Tag hat und ihr reagiert so?“ „Nun, wir denken nur, dass es… anständig gewesen wäre, anzukündigen, dass du bereits einen festen Freund hast, bevor du ihn uns vorstellst“, schaltet sich nun Onkel Herbert ein, der nur Bodo ausdrücklich mustert. Dass meine Wangen sich rot färben kann ich nicht verhindern. Wie hätte ich denn wissen sollen, dass sie so darüber denken?
    Wie? Nein! Das habt ihr falsch verstanden!“, wie eine Verrückte wedele ich mit den Armen, „Bodo ist nicht mein fester,
    sondern mein bester Freund. Da gibt es einen Unterschied. Und überhaupt bin ich davon ausgegangen, dass ihr von ihm wisst, weil Lucy von ihm weiß und ich dachte, dass sie euch schon längst von ihm erzählt hat.“ „So so…“, kommt von Ruth. Sie wirkt nicht wirklich überzeugt.
    Ich beobachte, wie Lala an meinem Stuhl vorbeigeht und sich neben Lucy hinlegt, bevor ich merke, dass sie gar nicht alleine ist. In ihrer Begleitung befindet sich ein kleines Evoli. Es sieht mich unsicher mit ihren dunklen Knopfaugen an. Als es auch Bodo neben mir bemerkt, scheint ihm ein Licht aufzugehen. Wie ein überspringender Funke löst es auch bei mir aus, dass ich mir sicher bin, zu wissen, was das für ein Evoli ist. Der kleine Fellball ist das Pokémon, das ich am Zephyrstrand während des 1-Tages-Praktikums eingefangen habe.
    Mit einem atemberaubenden Satz springt es auf die Rückenlehne von Onkel Herberts Stuhl, auf dem normalerweise ich sitze, und dann direkt in meine Arme. Es ist genauso weich wie ich es in Erinnerung habe, ein süßes, flaumiges Etwas, leicht und trotzdem elegant. Schlichtweg, es ist mein Lieblingspokémon, ich kann es nicht mit einem anderen vergleichen.
    „Ist das deines?“, höre ich die überraschte Stimme meiner Tante. Sie, Herbert und Bodo schauen mich alle drei leicht verwirrt an. „Naja, eigentlich bin ich mir da nicht so sicher“, lache ich, „Da ich noch kein Partner Pokémon als Ranger Schülerin haben darf… Genau, wie Urs gesagt hat, außerhalb der Schule kann sie bei mir sein, aber nicht, wenn ich in der Schule selbst bin, weißt du noch, Bodo?“ In seinen Augen sehe ich die Erkenntnis, als er sich erinnert. „Du meinst, das ist die kleine vom
    Praktikum?“, hakt er nach, woraufhin ich freudig nicke.
    „Und ihr seid euch ganz sicher, dass zwischen euch nicht mehr ist?!“ Onkel Herbert hat nun das Wort ergriffen. Er übernimmt in seiner Rolle als Erziehungsberechtigter eindeutig die Vaterrolle. Da er selbst keine eigenen Kinder hat, glaube ich, überträgt er diese Vaterreaktionen darauf, dass ich meinen ersten Freund haben könnte auf mich. Deshalb war er auch so schockiert, als er an der Haustüre gesehen hat, dass Bodo mir beide Arme um die Taille gelegt hatte und mir überhaupt extrem nahe war. Wie hätte er wissen sollen, dass das nicht Absicht gewesen ist? Dass ich nur beinahe ausgerutscht wäre und er mich aufgefangen hat?
    Anstelle von mir oder meinem besten Freund antwortet Lu: „Ihr könnt ihr ruhig glauben. Glaubt ihr, Bodo würde so ruhig sein, wenn er wüsste, er müsse sich als ihr fester Freund vorstellen? Denkt ihr nicht, die beiden würden sich dann ein wenig anderes verhalten, Händchen halten und so? Nur, weil sich die zwei nahe sind, hat das nicht gleich ‚mehr‘ zu bedeuten. Der andere ist ihnen nun einmal sehr wichtig.“
    In diesem Moment könnte ich sie knuddeln. Sie bleibt in Konversationen mit unseren Erziehungsberechtigten immer ruhig, im Gegensatz zu mir. Gerade bei diesem Thema, direkt neben Bodo, fällt es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren, nichts Falsches zu sagen. Tatsächlich ist mir direkt nach der Frage zuerst der Spagettikuss eingefallen. Wenn sie davon wüssten… Oder von dem Wochenende, nahe beieinander im Lager eingekuschelt, Schulter an Schulter, in Büchern vertieft.
    „Gut… Dann… Wie laufen die Abschlussprüfungen? Lucienne meinte, du wärest bald fertig“, ändert Ruth das Thema. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie mein bester Freund einen verwirrten Gesichtsausdruck bei dem vollständigen Namen meiner
    kleinen Schwester macht. In Wahrheit heißt sie gar nicht „Lucy“, selbst das ist bereits ein Spitzname, den sie bereits von
    unseren Eltern erhalten hat. Lucienne Rose steht offiziell in ihrer Geburtsurkunde, abgesehen von meiner Tante nennt sie
    niemand so.
    „Ja, das ist richtig. Morgen muss ich durch die letzte Prüfung in Pokémon fangen, aber davor habe ich keine Angst. Am schlimmsten waren ohnehin Mathe und Französisch, aber eigentlich glaube ich nicht, dass ich dort durchgefallen bin“, sage ich, während das kleine Evoli auf meinen Schoss klettert, um sich von dort aus von mir kraulen zu lassen. „Du hattest auf das
    Ranger Schule Französisch?“, hakt Ruth mit hochgezogenen Augenbrauen nach. „Vier Stunden die Woche, bei einer Lehrerin, die die Sprache liebt, als wäre es ihre Muttersprache, ja.“ Dass es eine Qual war, lasse ich besser weg.
    „Da fällt mir etwas ein“, ruft Lucy, „Schwesterherz, ich muss dir unbedingt etwas zeigen!“ Nach einem empörten Blick von meinen Erziehungsberechtigten in ihre Richtung, fügt sie schnell hinzu: „Wir sind zum Mittagessen wieder hier, versprochen! Also, Bodo, Kathrin, folgt mir!“ Vor der Haustüre angekommen, drücke ich sie sofort. „Danke“, flüstere ich ihr zu. Mehr brauche ich nicht zu sagen, sie weiß, was ich damit meine. Sie hat nicht nur schnell die Konversation zwischen unseren
    Erziehungsberechtigten abgebrochen, sondern mir währenddessen auch das eine Mal geholfen.
    Kein Problem, Kathrin, als Schwestern müssen wir doch zusammenhalten. In allen Situationen des Lebens“, winkt sie
    leichtfertig ab. Ich erwidere ihr kleines Lächeln. Ohne uns absprechen zu müssen, schaffen wir es, in Bodos Gegenwart so zu sprechen, dass er keinen Verdacht schöpft. Tatsächlich denkt er immer noch, dass wir über das Ablenkungsmanöver reden, wegen dem wir aus der Küche fliehen konnten.
    „Willst du uns nun wirklich etwas zeigen, oder war das nur eine Ausrede?“ „Keine Ausrede“, Lu schüttelt den Kopf, „Aber wir müssen ein Weilchen spazieren gehen. Folgt mir einfach.“ Und genau das machen wir dann auch. Zuerst hüpft sie munter durch den Garten, da wir das Haus durch die Terrassentüre auf der anderen Seite verlassen haben, aber eigentlich zurück auf die Hauptstraße von Schikolingen müssen. Überhaupt ist das Gartentor der einzige richtige Ausgang aus unseren Grundstück, mal abgesehen von einem kleinen Loch in der Hecke, das früher Lala einmal geschaffen hat. Nicht absichtlich, aber seither wissen wir wenigstens, dass man sie besser nicht erschrecken sollte, weil man ansonsten von einem Flammenwurf verkohlt werden könnte.
    Zurück auf der Straße wenden wir uns nicht in die Richtung, aus der wir gekommen sind, sondern genau in die andere. Da unser Haus am Rande von Schikolingen steht, brauchen wir nicht lange, um im Nachbarwald anzukommen. Dort führt ein mehr oder weniger ordentlicher Feldweg hindurch, bis zu dem hübschen kleinen Sandstrand, dem südlichsten Punkt in ganz Almia.
    Das scheint jedoch nicht das Ziel von Lucy zu sein, da wir nach nicht allzu langer Zeit im Wald den Weg bereits verlassen und auf einen fast unkenntlichen Trampelpfad wechseln.
    Die Bäume unterwegs stehen ziemlich nahe beieinander, weshalb wir nicht einmal mehr zu zweit nebeneinander gehen
    können, sondern nur als eine Reihe, mit Bodo als Schlusslicht. Oftmals kann man den Boden dank der vielen Blätter und
    Zweige gar nicht richtig erkennen. Während Lala neben meinem Schwesterherz rennt, trage ich mein kleines Evoli. Wohlig schnurrt es.
    Dann kann ich etwas erkennen. Nicht weit vor uns durchdringt unverkennbar mehr Sonnenlicht durch die Äste als sonst um uns herum. Ich gehe davon aus, dass dort vorne eine Lichtung ist, und dass genau das Ziel von unserem Spaziergang sein wird. Fast kreisrund ist die freie Fläche, mit hohem Gras, die wir betreten. Die Sonnenstrahlen erleuchten teilweise den Boden und brechen sich in den Tautropfen, am und auf dem hohen Gras, funkelnd wie viele kleine Diamanten, die durch bloße Berührung sich von den Halmen lösen würden. Das Blätterdach über der Lichtung lässt in der Mitte ein großes Loch.
    Kommt raus, ich muss euch jemanden vorstellen“, erschallt im nächsten Moment Lucys Stimme. An ihrem Tonfall und die Art, wie sie lauter gesprochen hat, merkt man, dass sie weder mit mir noch mit Bodo spricht. Ein Rascheln durchschneidet die Stille nach ihren Worten, das Grün vor uns teilt sich und gibt zwei Pokémon frei. Sie mussten sich dazwischen so geschickt versteckt haben, dass man nicht bemerkt hat, dass sie überhaupt da waren.
    Das eine hat wunderbar glänzendes, gelbes Fell, schimmernde neuen Schweife, die sanft hin und her wiegen, und glühende rote Augen. Wie jedes Vulnona wird es von einer mysteriösen, unnahbaren Aura umgeben. „Ihr Name ist Stephie“, erklärt Lucy, die meinem Blick gefolgt ist, „Und die Kleine neben ihr ist Saphira. Meine zwei neuen Pokémon.“ Saphira ist ein sehr kleines Absol, aber ihre Größe ändert nichts daran, dass ihre Klinge mindestens genauso scharf ist wie die ihrer Artgenossen. Auch der Edelstein auf ihrem Kopf funkelt mit ihren dunkelroten Augen um die Wette.
    „Sie sind beide wirklich schön…“, kommentiere ich. Langsam strecke ich einen Arm aus, um Saphira über den Kopf zu streicheln. Sie lässt es zufrieden über sich ergehen. Stephie stolziert mit hoch erhobenem Kopf um uns herum. Bei Bodo bleibt sie schließlich stehen, ihn mit ihrem Blick durchbohrend. Er reagiert nicht darauf, sondern schaut schlicht zurück. Es sieht so aus, als würden sie sich ein Blickduell liefern.
    „Steph, das ist Bodo, der beste Freund meiner Schwester Kathrin“, mischt sich Lucy nach kurzer Zeit des wortlosen Starrens ein, „Glaub mir, er ist ein guter Mensch.“ Das Vulnona knurrt etwas Unverständliches, doch sie entspannt ihre Muskeln wieder. Bodo beugt sich vor, um sie hinter den Ohren zu kraulen, während er sagt: „Außerdem will ich doch ein Ranger werden. Ich bin ein Freund der Pokémon, nicht ihr Feind.“
    „Warum sind die zwei überhaupt hier und nicht daheim, wie Lala?“, wende ich mich an Lu. „Weil sie zu groß wären für mein Zimmer“, seufzt sie, „Sie würden zu viel Platz einnehmen, ob nun im Haus oder im Garten, aber in ihre Pokébälle möchte ich sie auch nicht sperren. Du kennst mich, ich lasse meinen Pokémon die Freiheit. Es gefällt beiden hier, sie sind in der Natur, können trotzdem jederzeit zu mir, wenn sie wollen. Selbst, wenn ich trainieren will, kann sie unterwegs einfach mitnehmen. Apropos, soll ich euch den Ort zeigen, an dem ich trainiere?“
    Natürlich wollen wir das. Deshalb schlagen wir uns zurück auf den Feldweg im Wald und folgen diesem dann. Allerdings
    gehen wir nicht zurück nach Schikolingen, sondern in Richtung Meer. Das Rauschen verkündet schnell, dass es nicht mehr weit entfernt ist, und sobald wir auf den Strand treten, wird der Waldgeruch nach Laub und Erde gegen eine salzige Luft
    ausgetauscht. Die Sonne hat den Sand aufgewärmt, was ich feststelle, nachdem ich aus meinen Stiefeln geschlüpft bin und die Socken ausgezogen habe. Das Meer hingegen ist im Kontrast dazu wunderbar kühl. Ich stelle mich bis zu den Knien hinein. Die kurzen Hosen der Schuluniform machen mir das möglich, anderes als bei Bodo, der sich seine erst hochkrempeln muss.
    Das haben wir das letzte Mal in Sinnoh gemacht, weißt du noch?“, quieke ich meinem Schwesterherz zu und winke Bodo zu uns, der noch immer mit seinen Hosenbeinen beschäftigt ist. Saphira und Evoli tollen mit uns im Wasser, aber Lala und Stephie liegen lieber am Strand. Als Feuerpokémon ist der Kontakt mit allem, was sie nass machen kann, unerwünscht.
    „Was habt ihr in Sinnoh gemacht?“, ruft Bodo uns zu und beobachtet, wie mein kleines Evoli auf das Absol springt. Lucy lacht und antwortet: „Na, gewohnt, zwei Jahre lang! Wir waren nahe am Meer, deswegen sind wir oft schwimmen gegangen,
    gemeinsam mit Lucia. Sie hat im Nachbardorf gewohnt, kam aber oft zu uns. Bevor wir sie kennengelernt haben, haben wir zweieinhalb Jahre in Hoenn gewohnt und dort ihre beste Freundin Maike kennengelernt. Davor waren wir allerdings bei Tante Ruth in Kanto, in Azuria City um genau zu sein, genau neben der Arena von Misty und ihren Schwestern. Dadurch weißt du nun auch, wie wir die drei kennengelernt haben.“
    Mein bester Freund macht daraufhin große Augen. „Hört sich so an, als wärt ihr schon überall gewesen… Sinnoh, Kanto, Hoenn, Almia und Fiore. Was ist mit Johto?“, fragt er schließlich. Grinsend erkläre ich: „Dort wurde Lucy geboren. Als sie ein halbes Jahr alt war, sind wir zurück nach Almia, jedoch sind wir nicht lange geblieben. Dann mussten wir auch schon zu Tante Ruth und Onkel Herbert ziehen. Wir, das sind natürlich Kathrin, Lala und ich.“
    „Weil du ein Pokémon hattest und ich nicht“, murre ich. Nach meinem fünften Lebensjahr war Lucy tatsächlich die einzige im Haus, die ein Pokémon besaß. Sie hatte Lala bereits als Ei von Mama erhalten, daher war, und ist, es unmöglich, die beiden voneinander zu trennen. Wie gerne hätte ich zu der Zeit ein eigenes Evoli gehabt. Aber sie sind extrem selten, gerade in Almia gehören sie zu den kaum auftretenden Arten. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagt das kleine Evoli: „Aber nun hast du mich! Und glaube mir, ich bleibe bei dir! Mich wirst du so schnell nicht mehr los.“
    Sie springt auf meine Schulter, um ihre Wange an die meine zu reiben. „Dann habe ich wohl in dir mein zukünftiges Partner Pokémon gefunden?“ Ihr beruhigendes Schnurren beantwortet meine Frage..



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  • Kapitel 11: Die zweite Station
    (BVP)


    Gut, Schüler. Auf die Plätze. Fertig. LOS!“, ruft Fräulein Sandstuhl und gibt damit den Startschuss für die nächste Aufgabe. Um genau zu sein, ist das die zweite Aufgabe von vier in der letzten Abschlussprüfung. Sie ist bekannt als Station Nummer zwei, bestehend aus einem langen Tisch mit mehreren laminierten Blättern. Von diesen Papieren darf sich jedes Team eines
    nehmen. Das, was dort steht, muss man erfüllen.
    Kathrin und ich, wir gehören zu den ersten, die bei dem Tisch ankommen. Wir schnappen uns einen laminierten Bogen und lesen, was wir zu tun haben. Die erste Station haben wir bereits mit Bravur gemeistert. „Wir sollen im Fluss einige verschiedene, nur im Wasser lebende Pokémon einfangen…“, liest Kathrin halblaut vor. Sie zieht ungläubig eine Augenbraue hoch. „IM Fluss? Wie stellen die sich das vor? Haben die denn nicht die Strömung gesehen?!“ Sie schnappt sich einen Folienstift, schreibt unsere Teamnummer, vier, auf das Blatt und gibt es bei Fräulein Mai ab.
    Damit haben wir die Aufgabe offiziell angenommen. Ablehnen hätten wir ohnehin nicht können, aber es ist trotzdem wichtig, dass man notiert, was man machen muss, damit das auch die Lehrer im Nachhinein im Auge behalten können. „Wir finden schon eine Möglichkeit, das zu umgehen.“, erwidere ich, „Sie würden sicherlich nicht so eine Aufgabe stellen, wenn sie keinen Lösungsweg dafür hätten. Es ist, als würde ein Lehrer in einem Test eine Frage stellen, auf die er selbst keine Antwort weiß. Wäre ziemlich doof von ihm, oder?“
    Wir entfernen uns von dem Tisch, wie die übrigen Zweiergrüppchen. Jedes geht in eine andere Richtung, je nachdem, was sie machen müssen. Während wir versuchen, das Rätsel zu lösen, überqueren wir den Schulhof. „Ich würde vorschlagen, wir suchen uns ein Wasserpokémon, oder zwei, weil jeder von uns eines braucht, das stark genug ist, eine Person sicher über einen Fluss zu ziehen.“, sage ich, woraufhin Kathrin in die Hände klatscht: „Die Schillok! Am Meer! Wie gut, dass sich erst vor kurzem ein paar Schiggy entwickelt haben!“
    Anstatt den Weg in Richtung Schultor einzuschlagen, gehen wir nach links, hinab zum PdA. Vor dem Monument warten, wie bestellt, zwei Schillok, die sich mit Leichtigkeit einfangen lassen. Sie müssen perfekt dafür sein, uns durch den Fluss zu ziehen. Nach fünfzehn Minuten stehen wir neben der Holzbrücke, vor dem reißenden Wasser. Insgesamt haben wir für die zweite Station zweieinhalb Stunden Bearbeitungszeit. Danach müssen wir uns im Klassenzimmer versammeln und dürfen dort eine Mittagspause einlegen.
    Wenn ich nicht wüsste, dass ich nicht alleine mit Kathrin bin, sondern wir Schillok bei uns haben, hätte ich mehr Respekt vor dem, was ich gleich machen muss. Nachdem wir unsere Schuhe, Socken und unsere Jacken ausgezogen und einfach am steinigen Ufer haben liegen lassen, waten wir vorsichtig in das frische Nass. Die Kälte löst eine Gänsehaut bei mir aus. Obwohl die Sonne scheint, weht ein starker Wind, wodurch die Wärme der Sonnenstrahlen nicht wirklich eine Chance hat.
    Als wir ungefähr hüfthoch im Wasser stehen, beschließen wir, uns endlich an die Schilde unserer Pokémon Freunde zu hängen und uns wirklich in die Fluten zu schmeißen. Da wir als Schüler noch keine Mikroaqualunge besitzen, dauern unsere Tauchgänge nie sonderlich lange. Dennoch schaffen wir es schnell, mehrere Wasserpokémon zu finden und zu Pokémon Freunden zu machen. Dabei überprüfen wir regelmäßig die Uhr auf unseren FangKoms. Zu spät kommen wird mit Punktabzug bestraft!
    Jeder hat seine Zeit, die er einhalten muss. In den schriftlichen Prüfungen kann man auch nicht überziehen, also soll das bei dieser praktischen nicht anders sein. Keine halbe Stunde später haben wir bereits sechs Pokémon, die uns geduldig
    hinterherschwimmen, ein Finneon, ein Lumineon, ein Golking, ein Tentacha, ein Kanivanha und selbst ein Karpador, das wir erst gerade eben entdeckt haben.
    Nachdem wir es erfolgreich eingefangen haben, gehen wir zum Luft holen an die Oberfläche. Bereits als mein Kopf aus dem Wasser hervorkommt, merke ich, dass sich etwas verändert hat. Irgendetwas liegt eindeutig in der Luft. Die Sonne ist hinter einer dicken, grauen Wolke verschwunden, der Wind zischt unheilverkündend um uns herum. Ein hoher Ton erreicht meine Ohren. Er kommt von weit her und ist daher so leise, dass Kathrin ihn nicht vernehmen kann.
    Stattdessen lächelt sie unbeirrt weiter. Ihr gefällt der Erfolg, den wir bei dieser Abschlussprüfung bisher gehabt haben. Ohne Komplikationen bei der ersten Station die komplette Punktezahl zu erreichen, und auch bei der zweiten, jetzt, so gut
    voranzukommen. Ihr Pony klebt an ihrer Stirn, hängt ihr beinahe bis über die Augen. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Deine Haare sehen echt lustig aus, wenn sie nass sind.“, kommentiere ich grinsend. Sie verzieht ihr Gesicht zu einer Schnute und schielt ein wenig, als sie nach oben zu ihren Haaren blickt.
    Im nächsten Moment verschwindet das seltsame Pfeifen, hinterlässt allerdings ein eingebildetes Echo. Das klingt anders, verzerrt und kreischend. Trotzdem versuche ich, mir nicht anmerken zu lassen, was ich gehört habe. Das ist nicht schwer, denn im nächsten Moment wird das Geräusch, das ich für ein Echo gehalten habe, so laut, dass auch Kathrin es hören kann. Ein lautes, wütendes Gebrüll hallt um uns herum. Es wird von den Bäumen an beiden Seiten des Flusses zurückgeworfen, weshalb ich den Ursprung nicht ausmachen kann.
    Bei meinen prüfenden Blicken an die Ufer fällt mir auf, dass das Wasser von Mal zu Mal weiter über die Steine am Rande schwappt und auch, dass regelmäßig Wellen gegen meinen Rücken klatschen. Ich fahre herum und klammere mich automatisch fester an den Panzer meines Schilloks. Kathrin hinter mir schnappt hörbar nach Luft. Ein riesiges Garados. Noch nie in meinem Leben habe ich ein Pokémon derartig verstört, aufgebracht und unkontrolliert gesehen wie dieses.
    Die Augen sind schmerzverzerrt zusammengekniffen, das Maul mit den spitzen, langen Zähnen so weit geöffnet, dass es wirkt, als könnte es Kathrin und mich mit einem Bissen verschlingen. Hoch über dem Fluss aufbäumend, wirkt es besonders furchteinflößend. Hinter ihm ziehen Wolken schnell über den Himmel. Dadurch, dass die Sonne immer noch nicht aufgetaucht ist, macht die ganze Szene einen düsteren Eindruck auf mich.
    „Weg hier!“, zische ich meiner besten Freundin zu. Ihre Augen sind weit aufgerissen und blicken fassungslos das blaue Ungetüm an, das sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit auf uns zubewegt. „Los!“, schreie ich sie an, da sie sich um keinen Zentimeter rührt. Wenn wir nicht sofort von hier verschwinden… Ich will gar nicht wissen, was dann mit uns passieren könnte. So wie die Strömung neben und hinter dem Garados aussieht, ist das alles andere als ungefährlich.
    Um sich wieder zu fassen, schüttelt sie den Kopf. Mein Schillok schwimmt, wie befohlen, sofort auf das Ufer zu, auch Kathrin lässt sich von ihrem ziehen. Ein leichter Sog entsteht bereits, verlangsamt uns, aber ich halte trotzdem durch, bis ich wieder den kiesigen Boden unter meinen Füßen spüre. Triefend drehe ich mich zu meiner besten Freundin um.
    Ihr Schillok kämpft mit allen Mitteln gegen die Strömung, die beide immer weiter zurückzieht. Die Welle, die sie schließlich tatsächlich zurückreißt, sehe ich nicht kommen. Zu allem Überfluss rutschen Kathrins Finger auch noch von dem glitschigen Panzer ihres Schilloks. Die Strömung schwemmt sie, gegen ihren Willen, zurück zur Mitte des Flusses, viel näher an das
    Garados heran, dass uns nun fast erreicht hat.
    Ihr Schreckensschrei wird erstickt, als sie sich nicht mehr über Wasser halten kann. Der Anblick, wie sie in dem grauen Nass verschwindet, schockt mich mehr als das Auftauchen des zornigen Pokémon. Das Adrenalin strömt mir durch den Körper, sorgt dafür, dass mein Kopf wieder klar wird. Anstelle darüber nachzudenken, was ich machen muss, reagiere ich. In
    Sekundenschnelle befehle ich dem zuvor gefangenen Golking, zu mir zu schwimmen, klammere mich dann daran fest, hole Luft und tauche abwärts.
    Golking ist unter Wasser um einiges agiler als ein Schillok. Es ist schneller und hat mehr Kraft, und genau das brauche ich in dieser Situation. Kathrin treibt wehrlos am Grund des Flusses umher. Sie schafft es nicht, an die Oberfläche zu gelangen, weil sie immer und immer wieder nach unten gedrückt wird. Als würde das noch nicht reichen, wird sie außerdem ständig hin und her geschleudert. Ich kann kaum hinschauen, als sie gegen einen Stein gedrückt wird und ihr die Luft in großen Blasen aus ihrer Lunge heraussteigt.
    Das Golking kämpft sich weiterhin in ihre Richtung, aber es dauert lange, viel länger, als ich erwartet hätte. Als ich bei dem leblosen Körper ankomme, kann ich nur hoffe, dass noch nicht allzu viel Zeit vergangen ist. Ich beauftrage das Golking und das Lumineon, sie unverzüglich an die Luft zu bringen, damit ich den restlichen Sauerstoff in meiner Lunge ausnutze, um unter Wasser das Garados einzufangen. Kathrins Augen sind geschlossen, als ich ihr kurz nachblicke.
    Mir wird bereits schwindelig, als der Kreisel ein letztes Mal um das riesige Ungetüm saust, es erhellt und der Fangversuch abgeschlossen ist. Dagegen ankämpfend, die Luft nicht entweichen zu lassen, nutze ich das sich nun beruhigende Wasser dazu, mich nach oben zu kämpfen. Alles verschwimmt vor meinen Augen und meine Lunge scheint sich zusammenzuziehen, da ich ihr keine neue Luft gebe.
    Etwas glattes, Riesiges berührt mich und drückt mich nach oben zur Oberfläche. Nur allzu gerne sauge ich den Sauerstoff ein, als ich endlich die Möglichkeit dazu bekomme. Mich weiterhin an dem festhaltend, was mich inzwischen komplett aus dem Wasser gezogen hat, stelle ich fest, dass es das Garados ist. Sofort suche ich nach Kathrin. Sie hängt immer noch zwischen Golking und Lumineon nicht weit von mir entfernt, aber sie bewegt sich und scheint bei Bewusstsein zu sein.
    Als wäre es in der Lage, meine Gedanken zu lesen, reagiert das übergroße Schlangenpokémon genauso, wie ich es ihm ohnehin befohlen hätte. Es zieht mich hinüber zu meiner besten Freundin, damit ich, kaum, dass ich bei ihr bin, einen Arm um ihre Taille schlingen und sie ebenfalls aus dem Nass ziehen kann. Unverzüglich werden wir von dem Garados an das steinige, nur sehr spärlich mit Gras bewachsene Ufer gebracht. Vorsichtig setzt es uns auf dem Land ab.
    Kathrin hustet und sinkt sofort auf die Knie. „Hey“, ich setze mich neben sie, ziehe sie an mich, da sie vor Kälte zittert, „Geht’s dir gut? Tut dir irgendetwas weh?“ Ein eiskalter Windstoß zischt um uns herum, bringt uns beide zum Bibbern. Obwohl es Sommer ist, die Temperatur scheint seit dem Verschwinden der Sonne hinter dem Wolken stark gefallen zu sein. Da ist es ein anderes Gefühl, in komplett durchnässten Klamotten an einem nicht windgeschützten Ort zu sitzen.
    Die Zähne meiner besten Freundin klackern. Ihre Augen sind halb geschlossen, ihr Mund steht leicht offen. Noch nie habe ich sie so müde und fertig gesehen wie jetzt. Da wirkt sie viel zerbrechlicher als ohnehin schon. Mit einem kurzen Blick von unten schaut sie mich an und danach kann ich nicht anders, als sie näher an mich heranzuziehen. Neben der Kälte um uns herum ist ihre Körperwärme neben mir beruhigend und angenehm.
    „Danke.“, haucht sie mit einem deutlich hörbaren Kratzen. Das Wort geht beinahe in knirschenden Schritten unter. Ich hebe meinen Kopf ein wenig, nachdem ich Kathrin einen weiteren Arm umgelegt habe, um zu überprüfen, wer sich uns nähert. Es überrascht mich leicht, zu sehen, dass Urs von Eleonora begleitet wird. Warum ist eine Mechanikerin bei den Abschlussprüfungen der Ranger dabei?
    „Bodo, Kathrin! Ist bei euch alles in Ordnung?“, schallt Urs kräftige Stimme zu uns herüber. „Nur ein bisschen kalt“, antworte ich schlotternd. „Ihr müsst sofort in die Schule, ansonsten holt ihr euch hier noch den sicheren Tod!“, befiehlt Urs, „Solana ist bereits losgerannt, um eurer Klassenleitung, Fräulein Mai, Bescheid zu geben. Ganz bestimmt war diese Situation mit dem Garados nicht eingeplant. Das kann unmöglich ein Überraschungsteil eurer Abschlussprüfung gewesen sein, das wäre selbst für Ranger mit langjähriger Erfahrung extrem gefährlich gewesen!“
    Er hilft erst Kathrin, dann mir auf die Beine, um uns zum Schulhaus zu scheuchen. Bei dem Schultor treffen wir eine vollkommen aufgelöste Fräulein Mai. Die Nachricht der blauhaarigen Frau, die neben ihr steht und offensichtlich Solana ist, muss sie wirklich schockiert haben.
    Oh Gott“, stößt sie aus, als sie uns sieht, „Los, ihr geht sofort zu Inge. Sie müsste in der Küche mit dem Mittagessen beschäftigt sein. Sagt ihr, sie soll euch etwas Warmes zu trinken machen, eine heiße Schokolade oder vielleicht einen Tee, und euch ein paar Decken und Handtücher bringen. Eine Heizung wäre garantiert auch keine schlechte Idee… Ach, was wird der Direktor nur dazu sagen! Das hätte nicht passieren dürfen… Dabei hatten wir extra jemanden aus dem Kollegium beauftragt, der überprüfen sollte, ob gefährliche Pokémon da sind!“
    „Beruhigen Sie sich doch!“, versuchte Urs, die hysterische Lehrerin zu besänftigen, „Den zweien geht es gut, glauben sie mir, sie müssen nur endlich rein und brauchen ein wenig Ruhe! Bodo hat die Situation wirklich perfekt gemeistert, er hat richtig gehandelt und alles ist gut verlaufen.“ „Stimmt, er war sogar schneller als Urs.“, fügt Eleonora beschwichtigend hinzu. Fräulein Mai sieht meine beste Freundin, der ich vorsorglich einen Arm um die Taille gelegt habe, und mich unsicher an.
    Kathrins Körper zittert wie wahnsinnig. Es tut mir im Herzen weh, sie so leiden zu sehen, daher mache ich mich mit ihr an meiner Seite auf zum Haupteingang der Schule. Erleichtert seufze ich auf, als die von Heizungen erhitzte Luft uns
    entgegenschlägt, nachdem wir die Türe aufgemacht haben. Auf meiner eiskalten, noch nassen Haut fühlt es sich stechend und doch angenehm an. Oben in der Küche ist es kühler, weil die Speisekammer offen steht und es ihn ihr allgemein nicht warm sein darf.
    „Inge?“, rufe ich nach der Hausmeisterin, die momentan den Kühlschrank durchsucht. „Bodo? Was machst du… Oh mein Gott!“, jetzt hat sie den kleinen Nebenraum verlassen und uns gesehen, „Was ist passiert?“ Ich erkläre in knappen Sätzen von dem Vorfall während der Prüfung. Kathrin wirkt viel zu erschöpft um auch nur den Mund für ein einziges Wort zu öffnen.
    „Fräulein Mai hat gesagt, wir sollen uns hier in Heizdecken einmummeln und Tee trinken“, ende ich.
    Statt uns jedoch zu unserem Lager zu lassen, scheucht uns die Hausmeisterin zuerst aus der Küche. „Aber erst müsst ihr beide aus euren nassen Klamotten raus und etwas Frisches anziehen“, erklärt sie, „Ansonsten bringen euch alle der Decken der Welt nichts!“
    Fünfzehn Minuten später erst dürfen wir in unser Lager am anderen der Küche einkuscheln. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so sehr darauf gefreut. Neben Kathrin, mit weichen Kissen an meinen Rücken, und aneinandergeschmiegt. Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können. Inge reicht uns zwei Tassen heißen Kakao mit Strohhalmen, die wir dankend annehmen.
    Danach geht sie zur Türe, in dessen Rahmen eine noch immer besorgte Fräulein Mai steht. Es ist ungewohnt, sie dermaßen angespannt zu erleben. Normalerweise ist sie entweder gut gelaunt oder wütend, aber selten betroffen. Trotzdem wird dadurch wenigstens deutlich, dass sie sich um uns Schüler sorgt. Die zwei Frauen unterhalten sich leise miteinander. Ich wäre in der Lage zu lauschen, blende das Gespräch aber lieber aus.
    Mein Kopf ruht auf dem von Kathrin, der halb in ein Handtuch eingewickelt ist. Darin trocknen ihre Haare. Nur eine einzelne, lockige Strähne ist entwischt. „Wir hatten echt Pech bei der Station, oder?“, flüstert Kathrin. Das ist wohl das erste, was sie seit dem „Danke“ am Flussufer sagt. Ich antworte mit einem unbestimmten „Mhh…“. Wenn ich an das Gespräch denke, dass ich gehört habe, bevor das Garados derartig rasend auf uns zukam, dann regen sich Zweifel in mir. Irgendwer oder irgendwas hat seine Späße an dem unschuldigen Pokémon getrieben.
    Da Kathrin davon allerdings nichts mitbekommen hat, erwähne ich lieber nichts davon. Zum Glück muss ich auch gar nichts mehr dazu sagen, da im nächsten Moment unsere Klassenleitung beschließt, mit uns zu reden. „Wie gut, dass euch nichts Schlimmeres passiert ist… Eure Pokémon, die ihr an der Station eingefangen habt, um die kümmert sich momentan Solana. Abgesehen davon habt ihr beide aus der Situation wirklich das Beste gemacht, sie wird allerdings nichts mit der Station zu tun haben. Wir können euch absolut nicht dafür verantwortlich machen, also macht euch keine Sorgen darum. Ihr dürft hier bleiben, bis das Mittagessen vorbei ist, um euch auszuruhen. Danach trefft ihr euch mit den anderen wie geplant im Klassenzimmer. Ich glaube kaum, dass gerade ihr zwei die Prüfung ausfallen lassen werdet, richtig?“
    „Richtig, wir sind ja schon zur Hälfte fertig!“, brummele ich zustimmend. Kathrin wendet ebenfalls nichts ein. Sie ist genauso entschlossen wie ich. Außerdem würden wir dann erst später Ranger werden können, wenn wir jetzt aufhören. Die besten Plätze bei den besten Basen wären dann bereits vergeben. Trotzdem sorgenvoll den Kopf schüttelnd, verlässt Fräulein Mai uns nun. Ein leises Schlürfen erklingt, als Kathrin den letzten Rest ihrer heißen Schokolade durch den Strohhalm zieht. Sie stellt die leere Tasse auf das Regal neben sich selbst ab.
    „Gut, dass dieser Unfall nicht in die Bewertung mit hineinfließt.“, murmelt sie, ihren Arm unter die warme Decke ziehend, „Du hast zwar perfekt reagiert, aber ich habe absolut versagt. Ohne dich wäre ich wohl nicht mehr hier…“ Sanft drücke ich sie an mich. „“Daran denkst du besser erst gar nicht. Es ist passiert, was passiert ist und das, was vermieden wurde, wurde
    vermieden. Es wäre sinnlos, noch einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, weil es nur ein dämlicher Zufall war.“, versuche ich, sie aufzumuntern. Daraufhin ist sie still.
    Offensichtlich denkt sie nach, denn ihr Blick in Richtung Türe ist leer, als würde sie dort zwar hinschauen, aber doch nichts sehen. Inzwischen ist auch Solana zu Inge und unserer Klassenleitung hinzugestoßen. Ihre dunkelroten Augen ruhen auf uns. Für eine Rangerin wirkt sie ungemein streng und abweisend. Erst, als sie nach einigen Worten von Inge lächelt, wirkt sie weniger angespannt und freundlicher. Urs dröhnendes Lachen schallt kurz darauf durch den Flur und er erscheint neben der Blauhaarigen.
    „Hoffentlich wird niemand bei mir daheim anrufen. Das wird Ruth und Herbert in ihrer Meinung, dass das Ranger sein viel zu gefährlich für mich ist, ich nicht auf mich selbst aufpassen kann und ich deshalb lieber einen anderen Beruf erlernen sollte, nur bestärken. Außerdem werden sich Lucy und Sany sorgen, ob es mir wirklich gut geht.“ Zuerst stutze ich bei dem Namen „Sany“, aber schnell schaltet mein Gehirn. Nach dem 1-Tages-Praktikum hat Kathrin das kleine Evoli als ihr zukünftiges Partner Pokémon eigentlich schon so gut wie sicher gehabt.
    Bei dem Besuch gestern haben die beide es dann offiziell gemacht. Das kleine Katzenpokémon scheint intuitiv gespürt zu haben, dass sie bei Lala an ihr Ziel, Kathrin, kommt, und sie hatte Recht. Durch das Vulpix hat sie sie gestern erneut getroffen und auf dem Weg zurück zur Schule haben sie ausgemacht, dass Sany, so ihr neuer Spitzname, nach dem Abschluss Kathrin auf ihrem Weg als Ranger begleiten wird. Momentan lebt sie bei Lucy, bis meine beste Freundin und ich endlich die Schule hinter uns lassen können.
    „Aber sie werden, wenn überhaupt, darüber informiert, dass dir nichts passiert ist.“, bemerke ich. Mein beste Freundin seufzt: „Bei Lucy weiß ich bereits, dass sie viel mehr Fantasie hat, als gut für sie ist, deswegen klappen ihre Streiche auch immer ausgezeichnet. Sie mixt ihre Fantasie mit der Theorie und macht daraus die immer funktionierende Praxis. Stell mir mal vor, Sany hört total übertrieben von ihr, wie die Situation verlaufen ist. Ich wette, dann ist sie in weniger als einer Stunde hier.
    Hoffen wir einfach mal, dass Direktor Lambert es für sich behält. Vorerst jedenfalls.“
    Die ganze Stunde, die wir noch haben, bis das Mittagessen für die Ranger beginnt, verbringen wir halb schlafend. Unsere Gespräche sind demnach etwas lahm, weil wir ständig vergessen, worüber wir gerade reden oder weg dösen. Bis wir uns endlich aufraffen, weil uns beiden der Magen knurrt. Sie meckern uns auch dann noch an, als wir unsere Schinkennudeln
    zubereiten.
    Das macht uns wacher. Nachdem wir auf den Arbeitsplatten, nicht im, noch immer warmen, Lager, unser Essen verschlungen haben, sind wir auch wieder soweit wach, dass wir uns gemütlich zum Klassenzimmer aufmachen können. Zu der Zeit sitzen die Ranger bereits in der Kantine und schlagen sich den Bauch voll. Die zukünftigen Mechaniker machen draußen bei dem schönen Wetter ein Picknick, die Techniker haben noch Prüfung. Die kommen erst dann, wenn wir bereits die Aufgabenstellung für die dritte Station erhalten.
    Das Klassenzimmer ist leer, als wir ankommen. Wir setzen uns vorne auf unseren Tisch, um geduldig darauf zu warten, dass die anderen langsam eintrudeln. Die, die schneller essen, zuerst, die, die sich Zeit lassen, ganz zum Schluss. Bis Fräulein Mai kommt, sind alle anwesend. Sie schließt die Türe hinter sich, holt mehrere laminierte Papiere aus ihrer Tasche und ruft: „Bereit für eure nächste Aufgabe?“ Unsere Antwort ist, trotz dem Fehlen der Mechaniker und Techniker, mindestens genauso laut, als wären wir tatsächlich vier Klassen. „JAA!“



    Suche Ditto-Safari :3 Eigener Safarityp: Gestein!


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  • [font='Lucida Sans, Monaco, Geneva, sans-serif'][align=justify][tabmenu][tab=^^]Guten Morgen. ^^
    Wie versprochen - hier kommt nun das Kommi, das ich dir versprochen habe. Es bewertet nur Kap 11, wie sollte es auch anders sein?[tab=Fehler - Kap 11]Vorweg eine kleine Erklärung meiner Markierungen:
    Grün - verbesserte Fehler (Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung)
    Rot - zu streichende Wörter, Satzzeichen
    Blau - Stilistisches
    Blau kursiv - meine Anmerkungen


    "Gut, Schüler, auf die Plätze, fertig, los!", ruft Fräulein Sandstuhl und gibt damit den Startschuss für eine der Stationen der letzten Abschlussprüfung in Pokémonfangen. Wörter schreibt man in Fließtexten nie, ich betone, nie in Caps. Meinetwegen verwende kursive Formatierung, aber bitte nie Wörter komplett groß schreiben. Wir sind Autoren, wir können uns ausdrücken.
    Kathrin und ich schnappen uns als eine der Ersten ein laminiertes Papier, auf dem oben steht, was wir bei dieser Station machen müssen.
    Zu zweit stehen wir vor dem reißenden Fluss, aus dem wir in den zweieinhalb Stunden viele, nur im Wasser lebende Pokémon fangen sollen.
    Viele Schüler haben beim Fangen der Stärkeren zwar Probleme, aber Kathrin und ich haben es auf Anhieb geschafft.
    So laufen wir nochmal zurück zum Schulgelände, um genauer zu sein, bis zum PdA und halten nach unserer "Beute" Ausschau. Einfache Anführungszeichen werden nur innerhalb von doppelten Anführungszeichen verwendet - ansonsten verwendet man immer doppelte.
    Inzwischen sind fünfzehn Minuten vergangen. Zwar muss man nur Zahlen bis 12 in Fließtexten ausschreiben, es macht sich aber besser, wenn man auch höhrere Zahlen ausschreibt.
    Wir kämpfen gerade mit einem Golking.
    "Yeah, ich hab es!", juble ich gedanklich und deute Kathrin an, wieder aufzutauchen.
    Ihr Pony und ihre vorderen Strähnchen kleben an ihrem Gesicht, bzw. teilweise schon am Hals, aber am lustigsten sehen dennoch ihre Zöpfe aus, die am Kopf kleben. Generell werden solche Abkürzungen in Fließtexten nicht verwendet - entweder ausschreiben, weglassen oder Synonyme finden.
    (...) reißt sie zurück zur Mitte und zu allem Überfluss gleiten ihre Finger kurz danach von dem Panzer ihres Schilloks, sodass sie unter Wasser/die Wasseroberfläche gezogen wird.
    Also befehle ich meinem vorhin gefangenen Golking zu mir zu kommen, da es schneller ist als Schillok.
    Wer weiß, wie stark die von Garados verursachte Strömung ist, aber garantiert stark genug, (...)
    Mein Golking versucht so schnell wie möglich, durch die Strömungen zu gelangen, aber es will nicht so ganz klappen.
    Ich befehle dem Goldini und dem Schillok, die ohne Gewicht schneller sind, sich zu ihr durchzuschlagen und sie nach oben zu ziehen, während ich mir vornehme, das völlig durchdrehende, riesige Pokémon zu fangen.
    (...) ziehe die Kreise und lasse mich währenddessen von Golking zu Kathrin ziehen, da es langsam einfacher wird.
    (...) umfasse ihre Taille und lasse uns zu zweit von Garados an die Oberfläche hochziehen.
    Kaum dass ich oben endlich Luft holen kann, meine ich zu dem großen Pokémon: (...)
    (...) sehe ich am Ufer drei fassungslose Personen stehen, allerdings realisiere ich nicht, um wen es sich handelt, obwohl mir zwei bekannt vorkommen müssten.
    Solana ist schon extra los gerannt, um Fräulein Mai Bescheid zu geben.
    Zusammen mit der zitternden Kathrin versuche ich, aufzustehen, und als wir dann stehen, (...)
    So hieven wir uns dann in Richtung Schulhaus bzw. erst mal auf das Schultor zu.
    (..) läuft uns Fräulein Mai in Begleitung einer blauhaarigen Frau in einer Ranger-Uniform entgegen.
    (...) doch unsere völlig aufgelöste Lehrerin kann ihren Satz nicht zu Ende bringen, denn Urs unterbricht sie: (...)
    Eine Viertelstunde später sitzen Kathrin und ich in frischen Klamotten in unserem Lager in der Küche, jeder eine Tasse Kakao zum Aufwärmen in der Hand und Fräulein Mai und Inge, die uns misstrauisch und besorgt beäugen, (...)
    (...) als meine beste Freundin das letzte Bisschen aus ihrer Tasse durch den Strohhalm zieht, doch keiner sagt etwas dazu.
    Fräulein Mai kniet sich vor uns hin und schaut uns immer noch besorgt an.
    Wie gut, dass nichts richtig Schlimmes passiert ist...
    Außerdem versuche ich, dem leisen Gespräch zwischen unserer Hausmeisterin, Klassenleiterin, den zwei Rangern und der Mechanikerin zu lauschen, (...)
    Somit sind wir nun alleine in der Küche und ich höre ein leises, unerwartetes Geräusch.
    Aber mir ist nach diesem Unglück einfach nach Lachen zumute, das heitert ein bisschen die miese Stimmung, (...)
    "Ihr zwei kommt zurecht?", ruft uns Fräulein Mai zu, woraufhin ich zustimmend nicke.
    Simsen wir doch mit Lucy? Steht grausamerweise im Duden, ist aber in meinen Augen immer noch Umgangssprache. Besser wäre "Schreiben wir doch Lucy eine SMS."
    (...) ruft die Stimme von ihrer kleinen Schwester, weil meine beste Freundin sofort auf Lautsprecher gestellt hat. Mach dir nichts draus... den Satz sagen sogar Deutschlehrer falsch.
    Ohne zu überlegen, einfach nur um den Spagetti zu entkommen, stimme ich zu, bleibe aber sitzen.
    "Ähm, Inge, mach dir nicht die Mühe, ich mache...", doch die Köchin lässt mich nicht ausreden und quatscht dazwischen: (...)
    Ups, keine Zeit mehr, es gibt Spagetti!
    (...) teilt sie es in zwei gleich große Portionen auf zwei Teller auf und gibt uns beide, damit wir endlich essen können.
    Danach macht sie sich an die Arbeit, das Mittagessen für die "Techniker" zu machen, die als einzige in der Schule essen werden.
    Ich habe außerdem von ihr und Fräulein Mai nur knapp gehört, was passiert ist, (...)
    Die "Mechaniker" machen draußen ein Picknick und die jeweiligen Zweiergruppen der zukünftigen Ranger verspeisen ebenfalls draußen von den Lehrern erhaltene Sandwiches und trinken aus mitgebrachten Flaschen.
    Mit einem Teller Kaiserschmarrn mit Apfelmus setzt sie sich auf den Boden vor uns, jedoch lässt sie uns nicht losreden, (...)
    Das hört sich ganz schön so an, als hätte ich irgendetwas Besonderes getan... Viel zu Besonderes...
    Tja, es ist aber in gewisser Weise so...
    Ungläubig mustert Blondi sie, sagt aber, was doch bei ihr ziemlich ungewöhnlich ist, nichts mehr zu diesem Thema.
    Im Normalfall hält sie so lang wie möglich an einem einzigen Thema fest, so lange, bis sie denkt, jetzt alles darüber zu wissen.
    Ich muss... jetzt zurück zur Prüfung...
    Nach einen testenden Blick auf meine Uhr stelle ich fest, dass es tatsächlich Zeit ist, loszugehen, um zu schauen, (...)
    Wir gehören zu den Ersten, da wir ja doch noch ein wenig zu früh los sind, aber zum Glück scheint keiner der restlichen Schüler aus unserer Klasse bisher erfahren zu haben, (...)
    (...) auch wenn es wahrscheinlich spät abends sein wird, weil dann erst "Ranger" und "Mechaniker" zurückkommen.
    Als Primo zusammen mit Martin, einem Klassenkameraden und seinem Partner für die Abschlussprüfung, (...)
    (...) murmele ich ihm zu, weil es jetzt trotzdem nicht so viele wissen sollten.
    Kathrin nickt nur kurz, dann betritt auch schon Fräulein Mai in Begleitung von Fräulein Sandstuhl unser Klassenzimmer.
    "Ja!", antworten wir, dennoch mindestens genauso stark als wären wir alle.[tab=Kritik - Kap 11]Ja, über die Absätze hab ich dich ja schon aufgeklärt... Es ist einfach wirklich anstrengend, einen solchen langen Textblock zu lesen, vor allem, wenn er auch im Blocksatz formiert ist. Nicht, dass ich etwas gegen Blocksatz hätte, im Gegenteil - aber wenn die Zeilen allesamt gleich lang sind, strengt das beim Lesen noch mehr an. Oder hast du schon einmal ein Buch gesehen, in dem alles wie in einer Wurst durchgeschrieben ist?
    Außerdem - kennst du einen äußerst wichtigen Satz für einen Autoren? Show, don't tell. Beispielsweise schreibst du "Denn dadurch bemerken wir erst zu spät das Garados, welches tobend und anscheinend völlig außer Kontrolle auf uns zurast. Es ist nicht mehr weit weg von uns, als es einen Schrei loslässt, der uns endlich aufschrecken und das Ungeheuer, das auf uns zukommt, bemerken lässt." - in zwei Sätzen bringst du so viel wichtige Handlung unter. Du erlaubst ein Beispiel?

    Wobei ich zugeben muss, dass ich das hier nur schnell hingeschmiert habe. Ich denke aber, dass das, was ich zu erklären versuche, eindeutig genug zum Ausdruck kommt. Es reicht einfach nicht zu sagen, "ein wütendes Garados tauchte auf" - du musst alles beschreiben, um dem Leser zu zeigen, was geschieht. Ebenso musst du die Umgebungen besser beschreiben. Wie sieht der Fluss aus - gut, er ist reißend - aber wie tief, wie breit ist er? Befinden sich Felsblöcke in der Mitte? Wie sieht das Ufer aus - sandig, grasbewachsen, stehen die Bäume bis dicht an das Wasser, oder ist es einfach ein Felsenufer? So viele Dinge müssen beschrieben werden, es ist eigentlich unfassbar.
    So, ein Punkt von genereller Kritik noch, bevor es ans Positive geht: Wenn du schon aus der Ich-Form schreibst, musst du auch mehr auf die Gefühle eingehen. Du schreibst so oberflächlich, als ob du ein außenstehender Beobachter wärst. Aber in Wirklichkeit bist du die jeweilige Person, aus deren Sicht du schreibst. Gedanken, Gefühle... all das gehört zur Ich-Form dazu. Nicht umsonst wird sie als die schwierigste Perspektive bezeichnet (Ich persönlich kann mich dieser These allerdings nicht anschließen, es scheint aber wirklich etwas dran zu sein.).
    Ich muss aber sagen, dass du zumindest meist eine ausgezeichnete Wortwahl benutzt. Zwar verwendest du zeitweise die Umgangssprache bzw. umgangssprachliche Formulierungen, die in einem Fließtext nichts verloren haben, außer es handelt sich um die Wortwahl eines bestimmten Charakters, dessen Wesen du auf diese Weise besonders zum Ausdruck bringen willst, aber oft verwendest du auch wirklich gute Formulierungen. Wirklich gut - wenn du die Fehler ausmerzt, auf die Umgangssprache verzichtest und Absätze einbaust, fällt es mir schwer, etwas Negatives zum Schreibstil zu sagen.
    Die Länge deines Kapitels ist gut - zumindest in meinen Augen, denn ich liebe lange Kapitel. Andere mögen meinen, das ist zu lange, vor allem, da alles in einer Wurst geschrieben ist. Jedenfalls könnte es auch ein Mitgrund sein, was Leser abhält. Versuche aber zumindest, beim nächsten Kapitel mehr Absätze einzubauen, um alles ein wenig aufzulockern.
    Ich würde dir den Tipp geben, dich in der Schreibschule umzusehen: Wie strukturiert man? | Wie beschreibt man? - vor allem diese beiden Themen wären äußerst hilfreich für dich, nehme ich an.
    Nun aber zum Inhalt. Generell bin ich jetzt nicht grade so begeistert davon, ich habe mir beim Startpost eher etwas weiter Fortgeschrittenes erhofft. Es zeigt zwar, dass du versucht bist, vieles aufzuzeigen, zu erklären, aber du hältst dich zu sehr mit Kleinigkeiten auf, weil du nicht daran denken zu scheinst, dass du auch Zeitsprünge einfügen kannst - einfach eine Leerzeile setzen, dann an einer späteren Stelle fortsetzen. Dann brauchst du dieses Gespräch mit der Schwester, das wohl nur ein Lückenfüller ist, nicht zu schreiben, es wirkt ohnehin äußerst künstlich mit den SMS zuerst.
    Nun denn.
    LG, Maj

  • @ Maj: Danke für dein Kommentar! Ich versuche wirklich, auf alles zu achten, was du mir geraten bzw. abgeraten hast, aber ich kann
    nicht versprechen, dass es besser wird... In gewisser Weise will ich nur diese Geschichte über mein Lieblingsshipping, die mir schon seit
    Langem im Kopf herumschwirrt, anderen Leute übermitteln. Vllt ist ja jemand genauso verrückt wie ich und freut sich wegen jeder noch
    so kleinen Kurzgeschichte über KatexKeith, dass ich demjenigen damit eine kleine Freude machen kann^^


    So, jetzt geht es weiter mit dem neuen Kapitel:
    Kapitel 12 - Tränen


    Gähnend und völlig fertig verschwinde ich in unserem Schlafsaal, wo ich von kichernden Mädchen aus meiner Klasse empfangen werde. "Was...", 'ist denn mit euch los?', will ich fragen, aber als ich Rhythmia mit Anna, Yoko und Celia auf unserem Hochbett sitzen sehe und dann die anderen merken, dass ich in zwischen das Zimmer betreten habe, quiekt Anna: "Kathrin, komm her zu uns!", und winkt mich zu sich rüber. Nachdem ich die Augen verdrehe, schleppe ich mich müde zu meinem und Blondis Hochbett. Muss das jetzt sein? Gerade jetzt, da ich doch sofort und auf der Stelle einschlafen könnte? Ich hab zwar keine Ahnung, warum sie mich zu sich rufen, aber mir schwant Übles...
    "Das hast du ja heute bei der zweiten Station richtig gut hinbekommen. Dennoch sind wir der Meinung, dass es auch ein wenig ungefährlicher hätte gehen können", quatscht Yoko und gluckst. Verwundert schaue ich erst sie an, dann kneife ich meine Augen zusammen und drehe meinen Kopf langsam in Richtung der Blondine, die am lautesten von allen kichert. Natürlich ist mir klar gewesen, dass sie es ausplaudern würde, trotzdem fände ich es besser, sie hätte es nicht getan. Was denkt die sich eigentlich jedes Mal dabei, wenn sie Geheimnisse weitergibt?
    "Du hättet es doch wissen müssen, dass ich es den Mädels aus unserer Klasse erzähle. Mehr wissen es jedoch nicht, weil es doch zu dem Thema 'Ich, Kathrin, bin in meinen besten Freund verknallt' gehört und ich dir versprochen habe, davon nichts zu erzählen", plappert die Blondine munter. Jetzt, da sie es gesagt hat, wird mir klar, dass sie recht hat. Aber davon lasse ich mir nichts anmerken, obwohl es mich ein bisschen fröhlicher und sogar um einiges munterer stimmt.
    "Stattdessen habe ich es sofort den anderen Mädchen erzählt. Sie waren alle Feuer und Flamme und fanden diese Information mehr als süß...", meint sie nur, meinen kühlen Blick einfach ignorierend. Natürlich hatte sie es ihnen gesagt, das ist selbstverständlich, aber so wie sich Yoko angehört hat, muss sie ein paar Unwahrheiten dazu gesetzt haben... Rhythmia ist und bleibt eben Rhythmia... Trotzdem fühle ich, wie ich sauer werde. Um nicht aus versehen meine Wut an ihr auszulassen, stampfe ich einfach in Richtung Badezimmer, um mich bett fertig zu machen. Die Müdigkeit hat zwar nachgelassen, steckt mir jedoch immer noch in den Knochen. Ohne jede Frage, diese Nacht würde ich nicht aufwachen.
    Meine Gedanken schweifen unbemerkt ab, zu dem heutigen Vormittag, um genau zu sein, zu der Situation im Fluss.
    Wodurch wurde dieses Garados aufgeschreckt? Waren Menschen die Ursache, oder war es ein ganz normaler Wutanfall, von denen diese berühmt berüchtigten Seeungeheuer schon öfter ganze Dörfer und Täler in Schutt und Asche gelegt haben? Wie ist es in den Fluss gelangt, der zwar im Gegensatz zu einem normalen Fluss um einiges größer, tiefer und breiter ist, aber eigentlich nicht der Wohnort von riesen Schlangen? Ein ganzer Berg von Fragen, die mit großer Wahrscheinlichkeit unbeantwortet bleiben würde. Und doch gibt es eine Tatsache, die mich in der ganzen Geschichte am Innigsten beschäftigt. Es ist zwar keine Frage, dennoch ist es für mich das womöglich Wichtigste daran. Nämlich, dass Bodo mich gerettet hat. Das will mir einfach nicht mehr aus den Kopf gehen, egal was ich dagegen versuche.
    Zehn Minuten später verlasse ich das große gemeinsame Badezimmer, schlurfe mit letzter Kraft zu meinem Bett und schaffe es, was ich in diesem Moment für unmöglich halte, mich sogar hochzuziehen. Mit Leichtigkeit kann ich die Gespräche meiner Klassenkameradinnen ignorieren und schlafe schneller ein als je zuvor.
    Am nächsten Tag, Dienstag, schlage ich meine Augen um meine normale Aufstehzeit auf. Rhythmia und die anderen schlafen natürlich noch, teilweise höre ich auch leise Schnarcher, abe rich richte mich shcon auf, gleite rasch die Leiter runter und hüpfe gut gelaunt ins Bad. Jetzt erst habe ich registriert, dass die Abschlussprüfungen nun endlich vorbei sind. Grinsend stehe ich vor dem Spiegel, putze mir fröhlich und leise summend die Zähne. Kaum zu glauben, wie glücklich mich das Gefühl macht. Ich fühle mich irgendwie frei, seltsam gelöst, aber auf eine positive Art und Weise.
    Als ich fertig bin, hole ich einen Briefumschlag und zwei unbeschriebene Blatt Papiere, um mit ihnen in den Gemeinschaftsraum zu spazieren. An unserem Klassentisch sitzend schreibe ich die Briefe an Lucy. Da ich früher aufstehe als Bodo, bleibt mir morgens mehr Zeit zum Schreiben als an den anderen Tageszeiten, die ich ohnehin lieber mit ihm verbringen würde. Natürlich ist immer zuerst der fertig, den er nicht lesen darf, und auch schon rechtzeitig im Umschlag verstaut, bevor Bodo seinen Schlafsaal verlässt. Doch als ich am zweiten Teil sitze, taucht er auf.
    "Na? Beschäftigt?", begrüßt er mich beschwingt auf dem Weg zu mir. Kaum angekommen macht er es sich auf dem Stuhl neben mir bequem. Ich zeige ihm grinsend den halbfertigen Brief mit den kleinen Vulpix am Rand. Mit seiner Hilfe werde ich ein wenig schneller fertig, dann muss ich das Blatt jedoch so in den Umschlag stecken, dass er das andere Papier nicht bemerkt. Aber ich schaffe es ohne Schwierigkeiten und kann ihn so mit Briefmarke bei Inge unten in der Küche abgeben.
    Heute zum Frühstück, für das wir heute ziemlich lange brauchen, gibt es Baguettes, die wir aufschneiden müssen, verschiedene Semmeln, Volkorn, normale und so, und viele Brezen. Dazu natürlich Butter, Marmeladen aller Art, Erdnussbutter, Nutella und Honilg. Auch Käse, Salami, jegliche Wurstsorten und Frischköse legen wir in die Ausgabe, damit jeder Schüler das bekommt, was seinem Geschmack entspricht.
    Da die Prüfungen vorbei sind, können sowohl Schüler als auch Lehrer so richtig schön ausschlafen und stehen deshalb erst ziemlich spät auf. Zu meiner großen Überraschung treffe ich auf Rhythmia, die normalerweise jede freie Minute nutzt, in der sie noch schlafen darf. Aber sie ist nicht alleine. Sie wird von Anna, Yoko und Celia begleitet und ich bin mir sicher, dass sie über mich herfallen würden, wenn ich mich nicht zufällig in der Küche befinden würde, das für sie ein "verbotenes Gebiet" ist. Dennoch lugen die drei von der Kantine aus die ganze Zeit durch die Ausgabe herein. Der Grund dafür ist, dass sie alle jeden noch so kleinen Hint zwischen Bodo und mir beobachten und im Nachhinein haarklein vor mir ausbreiten wollen. Kein Wunder also, dass ich deshalb doch ziemlich aufgeregt bin.
    "Und? Was machen wir den heutigen Nachmittag?", fragt Bodo, bevor er sich einen Löffel voll Cornlakes und Milch in den Mund schiebt. Inzwischen sind wir fertig mit Frühstück zubereiten, obwohl die Kantine bis auf unsere Klassenkameraden noch leer ist. Aus den Augenwinkeln sehe ich sie kichern und auf uns deuten. Wie sonst auch haben wir uns einfach auf eine Arbeitsplatte niedergelassen. Morgen werden wir erfahren, wo wir arbeiten werden, als Ranger versteht sich, aber heute Abend werden uns schon die Noten unserer Abschlussprüfungen bekannt gegeben. Natürlich bin ich nervös, besonders wegen Mathe und Französisch... Das einzige Fach, von dem ich weiß, dass ich auf jedem Fall bestanden habe, ist Pokémon fangen. Immerhin habe ich nach jeder Station die volle Punktezahl erhalten. Von dem her kann ich mir auch sicher sein, dass ich zu den Top-Stationen, wenn nicht sogar nach Brisenau stationiert werde.
    Die Basen von Fiore und Almia nehmen nämlich nur angehende Ranger an, die in diesem Fach Höchstleistung gebracht haben. "He? Bekomme ich endlich eine Antwort?", fragt mein bester Freund ungeduldig in meine Gedanken hinein, also meine ich: "Wir könnten uns einfach mal gemütlich unterhalten, am besten draußen, da es doch sowieso so warm ist!" Hoffentlich schaffen wir es, Rhythmia, Anna und Co. abzuhängen, damit sie uns nicht den ganzen Tag beobachten. Er stimmt mir zu, nachdem er runtergeschluckt hat: "Keine schlechte Idee. Wir könnten zum Tor runtergehen. Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich glaube, dass Sany vor den Stangen sitzt und schon sehnsüchtig darauf wartet, dass du ein echter Ranger wird."
    Er hat tatsächlich recht. Das kleine Evoli sitzt mit traurig herabhängenden Ohren vor den Eisenstangen herum, sobald es mich jedoch erblickt, wird sie munter und springt herum, den bauschigen Schweif wie verrückt wedelnd. Als ich sie so sehe, muss ich lachen. Sie könnte glatt als ein flauschiger Gummiball durchgehen, wenn sie sich so aufführt. "Glaubst du, sie kann nicht doch reinkommen? Ich meine, seh sie dir doch an, sie dreht doch schon durch, wenn sie mich nur sieht. Außerdem sind Trennungen überhaupt nicht gut...", flüstere ich Bodo zu, der ebenfalls lacht, dann aber erst antwortet: "Klar, wieso nicht? Wenn wir gefragt werden, du hast dieses Evoli hier eingefangen, als es dir über den gelaufen ist, okay?" Also rufe ich laut: "Sany, komm doch her zu mir!!" Das lässt sie sich natürlich nicht zweimal sagen und so schlüpft sie nach einem Hopser unter dem Tor durch, um wie ein geölter Blitz zu mir zu rennen.
    Vor lauter Freude schleckt sie mir das Gesicht ab. Bodo lacht und ich strahle freudig. Um nicht doch so schnell von Rhythmia gefunden zu werden, schlage ich unschuldig vor, auf einen der vielen Bäume hier zu klettern. Zufälligerweise wählen wir den Baum, auf den sich Klein Hein einmal gerettet hat. Ich brauche, da ich Sany auf dem Arm habe, ein wenig Hilfe vom Bodo, aber es klappt reibungslos. Wir verstecken uns hinter dem Laub und als Rhythmia in Begleitung von Anna wirklich zum Tor geht, bemerken uns beide nicht.
    Den ganzen Tag sitzen wir auf einem Ast nebeneinander, obwohl mein Herzschlag sich dadurch drastisch erhöht, unterhalten uns und ich knuddel die ganze Zeit meine Sany, die ich nur wegen dem Mittagessen ein wenig alleine lassen muss. Unser eigenes Essen besteht dann aber nur aus ein paar Sandwiches, die wir auch draußen verspeisen können. Abends, bevor wir zurück zum Schulhaus wollen, schicke ich Lucy eine SMS, damit sie nicht vergeblich auf Sany wartet. Keine Ahnung, warum ich so an Sany hänge, aber ich kann mich einfach nicht von ihr trennen. Diese Legende über den Zephyr-Strand ist wirklich wahr. Kaum zu glauben, aber ich schaffe es, mein Pokémon völlig unbemerkt in den Schlafsaal zu schmuggeln, nicht einmal die anderen Mädchen haben etwas bemerkt. In der Nacht liegt die Kleine neben mir auf dem Kissen, so, dass sie auch keiner erkennen kann. Bald werde ich mit Bodo ein echter Ranger sein und zu zweit werden wir Missionen erfüllen... Nicht nur wie schon jetzt in meinen Träumen..
    Am nächsten Morgen sitzen wir total aufgeregt auf der Arbeitsplatte und Inge versucht uns zum Essen zu bewegen, obwohl sowohl mein bester Freund als ich ihr versichern, keinen Bissen runterzubekommen. Wir sind beide noch nie so nervös gewesen. Das liegt nur daran, dass wir jetzt gleicht erfahren werden, wo wir in Zukunft arbeiten werden. Die Listen werden wahrscheinlich in diesem Moment unten aufgehängt, damit sie jeder nach dem Frühstück sehen kann. "Na gut, na gut. Warum schaut ihr nicht sofort runter, damit ihr euch nicht durch die Schülermassen zwängen müsst, um eure Namen überhaupt zu finden. Hopp, runter mit euch, ansonsten dreh ich hier noch durch!", Inge scheucht uns geradezu aus der Küche. Mit freudig geröteten Wangen liefern wir uns ein Wettrennen, wer als erstes unten bei der Türe ist, neben der die Zettel auf einer Pinnwand befestigt wurden. Bodo gewinnt. Schlitternd kommen wir zum Stehen, können jedoch gerade noch so kurz vor der Türe abbremsen. Das erste Blatt verkündet, welche werdende Techniker ein Studium in Fiore bekommen haben. Fast ganz oben steht "Lariss, Rhythmia". "Da wird sich Lütmia aber freuen!", meine ich grinsend und betrachte nun die Listen, auf denen die Schüler aufgelistet worden sind, die als Ranger stationiert wurden.
    "Primo kommt nach Fiore", lacht Bodo, der bei dem Namen "Kanzler, Primo" kurz anhält, dann jedoch das letzte Blatt mit den Nachnamen "R - Z" durchsucht. Da ich noch den Blick durch "A - G" schweifen lasse, merke ich nicht, dass das Grinsen meines besten Freundes verschwindet. Erst als er mich anstupst und tonlos "Das gibt es doch gar nicht..." sagt, wende ich meinen Blick zu ihm, obwohl ich wissen wollte, wohin "Beaker, Celia" als Mechanikerin versetzt wurde. Neben "Rose, Kathrin" steht zwar als Station "Brisenau, Almia", aber bei "Wiesner, Bodo" ein "Sommerlingen, Fiore". Mein Herz bleibt zuerst still stehen, um dann schmerzhaft und fast deutlich hörbar zu zereißen. In abertausenden kleinen Fetzen landet es in meinem Magen. Mein Kopf will diese Information einfach nicht verarbeiten, es stellt sich einfach dumm. Dennoch verstehe ich, was es heißen soll. Wie damals, als mich meine Eltern verlassen habe, spüre ich, wie mich gleich eine Welle der Einsamkeit überollen wird. Vor meinen Augen verschwimmt alles, meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding. Ich weiß nicht wie, aber ich schaffe es mich umzudrehen, in Richtung Treppe zu rennen und die Stufen hoch. Im ersten Stock erkenne ich schemenhaft ein paar fröhliche Gesichter unter der Schülermasse, die von oben herunterschwappt und durch die ich mich jetzt nach oben kämpfe. Eigentlich ist es mir egal, ob mich jemand mit Tränen in den Augen sieht oder nicht, trotzdem. Ein paar Tropfen fliegen mir vom Kinn zu Boden während ich durch den Gemeinschaftsraum stolpere, Sany folgt mir auf dem Fuße. Im Schlafsaal auf meinem Bett sacke ich dann zusammen.
    Meine Fingernägel grabe ich in die Matratze, fast so, als würde der Schmerz dadurch kleiner werden, der mir sekündlich durch die leere Brust fährt. Er fühlt sich an wie Millionen von Nadeln. Zu allem Überfluss fällt es mir auch noch schwer, zu atmen. Meine Lunge scheint von dem Wasser gefüllt sein und dadurch ist für Luft kein Platz mehr. Mein bester Freund wird mich verlassen. Natürlich wird er das nicht freiwillig machen, aber es wird passieren. Mehr als tausende Kilometer weit wird er von mir entfernt sein, in genau der Region, die am weitesten von Almia entfernt ist. Wer weiß, ob ich ihn jemals wieder sehen werde...


    (BPV) Geschockt starre ich Kathrin und ihrem Partner-Pokémon hinterher. Im Gegensatz zu den beiden bin ich bewegungsunfähig, wie festgefroren stehe ich da. Ich fühle mich gleichzeitig verletzt, wütend und traurig. Mit einem letzten bösen Blick auf die Papiere, die das größte Unheil verkündet haben, laufe ich meiner besten Freundin mit geballten Fäusten und einem zerfetzten Herzen hinterher. Meine Beine fühlen sich seltsam schwer an, als hätten sie Blei in den Aterien und Adern, nicht Blut. Im ersten Stock drängeln sich Schüler in Richtung Kantine. Sie scheinen alle gut gelaunt zu sein, viele lachen. Wie kann das sein? Wie kann man nur nach das, was einem auf den Listen unten verkündet wird, noch guter Laune sein und sogar lachen? Plötzlich werde ich aus der Masse herausgezogen. Es ist Primo. Verwundert starre ich ihn noch an, da flüstert er schon: "Was ist denn mit Kathrin los? Rhythmia wäre beinahe ausgetickt, als sie gesehen hat, dass sie weinend und ohne dich nach oben gerannt ist. Sie ist ihr gefolgt. Selten ist Rhythmi allerdings so aufgebracht wie gerade eben." Ich ziehe ihn noch ein wenig weiter von den anderen Schülern weg, bevor ich antworte: "Wir waren shcon vor allen anderen unten und da steht, dass ich nach Fiore kome, aber sie, SIE, soll hier in Almia bleiben! Ach, das ist so.. Komm, lass uns hochgehen!"
    Der Gemeinschaftsraum ist vollkommen leer und sill, abgesehen von dem Stimmengewirr von unten ist nichts zu hören. Bis dann ein wütender Schrei von links die Stille zerreißt, der eindeutig von Rhythmia stammt. Jetzt muss Kathrin, die anscheinend in den Mädchenschlafsaae geflüchtet ist ihr unser Unglück erzählt haben. Primo und ich stellen uns vor die Türe, die in die für uns verbotenen Mädchenschlafsäle führt, und schauen uns fragend an. Am liebsten würde ich die Türe eintreten und zu meiner besten Freundin, aber es ist garantiert keine gute Idee. Doch dann öffnet Blondi die Türe, als hätte sie erwartet, dass ihr bester Freund und ich davor warten würden. "Sie kann nicht raus...", erklärt sie kurz angebunden, die Augen zu Schlitzen verengt.
    "Ich geh und halte Wache, dann kann er rein!", meint Primo bestimmt, wendet sich um und rennt um die Ecke bis zur Treppe. Die Blondi schaut mich erst mit ihren zusammengekniffenen Augen an, dann lässt sie mich vorbei, deutet auf die Türe ganz links und murmelt etwas unverständliches. Keine Sekunde später bin ich alleine. Mit meinen bleiernen Beinen schleppe ich mich durch den Mädchenschlafsaal, ohne es richtig zu registrieren, bishin zu dem letzten Hochbett, von dem die Schluchzer kommen. Anstatt die Treppe hochzuklettern, nehme ich den kurzen Weg gleich auf die obere Matratze. Hinten in der Ecke hat sich Kathrin zu einer Kugel zusammengerollt. Es quietscht und knarzt, als ich zu ihr hinter will. Sie blickt auf, enddeckt mich, um dann in meine Arme zu springen. Ein Wunder, dass sie das schafft. Immerhin zittert sie am ganzen Leib und Tränen laufen über ihre Wange.
    "Uhuhund schohohon wiedaha muss jemahand gehehehehen..", fängt Kathrin an, doch sie kann nicht zu ende sprechen. Obwohl ich versuche, sie zu beruhigen, sie zu trösten, schaffe ich einfach nicht mehr, als ihr behutsam über den Rücken zu streichen und mein Gesicht in einen ihrer Zöpfen zu vergraben. Das ansonsten so fröhliche Evoli sitzt nieder geschlagen auf dem Kissen, die Ohren herabhängend.
    Eine ganze Weile sitzen wir so da, ohne das noch jemand ein Wort von sich gibt. Ungefähr zehn Minuten später kommt Rhythmia ins Zimmer und läufst keuchend zu uns rüber, macht sich dann jedoch nicht die Mühe, auf das Bett zu klettern. Stattdessen bleibt sie einfach davor stehen. "Es wird keiner hereinkommen, kein einziges Mädchen", erklärt sie kurz und tonlos. Zwar wundere ich mich schon, wie sie es geschafft hat, alle unsere Klassenkameradinnen zu überzeugen, doch es interessiert mich nicht weiter. Was mich eher neugierig macht, ist dieser mir völlig unbekannte Unterton von Blondis Stimme. Ich kann nicht erraten, was es ist... Mit ein wenig Hoffnung, dass ihr Gesichtsausdruck vielleicht mehr preisgibt, drehe ich meinen Kopf in ihre Richtung. Ihr Blick ist besorgt, eindeutig mitfühlend, aber ich könnte schwören, da ist noch etwas anderes, dass ihr in Kopf herumspuckt. Jedoch kann ich auch das nicht deuten.
    "Rhythmi?", fragt Kathrin plötzlich, ihre Stimme ist brüchig, "Kannst du mir mein Handy geben? Es liegt unter den T-Shirts bei meinen Klamotten..." Sie klingt merkwürdig schwach, aber streckt bittend eine zitternde Hand aus. Blondis Gesicht verschwindet, dann ruckelt es, als sie die Schublade unterhalb des Bettes öffnet und ziemlich schnell taucht sie wieder auf. Sie reicht Kathrin das hellgraue, kleine Handy, die es dankend annimmt. Ohne auch nur Anstalten zu machen, sich aus unserer Umarmung zu lösen, drückt sie einige Tasten, bis es anschließend tutet. Meine Vermutung, wer die Person ist, dessen Nummer meine beste Freundin gewählt hat, wird in kürzester Zeit bestätigt.
    "Kathrin! Was gibt es?", ruft Lucy gut gelaunt aus dem Handy, das auf Lautsprecher gestellt wurde. Als sich die große Schwester zu allererst nur ein Schniefen und einen Schluchzer, die sie beide zu unterdrücken versucht, meldet, ändert sich die Stimme der kleinen Schwester. "Okay", ein regelrechtes Knurren ist zu hören, "Was ist passiert?" Dann vernehmen wir noch, wie sie laut ruft: "Tante Ruth, ich gehe spazieren!!" Meine beste Freundin bekommt immer noch nichts heraus, also frage ich leise: "Lucy, du hast doch nicht etwa vor in die Schule zu kommen, oder?" Kathrin schüttelt es wegen einem weiteren, heftigem Schluchzer; ich drücke sie ein wenig fester. "Ah, Bodo", antwortet Lu und man kann eine Türe knallen hören, "Oh, doch und wie ich komme. Was auch immer mein Schwesterherz zum Weinen gebracht hat.. Egal, ich bin schon auf dem Weg zu euch!"
    "Okay", krächzt Kathrin. Lucy wartet, bis ihre Schwester auflegt, dann ist es still. Evoli sitzt inzwischen auf Kathrins Schulter bzw. liegt da und ihr Köpfchen reibt sie an deren Wange. Dann spüre ich, wie meine beste Freundin sich noch mehr an mich schmiegt. Bevor Rhythmia jedoch mein rotes Gesicht sehen kann, vergrabe ich es in einen von Kathrins Zöpfen. "Ich gehe wieder runter, erkläre Fräulein Mai, dass und warum Lucy kommt und zeige ihr dann noch, wo sie euch finden kann", meint Blondi und wendet sich ab, lässt jedoch das Handy auf der Matratze liegen. Sie verlässt den Raum, ich höre nur noch, wie sie die Türe leise hinter sich schließt und ihre Schritte danach. Ich hebe wieder meinen Kopf aus ihren Haaren und streiche leicht mit der linken Hand über den ihrigen. Wieder bleiben wir so sitzen, eine ganze Zeit lang, beide erfüllt mit Traurigkeit. Schmerzhaft verkrampft jede Sekunde mein ohnehin schon zerschmettertes Herz. Die Chancen, dass wir uns in Zukunft nochmal treffen können, stehen gleich null, da die zwei Regionen, auf denen eben unsere zukünfigen Arbeitsorte liegen, einfach die wohl am weitesten entfernten Regionen sind. Bei dem Gedanken wird mir regelrecht übel... Als ich Schritte vernehme, die sich schnell auf diesen Schlafsaal zubewegen, richte ich mein Gesicht aufgeregt in Richtung Türe. Natürlich sind es Lucy, Rhythmia und auch Lala.
    "Schwesterherz!", ruft die Braunhaarige und stürzt hinter zum Hochbett, zieht sich in einer irren Geschwindigkeit hoch, um Kathrin zu drücken, die sich allerdings nicht aus meiner Umarmung löst. "Hey, Lucy", murmelt sie leise, doch diese übertönt sie mit einer klaren, aufgebrachten Stimme: "Nun, erzähl, was ist passiert, wer hat dir was getan!" Als ihre große Schwester nicht antwortet, schaut sie mich fragend an. "Wir haben vorhin auf der Liste gelesen, dass wir getrennt versetzt werden. Sie darf hier in Almia bleiben, aber ich soll unbedingt nach Fiore", meine ich halblaut und drücke das inzwischen wieder heftig schluchzende Mädchen in meinen Armen fester. "Das ist ja mehr als fies, das können die doch nicht machen!", schimpft Lucy laut und Rhythmia, die jetzt auch das Bett erreicht hat, fügt mindestens genauso entrüstet hinzu: "Schon, oder? Dass die zwei mal getrennt werden..." Kathrin schnieft leise. "Ach, Schwesterherz...", seufzt ihre kleine Schwester mitfühlend.
    "Wie... wie... wie bist du überhaupt so schnell hierhergekommen?", meine beste Freundin braucht insgesamt drei Anfänge, bevor sie den Satz heiser zu ende sprechen kann. Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, sie scheint ihr jeden Moment wegzubrechen. "Ich bin auf Stephie hier hergeritten, Saphira ist nebenher mitgerannt", erklärt Lu und streichelt Lala, die sich mit einem traurigen Blick auf uns zwei auf den Schoß ihrer Trainerin niedergelassen hat, "Beide warten auf mich vor dem Schultor so lange, bis ich einkann." Natürlich, erst wenn Kathrin sagt, dass sie gehen soll, wird Lucy gehen. Kathrin schnieft noch einmal, von ihren Armen, die sie um meinen Nacken gelegt hat, zieht sie einen zurück, um sich damit über ein Auge zu wischen, dann über das andere. Zum Schluss legt sie ihn wieder hin und murmel mit ihrer gebrochenen Stimme: "Ich mag aber nicht..." Sie braucht gar nicht zu erklären, was sie damit meint, denn jeder versteht es sofort. Es war für uns einfach unvorstellbar, nach der Schule nicht mit dem anderen zusammen arbeiten zu können, sich nicht mehr jeden Tag sehen zu können. Mein Herz verkrampft sich, die Traurigkeit gibt mir ein leicht übelkeiterregendes Gefühl und mein Magen dreht sich, wie jedes Mal bei dem Gedanken, um.
    "Was hat Fräulein Mai eigentlich über Lus Besuch gesagt?", frage ich, um mich selber von dem hässlichen Schmerz abzulenken. Rhythmia seufzt leise, bevor sie antwortet: "Sie fand es, gerade bei euch zwei, absolut verständlich und hatte gar nichts dagegen. Im Gegenteil, sie war sogar dafür." Ein kleines Kichern enfährt Lucy, es durchbricht die angespannte Stimmung in dem großen Raum, klingt jedoch in meinen Ohren eigenartig fremd. Ein Grinsen ist aus ihrer Stimme herauszuhören, als die Trainerin meint: "Sie hätte mich nicht aufhalten können, also war es besser für sie, zuzustimmen, auch wenn ihr das in dem Moment natürlich nicht klar war. Notfalls wäre ich eingebrochen..." Kathrin zeigt daraufhin keine Reaktion, abgesehen von ihren Schluchzern und Schniefen. Ich weiß nicht, was sie aufheitern könnte. Dennoch, Lucy ist gekommen, um sie zu trösten, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Das meine beste Freundin jetzt kein Trübsal mehr bläst, steht momentan ganz oben auf meiner "To Do-Liste". Auch wenn mich das selber dann besser stimmen wird, ist es nicht der einzige Grund, warum es auf Platz 1 ist.
    "Ist... daran eigentlich... gar nichts zu ändern?", flüstert sie, ihre Schwester schaut uns wieder mitleidig an, schüttelt den Kopf und antwortet dann, da ihr Schwesterherz es nicht sehen kann, noch: "Nein, leider nicht. Was eingeteilt ist, ist und bleibt leider Gottes eingeteilt." Kathrin lehnt ihren Kopf gegen meinen Hals, wahrscheinlich um ihre kleine Schwester anzuschauen. Ich lege mein Kinn darauf und ihre Haare kitzeln meine Nase, also muss ich ein Niesen unterdrücken. Aus den Augenwinkeln merke ich nur, dass sowohl Blondi als auch die Trainerin uns mustern, die Blondine sogar mit einer hochgezogenen Augenbraue. Dann löst Kathrin sich langsam und anscheinend recht widerstrebend von mir und murmelt leise, als wäre es ihr peinlich: "Ich muss aufs Klo..."
    Okay, das passiert jetzt wirklich in einem unpassenden Moment, aber was will man dagegen machen...? "Na dann...", meint Lucy und springt von dem Hochbett runter, während Kathrin ihr zitternd folgt. Rhythmia übernimmt die Führung, um dafür zu sorgen, dass mich kein Unerwünschter sieht, wenn ich die Mädchenschlafsäle verlasse. Sie lässt den Raum als erstes hinter sich, wir schlüpfen vorsichtig hinterher. Als hätte ich Angst, sie sofort zu verlieren, habe ich Kathrin einen Arm um ihre Taille gelegt, als wir den Gemeinschaftsraum betreten, in dem sich, zu meinem großen Erstaunen, Anna und Celia befinden. Ausgerechnet zwei Mädchen aus unserer Klasse müssen hier sein... Ich dachte, Blondi hat dafür gesorgt, dass von meinem Aufenthalt im Mädchenschlafsaal keiner etwas mitbekommt? Die zwei sagen jedoch nichts dazu, sondern beobachten uns nur mit schräg gelegten Köpfen und winken Kathrin schwach zu. Als meine beste Freundin, deren Schwester und die Blondine sich auf den Weg nach unten machen, beschließe ich, oben neben Primo, der neben der Treppe steht, auf sie zu warten.
    "Ich habe nicht gedacht, wenn es passiert, dass es so schmerzhaft ist, geschweige denn, dass es SIE so mitnimmt", sage ich aus den Mundwinkeln zu meinem Kumpel. Dieser grinst nur ein wenig und seufzt: "Rhythmi hat mir erzählt, du hast sie vorhin in den Arm genommen und getröstet..." Ich ignoriere sowohl den Satz als auch das jetzt noch schmerzhaftere Verkrampfen meines Herzens. Nicht bei ihr zu sein scheint es zu verstärken. So sieht also meine Zukunft aus: Voller Schmerzen und ohne Kathrin. "Schreibt doch Briefe! Oder habt ihr das noch gar nicht in Betracht gezogen?", schlägt Primo vor. Er mit seiner förmlichen Art... Aber er hat recht! Ich nicke zustimmend und gebe ihm für den einfachen Vorschlag, auf den wir noch überhaupt nicht gekommen sind, einen Daumen. In diesem Moment nehme ich mir fest vor, nicht mehr alzu traurig wegen der Trennung zu sein. Selbst tausende von Kilometer sollen uns jetzt keinen Strich durch die Rechnung machen.
    (KPV) Mit hochrotem Kopf betrete ich die Kabine der Mädchentoilette. Die Farbe komt aber nicht vom Weinen, auch wenn das garantiert dazu beigetragen hat. Lucy und Rhythmia kichern leise, aber in dem ganzen Raum hallt es. "Ihr zwei habt so richtig süß ausgesehen. Wenn es sich lohnt, jemanden zu verkuppeln, dann euch", schwärmt meine kleine Schwester und fängt wieder an, zu kichern. "Und ich", stimmt Rhythmi ihr zu, "Ich helfe dir auf jedem Fall dabei." Ich vernehme, wie beide einklatschen, lasse beide ausquietschen, dann erst ermahne ich sie: "Wenn auch nur einer von euch beidem zu ihm nur ein Sterbenswörtchen sagt, dann gibt es Ärger. Auch keine Andeutungen..." Daraufhin seufzen sie hörbar, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie trotzdem Pläne zu dem Thema "Verkupplung" entwickeln und diese unbedingt umsetzen wollen. Ein paar von Lucys ehemaligen Klassenkameradinnen, die schon einen Freund haben, bei denen geht die Beziehung eindeutig auf das Konto meines Schwesterherzes.
    Von dem her kann ich mir sicher sein, dass sie keine pure Anfängerin ist auf diesem Gebiet, und Talent hat sie darin auch noch. Dieses verräterische Grinsen verheißt auf jeden Fall nichts gutes. Ich sehe es zwar nur kurz nachdem ich die Kabine verlassen habe, aber es war da, was nur heißen kann, dass ihr schon einige erste Ideen im Kopf herumspuken. Seufzend trete ich vor das Waschbecken, betrachte mich mit gerunzelter Stirn im Spiegel und wasche mir die Hände, um die zwei Kichererbsen danach anzuspritzen. "Iiih, große Schwester", quiekt Lu und macht einen Satz zur Seite. Dann grinsen sie und Blondi sich an, haken sich links und recht bei mir unter und sagen gleichzeitig: "Dann mal rein ins Vergnügen!" Ohne, dass ich auch nur das Geringste dagegen unternehmen kann, werde ich aus der Toilette und die Treppe hoch in den Gemeinschaftsraum gezerrt.
    Bodo und Primo lehnen sich an die Wand direkt neben der Treppe. Ich sehe den besorgten Gesichtsausdruck meines besten Freundes, teilweise wegen der unmöglichen Zukunft, die uns bevorsteht, teils aber aber auch wegen der "Misshandlung". Er weiß genau, wie sehr ich es hasse, auf diese Art und Weise von A nach B zu kommen und hat es auch nicht gerne, wenn es doch passiert. Ich mache einen kleinen Sprung nach hinten und schaffe es dadurch, aus der Einhakung zu entkommen. Auf der Lippe herumkauend renne ich schnell zu Bodo und schnappe mir seinen rechten Arm. Meine Schwester zieht daraufhin eine Augenbraue hoch, verkneift sich aber einen ihrer berühmt berüchtigen Kommentare und hebt stattdessen Lala hoch.
    Dann piept es, erst leise, dann immer lauter. Verwirrt schauen wir uns um, entdecken aber nichts. Natürlich nicht, denn es ist Lucys Handy, dass sie in einer verborgenen Tasche ihres Kleides gesteckt hat. Bevor sie mit "Lucy Rose?" annimmt, starrt sie auf das Display und verdreht die Augen. Obwohl sie nicht auf Lautsprecher gestellt hat, höre ich, wie Tante Ruth brüllt: "Wo steckst du bitte schön? Du kannst doch nicht einfach so abhauen, ohne dich zu melden?!?" Zwar kann Tantchen nicht seheh kann, dass Lu herausfordernd eine Hand in die Hüfte stemmt, macht sie es und keift zurück: "Erstens, ich hab dir zugeschrien, dass ich draußen bin und zweitens, ich bin gerade bei Kathrin, weil sie mich gebraucht hat. Punkt!" Funkstille. Darafhin erwidert Ruth fürs erste gar nichts. Dann... "Du.. bist bei deiner Schwester?", fragt sie zögernd, fast, als wäre sie in Gedanken versunken. Seltsamn, normalerweise hängt sie ziemlich selten ihren Gedanken nach. Genervt höre ich meine kleine Schwester antworten: "Ja, ich bin gerade in der Schule."
    "Gut, tschüss", murrt Tante Ruth, dann tutet es nur noch. Soll das jetzt heißen, sie ist sauer? Oder macht sie das immer so? Ich habe noch kein einziges Mal ihre Nummer gewählt, wirklich, noch nie! Lucy anscheinend schon, denn ohne auch nur ihre Miene zu verziehen, lässt sie ihr Handy zurück in die Tasche gleiten und löchert unschuldig: "Und jetzt?" Dieses kleine, fiese Grinsen macht sich wieder auf ihrem Engelsgesicht breit. "Wir sollten euch zwei irgendwie ablenken, mit etwas spaßigem, damit ihr nicht mehr daran denkt. Es macht absolut keinen Sinn, deswegen jetzt die ganze Zeit traurig zu sei. Also, hat jemand Ideen?", fügt sie noch hinzu. Daraufhin kommt mir eine, von der ich mir sicher bin, dass ich danach vor Lachen Seitenstechen haben werde.
    "Schwesterchen?", fange ich ein klein wenig schleimend an, "Ich hab noch ein paar von deinen Scherzartikeln in unserem Schlafsaal und ich bin mir sicher, dass du in Null Komma nichts ein paar schöne Streiche parat hast. Wer weiß, vielleicht weißt du ja jetzt schon welche, bei denen du nur auf eine richtige Gelegenheit gewartet hast..." Lucys Gesicht zeigt, dass sie auf jeden Fall schon ein paar Streiche auf Lager hat und diese nur allzu gerne ausprobieren würde. Doch bevor sie etwas sagt, platzt Bodo heraus: "Heißt das, wir bekommen Lucy in Aktion zu sehen?!" Obwohl sie dem nicth einmal mehr zugestimmt hat, kann ich die Vorfreude in seiner Stimme hören, die mich ebenfalls ansteckt. Meine kleine Schwester merkt meinen kleinen Stimmungswechsel sofort, grinst und nickt. Das Lächeln, dass ich danach aufsetze, ist echt. Ich deute in Richtung Schlafsaal. "Na dann, lass uns das Werkzeug holen!"
    Im Schlafsaal hinten bei meinem und Rhythmis Hochbett habe ich einige Sachen unter meiner Matratze versteckt, wiederum andere lagern hinter meinen Klamotten im Schrank, wo kein Lehrer jemals suchen würde. Sofort fangen wir mit den Vorbereitungen an. Den ganzen Vormittag planen wir zusammen mit Anna und Celia Streiche. Dazu muss man allerdings auch viel besprechen, gerade wenn man eine Meisterin des Streichespielens unter sich hat. Während Bodo und ich das Mittagessen mit Inge vorbereiten, die unsere Aufgekratztheit spürt, treffen die anderen fünf noch kleinere Vorbereitungen, damit es direkt nach dem Essen losgehen kann. Trotzdem haben wir so viel zu erledigen, dass keine Zeit mehr bleibt, um zu weinen, geschweige denn, um an die bösen Listen zu denken. Der Nachmittag ist dann, dafür das der Tag so schlecht losging, einfach spitzenmäßig. Wir kringeln uns regelrecht am Boden, und wenn wir Tränen vergießen, dann sind es Lachtränen.
    Mit Seitenstechen und immernoch lachend, versuchen Bodo und ich uns auf dem Weg hoch in die Küche aufrecht zu halten, indem wir uns gegenseitig stützen. Nur Lucy hat keinerlei Problem, denn ihre Streiche bringen zwar jeden zum Lachen, bzw. ihre Opfer zum Verzweifeln, aber bei ihr lösen sie nicht mehr als ein Grinsen und tiefe Zufriedenheit aus. "Ich.. kann.. jetzt dann... nicht mehr", keuche ich und fange wieder an, zu kichern. Mit der einen Hand halte ich mich an Bodos Schulter, um nicht umzufliegen, mit der anderen, drücke in gegen meinen Bauch, der richtig wehtut. Doch dieser Schmerz ist um einiges positiver als der, den ich in der Früh noch hatte. Mein bester Freund hat einen Arm um meine Taille gelegt, sein Gesicht in meinem Haar vergraben.
    "Ihr seid ja heute ganz schön hibbelig, dafür, dass es so schlechte Nachrichten gab!", begrüßt uns unsere Hausmeisterin. Wir haben ihr vor dem Mittagessen von unserem Unglück erzählt, obwohl wir mehr als aufgedreht gewesen sind. Wieder brechen wir unter einem Lachanfall zusammen. "Wenn sie so weiter machen", wirft Lucy grinsend ein, "Dann steht morgen in der Zeitung: 'Schüler sterben an Lachflash'!" Gerade noch so bemerke ich, wie Inge meinem Schwesterchen zuzwinkert, dann giggel ich: "Also gut, was gibt es heute Abend?"



    Ich hasse dieses Kapitel, nicht nur wegen dem Inhalt (da aber nur ein wenig, weil ich so fies bin), sondern weil es mir insgesamt, wie ich es
    geschrieben habe, überhaupt nicht mag!!


    ggggggggggggvlg, Soso-chan

  • Naja, hat zwar eine ganze Weile gedauert, aber jetzt habe ich das neue Kapitel von Unwished endlich
    fertig abgetippt!!



    Kapitel 13 - Abschied


    Blinzelnd richte ich mich in meinem Bett auf, strecke mich kurz und klettere dann schnell die Leiter runter. Alle anderen schlafen noch, also bin ich ganz alleine im großen, gefliesten Badezimmer, um mich dort fertig zu machen. Vorm Spiegel stehend und die Zähne schrubbend, denke ich nochmal an den gestrigen Tag. Am Abend ist Lucy direkt nach dem Abendessen aufgebrochen, natürlich mit Saphira und Stephie. Bodo und ich haben sie noch bis zum Schultor begleitet, ihre Pokémon ein wenig gestreichelt und sind dann wieder zurück zum Schulgebäude. Doch meine Schwester hat mir versprochen, wenn ich mich heute bei ihr melde und der Grund der gleiche ist, wie der gestern, dann wird sie wieder kommen.
    Aber es ist noch mehr passiert. Alle Schüler der Schule haben sich im Gemeinschaftsraum versammelt, um dort ihre Zeugnisse entgegenzunehmen. Das hat mich fröhlicher gestimmt. Mein Abschluss an der Ranger Schule war recht gut, ich habe alle Prüfungen bestanden, teilweise auch richtige tolle Noten bekommen. Verwunderlicherweise habe ich in Französisch eine gute Drei, dafür in Mathe eine Vier, was ich bereits vermutete. In Englisch habe ich eine Zwei geschafft, in Deutsch ebenfalls, und in Pokémon Fangen habe ich mit Bravur bestanden. Trotz des kleinen Unfalls...
    Bodo und ich sind in diesem Fach nicht nur die besten der ganzen Klasse, sondern der ganzen Schule und haben dafür eine extra Auszeichnung erhalten. Das Grinsen meines besten Freund an diesem Moment hat mich alles andere vergessen lassen.
    Verträumt lächelnd packe ich die Zahnbürste in meine kleine Tasche zurück, damit ich meine Hande frei habe, um mir die Haare zu frisieren. Ohne Zöpfe sehen diese irgendwie komisch aus... Genau deswegen laufe ich lieber mit ihnen herum, als ohne sie. Mit der Bürste fahre ich mir sanft hindurch, genau mit der Stärke, dass es nicht schmerzt. Zweifelnd betrachte ich, wie meine Haare, die mir über die Schultern fallen, im Licht glänzen, dann greife ich mir meine roten Zopfbänder und binde sie zusammen.
    Zwanzig Minuten später sitze ich draußen im Gemeinschaftsraum, den Kopf auf den Tisch gelegt und in Richtung Jungenschlafsäle schauend warte ich auf Bodo. Glücklicherweise braucht er heute nicht halb so lange wie sonst. "Hey!", er winkt mir zu, woraufhin ich spüre, wie mein Herz gleichzeitig einen freudigen Salto schlägt und schmerzhaft zerreißt. Es wird mir bewusst, das dies nun der letzte Tag sein wird, an dem wir uns hier im Gemeinschaftsraum in der Früh sehen. Der letzte Schultag, der letzte Tag, an dem ich meinen besten Freund noch bei mir haben werde. Niedergeschlagen seufze ich und schaue gerade aus zu den Fenstern. Schnell ist er bei mir.
    "Was ist...?", fragt er. Vorsichtig wende ich mich wieder ihm zu. Er hat den Kopf schief gelegt und schaut einfach nur süß und besorgt aus. Wie durch einen Reflex rücke ich mit der unvermeidlichen Wahrheit heraus. "Ach..", meine ich schweres Herzens, "Mir ist nur gerade klar geworden, dass es einfach nie wieder so sein wird wie jetzt. Das wir uns in der Früh sehen, uns einen 'Guten Morgen' wünschen.. So, wie es so lange war, das ist nicht mehr..." Den Stuhl zurückschiebend, stehe ich auf, meine Knie zittern und ich will in Richtung Treppe gehen. Meinen Kopf habe ich weggedreht. Während den paar Schritten, die meine Beine stand halten, steigen mir wieder die Tränen in die Augen und alles vor mir verschwimmt. Eigentlich will ich mir diese unbemerkt aus dem Gesicht wischen, während ich auf die Treppe zulaufe, aber da knicke ich schon ein.
    Ich wäre in die Knie gesunken und hätte mir davor den Kopf an dem Tisch vor mir geschlagen, aber mein bester Freund regiert schneller. Er packt mein Armgelenk, zieht mich zurück und umarmt mich. Natürlich verhindert er dadurch einen körperlichen Schaden, aber den Ausbruch der Tränen kann er dadurch nicht stoppen. Stattdessen lässt er sich das T-Shirt nass weinen. Unter heftigen Schluchzern will ich mich bei ihm entschuldigen, aber er will sie gar nicht erst hören. Genau wie gestern hält er mich einfach nur in seinen Armen und dafür bin ich im furchtbar dankbar, denn es lindert den unglaublichen Schmerz in meinem Herzen. Ein paar Mal atme ich aus und ein, um mich zu beruhigen, doch ich brauche eine Weile, bis ich die Tränenflut aufhalten kann.
    "Okay.. Gehen wir runter und machen das Frühstück!", meine ich. Ich trete einen Schritt von ihm weg, um ihn anzuschauen, und versuche ein Lächeln, ein echtes Lächeln, doch es muss mir misslingen. Bodo lacht über meine Grimasse, wischt mir die letzte Träne aus dem Gesicht und umarmt mich nochmal. "Du wirst mir sehr fehlen...", flüstert er in mein Ohr und mein Herz, dass allein bei der Umarmung schon verrückt gespielt hat, schlägt schneller als je zuvor. Ich lege ihm beide Arme um die Mitte, drücke ihn fest und murmel: "Du vermisse dich schon jetzt.." Er schiebt mich ein bisschen von sich weg, um mir in die Augen zu schauen und lächelt leicht: "Schreibst du mir?" Eigentlich will ich sofort "Natürlich!" sagen, aber ich blicke direkt in seine Augen und so antworte ich ein wenig zu spät. Es scheint ihm nicht aufzufallen, denn er grinst.
    Obwohl es mir widerstrebt, winde ich mich aus seinen Armen und sage: "Jetzt sollten wir runtergehen, Frühstück machen!" Ich renne vor, den Kopf gesenkt. "Na dann, lass uns gehen!", höre ich ihn direkt neben mir, spüre, wie er mir einen Arm umlegt und seinen Kopf auf meinen legt. Dadurch drossel ich unterbewusst mein Tempo.
    Unten in der Küche schneidet Inge schon das Brot in Scheiben und legt sie in geflochtene Körbchen, die mit jeweils zwei Servietten ausgelegt sind. Sie kommen in die Kantine, auf jedem Tisch mehrere, damit sich die Schüler daran bedienen können. Die Hausmeisterin dreht sich zu uns um, als wir hereinkommen und sie lächelt uns aufmunternd zu.


    „Nun, heute gibt es nichts Besonderes, auch wenn es der letzte Schultag ist. Könntet ihr nicht das Brot weiter schneiden? Ich müsste noch etwas mit dem Direktor besprechen, aber das Frühstück sollte trotzdem pünktlich fertig werden“, meint sie, überlässt Bodo die Brotmaschine und macht sich auf den Weg nach draußen, raus aus der Küche. Ich schnappe mir sofort zwei der fertig gefüllten Körbchen und laufe nach draußen in den Flur, um von dort in die Kantine zu gelangen. Leider kommen, als ich wieder zurück in die Küche will, zwei Personen die Treppe runter, von denen ich nicht geglaubt habe, dass sie jemals so früh aufstehen würden.
    Rhyhtmia, und ihr hinterher rutscht Yoko das Treppengeländer hinab.
    „Was macht ihr zwei denn um die Uhrzeit schon auf?“, rufe ich ihnen entgegen. Es hätte nichts gewirkt, Rhythmia hatte mich sofort entdeckt. Verstecken wäre also eher sinnlos gewesen. Bevor sie antworten, stellen sie sich links und rechts neben mich, was mir eine Vermutung gibt, was sie mir erzählen werden. Natürlich irgendwas über mich und Bodo, und sie wollen unbedingt sicher sein, dass uns keiner hören kann.
    „Nachdem du aufgestanden bist, haben wir uns auch aus den Betten gequält, sobald du aus dem Bad draußen warst, haben wir uns in Windeseile fertig gemacht und haben in den Gemeinschaftsraum gespäht“, fängt die Blondine an, und die Worte sprudeln ihr nur so aus dem Mund. Mir war sofort klar, dass sie gleich die Szene mit der Umarmung ansprechen werden. Yoko fährt fort: "Glücklicherweise haben wir die Umarmung gerade noch so mitbekommen. Als ihr dann runtergegangen seid, haben wir uns hinterhergeschlichen, mussten uns allerdings vor Inge verstecken. Okay, wir hätten nicht müssen, aber als Spion versteckt man sich doch immer vor jedem!" "Okay, ich denke, damit wäre meine Frage beantwortet, aber ich habe noch eine zweite! Was macht ihr jetzt?", hake ich nach.
    "Och, wir haben noch etwas wichtiges vor, also werden wir euch nicht weiter stören... Kannst dich in Ruhe weiter mit ihm amüsieren... Wir sehen uns dann beim Mittagessen!", antwortet Rhythmi, klatscht kurz mit Yoko ein und verschwindet schließlich mit ihr nach unten. Wer weiß, was die zwei wieder planen. Nachdem ich den Kopf geschüttelt habe, hüpfe ich zur Küche zurück. Als Frühstück bete ich Bodo ein letztes Mal, die Omlettes zu machen, dazu den Obstsalat, nur dass ich dieses Mal das Obst dazu schneide. Am Abend, hat er zugestimmt, macht er mir mein Lieblingsessen, Spiegeleier mit Bratkartoffeln.
    Der Vormittag verlief ziemlich hektisch, denn jeder Schüler musste packen, packen und nochmal packen, was noch nicht in den Koffern und Taschen verstaut war. Dafür durfte am Nachmittag niemand mehr in der zweite Stockwerk, jedoch wusste keiner genau, warum eigentlich. Mein Gepäck wurde glücklicherweise von Tante Ruth und Onkel Herbert abgeholt. Im Gegensatz zu den ganzen anderen, werde ich weiterhin in Almia bleiben. Bodo, Primo und zwei weitere angehende Ranger und die Schüler, die im Technikerfortbildungszentrum aufgenommen wurde, wie Rhyth, haben ihre ganzen Sachen bereits auf ein extra Schiff gebracht, dass sie am Ende des Tag nach Fiore bringen wird. Es hat auf dem kleinen Schulsteg beim PdA angelegt, genau wie ein paar mehr, die jedoch zu den anderen Regionen wie Sinnoh oder Hoenn fahren werden.
    Am Nachmittag bekamen wir auch Besuch, abgesehen von meiner Tante und meinem Onkel. Urs, Frohderich, Luana und Eleonora überraschten Bodo und mich am Schuleingang. Leise schlichen sie direkt durch das Tor und erschreckten uns. Nur Lucy, die auf der Treppe gesessen hatte und die vier davor schon bemerkt, aber nicht im Gespräch erwähnt hatte, zuckte nicht mit der Wimper. Mein allseits berühmter Luftsprung kam auch wieder zum Einsatz. Durch meine zukünftigen Arbeitskollegen erfuhr ich, dass Celia Beaker für ihre Ausbildung zur Mechanikerin ebenfalls in Almia bleiben wird. Ihre Station ist auch meine Station. Na, wenigstens verbringe ich die nächste Zeit nicht vollkommen ohne meine Klassenkameraden. Dennoch wäre es mir lieber gewesen, Bodo wäre der jemand, der bei mir bleibt, nicht Celia.


    Momentan sitzen wir zu zweit auf dem Steg, hinten beim PdA. In ungefähr dreieinhalb Stunden werden wir getrennt. Der Gedanke nagt an mir...
    "Hey, Kathrin, Bodo, kommt ihr mal?", höre ich plötzlich Rhythmia hinter uns schreien. Als wir uns umdrehen, sehen wir sie neben dem Gelöbnisstein stehen und uns zuzwinkern. Was sie wohl jetzt wieder von uns will? Seufzend erhebe ich mich und laufe auf sie zu, Bodo hinterher. Blondi erklärt, dass sich alle Schüler vor dem Schuleingang treffen sollen, da heute anscheinend für die allerletzten Stunden noch etwas geplant ist.
    Als wir ankommen stellen wir fest, dass sich schon circa dreiviertel aller Schüler vor der Schule versammelt haben, aufgeregt tuschelnd. Anscheinend weiß keiner, warum wir nun hier sind oder was genau geplant ist. Ein paar Minuten später kommt auch Rhythmia, die, nachdem sie uns Bescheid gegeben hat, noch weitere Schüler gesucht hat, und mit Yoko, Celia und Anna an der Spitze führt sie die Menge hoch in den Gemeinschaftsraum.
    Der hat sich komplett verändert. Links und rechts an den zwei Wänden, hinter denen sich die Schlafsäle befinden, stehen aufgereiht Tische mit Essen, Trinken, Gläser, Servietten und Papptellern. An den Wänden hängen noch bunte Papiertketten, teilweise mit Glanzpapier, die die Lichter, die von den vielen, verschieden farbigen Glühbirnen stammen, reflektieren. Dadurch, dass sich die Ketten im Luftzug bewegen, tanzen jede Menge kleine, bunte Flecke an der Decke umher. Sogar eine Diskokugel hängt von der Mitte der Decke herunter. Vor den Mädchenschlafsälen wurden die vielen Tische des Gemeinschaftsraumes so hingerichtet, dass sie eine Art Bühne bilden. Darüber hängt eine breite, glitzernde Girlande, die in leuchtenden Neonlettern verkündete: ABSCHLUSSFETE. Vor den Schlafsälen der Jungen ist ein großer Freier Platz. Die Rolladen sind allesamt heruntergelassen, aber die Lichter und hüpfenden Punkte machen den Raum hell und geben das Gefühl einer richtigen Disko ab. Rhythmia steigt, begleitet von ihren Mädels, auf die "Bühne" und schreit: "Alle auf die Tanzfläche und FEIERN!!" Mit einem lauten "JAAA!!" antworten ihr alle und stürmen die freie Fläche.
    Kein Wunder, dass wir den ganzen Tag nicht mehr hier hoch durften. Ich persönlich habe geglaubt, Inge braucht Ruhe, um alles sorgfältig zu putzen. Stattdessen wurde hier eine Party vorbereitet. Kaum zu fassen!Nachdem Rhyth sich zu mir und Bodo durch die tanzende Menge durchgekämpft hat, hatte ich nicht bemerkt, dass Primo bei uns steht. Jetzt fragt er: "Habt ihr das alles heute Nachmittag vorbereitet? Also, Celia, Yoko, Anna, du, Inge, Fräulein Mai, Celias Freund und du?" Sie nickt und grinst über das ganze Gesicht. Man sieht ihr an, dass sie zufrieden mit ihrem Ergebnis ist.
    Inwzischen läuft auch schon ein Lied im Hintergrund, also hatten sie auch irgendwo einen CD-Player angeschlossen. Ein Lachen entfährt mir und ich spüre, wie mein bester Freund neben mir mit seinen Arm den meinen streift.
    „Komm Rhythmi“, Primo packt seine beste Freundin am Armgelenk und deutet nach vorne in Richtung der tanzenden Leute, „Wir können noch die CDs durchschauen!“ Lachend stimmt sie zu und ihre blonden Locken fliegen, während sie auf die Menge zu rennt. „Und…“, fängt Bodo zögernd an, „Was… machen wir jetzt?“ Kichernd hake ich mich bei ihm unter und meine: „Was hältst du von tanzen?“ Natürlich rast mein Herz dabei und meine Wangen färben sich leicht rötlich, aber meine Laune verbessert sich deutlich. Er hat nichts gegen meinen Vorschlag einzuwenden, lässt sich von mir auf die Mitte der Fläche ziehen und dann… tanzen wir.
    Ich weiß nicht genau, wie lange, da ich noch nie ein sonderlich gutes Zeitgefühl hatte, und außerdem vergesse ich die Zeit ohnehin immer, wenn ich mit ihm zusammen bin. Nicht einmal mehr an dem Stand der Sonne konnte ich halbwegs erkenne, wie viel Uhr wir haben, da die Rollläden heruntergelassen sind. Aber ich wollte es auch gar nicht wissen. Ich wage es jedoch, zu behaupten, dass wir nach gut einer dreiviertelten Stunde von der Tanzfläche gehen, um uns auch vom Buffet zu bedienen. Mit jeweils zwei Fruchtspießen und einem Becher mit Saftschorle setzen wir uns zum Ausruhen auf die Treppe nebeneinander hin.
    „Du hast meine Adresse ja, also schreibst du mir, sobald du deine neue von deiner Ranger Basis hast, ja? Auch wenn es länger brauchen wird, bis der Brief ankommt…“, murmele ich und blicke gedankenverloren gegen die vereinzelten Lichtpunkte, die ab und zu vor uns aufleuchten. Mein erster Spieß ist schon leer, also mache ich mich an den zweiten zu schaffen. Die Hälfte meiner Saftschorle habe ich auch schon ausgetrunken, der Rest steht neben mir auf der Treppe. Von hinten ertönt ein neues Lied, ruhiger und nicht mehr so fetzig, aber das Stimmengewirr der Absolventen hat leider die gleiche Lautstärke wie der Song. Als ich jedoch Fußgetrappel von jemanden höre, der in unsere Richtung läuft, drehe ich mich kurz um, um zu sehen, wer es ist. Rhythmia und Celia, beide winken kurz, als sie bemerken, dass ich sie anschaue, dann ruft Blondi über die vielen Gesprächen und die Musik hinweg: „Wenn ihr zwei euch langweilen solltet, könnt ihr euch gerne um den CD-Player kümmern!!“
    Fragen blicke ich meinen besten Freund an, um ihm zu zeigen, dass es an ihm liegt, was wir machen. Er nickt, anscheinend ohne davor zu überlegen, dennoch erheben wir uns. „Wo“, ‚ist der CD-Player‘ will ich fragen, doch Celia antwortet schon, bevor ich zu Ende gesprochen habe.
    „Vor der Türe zu den Jungenschlafsälen“, erklärt sie, „CDs sind auch massenhaft dabei, also habt ihr genügend Auswahl. Legt einfach das auf, worauf ihr gerade Lust habt.“ Während ich an meinen zwei Freundinnen vorbei will, merke ich, wie beide anfangen, zu grinsen. Ein wenig ungeschickt kämpfe ich mich mit Bodo durch die Tanzenden, aber glücklicherweise ist vor der Tür genug Platz, sodass man sich hinsetzten kann, ohne Gefahr zu laufen, dass jemand einem ausversehen auf die Beine steigt.
    Als erstes durchsuchen wir die CD-Hüllen nach uns bekannten Bands, Sänger und Lieder, damit wir danach auch zu unseren Lieblingssongs auswechseln können. Nach ungefähr einer viertel Stunde, laut meinem schlechten Zeitgefühl, drängelt sich eine Person zu uns durch, die kleiner ist als alle anderen. Ich lächele meine kleine Schwerster an, aber sie ist nicht alleine. Erst als sie sich vor mich hinkniet bemerke ich ihr Vulpix Lala, dass sich vor Erschöpfung neben Lucy niederlässt, und Sany, mein kleines Evoli, springt auch auf mich zu. Sie ist gestern mit Saphira, Stephie, Lu und Lala heimgeritten. Ich schließe den flauschigen Fellball in meine Arme und knuddele sie ein wenig.
    „Tante Ruth möchte, dass du jetzt heimgehst“, übermittelt Lu und verdreht kaum merklich die Augen. Ich will eigentlich protestieren, fange auch schon mit einem bösen „Aber“ an, doch Bodo unterbricht mich. Er zieht mich an sich mit beiden Armen und knurrt: „Ich lasse Kathirn erst gehen, wenn ich selbst wegmuss. Falls Ruth deswegen sauer ist, nehme ich gerne die Schimpferei auf mich, aber solange ich auf diesem Festland bin, bleibt sie bei mir.“
    Als Reaktion auf die Umarmung und die Worte läuft mein Gesicht rot an und mein Herz klopft munter immer wieder ziemlich schnell gegen mein Brustkorb. Hoffentlich spürt er das starke Pochen nicht…
    Lucy lächelt, und ich sehe, dass sie zufrieden ist, fast, als hätte sie genau darauf spekuliert, was gerade passiert ist. Ich erwidere Bodos Umarmung glücklich, wobei ich versuche, Sany nicht zu zerquetschen.
    „Also gut“, Lucy tut so, als findet sie das nicht gut, ihrer Tante zu widersprechen, „Dann gehe ich mal und sage Ruth Bescheid.“ Schnell erhebt sie sich und verschwindet in der Menge. Mein bester Freund lässt mich jedoch nicht los. Sei Kinn liegt auf meinem Kopf und Sany stößt einen Laut aus, der wohl ein Kichern sein soll. Ihre eine Vorderpfote legt sie sanft auf Bodos Brust, die andere auf die meine. Sie hat nicht nur die Gespräche zwischen Rhythmia, den anderen Mädchen aus meiner ehemaligen Klasse uns mir mitbekommen, sondern auch jedes Mal meinen alarmierend schnellen Herzschlag gespürt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie genau der gleichen Meinung ist wie Blondi und Lucy, allerhöchstwahrscheinlich wird sie auch versuchen, Bodo und mich so gut wie sie als Pokémon eben kann, zu verkuppeln .Ich löse einen Arm von Bodos Nacken, um mit meinem Zeigefinger Sany unter dem Kinn zu kraulen. Das Evoli fängt an, genüsslich zu schnurren; sie liebt es eifnach, wenn man sie krault, am liebsten eben unter dem Kinn. Der Effekt, auf den ich dadurch anspiele, tritt ein, indem das Pokémon die Pfoten zurücknimmt. Dann schmiegt sie sich an mich.
    „Mal schauen, ob ich auch so ein verschmustes Partner Pokémon wie Sany bekomme!“, meint mein bester Freund glucksend und ich spüre wie er anfängt, meinen Nacken zu kraulen. Ein wohliges Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. "Soll ich jetzt schnurren wie Sany und dazu 'Evo, Evoli' sagen?", flüster ich ihm zu. Er fängt an, zu lachen und vergräbt sein Gesicht wieder in meinen Haaren. Seine Antwort ist leise, dennoch kann ich sie problemlos verstehen.
    "Ja", murmelt er und ich erwidere: "Nur, dass ich eben kein Pokémon bin, sondern ein Mensch, genau wie du."
    "Schade, ansonsten hätte ich dich sofort mit nach Fiore genommen, als Partner Pokémon." Es war nicht schwer, die Trauer aus seiner Stimme herauszuhören.Aber die Worte selber geben der leichten Traurigkeit kein Gewicht. Stattdessen bringt es uns beide zum Lachen. "Na, ihr zwei Süßen? Bekomme ich den Witz auch zu hören?", höre ich zu meiner Überraschung die Stimme einer Person, die ich am wenigsten erwartet habe. Fräulein Mai steht vor uns und schaut lächelnd auf uns herunter. "Der ist.. nicht so.. gut", antwortet Bodo und wir lösen und voneinerander.
    "Wie dem auch sei. Ich wollte euch nur sagen, dass Direktor Lambert euch zwei noch etwas geben will. Er wartet im Lehrerzimmer auf euch", erklärt unsere ehemalige Lehrerin lächelnd. Wieso bin ich mir so sicher, dass sei über die Umarmung genauso denkt wie zum Beispiel damals auf dem Windspielhügel Luana von uns gedacht hat. Dazu kommt noch, dass sie sehr wohl weiß, wie sehr wir auch sonst aneinander kleben. Auch wenn mir das alles klar ist, weiß ich nicht genau, was ich damit anfangen kann, dass der Direktor uns etwas geben will. Vorsichtig richte ich mich auf, Sany an meine Brust gepresst, aber bevor wir gehen, frage ich Fräulein Mai, ob sie nicht in der Zeit auf den CD-Player achten könnte. Sie stimmt zu, also machen Bodo und ich uns auf den Weg aus dem Gemeinschaftsraum, die Treppe runter bin hin zum Lehrerzimmer. Das letzte Mal, als wir hier drin waren, war der Dieb an unserer Schule gewesen, den Bodo gejagt und letztenendlich auch fangen kommte. Doch dieses Mal sind weder unsere Klassenleitung noch Herr Tollero in dem großen Raum, nur der Direktor Lambert sitzt genau wie damals hinter seinem Schreibtisch. Er ist über etwas gebeut und bemerkt uns deshalb erst, als wir vor dem Tisch stehen.
    "Ah, Kathrin und Bodo. Gut, das ihr beide gekommen seid", begrüßt er uns mit seiner rauen, würdevollen Stimme, "Ich habe etwas, dass ich mit auf euren weiten, schweren Weg mitgeben will. Etwas von großer Bedeutung, sehr wichtig, um euch durch eure dunkle, schicksalhafte Zukunft zu führen. Allerdings will ich auch, dass ihr selber ohne eine Erklärung von mir herausfindet, weshalb gerade ihr sie bekommen habt, wofür sie gut sind und was ihr mit ihnen machen könnt." Danach lehnt er sich zurück und deutet auf das, worüber er sich vorhin gebeugt hat.
    Es sieht aus wie zwei lange Goldkettchen mit jeweils einem Anghänger. Der eine ist zwar von der Grundform, ein spitz zulaufendes Kreuz, her genau gleich wie der andere, aber er ist schwarz und an den Enden verziert mit insgesamt vier weißen Edelsteinen, die im Licht funkeln und man kann alle Farben des Regenbogens in ihnen erkennen. An dem Rand sind einzelne, kleinere Steinchen zur Verzierung angebracht, aber am faszinierendsten ist das, was sich in der Mitte befindet. Ein weiterer Stein, der aussieht wie ein geschlossenes Auge. Das andere Kreuz ist weiß mit schwarzen Edelsteinen, aber bei diesem Anhänger ist das Auge geöffnet. Mit einer roten Pupille sieht es so aus, als würde es uns anschauen.
    "Wow", höre ich Bodo seine Begeisterung kund geben, reiße mich von den Ketten weg und schaue ihn an. Seine Augen sind vor Unglaubigkeit weit geöffnet.
    "Das Weiße ist für Bodo bestimmt, das Schwarze für Kathrin", erklärt der Direktor noch. Zaghaft greife ich nach meiner Kette und betrachte den Anhänger, nun aus der Nähe.
    "Eines kann ich noch erwähnen: Sie haben beide einen magischen Effekt. Wofür sie nützlich sind, sollt ihr jedoch, wie schon erwähnt, selber herausfinden", fügt der Direktor noch hinzu, "Nun, tobt euch weiter bei eurer Abschlussfete aus." Langsam verlassen wir das Zimmer, aber auf dem Flur haben wir icht mehr wirklich Lust, nach oben zu gehen. Glücklicherweise kommt Rhythmia in genau dem Moment, indem wir einen Fuß auf die erste Stufe stellen, die Treppe heruntergeschnellt, sodass ich ihr gleich sagen kann, dass jemand anderes den CD-Player übernehmen und Fräulein Mai ablösen soll. Dann steigen wir die Treppenstufen zum Erdgeschoss runter. Wir verlassen sogar das Schulgebäude und ich nehme den Wald ins Visier.
    "Kathrin, wo willst du überhaupt hin?", zu meiner Überraschung kommen Bodos Worte von direkt neben mir, nicht wie erwartet von hinten, aber ich ignoriere den Schock. 'Weiß ich nicht", will ich eigentlich antworten, aber dann fällt mir etwas ein und die Worte ändern sich auf dem Weg zu meinem Mund. "Wart's ab", ist alles, was ich sage, lächel ihn an. Sany in meinen Armen gibt wieder mal eine Art kichern von sich, und kleittert auf meine Schulter, um ihre Wange an die meine zu reiben.
    Inzwischen haben wir den Anfang des kaum erkennbaren Pfades erreicht. Das Licht des Vollmondes am Himmel schimmert nur schwach durch die vielen Äste der Bäume und es spiegelt sich leicht in den Edelsteine meines Kreuzes. Ich widerstehe dem Drang, es genauer zu studieren, da ich dann Gefahr laufen würde, gegen einen der zahlreichen Stämme zu laufen. Als wir jedoch an meinem Ziel, der Klippe, ankommen und uns an derren Spitze niederlassen, bringe ich den Anhänger näher zu meinem Gesicht.
    Wie sonst auch immer liegt mein Kopf auf Bodos Schulter, aber mein bester Freund hat sich siene Kette schon umgelegt. Im Schein der vielen Sterne und dem hell leuchtenden Mond inspiziere ich das Kreuz. Jetzt erst fällt mir ein kleines Bild auf, welches in jedem der Kristalle leicht herausfunkelt; das aussieht wie ein Halbmond mit einem Flügel, der aus der Mitte herauskommt. Ein Dämonenflügel, jedoch genauso weiß wie das Gestein, mit dem er verbunden ist. Das muss der Grund sein, warum ich ihn zuvor nicht sehen konnte.
    "Hast du etwas interessantes gefunden?", fragt Bodo nach einer Weile, da ich meinen Blick einfach nicht davon abwenden kann. Ich erzähle ihm das, was ich in den Edelsteinen erkenne.
    "Ein Halbmond mit einem Dämonenflügel?", überlegt er laut, "Das... das könnte gut möglich sein. Weißt du, was mir gerade noch aufgefallen ist? Auch wenn das nur Zufall hätte sein können.." "Nein, weiß ich nicht", lache ich, "Ich kann immerhin keine Gedanken lesen." Bodo fährt vorsichtig mit dem Zeigefinger über den obersten Kristall meines Kreuzes uns antwortet: "Nun, Direktor Lambert hat gesagt, dass die Ketten uns helfen sollen, bei unserer.. naja, wörtlich zitiert 'dunklen, schicksalhaften Zukunft'. Deine Mutter hat doch auch gesagt, dass unsere Schicksale genau das sind. Von dem Bösen bedroht, und, was er nicht gesagt hat, miteinander verflochten.. Glaubst du.." Doch ich lasse ihn nicht weitersprechen, unterbreche ihn mit folgenden Worten: "Dass meine Mama auch den Direktor im Schlaf besucht hat? Aber warum gerade ihn?" Sany stellt noch eine weitere Frage: "Evo, Evoli, Evo?"
    "Tja, wer weiß das..", meint mein bester Freund ahnungslos. Natürlich hat er nicht verstanden, auch wenn diese Frage mindestens genauso bedeutend ist. Also übersetze ich kurz, dass sie gefragt hat, woher der Direktor die zwei Artefakte wohl hat? Jetzt, da ich die Worte in der menschlichen Sprache wiederholt habe, fällt mir erst auf, was Sany gesagt hat. Diese Ketten, oder die Anhänger, haben irgendetwas magisches an sich?
    "Das ist natürlich sehr fragwürdig. Auch, dass dein Auge verschlossen ist, während meines offen ist, wie normal bei solchen Kreuzen.. Frag mich jetzt nicht, warum, aber ich kenne so ähnliche... Und ich habe noch nie eines ohne geöffnetem Auge gesehen, ich schwörs!", Bodos Finger streicht nun leicht über den Stein, der aussieht, wie ein geschlossenes Auge. Die grauen Lider sind faltig, aber Wimpern hat keine. Während er vorsichtig den Stein berührt, kommt es mir so vor, als würde dieser kurz zucken, aber das ist sicherlich nur Einbildung. Steine können sich nicht von alleine bewegen. Dann zieht Bodo seine Hand zurück und legt sie mir stattdessen um die Taille. Ich öffne den Verschluss des Kettchens, um mir die Kette um den Hals zu legen. Mit einem Seufzer wende ich meinen Blick von dem glänzenden Objekt ab, um ihn über das Wasser vor uns schweifen zu lassen.
    Die Sterne und der Mond spiegeln sich im Wasser, und man kann kaum erkennen, wo der tiefdunkelblaue Himmel in das Meer übergeht, weil der farbliche Unterschied nicht vorhanden ist. Das ist eine echt wundervolle Aussicht.
    "Echt schade, dass wir nicht öfter abends hier hergekommen sind", murmelt mein bester Freund. Sany stimmt ihm leise zu, klettert auf meinen Schoß hinunter und schaut uns zwei fröhlich an, ihr flauschiger Schweif streift meinen Arm, da sie wild damit wedelt. Sanft streichele ich über ihren Kopf, drücke sie dann aber auch noch an mich.
    "Evoli, Evo, Evo, liiiii", sagt sie fest und selbstbewusst, aber ihre Worte sind nicht an mich gerichtet, also übersetze ich für Bodo: "Sie mein, dass sie in der Zeit, in der du nicht da bist, auf mich aufpasst, dass mir auch ja nichts passiert." Lachend krault er mein Parter Pokémon unter dem Kinn mit seiner freien Hand und meint: "Das will ich aber auch hoffen, denn ich hätte Kathrin gerne unbeschadet und so wie sie ist wieder, sobald ich zurück nach Almia kommen kann!"
    Zufrieden schnurrt das Evoli in meinen Armen, aber ich kichere nur.
    "Du weißt inzwischen auch schon, was sie am liebsten mag", flüstere ich amüsiert. Sany windet sich geschickt aus meinem Griff, um meinen besten Freund einmal quer über das Gesicht abzuschlecken, was mich nur noch mehr zum Lachen bringt.
    "Sie mag dich", mein eich und drücke meinen besten Freund und mein Partner Pokémon gleichzeitig fest. Bodo erwidert meine Umarmung, während Sany fröhlich "Evo.. liiii", schnurrt. Nun versucht sie mich abzuschlecken. Ich quietsche deswegen laut, weil ich nicht mit dieser nassen Berührung gerechnet habe und Bodo kriegt sich nicht mehr vor Lachen. Unbewusst lasse ich ihn los, Evoli purzelt auf meinen Schoß und kringelt sich ebenfalls wegen meiner Reaktion. Um mich zu rächen, nutze ich es aus, dass ihr Bauch völlig ungeschützt nach oben zeigt, kitzele ich Sany. Es ist einer ihrer Schwächen, so kitzelig zu sein.
    Irgendwann halte ich es dann nicht mehr aus und frage Bodo nach der Uhrzeit, (NEU WIETERGESCHRIEBEN)
    obwohl ich mir fest vorgenommen habe, dass ich es wirklich nicht wissen will. Nach der Antwort bin ich mir sicher, dass es besser gewesen wäre, nicht zu fragen. Die Zeit ist viel zu schnell vergangen. Bereits in einer Viertelstunde würde sein Schiff ablegen, in einer Viertelstunde wird er mich verlassen müssen. Seufzend nehme ich das Katzenpokémon wieder in meinen Arm und stehe widerstrebend auf. In gewisser Weise will mein Körper überhaupt nicht den Weg durch den Wald zurückgehen, den Schulhof durchqueren und runter zum PdA, aber es bringt ohnhin nichts, hierzubleiben.
    Mein bester Freund hat den Arm die ganze Zeit um meine Schulter gelegt, was mir das wohlige Gefühl gibt, dass er mich überhaupt nicht loslassen will. Die Schiffe an dem kurzen Steg haben kaum Platz, aber der kurze Holzweg über dem Wasser reicht gerade noch so aus, dass alle erreicht werden können. Da wir nur ein wenig sehr langsam den Weg gegangen sind, haben wir nur noch 5 Minuten. Ich sehe Rhythmia, die Celia, Anna und Yoko fest drückt, allen anderen noch zum Abschied winkt und sich dann zum Schluss zurück zu Primo stellt, der wartend mitten auf dem Steg steht. Nachdem ich Anna und Yoko selber noch zum Abschied gedrückt habe, weil sie beide ebenfalls in andere Regionen verschifft werden, gesellen Bodo und ich uns zu den zwei anderen. Nicht lange und schon erhalten die angehenden Ranger, Techniker und Mechaniker auch schon die Anweisung, die letzten Worte zu sprechen und die Boote zu betreten.
    Rhythmia presst mich Schraubstockähnlich an sich, was mich leicht an Tante Ruth erinnert und danach schlüpft sie durch die Öffnung hinein in das Schiff. Bodo umarmt mich ebenfalls, aber herzlicher und mit viel Gefühl und ich erwidere sie stumm, aber ich versuche, alle Gefühle von mir für ihn mit in die Umarmung zu legen. Am liebsten hätte ich ihn nicht mehr losgelassen, wahrscheinlich wäre ich ewig so dagestanden, doch natürlich ist es unmöglich. Mein bester Freund steigt ebenfalls in das Schnellboot, ich trete ein paar Schritte zurück, um beim Starten nicht vollkommen durchnässt zu werden und schaue dem Schiff noch lange hinterher. Ich merke gar nicht, dass mir wieder leise Tränen die Wange runterlaufen, bis zu meiner Verwunderung Lucy hinter mir meint: "Du weinst schon wieder.." Schnell wische ich mir übers Gesicht.
    "Lass... lass uns heimgehen", murmel ich halblaut und verlasse den Holzweg. Als ich jedoch die zwei Paar leuchtend rote Augen und einen blitzenden Kristall in der Finsternis bemerke, quietsche ich, aber es sind nur Smarty und Stephie. Lucy und ich setzen uns auf das große Vulnona. Total erschöpft lasse ich mich nach vorne in das warme, weiche Fell des Feuerpokémons fallen. Sany auf Saphiras Kopf sagt ausnahmsweise überhaupt nichts, auch nicht während des langen Heimritts nach Schikolingen. Celia, die schon früher losgegangen ist, treffen wir am Rand von Brisenau, zusammen mit Eleonora. Beide tuscheln amüsiert und ich höre sie leise kichern. Als sie uns bemerken, winkt Eleonora und meine ehemalige Klassenkameradin und jetzt Arbeitskollegin ruft voller Elan: "Wir sehen uns am Freitag!!"
    Ich winke müde zurück, unfähig, den Mund zu öffnen. Daheim angekommen, wanke ich nach oben, ignoriere die: "Ich wollte nicht, dass du zu spät heimkehrst"-Schreie von Tante Ruth und schleppe mich, nachdem ich mich bettfertig gemacht habe, in mein Bett. In die Decke gekuschelt, blinzel ich zum Fenster, durch das ich, da ich zu faul gewesen bin, die Vorhänge zuzumachen, die Sterne zurückblinzeln.

  • An alle Leser von Unwished:


    Da bei mir (in Bayern) momentan Sommerferien sind, habe ich entschlossen, sie Unwished zu widmen und so
    viel wie geht weiterzuschreiben. Bisher läuft das ganz gut, ich schaffe 2 Seiten pro Tag in meinem Heft und habe
    dadurch (es ist erst die 2. Ferienwoche) schon mehr als 3 Kapitel angefangen & beendet.
    Alle meine RL-Freunde sind überzeugt davon, dass ich bis zu dem Ende der Sommerferien fertig werde. Momentan
    muss ich nur noch 10 Kapitel schreiben, da ich das 33. erreicht habe und nach dem 43 ist Schluss.
    Sobald ich mit dem Schreiben fertig bin, werde ich die Kapitel einstellen, die ich bis zu dem Zeitpunkt schon abgetippt
    habe (bis jetzt habe ich bis Kapitel 18 alle.)


    Ich hoffe doch sehr, dass ich wirklich vor dem Ende der Ferien fertig werde, da ich danach in meine Abschlussklasse
    komme, in die 10. Klasse (ich bin auf einer Realschule) und das heißt dann wohl selbst für mich, dass ich lernen muss
    und dann keine Zeit mehr für Schreiben habe.


    gvlg, LuciagirlYxD alias Soso-chan

  • Kapitel 14 - Mein erster Tag als Ranger (KPV)


    Die Tage bis Freitag verfließen langsam, aber dank Lucy bin ich in der Lage, mich abzulenken. Die meiste Zeit sind wir draußen auf der Lichtung, auf der sich zum ersten Mal Saphira und Stephie gezeigt haben. Aber auch in meinem Zimmer halten wir uns oft auf. So oft wie möglich gehe ich Tante Ruth aus dem Weg, die mehr als missgelaunt ist. Onkel Herbert zeigt keine Reaktion darauf, dass ich jetzt Ranger bin, aber meiner Tante scheint das überhaupt nicht zu gefallen. Auch meine Mahlzeiten in der Küche meide ich größtenteils, ich esse meistens in meinem Zimmer.
    Zwar vermisse ich Bodo ziemlich, dennoch kann ich nicht umhin, mich auf meine Arbeit zu freuen. Freitagmorgen, nachdem ich mit Gesellschaft von Lucy, Sany und Lala in meinem Raum gefrühstückt habe, verlasse ich nur mit Sany als Begleitung das Haus. Meine kleine Schwester muss sich gerade eine Standpauke von Ruth anhören, aber da Lu nicht will, dass ich zu spät zu meinem ersten Arbeitstag komme, hat sie mich regelrecht rausgeschmissen. Da Sany mein Partner Pokémon ist, ist sie natürlich bei mir.
    Der Morgen ist klar und kühl, der Himmel hellblau ohne eine einzige Wolke und der Kies knirscht unter meinen Turnschuhen. Im Gegensatz zu den letzten Tagen trage ich heute eine Jeans anstatt einer bequemen Jogginghose und dazu ein langärmliges, lilanes T-Shirt, das mit einem Blättermuster und Strass Steinchen verziert ist.
    Kaum, dass ich den Wald hinter mir gelassen und Brisenau betreten habe, höre ich eine mir sehr bekannte Stimme rufen, sodass ich zusammenzucke.
    "Kathrin!" Verwirrt schaue ich mich um, bist ich an einem Baum hinter mit gelehnt Celia und Luana stehen sehe. Ein leichtes Lächeln entweicht mir, als ich beide so grinsend erkenne und als sie auf mich zu rennen, schreit Luana: "Wir wollten dich schon hier empfangen! Naja, um ganz ehrlich zu sein, konnten wir es gar nicht abwarten, dich wieder zu sehen!" Beide umarmen mich noch, bevor wir uns auf den Weg zur Ranger Basis machen. Als ich wieder davor bin, spüre ich Erregung in meinen Körper. Das letzte Mal, als ich hier gewesen bin, waren Bodo und Primo bei mir gewesen, an unserem 1-Tages-Praktikum… Es scheint mir, als wäre das alles schon eine Ewigkeit her, ein ganz anderes Jahrhundert, ein anderes Leben! Dennoch sieht nichts anders aus, alles ist gleich.
    Der Eingangsraum ist immer noch genau gleich blank mit dem spiegelgleichen Boden und dem Tresen in der Ecke, hinter dem ein großer Bildschirm ist. Die Menschen in dem großen, runden Raum haben sich auch nicht verändert und stehen alle verteilt. Eleonora unterhält sich mit Lea hinten bei dem Tresen, und Frohderich spielt mit seinem Knospi. Der einzige, der empfangsbereit in der Mitte ist, ist mein Chef, Urs.
    "Ach, du meine… Kathrin, willkommen an Bord! Und viele Glückwünsche zum Abschluss der Ranger Schule!", begrüßt er mich freundlich. Seine laute, feste Stimme lässt die anderen aufhorchen, sofort versammeln sie sich um ihn herum. Luana stellt sich zu den anderen, Celia und ich gehen auf Urs zu. Der reicht mir einen Stapel Klamotten. Wortlos nehme ich ihm meine Rangeruniform ab und er deutet mir an, nach hinten zu der Türe, raus aus dem Raum. Dennoch zeigt mir Celia genau, wo ich mich umziehen kann. Sie erklärt mir noch, dass der Raum, in den ich gehe, bestückt mit 5 Betten, davon drei Einzelbetten und ein Hochbett, drei ziemlich großen Holzschränken und einem riesigen Flauschteppich, auch der Raum ist, in den ich schlafen werde.
    Auch sie, Luana, Eleonora und Lea werden hier schlafen. Die Rangeruniform passt wie angegossen, sowohl die Schuhe, die Hose, das Oberteil und die Jacke. Die Handschuhe runden das ganze ab. Nach einem kurzen Blick in den Schrankspiegel, in welchem ich mich ganz sehen kann, verlasse ich das Badezimmer, in dem ich mich umgezogen habe und welches durch eine kleine Holztür zu erreichen ist, um danach mit Celia zurück in den kreisrunden Raum zu gehen.


    Urs reicht mir sofort meinen FangKom. Begeistert und mit großen Augen betrachte ich ihn, führe das kühle Metall und wie er leicht und handlich in meiner rechten Hand liegt, um dann mit ihm meine Ranger Pose auszuprobieren. Es fühlt sich toll an. Danach wird mir noch etwas über sogenannte Pokéstärken erklärt, mit denen mir meine Pokémon Freunde, aber auch Sany als mein Partner Pokémon während eines Fangversuches helfen können.
    "Gut, jetzt dürftest du alles Wichtige wissen. Somit bist du vorbereitet für deine erste Mission als richtiger Ranger. Frohderich verteilt heute die von uns Rangern entworfene Zeitung, der sogenannte Brisenauer Bote, überall in Brisenau und Schikolingen. Ich will, dass du ihm bei dieser Aufgabe hilfst", befiehlt mein Chef, klopft mir auf den Rücken, so heftig, denn ich kann kaum stehen bleiben. Also stolpere ich ein paar Schritte vorwärts, lasse es aber so aussehen, als wäre das absichtlich gewesen und mache mich gleich mit Frohderich auf den Weg. Er hat eine ganze Tasche voller Zeitungen. Draußen auf dem Weg von Briefkasten zu Briefkasten unterhalte ich mich mit ihm.
    "Weißt du, in dieser Ausgabe kommst du auch vor. Immerhin bist du der neue Ranger hier und die Leute, gerade die hier in Brisenau, sind gerne informiert über alles", erklärt er, während er einen Brisenauer Boten in eine kleine, runde Luke steckt und sicher geht, dass er nicht wieder herausrutscht. Ich reiche die nächste gleich einer Person, ein älterer Herr, die im Garten des nächsten Hauses steht.
    "Ach, du bist der neue Ranger?", fragt er mich, nachdem er einen kurzen Blick auf die Titelseite geworfen hat. Dort ist ein Bild abgebildet, ein Ausschnitt meines Klassenfotos mit Bodo an meiner rechten Seite, Rhythmia links neben mir. Ich nicke und erwidere sein aufmunterndes Lächeln, auf jeden Fall versuche ich es. Das Foto hat einen kleinen Stich in meiner Brust verursacht.
    "Nun, denn, man sieht sich", verabschiedet sich der Mann und verschwindet dann in seinem Haus. Schnell laufe ich Frohderich hinterher, der schon weiter gegangen ist. Den restlichen Vormittag verteilen wir weiterhin die Zeitung in Brisenau und zum Schluss auch in Schikolingen, das letzte Haus, zu dem wir kommen, ist das meine. Nur zu gut, dass Lucy gerade unseren Garten verlassen will, denn wir haben noch keinen Briefkasten. Somit kann ich ihr sofort den Brisenauer Boten geben.
    "Wow, Kathrin!", begrüßt sie mich begeistert, als sie mich sieht, "Jetzt siehst du endlich wie ein richtiger Ranger aus, jetzt, da du die Ranger Uniform an hast! Richtig cool, echt! Oder, was sagst du, Lala?" "Vuuu!!", stimmt das Vulpix zu. Es sitzt gemütlich auf dem Boden. Ich winke ab: "Ach, was… Lu, du musst Onkel Herbert noch klar machen, dass wir einen Briefkasten brauchen, okay?" Sie nickt und macht sich gleich auf den Weg, um es ihm zu sagen.
    "Das ist deine kleine Schwester?", fragt mein neuer Kollege neugierig und ich nicke. "Lucy, und Vulpix ist ihr Lieblingspokémon. Das ihre heißt Lala." Sany meint nur: "Evoo, evo, Evoli!", was übersetzt heißen soll: "Und ich bin dein Lieblingspokémon!" "Natürlich, deswegen bist du doch auch mein Partner Pokémon!", stelle ich klar und kraule sie kurz unter dem Kinn. Frohderich sieht mich daraufhin schief an und ich muss, mal wieder, erklären, dass ich, meistens jedenfalls, wortwörtlich verstehen kann, was Pokémon sagen.
    Zurück in der Ranger Basis platzen wir mitten in ein Interview. Ich erkenne sofort Reporter Erwin, da öfter Bilder von ihm in Rhythmias verschiedenen Klatschzeitschriften auftauchen, und er stellt Urs ein paar Fragen. "Ohh, eine interessante Antwort.. Also, wenn sie die Ranger Arbeit mit einem einzigen Wort beschreiben müssten, was für eines wäre es?", löchert der Interviewer gezielt und notiert sich die letzte Antwort auf einem kleinen Notizblöckchen. Der Stift, den er benutzt, den klemmt er sich normalerweise hinter die Ohren, aber jetzt braucht er ihn. Natürlich. Urs denkt angestrengt nach, aber auch nach einer Weile scheint er kein passendes Wort gefunden zu haben.
    "Da gibt es so viele Wörter, am passendsten wären wahrscheinlich… Spannend! Oder vielleicht abenteuerlich, weil man immer, an jeden Tag, so viel erlebt!", antworte ich an seiner Stelle, weil Erwin schon ungeduldig mit seinem Stift auf den Block klopft, "Jeden Tag wird man mit neuen Problemen konfrontiert, die es zu lösen gilt, mal sind sie leichter, mal schwerer. Teilweise werden daraus richtige Abenteuer, Spannung ist immer dabei. Als Ranger wird einem garantiert nie langweilig, denn man hat immer was zu tun. Ich würde abenteuerlich nehmen."
    Der Reporter mustert mich, neugierig und fragend.


    "Du bist... der neue Ranger der Brisenau Basis?", hakt er nach und notiert sich etwas auf dem Notizblock. Bevor ich antworten kann, kommt mir mein Chef zuvor: "Genau, das ist Kathrin, die Neue. Sie kommt von ihrer ersten offiziellen Mission. Nun Kathrin, für dich heißt es wohl: Mission geschafft!" Der letzte Teil ist an mich gerichtet. Ich lächele zufrieden und geselle mich zu Celia und Luana, die sich neben den Tresen niedergelassen haben. Das Interview bekomme ich von da an nicht mehr mit.
    "Hey, Kathrin, wie ist es gewesen?", fragt Celia interessiert.
    "Nun ja…“, fange ich langsam an, nach den richtigen Worten suchend, "Es hat sich gut angefühlt. Es war natürlich ein Kinderspiel, nur die Zeitungen auszutragen, dennoch war es meine erste richtige Mission. Außerdem waren viele der Bewohner von Brisenau und Schikolingen draußen, sodass ich mich gleich vorstellen konnte... Oder besser, mich vorstellen musste."
    "Das war der Plan", meint Luana und ihr Haspiror hüpft aufgeregt mit Sany durch die Gegend. Bis mein Evoli anfängt, Purzelbäume zu schlagen. Eigentlich war das nur ein Versehen, weil sie ausversehen auf dem glatten Boden ausgerutscht ist. Haspiror jedoch scheint nicht wirklich zu wissen, wie das funktioniert und so versucht Sany es ihr zu erklären. Lachend betrachten wir die komischen Rollen von Luanas Partner Pokémon.
    "Was hast du eigentlich in der Zeit gemacht, in der ich daheim war? Etwa schon mit Eleonora gearbeitet? Weil sie doch deine Mentorin ist...", frage ich Celia. Sie zwirbelt ihre Haare zwischen ihren Daumen und ihrem Zeigefinger und murmelt: "Eleonora hat damit begonnen, mir beizubringen, wie ich am besten FangKoms reparieren kann. Das ist ein großes Themengebiet, da ich wissen soll, wie ich die Geräte richten kann, da sie das wichtigste Werkzeug von euch Rangern sind. Ihr braucht die, damit ihr eure Arbeit erledigen könnt und damit ihr mit der Basis in Kontakt bleiben könnt. Tagsüber musste ich also schrauben, schrauben, schrauben. Und abends konnte ich dafür mit Chris, also, meinem Freund, telefonieren. Er ist zur Mechanikerausbildung immerhin direkt in die Ranger Vereinigung von Almia gekommen, aber es lohnt sich nicht, dass wir uns gegenseitig besuchen. Ich denke, dass ich ihn entweder sonntags treffen kann oder wenn ihr mal zum HQ geschickt werdet, dass ich euch dann begleiten kann. Aber dafür kann ich noch mit dem Handy den Kontakt zu ihm halten... Zu blöde, dass es in Fiore kein richtiges Netz gibt, was...?"
    Ich nicke traurig. Das wäre es gewesen. Dann hätte ich tagtäglich mit Bodo telefonieren können und müsste nicht wochenlang auf einen Brief von ihm warten. Dann könnte ich seine Stimme hören, auch wenn ich nicht in seine Schokoaugen schauen hätte können. Wer weiß, wann der erste Brief ankommen wird...
    "Ach, ihr meint wegen Bodo", ich höre ein Grinsen aus Luanas Stimme und Worte heraus, "Ja, das wäre wahrscheinlich besser, wenn ihr nicht so eine dumme Fernbeziehung führen müsstet..."
    "Wir sind nicht einmal mehr zusammen, vergesst das nicht!", unterbreche ich sie fauchend. Die zwei schauen mich frech grinsend an, dann stellt Celia fest: "Aber am liebsten hätte sie das Gegenteil, doch das hast du ja schon kapiert." Sie knufft Luana, die lachend nickt.
    "Was hat Lulu schon kapiert?", fragt Eleonora plötzlich, die, ihren Kopf schräg gelegt, auf uns zukommt. Celia und Luana kichern verschwörerisch und es scheint, als würden sie gar nicht mehr damit aufhören, also antworte ich: "Es ging um Bodo..."
    "Deinen Freund?" hakt sie nach, während sie zusieht, wie Sany und Haspiror, welches nun endlich den Dreh raushat, einen Purzelbaum nach dem anderen schlagen. Ich bin ebenfalls völlig abgelenkt von dem anhaltenden Kichern meiner Arbeitskollegen. Somit gebe ich ein ahnungsloses "Jaaa..." von mir, dann, als ich jedoch kapiere, was ich gesagt habe: "NEIN! Er.. er ist nicht mein Freund!"
    Die Rangerin und die angehende Mechanikerin kugeln sich inzwischen auf dem Boden aufgrund meiner falschen Antwort. Meine Gesichtsfarbe wechselt von normal zu einem leuchtendem Rot und die Mädchen sehen jetzt wirklich so aus, als würden sie nie wieder aufhören. Celia bekommt vor lauter Lachen schon fast keine Luft mehr, muss sich aufsetzen und versuchen, sich zu beruhigen.
    Mit hochrotem Kopf verschränke ich die Arme vor meiner Brust und warte darauf, dass sie aufhören.


    "Also gut...", quiekt Celial und reibt sich die Augen, um ihre Lachtränen wegzuwischen, "trotzdem hättest du ihn gerne als Freund und nicht nur als besten Freund, das kannst du jetzt nicht mehr abstreiten."
    "Warum glauben eigentlich alle, dass Bodo und ich ein Paar sind? Du", ich deute auf Luana, die immer noch mit einer Hand vor dem Mund giggelt, "Hast es damals bei dem 1-Tages-Praktikum gleich laut ausgesprochen, als ich mich nur neben ihn hingesetzt habe, Eleonora", mein Zeigefinger wandert zu der Mechanikerin, "Hat ihn gerade 'meinen Freund' genannt, Tante Ruth und Onkel Herbert haben mich gefragt, als sie ihn das erste Mal sahen, seit wann ich in einer festen Beziehung bin und sogar Fräulein Mai hatte bei der Abschlussfeier so einen Unterton, der ihre Gedanken verriet."
    Atemlos vom schnellen Sprechen, meine Stimme hat sich dabei fast überschlagen, lehne ich mich zurück und lasse meine Hände müde auf die Knie sinken. Erst ist es still, abgesehen von Reporter Erwin, der einen neue Frage an Urs stellt, dann murmelt Eleonora: "es ist genau das, was Luana bei deinem 1-Tages-Praktikum gesagt hat, ich meine, 'Ihr seid echt ein süßes Pärchen!'. Ihr würdet aber wahrscheinlich nicht nur total süß zusammen sein, sondern einfach auch perfekt zusammen passen. Wie zwei Teile eines Ganzen, zwei zueinander gehörende Puzzleteile. Von da her kann ich jeden verstehen, der von euch annimmt, dass ihr zusammen seid. Da ihr auch noch beste Freunde seid und euch daher ziemlich nahesteht, bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass das noch mehr denken, als euch bewusst ist. Als dass euch jeder einzelne auffallen würde, der euch so sieht."
    Ziemlich erschöpft von dem vielen Herumtollen mit Haspiror kommt Sany zu mir, ich nehme sie vorsichtig in die Arme und streichele sie gedankenverloren. Eleonoras Worte geben mir viel zu Bedenken, auch wenn ich mir teilweise schon so etwas in der Art gedacht habe, bevor sie es ausgesprochen hat, aber trotzdem...
    "Leute, ich brauche eine Person, die auf Patrouille geht, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist… Ja? Kathrin? Du machst das!" Urs hat das Interview kurz unterbrochen und ehe mich jemand aufhalten kann, melde ich mich sofort für die Patrouille. Wortlos lasse ich die mit offenen Mündern dasitzenden Mädchen zurück und verlasse die Basis mit großen Schritten. Es ist am besten, wenn ich gleich wegrenne, damit die drei mir nicht folgen können, da ich am besten doch alleine nachdenken kann und genau das brauche ich jetzt. Nur mit Evoli als Gesellschaft biege ich flink um die Kurve, schnell renne ich die Straße entlang, um noch eine Biegung, den Gehweg bis in den Wald hinein.
    "Siehst du das auch so wie die anderen, Sany? Du weißt schon, was ich meine...", frage ich vorsichtig mein Partner Pokémon. Übersetzt in die Menschsprache antwortet sie verschlagen: "Klar, und ich habe euch zwei auch teilweise in Situationen zu zweit gesehen, in der ansonsten niemand bei euch war. Oder euch einfach keiner gesehen, besser gesagt, euch keiner beachtet hat, wie zum Beispiel bei der Abschlussparty... Lucy hat schon bei deinen ersten Briefen so darüber gedacht, aber natürlich nichts dazu geschrieben."


    Okay, das will was heißen. Meine kleine Schwester merkt leicht, ob jemand in ihrer Umgebung einen anderen mag, liebt, nicht mag, oder vielleicht sogar hasst. Sie erkennt das meistens an der Art, wie dieser jemand die Person beschreibt, über oder mit ihr redet, aber auch, was bei mir jedoch durch Briefe nicht zu sehen war, wie der Gesichtsausdruck ändert.
    Dennoch, wenn Lu bei mir bereits zu anfangs merkte, was Sache ist, dann habe ich es erst ziemlich spät herausgefunden, dass ich in meinen besten Freund verliebt bin. Wie peinlich ist das denn. Sie wusste es vor mir...
    "Ihr seid doch alle unmöglich…", murmle ich dem Evoli zu, aber mehr habe ich nicht zu meiner Verteidigung zu sagen. Sany kichert leise vor sich hin und ich schaue auf sie runter, bevor ich mein Blick wieder über den Waldboden streifen lasse, welcher mit Blättern, Zweigen und jeder Menge Kiefernnadeln bedeckt ist. Dadurch ist die dunkelbraune, vom gestrigen Regen noch feuchten Wald Erde nicht mehr zu erkennen. Der kühle, frische Wind streift meine Arme, woraufhin ich eine leichte Gänsehaut bekomme und meine Haare wehen ein bisschen nach hinten. Es dauert eine Weile, bis mir klar wird, dass ich mich unbewusst in Richtung Zephyr Strand begeben habe. Anstatt den Feldweg zu nehmen habe ich mir einen eigenen Weg durch den Wald gebahnt, das muss der Grund sein. Erst als mir das Rauschen auffällt, hebe ich meinen Blick und sehe den Strand mit dem glasklaren, blauen Meer, in dem sich der hellblaue Himmel mit den vielen weiß bis grauen Wolken spiegelt.
    Den Unterschied, als ich vom weichen Waldboden auf den knirschenden, nicht ganz so widerstandslosen Sand trete, spüre ich sofort unter meinen neuen Schuhen. Auch die plötzliche Wärme, dadurch, dass ich aus dem kühlen Schatten der vielen Baume heraustrete und nun von der Sonne angestrahlt werde, spüre ich auf meinen nackten Armen und Beinen.
    "Weißt du noch, Sany? Hier haben wir uns zum ersten Mal gesehen...", flüstere ich fast zu leise, aber Evolis feines Gehör bekommt es natürlich mit. Meine Gedanken sind bei dem Tag, an dem ich mein 1-Tages-Praktikum hatte und am Strand mein jetziges Partner Pokémon gefangen habe. Natürlich denke ich dabei auch wieder an meinen besten Freund, der damals dabei war.
    "Ich weiß, dass du nicht an den Fang denkst, sondern dass deine Gedanken um etwas, um genau zu sein, um jemand ganz anderen kreisen", kichert Sany. Meinen wütenden Blick, den ich ihr zuwerfe, bemerkt sie nicht. Dann höre ich eine Person halblaut rufen: "Ah, bist du nicht eine der drei Schüler, die damals bei ihrem Praktikum die Pokémon beruhigt haben?" Ich wirble in die Richtung, aus der die Stimme kam und sehe… Herrn Holzwardt, der ebenfalls in Brisenau wohnt. Als ich vorhin mit Frohderich Zeitungen verteilt habe, ist er nicht daheim gewesen, also haben wir ihm die Zeitung in den Briefkasten gelegt.
    "Äh ja, das bin ich, aber...", fange ich an, doch er schneidet mir sofort das Wort ab: "Nun bist du ein echter Ranger. Und wie ich sehen kann, hast du eines der Pokémon jetzt als Partner Pokémon erhalten." Seine Augen ruhen auf Sany, die ihren Kopf, um seinen Worten zuzustimmen, an mein rechtes Bein reibt.


    "Wo ist denn der Junge, der das letzte Mal bei dir gewesen ist? Nicht der braunhaarige, sondern der andere mit der chaotischen Frisur. Ich nehme mal an, das ist dein Freund?", fährt er ruhig fort.
    "Evo, li, Evo!", lacht Sany in sich rein, was so viel heißt wie: "Da hast du es mal wieder. Jeder geht davon aus, dass ihr zusammen seid. Jeder."
    Mein Gesicht wird rot und als ich antworte, habe ich ein leichtes Knacken in der Stimme, dass das Krächzen begleitet: "Er ist in Fiore stationiert worden und er ist mein bester Freund, nicht mein..." "Ach, papperlapapp! Versuch mir nicht Dinge zu erklären, die eindeutig sind und das war mehr als offensichtlich!", winkt Herr Holzwardt ab. Ich habe das dumpfe Gefühlt, dass er gerne Menschen unterbricht, während diese sprechen und er scheint ziemlich starrsinnig auf seinen Meinungen zu verharren.
    "Wie geht es dem Pachirisu, dem Mampfaxo und dem Staralili und den Schallelos, um die wir uns damals kümmern mussten?", hake ich neugierig nach. Wahrscheinlich frage ich das aber auch nur, weil ich das Thema wechseln will. Geistesabwesend schaut der alte Herr aufs Meer, jedenfalls wirkt er so, als wäre nur körperlich ganz anwesend, doch er antwortet sofort: "Es geht ihnen gut, nun ja, gerade Pachirisu muss ganz schön fröhlich sein, denn es hat genau das gleiche Schicksal ereilt wie dein Evoli." Überrascht blinzle ich.
    "Wer...", fange ich an, doch ich komme nicht weiter.
    "Der braunhaarige Junge, der auch bei deinem Praktikum dabei war. Anscheinend ist es ihm gefolgt, auf jeden Fall ist es an eurem letzten Schultag in Richtung Schule verschwunden und ich nehme an, dass es ihm gefolgt ist." Das soll dann wohl heißen, dass Primo auch schon im Besitz eines Partner Pokémon ist. Ob Bodo wohl auch schon eines hat? Was für eines es wohl ist, wenn er eines hat? Ich beschließe ihn das in dem Rückbrief zu fragen. Wenn er es mir nicht schon selber schreibt.


    "Danke für die Informationen. Auf Wiedersehen, Herr Holzwardt", verabschiede ich mich kurz und renne in Richtung Windspielhügel.
    Auf der großen Klippe weht der Wind sehr stark, so gewaltig, dass er mir die Haare immer wieder ins Gesicht bläst und Sanys Fell genauso stark auf ihren zierlichen Körper drückt wie das Gras auf die kalte Erde. Das Meer, auf welches ich am Rand der Klippe runterblicken kann, schlägt große Wellen. Das letzte Mal habe ich nicht so sonderlich auf die Umgebung geachtet, da ich viel zu aufgeregt und nervös war. Die Beine baumeln lassend betrachte ich das unruhige Wasser, aber nicht lange. Nur bis Sany: "Und ich denke du bist ein echter Ranger? Stattdessen sitzt du hier faul rum" schimpft. Also nehme ich sie auf den Arm und stehe vorsichtig auf, um zurück durch den Wald, den nun menschenleeren Strand entlang und dieses Mal auf dem Feldweg zurück nach Brisenau.
    Den ganzen Nachmittag über habe ich nicht viel zu erledigen. Ein kleines Mädchen mit schulterlangem, dichtem Haar namens Mara hat eines ihrer vier Wonneira verloren und ist weinend durch den Wald zwischen Brisenau und Schikolingen geirrt. Ich habe sie erst beruhigen müssen, und ihr dabei versprochen, weiter nach ihren Pokémon zu suchen. Zu zweit haben wir es nach einer Viertelstunde freudig in einem Garten von Schikolingen mit einem kleinen Jungen spielend gefunden. Mara und Robert, so heißt der Junge, unterhielten sich dann noch kurz miteinander, dann hab ich das Mädchen zusammen mit ihrem Wonneira nach Hause begleitet.
    Zu meiner Überraschung habe ich herausgefunden, dass sie direkt neben der Ranger Basis wohnt.
    Der zweite Auftrag bestand darin, Herrn Holzwardt ein paar Stämme zu besorgen, aus denen er Figuren schnitzt, für die er in ganz Almia bekannt ist. Nachdem ich mit der Hilfe einiger Sonnflora mehrere dicke Äste und zwei Stämme, die durch den Rasierblatt zu etwas kleineren Stücken zerteilt wurden, bis zu seinem Haus gebracht habe, bietet er mir an, als Belohnung eine Figur meiner Wahl zu schnitzen. Kurz überlege ich, was für ein Pokémon am besten wäre, bis mir Lucy einfällt. Somit entscheide ich mich für ein Vulpix. Am Abend konnte ich es mir abholen.
    Und mehr war nicht los.


    In der Basis selber ist es laut, denn anscheinend gibt es gleich Abendessen. Auf jeden Fall ist Leas Tresen auseinander geklappt und für jeden ein Stuhl hingestellt worden, dazu ein Teller und Besteck.
    "Was gibt es denn?", höre ich eine Stimme hinter mir und dich schrecke zusammen. Luana betritt nach mir den Raum. "Karotoffelsuppe von Eleonora!", antwortet Celia. Sie grinst breit, während sie einen großen Kochtopf zu den Tresen stellt. Verwirrt setze ich mich auf den Platz neben ihr und schaue genauer auf den Inhalt des großen Topfes, bevor ich frage: "Was genau ist Karotoffelsuppe? Davon habe ich ja noch nie etwas gehört."
    Statt Celia antwortet die Köchin selber: "Eine Mischung aus Karotten- und Kartoffelsuppe. Die Idee dafür kam mir, als ich während einer Mission nichts zu tun hatte. Ich musste mir überlegen, was es zum Abendessen geben soll. Wir hatten weder genug für Kartoffeln für Kartoffelsuppe noch genug Karotten für Karottensuppe. Zum Schluss habe ich aus lauter Verzweiflung eine Mischung aus beidem gemacht, aber jeder fand es lecker. Von Frohderich kommt der Name. Karotoffelsuppe. Ich hoffe, es schmeckt dir genauso gut wie den anderen. Celia hat bei der Zubereitung schon genascht und sie mag es."
    Nachdem jeder ein paar Schöpflöffel voll in seinen tiefen Teller bekommen hat, probiere ich vorsichtig ein wenig. Es ist wirklich lecker. Nachdem wir alle mit dem Essen fertig sind verziehe ich mich kurz ins Bad und verstaue danach das Minivulpixfigürchen auf meinem Nachtkästchen neben dem Bett. Müde wickle ich mich in meine Decke ein. Morgen werde ich Lucy die kleine Holzfigur geben, gleich am Vormittag. Sany rollt sich neben mir auf dem Kissen ein. Sie ist das letzte, was ich sehe, bevor ich einschlafe.



    Sooo, nach langer Zeit ist für Unwished so gut wie fertig, und dadurch kann ich das 13. Kapitel von jetzt genau 43 Kapiteln online stellen.
    Ach ja, meine Lieblingsstelle in diesem Kapitel ist, als sich Kathrin verplappert xDD
    Viel Spaß beim Lesen,
    eure Soso-chan

  • Soo, jetzt kommt das 15. Kapitel, da ich das 22. ja inzwischen auch fertig abgetippt habe.


    Kapitel 15 - Mission in der OzeanhöhleDie ersten zwei Wochen für mich als Ranger sind zwar schön, aber auch anstrengend und etwas einsam. Natürlich bin ich nicht allein. Luana und Celia sind inzwischen echte Freundinnen geworden, mit denen man nicht nur lachen kann. Sany ist so gut wie immer bei mir, Lucy kommt jeden Tag nach Brisenau, meine Arbeitskollegen sehe ich natürlich auch und die Einwohner von Brisenau und Schikolingen ebenfalls. Trotzdem fühle ich mich im Inneren leer, fast, als würde ein Teil von mir fehlen, ein wichtiger Teil. Keiner der Menschen und Pokémon, die tagtäglich an meiner Seite sind, können diese Lücke füllen.
    Der Stress meines Berufes jedoch lässt mich die Leere von Zeit zu Zeit vergessen. Das erste Mal seit meinem allerletzten Schultag, an dessen Abend das Loch entstanden ist, fühle ich mich, was es die Leere angeht, wieder ein wenig besser. Der Grund dafür ist ebenso offensichtlich wie einfach, doch es stimmt mich richtig fröhlich. Ein Brief, der mir beim Frühstück von Celia gereicht wird, die über das ganze Gesicht grinst. Ich nehme ihn zögerlich an mich, aber als ich den Absender sehe, hätte ich beinahe losgequietscht. Bodo. Der erste Brief von Bodo. Schnell greife ich nach meinem Frischkäsetoastbrot und rase raus aus der Basis. Ungeschickt stopfe ich das Toastbrot in den Mund, damit ich beide Hände frei habe, um den Umschlag zu öffnen und das Stück vollbeschriebenes Papier herauszuholen. Ich verschlinge das Niedergeschriebene geradezu:"Hallo Kathrin,wie geht es dir? Ich hoffe doch gut! Fiore ist eine spannende Region, aber das weißt du ja selber. Immerhin hast du selber hier gewohnt. Primo ist an der gleichen Station wie ich, weshalb ich wenigstens ihn zur Gesellschaft habe. Rhythmia, die ein Dorf weiter ist, ist darüber natürlich überhaupt nicht froh. Sie kann ihn nur am Wochenende sehen und ihre Wut darüber lässt sie an mir aus. Unfair. Außerdem kann sie ihn wenigstens sehen. Und ich kann nichts dafür. Schade, dass du nicht hier sein kannst. Ach, erinnerst du dich noch an das Pachirisu von unserem 1-Tages-Praktikum, das Primo gefangen hat? Es ist sein Partner Pokémon geworden! Wir waren ganz erstaunt, als es plötzlich im Schiff war, aber Primo ist sofort klar gewesen, warum es dort war. Ich habe mein Partner Pokémon heute Vormittag getroffen. Es ist ein Bamelin. Wie geht es Sany? Und Lucy? Ich hab dir noch ein Foto von mir und meinem Bamelin beigelegt. Kaum zu glauben, wie herrschend es ist. Man kann es ein wenig mit Blondi vergleichen.
    Du schreibst mir doch zurück, oder? Ich freue mich schon jetzt auf deine Antwort!
    Du fehlst mir sehr.Dein BF, Bodo."Lächelnd lese ich mir das Papier 5- Mal hintereinander durch, dann ziehe ich auch das Bild aus dem Umschlag. Da ist er. Bodo, in seinen Armen ein orangenes Pokémon, das in dem Moment der AUFNAHME versuchte, meinem besten Freund über das Gesicht zu schlecken. Den Kopf zur Seite gelegt bleibe ich mitten auf dem Feldweg im Wald stehen, eine ganze Minute lang verharre ich. In der Position, dann fasse ich mich und renne in Richtung Schikolingen. Da ich ohnehin auf Patrouille für heute Vormittag angesetzt bin, und deshalb kann ich getrost nach Schikolingen gehen. Luana ist heute dafür zuständig die Patrouille in Brisenau zu führen. Ungeduldig mit dem Blick auf den Brief klingle ich daheim, da ich keinen eigenen Schlüssel habe. Tante Ruth öffnet die Türe und starrt mich an.
    "Lucy?", sage ich kurz angebunden. Laut schreit sie nach meiner Schwester. und ich höre kurze Zeit später Füße, die die Treppe hinabsteigen, den Flur entlang bis in den Windfang.
    "Lu, der erste Brief ist angekommen!", begrüße ich sie fröhlich und leicht hibbelig. Schnell hüpft sie in ihre Schlappen und stolpert durch die Haustüre nach draußen. Nur Lala springt hinter ihr her. Dann zieht mich Lu aus dem Garten und lässt die nichts verstehende Tante Ruth einfach stehen.
    "Gib, gib, ich mag lesen", befiehlt Lucy und will das Blatt haben, also gebe ich es ihr. Sie setzt sich auf den Gehsteig, lehnt sich gegen unseren Zaun und fängt an zu lesen. Ich dagegen bleibe stehen und blicke die Straßen auf und ab.
    "Schreibst du ihm gleich zurück?", fragt sie danach und verlangt noch nach dem Foto, auf dem Bodo und sein Bamelin abgebildet sind. "Ich denke, wenn ich genügend Zeit während der Patrouille habe, kann ich nebenher gleich schreiben... Aber dafür brauche ich ein Blatt Papier, einen Stift, einen Briefumschlag und zwei Briefmarken", antworte ich und ohne ein weiteres Wort rast mein Schwesterherz zurück in unser Haus, um drei Minuten später mit den ganzen Sachen zurückzukommen.
    Dann will sie mich auf meiner Patrouille begleiten. Wie gut, dass Schikolingen ein so friedliches Dörfchen ist, denn dadurch war so wenig zu tun, dass ich den Brief in Ruhe schreiben kann. Ganz zum Schluss, kurz vor dem Mittagessen, bringe ich ihn zusammen mit einem Bild von mir, Sany, Lucy und Lala im Umschlag zum Postamt von Brisenau. Ich habe folgende Worte geschrieben:"Hallo Bodo,
    wie geht es dir? Ja, mir geht es gut, auch wenn sie mich alle ziemlich auf Trab halten.
    Celia und Luana sind manchmal auf den Patrouillen mit mir dabei, nur heute habe ich ausnahmsweise Lucy mitgenommen.
    Aber so ist Rhythmia doch immer schon drauf gewesen. Versuch einfach, sie zu ignorieren und nicht mit ihr zu streiten, ansonsten wird es noch schlimmer.
    Herr Holzwardt hat mir erzählt, dass Pachirisu an unserem letzten Schultag zur Schule zur Schule gelaufen ist. Sany und Lucy geht es ebenfalls gut. Ich komme jeden Tag zu mir nach Hause, aber ansonsten schlafe ich jeden Tag in der Rangerbasis in meinem Zimmer mit Lea, der Technikerin, Luana, Eleonora, und Celia. Eleonora ist sozusagen die Köchin der Basis. Wie ist es da bei euch so? Übernimmst du das? Wenn ja, dann kann ich dir etwas vorschlagen, was wir hier alle gerne mögen und Eleonora hat es sich zufälligerweise ausgedacht.
    Es ist eine Mischung aus Karotten- und Kartoffelsuppe und trägt den sonderbaren, aber passenden und lustigen Namen 'Karotoffelsuppe'. Mir wurde erklärt, dass man beides zusammenmixen muss und es schmeckt wirklich gut. Wenn du willst, kann ich Eleonora nach dem genauen Rezept fragen und es dir beim nächsten Mal mitschicken, ja?
    Dieses Mal liegt noch ein Foto von mir (in Rangeruniform!), Sany, Lu und Lala bei.
    Du fehlst mir auch sehr...
    Deine beste Freundin Kathrin!"Nach dem Mittagessen bekommen wir Besuch, der völlig außer Atem ist. Schnaufend hält sich Herr Holzwardt am Türrahmen fest, während wir gerade die Teller in die kleine Küche bringen wollen, um sie dort in den Geschirrspüler zu räumen. Urs drückt mir schnell seinen Teller in die Hand, um ihn fragen, was los sei. Ich verstehe ihn nicht genau, nur einzelne Wortfetzen wie "Zephyr Strand, "Höhle" und etwas, dass sich wie "urkomisches Summen" oder "Brummen" anhört.
    "Okay, Leute, kommt allemal her!", ruft mein Chef dann, nachdem der ältere Herr geendet hat. Natürlich rennen wir alle zu ihm zum Ausgang der Basis, um zu erfahren, was er sagen will.
    "Laut der Meldung von Herrn Holzwardt hier kommen aus der Ozeanhöhle am Zephyr Strand seltsame Geräusche, die sich anscheinend auch auf die Pokémon auswirken, ähnlich wie bei dem 1-Tages-Praktikum. Kathrin, weißt du noch? Die Pokémon am Strand waren nicht mehr unter Kontrolle. Anscheinend stehen diese zwei Zwischenfälle in Verbindung. Also gut, Frohderich, mach dich auf dem Weg zur Ozeanhöhle, und ähm… Kathrin, du gehst mit ihm. Das gilt übrigens als Mission. Luana und ich übernehmen die Patrouillen", endet er und er bedankt sich bei Herrn Holzwardt für die Informationen.
    Nachdem ich Sany zu mir gerufen habe, die noch mit den anderen Partner Pokémon gespielt hat, rase ich mit ihr Frohderich hinterher. Schnell rennen wir durch Brisenau zum Wald, bis hin zum Strand. Dort angekommen frage ich erst mal: "Diese Ozeanhöhle... Die hab ich noch nie gesehen. Wie kommt das?"
    "Das liegt daran, dass man sie nur bei Ebbe sehen und betreten kann, ansonsten ist sie überflutet. Sie ist fast ganz am Ende des Strandes und jetzt kann man sie gut erreichen", erklärt er fachmännisch und läuft einfach weiter. Tatsächlich, hinten, fast dort, wo der Strand aufhört, ist ein kleiner Eingang am Fuße einer Klippe zu erkennen. Schon als wir uns darauf zu begeben können wir ab und zu, je nachdem wie stark der Wind uns um die Ohren pfeift oder eben schwächer, schon diese "urkomischen" Geräusche hören.
    "Fangen wir uns lieber noch ein paar Pokémon, wer weiß, was uns dort drinnen erwartet. Schau, dass du welche mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Typen besorgst, damit wir richtig vorbereitet sind. Wir treffen uns in fünf Minuten wieder hier", schlägt Frohderich bestimmend vor und rennt gleich ein wenig zurück, Knospi gemütlich hinterher. Ich biege mit Sany um die Ecke, dort, wo angeblich das Ende des Zephyr Strandes ist und der Strand... Geht anscheinend doch weiter! Hier ist der Sand feiner als vorne, aber die großen Palmen verdecken es so, dass man kaum erkennt, dass der Strand weitergeht. Ein paar kleine Schallelos relaxen im Schatten einiger Palmen, einzelne Nester von Wingull und Pelipper sind an der steilen Wand in kleine Löcher gebaut worden und weitere Pokémon halten sich hier noch auf.
    Ich entschließe mich, ein Charmian, ein Schallelos und ein Staralili einzufangen, um mich gleich zurück zum Eingang der Ozeanhöhle zu stellen und auf den ein bisschen später zurückkehrenden Frohderich zu warten. Ihn begleiten ein Bidiza, ein Papinella und ei Pichu. Dann betreten wir die Höhle.
    Abgesehen von dem Sonnenlicht von draußen erhellt nichts mehr den dunklen Tunnel, dessen steinige Wände anscheinend mehrere Löcher haben, denn kleine Wasserströme sickern aus ihnen hervor. Dadurch bilden sich Pfützen und Bächlein am Boden, die leicht durch das Licht glänzen. Das unerklärliche Brummen ist beim Betreten lauter geworden und nun ganz eindeutig zu vernehmen. Ausversehen steige ich gleich in eine der Pfützen, aber das stört mich nicht weiter. Sofort fällt mir nämlich ein Zubat ins Auge, das ziemlich verwirrt ist, denn es fliegt die ganze Zeit im Kreis herum.
    "Mit den Pokémon hier drinnen stimmt etwas aber ganz gewaltig nicht", knurrt Frohderich. Dadurch fallen mir noch ein weiteres Schallelos, welches den Kopf hin- und her bewegt, und ein Kleinstein, das oval förmig über den Boden rollt, auf. Ich gehe ein paar Schritte auf sie zu, den FangKom schon startbereit, als das Kleinstein aus dem Oval ausbricht und stattdessen auf mich zu donnert. Mit einem Schritt zur Seite kann ich ihm gerade noch so ausweichen und dann schicke ich die Fangscheibe los. Die Kreise des Fangversuches sind schnell gezogen, aber statt zu mir zu kommen, verschwindet es in der Dunkelheit des Tunnels.
    "Aber.. Ich habe es doch ganz normal gefangen...! Was glaubst du, Frohderich? Das hängt doch sicherlich mit dem pulsierenden Geräusch zusammen!", frage ich meinen Arbeitskollegen, aber bevor dieser antwortet ergreift Sany das Wort: "Evo, evo, Evoli!" "Was hat sie gesagt?", hakt Frohderich nach; natürlich wissen die anderen, dass ich verstehe, was Pokémon uns sagen wollen und so übersetze ich danach immer genau, wie jetzt: "Sany sagt, dass sie Pokémon durch die Geräusche kontrolliert werden und sich nicht beherrschen können. Jedoch sind nur die Pokémon betroffen, die nicht zufälligerweise außerhalb einer bestimmten Lautstärke eingefangen wurden. So reagieren unsere Pokémon Freunde, Knospi und Sany gar nicht darauf. Komm, wir sollten nach dem Urheber suchen und es abschalten."
    Mit der Zeit gewöhnen sich meine Augen an das wenige Licht und so stolpern wir nicht mehr immer wieder Felsbrocken, die auf dem Boden verstreut liegen. Auch das Geräusch wir immer lauter und stärker, genau wie das Pochen in meinem Kopf. Durch jeden Meter, den wir gehen, wird es schmerzhafter und nachdem wir um eine Kurve biegen, sehen wir es. Das Gerät, das den Lärm verursacht. Ein rotes, urkomisch geformtes Ding, das sich dreht und sobald ich es erblicke schmerzt mein Kopf heftig, aber ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen.
    "Was ist denn das für ein Teil? Denkst du, es gibt die Geräusche von sich?", fragt Frohderich und sein Knospi gibt ein ängstliches Piepsen von sich. Ich versuche, den Schmerz zu ignorieren und meine: "Das muss es wohl oder übel sein... Aber anscheinend können wir es so schnell auch nicht abschalten... Und wegtragen auch nicht." Auf diese Feststellung komme ich erst, als wir versuchen, es hochzuheben, nachdem wir weder einen Ausknopf noch einen Schalter finden konnten. Also bleibt uns keine andere Wahl, als sie zu zerstören. Nur, damit sie die Pokémon nicht mehr durcheinander bringt.
    Ich lege meinen FangKom auf es, berühre das kleine Touchscreen, um die Funktion "Fähigkeiten analysieren" zu aktivieren und warte ein paar Sekunden, damit ich danach das Ergebnis ablesen kann.
    "So wie es aussieht, brauchen wir ein Wasserpokémon mit dem Stärkeniveau 2. Weißt du, ob es hier drinnen Gastrodon gibt? Die wären perfekt für diese Aufgabe", erkläre ich und stecke das FangKom wieder zurück in die Umhängetasche, die mir vom Gürtel baumelt.
    "Ja, weiter hinten im Tunnel müsste eines leben", meint Frohderich nach kurzem Überlegen und deutet auf einen Weg, der noch weiter in das Innere der Ozeanhöhle führt. Je weiter wir von der Maschine wegkommen, desto leiser wird das Geräusch, sogar schneller als erwartet. Bald kommen die ersten Pokémon zum Vorschein, die sich absolut normal verhalten, fast so, als wäre hier in der Ozeanhöhle ansonsten nichts Besonderes. Gastrodon haben wir auch schnell gefunden und eingefangen. Ohne Nasgnet, ein weiteres, total unbekümmertes Pokémon in der Nähe, hätten wir jedoch nie den Stein zerstören können, der den Eingang zur Minihöhle von Gastradon versperrt hat.
    So weit weg von der Maschine hat das Pochen in meinem Kopf auch wieder aufgehört. Dennoch bin ich mir sicher, dass es wieder kommen wird, sobald wir bei der Maschine sind. Als wir direkt vor dem Gerät stehen, ist der Schmerz zwar nicht ganz so stark, aber es ist störend und nervig. Mit meinem FangKom gebe ich Gastrodon den Befehl, einen kräftigen Wasserstrahl auf die Maschine zu feuern, damit diese endlich zerstört wird, und so fliegt diese mit einem lauten "Rums" auseinander. Sofort hören alle Pokémon in unserer Sichtweite auf, sich verrückt zu benehmen. Glücklich springen ein paar von ihnen herum, andere sind sich erst nicht ganz sicher, ob es tatsächlich vorbei ist, aber das lässt bald nach.
    "Tatsache. Das Ding war also die Ursache. Und ich glaube, die Pokémon sind froh, ihre fünf Sinne wieder beisammen zu haben. Wir sollten die Maschine mit zurück zur Basis nehmen, damit sie dort analysiert werden kann. Du gehst am besten schon zur Basis vor und ich warte auf diese Person, die stärkste Person von Almia, die das Ding tragen wird", sagt Frohderich und ich stimme zu. Obwohl der stechende Schmerz mit der Zerstörung der Maschine verschwunden ist, fühle ich mich leicht schummrig in der Nähe des jetzt nicht mehr aktiven Gerätes.
    Anfangs noch ein wenig schwankend mache ich mich auf den Weg zum Ausgang der Höhle, möglichst weit weg, und Sany, Charmian, Staralili und Schallelos begleiten mich. Erst als ich die Sonnenstrahlen warm und angenehm auf meiner Haut spüre, verschwindet auch das letzte bisschen des Schwindelgefühls und genüsslich strecke ich mich erst, bevor ich weiter den Strand entlangrenne.
    "Diese Geräusche von vorhin kamen wir vor wie nicht von dieser Welt... Ich habe von ihnen eine richtige Gänsehaut bekommen!", höre ich Charmian unruhig maunzen. Anscheinend will sie ein Gespräch mit den anderen Pokémon beginnen. Sany geht sofort darauf ein.
    "Die waren auch nicht normal", erwidert sie heftig, "Noch nie ist mir so etwas zu Ohren gekommen, jedenfalls nicht so laut. Nur damals am Strand, als ich Kathrin das erste Mal traf, habe ich etwas Ähnliches gehört, dann weiß ich nicht mehr genau, was passiert ist. Erst nachdem ich gefangen wurde, konnte ich wieder klar denken, aber dazwischen war viel zu viel verschwommen..." Während mein Partner Pokémon das sagt, werde ich immer langsamer, bis ich schließlich ganz stehen bleibe.
    "Du hast mir nie erzählt, warum du und die anderen Pokémon euch nicht mehr unter Kontrolle hattet...", stelle ich fest. Sany setzt sich auf den Boden und wickelt ihren buschigen Schwanz einmal ganz um ihre Pfoten.
    "Naja, du hast auch nie gefragt, wieso", meint sie. Das stimmt. "Aber das lag nur daran, dass wir alle geglaubt haben, der Frachter habe euch aufgeschreckt. Jetzt, da ich darüber nachdenke, ist das eine nicht ganz so tolle Erklärung dafür. Klar gibt es Pokémon, die sich nach einem Schock besonders aufgedreht aufführen, aber du gehörst nicht zu der Sorte..." Jetzt geben wir erst recht Gas, jedoch stoppen wir bei dem Feldweg nach Brisenau ein weiteres Mal. Der Grund hierfür ist die Resolute Ute, die Frau von dem Milchmann Klein Hein.
    "Oh, du bist auf dem Heimweg?", begrüßt sie mich mit gerunzelter Stirn, "Erfüllst du auch immer schön deine Missionen und Aufträge, ja? Entschuldigung, aber ich muss weiter. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum, aber dein Kollege, dieser Scherzbold Frohderich, hat mich gerufen. Mein alberner Mann ist richtig eifersüchtig geworden und meinte, ich hätte mit Frohderich ein Rendezvous in der Höhle. Also habe ich gesagt, dass es genauso ist!" Lachend rennt sie den Strand entlang. Nach einem kurzen Blickwechsel mit meinem Partner Pokémon, das leicht amüsiert wirkt, laufen auch wir weiter.
    In der Rangerbasis angekommen, ist Urs der Erste, der mich informiert darüber, dass sie schon alles von Frohderich per Voicemail erfahren haben, aber das ist nicht alles: "Hervorragende Arbeit, Neuling. Natürlich bedeutet das: 'Mission geschafft!'. Lasst uns keine Zeit vergeuden: Kathrin, ich befördere dich hiermit in den offiziellen Ranger Rang 1!"
    "Juchu", freue ich mich und schließe Sany glücklich in die Arme. Hinter mir steht plötzlich Eleonora und meint: "Da bist du nicht der Einzige, der zeigt, was er kann. Dein Freund scheint sich in Fiore auch einen Namen zu machen. Schau, hier." Sie hält mir eine Zeitung unter die Nase und ich greife danach. Wie es aussieht ist es das "Almia Journal", jedoch dieses Mal mit der sogenannten "Fiore-Sonderausgabe" auf der ersten Seite. Sofort erkenne ich Bodo mit seinem rotbraunen, in alle Richtung abstehenden Haar auf zwei der Bilder, mit ihm sein Partner Pokémon Bamelin.
    Auf dem ersten Foto kann man noch ein Pikachu und ein Garados erkennen. Die Überschrift dazu lautet: "Garados tobt durch Sommerlingen" und darunter steht eine, in zwei Spalten aufgeteilter Text. Unter der rechten Spalte ist die zweite Illustration, nur mit Bamelin und Bodo darauf, mit einem auf der linken Seiten stehenden weiteren Text, mit dem Titel: "Bodo, der neue Held".
    "Darf ich sie lesen?", frage ich lächelnd, ohne den Blick von der Seite abzuwenden.
    "Natürlich", antwortet sie, "Wenn du willst, kannst du sie sogar behalten." Zufrieden lasse ich mich auf den Tresen von Lea nieder und fange an, zu lesen. Gerade noch rechtzeitig werde ich fertig, um zu sehen, wie jemand, zum zweiten Mal an diesem Tag, in die Basis stürmt. Klein Hein, der hervorstößt: "Ich brauche... jemanden... der mir... hilft…"
    "Wobei denn?", Urs ist sofort bei ihm.
    "Unser Miltank gehört gemelkt... aber nun, da meine... Frau weg musste... bleibt diese Aufgabe an... mir hängen... Jedoch ist unser Miltank heute besonders angriffslustig... und ich habe doch eine panische Angst vor Pokémon! Gerade wenn es so drauf ist, wage ich mich nicht in seine Nähe", erklärt er keuchend.
    Währenddessen lege ich die Zeitung auf die Tresen, um danach zu meinem Chef zu gehen. "Na gut", meint dieser, und als er mich bemerkt, fährt er fort, "Kannst du das erledigen, Kathrin?" Ich nicke zustimmend. Das Miltank zu fangen wird garantiert eine von den einfacheren Aufträgen sein, die heute noch kommen werden. Es braucht gerademal 10 Sekunden, und schon ist es beruhigt.
    "Vielen Dank!", bedankt sich Klein Hein, während sich das Miltank zufrieden an seine Beine schmiegt. Wenn es einmal beruhigt ist, sieht es total friedlich aus, so, als könne es keiner Fliege was zuleide tun.
    "Ach, das ist doch nichts weiter. Wenn es ihnen nichts ausmacht, gehe ich wieder zurück zur Basis. Auf Wiedersehen!", verabschiede ich mich sowohl bei Klein Hein als auch bei Miltank und dann schlendere ich zufrieden zur Ranger Station zurück. Kurz bevor ich diese betrete, höre ich einen lauten Knall, fast, als ob irgendetwas Schweres auf den Boden geflogen ist. Vermutlich muss es genau das gewesen sein. Als die Türe offen ist, liegt das Ding aus der Ozeanhöhle in der Mitte auf den Boden, direkt zu den Füßen von der Resoluten Ute.
    Vorsichtig trete ich zu ihr und zu meinen Arbeitskollegen und Urs staunt: "Resolute Ute, du bist wirklich die stärkste Person Almias, wenn du das Ding da tragen konntest. Und das dann nur mit einem einzigen Arm." Ich bemerke, wie Eleonoras Finger zucken und weiß sofort, dass es sie danach juckt, das Gerät unbarmherzig in seine Einzelteile zu zerlegen. Das bestätigt sie durch folgende Worte: "Och, bitte, bitte, bitte .Lass es mich auseinandernehmen, Chef. Ich möchte das unbedingt."
    "Nein, Eleonora", fährt er dazwischen, "dass solltest du nicht tun... Wir warten lieber erst einmal, bis Professor Hastings von seiner Geschäftsreise aus Fiore zurückkehrt, aber jetzt lassen wir es lieber so wie es ist." Ein wenig beleidigt und ihre große Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, schmollt die Mechanikerin und mit verschränkten Armen rennt sie zu Lea. Sie tut nichts lieber, als etwas auseinanderzuschrauben, es ist ihre absolute Lieblingstätigkeit. Ich kann es ihr nicht verdenken. Wenn man mir eine Fortsetzung von einer fabelhaften Serie vorlegen würde, mir aber gleichzeitig verbieten würde, sie zu lesen, dann wäre ich auch deprimiert deswegen.
    Ich folge ihr, lehne mich an die Wand neben der Türe, die zu unseren Schlafsälen und der kleinen Küche führt, und rutsche an ihr herunter, um mich neben sie zu setzen.
    "Luana ist also immer noch auf Patrouille. Ist Celia bei ihr?", frage ich, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Sie nickt jedoch nur griesgrämig, also beschließe ich, ihr den Brief zu zeigen. Mir ist sicher, dass sie mich wieder aufziehen wird, aber soll sie doch. Wenn es ihr dann wieder besser geht?
    Tatsächlich fängt sie schon während sie liest an zu grinsen. "Hast du schon eine Antwort geschrieben?", fragt sie und gibt mir das Blatt zurück. Dafür verlangt sie nach dem Foto.
    "Ich habe den Brief sogar schon bei der Post eingeworfen, damit er möglichst schnell ankommt", antworte ich lächelnd. Sie betrachtet zufrieden das Foto, reicht es mir danach wieder. Statt es in den Umschlag zu stecken, gehe ich damit in den Schlafsaal und durchsuche die Schublade meines Nachtkästchens. Irgendwo hier müsste es doch sein... Ach, da ist es ja. Ich ziehe einen Bilderrahmen zum Aufstellen hervor und keine Minute später ist das Bild hinter dem Glas verstaut. Ich stelle den Rahmen auf mein Nachtkästchen, betrachte es glücklich, dann hüpfe ich gut gelaunt zurück in den Hauptraum der Rangerstation.
    Urs und Frohderich unterhalten sich aufgeregt mit Lea über das Gerät, aber ich habe absolut keine Lust, an diesem Gespräch teilzuhaben. Eleonora scheint sich schon einmal in die Küche begeben zu haben. Das erinnert mich an etwas. Ich mache auf dem Absatz kehrt und steuere auf die kleine Küche zu, in der sich eindeutig jemand aufhält. Ich kann einen Schatten sehen und vernehme ein Scheppern. Kaum das ich in dem Raum spähe, sehe ich auch schon den Grund für den Lärm: Der Mechanikerin sind einige Töpfe aus dem Regal gefallen, nachdem sie diesen geöffnet hat.
    "Sag mal", fange ich an, und sie erschrickt, was mich ein bisschen kichern lässt, dann fahre ich dennoch fort, "Würdest du mir das Rezept für die Karotoffelsuppe geben, oder ist die geheim? Bodo kann nämlich echt gut kochen und ich habe ihm von deiner Suppe geschrieben und dass, wenn er will, ich dich fragen könnte, wie sie geht..."
    "Ach, ne, an der ist nichts geheim. Hol dir schnell einen Stift und einen Block, dann können wir gleich loslegen", erklärt sie. Nachdem ich kurz in unserem Schlafsaal zurückgesaust bin, kehre ich mit einem Kugelschreiber und meinem Notizbuch zurück. Eleonora zeigt mir erst, was genau wir brauchen, was ich sofort notiere.
    Dann hilft sie mir bei der Zubereitung.
    "Danke sehr, Eleonora. Weißt du was? Jetzt habe ich echt Hunger!", teile ich ihr, als wir endlich fertig sind, mit. Sie lacht, greift nach zwei Topflappen an die Henkel des Topfes und trägt ihn raus aus der Küche in den Hauptraum, bis zu den wieder aufgeklappten Tresen. Ich folge ihr mit den Tellern, Besteck und dem Schöpflöffel. An diesem Abend lege ich mich ziemlich zufrieden ins Bett, auch wenn ich noch etwas länger aufbleiben musste, weil noch ein kleiner Großeinsatz war. Die kleine Mara war mal wieder verschwunden und so haben wir Ranger uns aufgemacht, um sie zu suchen.
    Wäre ich etwas früher draufgekommen, dass sie wieder nach Schikolingen spaziert ist, um dort Robert zu besuchen, den Jungen von meinem ersten Tag als Ranger, wäre ich früher ins Bett gekommen. Jetzt liege ich eingekuschelt in meiner Decke. Sany schläft schon, zu einer Kugel zusammengerollt auf dem Kissen weiter oben, aber ich blicke auf das Bild, das ich extra noch in meine Richtung gedreht habe. Das Mondlicht scheint durch das Fenster so auf das Nachtkästchen, dass ich jedes Detail erkennen kann. Sogar das Goldkettchen mit dem weißen Kreuz, auf dem das offene Auge mit seiner roten Pupille herausstarrt. Meine eigene Kette mit dem Anhänger hängt über der Nachttischlampe, die ich manchmal anmache, wenn ich ein Buch lesen will.
    Abermals gähne ich ausgiebig, dann schließe ich meine Augen und schlafe selig ein.


    Hoffe, das Kapitel hat euch gefallen -^^-
    Lg, Soso-chan

  • Kapitel 16 - Schöne Überraschung

    Ungeduldig spiele ich mit dem Löffel in meiner leeren Tasse, in der zuvor ein warmer Kakao gewesen ist. Nachdem ich meinen Toast mit Pflaumenmarmelade gegessen, nun ja, ich habe mehr geschlungen, und meinen Kakao schnell runtergeschüttet habe, bin ich immer noch dazu gezwungen, am Tisch sitzen zu bleiben.
    Ich verabscheue es, die Zeit zu vertrödeln, nur um darauf zu warten, weil andere im Schneckentempo jedes einzelne Schokostückchen ihres Müslis einzeln aus der Schüssel herausfischen. In der Zwischenzeit hätte ich garantiert schon zehnmal nach Schikolingen und wieder zurück laufen können. Nein, jetzt mal im Ernst, wie lange noch...
    Endlich hat Celia ihre Milch ausgetrunken, die in ihrer Schüssel war, und ich darf mich endlich erheben... Glücklicherweise habe ich nicht auch noch "Küchendienst" und muss aufräumen, so dass ich gleich nach Hause rennen kann. Dort wartet nämlich Lucy mit einem "Auftrag" auf mich, den ich als Ranger übernehmen soll, auch wenn überhaupt nicht verstehen kann, wie Urs das als Auftrag zählen lassen kann. Oder gehört Keller aufräumen zu den Pflichten eines echten Rangers? Wohl kaum..Trotzdem freue ich mich auf einen kühlen Tag im Keller mit Lucy. Die letzten paar Tage waren wirklich heißt. Ist aber auch kein Wunder, immerhin ist es Sommer! Daheim angekommen, öffnet mir meine kleine Schwester schon die Türe, sobald ich durch das Gartentor getreten bin.
    "Kathrin! Bist du bereit?", lautet ihre Begrüßung und Lala neben ihren Füßen spricht mit Sany. Ich nicke, aber mir fällt sofort etwas auf, als ich das Haus betrete. Tante Ruths Schuhe sind allesamt aus dem Schuhregal genommen worden, sodass es jetzt ziemlich leer wirkt und ansonsten ist es ruhig im Haus.
    "Äh, Lu... Sind Tante Ruth und Onkel Herbert nicht da?", frage ich und schaue mich um.
    "Naja, sie haben beschlossen, dieses Wochenende unsere Cousine in Sinnoh zu besuchen", antwortet sie kichernd, "Du weißt doch, dass vor einer Woche diese Postkarte angekommen ist, mit der Bitte, dass sie sie mal wieder sehen möchte. Ruth und Herbert haben sofort beschlossen, das Wochenende zu verplanen."
    Stimmt, letzten Samstag ist nicht nur Bodos vierter Brief angekommen, sondern auch eine Karte von meiner achso geliebten Cousine Alexa. Sie ist eine bekannte Koordinatorin, wurde auch von Tante Ruth und Onkel Herbert aufgezogen und sie hat am gleichen Tag Geburtstag wie ich. Ich mag sie... nicht sonderlich, um es freundlich auszudrücken. Nein, ich kann sie wirklich nicht leiden. Ihr Charmian hat Lala einmal, als sie noch ganz klein war, in einen zugefrorenen See geworfen, der nicht allzu festes Eis hatte. Ein Glück, dass ich sie, seit sie ein Koordinator geworden ist, nicht mehr so oft sehen musste, zu guter Letzt dann kam sie mir gar nicht mehr zu Gesicht.
    "Also gut", meine ich fröhlich, da ich auch Tante Ruth heute nicht über den Weg laufen werde, "Dann mal ran an das Gerümpel im Keller!" Um unsere heutige Freiheit zu nutzen, rutschen wir das Treppengeländer runter und drehen Lus CD-Player so richtig auf. Die vielen Kartons und Holzkisten, die vollgestopft und aufeinandergestapelt im Keller stehen, nehmen fast den ganzen riesigen und rechteckigen Raum ein. Es sind Dinge, die früher unseren Eltern gehört haben, aber Ruth und Herbert haben sie nach unten geräumt, um die Zimmer nach ihren Geschmack einzurichten. Denn dieses Haus in Almia ist das Haus, in dem Lucy, Mama, Papa und ich vor 10 Jahren gewohnt haben, es ist genau das gleiche. Selbst die Lichtung, auf der wir von unseren Eltern verlassen wurden, ist ganz in der Nähe von der, auf der ich zum ersten Mal Stephie und Saphira gesehen habe. Ich vermeide es, diese Lichtung zu betreten, denn ich habe keine Lust darauf, alles wie ein Déjà-vu wieder zu erleben. Das wäre fast so schlimm, wie die früheren Träume, die mich gequält haben, bevor ich zur Pokémon Ranger Schule gekommen bin.
    Es ist echt interessant, die Kartons zu durchwühlen, und zu sehen, was unsere Eltern besessen haben, sogar einzelne Fotos und einige Kisten, in denen nur Bücher zu finden sind.
    "Jetzt weiß ich auch, von wem du das viele Lesen hast. Mama hat wirklich mehr als genug Bücher, die würden selbst dir ein Jahr zum Lesen reichen und das will was heißen, schau, hier", lacht Lucy und zieht einen dicken Roman aus einem Stapel mehrere Bücher hervor, klappt es auf und deutet auf das "Sally Rose" im Einband. Ich stimme in ihr Lachen ein und meine: "Ich werde versuchen, sie allesamt durchzuackern. Bin jetzt schon richtig gespannt darauf, was für welche Art von Romanen Mama am liebsten gelesen hat!" Eine weitere Kiste voller dicker Wälzer zu zwei anderen mit dem gleichen Inhalt schiebend, trällere ich im Chor mit Lucy zu einem Lied, das laut aus dem CD-Player heraustönt.
    Keine zehn Minuten später quietscht Lucy auf. In ihren Händen liegt eine kleine, hübsche Figur. Ein Vulnona, das seine prächtigen, neun Schweife um zwei niedliche Vulpix gelegt hat. Es recht seinen hübschen Kopf majestätisch in die Höhe, als wolle es gleichzeitig eine große Herrscherin sein und ihre Kleinen beschützen. Die drei sitzen auf einer Wiese mit sattgrünem Gras und vielen Blumen, Frühlingsblumen. Vielfarbige Krokusse, wunderschön geformte Tulpen und schneeweiße Schneeglöckchen verzieren den eintönigen Boden und geben dem ganzen Gebilde einem letzten, wundervollen Schliff.
    "Das muss Mama gehört haben. Sie hat diese Vulnona und Vulpix so sehr geliebt wie kein anderes existierendes Pokémon", murmelt Lu und stellt die Porzellanfigur auf eine schon fertig ausgepackte Holzkiste. Als wir sogar auf eine Uhr stoßen, die ebenfalls mit den gleichen Feuerpokémon verziert ist, und die natürlich nicht mehr funktioniert, frage ich mich, wie viel Uhr es gerade ist. Diese Frage stelle ich versehentlich laut, bekomme dafür aber eine konkrete Antwort von meiner kleinen Schwester, die nur kurz einen Blick auf ihre Armbanduhr wirft.
    "Was?! Es ist schon halb vier?!? Verdammt, ich muss zurück...", fluche ich und lasse beinahe die Uhr fallen.
    "Ich komme mit", verkündet Lucy und sie folgt mir die Treppe hoch. Evoli und Vulpix hüpfen gut gelaunt hinterher. So kommen wir zu viert in Brisenau bei der Rangerbasis zum Stehen. Innendrin ist es erstaunlicherweise still, zu still. Das wundert mich, denn normalerweise hört man immer irgendjemanden sprechen, nur dieses Mal nicht. Es wundert mich schon ein wenig, aber ich bin mir sicher, dass nichts ungewöhnliches passiert ist, denn wenn dies wahrhaftig der Fall wäre, hätten sie mich per Voicemail benachrichtigt. Sobald ich jedoch in dem abgedunkelten kreisrunden Raum betrete, versinkt der sichernde Strohhalm und eine böse Ahnung kommt mir. Bis...
    Das Licht geht mit einem Schlag an und das gebrüllte "Happy Birthday" erschreckt mich dermaßen, dass ich einen richtigen Schreckenshopser mache. Meine Arbeitskollegen stehen im Halbkreis vor mir. Lea, Urs, Celia, Frohderich, Luana und Eleonora, ihre Pokémon Makuhita, Knospi und Haspiror begrüßen mich breit grinsend, dennoch brauche ich eine Weile, bis ich kapiere, dass sie mir alle eine Geburtstagsfeier bereitet haben.
    Eine Überraschungsgeburtstagsfeier, und ich habe sogar vergessen, dass heute der 1. August ist. Seit heute bin ich 16 Jahre alt.
    "Alles Gute zum Geburtstag, Schwesterherz", beglückwünscht mich meine kleine Schwester und umarmt mich fest. es war klar, dass sie von der Fete wusste, warum auch sonst hätte mich Urs fast den ganzen Tag heim gehen lassen.
    "Ihr seid allesamt unmöglich. Danke, danke, danke!", meine ich, als Luana mich zerquetscht. Eleonora schüttelt mir mit der einen Hand die meine, und mit der anderen deutet sie auf die auseinandergeklappten Tresen, auf denen eine riesige Torte steht.
    "Ach du meine Güte, Eleonora. Du. Bist. Verrückt!", ich bekomme es kaum heraus. Wir setzen uns alle an den Tisch und Lucy reicht mir als erstes meine Geschenke. Zwei Päckchen und ein großes Paket, von denen das größte von Tante Ruth und Onkel Herbert sein soll. Es beinhaltet ein Cocktailkleid in dunkelrot und eine Karte, in der sie mir alles Gute wünschen. In Lucys zwei Geschenken befinden sich zwei Zopfbänder in schwarz, sie sind ziemlich flauschig, und ein goldenes Collier, alles zusammen soll es ein Outfit darstellen. Da ich das passende Paar Schuhe daheim habe, ist es perfekt. Noch bevor ich die Kerzen auf der Torte, genau 16 Stück, ausblasen kann, drängen mich die anderen dazu, das Kleid, die Zopfbänder und das Collier anzulegen.
    Also verziehe ich mich kurz in unseren leeren Schlafsaal und ziehe mich um, komme dann jedoch barfuß zurück, weil die Ballerinas daheim liegen. Das Kleid hat Spagettiträger und ist knielang. Vom verzierten Ausschnitt bis zur Hüfte hin ist eng anliegend, danach wölbt es sich, bis zu den spitzenbesetztem Ende. Es glitzert im Licht und bevor ich den Eingangsraum wieder betrete, begutachte ich mich im Spiegel. Zurück führe ich das Cocktailkleid vor, setzte mich dann aber sofort mit dem Rücken zum Bildschirm wieder hin und puste die Kerzen aus.
    "Unser Geschenk bekommst du erst später", erklärt Urs, "Ungefähr um 5 Uhr."
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch, in Gedanken an mein liebstes Geschenk, frage aber nicht weiter nach. Es wäre doch absolut toll, wenn Bodo zu meinem Geburtstag auftauchen würde... Und in einer halben Stunde ist es so weit... Die 30 Minuten vergehen wie im Flug. Sogar das mir noch bevorstehende Geschenk vergesse ich durch amüsante Scherze von Frohderich und aufheiternde Gespräche mit den anderen, sodass ich regelrecht in die Luft fahre, als hinter mir plötzlich eine Stimme ertönt.
    Da ich mich mit dem Rücken zum Bildschirm gesetzt habe, mit dem man sich mit Ranger oder anderen Technikern unterhalten kann, wundere ich mich zuerst, woher die Stimme kommt und noch mehr, wer gerade gesprochen hat. Ich drehe mich um, stehe auf und umarme den Bildschirm, wobei ich ganz genau weiß, dass ich ziemlich idiotisch aussehen muss. Das ist mir vollkommen egal. Auf dem großen Screen in Bodo erschienen!
    Wie auch immer er das geschafft hat, ich bin glücklich. Sehr glücklich.
    "He, Kathrin! Happy Birthday!", höre ich ihn sprechen und gehe dann ein paar Schritte zurück, um ihm ins Gesicht zu schauen.
    "Ihr. Seid. Unglaublich. KYAH!", quietsche ich freudig und hüpfe auf und ab. Urs stellt sich neben mich, nun ja, so nahe, wie es sich halt herantraut, da ich mich wie ein wildgeworfener Flummi aufführe, und erklärt: "Zu deinem Geburtstag wollten wir eigentlich, dass er dich persönlich besuchen kommt, aber dann haben wir uns überlegt, dass etwas langfristiges besser für die Zukunft ist. Also haben wir es ermöglicht, dass ihr zwei durch die Voicemail Funktion miteinander kommunizieren könnt. Es ist normalerweise nicht möglich, als Ranger in Almia einfach so Verbindung mit einem Ranger in dem viel zu weit entferntem Fiore aufzunehmen, dazu muss man im Normalfall im HQ sein. Doch nachdem Luana euren jetzigen Zustand beschrieben hat, hat Professor Hastings sofort zugestimmt. Ihr könnt nun jeden Tag miteinander reden."
    Ich presse die grinsende Luana an mich, nachdem sie aufgestanden ist, und bedanke mich noch einmal bei allen. Bodo lächelt zufrieden auf dem Bildschirm und meint: "Damit können wir uns das Briefe schreiben und das Warten auf Briefe sparen. Aber sag mal, was hast du denn an? Sag mir nicht, du hast deine Rangeruniform gegen dieses Kleid ausgetauscht!"
    Ich schaue verdutzt an mir herunter. Zu meinem Erstaunen bemerke ich, dass ich das Cocktailkleid von Ruth und Herbert noch trage. Dann drehe ich mich, damit mich mein bester Freund von allen Seiten sehen kann und frage: "Nein, das ist mein Geburtstagsgeschenk von Tante und Onkel, die jedoch auf einen Besuch in Sinnoh sind. Sag, gefällt es dir?" "Ja, das steht dir wirklich... He, Bamelin lass das!"
    Verdutzt beobachte ich, wie Bodos Gesicht vom Bildschirm verschwindet, gefolgt von einem orangenen Blitz, und dann sieht man nur noch den Hintergrund. Mein bester Freund befindet sich anscheinend gerade in dem Kontrollraum seiner Rangerbasis, die der unseren nicht unähnlich ist. Außerdem ist die einzige Person in dem Raum Primo und auf seiner Schulter sitzt das kleine Pachirisu.

    "Alles Gute zum Geburtstag", wünscht er mir, als er mich sieht, dann steht er auf, um Bodo zu helfen, der anscheinend von seinem Partner Pokémon angegriffen wurde. Als ich ihn mit Bamelin auf dem Arm wiedersehe, erklärt er: "Sorry, aber er mag es nicht sonderlich, wenn ich ihm zu lange keine Aufmerksamkeit schenke. Das ist mein Partner Pokémon, mal wieder typisch." Es winkt "Bamelin, lin!" sagend.
    Dann ergreift Sany das Wort. "Schön, dich kennenzulernen. Ich bin Sany, Kathrins Partner Pokémon!" Das Bamelin grüßt zurück. Mein Grinsen und die überglückliche Stimmung bleibt mit den ganzen restlichen Nachmittag, auch nachdem wir auf Patrouille gehen müssen und ich mich auf ein Gespräch mit Bodo am Abend freuen kann. Auf meinen Streifzügen durch Brisenau begleiten mich nur Luana und Celia, die mich die ganze Zeit necken und abermals zum Erröten bringen.
    "Hört auf damit, ansonsten sagt ihr später noch etwas falsches und dann habt ihr alles versaut", grinse ich und spüre, wie die Hitze sich in meinem Gesicht nicht mehr entfernen will.
    Abends, um halb neun, setze ich mich gerade auf mein Bett, als ich höre, wie mein FangKom laut losklingelt. Erst erstarre ich mitten in der Bewegung, meine Haare mit einem Handtuch abtrocknend und schnappe mir nach einer Sekunde das Gerät.
    "Hi", sage ich lächelnd, als ich Bodos Gesicht in dem kleinen Bildschirm erkenne. Er grinst breit zurück und ich frage: "Seit wann weißt du davon, was sie mir zum Geburtstag schenken wollten?"
    "Ich wurde heute Vormittag von Primo zurück in die Basis gezerrt, weil Urs angerufen hat und da wurde mir mitgeteilt, warum und was. Dabei hab ich mir schon Sorgen gemacht, dass ich dir nicht persönlich zum Geburtstag gratulieren kann und was ich dir am besten per Post als Geschenk schicke. Somit war das Problem gelöst", erklärt er glücklich. Seltsamerweise muss ich mir bei seinem süßen Gesichtsausdruck verkneifen, den FangKom an mich zu drücken, stattdessen knuffe ich mein Kissen ganz doll, bis Sany nach ihrer Katzenwäsche auf mein Bett springt.
    Dann knuddle ich sie, wobei ich darauf achte, sie nicht zu erdrücken.
    "Und warum sind deine Tante und dein Onkel, äh, wo nochmal?", löchert mein bester Freund, seine Mundwinkel anhaltend hochgezogen. Bevor ich antworte, lehne ich mich an der Wand an, an der mein Bett steht: "Ja, Ruth und Herbert sind für dieses Wochenende nach Sinnoh gereist, um dort meine Cousine Alexa zu besuchen. Sie hat ihnen letztens eine Postkarte aus dieser Region geschickt, mit der Bitte, dass die zwei sie mal besuchen sollten. Dummerweise hat sie sogar am gleichen Tag Geburtstag wie ich..."
    Er runzelt die Stirn und stellt fest: "Du magst deine Cousine nicht sonderlich, oder?" Meine Antwort darauf ist erst ein lautes, ziemlich übertriebenes Seufzen, dann versuche ich halbwegs meine angeberischen Verwandten nachzumachen: "'Schaut allemal her, ich bin die ja achso berühmte Alexa von Dannen. Man sieht mich oft im Fernsehen, bekleistert mit tonnenweise Schminke und einem ziemlich eingebildetsten Gesichtsausdruck!' Jetzt mal ganz ehrlich, sie ist schlimmer als jeder Mensch, den ich je getroffen habe." Den letzten Satz sage ich wieder in meiner gewöhnlichen Stimme, jedoch ein wenig bissig und mit einem eindeutigen knurrenden Unterton. Allein die Erinnerung an meine Vergangenheit mit Alexa, spüre ich Wut in mir aufsteigen. Jetzt zieht Bodo seine Augenbraue wieder hoch, jedoch grinst er auch belustigt.
    "Du hasst sie wirklich. Ich will gar nicht wissen, was sie angestellt hat, dass du sie überhaupt nicht leiden kannst", meint er und krault sein Bamelin, während irgendjemand in seiner Nähe lauthals lacht. Bevor ich fragen kann, wer das ist, bittet Bodo seinen Kumpel Primo darum, damit aufzuhören. Ich kichere leise und werfe Luana einen kurzen Blick zu, die in ihrem Bett liegt, aber Celia beobachtet, die mit ihrem Freund telefoniert. Was für ein Glück, dass mich beide heute bei der Patrouille schon ziemlich aufgezogen haben und jetzt nicht mehr wirklich Lust darauf haben. Dann schaue ich wieder auf den Minibildschirm in der Innenseite meines FangKoms und mir fällt auf, dass Bodo immer noch das Goldkettchen mit dem Kreuz trägt. Es sieht genauso aus, wie bei unserem letzten Schultag, an dem er es erhalten hat, mit einem Unterschied. Dieses Augen, jedenfalls der Stein, der genauso aussieht wie eines, deren Pupille damals feuerrot geleuchtet hat, wirkt nun irgendwie traurig und das herausstechende Rot ist nun trüb.
    "Was ist denn mit einem Kreuz, mit diesem Anhänger passiert?", frage ich und greife unbewusst nach meinem eigenen. Die faltigen Lider sind wie immer geschlossen. Bodo greift nach dem mit Edelsteinen verzierten Anhänger und antwortet: "Keine Ahnung, es ist mir erst eine ganze Woche nach meiner Ankunft in Fiore aufgefallen. Wir sollten langsam mal versuchen, herauszufinden, was es damit auf sich hat, wofür diese Kreuze stehen, für was sie zu gebrauchen sind. Ich hab auch schon versucht, die kleine Bücherei hier in der Rangerbasis zu durchforsten, um dort vielleicht irgendetwas herauszufinden, aber nichts."
    Nachdem ich an unserem letzten Schultag die Dämonenflügel in dem Edelstein erkannt habe, untersuche ich die Steine noch einmal genauer, aber dieses Mal kann ich weder den Halbmond noch die geschwungenen Flügel sehen. Mein Gesichtsausdruck scheint meine Verwunderung darüber sofort preiszugeben, denn mein bester Freund hakt sofort nach, was jetzt mit mir los ist.
    "Weißt du noch", fange ich zögernd an, löse mich von dem Kreuz und fahre fort, "Damals auf der Klippe habe ich doch die Dämons Flügel in den Kristallen entdeckt, aber jetzt... scheinen sie und der Halbmond nicht mehr da zu sein... Das ist doch nicht normal." "Nicht wirklich", stimmt er mir zu. Ich seufze und kraule Sany unter dem Kinn, ein wenig geistesabwesend. Währenddessen betrachte ich Bodo, der stirnrunzelnd seinen Anhänger mustert.
    "Ich kann bei mir auch keine mehr... Aber wer weiß, ob es die bei mir überhaupt gibt und nicht nur bei dir", er schüttelt den Kopf und lässt den Anhänger zurückfallen. Leicht lächele ich, als er mich wieder anschaut und das Bamelin, das ihn vorhin umgerissen hat, erscheint unten am Bildschirm, um seinem Partner über das Gesicht zu schlecken. Bodo versucht, das Pokémon davon abzubringen, es noch ein weiteres Mal zu tun, was ihm jedoch nicht wirklich gelingt. Sany gibt ihr Kichern von sich und fängt eine Unterhaltung mit dem anderen Partner Pokémon an, nachdem sie sich auf die Bettdecke vor mit niedergelassen hat. Dafür bin ich ihr ziemlich dankbar, denn ich bin mir sicher, dass sie nur mit Bamelin spricht, damit ich mich in Ruhe, ohne eine weitere Unterbrechung mit meinem besten Freund unterhalten kann.
    Glucksend lege ich mich jetzt waagerecht auf mein Bett neben mein Evoli, um sie weiterhin zu kraulen, wenn auch dieses Mal hinter den Ohren. Gleichzeitig flüstere ich Bodo zu: "Kann es sein, dass du tatsächlich ein verschmustes Partner Pokémon bekommen hast, genau wie du es dir gewünscht hast? Und wie es aussieht scheinen sich Sany und Bamelin blendend zu verstehen, was?" Er stimmt mir lachend zu, während er liebevoll sein Pokémon an sich drückt. Dann erzählt er mir munter, trotz der späten Stunde, wie sie sich gegenseitig kennenlernten, gleich am allerersten Tag in Fiore, und wie sie beide Partner geworden sind.
    Gespannt lausche ich der Geschichte, mehr seiner Stimme als dem Inhalt seiner Worte, aber ich verstehe es trotzdem. Ihn wieder sprechen zu hören, sein Lachen, seine Stimme und ihn einfach zuzusehen, wie er fröhlich durch den Bildschirm mit mir spricht, tut mir gut. Sehr gut. Nach so langer Zeit, eben seit unserem letzten Schultag, spüre ich zum ersten Mal, wie sich diese Leere, die sich immer nur ein bisschen aufgefüllt hat, voll mit Freude und Liebe.
    Ich spüre, wie mein Gesichtsausdruck sanft und verträumt wurde, so dass Bodo kurz vor dem Ende abbricht und fragt, ob ich ihm überhaupt zugehört habe. Nicht, dass ich ganz anderen Gedanken nachgehangen habe…
    "Natürlich, erzähl weiter", erkläre ich sofort und setze ein leichtes, zufriedenes Lächeln auf. Ich schnappe mir mein Herzkissen, das neben mir liegt, und drücke es an mich. Nachdem mein bester Freund fertig mit seiner Geschichte ist, höre ich eine andere Stimme an mein Ohr dringen.
    "Hallöchen!", schreit sie, "Hallo, Kathrin! Es ist spät. Urs hat uns befohlen, uns jetzt hinzulegen und zu schlafen." Luana, die ich genau wie die anderen Mädels in dem Schlafsaal total vergessen habe, steht direkt an der Kopfseite meines Bettes und redet mit mir.
    "Was? Schon?!", fange ich an, zu schmollen und starre sie wütend an. "Aber, aber", sie grinst, zwinkert verschmitzt und sagt: "Nun, ihr könnt doch morgen noch telefonieren, und übermorgen, und überübermorgen..."
    Ich schaue wieder auf meinen FangKom und hake vorsichtig nach: "Dann… bis morgen?" Er nickt und so verabschieden wir uns voneinander. Als ich mein FangKom auf mein Nachtkästchen gelegt habe, ziehe ich die Decke über mich und blicke gedankenverloren über Sanys Ohr aus dem Fenster, sogar dann noch, als Eleonora das Licht ausschaltet. Der Halbmond erhellt den Raum dennoch ein bisschen, und die Sterne, die neben ihm am Nachthimmel prangen, blinzeln mir zu, aber dann flattern auch schon meine Lider und die Schläfrigkeit, die ich vorhin so erfolgreich verdrängt habe, überfällt mich.


    Der dunkle Raum, in dem ich mich, so kommt es mir jedenfalls vor, im nächsten Moment befinde, ist bedrückend und die Schwärze scheint mich einschüchtern zu wollen. Da ich sitze, richte ich mich erst zu meiner vollen Größe auf, um nun zu versuchen, mich wenigstens umzuschauen, zu versuchen, irgendetwas zu erkennen. Erst blinzle ich verwundert. Warum bin ich hier? Wie bin ich hierhergekommen, ich bin doch gerade eben noch in der Rangerbasis gewesen, oder nicht?
    Dann drehe ich mich um, und sehe ein paar Augen. Sie sind zweifarbig, das linke eisblau, das rechte blutrot und sie jagen mir einen kalten Schauer über den Rücken. Als erstes starrt mich die Person, der die Augen gehören, von der ich aber sonst nicht mehr erkennen kann, einfach nur an, dann bemerke ich, dass sie die Zähne gebleckt hat. Auch, dass sie anscheinend eine Kette um den Hals trägt, mit einem Kreuz als Anhänger. Es scheint eine Mischung aus meinem und dem von Bodo zu sein, da es schwarz ist, jedenfalls auf der Oberseite, an den Rändern ist es weiß, mit schwarzen Steinchen statt den weißen oben. Und der Stein, der aussieht wie ein Auge, ist offen. Die dunkelrote, völlig klare Pupille beäugt mich. Als ich mich endlich davon losreißen kann, spüre ich wie mich ein Schock durchzuckt. Zwei unnatürlich lange Eckzähne sind aufgetaucht, die aus irgendeinem Grund und ohne eine Lichtquelle blitzen. Ich stolpere rückwärts, aber mehr als diese Details kann ich von der Person nicht mehr sehen.
    "Wer.. wer bist du?", stottere ich. Die spitzen Eckzähne lassen mich erahnen, dass der Mensch mir gegenüber gar kein Mensch ist, sondern ein anderes Wesen. Das Zischen, das meine Angst noch verstärkt, begleitet die unheimlichen Antwort: "Das müsstest du eigentlich am besten wissen..."
    Ich reiße meine Augen auf und sehe Sany vor mir liegen. Wie es aussieht, bin ich schweißgebadet, meine Decke habe ich weggestrampelt, weil ich mich anscheinend im Schlaf wild hin- und her gewälzt habe.
    "Es war alles nur ein Traum, nur ein dummer Traum...", rede ich mir ein, "Bist du dir da ganz sicher?", antwortet eine boshafte Stimme in meinem Kopf, aber ich schüttele sie ab. Um mich abzulenken, erhebe ich mich und gehe auf die Toilette. Nachdem ich fertig bin, betrachte ich mein total fertiges Gesicht mit dem abstehenden Haar, das immer noch zu zwei Zöpfen gebunden ist, im Spiegel über einem der Waschbecken.
    Ohne eine Ahnung zu haben, warum, löse ich die roten Haarbänder und beobachte, wie meine braunen Haare locker über meine Schultern fliegen. Ein paar Sekunden bleibe ich so stehen, dann schüttle ich meinen Kopf und binde die Haare wieder zusammen. Davor habe ich sie mir allerdings noch mit der Bürste, die am Waschbeckenrand lag, durchgekämmt. Zurück im Bett, drehe ich mich dieses Mal in Richtung Wand und es braucht eine Weile, bis ich einschlafe.
    Am nächsten Tag kann ich mich jedoch nicht mehr daran erinnern.



    Viel Spaß beim Lesen und Sorry für das Zentrieren (es ließ sich nicht mehr ändern ^^")
    eure Soso-chan

  • Soo, jetzt, einen Tag vor meinem B-day, poste ich das neue Kapitel:


    Kapitel 17 - Brand im Briseforst


    Eine Woche nach meinem Geburtstag kann ich zwar nicht sagen, dass es mir besser geht als vor der Party, auf der ich mein bestes Geschenk jeher erhalten habe. Es würde nicht stimmen, wenn ich behaupten würde, seither bin ich besser drauf, aber trotzdem fühle ich mich glücklicher als davor, was unweigerlich mit den täglichen Gesprächen mit meinem besten Freund zusammenhängt. Jeden Tag spreche ich mit ihm, meistens abends, bevor wir ins Bett gehen müssen, manchmal sogar während der Patrouillen. Das Briefeschreiben haben wir aufgegeben, wir waren uns einig, dass das nichts mehr bringt. Auch Sany und Bamelin reden ziemlich gerne miteinander.
    Gestern Abend sind wir zu viert zugegeben länger aufgeblieben als wir eigentlich sollten und durften, aber müder bin ich deshalb noch lange nicht. Heute kann ich trotzdem genauso früh aufstehen, wie sonst auch.
    Ich strecke mich gerade ausgiebig, genau wie mein kleines Partner Pokémon, das davor auf meinem Kissen neben meinem Kopf lag, um den letzten Rest Müdigkeit abzuschütteln. Dann hüpfe ich gutgelaunt in Richtung Badezimmer, während sich Luana und Celia noch missgelaunt unter ihren Decken verstecken.
    Zehn Minuten später, als ich das Bad hinter mir lasse und in den Eingangsraum spazieren will, versuchen die zwei endlich aufzustehen. Mit einer Schüssel voll mit Cornflakes und Milch stehe ich angelehnt an die Wand da und versuche ruhig zu bleiben. Doch dieses Gefühl einer drohenden Gefahr kann ich einfach nicht loswerden, es klebt an mir, wie Pech. Keine Ahnung, warum, aber es fühlt sich so an, als würde heute noch etwas Schlimmes passieren.
    Im selben Moment betreten Urs, Luana und Celia den Raum, aber Urs knurrt uns allen zu: "Spart euch das 'Guten Morgen', denn das ist nicht der richtige Moment. Der Briseforst brennt lichterloh, das habe ich gerade von Frohderich erfahren. Also, Luana und Kathrin, ihr zwei schaut, dass ihr möglichst schnell zum Brandherd gelangt und ihn löscht." Hastig trinke ich meine Milch aus, rufe unnötigerweise nach Sany, die sofort zu mir geschossen kommt, und auf meine Schulter springt.
    "Feuer? Okay, sofort Chef!", quiekt Luana aufgeregt und stolpert hinter mir her raus ins Freie.
    "Halt, halt!", ruft Urs uns hinterher, also bleiben wir, wenn auch unruhig, stehen, "Jetzt hört mir erst aufmerksam zu. Eure Sicherheit ist trotzdem am Wichtigsten. Wenn ihr auch nur irgendetwas tut, was euch in Gefahr bringen könnte, dann macht ihr mich damit echt wütend. Passt also auf euch auf."
    Wir stimmen zu seiner Beruhigung zu, bevor wir in Richtung Wald stürmen, über dem eine dicke, dunkelgraue Rauch- und Aschwolke aufsteigt. Ich schlucke und frage nervös: "Äh, das gilt jetzt als eine echt Mission, o-oder...", aber sie unterbricht mich: "Natürlich! Sieht so aus, als wäre das die erste richtige Mission seit langem. Der Briseforst steht in Flammen!" Ihre Stimme ist hysterisch und quietscht unangenehm.
    Am Waldrand angekommen, kann man das Feuer noch nicht erkennen, dennoch qualmt es und stinken tut es noch dazu.
    Schnell suche ich uns ein Staralili, das auf einem Ast einer Eiche sitzt, damit es uns mit Flügelschlag den Rauch fernhält. Nicht weit im Wald drin müssen wir stoppen, als ein kleines Mädchen mit dichtem, schulterlangem Haar auftaucht. Neben ihren Füßen steht ein rosaweißes, eiförmiges Pokémon, ein Wonneira.
    "Ach, du meine Güte, Mara! Du musst sofort hier raus, der Wald brennt doch!", brülle ich dem Mädchen zu und als ich neben ihr bin, piepst sie: "Mara kann nicht heimgehen. Maras Wonneira sind alle weggerannt. Drei von vieren sind fort. Sie wollten einfach nicht mehr auf Mara hören und sind irgendwohin gelaufen."
    Besorgt tauschen Luana und ich einen Blick, dann erklärt meine Kollegin: "Oh, wie dumm, aber mach dir keine Sorgen. Kathrin und ich suchen deine drei Wonneira und bringen sie dir, sobald wir sie alle beisammen haben, ja?"
    Es dauert tatsächlich eine Weile, bis wir alle drei Pokémon gefunden haben, aber als wir es doch geschafft haben, hasten wir zurück zur kleinen Mara, die dankend und winkend den Wald endlich verlässt. Weiter dringen wir auf einem Feldweg in den Wald ein, der Rauch wird immer dichter und langsam wird es immer heißer, da wir mehr und mehr Feuer um uns herum entdecken können. Hell und bedrohlich scheint es durch die graue Rauchmasse um uns herum, die Staralili nur mühsam von uns fern flattern kann.
    "Bald.. sind wir… bei... Frohderich. Schau… da ist er... auch schon", keucht Luana und sie deutet auf eine hochgewachsene, schemenhafte Gestalt ungefähr zehn Meter vor uns. Allein von der Größe her hätte man schon merken können, dass es Frohderich ist, aber keine andere Person hätten wir in der jetzigen Situation hier im Briseforst treffen können. Als er uns dann auch noch mit einem fröhlichen "Hey, ist es hier warm genug für euch zwei?" begrüßt, steht jemand anderes außer ihm nicht mehr infrage. Kaum dass wir diesen unkomischen Scherz gehört haben und vor unserem Arbeitskollegen schlitternd stehen bleiben, funkeln wir ihn wütend an.
    "Tut mir leid", entschuldigt er sich schnell, "Kein guter Zeitpunkt für Witze. Aber ich bin echt froh, euch zu sehen. Zwar führe ich die ganze Zeit Pokémon in Sicherheit, aber langsam wird es wirklich zu schwierig. Wir brauchen unbedingt ein Pokémon mit der Arealfähigkeit 'Regentanz' und das einzige Pokémon im Briseforst, das diese Fähigkeit beherrscht, ist Turtok. Es leben einige von der Art am Fluss am Ende dieses Pfades. Ich hasse es, das zugeben zu müssen, aber mein eigener FangKom fällt bei der Hitze ständig aus, weshalb ihr zwei Turtok fangen müsst. In der Zwischenzeit bleibe ich hier und kümmere mich um Pokémon in Not, ja? Beeilt euch aber bitte." Luana und mir bleibt keine Zeit, um uns kurz anzublicken, denn wir sprinten sofort den kleinen Trampelpfad entlang, auf den Frohderich gedeutet hat, während er gesprochen hat.
    Auf dem Weg begegnen uns kaum Pokémon und wenn, dann fliehen sie einzeln oder hatten dies auf jeden Fall vor. Wir fangen sie hastig und helfen ihnen, bis wir an dem laut rauschenden Fluss ankommen. Genau hier am Ende des Pfades befindet sich eine große Lichtung und der Qualm ist hier fast ganz verschwunden. Ein paar Pokémon halten sich ganz nah am Ufer auf, Wasserpokémob schwimmen größtenteils im Wasser und Flugpokémon flattern wild mit ihren großen und kleinen Flügeln darüber. Das bewirkt, wie mir ein paar Sekunden später auffällt, dass der Rauch ausbleibt. Lange brauchen wir nicht, um die riesigen Pokémon zu finden, da sie uns aufgrund ihrer Größe sofort ins Augen stechen. Jedoch scheint es Luana schwer zu fallen, das von ihr anvisierte zu fangen.
    "Wie schaffst du das nur immer so schnell?", fragt sie ungläubig, als ihr nach ihrem schließlich doch erfolgreichen Fang auffällt, dass ich schon Aufbruch bereit bin. Ich grinse zufrieden zurück. Mein Talent im Fangen von Pokémon wurde in letzter Zeit immer besser und ich wurde immer geschickter im Ausweichen von Attacken und gleichzeitig Kreise ziehen. Es macht mir auch immer mehr Spaß, meinen Job auszuüben, besonders jetzt, da ich meinen besten Freund jeden Tag anrufen kund mehr oder weniger gemütlich mit ihm plaudern kann. Dadurch ist eine gewisse Konkurrenz zwischen uns entstanden.
    Hastig und keuchend rasen Luana und ich den Pfad entlang, um das Feuer möglichst bald mit dem Regentanz löschen zu können. Nur, dass wir davor ungefähr in die Mitte sollten. Dort steht Frohderich, also können wir uns an ihn orientieren, wenn wir die Fähigkeit aktivieren wollen
    "Ach, gut, ihr habt die Turtok? Gut, dann lasst den Regentanz auf die Flammen los!", ruft uns unser Kollege entgegen. Mit meinem FangKom gebe ich dem riesigen Wasserpokémon den Befehl, seine Arealfähigkeit einzusetzen. Luana macht es ebenfalls. Nach einem blaugrauen, aber hell leuchtenden Strahl in den kaum erkennbaren Himmel, regnet es kurze Zeit später aus den ohnehin schon vorhandenen Wolken. Mir entfährt schon bei den ersten paar kalten Tropfen ein lautes "Ihh!".
    Dennoch weiß ich natürlich, dass das nichts nützt, um mich trocken zu halten. Während ich, Luana und Frohderich langsam immer nasser werden, können wir beobachten, wie der strömende Regen das Feuer in Windeseile löscht.
    Um wenigstens zu versuchen, nicht ganz durchnässt zu werden, lege ich meine Arme über den Kopf, aber es ist vergebens. Unsere Partner Pokémon Sany, Haspiror und Knospi haben auch nicht mehr Erfolg. Als das Feuer endgültig weg ist, hört es sofort auf, zu regnen und die nun freigelassenen Turtok trampeln zurück in Richtung Fluss. Die Luft ist nun frisch und sauber, fast wie gewaschen und durchgespült. Auch der Rauch ist verschwunden. Tief atme ich die frische Luft erst ein, dass aus und mein Arbeitskollege jubelt:
    "Juchu! Mit Triefen und Schniefen, Mission geschafft!" Er und Luana klatschen freudig ein und ihre Pokémon hüpfen im Kreis herum. Dadurch spritzt und klatscht es, da der Boden matschig ist. Sany hingegen schüttelt sich das Wasser aus dem Fell, bevor ich noch die Chance hatte, von ihr wegzuspringen. Die Tropfen treffen auf meine ohnehin schon nasse Haut. Ich zittere ein wenig aufgrund des nun auftauchenden, zischenden Winds.
    Dann spüre ich, wie mein FangKom vibriert und einen bestimmten, von mir so eingestellten Klingelton von sich gibt, woran ich sofort erkenne, wer mich anruft.
    "Hi, Bodo", lächle ich ihn an, als ich rangehe. Trotzdem komme ich mir ziemlich doof vor, da mir die Haare am Kopf kleben .Er starrt verdutzt zurück und ich beantworte seine noch unausgesprochene Frage: "Ein Mission im Wald, im Briseforst, um genauer zu sein. Der hat nämlich gebrannt und der Regentanz hat uns allesamt durchnässt."
    "Der Briseforst stand in Flammen und du bist da mitten reingerannt?!", meint er und scheint zu erstarren, "Ist dir was passiert?" Während ich Sany unter dem Kinn kraule, fühle ich ein seltsam warmes Gefühl in mir aufsteigen, dass zweifellos durch die Sorge meines besten Freundes ausgelöst wurde. Es brennt die Kälte des Wassers auf meiner Haut weg, und ich antworte: "Nein, mir geht es gut, abgesehen davon, dass ich triefe, weil es gerade gegossen hat wie aus Kübeln!"
    Er atmet erleichtert auf und scheint selber gerade durch den Wald in der Nähe seiner Basis zu spazieren. Wahrscheinlich ist er gerade auf Patrouille, zweifellos in Begleitung mit seinem Partner Pokémon und Primo, der Pachirisu auf seiner Schulter hat. So ist es jedenfalls bisher immer gewesen, wenn wir uns während Patrouillen unterhalten haben. Auch dieses Mal ist es so, denn nachdem Sany Bamelin und Pachirisu laut begrüßt hat und sich die zwei laut zurückmelden, fühle ich mich darin bestätigt. Luana winkt mir zu, um mir zu bedeuten, dass wir zurückgehen, um in der Basis Bericht zu erstatten, wie jedes Mal, wenn wir eine Mission hatten.
    Kaum dass wir einige Meter zurück in Richtung Brisenau gelaufen sind, stoßen wir mit einer uns unbekannten Person zusammen. Ein Junge, ungefähr in meinem Alter, mit dunkelbraunen Haaren und einem Stoppelbart, der bei unseren Anblick erst seine Augen und den Mund aufreißt, dann jedoch versucht, wegzulaufen. Ohne zu überlegen, folgen wir ihm. Wer flieht, der hat etwas zu verbergen. Und der Kerl könnte ja auch etwas mit dem Feuer zu tun haben...
    "Was ist jetzt los?", fragt mich Bodo. Ich schüttele den Kopf, um ihm zu bedeuten, dass ich im Moment nicht antworten kann. Der Kerl, der versucht, uns zu entkommen, schafft es nicht sehr weit, denn auf einer ziemlich kleinen Lichtung läuft er, nachdem er sich kurz zu uns umgedreht hat, direkt gegen einen dicken Stamm. Frohderich ist schnell bei ihm.
    Während er und Luana sich um ihn kümmern, um zu schauen, ob ihm etwas Schlimmes passiert ist, aber auch, um dafür zu sorgen, dass er uns nicht doch noch entflieht, schaue ich mich um. Dieses Schwindelgefühl, das beim Laufen immer stärker wurde, genauso wie der pochende Schmerz in meinem Kopf, hat mich darauf gebracht und siehe da: Zwei der roten Geräte, von denen auch eines in der Ozeanhöhle war, liegen zerstört auf dem Boden. An ihnen sich deutliche Spuren von Feuer an dem Metall zu erkennen. Es scheint ein leichter Schimmer in der Luft vor ihnen zu liegen.
    „Da.. da sind schon wieder so“, ich kann zwar nicht zu Ende sprechen, aber alle drei Personen schauen in die Richtung, in die ich mit meinem Zeigefinger deute.
    „Was ist da?“, fragt mein bester Freund plötzlich, also zeige ich ihm die Geräte und ihm entweicht ein leiser Pfiff. Ich halte mich sicherheitshalber an einem Ast fest, da ich nicht genau weiß, ob ich nicht ausversehen umfalle, weil mir so schwindelig ist. Frohderich versucht, den Jungen zum Reden zu bringen, aber das nehme ich nur am Rande wahr.
    „Kathrin?“, höre ich Bodos besorge Stimme, „Kathrin? Stimmt etwas nicht mit dir?“ Ohne es bemerkt zu haben, habe ich angefangen, zu keuchen.
    „Frohderich? Ist es in Ordnung, wenn ich schon einmal vorgehe?“ Mein Arbeitskollege gibt sein Okay, also flüchte ich schnell vor den Geräten, bevor ich antworte: „Es ist nichts, vielleicht war das nur eine Nachwirkung davon, dass ich vorhin zu viel Rauch eingeatmet habe…“ Während ich ihm diese Lüge auftische, schaue ich ihm nicht in sein Gesicht, sondern geradeaus.
    Er fragt sich natürlich sofort, wann ich die Geräte schon mal gesehen habe, also erzähle ich ihm von der Mission in der Ozeanhöhle. Als ich ende, habe ich den Rand des Briseforsts erreicht und schüttele mich einmal ganz, um das grauenvolle Wackelpuddingefühl loszuwerden. Dann laufe ich mit voller Stärke zu unserer Rangerbasis, aber ich führe die Unterhaltung mit Bodo fort. Er scheint weiterhin besorgt zu sein. Wahrscheinlich hat er mir die unheimlich schlechte Lüge nicht abgenommen, dass erkenne ich sowohl an seinem Tonfall als auch an seinem Gesichtsausdruck.
    In der Station treffe ich auf Urs und Celia, die aufgeregt vor dem Bildschirm stehen und sich mit Luana unterhalten. Lea sitzt zwar anscheinend geistesabwesend hinter den Tresen, aber der Schein trügt. Natürlich lauscht sie jeder Einzelheit. Ich stelle mich neben meinen Chef, doch es braucht eine Weile, bis er mich, dank Luana, bemerkt.
    "Ach, Kathrin, da bist du ja. Die zwei sind bald auch hier, sie haben den Kerl dabei, den ihr gefangen genommen habt", erklärt er grimmig. Nach einem leichten Nicken mache ich mich für die Patrouille fertig, in dem ich meine Haare im Badezimmer mit einem Föhn trockne. Noch lockiger als sonst, wie immer, nachdem sie nass waren und schnell getrocknet wurden, fliegen sie durch die Gegend. Gerade, als ich die Station verlasse, kommen mir Luana und Frohderich entgegen, mit dem Jungen, aber ich winke nur kurz und lege ein falsches Lächeln auf. Zwar mache ich mich in Richtung Schikolingen auf, aber nicht, um Lu einen Besuch abzustatten, oder dort Patrouille zu gehen. Stattdessen knie ich mich auf der Hälfte des Weges hin, um mein Gespräch mit Bodo in Ruhe fortzusetzen:
    "Wenn Professor Hastings nach Almia zurückkehrt, werden er und Eleonora die Maschine auseinandernehmen. Vielleicht finden sie ja etwas Bestimmtes." "Ja, wollen wir das einfach mal hoffen. Es könnte ja sein, dass diese Geräte für schlimmere Zwecke entwickelt wurden, als nur Pokémon zu verwirren, etwas bedrohlicheres", mein bester Freund scheint alle seine Überlegungen laut auszusprechen, "Was, wenn diese Dinger auch etwas mit unserer dunklen Zukunft zu tun haben?" Jetzt, wo er ausgesprochen hat, klingt es nur noch abgedrehter als vorhin, als er mir nur als loser Gedanke durch den Kopf gespuckt ist.
    Nervös schaue ich mich um. "Hoffentlich haben sie nicht mit alledem zu tun... Das würde nämlich heißen, dass diese dunkle Zukunft, die auf uns wartet, nicht mehr allzu weit entfernt ist." Er dreht sich kurz zu seinem Kumpel Primo um, scheint aber mitzubekommen, was ich ihm leise mitteilen will. Dann, auf der Lippe herumkauend, wendet er sich wieder mir zu. "Nun ja", fängt er zögern an, "Bei uns hier in Fiore haben ich nur etwas von dieser Maschinen in der Zeitung gelesen, im Almia Teil, aber persönlich gesehen habe ich sie noch nicht. Trotzdem ist es möglich, und wichtig, dass herausgefunden wird, für was sie entwickelt wurden und von wem... Kann ich dich heute Abend wieder zurückrufen?" Ich nicke und lege wortlos auf. Ein lauter Seufzer entfährt mir, dennoch fahre ich mit meiner alten Stärke mit der Patrouille fort.
    Nach eineinhalb Stunden Arbeit kehre ich zur Rangerbasis zurück, in der jeder sich meiner Arbeitskollegen in dem großen Eingangsraum aufhält und sie tuscheln alle miteinander. Obwohl ich den Raum betrete, nehmen sie keine Notiz von mir, was mich vermuten lässt, dass sie so in ihr Gesprächsthema vertieft sind, dass ich wahrscheinlich in den Schlafsaal spazieren könnte, direkt an ihnen vorbei, und sie würden mich nicht bemerken.
    Also drehe ich mich um und nur mit Sany an meiner Seite begebe ich mich zu dem Ort, an dem ich gerne meine Zeit vertreibe, wenn ich gerade keine Aufträge, geschweige denn Mission zu erledigen habe.
    Der Wind bläst mir meinen Pony ins Gesicht, die Strähnchen und die Zöpfe nach hinten, wie er es immer macht, wenn man auf dem Windspielhügel steht. Auch das Gras ist flach auf die Erde gedrückt wie eh und je, und die Wellen schlagen laut gegen die steinige Felswand; dieses Geräusch übertönt sogar das Getöse des Windes. Ich begebe mich an das linke Ende bis an den Rand und setzte mich auf den felsigen Fleck, der einzige auf der Klippe. Dann, mit Sany auf meiner Schulter, rutsche ich auf einen breiten, jedoch leicht übersehbaren Vorsprang.
    Die Höhle dahinter ist kaum fünfzehn Zentimeter höher als ich, sie führt nicht sonderlich weit in die Klippe hinein, aber sie gefällt mir, sogar sehr. Die Wassertropfen der zerschlagenen Wellen können mich hier oben nicht erreichen, dafür liegt die Höhle zu hoch, dennoch geht ein leicht salziger Geruch von ihr aus und etwas fremdes, unbekanntes liegt dazu in der Luft. Besonders schön ist es hier den Sonnentergang betrachte, wozu ich bisher erst zweimal gekommen bin. Meine Beine baumeln über den Rand hinweg, doch ich liege auf den Rücken, den Blick starr an die Decke gerichtet.
    Sie ist mit kleinen weißen, schwarzen, roten, blauen, gelben, rosanen und lilanen Kristallen verziert, die, wenn die Sonne niedrig steht und ihre Strahlen auf sie wirft, glänzen und glitzern und werfen auf den Boden funkelnde kleine Lichter. Sany rastet bei dem Anblick jedes Mal aus, sie springt in der Höhle umher und führt sich auf wie ein zu fest geworfener Flummi. Oft schaue ich ihr dabei zu, bis sie nicht mehr kann. Sie rollt sich danach müde und völlig außer Atem auf meinem Schoß zusammen.
    Heute ist die Sonne nicht tief genug, also legt sich mein Partner Pokémon auf meinem Bauch, nur um sich auszuruhen. Wir bleiben nicht lange unterhalb der Klippe. Kaum zwanzig Minuten sind vergangen, als ich einen Auftrag auf meinem FangKom erhalte. Ein kleines Mädchen aus Schikolingen ist der Auftraggeber, denn ihre Freunde behaupten, dass unter der Holzbrücke zur Schule ein Geist lebt. Seufzend klettere ich zurück auf die große Grasfläche des Windspielhügels, nachdem ich sichergestellt habe, dass dort oben niemand ist. Ich habe nämlich vor, die Höhle geheim zu halten, nicht einmal mehr Lu weiß von ihr.
    Schnell bin ich in Schikolingen, durch eine neu gefundene Abkürzung im Wald, und suche nach der Straße und der Hausnummer des Mädchens. Es dauert nicht lange, denn in dem Dörfchen gibt es nicht sonderlich viele Häuser. Es bleibt nicht der einzige Auftrag an diesem Nachmittag, vier treffen danach noch ein. Als ich fertig bin, ist die Sonne schon so weit untergegangen, dass es sich nicht mehr lohnen wird, zum Windspielhügel zu gehen, also kehre ich gleich zurück zur Rangerbasis.
    Dieses Mal werde ich sofort bemerkt, als ich das kreisrunde Zimmer betrete. Lea winkt mich zu sich, neben ihr auf dem Tresen sitzen Luana und Eleonora.
    "Morgen soll Professor Hastings von seiner Reise zurückkehren. Dann kann ich endlich das Gerät auseinandernehmen", begrüßt mich Eleonora und starrt verträumt auf die ziemlich kaputte Maschine. "Was gibt es zum Abendessen?", frage ich sie, um sie aus ihren Gedanken zu reißen, in denen sie sich gerade vorstellt, wie sie herumschraubt und alle Einzelteile auf dem Boden verteilt.
    „Ach, stimmt, das muss ich ja auch noch machen“, erinnert sie sich, „Hilfst du mir dabei, Kathrin?“ Ich nicke und folge ihr in die Küche, um dort Pfannkuchen Suppe herzurichten. Nachdem wir sieben volle Suppenteller zu den inzwischen auseinandergeklappten Tresen getragen und mit heißem Wasser aus dem Wasserkocher zu richtigen Suppen verwandelt, essen wir. Heute bin ich als letztes fertig, trage meinen Teller als den letzten in die Küche und stelle ihn in die Spülmaschine. Ich kehre nicht mehr in den Eingangsraum zu den anderen zurück, sondern verkrieche mich ins Bad zum Duschen.
    Mit einem knielangen, silbergrauen Nachthemd und mit den Haaren in einem kleinen Handtuch, lege ich mich auf mein Bett, ein Buch aus der Kiste unter meinem Bett in den Händen. Es gehört zu den unzähligen Exemplaren, die meine Mutter Sally Rose besessen hat, und schon bei den ersten Büchern wurde mir klar, dass sie genau zu der Sorte gehören, die ich am liebsten lese. Fantasy, gemixt mit Romanzen. Mitte in einer besonders romantischen Stelle klingelt mein FangKom. Bodo natürlich.
    Jeden anderen hätte ich wegen einer solchen Unterbrechung einer derartig süßen Stelle sofort zur Schnecke gemacht, nur bei ihm fange ich stattdessen an, zu schnurren. „Hallöchen“, sage ich zufrieden, und überglücklich, sein Gesicht wiederzusehen. Er lächelt mich liebevoll an, mein Herz schlägt daraufhin einen Salto rückwärts. Ich erwidere sein Lächeln und Sany ruft sofort nach Bamelin, das natürlich antwortet, um ein heiteres Gespräch zu beginnen.
    „Was hast du heute gemacht, bevor ich angerufen habe?“ Das ist meistens die erste Frage, die er am Anfang eines Telefonates stellt. "Ein Buch... gelesen", antworte ich wahrheitsgemäß und zeige ihm das Titelbild.
    "Das ist ja mal was vollkommen Neues!" Er lacht. Das hat er natürlich nur ironisch gemeint, da ich seit meinem Geburtstag abends regelmäßig lese, was zweifellos daran liegt, dass unter meinem Bett ein ganzer Karton ungelesener Bücher liegt.
    "ja, also, ich habe jede Menge von meiner Mutter bekommen... Okay, das stimmt nicht, aber ich habe sie in Kisten bei uns im Keller gefunden, als Lucy und ich an meinem Geburtstag dort versucht haben, alle Kartons zu durchsuchen. Ruth und Herbert haben all den 'Kram' wie ihn meine Tante nennt, der früher meinen Eltern gehört hat, verbannt. Ich habe so viele Bücher wie möglich in die Basis geschleppt."
    "Das muss interessant gewesen sein… Wieso waren eigentlich die Sachen deiner Eltern in dem Haus in Schikolingen?", fragt er.
    "Ich bin doch in Almia geboren worden, immerhin habe ich früher, vor der kurzen Reise nach Johto und danach mit Mama, Papa und Lucy in Schikolingen gewohnt", erkläre ich, "In gewisser Weise haben sich Tante Ruth und Onkel Herbert nur dafür entschieden, das Haus meiner Eltern zu bewohnen." Mein bester Freund legt den Kopf schief. "Du bist nicht sonderlich glücklich darüber, oder?"
    Ohne darüber nachzudenken, seine Schokoaugen bringen mich zu sehr aus der Fassung, rücke ich gleich mit der Wahrheit heraus: "Och, es sind die Erinnerungen, die oft daheim in meine Gedanken zurückkehren und es missfällt mit wirklich, dass Tante und Onkel das Haus nach ihrem Geschmack eingerichtet haben. Der ist so viel anders und nicht halb so gut. Mamas Dekorationen sind nicht so altmodisch gewesen, ich habe eben genau ihren Geschmack geerbt. Auch die Möbelstücke sind besser, aber die haben sie zum Glück nicht ausgetauscht. Das wäre Onkel Herbert zu viel Arbeit gewesen, deshalb. Trotzdem bin ich irgendwie froh darüber, dass sie dort eingezogen sind.“
    Ich schnaube leicht, lege das Buch, in dessen Einband ich unbewusst meine Fingernägel reingedrückt habe, auf mein Nachtkästchen und decke mich zu. Sany rollt sich direkt neben mir auf dem Kissen ein, aber ihr Gespräch führt sie dennoch fort.
    Im nächsten Moment springt die Türe auf und Luana und Celia platzen kichernd herein. Verwundert beobachte ich, wie sie sich auf ihre Betten schmeißen und sich krümmen vor Lachen. Eigentlich will ich sie fragen, warum sie so ausgelassen sind, doch sie winken schon nach dem ersten Wort ab und Luana kullert von ihrem Bett auf den Boden, aber ihr scheint es völlig egal zu sein.
    "Wer lacht denn da?", fragt Bodo und so wende ich mich wieder ihm zu. "Celia und Luana", erkläre ich, "Jedoch wollen sie mir den Grund nicht verraten, aber ich bin mir sicher, dass sie ihn mir, sobald sie sich eingekriegt haben, mitteilen werden."
    Es dauert noch eine Weile, in der mein bester Freund, durch den FangKom natürlich, und ich amüsiert beobachten, bis sie mit Freudentränen in den Augen und anscheinend mit heftigen Seitenstechen ruhig auf dem Boden sitzen.
    "Und?", löchere ich jetzt. Wie es sich anhört, glauben sie, dass Eleonora sich verliebt hat. Der Glückliche heißt anscheinend Olli, aber ich kenne niemanden mit diesen Namen, obwohl Luana mir versichert, dass ich ihn kenne. "Dieser nach Öl stinkende Typ, den wir nach dem Brand im Briseforst gefunden haben, weil er vor uns weggelaufen ist. Er will zwar seinen Mund nicht öffnen, nicht mal einen Pieps gibt er von sich, aber Leo... Ich weiß nicht ganz, ich denke, bei ihr war es einfach Liebe auf den ersten Blick", meint Celia, während sie vorsichtig ihr vibrierendes und ein "Da ist ein Blödi am Handy, der ruft hier ständig an" von sich gebendes Handy aus ihrer Hosentasche zieht. Dann verschwindet sie im Badezimmer, und Luana geht zurück in den Eingangsraum. Was für ein Glück, dass Eleonora nicht im Zimmer ist. Sie hasst den Spitznamen „Leo“. Das ist ähnlich wie bei mir mit Rhythmias „Kathi (spricht man übrigens Keäthiii, und das th wie im Englischen)“ Bodo schaut mit hochgezogener Augenbraue und sein Bamelin versucht wieder, sein Gesicht abzuschlecken.
    „Denk dir nichts“, murmelt ich ihm leise zu, „So ist es bei uns jeden Tag und ich befürchte, Eleonora war zu… Auffällig, man darf in Luanas Gegenwart nicht zu viele ‚Verliebtheitsgefühle‘ zeigen, ansonsten geht sie einen wochenlang damit auf die Nerven. Jetzt muss Eleonora es ausbaden.“
    Er denkt einen Moment darüber nach, dann scheint er daraus einen Schluss zu ziehen, aber hat nicht vor, ihn mir mitzuteilen. Ich beschließe, ihn nicht danach zu fragen, wechsle stattdessen das Thema.


    Der Raum, in dem ich mich im nächsten Moment nach dem Einschlafen befinde, ist dunkel, vollkommene Finsternis umgibt mich. Meine Knie zittern unheilvoll und ich traue mich nicht, aufzustehen, aus Furcht, sofort einzuknicken. Trotzdem schaue ich mich ängstlich um. Ich erkenne absolut nichts, nur die Schwärze. Und dann ist da noch dieses Wispern, eine Stimme, die sich in der Dunkelheit vor mir versteckt. Doch ich kann nicht hören, was sie mir sagen will.
    Irgendwann schließe ich einfach meine Augen, presse meine Handflächen auf meine Ohren und ein Schmerz durchfährt mich. er ist so stark, dass ich zuerst nicht bemerke, dass er direkt von meinem Herzen ausgeht. Keuchend reiße ich die Augen wieder auf und grabe meine Fingernägel in den feuchten Boden. Meine Umgebung hat sich verändert.
    Nun befinde ich mich mitten in einem Wald, die Bäume stehen so dicht beieinander, dass ich den Himmel nicht sehen kann. Die Person, die immer noch flüstert und zischt, streift als Schatten um die Bäume herum. Mein Herz schlägt wild und ich stürze mich durch das dichte Gestrüpp, bahne mir gewaltsam und schmerzhaft einen Weg. Dornen zerkratzen meine Beine und das knielange, schwarze Kleid verfängt sich immer wieder in Zweigen und Sträuchern.
    Irgendwann breche ich durch, auf eine Lichtung. Es ist eine klare Nacht und die Sterne funkeln am Himmel, aber der Vollmond sticht besonders hervor. Trotzdem ist er im Anblick der Szene vor meinen Augen nicht mehr so hell und es wundert mich, wie er von dort oben noch herabscheinen kann, schuldlos. Immerhin wird es in kürzester Zeit regnen, stürmen, blitzen und donnern. Es ist die Lichtung, auf der mich meine Eltern verlassen haben.
    Vor meiner Nase steht ein Mädchen mit lockigen, braunen, zu zwei Zöpfen gebundenen Haaren in dem sonnengelben Kleidchen, das ich original an meinem 5. Geburtstag getragen habe. In den darauf folgenden Albträumen hatte ich immer etwas anderes an. Sie strahlt bis über beide Ohren, ihren Blick überglücklich in den sternenübersäten Himmel gerichtet. Neben ihr sind zwei Erwachsene, ihre Eltern, meine Eltern, und der Mann, ihr Vater, hat ein kleineres Mädchen auf den Schultern sitzen. Ihre Augen spiegeln die vielen hellen Lichter.
    "Mami? Machen wir das jetzt jedes Jahr an meinem Geburtstag?", fragt das braunhaare Mädchen, während es am T-Shirt ihrer, meiner Mutter zupft. Die junge Frau antwortet mit derselben melodischen Stimme ihrer Tochter: "Es tut mir leid, Schätzchen, aber nein. Dein Vater und ich, wir müssen euch leider verlassen." Der Mann setzt das kleine Mädchen neben ihre große Schwester, aber es scheint ihm eindeutig gegen den Strich zu gehen.
    Plötzlich rauscht der Wind durch die Blätter des Waldes und die Wolken am Himmel, von denen ich wusste, dass sie auftauchen würden. Sie schieben sich langsam über den ganzen Himmel und löschen die kleinen Lichter langsam, aber sich aus. Vom ersten Moment an, als ich die Familie das erste Mal auf der Lichtung sah, erkannte ich, welche Situation mich konfrontieren würde. Noch nie egal wie oft ich diese traurige, aufrührende Szene durchlebt habe in meinen Albträumen, wirklich noch nie, habe ich sie als "Außenstehende", als ein unbemerktes Phantom.
    Lucy und ich, wie wir an meinem 5. Geburtstag von unseren Eltern verlassen wurden. Die ersten Tropfen benetzen sowohl meine unbeschadete, 11 Jahre jüngere als auch meine beschadete, verletzte und 16 jährige Haut, wodurch mir klar wird, dass ich unbewusst die Bäume ganz hinter mir gelassen habe. Keiner bemerkt mich, niemand hört mich, niemand sieht mich.
    Ohne es zu bemerken sind auch Tränen über meine Wangen gelaufen, nicht nur über die meines jüngeren Ichs. Mir entfährt ein lautes, widerstrebendes "NEIN!" und dann verläuft alles, als hätte man auf eine Vorspultaste gedrückt. In wenigen Sekunden verschwinden meine Eltern und mein fünfjähriges Ich bricht zusammen, Lucy kniet sich weinend neben sie hin, bevor sie ebenfalls ohnmächtig wird. Diesem fürchterlichen Anblick ausweichend, wirble ich herum, meine Augen auf die feuchte Erde gerichtet.
    Obwohl verschwommen, glitzert dort noch etwas, aber als ich mir die Augen reibe, um dieses etwas besser sehen zu können, und sie dann wieder aufschlage, liege ich im Bett. In meinem Bett in der Brisenaubasis, unverletzt, aber keuchend. Der leuchtende Vollmond erhellt das große Schlafzimmer.
    Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich wirklich aufgewacht bin oder ob ich immer noch in diesem Albtraum stecke. Also kneife ich mich einmal fest in den rechten Oberarm und verkneife mir einen kleinen Schmerzensschrei. Eindeutig, ich bin wach. Nachdem ich die Decke vor mir weggeschoben habe, habe ich mich aufgesetzt und mich gestreckt. Um zu schauen, wie viel Uhr es ist, nehme ich meinen FangKom in die Hand und schalte ihn an. Halb zwei… Nun fühle ich mich schläfrig. Mit dem Gesicht zur Wand und dem Rücken zum Fenster sinke ich in einen traumlosen Schlaf. Und am nächsten Morgen kann ich mich nicht mehr an den seltsamen Traum erinnern



    Soo, zum ersten Mal kam auch einer der seltsamen Träume vor.. xDDD Ich liebe sie einfach :33
    Lg, eure Soso-chan

  • Soo, ich sollte mal wieder ein neues Kapi posten, nachdem ich schon Kapitel 30 fertig abgetippt habe...


    Kapitel 18 - Die Notfallmission


    Ich strecke mich, bei dem Versuch, endlich wach zu werden, denn heute in der Früh bin ich besonders müde. Es ist ungewöhnlich für mich, eine Sensation, am Frühstückstisch verschlafen über einer Schüssel Cornflakes zu hängen und beinahe mein Gesicht in die Mich zu tauchen.
    "Na, Kathrin, was ist denn mit dir heute los?", begrüßt mich Luana, piekt mich mit ihrem Zeigefinger in die Taille, woraufhin ich laut quieke und zusammenfahre. Meine Knie schlagen schmerzhaft gegen Tischbeine, eigentlich die vom Tresen und Schüssel mitsamt Inhalt landet auf mir.
    "Err.. Danke", knurre ich, stelle das Gefäß auf den Tresen und begebe mich zum zweiten Mal an diesem Morgen ins Badezimmer. Nachdem ich die nasse Rangeruniform, auch die Hose wurde von Milch betropft, in die Wäsche geschmissen und eine neue, frische Uniform angezogen habe, kehre ich in die fast leere Eingangshalle zurück. "Ah, Kathrin, ich habe einen kleinen Spezialauftrag für dich", sagt Urs, als er mich sieht, "Professor Hastings kommt in Kürze hier in Brisenau an. Am besten, du gehst ihm entgegen, er kommt durch den Briseforst. Eleonora freut sich schon darauf, mit ihm die Maschine zerlegen zu dürfen, deswegen hat sie freiwillig die Arbeit übernommen und räumt den Geschirrspüler aus, nur, um in der Basis zu bleiben. Also, hopp, und schau, dass er nicht verloren geht."
    Ein wenig schlecht gelaunt verlasse ich die stille Station. Zum Glück laufe ich niemanden über den Weg, aber die frische Luft vertreibt sowohl die muffelige Laune als auch meinen bösen Gesichtsausdruck. Es ist ein kühler, wenn auch nebliger Morgen, die Staralili und Schwalbini zwitschern aufgeregt durcheinander und als ich am Rand ankomme ist mein Kopf frei von Rachegedanken an Luana. Mehr als eine Trimm-Dich-Übung was das nicht für mich.. Aber diese Volara!", seine Stimme schwillt vor Zorn an, "Wollte mich doch tatsächlich auf ihrem Staraptor nach Brisenau fliegen... Und das, obwohl sie genau weiß, wie sehr ich das Fliegen verabscheue. Wobei doch ein Spaziergang viel gesünder ist! Wollte mich wohl ärgern?! Aber der Witz ging auf ihre Kosten, den solche Späße lasse ich nicht mit mir treiben."
    Inzwischen hat sich der Abstand auf fünf Meter verringert, also halte ich es für das Beste, ihn endlich auf mich aufmerksam zu machen. "Guten Tag, Professor", begrüße ich ihn höflich. Erst mustert er mich still, zieht eine Augenbraue hoch und überlegt einen Moment lang. Dann scheint ihm ein Licht aufzugehen.
    "Und du bist die Schülerin von dem letzten 1-Tages-Praktikum, stimmt’s? Und.. Wo ist dein Freund?", er endet mit einer Frage und ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt. Ich stottere leicht, als ich mich endlich dazu durchringen kann, um zu antworten: "Er ist nicht mein Freund, er ist mein bester Freund. Da.. da.. da ist ein Unterschied!" Auf Professor Hastings Gesicht erscheint ein wissendes Lächeln. Jedes Mal, wenn ich jemanden erklären will, der Bodo und mich schon einmal zusammen gesehen hat, dass er nur mein bester Freund ist, scheint mir nicht zu glauben! Es war jedes Mal so, als würde jeder wissen, was in meinem Kopf vorgeht. Nun ja, das ist ja auch nicht schwer, immerhin verrät mich meine Gesichtsfarbe, von rosa bis tiefrot, immer irgendwann, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen kann.
    Abwinkend spaziert der Professor, durch mein Verhalten auf andere Gedanken gebracht, an mir vorbei. "Trotzdem, wo ist er?", löchert er weiter. "In Fiore." Beinahe wäre ich in ihn reingerannt, so abrupt ist er stehengeblieben. Ich stolpere ein wenig zurück. Hastings dreh t sich um, seinen Zeigefinger zeigt auf mich und er sagt: "Du bist Kathrin, die zu ihrem Geburtstag als Geschenk tägliche Telefonate mit dem Jungen aus Fiore geschenkt bekommen hat. Kein Wunder, dass du weiter mit ihm Kontakt halten willst." Ein paar Sekunden bleibe ich wie angewurzelt auf dem Fleck, auf dem ich mich gerade befinde. Doch dann fange ich mich wieder. Ein paar Minuten später sitze ich auf dem Tresen in der Rangerbasis. Zwar schaue ich Eleonora und Professor Hastings beim Auseinandernehmen der Maschine zu, aber eigentlich bin ich mit den Gedanken ganz wo anders. Sie werden von der Person unterbrochen, an die ich gerade denke. Mein FangKom klingelt und ich fahre zusammen.
    "Hi", meldet sich Bodo als erstes, ich lächele schon leicht zurück.
    "MOMENT MAL!", vor Schreck falle ich beinahe auf den Boden und schreie "Kyaa!" Wie es aussieht haben die zwei in der Mitte des Raumes gar nicht mit dem Zerlegen begonnen, sondern fürs Erste zusammengebaut, so dass man erkennen kann, wie das Ding vor der Zerstörung ausgesehen hat.
    "So etwas habe ich schon einmal gesehen, erst vor kurzem. Ähmm... Äh... Genau, das ist es! Ich habe so welche auf dem Weg hierher gesehen. In Havebrück! Ja, in Havebrück haben ein paar Männer solche Maschinen herumgetragen. Ich erinnere mich, dass sie mit ihnen ziemlich zu kämpfen hatten. Sie sind wohl ziemlich schwer. Eigentlich hielt ich sie für eine neumodische Art von Briefkästen, nun scheint es, als hätte ich mich gewaltig geirrt. Wir müssen sofort jemanden in Havebrück eine Untersuchung einleiten lassen", befiehlt der Professor.
    Urs, davor in ein Gespräch mit Lea vertieft, deutet auf mich, dann auf die Türe und brüllt: "Kathrin, hopp! Das ist eine Notfallmission! Schnappe dir entweder Luana oder Frohderich, je nachdem, wen du als erstes erreichst, ziehe mit einem los und zerstöre diese kuriosen Maschinen in Havebrück. Böse Gerätschaften in sind in dieser wunderschönen Hafenstadt alles andere als Willkommen. Daher muss jemand etwas unternehmen, bevor es zu spät ist." Ich nicke. Mit Sany an meiner Seite verlasse ich den Raum, nur um sofort mit Luana zusammenzuprallen. Rückwärts fliege ich in das Zimmer zurück, Luana jedoch schafft es, auf ihren Füßen zu bleiben, auch wenn sie ein bisschen schwankt. Mein Hintern schmerzt, als sie mir aufhilft, aber nicht sonderlich stark.
    Schnell rennen wir in Richtung Briseforst, während ich ihr in Windeseile erkläre, worum es in der Mission geht und warum und alles.
    "Super, zwei richtige Mission an zwei Tagen hintereinander! Passiert nicht oft... Da fällt mir ein… Du warst noch nie in Havebrück, stimmt's? Nicht einmal den Briseforst hast du jemals ganz durchquert... Aber die Stadt ist wirklich schön und dort kann man toll Eis essen gehen, die meisten Eisdielen dort sind am Hafen. Auch tolle Restaurants gibt es und es ist der einzige Ort in ganz Almia, an dem man so richtig schön shoppen gehen kann", erläutert meine Arbeitskollegin und zählt an ihren Fingern all das Gute der Hafenstadt, von der ich schon öfter etwas gehört, sie aber noch nie persönlich gesehen habe, ab.
    Seit gestern scheint sich der Wald nur leicht von dem Brandschaden erholt zu haben, aber die Pokémon arbeiten daran, dass es ihm wieder gutgeht.
    Ob es jetzt um das Abschleppen von abgefallenen Ästen und Zweigen oder ganz umgefallenen Stämmen oder die verkohlten Blätterhaufen geht. Jedes noch so kleine Pokémon hilft, viele ziehen sogar einen eigenen Nutzen daraus. Ich beobachte eine Gruppe von Haspiror, die sich einen Spaß daraus machen, dass sie sich in einem Haufen Ruß wälzen und danach ganz und gar schwarz sind. Auch Sany findet das ziemlich lustig, hat aber keine Lust, sich selber schmutzig zu machen. Sie springt nur ungern in Schlamm, Pfützen oder sonstigen Gegenden herum, in denen sie dreckig werden könnte. Dafür liebt sie es, zu baden, was für Katzenpokémon, mit Ausnahme von Aquana, doch ungewöhnlich ist.
    Wer weiß, woran das liegt.
    Während wir so durch den Wald rennen, halte ich Sany in den Armen, aber Luanas Haspiror macht weite Sprünge. Irgendwann lichtet sich der Wald und man kann eine Grasfläche erkennen, nicht unähnlich die des Windspielhügels. Nur, dass der Wind hier nicht halb so heftig pfeift. Auch von diesem Ort hat man eine großartige Aussicht.
    Luana, Haspiror und ich mit meinem Evoli, nun auf den Schultern, treten fast bis an den Rand und blicken hinab. Diese Stadt dort unten muss Havebrück sein, denn an ihrem östlichen Ende ist ein breiter Hafen voller Schiffe und auch mit kleineren Segelbooten. Sie ist zwar nicht ganz so groß wie Jubelstadt in Sinnoh, aber sie ist auch nicht viel kleiner. Im Norden liegt eine große Parkanlage mit mehreren kleinen und einem gigantischen Springbrunnen. Das ist der Altrupark, der von der Altrufirma errichtet wurde. Am nördlichsten Ende sieht es so aus, als würde dort eine Art Gebäude gebaut werden.
    Weiter im Westen gelangt man durch einen Weg, dessen Name mir gerade nicht einfällt, zur Rangervereinigung, dem Ort, der mit allen Rangern der ganzen Welt Kontakt aufnehmen kann. Die zwei besten Ranger, die Top Ranger, von Almia, Volara und Siver, sind dort angestellt. Doch weiter kann ich mich nicht mehr umschauen, denn Luana unterbricht mich unsanft: " Ist sie Aussicht nicht fantastisch? Das ist übrigens der sogenannte Panoramafelsen und ich liebe es, hier herunterzuschreien! Pass auf!" Trotz ihrer unüberhörbaren Warnung, erschrecke ich mich bei ihrem extra lauten "REDE OLLI!" total.
    "Oha, Luana", ich halte mir beide Hände an die Ohren, "Das nächste Mal in meiner Nähe bitte ein bisschen leiser." Meine Arbeitskollegin lacht daraufhin nur und klopft mir ein bisschen auf den Rücken.
    "Lass uns lieber nach Havebrück rennen und unsere Mission erfüllen", ich nicke in die Richtung des Weges, den wir einschlagen müssen, um zu der Hafenstadt zu gelangen. Zuerst geht es nur abwärts, dann wird die Strecke immer ebener und von dem Brand gestern ist hier schon gar nichts mehr zu erkennen. Das liegt aber wahrscheinlich mehr daran, dass das Feuer von gestern nicht bis hierher gelangen konnte, da wir es rechtzeitig aufgehalten haben. Als uns zwei Bamelin über den Weg laufen, fällt mir sofort mein bester Freund wieder ein. Vorhin, nachdem ich mit meiner Arbeitskollegin in Richtung Wald gelaufen bin, musste ich mich gleich von ihm verabschieden, obwohl ich wohl eine rechte Schnute gezogen habe. Aber Arbeit geht bei Urs leider vor. Außerdem will er kein Risiko eingehen, dass ich danach nicht mehr mit Bodo telefonieren kann.
    Es braucht nicht mehr lange und wir erreichen Havebrück. Man kann sofort erkennen, dass in der Stadt etwas vor sich geht, denn die noch nicht gefangen Pokémon führen sich, je näher wir der Hafenstadt sind, immer verrückter auf. Bevor wir in die Geräuschpegelzone kommen, in der man die Pokémon nicht mehr fangen kann, schnappe ich mir zwei Bidifas und, ich kann einfach nicht wiederstehen, eines der süßen Bamelin. Luana weiß sofort, warum ich es mir geholt habe, grinst aber nur. Sie treibt zwei weitere Bidifas auf. da es sich damals in der Ozeanhöhle um ein Pokémon mit dem Wasserstärkenniveau 2 gehandelt hat, mit dem man eine Maschine zerstören kann, halte ich es für das Beste, wenn wir dieses Mal vorsorgen. Mit vier Bidifas sind wir auf der sicheren Seite, davon gehe ich jedenfalls aus.
    Dann, als wir auf den steinigen Boden unter dem Eingangstor von Havebrück treten, höre ich dieses undefinierbare Surren. Das leichte Schwindelgefühlt tritt im selben Moment ein, aber ich ignoriere es wie damals in der Höhle. In meinem Kopf zieht es auch leicht, doch ich achte nicht darauf. Wir suchen in jeder Straße nach den roten Geräten, fragen die seltenen Passanten, ob sie welche gesehen haben und siehe da: Nach fünf Minuten haben wir zwei Stück auf einmal gefunden und sogleich zerstört. Es dauert weitere zehn Minuten und drei weitere funktionieren nicht mehr. Trotzdem scheinen wir noch lange nicht alle aufgespürt zu haben, denn das Geräusch dringt ohne Pause an unsere Ohren. Nachdem wir von der Hauptstraße in eine weitere der zahlreichen kleineren Straßen mit Cafés und Shoppingläden am Rand eingebogen sind, hören wir jemanden nach uns rufen.
    "Hey, Ranger! Genau die Leute, die ich sehen wollte!" Also drehen wir uns um. Ein Mann, ungefähr 27 Jahre alt, rennt auf uns zu. Sein pinker Haarfarbton sticht total hervor und es passt überhaupt nicht zu seinen giftgrünen Flipflops. "Howdy, bin Stegner, der Zuständige für die Zugbrücke, aber das tut jetzt nichts zur Sache", stellt er sich vor, noch während er auf uns zuläuft. Beim näheren Hinschauen fällt mir auf, dass er zwei Ohrringe am rechten Ohr hat, die zu seinem doch ziemlich speziellen Aussehen passen, obwohl sie sich der Rotton wieder mit seinen Haaren beißt
    "Ah, Stegner, so sieht man sich wieder", Luana grinst ihn an, "Du meinst die surrenden Maschinen, die angeblich Briefkästen sein sollen und die die Pokémon komisch werden lassen? Wir, Kathrin und ich, sind schon dabei, sie alle auszuschalten." "Okay, dann macht mal schön weiter so", murmelt er dann und dreht sich um.
    Es scheint, als würde er nach etwas Ausschau halten. Überhaupt ist er ein aufgedrehter Kerl, mit einer irgendwie ungeduldigen Aura, die einem das Gefühl von Aufgekratzheit gibt. Ohne ein weiteres Wort wenden Luana und ich uns wieder der Seitenstraßen zu und entdecken eine weitere rote Maschine. Seufzend schicke ich eines der Bidifas darauf zu, damit es es zerstört. Eine geschlagene halbe Stunde später sind wir immer noch nicht fertig, als auch noch ein neues Problem in einer kleinen Gasse erscheint. Es ist zwar noch die gleiche Maschine, jedoch mit einer anderen Farbe, grün, und sie will sich durch Blubberblasen einfach nicht ausschalten lassen. Sie reagiert überhaupt nicht auf diesen Angriff, abgesehen davon, dass dieses unerträgliche Brummen anscheinend lauter geworden ist, aber das bilde ich mir wahrscheinlich ein. Wie damals in der Ozeanhöhle lege ich meinen FangKom zum Analysieren an. "Dieses Mal", seufze ich, "Brauchen wir Angriffe, die von Feuerpokémon ausgehen, also Fähigkeit 'Brand" mit dem Stärkeniveau 2." Luana schaut mich gestresst und aufgewühlt an. Sie findet das, dass es schon wieder eine richtige Mission gibt, nicht mehr so toll wie anfangs, im Gegenteil. Desto länger wir in Havebrück rumgelaufen sind, desto brummiger wurde sie. Nicht mehr lange und sie explodiert, dann muss ich alleine weitermachen.
    "Wo sollen wir jetzt ein Feuerpokémon mit dieser Stärke auftreiben?", knurrt sie, obwohl sie versucht, ihre Wut zu unterdrücken. Weil ihre Finger ansonsten beben würden, ballt sie sie zu Fäusten. Ihre Knöchelchen scheinen dadurch beinahe im nächsten Momentdurch die weiße Haut zu brechen.
    "Keine Sorge", erwidere ich, "Ich habe vorhin ein Fukano entdeckt, dass wir uns helfen können. Komm schon, ich wette, es sind nicht mehr viele von diesen dummen Geräten."
    Doch damit liege ich falsch. Eine weitere Stunde, die einen weiteren Typ der Geräten, einen blauen, und die Verschlechterung von Luanas Laune bereit hält, und wir sind noch nicht fertig. Bald müssen wir uns durch die gesamte Stadt gekämpft haben und den Hafen erreichen. Außerdem habe ich einen Grund gefunden, warum meine Arbeitskollegin gerade während dieser Mission so bissig wurde. Ihr geht es einfach gegen den Strich, die ganze Zeit an Schuh- und Klamottenläden vorbeizulaufen, ohne auch nur ein paar Schuhe gekauft, oder ein Oberteil anprobiert zu haben. Stattdessen muss sie sich mit Pokémon verwirrenden Maschinen rumschlagen. Wenn das so weiter geht, kann sie die Grünen bald selber zerstören, dann spukt sie nämlich Feuer. Das sollte ich mir unbedingt merken: Wenn ich irgendwelche Aufträge oder Missionen in Havebrück habe, auf gar keinen Fall Luana als Partnerin mitschleppen.
    Irgendwann ist der Salzgeruch, dem wir unbewusst entgegengelaufen sind, so stark, dass wir am Ende der Straße, in der wir gerade sind, tatsächlich das in der Sonne glitzernde, wunderschön türkisblaue Meer erkennen können. Das Havemeer macht seinem Image alle Ehre.
    Unendlich viele Boote und Segelschiffe befinden sich auf dem Wasser im Hafen, im leichten Wellengang sacht auf und ab schaukelnd. Die lange Straße am Meer ist normalerweise wahrscheinlich voll, da die zahlreichen Cafés, Eisläden und
    Shops bestimmt superschön sind, besonders im Schein der Sonne. Doch der Grund, warum absolut niemand hier ist, wird jedem auf Anhieb klar. Die hypnotisierten Pokémon in dieser Gegend sind angriffslustiger als die anderen. Sie gehen aufeinander los, zerkratzen sich und bombardieren sich mit Angriffen. Ein Eisstrahl schießt gleich bei unserem Betreten der Hafenstraße auf Luana zu. Gerade noch rechtzeitig kann ihr kleines Haspiror den hellblauen Strahl mit einem eigenen, noch mächtigeren abblocken. Zum Glück ist Luana so geschockt, dass sie nicht sofort aufschreit und auch danach einen Aufschrei unterdrücken kann.
    Das hätte die rasenden Pokémon ansonsten auf uns aufmerksam gemacht. Der Schock bewirkt außerdem, dass meine Arbeitskollegin ihren Ärger vergisst. Stattdessen piepst sie atemlos: "Lass uns schnell dieses Chaos beenden, in dem wir ein weiteres dieser nervigen, surrenden Dinger finden." Mit ihren hellgraugrünen Augen, die sie weit aufreißt, starrt sie ich entsetzt an.
    "Sany, versuch mal herauszufinden, ob wir nach links oder nach rechts laufen müssen, um zu unserem Ziel zu kommen", flüstere ich meinem Partner Pokémon auf meiner Schulter zu. Ihre erstaunlich hellhörigen Ohren registrieren in ein paar wortlosen Sekunden die Richtung, aus der das Dröhnen kommt und so zeigt uns Evoli genau, wo wir lang müssen. Kaum zu glaube, wie lang diese Straße ist. Oder kommt mir das nur so vor? Inzwischen laufen wir hinter Sany her, die sich einen Weg durch viele große, aufeinandergestapelte Container bahnt. Doch plötzlich stoppt sie und lugt vorsichtig um die Ecke. Jetzt müssen wir da sein, aber irgendetwas... Als Luana und ich bei ihr sind, ebenfalls an dem Container vorbeispähend, merken wir, dass sich um den Ursprung des Surrens eine Gruppe Leute versammelt hat.
    Sie tragen allesamt schwarze Kleidung mit einem purpurnen Zeichen vorne auf der Brust. Aus irgendeinem Grund geben sie mir ein Gefühl von starker Gefahr und Boshaftigkeit. Meine Nackenhaare stehen zu Berge und ich kneife meine Augen zusammen. Das Gerät in der Mitte der Personen hat eine neue Farbe, gelb. Bevor wir reagieren können, spricht einer der zwielichtigen Typen mit lauter, unüberhörbarer Stimme:
    "So ein paar nichtsnutzige Ranger latschen herum und zerstören die KonGigaeinheiten... Warum müssen die auch so verdammt schwer sein? Hätte dieser achso kluge Erfinder sie gleich leichter entworfen, dann hätten diese elenden Ranger nicht die Spur einer Chance, alle auszuschalten, weil wir sie leichter verteilen könnten." "Halt die Klappe, du Idiot", fährt ihn ein anderer, irgendwie schräger Mann dazwischen, "Wir haben doch viele Daten für das Experiment gesammelt. Meiner Meinung nach war der heutige Tag ein voller Erfolg!" Sie fangen allesamt an, zu lachen. Das gibt Luana und mir die Gelegenheit, uns zu unterhalten, ohne bemerkt zu werden.
    "Experiment? Was für ein Experiment?", murmelt meine Arbeitskollegin, "Wir könnten es riskieren und sie fragen, was meinst du?" "Okay", zische ich zurück. Also rennen wir ein wenig auf sie zu, bis nur noch sieben Meter Platz zwischen uns und ihnen sind, dann ruft Luana: "Entschuldigt bitte, aber weg seid ihr Leute? Könnten ihr uns bitte erklären, was genau diese Maschinen sind? Und was hat es mit dem Experiment auf sich, das ihr erwähnt habt? Es wäre echt nett von euch, wenn ihr das erklären könntet."
    Der schräge Typ zieht eine Augenbraue hoch, bevor er los keift: "Ihr Vandalen, Verrückten! Was habt ihr gegen die KonGiga? Diese großartige Erfindung? Ihr solltet sie mit Respekt behandelt und nicht wie Müll!" Seine wütende Reaktion ist genau das Gegenteil von dem zwielichtigen Typen. Dieser wirkt nervös, fast etwas schüchtern, aber er antwortet: "Wer wir sind, fragst du? Wir sind Team Nachtschatten! Wir sind ein Verbrechersyndikat, das von der Weltherrschaft träumt und sich als erstes Almia unter den Nagel reißen wird. Also sind wir nach Havebrück gekommen, um die KonGigamaschinen auszuprobieren. Ob sie funktionieren und Pokémon wie Marionetten, deren Fäden wir in der Hand haben, kontrollieren können." Eine Weile stehen sowohl Ranger als auch die Team Nachtschattentruppe wie erstarrt da. Ich weiß ja nicht, was für eine Antwort ich von Bösewichten erwartet habe. Die erste entsprach schon eher dem, was ich gedacht habe, aber die zweite? So ausführlich. Zu informierend, als dass sie je an unsere Ohren hätte dringen sollte. Das ich damit recht habe, wird mir von dem größten, stärksten der Männer bestätigt, der das Plappermaul dann ausscheltet: "Warum hast du denen alles erzählt, du Idiot? Das sollte doch alles ein Geheimnis bleiben, damit der große Plan mit dem Experiment nicht ins Wasser fällt!" Ich tausche einen flüchtigen Blick mit meiner Arbeitskollegin, wende mich dann wieder der Gruppe zu.
    Der Mann, der eindeutig zu viel preisgegeben hat, hetzt uns nun vier Rattfratz auf den Hals. Zum Glück halte ich meinen FangKom schon die ganze Zeit über bereit in der rechten Hand. Schnell die Fangscheibe losgeschickt, flink ein paar Kreise gezogen und voilá, schon sind die ersten zwei Pokémon gefangen. Da Luana ein wenig zu spät reagiert, umkreist sie noch das dritte, als ich mir schon das vierte zu Brust nehme. Die Wut verzerrt das Gesicht des Anführers. "Lass das endlich bleiben", will er wieder schimpfen, aber zu spät. Schon hat der andere einem Toxiquak befohlen, uns anzugreifen. Gifthieben und Giftstacheln ausweichend, fange ich es ohne große Probleme. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als das froschähnliche Pokémon in Richtung Stadt zurückläuft. Durch den KonGiga ist es natürlich kein Pokémon Freund geworden. Dafür, dass ich noch nicht lange ein Pokémon Ranger bin, habe ich es recht schnell gefangen. Das wird mir durch die Anerkennung in dem Blick von Luana erst so richtig klar.
    "Das reicht", brüllt der starke Mann zornig, "Das ist doch nur pure Zeitverschwendung. Sie anzugreifen bringt nichts. Blast nun zum Rückzug. Allerdings müssen wir die KonGigaeinheit mit ins Versteck zurücknehmen. Zwar ist sie schwer, jedoch noch lange nicht so schwer wie die Strafe für unser Versagen.“ Ganze vier Leute springen auf die weiterhin surrende Maschine zu und heben sie hoch. Sie mühen sich ziemlich mit ihr ab, schaffen es aber erstaunlich schnell damit ihrem Anführer hinterherzulaufen und sogar auf das Boot zu springen, mit dem sie anscheinend gekommen sind, und jetzt flüchten wollen. Ich habe nicht wirklich Lust, ihnen nachzurennen und das Schwindelgefühl, das jetzt langsam schwächer wird, wieder zu verstärken, also verharre ich an Ort und Stelle.
    "Die entkommen ja!", entreißt mich ein lauter, richtig entrüsteter Schrei aus meiner Starre. Der rosahaarige Stegner rennt leicht keuchend auf uns zu, schaut jedoch an uns vorbei auf die Nachtschattentypen. Diese entfernen sich langsam vom Festland, das Boot gewinnt erst mit der Zeit an Geschwindigkeit. Trotzdem springt ihnen der Mann hinterher ins Wasser, dann schwimmt er ihnen geschickt nach. Jedoch wird sehr schnell klar, dass er es nie einholen wird. Luana und ich wenden unseren Blick von diesem erfolglosen Unterfangen ab.
    "Ist ein ganz schön schräger Typ, nicht? Dieser Stegner... Aber der ist wirklich immer so... Hoffentlich passiert ihm nichts...", murmelt sie mir zu. Mit einem kurzen Seitenblick in Richtung Meer sehe ich Stegners auffällig gefärbte Haare inmitten des vielen Blaus des Wassers auf und ab wanken. Sieht so aus, als hätte er Halt gemacht, aber genau kann ich es nicht sagen.
    Außerdem scheint er sich hoffnungslos umzuschauen, dann könnte man glatt meinen, dass er sich umgewandt hat und sich zurück zum Hafen begeben will. Tatsächlich nicht viel später erreicht er das Land, durchnässt und mit triefenden Klamotten.
    "Das... ist... absolut unmöglich", keucht er vor Erschöpfung, versucht aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Luana neben mir atmet leise erleichtert auf und meint: "Gut, dass dir wenigstens nichts passiert ist, Stegner. Du hättest nicht versuchen sollen, diesen Idioten nachzuschwimmen." Sie seufzt, dann wendet sie sich mir zu:
    "Ich muss ein Geständnis ablegen: Ich hatte noch nie eine so gefährliche Mission und eine so lange noch dazu, ehrlich", gibt sie zu, "Aber wir haben wenigstens etwas in der Rangerbasis zu berichten. Naja, mehr als nur 'etwas'... Am besten ich gebe gleich per Voicemail Bescheid. Und du", jetzt grinst sie, obwohl sie genau wie Stegner erschöpft ist, "Kannst deinen Freund anrufen, und ihn somit von seiner Sorge erlösen. Ich wette, er wartet schon sehnsüchtig darauf, dass du ihn kontaktierst und erzählst, dass dir nichts passiert ist... Schau mich nicht so entgeistert an, ich bin mir sicher, dass er sich unwohl fühlt, wenn er nicht weiß, ob du während einer Mission verletzt wurdest oder nicht."
    Inzwischen ignoriere ich es einfach, wenn sie Bodo als meinen 'Freund' benennt, aber mein Gesicht wurde trotzdem rot. Und die Tatsache, dass er wirklich immer wissen will, ob etwas passiert ist, erhöht meinen Puls drastisch. Ich drehe Stegner und Luana den Rücken zu, warte jedoch ein wenig, bis die Röte abgeklungen ist, bevor ich Bodo anrufe. "Hi, Kathrin, wie war die Mission?", meldet er sich, sobald er direkt nach dem ersten Klingeln abgenommen hat. Er scheint aufgeregt zu sein. Ob das jetzt wegen einem eigenen Auftrag oder wegen meinen Neuigkeiten, die ich ihm gleich mitteilen werde, zu tun hat, wer weiß...
    "Es war anstrengend", gebe ich leise zu, "Aber weder Luana noch mir ist etwas passiert. Sany und Haspiror sind auch in Ordnung. aber es hat wirklich einige Zeit gedauert, wir sind gerade eben erst fertig geworden, da sehr viele KonGiga in ganz Havebrück verteilt waren..."
    "Sehr viele was?", unterbricht mich mein bester Freund. Verwirrt starre ich ihn an, dann fällt mir ein, dass er überhaupt noch nicht weiß, was uns dieser Team Nachtschatten Kerl erzählt hat. Also erkläre ich ihm alles, was dieses Team vorhat, erst die Herrschaft über Almia, dann die Weltherrschaft, dass sie dafür die Geräte namens KonGiga entwickelt haben und ein Experiment in Havebrück durchgeführt haben. Unbemerkt habe ich mich während der Erzählung schon zur Hafenstraßen begeben. Kaum dass ich geendet habe, stelle ich fest, dass sich der wieder ein munterer Betrieb eingestellt hat. Viele Menschen betreten oder verlassen Shops und Cafés, die Pokémon haben sich allesamt beruhigt. Bodo sagt überhaupt nichts. Vielleicht überlegt er? Bevor ich auf den Bildschirm meines FangKoms schauen kann, spüre ich, wie mir jemand seine Zeigefinger in die Taille rammt. Erschrocken schreie ich auf und springe nach vorne, weg von der Person. Bodo fragt sofort nach, was denn los sei. Es ist Luana gewesen, wie ich hören kann. Sie kichert vergnügt.
    "Das war nur Luana, Bodo. Aber echt, Luana, kannst du das mal unterlassen? Du weißt, wie sehr ich das hasse!", meckere ich sie an, aber das ignoriert sie einfach. "Komm, lass uns ein Eis zur Belohnung holen, bevor wir gehen", schlägt sie immer noch amüsiert vor, begrüßt kurz meinen besten Freund und zerrt mich dann wehrlos zu einem Eisstand. Ich bemerke, dass Bodo die Augen verdreht, aber mir ist sofort klar, dass er damit meine Kollegin meint. Sie kauft sich ein Waffeleis mit insgesamt drei Kugeln, einmal Walnuss, einmal Pistazie und einmal Haselnuss. Ich nehme eine Waffel mit einer Brombeereis- und einer Himmbeereiskugel. "Na, wenigstens etwas Gutes... Die Mission war wirklich hammerhart“, quietscht Luana.
    Obwohl sie mehr Eis hat als ich, ist sie um einiges schneller fertig als ich. Inzwischen haben wir den Panoramafelsen erreicht. Auch von hier kann man erkennen, dass sich viele Leute am Hafen tummeln. Jetzt, da sich die Pokémon beruhigt worden sind und dieses nervige Geräusch verschwunden ist, sind es noch mehr als vorhin, als wir unser Eis gekauft haben.
    "Kathrin?", meldet sich Bodo vorsichtig zu Wort. Ich schaue ihn an, dann fährt er fort: "Ich muss jetzt leider auflegen, aber ich rufe dich heute Abend wieder an, okay?" Ohne ein Wort zu sagen, nicke ich nur stumm und lächelnd und warte, bis der Bildschirm schwarz wird. Zurück in der Rangerbasis wiederholt meine Arbeitskollegin noch einmal die Geschichte, die sie vorhin schon per Voicemail erzählt hat, damit alle Bescheid wissen. Mir scheint es auch so, als wolle Luana mit der Mission auch angeben und so viel wie möglich Lob einheimsen. Auf jeden Fall schafft sie es dadurch, dass wir den Nachmittag zur Erholung freibekommen. Das nutze ich wiederum aus, um meine kleine Schwester zu besuchen, die gerade mitten im Training steckt. Ihr Vulpix versucht, ihren Sondersensor zu verstärken und macht verschiedene Figuren aus dem Wasser. Kreise, Würfel, ein Vulnona, ein Absol, Lucy und mich... Stephie wirbelt mit ihren Feuerattacken geschickt herum. Es sieht gleichzeitig elegant und gefährlich aus und dich bin mir sicher, dass sie versucht, ihre Angriffe sowohl zur Verteidigung als auch zur Verletzung des Gegners einzusetzen.
    Smarty und Lucy trainieren auf eine ganz besondere Art und Weise. Um meine Schwester auf unerwartete Angriffe in Kämpfen vorzubereiten, soll sie nun den Knirschern und die Nachthieben und Aquawellen ihres Pokémon ausweichen. Ihre hellbraunen Haare, normal zusammengebunden, sind schon feucht deswegen und stehen mehr ab als sonst. Sie hat extra dafür eine kurze Hose und ein Top in helllila angezogen, Schuhe und Socken hat sie einfach weggelassen. Wenn sie zu langsam ist, um einem Angriff von Smarty zu entgehen, wird sie zwar von den Aquawellen getroffen, aber bei Knirscher und Nachthieb bricht das Unlichtpokémon, um die Trainerin nicht zu verletzen. Doch das ist noch nicht alles. Mein Schwesterherz hat sich anscheinend zwei neue Pokémon gefangen.
    Ein süßes Pichu liefert sich einen kleinen Trainingskampf mit einem Knospi. Das Babymauspokémon habe ich liebevoll mit dem Namen "Shoko" taufen dürfen, während das andere auf den passenden Namen "Rosé" hört. Lucy will es zu einem Roserade entwickeln und Rosé war ganz ihrer Meinung. Mit seinem Megasauger verletzt es gerade Shoko, da dieses nicht rechtzeitig entkommen kann.
    Sany hat begonnen, ebenfalls ein paar Attacken auszuprobieren und ich schaue ich aufgeregt dabei zu... Sie will damit meine Fangversuche vereinfachen. Irgendwann zeigt ihr Smarty, wie die Aquawelle funktioniert. Als die Sonne den Himmel langsam rot, orange und gelb färbt und somit auch dem Meer an der einen Seite Flammen verleiht, machen sich meine kleine Schwester, ihre Pokémon, meiner Partner Pokémon und ich uns auf, zurück nach Schikolingen. Dort verabschieden wir uns. Sany ist immer noch ganz aufgedreht, benimmt sich mal wieder wie ein verrückter Gummiball, jedenfalls bis wir die Rangerbasis erreichen. Dann ist sie erschöpft und ihre Zunge hängt aus dem Mund. Nachdem Abendessen bin ich in unserem Schlafzimmer und lese wieder, während ich auf den Anruf meines besten Freundes warte. Luana unterhält sich noch immer mit Lea und Celia über unsere heutige Mission. Frohderich und Urs beobachten Eleonora, die zusammen mit Professor Hastings den KonGiga auseinandernimmt und Olli ist bei ihnen in der Eingangshalle.
    Somit bin ich alleine im Schlafsaal, abgesehen von der vollen fertigen Sany auf meinem Kissen. Mal wieder bei einer romantischen Stelle im Buch klingelt mein FangKom.
    "Da bin ich wieder!", begrüßt Bodo mich dieses Mal. Als er seine Frage stellt, weil er wissen will, was ich vor seinem Anruf gemacht habe, fange ich an zu kichern und zeige ihm das Buch. Währenddessen ruft Bamelin nach meinem müden Evoli, das im nächsten Moment putzmunter ist.
    Am nächsten Tag, als ich aufwache, bin ich zwar immer noch schläfrig, aber nicht ganz so sehr wie gestern Morgen. Mir scheint es, also ob da noch irgendetwas fehlt, irgendetwas, das nicht passiert ist, dass nachts nicht geschehen ist, im Gegensatz zu heute Nacht. Jedoch kann ich mich an nichts erinnern. Ich bin nicht aufgewacht, war nicht länger auf als sonst auch und Schlafwandeln tue ich auch nicht. Dieses Mal hänge ich nicht über meiner Cornflakesschüssel, aber ich bin auch nicht wirklich anwesend. Stattdessen überlege ich eifrig, was dieses etwas sein könnte, das mich so müde gemacht hat, stoße jedoch auf keinen Anhaltspunkt. Wie in Tagträumen versunken zermatschte ich die inzwischen weich gewordenen "Schokopops", bis mich eine Person laut aus meinen Gedanken reißt. Die Resolute Ute hat unseren Eingangsraum betreten, die Arme voller Becher, in der sich irgendeine weiße und zähe Flüssigkeit befindet.
    "Hallo! So sagt unser Miltank 'Danke'. Mit viel gesunder , guter Milch. Der Pudding wird euch jede Menge Energie geben", erklärt sie und verteilt die Becher. Jeder bekommt einen, dann hält sie bei Olli an, der sie mit großen Augen anschaut. Mit vollem Mund stellt sich der Chef neben sie und meint: "Der Kerl weigert sich, irgendetwas zu sagen. Steck ihm einfach den Löffel in den Mund. Das reicht vollends aus." Man merkt sofort, dass diese Worte auf die Resolute Ute anders wirken.
    Sie wird ziemlich sauer und fährt Urs an: "Jetzt mal ganz still. So behandelt man doch niemanden! Er sieht am Hungrigsten von allen hier aus. Okay, du heißt Olli, richtig? Jetzt iss erst mal auf. Hier, ich füttere dich." Sie führt einen Löffel voll leckerem Milchpudding bis zu seinem offenen Mund. Eine Zeit lang bleibe ich still stehen und beobachte sie dabei, wie sie den Jungen eine kleine Portion nach der anderen gibt und ihm dabei liebevoll zuredet. Meinen eigenen Milchpudding will ich erst heute Abend essen, da ich gerade keinen Hunger mehr habe, also reiße ich mich von dem Anblick ab, um ihn in die Küche zu bringen. Dort stelle ich ihn in den Kühlschrank ab, in das obere Fach. Zurück im Eingangsraum bekomme ich höre ich gerade noch das Ende von Ollis Geständnis...
    "E-es t-tut mir leid. Alles meine Schuld. D-dein Milchpudding war so l-lecker", gibt er immer wieder stockend und schniefend von sich. Außerdem laufen ihm dicke Tränen über die von Eleonora gesäuberte und dadurch nicht mehr ölverschmierte Wange.
    "Wie soll er sich denn seine Tränen wegwischen, wenn er so gefesselt ist?", entrüstet sich die Resolute Ute. Ohne einen Befehl abzuwarten, renne ich auf den Jungen zu und versuche, die Knoten aufzuknüpfen. Absolut unmöglich. Luana eilt mir als erste zu Hilfe, aber selbst mit ihr schaffe ich es nicht. Also kommt Eleonora mit einer komischen Schere aus ihrem Werkzeugkasten und schneidet die dicken Seile einfach durch. Wie tote Schlangen fliegen sie zu Boden.
    "Ein Hurra für Eleonora, die Entfesslungskönigin!", jubelt Luana und ich stimme freudig mit ein, Olli lächelt die Mechanikerin müde an und sie lächelt zurück.
    Ich sehe Celia zu uns rüber grinsen, aus den Augenwinkeln merke ich, dass meine Rangerkollegin den Daumen hebt, so dass Leo es nicht sieht. Indem ich mir auf die Lippe beiße, versuche ich, ein Grinsen zu unterdrücken, das unweigerlich sofort zu einem Kichern und zu einem Lachflash gewachsen wäre. Also hole ich mir meinem FangKom aus der Tasche, die an meinem Gürtel hängt und schalte ihn an.
    "Ah, Kathrin, übernimmst du die Kontrolle im Briseforst bis hin zu Havebrück?", ruft mir Urs zu. Ich nicke zustimmend, winke Sany zu mir und verlasse die Rangerbasis ohne ein weiteres Wort, das ich unweigerlich zum Platzen gebracht hätte. Als ich draußen kaum ein paar Meter gegangen bin, als ich es geschafft habe, mich zu fangen und zu beruhigen, öffnet sich die Türe zur Basis erneut. Olli tritt heraus, ohne Begleitung. Er rennt auf mich zu und schreit: "Kathrin, warte bitte! Ich hätte eine Bitte an dich. Meine M…", er fängt an, schüttelt den Kopf und fährt fort, "Meine Freundin wohnt in Schikolingen, aber ich würde schrecklich gerne wissen, wie es ihr geht, aber ich bin schlecht in solchen Sachen. Ich schäme mich zu sehr, um alleine zu gehen. Könntest du nicht mitkommen? Bitte!" Ich ziehe ungläubig eine Augenbraue hoch, meine jedoch, dass ich ihn begleiten werde. Eigentlich glaube ich nicht, dass er eine Freundin hat und dass sie dort wohnt, wo er mich hinführt, sondern seine… M.. Mutter vielleicht? Wie auch immer
    In Schikolingen angekommen, führt mich Olli zu seinem Haus und ich stelle fest, dass das Haus direkt neben dem von meinen Eltern ist. Er klopft zögerlich an die Haustüre, nachdem wir die Gartentüre hinter uns gelassen und das Gärtchen durchquert haben. Eine braunhaare Frau, die ungefähr im Alter meiner Tante ist, öffnet und starrt Olli an. Sie ist eindeutig nicht seine Freundin, aber seine Mutter könnte sie tatsächlich sein. Die zwei sehen sich nämlich sogar recht ähnlich.
    Stotternd fängt Olli an, sich zu entschuldigen: "E-es t-tut mir so leid, Mutti." Sie nimmt ihn in die Arme, er verstummt und ich? Ich stehe wie ein Dussel daneben, ich gehöre in diesem Moment eigentlich gar nicht hierher.
    "Es war keine Freundin, sondern meine Mama. Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe...", murmelt Olli dann, aber ich winke ab. "Ach was", meine ich nur, "Ist ja nicht weiter wichtig. Also, man sieht sich. Wir sind übrigens Nachbarn, denn ich wohne nebenan!" Als ich mich dann umdrehe, sehe ich etwas, dass ich mich erstarren lässt. Drei Personen, eine mit dunkelblauen, langen, die andere mit braunen, mittellangen und die letzte mit orangen, kurzen Haaren, rennen am Zaun vorbei, direkt in Richtung Wald. Wer diese drei Mädchen sind, ist mir sofort klar. Schnell verabschiede ich mich von Olli und seiner Mutter, um gleich den Garten verlassen und zu unserem zu laufen.
    Gerade noch so, bevor Lucia die Klingel drücken kann, bemerkt mich Maike und fängt an, zu quieken. "Kathrin!", quietscht Misty und dann gibt es erst einmal eine Gruppenumarmung. Als wir uns wieder lösen, frage ich: "Was macht ihr denn hier?" Wie oft kommt es schon vor, dass mich die drei besuchen kommen und immerhin, bei den letzten zwei Besuchen war nicht daheim! Maike und Lucia reisen zwar sowieso durch Regionen, um Wettbewerbe zu bestreiten, aber in Almia und Fiore gibt es so etwas normalerweise nicht, deswegen kommen sie eher selten. Misty muss mit ihren Schwestern die Arena in Azuriacity leiten und viele harte Kämpfe bestreiten. Obwohl sie oft unterwegs ist, passiert es selten, dass sie nach Fiore reist. Oder in dem Fall, nach Almia.
    "Wir wollten uns mal wieder Zeit für dich nehmen und haben beschlossen, einen Tagesausflug nach Almia zu machen. Von Lucy hatten wir ja schon eure Adresse erhalten. Jetzt sind wir da!", erklärt Lucia. Ihr Pokémon Plinfa entdeckt nun mein Partner Pokémon, dass sich eher schüchtern hinter meinen Beinen zu verstecken suchte. Das Pinguinpokémon begrüßt sie überschwänglich und watschelt freudig auf sie zu. Sany schaut erst das Pokémon, dann mich mit ihren süßen, braunen Augen an, bis mir einfällt, dass sie Fremden normalerweise eher distanziert ist. Ich knie mich vorsichtig hin und spreche beschwingt: "Darf ich dir vorstellen, Sany? Das ist Plinfa, das erste Pokémon von Lucy. Von Lucia, Maike und Misty habe ich dir doch schon oft erzählt, oder nicht?"
    Evoli mustert jetzt mit mehr Neugier und Interesse meine Freundinnen und das blaue Pokémon, dann meint sie: „Mein Name ist Sanyy, freut mich, euch kennenzulernen.“ Die drei Mädchen verstehen natürlich nichts, nur Plinfa hüpft auf sie zu und hält ihr einen Flügel entgegen. Sany hebt vorsichtig eine Pfote, um sie zu schütteln. Nachdem ich meinen Freundinnen mitgeteilt habe, was mein Partner Pokémon gesagt hat, grüßen sie alle das Katzenpokémon. Mit einem prüfenden Blick auf meinen FangKom stelle ich fest, dass es nun wirklich Zeit für meine Patrouille ist. Lucia, Maike und Misty wollen mich unbedingt begleiten, wohl aber nicht nur, um bei mir zu sein. Natürlich wollen sie die Zeit in Almia mit mir verbringen, aber dass meine Patrouille heute nicht nur im Briseforst ist, sondern auch in Havebrück, bringt besonders Lucia und Maike auf andere Gedanken.
    Shoppen. Gerade die Kleidungsshops in der wunderschönen Hafenstadt sind ziemlich beliebt und sogar auf der ganzen Welt bekannt. Am Abend zurück in der Rangerbasis muss ich feststellen, dass ich nicht die Einzige bin, die auf diesen KonGiga mit einem seltsamen Schwindelgefühlen und Kopfschmerzen reagiert. Nur, dass die drei auf die Maschine so reagieren, obwohl sie ausgeschaltet und kaputt ist. Misty torkelt mehr schlecht als recht durch den Eingangsraum, Maike kippt sogar beinahe um. Meine Arbeitskollegen bemerken das zum Glück nicht.
    „Was war das denn? Mir wurde so schwindelig in dem Raum, aber…“, stöhnt Maike, als sie sich auf mein Bett setzt. Ihre Beine zittern immer noch, und ihr Gesicht ist bleich, fast als hätte sie Geister gesehen, total geschockt. Die Blauhaarige lässt sich seufzend neben ihrer besten Freundin nieder. Misty dagegen schafft es erst gar nicht mehr, ihre Knie geben nach. Gerade noch rechtzeitig bekomme ich ihren rechten Arm zu fassen, und kann sie somit vor einem harten Schlag auf den Rand meines Nachkästchens bewahren.
    „Euch wird ja anscheinend noch schwindeliger als mir in der Nähe des KonGigas. Außerdem war er aus. Am besten benutzen wir den Hinterausgang, wenn ihr die Basis verlassen müsst, oder?“, entsetzt starre ich auf Lucias bebende Finger. Maike nickt nur schwach und die Orangehaarige lässt sich von mir langsam aufs Bett helfen.
    „In diesem Gerät muss sich etwas befinden“, fängt sie an, „Dass uns überhaupt nicht bekommt. Sorry, Kathrin… Uaah, das war einfach zu viel.“ Sie schüttelt den Kopf. Jetzt mustere ich alle drei mit einem kritischen Blick, bevor ich sage: „Sobald etwas herauskommt, was das gewesen sein könnte, werde ich mich so schnell wie möglich mit euch in Verbindung setzen, okay? Oder einen Brief schreiben, oder irgendwie so. Und was, wenn..“ Weiter komme ich nicht, denn dann klingelt mein FangKom und ich zucke vor Schreck zusammen. Trotzdem greife ich schnell nach dem Gerät in meiner Tasche, um den Anruf von meinem besten Freund anzunehmen.
    „Hey“, höre ich seine Stimme, nur irgendwie ist sein Gesicht nicht im Bild. Mit einer hochgezogenen Augenbraue frage ich: „Bodo? Wo zum Teufel steckst du? Ich kann dich nicht sehen!“ Bevor ich schauen kann, befinden sich nicht nur Bodo und Bamelin vor dem Bildschirm seines FangKoms, sondern auch Lucia, Maike und Misty rechts, links und über mir. „Du bist Bodo?“, hakt die Blauhaarige nach, dann folgt Maike mit ihrem „Kathrins neuer bester Freund?“ und die Arenaleiterin legt am Ende mit „Der, der in Fiore als Ranger stationiert wurde?“ noch eine Frage obendrauf. Er sieht gleichzeitig geschockt, überrascht und ziemlich überrumpelt aus. Auf jeden Fall ist er in den ersten Sekunden nicht in der Fassung, eine richtige Antwort zu geben. In diesem Moment bin ich doch echt froh, dass ich den Mädchen verschwiegen habe, dass ich in ihn verliebt bin, ansonsten hätte es noch ein „Und der, in den Kathrin bis über beide Ohren verknallt ist?“ im Chor gegeben. Also ist das nicht nur gut für mich, sondern auch für die drei.
    Lucy hätte ihnen die Hölle heiß gemacht, wenn das passiert wäre und ich danach von Bodo einen Korb gekriegt hätte… „Darf ich dir vorstellen?“, ergreife ich das Wort schließlich, „Das sind Maike, Misty und Lucia. Ich habe dir von ihnen erzählt, erinnerst du dich?“ Ihm scheint bei den Namen ein Licht aufzugehen und er kann sich endlich fassen.
    „Ah, okay. Ja, ich bin Bodo, Kathrins bester Freund, der Ranger aus Fiore“, antwortet er endlich. Man sieht ihm an, dass er sich langsam an diese doch andersartige Situation gewöhnt.
    „Wie kommt es, dass du schon so früh anrufst?“, hake ich interessiert nach. „Dein Zeitgefühl hat sich um keinen Deut verbessert...“, lacht er laut. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass Lucia auf ihrem Pokétch nach der Uhr nach der Uhrzeit sucht und erschrocken feststellt: „Wenn wir uns nicht beeilen, verpassen wir das Schiff zurück nach Sinnoh! Kathrin? Man sieht sich! Wir kommen dich garantiert bald wieder besuchen!“ Sie drücken mich alle drei nacheinander kurz zur Verabschiedung, dann zeige ich ihnen den Hinterausgang. Neben dem Mädchen- und Jungenschlafsaal befindet sich noch ein kleiner Besenschrank. Durch diesen kann man einer Türe nach draußen erreichen. Die drei sausen hinaus wie ein geölter Blitz und biegen schneller um eine Kurve als jemals zuvor, direkt in Richtung Schule. Vielleicht sind sie mit den Schnellbooten hier und werden mit denen auch die Region wieder verlassen. Ich ziehe mich wieder zurück in unseren jetzt komplett leeren Schlafraum. Dort kuschele ich mich in meine Bettdecke, während ich mich mit meinem besten Freund unterhalte.



    Viel Spaß, eure Soso-chan

  • Sooo.. Mal wieder ein neues Kapitel. Ich hab jetzt nämlich keinen BOCK mehr, zu malen (jedenfalls nicht im Moment), deswegen will ich wieder
    ein bisschen schreiben..
    Hoffe, es gefällt euch (wenn das überhaupt noch jemand abgesehen von Sheyn liest...)


    Kapitel 19 – Tauchgang im Havemeer


    Ich erwache durch einen lauten Schrei, dem ein leises, noch ziemlich verschlafenes Murren folgt. Trotz der eher missgelaunten Geräusche meiner müden Arbeitskolleginnen fühle ich mich im nächsten Moment hellwach. Ohne das Nachtkästchenlicht anzuknipsen, tapse ich durch die Dunkelheit in Richtung Türe. Erst muss ich nach dem Türgriff suchen, doch dann, kaum gefunden, drücke ich sie runter und schlüpfe durch den kleinen, geschaffenen Türspalt. Er ist gerade groß genug, dass ich mich durchzwängen kann. Zwar denke ich, dass sowohl Luana als auch Celia und Lea jetzt aufstehen sollten, doch wahrscheinlich ist es besser für mich, nicht ihren Zorn so früh am Morgen auf mich zu ziehen.
    Da es im Schlafsaal ziemlich warm gewesen ist und ich nur ein knielanges, helllilanes Nachthemd trage, bekomme ich bei dem Betreten der kühlen Eingangshalle Gänsehaut an Armen und Beine. In der Mitte des Raumes befindet sich Professor Hastings, immer noch über die Maschine gebeugt, aber ganz alleine. Ich frage mich zuerst, warum Eleonora nicht mehr bei ihm ist, aber ich überlege nicht länger als eine halbe Sekunde. Zu groß ist der Schock, als sich der Professor umdreht.
    Der Grund für mein Innehalten ist jedoch nicht sein Gesichtsausdruck, sondern der Gegenstand in seiner rechten Hand. Zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinder funkelt ein kleiner Stein von finsterem Glanz. Als ich Fußgetrappel hinter mir im Flur höre, löse ich mich aus meiner Starre und trete ein paar Schritte beiseite, nachdem ich meinen Blick von dem dunklen Ding genommen habe.
    Urs und Frohderich erscheinen im Türrahmen und hasten auf den weißbärtigen Mann zu, um den Stein zu betrachten. "Was meint ihr, ist das?", fragt der Professor mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen, buschigen Augenbrauen. Die anderen zucken nur müde mit den Schultern. Vorsichtig und mit schrumpfender Entfernung auch mit immer zitternden Knien gehe ich auf die drei Personen und den glänzenden Gegenständen zu. Wie hypnotisiert und völlig automisch bewegen sich meine Beine, trotzdem wurde mir beim Nähern auch immer schwindeliger
    "Kathrin?", dringt die Stimme meines Chefs an mein Ohr, "Weißt du vielleicht, was das ist?" Aus der Nähe erkenne ich, dass der Stein glatt geschliffen ist. Auch eine finstere, schwarze Aura scheint ihn zu umgeben. Einen Meter vor ihm sinke ich auf meine Knie und lege mein Kopf schräg, während ich den Kristall betrachte. Seine Nähe scheint mir zwar überhaupt nicht zu behagen, trotzdem fesselt er mich. "Äh, Kathrin, was ist.. Ah!!", sagt mein Arbeitskollege stößt einen kleinen Schrei aus, als ich den Kristall berühre und im selben Moment etwas unser meinem Nachthemd aufleuchtet. Dieses Licht reißt mich aus meiner Befangenheit. In den ersten zwei Sekunden frage ich mich, was dieses Leuchten ist und was es für einen Ursprung hat. Dann fällt es mir ein und ich ziehe das an der Kette baumelnde Kreuz hervor.
    Die großen Steine auf der Vorderseite und an den Rändern strahlen hell und wärmend. Professor Hastings bedenkt mich mit einem unsicheren Blick, der so ganz und gar nicht zu ihm passt, dann löchert er interessiert:
    "Was ist das für ein Anhänger?" Wahrheitsgemäß zucke ich mit den Schultern und betrachte mein Kreuz. Komischerweise fühle ich mich überhaupt nicht mehr schwindelig. Meinen rechten Zeigefinger lasse ich sacht über den Stein streichen, über das geschlossene Auge, welches seltsamerweise warm, wenn auch nicht weich ist. Es ist komplett still in dem Raum, aber in den Schlafsaal scheint es hoch herzugehen. Auf jeden Fall hören wir Luana sprechen, anscheinend unterhält sie sich mit den Mechanikerinnen, denn Eleonora gibt eine klar verständliche Antwort. "Der Schrei stammte eindeutig von Professor Hastings", meint sie ruhig. Dann öffnet sich die Tür zum Mädchenschlafsaal geräuschvoll und ich kann die Schritte meiner Arbeitskolleginnen im Flur hören, als sie sich auf den Weg zu dem Zimmer machen, indem wir sind.
    "Was ist das denn für ein Licht Haben sie etwas Bestimmtes gefunden, Professor?", höre ich die Stimme Eleonoras, überrascht und atemlos. Dann rennt jemand auf uns zu. Ich löse mich abermals aus meiner Starre, aber dafür lasse ich das Kreuz aus meiner Hand fallen. Glücklicherweise hängt es, wie für einen Anhänger üblich, an einer Kette und baumelt deshalb einfach an dem glitzernden Goldkettchen, welches in dem anhaltenden Schein der schimmernden Steine ein bisschen merkwürdig und sogar etwas magisch funkelt.
    Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass es eine normale Kette ist, könnte ich glatt meinen, dass es aus Millionen kleiner Kristalle besteht.
    "Kathrin", spricht der Professor dann ruhig, "Wenn du nichts dagegen hast, würde ich mir dein Schmuckstück einmal genauer anschauen. Darf ich?" Mit zitternden Fingern greife ich zu dem Verschluss an meinem Nacken und öffne ihn still. Vorsichtig überreiche ich es dem Herrn, beobachte ihn allerdings, als er den Anhänger unter die Lupe nimmt und wendet und dreht, um ihn von allen Seiten sehen zu können
    "Sehr interessant", murmelt er vor sich hin, "Wirklich, sehr interessant." Inzwischen wendet er sich den geschlossenen Lidern zu. Damit das auch funktioniert, hat er den Stein aus dem KonGiga zuvor Luana übergeben, die sich zu dem Tresen entfernen musste, dass das Licht ganz abklingen kann. Die Prozedur der Untersuchung dauert nur weniger Minuten, in denen es leise ist, ungewöhnlich still für die Bewohner unserer Basis. Professor Hastings gibt mir das Kreuz mit folgenden Worten zurück: "Die Steine stammten ursprünglich aus dem Chroma Hochland, irgendwo tief in den Chroma Ruinen. Dort sollte es jede Menge geben, aber…Der dort in der Mitte. Dieser ist mir absolut unbekannt. Mir kommt es so vor, als würde es eine Art Auge sein, nur dass das nur das Äußere ist, sozusagen die Lider mitsamt kleinen Fältchen. Aber ich glaube nicht, dass man es aufbrechen könnte."
    Verwundert lege ich sie mir wieder um. Ich bin die erste, die sich erhebt und mit komischerweise wabbeligen Knien wanke ich in Richtung Schlafsäle, die inzwischen leer sind. Im Badezimmer ziehe ich mich um, wasche mich, putze mir die Zähne und mache mich vollkommen fertig für einen neuen Arbeitstag. Doch die ganze Zeit über bin ich total in Gedanken versunken, die fast alle um das gerade Geschehene kreisen. Größtenteils sind es Fragen, ohne Antworten, die ich aber so schnell wie möglich haben will. Deswegen bin ich heute eher fertig. Kaum fertig begebe ich mich allerdings nicht zum Frühstücken zurück in den Eingangsraum, sondern setze mich auf mein Bett, meinen FangKom in der Hand haltend. Natürlich habe ich vor, meinen besten Freund anzurufen, sofort. Es braucht nicht lange, keine drei Sekunden, dann ist er auch schon rangegangen. Statt einer Begrüßung wie sonst auch, meine ich nur:
    "Die Steinchen auf dem Kreuz reagieren auf einen Stein, der in den KonGigas eingebaut ist. Jedoch haben wir bisher von Professor Hastings noch keine Analyse erhalten." Er schaut mich erst nur an. Habe ich ihn etwa doch aufgeweckt? Obwohl, irgendwie scheint er überhaupt nicht müde zu sein, und seine Antwort klingt auch überhaupt nicht verschlafen. "Sehr interessant", murmelt er, woraufhin ich lächeln muss, da er sich genauso anhört wie Professor Hastings, als der die zwei Wörter das letzte Mal gesagt hat. Sany erhebt sich von dem Kissen hinter mir und klettert auf meine Schulter, nach Bamelin rufend. Es gähnt, während es sich die Augen reibt.
    "Wir sollten...", fange ich an, in Gedanken versunken, "Vielleicht sollten wir uns notieren, was wir alles über unsere Kreuze wissen. Dann finden wir möglicherweise schneller heraus, was diese Kreuze wirklich sind, warum wir sie bekommen haben und so... Mal schauen, hast du zufällig was zum Schreiben in deiner Nähe? Ansonsten suche ich schnell..." Doch dann höre ich schon ein Klicken. Bodo hat einen Kugelschreiber in der Hand und scheint anscheinend auch schon ein Blatt Papier oder ähnliches vor sich liegen zu haben.
    "Kathrin? Kommst du bitte mal?!" Ich verdrehe die Augen und gehe in Richtung Türe, während ich mit meinem besten Freund mir schon einmal ein paar Besonderheiten von unseren Anhängern durch den Kopf gehen lasse.
    Luana, die nach mir gerufen hat, tritt nervös von einem Fuß auf den nächsten auf, obwohl sie dabei ist, das Frühstück für uns alle vorzubereiten. Es riecht schon leicht angebrannt, was garantiert von der Pfanne mit Spiegeleiern stammt. Wenn es etwas gibt, das meine Arbeitskollegin überhaupt nicht kann, dann ist es Kochen. Seufzend lege ich meinen FangKom neben der Herdplatte ab.
    "Bist du etwa am Telefonieren?", fragt sie mich dann mit einem abschätzenden Blick auf das Gerät, aber ich strecke ihr nur kurz die Zunge heraus, um dann das Gespräch mit Bodo fortzusetzen.
    "Wie viele Punkte haben wir schon gesammelt?", hake ich zur Sicherheit nach und bekomme zur Antwort alles aufgelistet: "Als erstes die Dämons Flügel damals auf der Klippe auf den Steinen vorne. Zweitens, das Auge auf dem meinigen ist offen, das auf deinem zu. Nun haben wir auch noch als einen dritten Punkt, dass dein Kreuz, wenn du den Stein in dem KonGiga berührst, anfängt, zu leuchten." "Um genau zu sein leuchten die vier Steinchen auf der Vorderseite und ich glaube auch, die auf den Rändern, aber da bin ich mir nicht mehr so sicher", unterbreche ich ihn, in der Pfanne kratzend. Luana stiehlt sich klammheimlich aus der Küche. Zwar höre ich nicht, wie sie langsam zur Türe schleicht, jedoch wie sie diese, wenn auch leise, schließt. Genervt puste ich mir den Pony aus dem Gesicht. Ist doch eigentlich klar gewesen, dass ich am Ende alleine in der Küche stehen werde, mal abgesehen von meinem Partner Pokémon.
    "Fällt dir noch etwas ein?", löchert Bodo, auf was auch immer schreibend. Obwohl ich den Kopf schüttle, antworte ich mit einem klar verständlichen "Nein", da er mich ja nicht sehen kann. Ich hole ein paar neue Eier aus dem Kühlschrank, um sie zu braten. Nicht lange, nachdem ich sie in die Pfanne geschlagen habe, stoße ich auf ein weiteres Merkmal.
    "Halt!", werfe ich mitten in einen eigenen Satz ein, "Da war noch etwas!! Professor Hastings meinte, dass die Steinchen aus irgendeiner bestimmten Gegend von Almia stammen. Irgendetwas mit Ch, aber ich weiß es nicht mehr... Es handelt sich um irgendeine Ruine. Wenn ich den Professor später sehe, werde ich ihn noch einmal fragen, aber besser, du notierst es dir, ansonsten vergessen wir es..."
    "Meinst du das Chroma Hochland mit den dazugehörigen Chroma Ruinen?", hakt er nach, bevor er schreibt und ich nicke munter. Langsam steigt mir der Duft von bratenden Eiern in die Nase und macht mich hungrig. Zwanzig Minuten später ziehe ich meine Kreise in Schikolingen, wo meine heutige Patrouille stattfindet. Aber ich bleibe nicht lange dort.
    Da Bodo sich auf einer wichtigen Mission befindet, kann man bei mir einfach mit der Voicemail Funktion durchklingeln, ohne dass ich einen Anruf mit ihm unterbrechen muss. Als mein FangKom dann tatsächlich klingelt, glaube ich dummerweise zuerst, dass er ist. Wobei das ziemlich idiotisch ist, weil keine Mission, die diesen Namen verdient, so schnell zu Ende ist. Es ist Urs, was mich sehr verwundert.
    "Ah, Kathrin? Wir haben leider so etwas wie eine Krise in Havebrück und benötigen dich. Ich erkläre dir allerdings erst etwas, wenn du bei uns bist. Beeil dich aber", und dann legt er, ohne eine Antwort abzuwarten, einfach auf. Erst rufe ich nach Sany, die mit einem schief gelegten Kopf zwei Taubsi auf einer Fichte beobachtet, um dann mit ihr loszurennen. Es dauert eine ganze Weile, bis ich Havebrück erreiche, denn ich muss einige Male anhalten und pausieren. Um genau elf Uhr betrete ich den steinigen Boden der Hafenstadt. An das große Eingangstor gelehnt, steht mein Chef. Er scheint unglaublich erleichtert über mein Erscheinen, trotzdem scheucht er mich gleich weiter.
    "Hopp, hopp!" Er lässt mir überhaupt keine Zeit zum Verschnaufen. "Auf zur Nordbrücke, ganz im Norden von Havebrück!" Ich verkneife mir eine spitze Bemerkung, werfe ihm aber hinter seinem Rücken einen bösen Blick zu. Seit meinem letzten Besuch mit Luana hat sich die Stadt verändert. Um genau zu sein die Gassen und Straßen sehen anders aus. Der Grund dafür ist wohl, dass die Bewohner von Laden zu Laden spazieren, ein Café trinken oder ein Eis essen. Das Lachen und die vielen Gespräche lassen die ganze Umgebung viel lebendiger und um einiges freundlicher wirken. Klar, dass bei komisch surrenden Maschinen, die teilweise Kopfschmerzen und kampflustigen Pokémon verursachen, nicht viele Menschen den Kopf aus dem Fenster stecken, geschweige denn sich aus dem Haus wagen. Die Veränderung, der Unterschied ist so gravierend, dass ich leichte Probleme habe, Urs zu folgen, der mühelos immer einen Weg durch die Menschenmassen findet. Vielleicht liegt es auch an seiner Größe und an seinem finsteren Gesichtsausdruck, im Gegensatz zu mir, dem Zwerg, der stolpernd versucht, hinterherzukommen. Wie durch ein Wunder schaffe ich es nicht, meinen Chef aus den Augen zu verlieren, bis wir bei der Brücke ankommen. Diese ist hochgelassen und zwei Personen stehen davor, anscheinend streitend. Es handelt sich um Professor Hastings, der wild gestikulierend versucht, Stegner zu tadeln. Als wir bei ihnen sind, ist der Professor völlig außer Atem, aber trotzdem meint er stockend.
    "Ah, da... bist du ja, Kathrin! Guten Morgen. Es ist ein wirklich schöner Morgen, abgesehen davon, dass die Brücke in diesem Zustand verklemmt ist. Der einzige Weg auf die andere Seite, auf der das Ranger HQ liegt, ist nicht passierbar. Und das alles nur, weil dieser Schussel hier den Schlüssen zum Hochlassen an einem Ort verloren hat, an dem es geradezu unmöglich ist, ihn wiederzufinden. Wer ist schon so..." Doch er kann den Satz nicht zu Ende sprechen. Urs unterbricht ihn. "Also, der eigentliche Grund, warum wir dich gerufen haben, ist, weil du nach dem Schlüssel tauchen sollst, damit wir auf die andere Seite gelangen können. Stegner begleitet dich zum Hafen, um dir die Stelle zu zeigen, wo du suchen musst. Jedoch bekommst du davor", er greift in eine der Hosentaschen und zieht etwas kleines heraus, "Diese geniale Erfindung von den brillanten Erfindern der Ranger Vereinigung: Die Mikro Aqualunge!" Er reicht mir das kleine, aber wirkungsvolle Gerät und ich betrachte es mir prüfendem Blick. Zwar frage ich mich, warum mein Chef nicht selber im Meer sucht, aber mir bleibt keine Zeit. Denn schon spaziert der Brückenwärter an mir vorbei. Wie es scheint, will er das so schnell wie möglich hinter sich bringen. Doch Urs schreit mir noch hinterher:
    "Ach ja, Kathrin! Das zählt dann als vollwertige Mission, okay?" Kurz drehe ich mich um, dann laufe ich Stegner nach. Auf dem Weg schreibe ich Bodo eine kurze Nachricht per Voicemail, damit er nicht während meiner Mission versucht, mich zu erreichen. Auch wenn er selbst mit einer eigenen beschäftigt ist... Am Hafen angekommen, scheint der pink haarige Mann nach einem bestimmten Boot zu suchen. Es dauert nicht lange, bis er fündig wird.
    Ein mittelgroßes Anglerboot schwankt leicht am Ende eines längeren Steges. Die gelblich weiße Farbe auf dem Rumpf blättert schon leicht ab, doch die kleine Lampifigur auf der Spitze ganz vorne glänzt im Schein der Sonne. Die Kajüte dagegen erstrahlt in einem wunderschönen hellblau. Die Türe, die in das Innere führt, hat eine eigenartige Form nämlich die eines geöffnetem Perlu, und es wurde auch aufgemalt. Sie steht einen Spalt breit offen und jemand scheint sich hinter ihr zu befinden, denn es dringen Geräusche nach draußen.
    "Hey, Kev, kommst du mal?", brüllt Stegner unerwartet und ich zucke zusammen. Plötzlich ist es still in der Kajüte, kurz darauf sind knarrende Schritte zu hören. Quietschend öffnet sich die wie ein Pokémon geformte Türe.
    Ein Mann mittleren Alters tritt heraus, mit braunen Locken und dunkelgrünen, aufmerksamen Augen. Er trägt eine ausgewaschene, hellblaue Jeans und ein giftgrünes, schlabberndes T-Shirt, Schuhe hat er jedoch einfach weggelassen. Strumpfsockig schlurft er über den holzigen Boden auf uns zu.
    "Ah, Stegner", krächzt er, räuspert sich und fährt dann mit normaler Stimme fort, "Wer ist denn diese junge Lady?" Meint der etwa mich? Statt zu antworten ziehe ich nur ungläubig eine Augenbraue hoch. Stegner erklärt dem Herrn, wer ich bin, und warum und was genau wir hier wollen. Wie sich herausstellt, heißt der Mann mit ganzem Namen Kevin und ist ein guter Freund des Brückenwärters.
    "Ich soll die Lady also ein Stück weit auf das Meer mitnehmen, damit sie dort nach deinem Brückenschlüssel suchen kann. Habe ich das richtig verstanden?", wiederholt Kev nochmal, die Stirn gerunzelt. Ich nicke heftig, während ich schon einmal einen ungefährlichen Weg auf das Boot suche. Stegner stimmt zu, dann kann ich endlich auf das schwankende Schiff steigen, was erstaunlich einfach ist. Sany jedoch sträubt sich ziemlich. Zwar liebt sie das Wasser, schwimmt wirklich gerne, aber diese Mission ist absolut nicht nach ihrem Geschmack.
    "Ich glaube, dass du", ich kraule sie sanft hinter den Ohren, während ich ihr das zu murmele, "In der Zeit, in der ich tauchen gehe, besser auf dem Schiff auf mich wartest, okay?" Ganz zufrieden ist sie mit diesem Vorschlag nicht, aber ihr bleibt auch nichts anderes übrig. Also gibt sie sich geschlagen.
    "Na gut, legen wir also ab!", verkündet Kevin, bevor er in seiner Kajüte verschwindet. Den FangKom auf Radar einstellend, setze ich mich einfach auf den Boden. Wenn der Schlüssel also maximal einen Kilometer entfernt ist, erhalte ich ein Signal, welches mir anzeigt, wo genau ich ins Wasser muss. Je nachdem, ob ich mich dem gesuchten Objekt nun nähere oder entferne wird das Signal, das sich mit einem Pfeifen bemerkbar macht, stärker oder eben schwächer. Diese ungemein nutzvolle Funktion hat mir Bodo geschickt, der es wiederrum von Primo hat und der hat es von Rhythmia. Sie hat es ihrem besten Freund verschafft, nachdem die zahlreichen Computergenies auf ihrer Schule eines nach dem anderen entwickeln. Kev hat inzwischen die Stelle erreicht, an der Luana und ich die Team Nachtschatten Schergen und ihren Admin flüchten sahen.
    "Gut, und jetzt weiter auf das Meer hinaus", dirigiere ich und nicht lange später... "Piiieps!", meldet sich mein FangKom schwach, doch ich springe "Haalt", rufend auf. Langsam hält das Schiff, also begebe ich mich an den Rand. Zweifelnd werfe ich einen Blick auf die Mikroaqualunge. Durch dieses kleine Gerät soll ich unter Wasser atmen können?
    "Springst du da jetzt etwa runter?", höre ich den Kapitän, allerdings mache ich mir nicht mehr die Mühe, mich zu ihm umzudrehen. Stattdessen antworte ich lässig "Klaro!". Die Mikroaqualunge in den Mund geschoben, genau wie beschrieben und gleichzeitig schnell über Bord gesprungen, falle ich ins kühle Wasser. Einen Moment brauche ich, dann merke ich: Es klappt! Diese Erfindung lässt mich selbst unter Wasser normal atmen! Zwar ist das Gefühl ein wenig gewöhnungsbedürftig, trotzdem, es funktioniert. Vorsichtig begebe ich mich tiefer in das dunkle Gewässer. Je tiefer ich tauche, desto weniger Licht gibt es und so muss ich schon bald eine kleine Taschenlampe aktivieren. Diese ist ebenfalls ein Programm auf meinem FangKom. Trotzdem erleuchtet sie nur schwach meine undurchdringliche, dunkle Umgebung. Also ist Pokémon Hilfe angesagt! Laut Luana soll es hier Lampi geben, Pokémon mit Typ Wasser und Elektro, die mit zwei kleinen Lämpchen problemlos bis zu zwanzig Meter unter Wasser erleuchten können. Somit dürfte ich sie hier unten auch leicht finden können. Tatsächlich habe ich in fünf Minuten sogar zwei auf einmal aufgetrieben und diese auch in wenigen Sekunden zu Pokémon Freunden gemacht. Mit ihnen folge ich dem Signal. Unaufhörlich piepst es, so dass ich mich ziemlich wundere, dass die anderen Wasserpokémon das überhaupt nicht stört. Als ich mich dann genauer umschaue, muss ich feststellen, dass überhaupt keine in der Nähe sind. Etwas stimmt nicht. Das Havemeer ist bewohnt von Finneon, Barschwa, Karpador, Lumineon, und, und, und! ich könnte jetzt ganz viele aufzählen, aber in meiner Sichtweite befindet sich kein einziges.
    Zwar ist das Pfeifen des Radars nicht sonderlich angenehm und für Pokémon mit einem feinen Gehörsinn erst recht nicht, trotzdem würde es nie für das Verschwinden verantwortlich sein können. Vielleicht kann Urs weiterhelfen? Nachdem ich die Taschenlampenfunkion abgeschaltet habe, rufe ich bei ihm an.
    "Kathrin, hast du den...?", fängt er an, aber ich unterbreche ihn. "Nein", murmele ich durch die Mikroaqualunge, "Aber ich habe eine Frage an dich: Zwar befinde ich mich unter der Wasseroberfläche, dennoch kann ich keine Pokémon ausmachen, nicht mehr. Abgesehen von den zwei Lampi, die mich begleiten, weil ich sie vorhin gefangen habe, natürlich. Woran könnte das liegen?" Blasen steigen auf, als ich es meinem Chef erkläre... Kurz Stille, dann...
    "Hör mir gut zu, Kathrin! Du darfst dich auf keinen Fall ruckartig bewegen, oder sonst irgendwie zu sehr auf dich aufmerksam machen. Der Grund, warum dich die Lampi noch begleiten, zeigt, dass du gute Arbeit beim Fangen geleistet hast..." "Komm auf den Punkt, Urs. Vergiss nicht, ich stecke mitten in einer von dir aufgetragenen Mission!"
    "Also gut. Es befindet sich mindestens ein Tohaido in deiner Nähen, wenn nicht sogar eine ganze Gruppe. Die Lampi fühlen sich durch deinen hervorragenden Fangversuch in deiner Nähe sicher. Das ist der einzige Grund, warum sie noch bei dir sind. Versuche bitte, ruhig zu bleiben, auch wenn du ein Tohaido oder mehrere erblickst. Solange du sie glauben lässt, dass du keine Gefahr für sie darstellst, kann dir nichts passieren. Sollten sie jedoch durch irgendetwas aufgeschreckt sein, fang sie", schließt mein Chef. Mit gerunzelter Stirn habe ich ihm zugehört.
    Dankend lege ich auf. Soso, deshalb bin ich hier also so gut wie alleine. Jetzt muss ich mich nicht nur darauf konzentrieren, dass ich dem Metallsignal richtig folge, sondern auch, dass mir keine Tohaido über den Weg schwimmen. Das Piepsen könnte mir bei letzterem auch noch zum Problem werden. Immerhin soll ich sie eigentlich nicht auf mich aufmerksam machen. Dennoch, Mission ist Mission und deshalb muss ich wohl oder übel mein Radar aktiviert lassen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass ich den Schlüssel finde, und zwar schnell. Das Schicksal scheint es aber nicht gut mit mir zu meinen.
    Das Radar zeigt an, dass ich unbedingt in einen tiefen Graben hinein muss. Dieser sieht absolut überhaupt nicht einladend aus und mir läuft es kalt über den Rücken. Auch das Wasser scheint mit jedem Meter kälter zu werden. Inzwischen dürfte ich fast am Grund des Grabens angekommen sein, denn die Wände laufen spitz aufeinander zu.
    Als das Licht von Lampis Lämpchen den Boden erreicht, bleibt mein Herz einen Moment stehen. Um einen spitzen Stein herum schwimmen vier Tohaido, aufgeregt, wenn auch nicht wütend. Ich bekomme eine Gänsehaut bei ihrem ungewöhnlich hektischen Anblick. Doch der Schock durchfährt mich erst so richtig, als ich etwas erkenne, das dort blitzend im Licht der Lampi an der Spitze des Steines hängt: Der Schlüssel! Mit einem leisen Quieken, das mir ausversehen entfährt, fällt mir beinahe mein FangKom aus der Hand. Mir bleibt nichts anderes übrig.
    Ich muss die Tohaido einfangen, ich muss es machen, um meine Mission erfolgreich zu beenden. Nervös schalte ich das nervige Pfeifen aus. Nun brauche ich es nicht mehr, immerhin habe ich den Schlüssel gefunden. Noch einmal tief durchatmen, dann...
    "Fangversuch los!", sage ich leise, die Fangscheibe losschickend. Zwar weiß ich genau, dass mir keine andere Wahl geblieben ist, trotzdem hätte ich bei dem Anblick der spitzen, blitzenden Zähne der Pokémon lieber wieder umgedreht. Nacheinander kommen sie auf mich zu, während ich versuche, das erste zu fangen. Genau dieses ist nämlich das Vorderste. Ich muss ausweichen, damit es mir ein Bein abreißt, doch dann, als es an mir vorbeischießt, habe ich es geschafft. Der erste Fangversuch ist erfolgreich abgeschlossen!
    Es lenkt mich eine Sekunde zu lange ab, dass ich es tatsächlich geschafft habe. Mit seiner rauen Haut streift mich das zweite an meinen linken Arm und mich durchzuckt ein Schmerz. Ich vermeide es, meine Augen auf die stechende Wunde, die nicht unbedingt klein ist, zu richten. Durch das eiskalte Wasser ist es nicht allzu schmerzhaft, es mindert ihn ein wenig, aber die vielen Stiche erleichtern das Kreise ziehen nicht unbedingt. Die Zähne aufeinandergepresst, frage ich als nächstes das, welches mich verletzt hat. Nun jedoch achte ich auch auf die Angriffe der anderen, um nicht mehr von ihnen berührt zu werden. Drei Minuten später habe ich es endlich geschafft. Vorsichtig tauche ich zu dem spitzen Stein und greife nach dem Schlüssel.
    Zweifelnd betrachte ich das eiserne Objekt. es muss der von Stegner sein, denn an dem kleinen Anhänger steht, anscheinend mit einem wasserfesten Stift geschrieben, "Für die Brücke". Mich meinen sechs Pokémon Freunden zuwendend, stelle ich erleichtert fest, dass ich meine Mission fast erfüllt habe. Nur noch zurück auf das Schiff, zum Hafen und zu Urs und dem Professor. Die Tohaido lasse ich frei; ich brauche sie nicht mehr, aber die Lampi, die die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen sind, behalte ich noch. So schnell wie es mir meinem total verkratztem Arm, der sich anfühlt, als stecken in ihm tausende von Nadeln, nur möglich. Ein Stein fällt mir von Herzen, als ich schließlich durch die Wasseroberfläche stoße.
    Froh wie ich bin, dass ich die Mikroaqualunge nicht mehr benötige, atme ich die frische Luft über Wasser ein. Während ich mich umschaue, wo das Schiff ist, erblicke ich Havebrück. Ich bin ganz schön weit weg von der Stadt... Wie weit weg bin ich von dem Boot weggeschwommen? Ungefähr dreihundert Kilometer von mir entfernt entdecke ich es. In möglichst gleichmäßigen Zügen schwimme ich darauf zu und als ich die Hälfte der Strecke zurückgelegt habe, versuche ich mit Schreien auf mich aufmerksam zu machen. Sany mit ihren feinen Ohren hört mich garantiert und sie wird Kevin darauf aufmerksam machen. Tatsächlich scheint es sich keine zwei Minuten später auf mich zuzubewegen. Also mache ich mir nicht mehr die Mühe, ihm entgegenzukommen und lasse stattdessen die Lampi frei.
    Mich nur noch über dem Wasser haltend, warte ich solange, bis das Schiff endlich bei mir ist. Kevin lässt eine Strickleiter herunter, an der ich, nass wie ich bin, emporklettere. Sany begrüßt mich schwanzwedelnd. Sie scheint genauso froh zu sein mich zu sehen, wie ich darüber, meinen Pokémon Flummi wieder bei mir zu haben.
    "Erfolgreich gewesen?", fragt mich Kevin, während mein Evoli mit einem Satz in meine Arme springt. Ich nicke nur.
    "Na dann", meint er, "Ich bringe euch zwei am besten zurück an Land."
    Er verschwindet in seiner Kajüte, wirft dort den Motor an und wir brausen los. Mit zitternden Fingern schaue ich durch meine Kontaktliste mit den Rangern, die ich per Voicemail anrufen kann, und bemerke, dass Bodos Status nicht mehr auf "Mission" steht, sondern auf "Patrouille" ist. Meine eigene Mission habe ich inzwischen schon so gut wie beendet, also werde ich ihn wohl anrufen dürfen. Fast als hätte er auf meinen Anruf gewartet, erscheint sein Gesicht nach zwei Sekunden auf meinem Bildschirm.
    "Hallihallöchen!", grinse ich, er starrt aber nur geschockt zurück. Enttäuscht und geknickt überlege ich, warum er so schaut, stoße aber auf keinen Anhaltspunkt. Dann meint er tonlos: "Warum blutest du?" Langsam gleitet mein Blick zu meinem linken Arm, der von dem Tohaido berührt wurde. Die Haut ist teilweise weggerissen, einzelne Fetzen hängen noch dran. Die Wunde ist nicht tief, aber sie brennt und es rinnt Blut heraus.
    "Ach, das, da hat mich eines der vier Tohaido gestreift, die ich während meiner Mission fangen musste, aber das ist...", 'nicht weiter schlimm' will ich sagen, doch mein bester Freund unterbricht mich, erstarrt wie es scheint: "Du hast vier Tohaido einfangen müssen und das alles mit einem verletzten Arm?" Ich nicke vorsichtig, während ich seine Reaktion beobachte, die mein Herz höher schlagen lässt. Er ist mindestens genauso besorgt wie damals, als der Briseforst gebrannt hat, und auf jeden Fall bestürzt.
    "Wir sind daha", brüllt Kev plötzlich und Sany, Bodo und ich zucken zusammen. Der Mann befindet sich im Türrahmen. Ich bedanke mich kurz und springe beschwingt an Land, den Schlüssel an meinem rechten Zeigefinger drehend.
    "Da soll mich doch... Du hast ihn gefunden!", höre ich Stegner rufen, einen bewundernden Pfiff ausstoßend. Auch Urs schaut mich anerkennend an und meint: "Du beginnst wirklich, mich zu beeindrucken. War es dir nicht doch zu heftig, unter Wasser?" Bevor ich den Kopf schütteln kann, entrüstet sich Bodo lauthals:
    "Sie ist verletzt!" "Was?" Auch mein Chef schient geschockt, wenn auch nicht annährend so sehr wie mein bester Freund. Vorsichtig zeige ich ihm und dem Brückenwärter meinen linken Arm, der teilweise mit Blut befleckt ist. Bei dem Anblick reißen beide die Augen auf.
    "Kathrin", fängt Urs an, "...Hast du dich etwa nicht daran gehalten, was ich dir über Tohaido erzählt habe?" Ich verdrehe die Augen.
    "Doch, aber ihr wolltet doch unbedingt den Schlüssel haben, also musste ich gleich ganze vier von der Sorte einfangen. Dabei hat mich fast gleich am Anfang eines von ihnen gestreift und deren Rauhaut hat mich natürlich ein bisschen aufgekratzt", erkläre ich schnell, aber Bodo schnaubt empört. "Am besten", überlegt mein Chef, "Ist es, wenn wir uns so schnell wie möglich auf den Weg zum Ranger HQ machen, um dich dort zu verarzten. Ach, übrigens, Mission geschafft! Und du wirst in den nächsten Ranger Rang befördert!" Bodo knurrt leise und ich schlage vor, dass wir uns besser beeilen sollten. Den ungeduldigen Professor Hastings sollten wir besser nicht warten lassen. Der wartet tatsächlich auf der Brücke auf uns. er ist erleichtert, dass wir nun endlich weitergehen können, und als ich ihm die Mikroaqualunge zurückgeben will, lehnt er ab, irgendetwas murmelnd von wegen, ich solle sie doch für zukünftige Missionen behalten.
    Bodo bleibt die ganze Zeit per Voicemail mit mir in Kontakt. Stegner lässt Ketten rasselnd die Brücke herab und endlich können mein Chef und der Professor weiter. Natürlich muss ich sie jetzt wegen meiner Verletzung begleiten. Das Blut ist inzwischen geronnen und eine dicke Kruste überzieht den Großteil meines linken Oberarmes. Nur, dass es weniger schmerzt.
    In dem riesen Altru Park müssen wir uns nach dem Weg nach links halten. Gerade als wir an einem Garadosspringbrunnen vorbeikommen, stolpert auf uns ein Junge mit einer blonden Pilzfrisur zu. Ich erkenne ihn nicht sofort, weil er einen Kittel trägt und ich ihn bisher nur in der Jungenschuluniform der Ranger Schule gesehen habe, doch dann weiß ich es.
    "Albert?", schreie ich erstaunt und er bleibt genauso überrascht stehen.
    "Was, wer?", hakt mein bester Freund nach. Ob er glaubt, mich missverstanden zu haben? Albert stottert leicht keuchend. "Kathrin? Und Moment mal, das war doch Bodo, oder? Aber der ist doch in Fiore!
    "Ja, ja, das bin ich", ruft Bodo ungeduldig, "Aber wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen." Ich winke dem Pilzkopf und folge Professor Hastings und Urs, die von der Begegnung keine Notiz genommen haben. Nachdem wir den kühlen Park hinter uns gelassen haben, treten wir auf den breiten Feldweg des Vereinigungsweges. Dieser ist beschienen von der warmen Mittagssonne und steht im Gegensatz zu dem schattigen, frischen Park. Auf meiner Wunde brennen die Sonnenstrahlen eigenartig, aber das ist wahrscheinlich nur die plötzliche Hitze. Ich ignoriere es konsequent, während ich im Schnellschritt den zwei Männern folge und munter mit meinem besten Freund plaudere.
    Er ist immer noch besorgt und eindeutig sauer auf meinen Chef, da mich dieser alleine auf eine "so schwere, gefährliche Mission" geschickt hat. Seine Sorge lässt mein Herz jedoch stetig höher schlagen. Erst in einem Krankenzimmer der Vereinigung scheint er zufrieden zu sein. Dafür, dass die Wunde nicht so sonderlich groß ist, hat es ziemlich stark geblutet. Mit einem Verband um den Oberarm muss ich das Hauptquartier verlassen, nur um mit einem bestimmten Pokémon wieder zurückzukehren. An der Konferenz über die KonGiga, die Professor Hastings selber halten will, nehme ich teil, um zu demonstrieren, wie man diese Geräte zerstört.
    Dafür brauche ich allerdings ein Pokémon mit der passenden Fähigkeit. Dann, als ich fertig bin, soll ich in den übergroßen Konferenzraum der Vereinigung, da dort der Vortrag von Professor Hastings stattfinden soll. Und wie soll es auch anders sein, davor muss ich mein Telefonat mit Bodo abbrechen. Mein ganzer FangKom muss abgeschaltet sein, damit es sicher keine Störungen gibt.
    Doch da ich nun schon einen Verband um den Arm habe, kann er ohne Sorgen auflegen, jedoch macht er das nicht, ohne mir zu versprechen, abends wieder anzurufen.
    Bei der Vorstellung sind nicht sonderlich viele Personen anwesend. Abgesehen von mir, Professor Hastings und meinem Chef befinden sich noch die Vorsitzende Gerda, Moritz, Volara, Chris und zwei Erfinder in dem Raum. Gerda ist eine der hochrangigeren Arbeiter der Vereinigung und trotz ihres Alters strotzt sie, wie Hastings, nur so vor grenzenloser Energie. Moritz erledigt die Öffentlichkeitsarbeit. So viel wie ich mitbekommen habe ist er allerdings auch ein ziemlicher Angeber sowie ein guter Freund von Chris, Celias festen Freund. Nur eine von den hier angestellten Top Rangern, von denen mir Luana erst letztens in der Früh vorgeschwärmt hat, hört ebenfalls mit.
    Volara, die fliegende Rangerin. Mit ihrem hellgrünen Haaren, die einen Kontrast zu dem Rot ihrer Uniform bilden, fällt sie besonders auf. Aber sie ist nett, hat einen großartigen Humor und mit ihr kann man viel lachen.
    Die letzten zwei sind brillante Erfinder, Zwillinge, mit den Namen Nageno und Vatona. Sie haben bereits die Mikroaqualunge erfunden. Trotz ihrer Arbeit sind sie eher lustige Gesellen als ernste, die Spaß verstehen und einen auch gerne auf die Palme bringen.
    Jetzt heißt es aufpassen. Ich höre jedoch nur mit halbem Ohr zu, starre stattdessen mit einem leeren Blick und gedankenverloren auf den Boden, der gleichzeitig ein riesiger Monitor ist. Auf ihm ist im Großformat ein KonGiga abgebildet, einige kleinere Texte, auf denen steht, woraus er besteht und der schwarze Kristall. Erst als ich gerufen werde, blicke ich auf. Ich soll nun zeigen, wie man einen KonGiga mithilfe von Pokéstärken abschaltet. Eines der roten Geräte surrt neben dem Professor, was mich wundert, denn von meinen üblichen Schwindelanfällen ist keine Spur. Nach ein paar Schritten stehe ich neben Hastings.
    "Kathrin, eine erst angehende Rangerin von Brisenau, hat als erstes herausgefunden, wie man KonGigas zerstört", erklärt er sachlich, "Heute hat sie sich freundlicherweise bereit erklärt, uns hier zu demonstrieren, wie es funktioniert. Kathrin, wenn ich bitten dürfte." Schnell befehle ich dem Bidifas, das ich mir extra hierfür gefangen habe, das Gerät mit einem Strahl von Blasen lahmzulegen. Mit einem kleinen Knall explodiert es.
    "Gut, danke. Wie gerade gezeigt, können die Einheiten ausgeschaltet werden. Jetzt gibt es nur noch eines, das ihr bedenken müsst: Es gibt andere Typen, abgesehen von dem Roten hier, die mit anderer Energie funktionieren. Diese benötigen andere Pokéstärken, um zerstört zu werden. Die verschiedenen Arten können durch ihre Färbung unterschieden werden. Am besten sollten sämtliche Ranger darüber informiert werden, wie sie mit KonGigas fertig werden können. Kathrin, wir schulden dir unseren Dank", meint der Professor, unterbricht sich kurz, aber ich winke mit "Ach, was" ab, dann fährt er fort: "Apropos, ist dir etwas Merkwürdiges aufgefallen?"
    "Dass die Pokémon in diesem Gebäude nicht hypnotisiert wurden?", antworte ich, wie aus der Pistole geschossen, "Abgesehen von den Partner Pokémon und Pokémon Freunden natürlich. Selbst noch nicht gefangene Pokémon schienen sich problemlos unter Kontrolle halten zu können." Er nickt zustimmend.
    "Stimmt alles! Wenn man einen Blick auf unseren Bodenmonitor richtet, kann man erkennen, dass sich etwas Diamantförmiges in dem KonGiga befindet."
    Nach Hastings Worten dreht sich der obere Teil der Maschine und löst sich somit von dem unteren. Der kleine, dunkle Stein taucht darin auf.
    "Genau dort befindet sich normalerweise ein schwarzer, nicht sonderlich großer Kristall. Bevor dieser KonGiga wieder zusammengebaut wurde, entnahm ich ihn. Ohne ihn zeigt das Gerät keine Wirkung auf Pokémon. Wahrscheinlich besitzt der Stein eine mysteriöse Kraft, die uns nicht bekannt ist. Außerdem ist uns noch nicht bekannt, woraus er besteht und woher er kommt. Die Analyse unserer Wissenschaftler verzögert sich, da das unsrige Objekt zerbröselt ist. Zum Schluss möchte ich noch eine besondere Reaktion der Schwarz- und Weißdiamanten der Chroma Ruinen, die es dort jedoch nicht mehr gibt, auf den Kristall zu Wort bringen. Kathrin, komm doch und berühre die Überreste des Kristalles", befiehlt Professor Hastings.
    Die Brösel des Steines liegen in einem Päckchen des Pultes. Ich berühre sie vorsichtig. Die Steine leuchten wieder, hell und wärmend. Ein Raunen geht durch das magere Publikum. Daraufhin gibt Hastings mir die Anweisung, mich zurück an meinen Platz zu stellen. Während ich zurück zu Volara gehe, spricht er: "Okay, damit bin ich fertig." Die meisten verlassen jetzt den Raum, nur Volara, Urs und ich bleiben.
    "Kathrin, wenn du dich fit genug fühlst, kannst du dich noch ein wenig im HQ umschauen. Wenn nicht, kannst du dich gleich schlafen legen", meint mein Chef und verschwindet ebenfalls. Da nicht mehr genug Zeit bliebt, um nach Brisenau zu kommen, dürfen wir hier übernachten. Auch wenn es nur ein einziges Gästezimmer gibt. Urs soll diesen Raum bekommen. Ich schlafe stattdessen auf einer Couch im Zimmer von Volara und einer Technikerin der Vereinigung. Nachdem ich die Konferenzraumtüre hinter mir schließe und aus dem Fenster blicke, beschließe ich, nicht noch länger herumzuwandern. Mit einem "Gute Nacht" verabschiede ich mich von der Top Rangerin, die einiges zu erledigen hat. Inzwischen ist es dunkel draußen, nicht einmal ein Sternchen ist zu sehen. Durch den warmen Sommertag kann man auf jeden Fall mit einem Gewitter rechnen.
    Nach einem kurzen Besuch in dem Bad, in dem ich mich dusche, mir die Zähne putze und die Haare kämme, lasse ich mich seufzend auf der Couch nieder. Volara hat mir extra ein Nachthemd rausgelegt, damit ich etwas für die Nacht habe. Mitgenommen habe ich natürlich keines, da die Übernachtung nicht geplant war.
    Bodos Anruf lässt nicht lange auf sich warten. Statt seiner ansonsten so fröhlichen Begrüßung, meldet er sich eher besorgt. Ob er immer noch mit den Gedanken bei meiner Mission heute Nachmittag ist? Seine erste Frage bestätigt diese Vermutung.
    "Wie geht es deinem Arm?" "Um einiges besser, obwohl es vorhin unter der Dusche ein wenig gebrannt hat. Ich habe den Verband davor abgelegt, aber es sieht auch überhaupt nicht mehr schlimm aus...", murmelt ich, während ich die Stelle betrachte. Sany kuschelt sich an mich, dann fängt sie eine Unterhaltung mit Bamelin über den Vortrag von Professor Hastings an. Auch ich versuche meinen besten Freund über das meiste davon zu informieren. Er lauscht gespannt, obwohl in dem Raum, in dem er sich befindet, seine Arbeitskollegen anscheinend eine Art Karaoke Party feiern. Irgendwann wird es ihm zu viel. Er flüchtet in die Küche. Hier dringen die teilweise schlecht und schief gesungenen Lieder nur gedämpft durch die Wand. Schließlich ende ich.
    "Schwarz- und Weißdiamanten? Heißen so die Kristalle auf unseren Kreuzen? Wenn ja, dann sollte das auch notiert werden...", meint Bodo und ich nicke eifrig. Vor dem Balkonfenster direkt hinter mir blitzt und donnert es inzwischen auch schon. Auch der Regen prasselt gegen die Scheibe und läuft zu dicken Tropfen das Glas hinab. Bei Bodo hingegen ist es jetzt fast still. Es irritiert mich ein wenig, aber nicht zu sehr.
    "Also, du darfst heute sogar in dem Ranger HQ von Almia übernachten?", fragt mein bester Freund dann. Ich lächele ihn müde an und versuche, ein Gähnen zu unterdrücken. Es misslingt mir, woraufhin Bodo lacht.
    "Du kannst doch kaum noch diene Augen offen halten", spricht er leise, "Am besten, ich lasse dich jetzt schlafen. Nicht, dass du meinetwegen morgen nicht arbeiten kannst." "Nein, ich möchte nicht...", fange ich vergeblich an, denn er unterbricht mich.
    "Du kannst mich morgen wieder anrufen. Nur, wenn du einschläfst, was nicht mehr lange dauern kann, dann bringt es heute nichts mehr. Schlaf gut und träum süß..." Bei seinem Gesichtsausdruck schlägt mein Herz einen erneuten Salto. Er sieht immer noch leicht besorgt, aber wahnsinnig süß aus.
    "Gute Nacht", flüstere ich. Dann legt er auf und ich verstaue meinen FangKom unter der Couch. Ich drehe mich in Richtung Sofalehne, während es sich Sany über meinem Hals gemütlich macht. Mit Bodos Gesicht in den Gedanken und das Gewitter verdrängend, schlafe ich schnell ein.

  • ~So, mal wieder ein neues Kapitel o.-


    Kapitel 20 – Ärger bei den Wagnisklippen



    Am nächsten Morgen erwache ich früher als sonst. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen und es ist richtig dunkel im Zimmer. Ich spüre ein leichtes Gesicht auf meinem Kopf. Als ich dann meine Augen aufschlage, erkenne ich trotz der Dunkelheit in kürzester Zeit, dass ein paar Zentimeter vor meinen Augen, nur wenige Millimeter vor meiner Nasenspitze, eine Pfote. Sany muss im Schlaf irgendwie auf meinen Kopf geklettert sein und ist dort geblieben. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, hebe ich sie herunter und lege sie vor mir auf das Kissen. Eine Weile betrachte ich sie beim Schlafen, doch ich halte es einfach nicht lange aus. Also setz ich mich auf.
    Es ist leicht kühl im Zimmer, so dass ich meinen Kopf in Richtung Fenster drehe. Wie bereits vermutet steht die Balkontüre halb offen, das Fenster daneben ist gekippt. Ohne hastige Bewegungen zu machen, steige ich vom Sofa hoch, um auf den Balkon zu gehen. Vorsichtig schiebe ich den Vorhang beiseite und trete hinaus. Dort atme ich auf. Es riecht nach Bäumen, Gras und die Luft ist sauber und frisch. Ein frischer Wind streift um meine Beine, aber ich bleibe stehen. Im Osten färbt sich der Himmel schon heller, was heißt, dass die Sonne bald aufgehen wird. Da ich nichts Besseres machen kann, beschließe ich, meine Decke von der Couch nach draußen zu tragen, um mich dort auf einen der Stühle niederzulassen.
    Eingemummelt beobachte ich gedankenverloren den Sonnenaufgang. Langsam wird es heller, die Sterne verblassen und der Mond, der schon fast ein Halbmond ist, leuchtet immer schwächer und schwächer. Irgendwann, als die Sonne schon mehr als die Hälfte zu sehen ist, tappt Sany zu mir und macht ungeschickt einen Sprung in meine Arme. Sie ist eindeutig noch sehr müde. Sofort schläft sie wieder ein. Als die Klingel des Weckers laut aus dem Zimmer schallt, zucken wir zusammen. Ein Murren dringt aus dem Zimmer, verschlafene Stimmen und ein kurzer Schlag auf den Wecker. Sofort verstummen die Geräusche aus dem Raum.
    "Zeit zum Aufstehen", murmele ich Sany zu, die sich nur auf den Rücken dreht und dann alle viere von sich gestreckt, weiterschläft. Ich kichere leise und kitzle sie. Daraufhin springt sie auf und schüttelt sich, doch ich mache weiter. Es bleibt ihr keine Chance, sich nochmal hinzulegen. Also springt sie von meinem Schoß. Auch ich stehe auf. Die Decke hinter mir her schleifend, schlüpfe ich durch die Balkontüre. Sowohl Volara als auch die braunhaare Technikerin machen sich nicht die Mühe, aufzustehen. Im Zimmer ist es weniger kühl als draußen. Sany hat sich wieder auf meinem Kissen eingerollt, aber ich verschwinde, solange es noch frei ist, im Badezimmer. Dort mache ich mich fertig.
    In meiner Ranger Uniform schnappe ich mir noch schnell meinen FangKom, dann nehme ich Sany in den Arm und gehe auf den Flur, nach links und durch eine Türe. Vor mir sehe ich jetzt schon das große Fenster vor dem Konferenzraum. Urs, da bin ich mir sicher, wir mich bemerken, wenn er hier auftaucht. Leider hat er mir keine weiteren Anweisungen hinterlassen, was ich heute Früh machen soll. Interessiert stelle ich mich an das riesige Fenster gegenüber der Türe.
    Die breite Glasfläche nimmt den größten Teil der drei Meter hohen und ungefähr fünfzehn Meter langen Wand ein, aber die Aussicht ist genial. Zwar ist es nicht so hübsch wie bei der Höhle unter dem Windspielhügel, aber es hat seine Reize. Die vielen Bäume um den Vereinigungsweg, die von den Wäldern um Brisenau, vor Schikolingen und hinter Havebrück und das dichte Laub, das den Altru Park verdeckt. Der Fluss, welcher durch den Briseforst fließt, eine kurze Strecke neben dem Vereinigungsweg und weiter in einen spitzen Berg, in die Stalagmitenhöhle. Alles, was hinter dem Berg liegt, ist leider nicht mehr zu erkennen, genau wie all das hinter dem Altru Park. Doch die zahlreichen Häuser, um genauer zu sein, deren Dächer in Rot, Weiß und Schwarz, von der Hafenstadt sind genauso gut zu sehen wie das Wailordmeer, das Havemeer und das namenlose, welches um den Zephyr Strand liegt. Sie glitzern in der aufgehenden Sonne um die Wette. Eigentlich würde ich gerne noch länger hier bleiben, wäre da nicht Moritz.
    Er tippt mir auf die Schulter und ich springe mal wieder, weil ich mich so sehr erschrecke. Eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand, fragt er: „Du bist schon auf? Frühaufsteher, was? Also ich werde ohne meinen täglichen Cappuccino mit Schokoladengeschmack nicht so früh aufstehen können… Wenn du Hunger hast, kannst du in unserem Mini Café etwas essen, oder auch trinken, je nachdem. Urs, dein Chef, hat mir gestern noch gesagt, dass ich dir heute Morgen mitteilen soll, dass er dich dort erwarten wird.“
    Ich nicke kurz, bedanke mich und folge ihm in einen Raum, der fast direkt neben dem Konferenzraum liegt. Es duftet herrlich nach frischen Brötchen und Brezen und nach… Nach Kuchen? Tief atme ich den verführerischen Duft ein, selbst Sany scheint dadurch wacher zu werden. Mit Moritz setze ich mich auf einen der hohen Stühle vor einen langen runden Tresen, in deren Mitte. Ich bekomme eine salzlose Brezel mit Butter. Sany bekommt eine Schüssel voll mit Pokéfutter vorgesetzt und verschlingt das Essen hungrig. Moritz beginnt eine fröhliche Unterhaltung mit dem Mann hinter den Tresen, der weiterhin das Frühstück für die restlichen Arbeiter der Ranger Vereinigung vorbereitet. Gedankenverloren schaue ich ihm dabei zu. Obwohl ich bereits nach zehn Minuten aufgegessen habe, bleibe ich in dem Zimmer, da ich auf Urs warten soll. Eine gute halbe Stunde später betreten die ersten Techniker sowie Celias Freund das Mini Café, also beschließe ich wenigstens Platz zu machen. Stattdessen setze ich mich an ein Regal gelehnt auf den polierten Boden mit dem seltsamen Mosaikmuster in der Mitte. Leider dauert es noch eine ganze Weile bis mein Chef gähnend hereinkommt. Er scheint anfangs kaum aus seinen Augen schauen zu können, doch nach einer Tasse seines geliebten schwarzen Kaffees ist er munter wie immer.
    „Also Plan für heute: Möglichst schnell nach Brisenau zukommen und dann schauen wir, was noch zu erledigen ist“, eröffnet er mir, als wir das Mini Café hinter uns lassen. Draußen erscheinen mir der leichte Wind, den ich heute früh mehr als lästig empfunden habe, angenehm kühl auf meiner von der Sonne bestrahlten Haut an. Weit kommen wir jedoch nicht. Kurz nachdem wir unseren Weg auf dem Vereinigungsweg angetreten haben, wackelt der Boden unter unseren Füßen. Es ist zwar nicht stark, trotzdem fliege ich fast um. Mit einem lauten „Kyaa!“ kann ich mich gerade noch so auf meinen Füßen halten.
    „Ein Erdbeben? Wie kann das sein?“, keucht Urs und schaut sich erstaunt und verwirrt um. Nicht mehr als zahlreiche Bäume am Rand von dem vor uns und von dem hinter uns liegendem, steinigen Feldweg. Nirgendwo Anzeichen, woher die Erschütterung herkam oder wodurch sie ausgelöst wurde. Ich mache mir schon ein wenig Sorgen deswegen. Nicht jedoch mein Chef, der sofort wieder fröhlich pfeifend mit seinem Partner Pokémon Makuhita weiterspaziert. Sany und ich werfen uns einen zweifelnden Blick zu, aber mehr Zeit bleibt.
    Erst als wir an einer Abbiegung ankommen und zum zweiten Mal ein Erdbeben spüren, das Steine auf dem Boden erzittern lässt. Dieses Mal schaffe ich es nicht, stehen zu bleiben. Schmerzhaft fange ich den Sturz mit Händen und Knien ab, wobei sich kleine, spitze Steinchen in mein Fleisch stechen. Sany bleibt mit ihren vier Pfoten standfest, aber Makuhita fliegt rückwärts hin.
    "Okay", meint Urs und hilft seinem Partner auf, "Das war stärker als vorhin, kann das sein?" Schnell rappele ich mich auf, während die Türe des Hauses links von uns aufspringt. Eine Frau rennt heraus, ihre Knie zittern.
    "Ist alles in Ordnung mit euch?", ruft sie uns zu, dann, als sie erkennt, wer wir sind, "Ach, was für ein Glück, Ranger. Vorhin habe ich einen Mann mit ein paar großen Pokémon zu den Wagnisklippen rennen sehen. Außerdem hat er etwas von Bergsteigertraining geplappert. Kurz nach seinem Verschwinden haben die Beben angefangen. Jetzt mache ich mir, obwohl ich ihn nicht kenne, doch Sorgen um den Mann. Wer weiß, vielleicht ist er gestürzt oder sonst irgendwie verletzt worden. Könntet ihr nicht überprüfen, ob dem armen Kerl auch nichts passiert ist?"
    "Natürlich, Madame. Wahrscheinlich... Ach, es ist garantiert gut, wenn wir einen Stopp einlegen und einen genaueren Blick auf die Klippen werfen", stimmt Urs zu, "Kathrin, am besten, du kommst mit. Ich schicke noch schnell eine Nachricht an die Basis."
    "Geht klar, Chef" Wir folgen dem schmaleren Weg, der von dem Vereinigungsweg wegführt und direkt zu einer Stelle führt, an der Profikletterer ihren Aufstieg beginnen würden. Die Klippe ist ziemlich steil, nur mit einigen kleinen Stellen, die herausragen. Ranken und Efeu sind die Wände hochgewachsen. Es liegen viele große und kleine Steine auf dem Boden und verkleinern somit den Platz. Nur der Mann, von dem die Frau erzählt hat, ist nicht zu sehen.
    "Ob der wohl zum Klettern gegangen ist, sogar mit den großen Pokémon? Eigentlich kaum vorzustellen...", murmele ich mehr zu mir und zu Sany, als zu Urs. Dann hören wir etwas. Etwas ziemlich verdächtiges. Es klingt wie auf den Boden krachende, riesige Felsbrocken, und es bleibt nicht bei einem einzigen.
    "Mensch, was ist das?", brüllt mir mein Chef zu, doch ich zucke nur ahnungslos mit den Schultern. Das Geräusch scheint von rechts zu kommen, wo besonders große und glatte Brocken den Weg versperren. An denen kommen wir nur vorbei, wenn wir die Wagnisklippen hochklettern und uns von dort in die Richtung weiterhangeln. Was Bodo wohl dazu sagen würde, wenn ich ihm erzähle, dass ich an einem derartig gefährlichen Ort, vor dem uns Fräulein Mai ausdrücklich gewarnt hat, unter den nicht unbedingt besten Bedingungen in die Höhe klettern muss? Wahrscheinlich würde er halb durchdrehen, sogar mehr als gestern bei der einen kleinen Wunde. Am besten, ich erzähle ihm nicht alle Einzelheiten und solange er nicht weiter nachfragt, ist auch alles gut. Anlügen kann ich ihn nämlich immer noch nicht. Normalerweise habe ich ein regelrechtes Talent darin, andere anzulügen und es richtig nach der Wahrheit klingen zu lassen, aber bei ihm setzt das echt aus... Obwohl, ich sollte mich jetzt mehr auf die Mission selber konzentrieren als auf das, was danach passieren könnte.
    Urs hat schon die Initiative ergriffen und legt los. Geschickt wie ein Menki hangelt er sich von Ranke zu Ranke und von Stein zu Stein. Seufzend gehe ich an den Rand und versuche es ebenfalls. Anfangs komme ich nur schleppend voran, doch mit der Zeit wird es besser, bis ich schließlich den Dreh raushabe. Mein Chef hat schon einen besonders großen Vorsprung erreicht, aber ich stoße schließlich doch zu ihm. Er hilft mir hoch. Sany hält sich, nein krallt sich mehr an meiner Schulter fest, um auf gar keinen Fall abzurutschen und zu fallen. Mit zitternden Knien halte ich mich an der Wand fest, während ich trotzdem vorsichtig über den Rand hinwegblicke. Weit hinter den Steinen, die unseren Aufstiegsplatz verkleinert haben, kann ich den Grund für die Beben ausmachen. Zwei wirklich große Pokémon tackeln, nein bodychecken die riesige, hohe Steinmauer. Es sind zwei Rameidon.
    "Da hinten, unten!", sage ich, obwohl es nicht nötig ist. Natürlich hat Urs sie ebenfalls schon entdeckt.
    "Warum machen die das? Selbst Gesteinpokémon müssten sich dabei verletzen, oder wenigstens Schmerzen dabei haben. Komm, Kathrin, am besten wir klettern rüber und finden den Grund heraus", befiehlt er, greift sich schnell eine Ranke und schwingt sich auf einen weiteren, kleineren Vorsprung. Sany fängt wieder an, mit ihren Krallen Löcher zum Festhalten
    zu graben, nachdem sie es bei meinem kurzen Aufenthalt auf der festen Plattform nicht mehr getan hat. Solange sie sie jedoch nicht in mein Fleisch hineinrammt, macht es mir nichts aus. Als die dicke, lange Pflanze zurück zu mir kommt, schnappe ich sie mir, doch es klappt erst beim zweiten Versuch, direkt auf dem Stein zu landen. Urs ist inzwischen weiter geklettert und ich folge ihm schweigend. Bis…
    Als wir schließlich unten auf einem der vielen großen Felsen stehen, fühle ich ein mir bereits zu bekanntes Schwindelfühl aufsteigen, gefolgt von Kopfschmerzen. Nur, dass sie überraschend schnell kommen. Das ist noch nie so passiert! Gerade noch so kann ich mich an einer langen, wenn auch nicht sonderlich dicken Ranke festhalten. Mein Chef bemerkt es nicht, stattdessen blickt er auf die Pokémon und einen seltsam gekleideten Mann hinab. Die Klamotten und das Schwindelgefühl verraten mir gleich alles.
    „Wer ist…“, fängt Urs an, doch ich unterbreche ihn, wenn auch ein wenig unwirsch.
    „Team Nachtschatten“, presse ich hervor, „Schau dir doch nur mal an, was der anhat!“ „Aber einen KonGiga konnte ich nicht erkennen…“, mein Urs nur. Da hat er allerdings Recht. Weder eine rote, noch eine blaue, grüne oder gelbe Maschine surrt irgendwo in der Nähe. Aber vor dem Schergen scheint sich ein kleines, schwarz-silbernes Gerät zu befinden. Es hat eine ganz andere Form, fast wie ein Laptop auf vier Stelzen. Wahrscheinlich hat dieser bizarre Computer den Platz der KonGigas eingenommen. Mit stärkerer Kraft und ohne dem nervigen Surren. Die masochistischen Rameidon laufen direkt gegen die Wand und das löst eine regelrechte Kettenreaktion aus.
    Die Pflanze, an die ich mich davor festgeklammert hatte, reißt durch die Erschütterung, ich verliere dadurch den Halt und rutsche auf den Knien den Stein hinab. Ich lande direkt in einem Haufen Felsen, die ohnehin ziemlich locker dalagen, und durch mich ins Rollen kommen. Sie krachen hinab, bis zu dem Ort, an dem die Pokémon und der Mann, letzterer zuckt zusammen, stehen. Die Rameidon fahren mit ihrer selbstverletzenden Tätigkeit einfach fort. Langsam dreht sich der Rüpel um, einen überraschten und wütenden Gesichtsausdruck gleichzeitig aufgelegt. Als er mich erblickt, grinst er nur blöd, doch als Urs ruft, verändert sich sein Ausdruck wieder. Dieses Mal verengen sich seine Augen zu kleinen, fiesen Schlitzen.
    „Wer bist du denn?“, fragt mein Chef. „Ei… Ein, öhm, ich bin ein… Geologe“, dieser Satz ist eindeutig erfunden, doch der Scherge fährt mit seiner Lügerei dennoch fort, „Ich führe gerade eine Bodenanalyse durch und dafür habe ich diesen tollen Computer.“ „Und warum rennen die“, Urs deutet auf die Rameidon, „Ständig gegen die Felswand? Und wenn du wirklich Geologe bis… Woraus besteht dann bitte schön der Boden?“ „Ähm, lasst mich das mal nachprüfen. Also, wir haben hier, öhm… Roten Lehm, und öhm, etwas Kalzium und jede Menge Dreck, und.. hmm, etwas Wasser, genau, Wasser und, äh, eine Prise Salz und…“ Ich fange an, zu kichern. Glaubt der wirklich noch, wir nehmen ihm das mit dem Geologenschmarn ab?
    Als er dann bemerkt, dass ich ihn schon auslache, knurrt er: „Ach, vergiss es! Ihr habt meine Tarnung durchschaut. Natürlich habt ihr erraten, dass ich ein Mitglied von Team Nachtschatten bin, ihr nutzlosen Pokémon Ranger. Aber meinen Plan verrate ich nicht… Los, Rameidon, macht sie platt!“ Mit ihren grimmigen Gesichtern wenden sich die Pokémon meinem Chef und mir zu, nachdem der Scherge ein wenig auf seinem laptopähnlichen Etwas herumgetippt hat. Es ist also tatsächlich den KonGiga abgelöst. Trotz des Schwindels, greife ich nach meinem FangKom, aktiviere es in Sekundenschnelle und ziehe sofort die Kreise.
    Nun steht auch Sany wieder neben mir. Sie ist kurz vor dem Sturz reflexartig von meiner Schulter gesprungen, doch jetzt bei dem Fangversuch ist sie wieder an meiner Seite. Eine zweite Fangscheibe zischt an mir vorbei. Urs hat seinen Fangversuch ebenfalls gestartet, wenn auch etwas verspätet. Bevor die Rameidon auf uns zu rennen, hat er noch keine Probleme, sein Ziel zu umkreisen, aber dann stürmen sie direkt auf den Felsenhaufen, um genau zu sein, auf uns zu. Die Fangscheibe bleibt zu weit zurück, schafft es nicht, dem Ziel hinterherzukommen. Obwohl es bei mir funktioniert, fällt es mir beinahe zu schwer, mich zu konzentrieren, weil sich alles um mich herum dreht.
    Das macht mir auch zu schaffen, als ich mich an eine Ranke hängen muss, um einem Angriff auszuweichen.
    „Sany?“, fange ich bittend an, doch mein Partner Pokémon versteht sofort. Zu meiner Überraschung schießt sie eine Wasserkugel zu meiner Fangscheibe, um mit sie mit dieser verschmelzen zu lassen und Rameidon zu schwächen. Die türkise Linie färbt sich dunkelblau und es schießen Blasen daraus hervor, die das Pokémon aufhalten. Kaum zu glauben, Sany hat es tatsächlich geschafft, Aquawelle zu erlernen. Ich schulde Smarty noch ein dickes Danke. Jetzt steht das Gesteinpokémon da, verwirrt von dem Angriff.
    „Klasse“, lobe ich mein Partner Pokémon, das nun wieder auf meiner Schulter ist. Noch fünf Kreise, sechs, sieben… „Fangversuch abgeschlossen“, rufen Urs und ich, zu beiderseitiger Verwunderung, gleichzeitig. Doch es bleibt nicht bei dem einen Schock. Mit einem lauten Knall gemischt mit meinem erschrockenen Quietschen gibt es eine kleine Explosion in dem Computer des Schergen, und der folgt eine kleine Rauchwolke. Sofort ist der Schwindel weg, und auch die Kopfschmerzen verziehen sich schnell. Langsam lasse ich mich von der Ranke heruntergleiten.
    Wir hören den Schergen hinter der Wolke hervorhusten: „So was doofes.. Mein Experiment ist eindeutig fehlgeschlag… hust.. gen….“ Mit großer Mühe kann er die Rauchwolke vertreiben, während seine davor kontrollierten Pokémon hinter ihm im Wald verschwinden. Doch es bleibt nicht bei der Flucht der Pokémon, auch der Rüpel sucht nach kurzer Zeit das Weite.
    „Geschafft“, seufze ich, sinke auf die Knie und kraule Sany zufrieden hinter den Ohren. „Kathrin?“, ruft Urs und ich blicke zu ihm hoch, „Wie glaubst du wurden die Pokémon dieses Mal manipuliert? Ich meine, immerhin war kein einziger KonGiga im Umkreis. Noch ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gilt, obwohl wir herausgefunden haben, woher das Erdbeben stammte. Naja, wie auch immer, letzten Endes… Mission geschafft! Jetzt müssen wir nun noch der Dame Bescheid geben. Komm, lass uns von dem Ort hier verschwinden.“
    Eher widerwillig stehe ich auf, um die Felsen hinunter bis zu den Bäumen zu springen. Dort beschließt Urs, uns einen Weg geradeaus durch den Wald zu bahnen, bis wir auf den richtigen Pfad stoßen. Von da aus spazieren wir zu dem Haus der Frau zurück. Gesagt, getan. Müde folge ich meinem Chef. Der Schwindel hat mich heute mehr Energie gekostet als sonst. Deshalb habe ich mich auch noch nicht dazu aufgerafft, Urs zu erklären, dass der Computer, oder was auch immer das war, die Arbeit der KonGiga einfach übernommen hat.
    Ich stolpere mehr schlecht als recht hinter ihm her und der Schatten der Bäume macht mich nur noch schläfriger. Erst als wir den breiten, echten Weg erreichen und in das Sonnenlicht treten, scheine ich wieder munterer zu werden. Die Sonnenstrahlen scheinen mich wieder zu beleben. Ich strecke mich kurz, um den letzten Rest Müdigkeit loszuwerden, dann folge ich stumm Urs. Die Dame erwartet uns schon nervös vor ihrem Haus.
    „Und?“, begrüßt sie uns, doch mein Chef unterbricht sie beruhigend: „Wir haben die Ursache festgestellt und alles gelöst. Sie brauchen sich keine Sorge mehr darum zu machen.“ Vielen, vielen Dank, Ranger!“ „Kein Problem“, winke ich ab, „Aber… Ich denke, wenn sie irgendwelche zwielichtigen Gestalten sehen, meiden sie sie, so gut wie es geht. Kontaktieren sie lieber die Ranger Vereinigung. Zurzeit ist das leider alles…“
    Sie nickt und verschwindet in ihrem Haus, nicht jedoch, ohne sich abermals zu bedanken und zu verabschieden.
    "Okay, Kathrin", bemerkt Urs, "Deine Leistungen in letzter Zeit waren herausragend. Du hast dich definitiv für Ranger Rang 4 qualifiziert. Und als Belohnung will ich dir heute noch etwas zeigen. Etwas, dass dir in Zukunft sicherlich noch Nützlich sein wird, da bin ich mir ziemlich sicher. Da, schau!" Er deutet auf etwas hinter mir und ich wirbele herum. Zwei braune, flaumige Pokémon mit je zwei Köpfen. Dodu.
    "Wenn du eines von diesen Pokémon eingefangen hast, kannst du dir ihre Fähigkeit 'Agilität' zu Nutze machen und auf ihnen reiten Dadurch kommst du viel schneller von A nach B, da sie super schnell rennen können!", erklärt er und rast sofort los. Mit ein paar flinken Kreisen hat er eines der Dodu gefangen und springt sogleich auf seinen flauschigen Rücken.
    "Ich erwarte dich dann in der Basis!" Weg ist er...
    Ich murmle nur augenverdrehend "Typisch Urs... Einfach immer unmöglich..." Doch dann wende ich mich dem zweiten Dodu zu. Es schaut mich aus schwarzen, kleinen Knopfaugen an.
    Reiten auf diesem flugunfähigen Flugpokémon ist etwas.... gewöhnungsbedürftig. Nach meinem Fang schwinge ich mich mit Sany auf der Schulter auf seinen Rücken, was regelrecht einfach ist. Oben bleiben, während es läuft, nicht schwerer, aber schwankt doch ziemlich. Nach links, nach rechts, links, rechts, links rechts... Ein Glück, dass ich nicht seekrank werde... Meinem Partner Pokémon macht das schon mehr zu schaffen. Ihre Krallen vergräbt sie beinahe in mir. Ich halte mich an den langen Hälsen des Dodus fest und versuche, sie dadurch zu lenken. Zuerst geht das ganz schön daneben, beinahe laufen wir gegen einen Baum! Zum Glück kann ich gerade noch so abbremsen. Als ich die Nordbrücke endlich hinter mir lasse, treffe ich auf Stegner. Der sitzt lässig auf einem Liegestuhl und entspannt sich.
    "Ranger!", ruft er mir kurz zu, hebt eine Hand zur Begrüßung, aber ich nicke nur. Meine eigenen Hände von den Hälsen zu lösen wäre purer Selbstmord. Also lasse ich es lieber bleiben. Durch Havebrück hindurchzulaufen stellt sich als größeres Problem heraus als nur durch einen großen Wald. Nicht nur, dass man einfach auffällt, nein, sich einen Weg durch oder wenigstens vorbei an Menschenmassen zu bahnen ist schwer, weil die einem nicht aus dem Weg gehen, nein, sondern direkt auf einen zu! Also entschließe ich mich dazu, Umwege durch kleine, aber nicht halb so überfüllte Gassen zu nehmen.
    Etwa gegen halb eins komme ich in Brisenau an, und dort werde ich schon von Celia erwartet, was mich sehr überrascht.
    "Und?", fragt sie, gleich nachdem ich von dem Dodu gesprungen bin, "Wie war es in der Vereinigung?" Während ich überlege, lasse ich das Pokémon frei. "Das HQ ist... groß", ist alles, was mir dazu einfällt, "Aber... wolltest du Chris da nicht mal besuchen? Oder warst du noch gar nicht dort?" Sie schüttelt den Kopf
    "Bisher war noch keine Zeit, eigentlich wollte ich dir dann gestern folgen, aber es war schon zu spät. Stattdessen hatte ich ein ausgiebiges Telefongespräch mit meinem Freund. Wie ich gehört habe, musstest du im Havemeer tauchen und bei Professor Hastings 'KonGiga'-Vortrag helfen? Naja, wie auch immer. Wenn du Hunger hast, gehst du am Besten in die Basis..." Im Ofen befindet sich etwas vom Mittagessen für dich. Obwohl, Urs wird wohl schon essen, soll heißen, übrig ist danach nichts mehr. Mach dir am besten selber was, ja? Ich muss jetzt gehen, wir sehen uns!", verabschiedet sie sich von mir und rennt, aus was für einen Grund auch immer, in den Wald, aus dem ich zuvor gekommen bin. Da mein Magen knurrt, mache ich mich sofort auf den Weg zur Station, die, abgesehen von Lea im Eingangsraum und Urs in der Küche, leer ist. Mein Chef hat sich schon über dem restlichen Teller des italienischen Nudelgerichtes hergemacht. Nachdem ich Sany Pokéfutter gegeben habe, stelle ich mich mit einem Früchtejogurt "Himbeere mit Schokostückchen" an die Wand gelehnt hin und esse.
    Nachmittags bin ich mit Luana auf Patrouille. Sie scheint besonders gesprächig zu sein und ich lasse sie einfach reden und sage hier und da "Hmmm", "Jaaa" oder "Stimmt!", oder nicke einfach nur. Ihr Gesprächsthema wechselt ständig, aber mir ist das nur recht.
    Solange ich nicht etwas Eigenes beisteuern muss und ich mich nebenher auf etwas anderes konzentrieren kann, habe ich nichts dagegen. Ich denke währenddessen an den kleinen Computer auf Stelzen, den der Team Nachtschatten Rüpel dabeihatte. Dieses Gerät hat zwar die gleichen Auswirkungen wie der KonGiga gezeigt, nur stärker. Und gezielter, was es die Kontrolle von Pokémon anging. Wenn ab sofort alle Team Nachtschatten Schergen mit dem "Laptop" durch die Gegend laufen, dann werde ich ein großes Problem haben. Denn dann würde mir jedes Mal schwindelig werden, geschweige denn von den stärkeren Kopfschmerzen. Keine besonders guten Aussichten. Am Ende entwickeln sie ein noch effektiveres Gerät, auf das ich dann so stark reagiere wie Maike, Misty und Lucia! Wie soll ich daraufhin meine Arbeit als Ranger fortsetzen können? Ich würde doch jedes Mal beinahe umkippen, vielleicht gleich in Ohnmacht fallen! OB es dagegen irgendein Mittel gibt? Mit einem Mal fällt mir ein, dass ich Maike und den anderen versprochen habe, sie bei Besonderheiten des KonGigas sofort zu kontaktieren. Also nehme ich mir fest vor, ihnen einen Brief zu schreiben über... Über was eigentlich?
    Sollte ich Eleonora wegen den Einzelteilen der Maschine ausquetschen, damit wir daraus etwas schlauer werden könnten? Eventuell könnte ich noch das eine oder andere wichtige Detail, das Professor Hastings gestern erwähnt hat, ebenfalls mitschreiben. Und trotzdem kommt es mir so vor, als fehle mir die bedeutendste, die ungewöhnlichste Information noch. Aber was diese ist, will mir einfach nicht einfallen. Die verschiedenen Farben der KonGiga? Unwahrscheinlich. Den neuen "Laptop", der sogar noch mehr Power hat? Auf jeden Fall ein bedeutender Punkt, aber nicht der, den ich suche. Nur was?!
    Jetzt lassen wir den Feldweg zum Strand hinter uns und treten somit aus den kühlen Schatte der Bäume, direkt in die pralle Sonne. Weil ich ansonsten geblendet wäre, blicke ich schnell nach unten auf meine Füße. Von den Sonnenstrahlen zum Blitzen gebracht, baumelt mein Kreuz wie üblich um meinen Hals. Mit großen Augen starre ich es an. Beinahe hätte ich mich wegen meiner eigenen Blödheit angeschrien. Wie konnte ich das nur vergessen?
    Das, wie die Steinchen auf meinem Kreuz auf diesen dunklen Kristall reagiert haben, als ich ihn berührte. Ob sich die anderen darauf einen Reim machen könnten, ist natürlich fraglich. Genauso, wie nützlich diese Info sein könnte... Vielleicht habe ich es mir auch einfach nur eingebildet, dass sie hilfreich ist, und das ist eigentlich gar nicht erwähnenswert, aber lieber schreibe ich zu viel in den Brief als zu wenig.
    Heute Abend werde ich mich hinsetzen, morgen den Brief abschicken, gleich in der Früh, bevor ich mit meiner Patrouille beginne. Hoffentlich bleibt mir noch ein wenig Zeit, damit ich mir heute Abend noch ein schönes Buch zum Lesen raussuchen kann. Das wollte ich eigentlich gestern schon erledigen, aber da war ich nicht in der Basis, also konnte ich es nicht machen.
    "Kathrin? Hey, Kathrin? Hast du mir gerade überhaupt zugehört?", unterbricht Luana meine Gedanken und ich schaue verwirrt in ihr Gesicht. Sie wirkt recht glücklich, denn sie grinst von einem Ohr zum anderen. Trotzdem scheint sie nicht froh darüber zu sein, dass ich nicht mitbekommen habe, was sie mir erzählt hat.
    "Entschuldigung", murmele ich, "Ich... Mir ist gerade etwas eingefallen, deswegen war ich kurz abgelenkt." Natürlich glaubt sie mir diese kleine, aber sehr überzeugend klingende Lüge. Zufrieden wiederholt sie noch einmal alles, was sie mir von Ollis Besuch am Vormittag erzählen kann. Mit um einiges mehr Interesse als zuvor, lausche ich.
    Zwar fesselt mich das Thema nicht übermäßig, aber mir ist es lieber, wenn sie ihre Verkupplungsversuche auf Olli und Eleonora beschränkt und Bodo und mich dafür vergisst. Allerdings bezweifle ich, dass sie uns lange unbeschadet lässt. Spätestens bei unserem Telefonat am Abend wird es ihr wieder einfallen.
    "Wie lange noch, bis es Abendessen gibt?", frage ich meine Arbeitskollegin, da sie ohnehin gerade ihren FangKom wegen den Aufträgen zu Rate gezogen hat. Sie antwortet froh: "Keine Aufträge mehr und es ist wirklich Zeit, zurückzugehen. Mal schauen, ob Olli noch da ist."
    Er ist da. Vertieft in einem Gespräch mit Eleonora, deckt er mit ihr zusammen den Tisch und grinst die ganze Zeit über breit. Dafür, dass er bei unserem ersten Treffen überhaupt nichts gesagt hat, sprudeln ihm die Worte nun geradezu aus dem Mund.
    Heute gibt es Karotoffelsuppe, Eleonoras Erfindung, und, was eigentlich nicht verwunderlich ist, Olli bliebt zum Essen. Er versteht sich mit allen gut und reißt mit Frohderich ein paar Witze während des Essens.
    Ich verziehe mich danach in unser Schlafzimmer, um den Brief zu schreiben. Ich habe zwar anfangs versucht, alles auf eine Seite zu bringen, habe es aber schnell aufgegeben und auf der zweiten Seite die Fortsetzung geschrieben. Damit ich auf keinen Fall vergesse, ihn morgen mitzunehmen, lege ich ihn auf mein Nachtkästchen, dann ziehe ich eine Kiste unter meinem Bett hervor. In dieser Kiste sind die Bücher von meiner Mutter. Kaum, dass ich die Klappen auseinander habe und auf meine ganzen, noch ungelesenen Bücher hinabblicke, klingelt mein FangKom. Ich schnappe ihn mir von meiner Bettdecke und begrüße meinen besten Freund. Sany rollt sich von meinem Kissen runter, tappt bis zum Bettrand und springt mir von dort auf die Schulter. Bamelin erscheint an Bodos Seite in genau dem gleichen Augenblick.
    "Ich suche jetzt aber erst noch ein passendes Buch aus, okay?", warne ich Bodo und fange an, den Karton zu durchwühlen. Ein interessanter Titel nach dem anderen kann ich erkennen, aber erst am Boden sticht mir etwas ins Auge. Ein dunkelroter Einband mit einem Kreuz darauf, das dem meinem ziemlich ähnlich schaut und es ist verschlossen mit einem silbernen Schloss. Ich stocke mitten im Satz und greife danach.
    "Äh... Kathrin?" Stimmt etwas nicht?", höre ich die leicht beunruhigte Stimme meines besten Freundes, aber ich schüttele nur den Kopf. Als ich das dünne Büchlein näher betrachte, stelle ich fest, dass auf den Buchrücken etwas steht. "Tagebuch von S. Engels"
    "S. Engels...", flüstere ich den Namen, woraufhin mich mein bester Freund besorgt und misstrauisch zugleich fragt: "Wer ist S. Engels?"
    "Gute Frage, keine Ahnung", entgegne ich, "Der Besitzer des Tagebuch, das ich gerade in Mamas Büchersammlu... Moment Engels? Sally Engels, Mamas Mädchenname, der Name, unter dem sie geboren wurde!! Das hier ist Mamis Tagebuch!" Verwundert und begeistert drehe ich das Buch, dessen Inhalt für mich jedoch nicht lesbar ist. Es hängt kein Schlüssel dabei, mit dem ich das glitzernde Schloss hätte öffnen können.
    "Wie?! Das ist das Tagebuch deiner Mutter?!", schießt Bodo los, dann wendet er sich erschrocken um. Ob Primo und seine anderen Kollegen schon schlafen? Wenn ja, hätte er sie damit aufgeweckt.... Allerdings meckert oder brummt niemand verschlafen, keine Beschwerden sind zu vernehmen. Er dreht sich wieder zu mir um und flüstert: "Kannst du es lesen?"
    "Nein, es ist verschlossen und ich kann noch keinen Schlüssel entdecken... Vielleicht kann ich aber in der Kiste einen finden." Zweifelnd lege ich sowohl meinen FangKom als auch das Buch weg und ziehe im Schneidersitz den Karton noch einmal hervor. Ich finde leider kein silbernes, kleines Objekt. Nur Bücher, Bücher und noch mal Bücher. Zum ersten Mal in meinem Leben finde ich Bücher enttäuschend.
    "Wo hast du die Bücher noch mal her? Vielleicht findest du ihn dort!", schlägt Bodo vor, als er meine enttäuschte Miene sieht, die daraufhin sofort nachdenklich wird. Wenn ich einen Terminkalender besitzen würde, hätte ich gleich nach einem Zeitraum gesucht, an dem ich frei habe, damit ich daheim suchen kann. Nur dass mir der Kalender bei meinem Beruf nichts nützen würde, nicht so richtig jedenfalls. Also besitze ich keinen. Das nächste Mal, wenn ich Zeit habe und wenn ich bei uns in Schikolingen übernachten kann, ergreife ich die Gelegenheit beim Schopf.
    "Danke für den Tipp, werde ich auf jeden Fall", verkünde ich ruhig und betrachte weiterhin das Tagebuch. Dann reiße ich meinen Blick davon weg und schaue lieber wieder meinen besten Freund an, der leicht lächelt. Ich spüre, wie meine Wangen leicht rosa werden, doch ich halte stand und lächele ebenfalls. In diesem Moment habe ich mein zukünftiges Vorhaben vergessen. Es ist fast komplett still um uns herum, nur eine Person scheint in der Eingangshalle meiner Basis etwas zu erklären. Selbst Evoli und Bamelin sind verstummt.
    Mühsam überlege ich mir in meinem vollkommen leerem Kopf nach einen Grund, nach einem neuen Gesprächsthema, werde jedoch von Eleonora unterbrochen. Diese betritt verträumt schauend den Schlafsaal und seufzt glücklich. Ich kann unter meinem eigenen glückseligen Gefühl nur erahnen, was passiert ist. Ich schüttele meinen Kopf, um sofort zu nachzubohren.
    "Rück schon raus! Was ist jetzt zwischen dir und Olli? Sag schon!" Die Art, wie sie mich angrinst, weiß ich gleich, was passiert ist. "Oh. Mein. Gott, etwa das, was ich denke?", platze ich heraus, aber sie winkt ab, läuft aber dennoch knallrot an.
    "Hallo?", unterbricht mich Bodo, "Könntest du mir vielleicht erklären, worum es geht?" Also wende ich meine Aufmerksamkeit wieder ihm zu. Zu meiner Verwunderung wirkt er verwirrt, als ich auch noch anfange, zu kichern, murmelt er: "Wenn es mir so beschrieben wird, kann ich leider nichts verstehen." Er dreht sich kurz weg, nur für ein paar Sekunden. Etwas, das in seinem Gesicht erschienen ist, kann ich nicht deuten. So entschließe ich, dass ich auf seine Frage antworten sollte.
    "Zwar hat Luana damals behauptet, dass Eleonora in Olli verknallt ist, aber... Also, der Kerl, der damals ausversehen den Briseforst in Brand gesteckt hat, und anscheinend scheint Olli auch etwas für sie zu empfinden, auf jeden Fall war er heute da..." Die Mechanikerin wirft mir einen warnenden Blick zu, der mir bedeuten soll, bloß nichts mehr zu verraten, trotzdem flüstere ich ihm "Denn beide haben heute miteinander geflirtet..." zu. Beinahe fange ich wieder an, loszukichern. Eleonora ist ins Bad entschwebt und bekommt nicht mehr mit, worüber mein bester Freund und ich uns unterhalten. Er schaut mich immer noch mit diesem Ausdruck im Gesicht an.
    "Ich rufe dich morgen wieder an, okay? Immerhin ist es schon spät...", meint er.
    Okay", erwidere ich, mir vor lauter Anstrengung, nicht los zu prusten, auf die Lippe beiße, "Sehe dich morgen wieder.. Hab dich lieb!"

  • Sou, mal wieder ein neues Kapitel (da ich morgen mit Kapitel 37 anfangen werde :'DD Das Ende ist nahe...)


    Kapitel 21 - Mutters Tagebuch




    Der Halbmond steht hell am sternenübersäten Himmel und spiegelt sich in dem halboffenem Auge und den Steinen meines Kreuzes. Blinzelnd blicke ich ihn an, wobei mir eine leichte Brise die Haare aus dem Gesicht weht. Eigentlich ungewöhnlich, da ich mich direkt auf dem Windspielhügel befinde, auf welchem ausnahmslos immer ein ohrenbetäubender Wind herrscht.
    Ich stehe direkt am Rand und ich bin alleine. Es ist still, selbst durch den Wind wird nichts bewegt. Keine Blätter rascheln, nichts. An meinen Füßen spüre ich das kühle Gras, das auch leicht kitzelt. Nicht lange, dann hebt ein mir schon bekanntes Wispern an. Obwohl es aus dem Wald hinter mir zischt, kann ich es nicht verstehen, also beschließe ich, ihm zu folgen.
    Auf dem Absatz drehe ich mich um und leichtfüßig hüpfe ich auf den vom Mond beschienen und trotzdem dunklen Wald zu. Kaum den Boden berührend und dadurch den Waldboden mit Zweigen, Blättern und Tannenzapfen nicht fühlend, springe ich zwischen den Bäumen hindurch. Die Stimme wird dadurch nicht lauter, obwohl ich mich ihr nähere. Stattdessen nimmt deren Lautstärke sogar ab und es löst eine leise, größer werdende und mir unbekannte Verzweiflung in mir aus.
    Ich steigere mein Tempo, bis die Stämme nur noch verschwommen zu vernehmen sind. Schneller als je zuvor komme ich bei der Lichtung an. Die Lichtung, auf der mich meine Eltern verlassen haben, wie ich erst in meinem letzten Traum miterleben musste. Dieses Mal sind jedoch nicht Mama, Papa, Lucy und mein gerade mal fünf Jahre altes Ich hier, sondern ein Mädchen. Sie kommt mir so bekannt vor, dass es mir scheint, als würde ich sie seit meiner früheren Kindheit kennen. Ihr schwarzes, offenes Haar verdeckt ihr Gesicht und ihr ebenfalls schwarzes, fast bodenlanges Kleid ist einfach nur schlicht.
    Es steht im Gegensatz zu meinem knielangem, strahlend weißen Kleidchen, aber die Kette und der Anhänger daran sind die gleichen wie die meinen. An ihr ist nichts weiter schreckliches, bis sie ihren Kopf hebt und sie sich die Haare aus dem Gesicht schüttelt. Zweifarbige, das linke eisblau, das rechte blutrot, Augen starre mich böse an, Eckzähne, spitze Eckzähne sind über den vollen, dunkelroten Lippen auszumachen.
    Trotz des erschreckenden Anblicks läuft es mir weder kalt den Rücken runter, noch fühle ich Angst oder etwas dergleichen."Natürlich kommt sie mir bekannt vor", schießt es mir durch den Kopf, "Ich habe schon einmal von ihr geträumt, damals jedoch nicht viel von ihr erkannt. Nur... Nur, dass ihre Kette anders aussieht als beim letzten Mal." Sie sagt nichts, nicht ein einziger Laut ist von ihr zu vernehmen, aber ich stelle ihr dieselbe Frage wie damals...
    "Wer bist du?" Ich kenne dich wirklich nicht!", meine Stimme überschlägt sich dabei, sie lächelt, wobei es auf mich eigentlich bedrohlich hätte wirken müssen. Doch so ist es nicht.
    "Oh, du kennst mir sehr wohl", sagt sie, "Es ist mir klar, dass du es nicht schnell begreifen wirst. Du kannst dir also ruhig Zeit nehmen und überlegen, wer genau ich bin..." Dann fängt es an, zu rauschen und der Wind, der normalerweise bei den Wagnisklippen herrscht, braust nun hier mitten im Wald. Vor mir verschwimmt alles, erst das mysteriöse Mädchen, dann der Hintergrund. Was passiert mit mir? Was ist los?!
    Obwohl meine Augen schon offen waren, reiße ich sie im nächsten Moment erst auf. Einige Sekunden sind von Nöten, bis ich begreife, dass das nur ein Traum gewesen ist. Trotzdem scheint der Halbmond von draußen herein und erleuchtet ein wenig den Schlafsaal. Jeder schläft, selbst Sany...
    "... Wer genau ich bin...", tönen mir die letzten Worte des Mädchens immer noch in meinem Kopf wie ein nerviges Echo. Mein Herz klopft wild und unbewusst kratze ich mich am Kopf. Was soll das heißen, ich brauche Zeit, um herauszufinden, wer genau sie ist und dass ich sie kenne? Eigentlich kam sie mir nur unbekannt vor, weil ich sie in meinem vorherigen Traum getroffen habe. Eine Weile liege ich nur so da und überlege, ob sie womöglich eine ehemalige Bekannte ist, da eine alte Freundin nicht infrage kommt. Die kenn ich noch alle heute noch und keine sieht auch nur halbwegs so aus wie sie. Ohne es zu merken, schlafe ich während meiner immer löchriger werdenden Überlegungen einfach ein.
    Als ich aufwache, weiß ich nichts mehr von dem Traum oder davon, was ich danach noch darüber nachgedacht habe. Nur das Buch auf meinem Nachtkästchen und der Brief, erinnern mich an das, was ich mir gestern vorgenommen habe, zu machen. Ich glaube, das Beste wäre es, wenn ich eine Nacht einfach daheim verbringe und in der Nacht nach dem Schlüssel suche. Am besten in der Nacht von morgen auf übermorgen, also von Samstag auf Sonntag. Tante Ruth und Onkel Herbert würden begeistert sein...Vielleicht hilft mir Lucy beim Suchen. Zu zweit sind wir garantiert schneller und ich bin mir sicher, dass sie genauso sehr wissen will wie ich, was in dem Tagebuch geschrieben steht. In Gedanken versunken sitze ich am Frühstückstisch und warte darauf, dass Urs den Eingangsraum betritt, um ihm mitzuteilen, was ich vorhabe. Immer wieder, als würde ich unter einem nervösen Zucken leiden huscht mein Blick in Richtung Türe, aus der nacheinander meine übrigen Arbeitskollegen heraustreten. Nur mein Chef kommt erst, als ich mit meinem Müsli fertig bin.
    "Ah, Urs!", rufe ich ihm zu, "Ich würde gerne morgen bei mir zu Hause schlafen. Darf ich?"
    "Hm? Ah, Kathrin, natürlich darfst du. Du wohnst ohnehin in Schikolingen, das ist nicht weit weg", antwortet er, zwar abgelenkt, aber er scheint sich sicher zu sein bei dem, was er antwortet. Jetzt muss ich nur noch Lu Bescheid sagen, und das kann ich jetzt während meiner Patrouille erledigen.
    Lucy verbringt ihren Nachmittag im Garten. Faul liegt sie auf einer Liege auf dem Bauch und sonnt sich. Als ich unseren Rasen betrete, glaube ich als erstes, dass sie schläft und nehme mir vor, sie zu erschrecken.Tatsächlich döst sie nur ein wenig und anstatt ihrer bin ich diejenige, die vor Schreck zusammenzuckt. Das Quietschen des Gartentores muss mich verraten haben.
    "Buh!", schreit sie, als ich gerade ihren Rücken berühren will und ich mache meinen schon fast berühmten Schreckenshüpfer. Lucy kichert amüsiert, während Lala sich auf dem Gras kugelt.
    "Also, Kathrin... Was genau ist der Grund für deinen so frühen Besuch? Ist Bodo jetzt endlich dein Freund? Oder hast du Streit mit ihm?", löchert sie sofort, aber ich schüttele den Kopf und erkläre ihr die Sache mit dem Tagebuch unserer Mutter, dass der Schlüssel fehlt und dass ich ihn suchen will. Sie nickt zustimmend.
    "Verstehe... Du willst jetzt nach dem Schlüssel suchen, stimmt's?" Wieder schlagen meine Zöpfchen leicht um mich, während ich den Kopf abermals schüttele.
    "Ich bin jetzt auf Patrouille", erkläre ich, "Aber ich habe vor, von Samstag auf Sonntag hier in meinem... Zuhause... zu übernachten. Dann habe ich mehr als genug Zeit, um im Keller zu stöbern. Das wollte ich dir jetzt eigentlich mitteilen, nichts anderes. So, am besten, ich fahre mit meiner Arbeit fort."Mein Schwesterherz wirkt verdutzt. Ist die Idee so abwegig, dass ich in meinem eigentlichen Zuhause eine Nacht verbringen will? Nur weil ich nicht gerne bei meinen Erziehungsberechtigten bin? Lu fängt sich wieder und grinst mich fröhlich an. Ihr gefällt der Vorschlag sichtlich.
    "Ich helfe dir, damit du den Schlüssel schnell findest. Nun denn, schau mal, ob ein paar Aufträge reingekommen sind", sagt sie und legt sich wieder hin, dieses Mal auf den Rücken.
    Am morgigen Abend kehre ich nicht in die Ranger Basis zurück. Der Himmel hat sich schon rosarot bis orange gefärbt, je nachdem, wie weit der Punkt von der untergehenden Sonne entfernt ist. Ich will das Gartentor öffnen, welches im Schatten des Buschs liegt und frage mich, ob Lucy Tante Ruth und Onkel Herbert überhaupt von meinem Vorhaben erzählt hat.Wissen sie, dass ich heute hier schlafen werde? Unglaublich, wie lange es her ist, dass ich hier, in dem Haus geschlafen habe und es wirklich freiwillig gemacht habe... Nach meinem Schulabschluss bin ich mehr gezwungen geblieben. Dieses Mal ist es jedoch meine eigene, mir vollkommen bewusste Entscheidung.
    Mit der Hand immer noch auf dem eisernen Griff der Türe, schüttele ich den Kopf, um mich zu fangen und spaziere auf die Haustüre zu. Schon bevor ich klopfen kann, öffnet Lucy, grinsend.
    "Ruth macht mich fast verrückt, seit ich ihr beim Mittagessen mitgeteilt habe, dass du kommst. Ich glaube, sie will sich ein wenig mit dir versöhnen, denn sie hat dein ehemaliges", sie betont das Wort besonders schön, "Lieblingsessen gemacht, Pizza Hawaii. Tja, sie weiß halt noch nicht, dass du schon was anderes lieber magst...", singt sie fröhlich und tänzelt im Windfang umher. Der Geruch von Pizza Hawaii steigt mir in die Nase und das Wasser läuft mir im Mund zusammen, während ich mir die Schuhe ausziehe.Natürlich finde ich Pizza immer noch lecker und es riecht echt verdammt gut, aber das ist nichts gegen die Spiegeleier mit Bratkartoffeln oder die Omeletts mit Obstsalat von Bodo. Gar nichts. In der Küche ist der Tisch bereits gedeckt, auf der kleineren Seite der Eckbank sitzt mein Bier bauchiger Onkel und Tante Ruth schneidet eine Pizza, von insgesamt drei, in Stücke. Als sie jedoch bemerkt, dass ich den Raum betreten habe, wuselt sie auf mich zu.
    "Ah, Kathrin, geh dir doch noch schnell die Hände waschen, dann fangen wir an, zu essen", sagt sie und schiebt mich in Richtung Badezimmer. Augenverdrehend wasche ich mir die Hände, obwohl mein Magen sich laut beschwert. Lu begleitet mich und flüstert: "Ich habe beiden zwar erzählt, dass du hier übernachten willst, aber ich habe ihnen verschwiegen, was genau der Grund dafür ist."
    "Haben sie nicht einmal danach gefragt?" "Nö, habe sie nicht. Dachten wohl, das wäre offensichtlich oder so was in der Art." Sie packt das Handtuch, dann wirft sie es mir zu. Zu zweit gehen wir zurück in die Küche. Die Erwachsenen haben sich gesetzt, die Pizzen stehen in der Mitte des Tisches.Kaum, dass wir uns auf unsere üblichen Plätze setzten, Lu auf den Stuhl, ich auf der längeren Seite der Sitzbank, spricht Ruth mit einem gespielten, französischem Akzent, den sie manchmal anschlägt, wenn sie sich einschleimen will: "Heute gibt's dein Lieblingsessen, Pizza Hawaii..." Meine Schwester fängt an, zu kichern, aber ich meine nur kühl: "Leider ist es das nicht mehr. Am liebsten esse ich Bratkartoffeln mit Spiegeleiern..."
    "Jedoch nur, wenn sie von Bodo zubereitet wurden", fügt Lu glucksend hinzu. Ich spüre, wie sich mein Gesicht erhitzt, also beiße ich herzlich von einem Pizzastück ab. Nach Schwesterherz' Worten ist es still. Nur das Klappern von einem Messer und einer Gabel ist zu hören. Natürlich ist sich Tante Ruth zu fein, als dass sie Pizza jemals mit der Hand essen
    würde. Stattdessen braucht sie unbedingt Besteck. Aber mir ist das gleich, auch, dass kein Gespräch zwischen uns stattfindet.
    "Bodo ruft doch heute schon auch an, obwohl du hier bist, oder?", hakt Lucy nach, nachdem sie einen besonders großen Bissen runtergeschluckt hat. Da ich selber gerade kaue, nicke ich nur und lächele bei dem Gedanken daran, sein Gesicht heute wieder zu sehen. Zwar sehe und höre ich ihn jeden Tag, doch ich freue mich jedes Mal wieder darauf.
    "Wie das?", knurrt mein Onkel und ich blinzle verständnislos zu ihm rüber. Er scheint vor sich hinzugrummeln. "Wie was?", gebe ich patzig zurück. Kann es sein, dass meine Erziehungsberechtigen immer noch glauben, er ist mein fester Freund, und nicht mein bester Freund? Und das sie ihn, vielleicht sogar nur deswegen, nicht mögen? Obwohl sie ihn erst ein einziges Mal gesehen haben? Die geben ihm doch nicht einmal mehr eine Chance. "Der wollte auch ein Ranger werden", denken sie sich wahrscheinlich, "Und jetzt ist er einer. Ranger zu sein ist kein sicherer, nein, sogar ein äußerst gefährlicher Beruf. Der ist nicht der Richtige für Kathrin, nein, nein, das ist er nicht."
    "Na", fängt er an und klingt einfach nur unzufrieden, "Wie es kommt, dass er sich bei dir melden kann? Wo er sich in der am weitesten entfernten Region befindet? Abgesehen von Briefen dürftet ihr euch doch gar nicht unterhalten können." Die wussten also gar nicht, dass ich seit meinem Geburtstag tagtäglich mit Bodo telefonieren kann?Schlecht informiert über ihre älteste Adoptivtochter... Aber es geht ihnen sicherlich gegen den Strich. Das stimmt mich fröhlicher und ich antworte leicht singend: "Wir unterhalten uns via FangKom und das jeden Abend, wenn nicht sogar während der täglichen Patrouillen. Das können wir schon seit meinem Geburtstag, denn ich habe es als Geschenk erhalten. Die Ranger Vereinigung hat das davor extra genehmigt und ich bin echt froh darüber, dass sie es uns erlaubt haben." Verdutzt und völlig außer mich starren die Erwachsenen an, nur Lucy ist nicht verwundert. Vergnügt über die Fassungslosigkeit wende ich mich wieder meiner Pizza zu. es ist wieder still, komplett still, dieses Mal ist kein Geräusch zu hören.
    "Ich weiß gar nicht, warum euch das überrascht. Er ist mein bester Freund, auch wenn ihr wahrscheinlich denkt, dass es nicht so ist. Es ist so", sage ich in die Stille hinein und beobachte gleichzeitig mein Partner Pokémon, das soeben mit Lala die Küche betreten hat.Sie läuft zu mir und springt schnurrend auf meinen Schoß, um es sich dort gemütlich zu machen. Ich kann wirklich nicht verstehen, was Ruth und Herbert gegen Bodo haben.
    "Kathrin, dein...", meine Tante schluckt, bevor sie weiterspringt, "Bester Freund... Nun, ja, die Tatsache, dass du einen besten Freund hast und keine beste Freundin, ist einfach... beunruhigend für mich und Herbert. Es passiert einfach nicht oft, es ist eigenartig und ein absoluter Spezialfall. Dabei hast du dich auch immer so super mit Misty verstanden. Und mit Maike und mit Lucia!"
    "Die sind aber nicht Bodo, sie sind nicht wie er", fahre ich dazwischen, "Und so ungewöhnlich ist das gar nicht. Eine Freundin von mir, Rhythmia, hat auch einen besten Freund und das sogar schon seit dem Kindergarten. Ihre Eltern haben kein Problem damit!" Sany blinzelt mich müde an, als ob sie fragen will: "Was ist los?", aber mein Onkel ist schneller.
    "Ich denke, dass das trotzdem keine gute Idee ist." "Also bitte", murre ich, "Ich sehe keinen Grund, warum ich jetzt einfach so sagen sollte, dass er nicht mehr mein bester Freund ist, oder warum ich ihn nicht mehr mögen sollte."
    "Außerdem", Lucy ergreift das Wort, "Wäre sie schon gar nicht mehr hier, wenn es ihn nicht geben würde. Dann wäre sie schon vor einiger Zeit ertrunken. Denkt darüber mal nach, ja?"
    Bevor irgendjemand etwas sagen kann, ertönt der Klingelton von meinem FangKom, den ich neben mir auf der Bank liegen habe und ich greife danach. Natürlich Bodo.
    "Hi", begrüße ich ihn mit einem sofort ins Gesicht gezaubertem Lächeln, dann zu Onkel und Tante ohne dem Lächeln, dafür mischt sich ein Knurren in meine Stimme: "Ich esse oben in meinem Zimmer fertig, denn offensichtlich wollt ihr mich, wenn ich mit Bodo zusammen bin, nicht bei euch haben." Was für einen doofen Satz habe ich da von mir gegen? Doch zu spät, jetzt kann ich ihn nicht mehr rückgängig machen. Schon hat es sich so angehört, als wäre er wirklich mein Freund.
    Das habe ich ja mal wieder schön verpatzt. Ich packe fünf weiter Pizzastücke auf meinen Teller. Anscheinend sind die Erwachsenen so verblüfft von dem, was Lucy noch vor dem Anruf gesagt hat und dem plötzlichen, eigentlich sogar passenden Anruf, dass Ruth erst reagiert, als ich die Türe schon fast erreicht habe.
    "Kathrin von Dannen?", sagt sie, fast schon übertrieben ruhig, was schon heißt, dass sie kurz vorm Platzen ist, aber ich fauche nur mit dem Rücken zu ihr: "Nenn mich nie wieder so."
    Und dann stürme ich los.Oben im ersten Stockwerk knalle ich meine Zimmertüre zu, damit ich mich davor auf den Boden setzen kann. So kann keiner mehr rein.
    "Kathrin?", höre ich Bodos Stimme und wende mich ihm zu. Sein Gesichtsausdruck ist überrascht und besorgt, was meinen Puls doch drastisch erhöht, aber gleichzeitig flaut auch meine Wut ab.
    "Sorry", murmele ich. Er schüttelt den Kopf und fragt: "Das meine ich nicht, sondern, warum sie dich 'Kathrin von Dannen' genannt hat." Bevor ich antworten kann, kratzt etwas an der Türe und jemand ruft: "Darf ich rein, Schwesterherz?" Lucy, Sany und Lala, die mir nachgelaufen sind. Ich lasse beide herein. Lu hat sogar einen Schlüssel in der Hosentasche, mit dem sie meine Zimmertüre absperrt.
    „Den habe ich immer dabei, für den Fall, dass Ruth mich mal wieder ärgern will“, erklärt sie kurz. Mit einem Klick kann keiner mehr rein. „Also?“ hakt Bodo nach und erinnert mich dadurch daran, dass er mich etwas gefragt hat. Ich seufze und antworte: „Na, da sowohl Lucy als auch ich von Ruth und Herbert ‚adoptiert‘ wurden, weil sie unsere einzigen noch lebenden Verwandten sind, müssten wir eigentlich deren Nachnamen annehmen. Also wäre ich nicht mehr ‚Kathrin Rose‘ sondern…“ „‚Kathrin von Dannen‘?“, grinst Bodo, aber er scheint den Namen genauso doof wie ich zu finden. Mal ganz ehrlich, wer will denn schon bitte so heißen.
    „Genau“, knurre ich und ziehe einen Schmollmund. Lucy schmeißt sich auf mein großes Doppelbett. Die Bettdecke und die Kissen, davon brauche ich immer zwei, sind dunkellila mit helllila Punkten, in denen sich Sterne befinden. Ich lasse mich stattdessen auf meinem silbergrauen Schreibtischstuhl mit dem dunkelblauen Überzug, der glitzert, nieder. Der Schreibtisch ist ziemlich leer, abgesehen von einem Stapel Bücher, die ich unbedingt noch lesen will.
    „Aber in der Schule warst du doch als Kathrin Rose angemeldet und hast dich an deinem ersten Tag auch so vorgestellt. Obwohl, war eigentlich klar, dass du diesen, entschuldige, bescheuerten“, er senkt ein wenig seine Stimme, als ob er glaubt, dass meine Tante oder mein Onkel noch in der Nähe sind, „Nachnamen nicht annehmen willst.“ Leise kichere ich. „Ne, der ist wirklich doof…“, gluckse ich und öffne meine leeren Schubladen. Das große Regal daneben kann ich reihenweise mit Büchern füllen, weil diese ebenfalls gähnend leer sind. Nur in meinen Kleiderschränken ist schon jede Menge drin. Trotzdem ist auch in ihnen noch Platz.
    Der Teller mit den Pizzastücken steht auf dem Schreibtisch, der FangKom liegt daneben und mein Magen knurrt ungeduldig. Hungrig stürze ich mich auf mein Essen. Lucy isst auf meinem Bett, etwas, das Tantchen total aufregen würde, mir aber absolut egal ist. Selbst dass sie ihre Pikachupantoffeln noch anhat, macht mir nichts aus. Diese Pantoffeln fand ich schon immer lustig. Vorne ist das Gesicht eines Pikachus, schwarze Nase und Augen, Mund, die roten Backentaschen, und die Ohren stehen ab. Der wie ein Blitz gezackte Schweif steht hinten an der Ferse ab. Früher haben sie Papa gehört. Sobald er und Lucy aufgestanden sind, ist er in die Schlappen und runter in die Küche, in der Mama essen gemacht und gesungen hat. Ich habe nur zugeschaut, aber es hat Spaß gemacht.
    An meinem Geburtstag haben wir die Pantoffeln dann in einer der vielen Kisten im Keller gefunden. Die Pikachu-Gesichter waren eingedrückt und ein wenig eingestaubt, doch ansonsten sind sie genau wie früher. Lucy trägt sie seither im Haus, obwohl Tante Ruth sie nicht ausstehen kann. Vielleicht trägt sie sie aber auch gerade deshalb.
    „Na gut“, murmele ich, „Nach dem Essen fangen wir an, unseren Keller auf den Kopf zu stellen. Und das so lange, bis ich den Schlüssel habe oder mir sicher bin, dass er nicht dabei ist.“
    Hinter meinen zwei Fenstern, eines gegenüber meinem Schreibtisch, eines oberhalb der Lehne meines Sofas, ist es schon dunkel. Die Sonne ist untergegangen.
    „Du wirst ihn schon finden“, meint Bodo optimistisch und schiebt sich dann einen Löffel in den Mund. Ich beschließe, das Thema zu wechseln und frage: „Was isst du da?“ „Schokonillpudding!“, kommt es von ihm wie aus der Pistole geschossen. „Wie bitte, was?“ „Schokonillpudding. Ich glaube, die Idee kam mir, als ich das Rezept von Eleonora ausprobiert habe. Der Grund war, dass sich Primo und Spencer um das damalige Dessert gestritten haben. Primo wollte unbedingt seinen geliebten Vanillepudding, Spencer forderte den Schokoladenpudding. Sie sind mir beide mit ihrem Gezanke auf die Nerven gegangen, also habe ich beide haushoch aus der Küche geschmissen. Tja, und am selben Abend gab es nach der Karotoffelsuppe als Nachspeise Schokonillpudding. Schoko von Schokoladen und nill von Vanille. Das nächste Mal muss ich ihn allerdings noch ein bisschen ausarbeiten. Er schmeckt immer noch nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe.“
    „Du machst mir Hunger!“, entgegne ich. Er lacht. „Du isst doch sowieso gerade!“ „Ich meine, dass ich Hunger auf deine Kochkünste habe, nicht auf die von Tante Ruth oder sonst irgendjemandem“, erwidere ich, „Eleonora und ich bekomme auch das Essen nicht so hin wie du. Ich will wieder Bratkartoffeln mit Spiegeleier und Omelett mit Obstsalat.“ Hungrig beiße ich von meiner Pizza ab und schlinge es hinunter. Zwar habe ich Lust auf etwas ganz anderes, aber etwas anderes bleibt mir nicht übrig.
    „Du bist unmöglich“, lacht Bodo. Am liebsten würde ich ihn jetzt knuddeln, aber das funktioniert leider nicht…
    „Ich vermisse dich, auch wenn ich dich jeden Tag sehe“, die Worte purzeln aus meinem Mund, bevor ich sie aufhalten kann. Lucy auf meinem Bett erstarrt. Obwohl ich mich jetzt am liebsten Ohrfeigen würde, spüre ich, wie wahr die Worte sind. „Ich vermisse dich auch“, murmelt er zurück. Dabei schaut er echt traurig aus und noch dazu so süßt, dass wieder das „Muss-ihn-jetzt-unbedingt-knuddeln“-Gefühl in mir aufsteigt.
    Ob sich das jemals legen wird? Ich hoffe gleichzeitig, dass ich niemals wieder anderes empfinden werde und dass ich die normalen Gefühle vom Anfang zurück haben kann. Dass ich einfach nur seine beste Freundin sein kann, ohne versteckte Gefühle. Sany unterbricht meine Gedanken als erste, indem sie auf meine Schulter springt und ihre Wange an meine reibt. Damit ich sie in den Arm nehmen kann, lege ich das Pizzastück weg und drücke sie liebevoll.
    „Ich hoffe, du erfüllst deine Pflicht, Sany? Dass du auf Kathrin aufpasst, damit ihr nichts passiert?“, sagt Bodo mit einem erstens Blick, der mich abermals kichern lässt. Mein Partner Pokémon bestätigt, dass sie keinen an mich heranlässt, der mich verletzen könnte. Auch wenn sie das so betont, dass sie noch etwas anderes damit meinen könnte… Ich übersetze es so, dass Bodo die Zweideutigkeit nicht bemerken kann.
    Die letzten drei Pizzastücke verschwinden rasch in meinem Magen. Dann verabschiede ich mich von meinem besten Freund, nehme das FangKom aber mit. Leise und unbemerkt schleichen sich Lucy und ich bis zum Keller. Heute werden wir auf Musik verzichten müssen. Die vielen Kisten und Kartons stehen immer noch gleich aufgestapelt da, die bereits ausgeräumten rechts und links zur Treppe, die vollen nehmen noch fast die Hälfte des Raumes ein. Kaum zu glauben, dass wir eigentlich noch gar nicht so viel geschafft haben. Aber dadurch gibt es wenigstens noch eine große Chance, den vermissten Schlüssel zu finden. Seufzend ziehe ich die erste Kiste zu mir, auf der „BÜCHER“ steht.
    „Du kannst nicht sagen, man habe dir nichts zum Lesen hinterlassen, was?“, lacht Luxy neben mir, die sich einen ähnlichen Karton vornimmt. Da sie selbst nicht viel von dicken Büchern hält – höchstens Mangas, manchmal Comics, aber keine Romane, die über hundert Seiten gehen – geht sie automatisch davon aus, dass alles Bedruckte hier an mich gehen soll. Ich habe nichts dagegen, es ist viel Stoff und das bedeutet, allzu schnell brauche ich den Bücherladen in Havebrück nicht aufsuchen müssen. Das macht die Suche im Keller für mich um einiges spannender.
    Abgesehen davon, dass wir hier eigentlich nach dem Schlüssel suchen, interessiert mich alles Übrige ebenfalls. Das macht es wesentlich einfacher, nicht müde zu werden. Es hält mich wach. Der Duft, der mich so sehr an meine Eltern erinnert, steigt mich in die Nase, nachdem ich eine weitere Kiste geöffnet habe. Ich kann nicht anders, als ihn einzusaugen und träumerisch über die Vergangenheit nachzudenken.
    Lucy wird schneller müde als ich und ich sehe es ihr an. Wenn sie gähnt, reißt sie ihren Mund so weit auf, wie es geht. Außerdem werden ihre Augen immer kleiner. Selbst ihre Bewegungen erscheinen mir schlaffer als sonst. Zuerst streitet sie es ab, aber irgendwann muss sie selbst einsehen, dass sie zu schläfrig ist. Vielleicht liegt es daran, dass sie heute Früh, um eine Uhrzeit, in der sie normalerweise noch im Bett liegt. Entweder hat das ihren Schlafrhythmus durcheinander gebracht, oder sie hat die ganze Nacht nicht geschlafen. Beides kann ich mir bei meiner kleinen Schwester gut vorstellen.
    „Lu, du bist müde. Du kannst kaum noch deine Augen offen halten“, seufze ich, nachdem sie den Mund so weit geöffnet hat, dass danach kleine Tränen an den Augenwinkeln glänzten. Sie hängt einen zweiten Gähner an den ersten dran. Danach scheuche ich sie die Treppe nach oben. Erst vor der Türe machen wir halt, um zu überprüfen, ob Ruth und Herbert noch im Wohnzimmer sind oder nicht.
    Wir haben Glück. Die Couch vor dem ausgeschaltenen Fernseher ist leer, die Decke hängt über einer Lehne und die Kissen liegen, mit den Ecken abstehend, an den runden Seiten des Sofas. Lucy schlurft darauf zu und schmeißt sich, den Bauch voran, auf den weichen Stoff, das Gesicht in eines der Kissen vergrabend. Lala springt direkt hinterher. „Nacht“, murmelt meine kleine Schwester, als sie sich die Wolldecke überwirft und sich darunter einkuschelt. Danach fügt sie darunter nuschelnd, noch schläfrig hinzu: „Viel Glück beim Suchen.“
    Sany, so ein treues Partner Pokémon wie sie ist, macht es sich nicht neben Lucy gemütlich, sondern folgt mir zurück in den kühleren Keller. Im Gegensatz zum letzten Mal, als ich hier war, fällt der Unterschied zwischen Erdgeschoss und Keller nicht so sehr auf, da der Sommer schon beinahe vorüber ist. Ich hätte mir allerdings denken können, dass auch sie von der Müdigkeit zu schnell aus der Realität gezogen wird. Passend dafür hat meine kleine Schwester beim letzten Mal, als wir an meinem Geburtstag den Keller durchforstet haben, aus einen der Kisten ein besticktes Rosenkissen gezogen hat. Ich habe die Vermutung, das meine Mutter das von Ruth geschenkt bekommen und nie als Deko benutzt hat.
    In dem gleichen Karton waren unter anderem mehrere Porzellanfiguren, große, kleine, meistens Pokémon, aber allesamt Kunstwerke. Meiner Meinung nach. Lucy hatte sie neben das Kissen gestellt, weshalb ich sie wegschieben muss, da das kleine Evoli nicht zu den Pokémon gehört, die ruhig liegen bleiben, wenn sie schlafen. Lächelnd streiche ich ihr über das Köpfchen, bevor ich zu der nächsten Kiste gehe. Leise öffne ich sie, um den Inhalt näher in Augenschein nehmen zu können. Eine kleine, weiße Schatztruhe, die im Licht der einfachen Glühbirne an der Decke glitzert, kommt zum Vorschein. Es ist ebenfalls mit einem silbernen Schloss verschlossen. Dieses hat eindeutig einen größeren Schlüssel zum Öffnen nötig.
    „Ach“, denke ich mit schwerer werdenden Herzen, „Wie viel von Mama und Papa werde ich hier finden, das ich nicht anschauen kann?“ Obwohl ich mir sicher bin, dass ich sie nicht öffnen kann, hebe ich sie heraus. Das Weiße auf der Truhe fühlt sich rau auf meinen Fingern an. Vorsichtig drehe ich sie, damit ich sie von allen Seiten betrachten kann, und siehe da; es gibt eine Schublade, die vom Schloss nicht betroffen ist. Mit zitternder Fingern greife ich nach dem kleinen Henkel – der wirklich sehr, sehr winzig ist – und ziehe daran. Zu meiner Überraschung finde ich daran einen silbrig schimmernden Schlüssel.
    Aufgrund der Größe und dem Fundort bin ich mir sicher, dass er zu der Truhe gehören muss. Am Kopf greife ich ihn und schließe das Schloss auf. Mit weit aufgerissenen Augen klappe ich den Deckel auf, voller Erwartung, was ich darin finden werde. Der einzige Inhalt ist ein längliches Buch, blau und mit einer Verzierung an der linken oberen und der rechten unteren Ecke. Neben dem aufgeklebten Foto in der Mitte, auf dem meine Mutter, mein Vater, ich und Lucy, als wir jünger waren, sind, klebt ein Zettel, der meine Aufmerksamkeit beinahe als Erstes auf sich zieht.
    „Liebe Kathrin“, steht darauf in feiner Handschrift, die mir bekannt vorkommt, „Dies ist ein Fotoalbum von unserer Familie. Lucy und du seid auf den Fotos noch Kleinkinder, wenn nicht sogar Babies. Ich hoffe, es gefällt dir und die Erinnerungen an deinen Vater und mich werden dadurch frischer.“
    Erstaunt halte ich beim Lesen der Notiz, die offensichtlich von meiner Mutter verfasst wurde, inne. Die Erinnerungen... Ob sie damals schon geplant hatte, zu verschwinden? Muss wohl so sein. Andernfalls hätte sie kaum etwas, mit solch einer Andeutung, aufgeschrieben. Das finde ich, auf Mamas typische Art, magisch. Es passt zu ihr... Dann lese ich den Rest.
    „Natürlich würdest du irgendwann das Fotoalbum finden. Ich kann dir nicht erklären, warum ich mir sicher bin, dass du das finden wirst, ansonsten hätte ich dir mehr über unsere Pläne zu deiner und Lucys Sicherheit erzählt. Du weißt, dein Vater und ich haben euch ganz doll lieb, selbst, wenn wir nicht mehr bei euch sein können. Deine Mutter, Sally Rose.“
    Irritiert lege ich das gelbe Blatt beiseite. Was soll das heißen, welche Pläne zu unserem Schutz? Wer soll uns gefährden? Eine Erinnerung in meinem Kopf rührt sich und ich spüre, dass etwas an meinem Bewusstsein hämmert, aber viel mehr rührt sich daraufhin nicht. Ich kann keine direkte Gefahr ausmachen. Es gibt niemanden der uns hasst – abgesehen von meiner Cousine Alexa, aber das beruht auf Gegenseitigkeit – also fällt mir nicht mehr dazu ein.
    Langsam, beinahe wie in Trance, greife ich nach Buch, als plötzlich mein FangKom schrillt. Ich höre mein Partner Pokémon fauchen und weiß schon, ohne hinschauen zu müssen, dass sie aufgesprungen oder zumindest vom Kissen gerollt sein muss und einen Katzenbuckel macht. Auch mich hat der Schrecken nicht verschont. „Könnte Urs sein... Ob etwas passiert ist? Eine wichtige Mission und ich bin näher am Ort des Geschehens? Oder sie brauchen Verstärkung“, schießt es mir durch den Kopf, bevor ich aufstehe und zu dem Gerät renne.
    Mit meiner Vermutung liege ich falsch. Und ich freue mich darüber. Denn es ist mein bester Freund. Er ist die einzige Person, der ich erzählt habe, mal abgesehen von Lucy, gesagt habe, dass ich die Nacht mit dieser Aktion verbringen werden. Aber warum ruft er genau jetzt an? Mitten in der Nacht? Sollte er nicht tief und fest schlafen, um morgen fit zu sein?
    „Hi“, begrüßt er mich, zu meiner Verwunderung, ziemlich munter. „Hey, du“, erwidere ich lächelnd, „Warum bist du noch auf?“ Er dreht sich kurz um. Wahrscheinlich ist er bei sich im Schlafsaal und will sicher gehen, dass keiner seiner Kameraden von dem Gespräch aufwacht. „Ich bin aufgewacht, eigentlich habe ich bereits geschlafen. Weißt du, dass ich Albträume hasse? Abgesehen davon, dass ich jetzt dafür bei der anrufen kann“, erklärte er, als er sich wieder zu mir umgewandt hat. Sein Lächeln ist einfach umwerfend. Es bringt meine Gedanken dazu, auf Pferdchen zu steigen und Karussell zu fahren.
    „Gute Idee“, kichere ich mädchenhaft. Im nächsten Augenblick hoffe ich, dass ich damit nicht zu übertrieben gewirkt habe. „Bis jetzt war ich nicht erfolgreich. Oh, und ich glaube, du hast Sany verärgert, weil du sie geweckt hast. Sei froh, dass Lala und Lucy nicht hier schlafen. Ansonsten hättest du den Zorn von beiden auf dir Ruhen. Oh oh, du hättest mir so leid getan.“ Leise lache ich in mich hinein und setze mich auf den Boden neben Sany. Die hat sich inzwischen eingerollt und ich kraule sie beruhigend hinter den Ohren.
    „Trotzdem etwas Interessantes gefunden?“ „Hier gibt es nur interessante Dinge! Lauter Gegenstände aus meiner Vergangenheit, verbunden mit schönen Erinnerungen... Aber ich glaube, den besten Fund habe ich eben erst ausgegraben, bevor dein Anruf kam. Pass auf...“ Ich setze Sany ab und krieche zurück zu der Truhe mit dem Fotoalbum. Dort schnappe ich mir zuerst die Notiz meiner Mutter und lese sie ihm klar und deutlich vor. Als ich fertig bin, schlage ich das Album auf.
    Erst nach wenigen Sekunden fällt mir auf, dass Bodo noch keinen Kommentar zu der Nachricht abgegeben hat, also blicke ich zurück auf den FangKom. Prüfend betrachte ich sein Gesicht. Man kann deutlich ablesen, dass er sich darüber Gedanken gemacht, seine Stirn ist gerunzelt und er beißt sich auf die Lippe. Auf mich macht er dazu einen nervösen Eindruck.
    „Was ist?“, frage ich stockend. Bevor er antwortet, schüttelt er sich. „Nur eine Vermutung... Allerdings kann ich mir nicht sicher sein, dass es stimmt. Und in deinen Ohren würde das so unmöglich anhören, dass ich es besser erst gar nicht erkläre. Wirklich“, unterbricht er sich, als er meinen ungläubigen Blick bemerkt, „Mach' dir da keine Sorgen. Wenn mir etwas dazu einfällt, klingele ich bei dir durch und gebe dir Bescheid. Aber ernsthaft... Vor wem solltet ihr beschützt werden? Besonders, in eurem damaligen Alter? Seit du fünf bist?“
    „Keine Ahnung... Die einzige Person, die mir einfällt, die mich und Lucy hasst, ist Alexa. Du weißt schon, meine Cousine...“ Mein Blick wandert zurück auf der ersten Seite des Albums, dann auf das, was auf die linke Seite in großer Schrift geschrieben wurde. „Für meine kleinen Mädchen, Kathrin und Lucy“ steht auf dem rauen Papier. Das ist nicht Mamas Handschrift, sondern die von Papa, und ich muss lächeln. „Kleine Mädchen“ sind wir nun nicht mehr. Bei dem Gedanken verbleicht das Lächeln ein wenig. Aber das kann er nicht sehen.
    „Kathrin? Hey, Kätzchen? Was ist los?“ Verwundert blinzele ich, nachdem mich Bodos Stimme zurück in die Realität gerufen hat. Durch die geschlossenen Lider bemerke ich, dass meine Augen glasig sein mussten. Ich drehe den FangKom so, dass er auf das Album blicken können müsste. „Das Album, auf dem der Zettel klebte...“ Wie gerne hätte ich ihn jetzt neben mir. Es wäre viel besser, an seiner Seite zu sitzen, den Kopf auf seiner Schulter. Wie damals in der Schule, wenn wir in der Küche waren und im Lager Bücher gelesen haben. Seufzend streiche ich einen Fusel von der nicht durchsichtigen Folie, die das erste Foto bedeckt.
    „Okay, umblättern, ich will Kinderfotos von meiner besten Freundin sehen“, sagt Bodo gut gelaunt. Mir fällt ein, dass solche Bilder meistens peinlich sind und ich laufe rot an. Wie gut, dass er mich jetzt nicht sehen kann. Ich schiebe die Folie beiseite und zwei Bilder kommen zum Vorschein.
    Auf dem einen bin ich. Freudig gerötete Wangen, glänzende Augen und auf einem Schaukelponita sitzend. Trotz der anderen Inneneinrichtung kann ich erkennen, dass der Ort mein Zimmer aus Kindheitstagen ist. Es ist so unordentlich wie bei vielen anderen Kleinkindern. Mir fällt ein, dass ich mich oft gegen das Aufräumen gesträubt habe. Kein Wunder, wie viele Pokémonstofftiere ich damals auf dem Boden verteilt habe. Sie stammen ursprünglich aus der blauen Truhe, die sich im Hintergrund befindet. Die Sonne scheint hell durch das Fenster, es muss ein schöner Tag gewesen sein, wenn nicht sogar bereits Sommer. Auf jeden Fall hätte ich passend zur Jahreszeit ein türkisblaues Kleidchen mit Puffärmelchen an. An meinen Füßen trage ich weder Socken noch Schuhe.
    Lucy hat auf dem anderen Foto ihren Platz auf Papas Schultern gefunden. Damals war sie noch sehr klein und mich wundert das nicht. Krokusse und Tulpen leuchten im Beet im Hintergrund, sie lassen das Bild, Lus und Daddys lächelnde Gesichter viel fröhlicher und strahlender wirken. Es muss Frühling gewesen sein, der Frühling nach der Geburt meiner kleinen Schwester. Dadurch weiß ich natürlich, wo der Aufnahmeort genau war. Johto. Selbst wenn die für das idyllische Dörfchen typische Windräder nicht auf dem Schnappschuss gewesen wären, hätte ich gewusst, dass es sich um Aventia handelte.
    Bodo gluckst amüsiert. „Da warst du aber noch ganz schön... klein... Mal abgesehen davon, dass ich größer bin als du, weshalb du also ein Winzling bist.“ Ich drehe den FangKom und schaue ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er grinst zu unschuldig, gerade nach den Worten. „Klein sein hat seine Vorteile“, behaupte ich, „Zum Beispiel besteht bei mir nicht die Gefahr, dass ich beim Verstecken spielen in das kleine Loch im Schrank passe.“ „Weil du in deinem Alter so oft Verstecken spielst“, gibt Bodo zurück. „Du vergisst, dass ich Ranger bin. Da halte ich es für keine schlechte Idee, sich vor bösen Menschen in Sicherheit bringen zu können.“ „Da muss ich dir Recht geben“, stimmt mein bester Freund lachend zu.
    Lucy und ich liegen auf dem nächsten Bild am Meer. Meine Füße sind sandig, was darauf hindeutet, dass ich bereits im Wasser war und keine Schuhe hatte. Der Weg durch den Sand hatte genug Sandkörner an der nassen Haut kleben lassen. Wir liegen auf zwei Handtüchern neben Mama, die sich auf die Decke gelegt hat. Wegen einem längst vergessenen Witz lachen wir uns, so sieht es jedenfalls aus, beinahe tot. Mama, ein Buch vor sich und auf dem Bauch liegend, reicht Lucy die Sonnencreme. Ein Vulpixei, das ich sehr gut kenne, liegt am Handtuchrand. Es hat die gleiche Farbe wie Mutters Bikini und Schwesterherz' Badeanzug, meiner hingegen ist weiß mit ein paar Blümchen.
    Das zweite Bild darunter zeigt den gleichen Ort mit veränderter Szene. Lu hat diese orangen Schwimmflügel für kleine Kinder, bevor sie einen Schwimmkurs besucht haben und auch nachdem, weil die Eltern einem nicht trauen. Mir hat man stattdessen einen hellblauen Schwimmreifen. Zwischen meiner Schwester und mir steht ein Mädchen mit schwarzen, beinahe taillenlangen Haaren in einem hellgelben Badeanzug und eisblauen Augen.
    „Die in der Mitte ist hoffentlich keine verschollene Schwester von dir?“, fragt Bodo in meine Gedanken hinein. Ich seufze. „Warum Schwester? So ähnlich sieht sie mir nun wieder nicht.“ „Naja... Man erkennt die Verwandtschaft, sagen wir so.“ „Das ist Alexa“, fahre ich fort und sofort wird mein Tonfall sarkastisch, „Meine tolle Cousine, von der ich dir bereits erzählt habe.“ Meine tolle Cousine, die ich so sehr hasse, weil sie eine der nervtötendsten und linksten Menschen ist, die ich kenne.
    Anscheinend hatte es zum Aufnahmezeitunkt keine Streitereien zwischen ihr und mir gegeben. Sowohl sie wirken glücklich, obwohl die jeweils andere bei uns ist. Das ist kein aufgesetztes Lächeln und da wir beides eines tragen, liegt es wohl auch nicht daran, dass wir die andere hereingelegt haben. Wir sind nicht sauer. Wir sind normale Freundinnen, die sich über Pokémon unterhalten können, gerne Kleider anziehen und sich mit der Schminke ihrer Mütter bekleistern, während sie sich vorstellen, erwachsen zu sein.
    Wie lange das wohl her ist?
    Plötzclich höre ich Schritte. Jemand steigt die Treppe zum Keller hinab. Völlig unbewusst kneife ich die Augen leicht zusammen und richte sie auf die Türe. Das ist, wie ich am leisen Klackern hören kann, Tante Ruth. Onkel Herbert trägt keine Schuhe mit Absatz – Lucy erst recht nicht. Wahrscheinlich will sie unbemerkt den Raum betreten und will deshalb nicht, dass die Hacken die Stufen berühren. Erfolglos. Bodo ist ebenfalls still. Die Türe öffnet sich knarzend und unheilvoll. In ihren babyrose Puschen und in einem babyblauen Nachthemd, das sie eng an ihren Körper presst – der Kälte des Kellers wegen – plustert sie sich vor mir auf.
    „Was machst du so spät im Keller? Dir eine Erkältung einfangen? Deinen Schlaf verpassen, den du unbedingt brauchst? Ab, Marsch ins Bett!“, befiehlt sie und deutet mit ihren knochigen Finger die Treppe hoch. Böse blickt sie mich an, ich erwidere den Blick mindestens genau so sauer. Ich lasse Sany auf meine Schulter klettern und laufe, in der einen Hand der FangKom und in der anderen das Fotoalbum an ihr vorbei, ohne etwas zu ihr zu sagen. Das allein dürfte als Widerstand reichen. Mal abgesehen davon, dass ich nicht suchen kann, während sie neben mir steht und mit ihren Schuhen klackert, weil sie will, dass ich schlafen gehe.
    Ich bin so schnell in meinem Zimmer, im Schloss steckt der Schlüssel zum Zusperren, was mir sehr recht kommt, dass sie nicht mehr die Chance hat, ein Wörtchen mit mir zu reden. Erst als ich in meinem Bett liege, löse ich meine aufeinandergepressten Lippen voneinander und atme tief ein und aus. Das Fotoalbum lehne ich gegen meine Beine, während Sany sich neu auf meinem zweiten Kissen einrollt. Ich ziehe meine Bettdecke über mich. Nur kurz lege ich meinen FangKom auf die Seite, erst dann werfe ich einen Blick auf den Bildschirm. Bodo schaut mich mit einer zweifelnd hochgezogenen Augenbraue an.
    „Man möchte meinen, dass man mit sechzehn Jahren alt genug ist, um entscheiden zu können, wie lange man wo wach sein kann. Jedenfalls, gerade wenn man daheim ist. Mit deiner Tante bist du echt nicht zu beineiden“, murmelt er so leise, dass sie es nicht hören könnte, selbst in dem Fall, dass sie vor der Türe lauscht. Genervt seufze ich. „Sie versteht mich nicht, ich verstehe sie nicht. Auf jeden Fall ist sie absolut nicht zufrieden damit, wie ich mein Leben führe, mein Leben, wohlgemerkt, nicht das ihre. Mein Beruf, allgemein Pokémon und du, das sind ihre Kritikpunkte.“
    „Was ist mit mir?“ „Du bist ein Ranger und du bist mein bester Freund. Nimm' dir das nicht zu sehr zu Herzen, sie sind altmodisch, beide, Tante Ruth und Onkel Herbert. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, würde ich einen langweilige, ungefährlichen Job im Büro machen und hätte mir eine beste Freundin zum Shoppen, Schminken und Kichern gesucht. 'Ein Pokémon Ranger hat mit zu vielen Gefahren zu leben, das ist nichts für ein kleines Mädchen wie dich'“, mache ich meinen Onkel Herbert nach.
    „Stimmt schon, es kann viel passieren“, fügt Bodo hinzu, nicht ohne das folgende „aber“ heraushören zu lassen, „Jedoch war es deine Entscheidung. Und es gibt Menschen, die sind einfach dafür gemacht, Pokémon Ranger zu werden, und du gehörst wohl dazu.“ Das rot Anlaufen kann ich nicht verhindern. Aber ich kann glücklicherweise den FangKom kippen. Dadurch kann Bodo nichts davon sehen. Als Grund, weshalb ich es gekippt habe, öffne ich das Album, blättere gleich bis auf die zweite Seite, danach lege ich den FangKom so, dass Bodo die Fotos gut im Blick hat.
    Es ist ein großes Foto mit insgesamt sieben Personen. Geschossen wurde es vor unserem Haus in Schikolingen, ohne die Rosen von Tante Ruth und einem frisch gemähten Rasen. Mehrere Geranien zieren die Seiten. Wahrscheinlich mal wieder ein schöner Frühlingstag. Bei den Personen handelt es sich um vier Erwachsene, von denen ich zwei nie wirklich kennengelernt habe, und drei Kinder. Die zwei Menschen, über die ich wenig weiß, hatten oft viel zu tun, zum anderen hielten sie sich bei mir oft zurück. Es gab nur eine wichtige Person in dem Leben dieser beiden Personen.
    Ihre Tochter Alexa. Alexas Mutter, eine Frau mit dunkelbraunen Haaren und den eisblauen Augen, die sie meiner Cousine vererbt hatte, hat auf dem Bild meiner Mutter einen Arm umgelegt. Beide lächeln freundlich, genau wie ihre Männer. Die Haare von Alexas Dad sind beinahe schulterlang und schwarz. Ich kann mich daran erinnern, dass er sich oft darüber beschwert hat, wie schnell die Haare wachsen. Eine Eigenschaft, die auch Alexa hat. Kein Wunder, dass ihre heutzutage bis zu ihrer Taille reichen. Vorrausgesetzt, sie hat sie sich kürzlich nicht schneiden lassen.
    „Alexas Eltern, mh?“, fragt Bodo. Natürlich hat er die Verwandtschaft erkannt. Wir alle sind eine Familie und sehen uns daher ähnlich, obwohl ich es manchmal gerne bestreiten würde.
    „Ja“, bejahe ich leise und blättere um. Drei Fotos am gleichen Schauplatz, nämlich unsere Küche. Das Fenster hinterhalb ist von einem hübsch bestickten Vorhang verdeckt, an den ich mich gut erinnern kann. Davor sitze ich. Peinlichkeit in Person. Selten schäme ich mich für ein Quatschbild, einfach weil die Quatschbilder für die dämlichsten Posen und behindertsten Grimassen erfunden worden sind, aber als Kleinkind...
    Meine Zunge hängt aus dem Mund, ich schiele und grinse dümmlich. Vor mir befindet sich ein herzförmiger Kuchen, der bedeckt ist mit bunten Streuseln und vier Kerzen. Zu meinem Pech schafft er es nicht, von meiner Grimasse abzulenken. Auf dem Foto darunter puste ich die Kerzen aus, Lucy, die nur neben mir sitzt, lacht und klatscht in ihre kleinen, pummeligen Hände. Zu guter Letzt sehe ich mich, als der Festschmaus vorbei ist. Vor meiner Schwester und mir auf dem Tisch, wo sich der Kuchen befunden hatte, stehen Teller mit dunklen Schokoladenkuchenbröseln. Auch an meinen und Lus Mundwinkeln befinden sich einige davon.
    „Wie peinlich“, schäme ich mich flüsternd. Bodo lacht.
    „Was hast du? Ihr seid Kinder, ihr seid klein, lieb und abgedreht. Außerdem ist dein Geburtstag. Vermutlich hast du am Vorabend nicht schlafen können, hast dich auf Geschenke gefreut. Das ist doch typisch Kindheit... Mal abgesehen davon, dass du dich heutzutage genauso aufführen kannst und es auch machst“, erklärt er, halb neckend, halb ernst. Nun grinsend betrachte ich die nächste Seite. So geht das weiter, bis ich auf der letzten Seite ankomme. Wenn Tante Ruth wüsste, dass ich weiterhin wach geblieben bin. Sie wird es nie erfahren, später an diesem Tag – es ist bereits Sonntag – werde ich so früh aufstehen wie immer.
    „Lu wird sicher sicher darüber freuen...“, sagt mein bester Freund, als wir fertig sind. Ich streiche über das schöne Bild von Mama und Papa, das sich ganz am Ende befindet. „Das Fotoalbum ist eine tolle Idee.“ „Schon“, murmele ich, „Aber es stimmt mich traurig. Erinnerungen an meine Eltern machen mich traurig. Sie wussten es, Bodo. Sie wussten, dass sie uns verlassen müssen. Und dass sie es tun werden.“ Eine Weile ist es still. Der hübsche Bilderrahmen, der das Bild meiner Eltern einrahmt, funkelt im Licht meiner an der Wand hängenden Leselampe. Die Stille anschließend durchbrechen frage ich: „Bist du dir sicher, dass deine Idee nicht realistisch genug ist? Wenn es um die Sicherheit von mir und Lucy geht?“
    „Ganz sicher. Glaub' mir in der Sache einfach.“ „Mama hatte schon immer etwas Besonderes an sich. Magisch... Scheint in der Familie zu liegen, denn ihre Schwester hatte es auch, Alexas Ma, meine ich. Wie hieß sie noch einmal? Lisa? Elisabeth? Irgendwas in der Richtung, glaube ich“, leise lache ich, „Eine tolle Nichte bin ich, weiß nicht einmal ihren Namen.“ Bodo denkt ein paar Momente nach und schüttelt dann den Kopf. „Ne, die Chance ist zu gering. Und selbst... Nein... Das schlage ich mir besser aus den Kopf.“
    „Dann lass' es... Wahrscheinlich mache ich mir selbst zu viele Gedanken. Oder es ist total offensichtlich, aber ich erkenne es nicht. Als würden Erinnerungen fehlen, die das komplett machen“, ich schüttele den Kopf und lächele unbestimmt. Dabei entweicht mir ein Gähnen, den ich nicht verkneifen kann. „Müde, Kätzchen?“ Allein der Spitzname erwärmt mein Herz. Schon länger hat Keith ihn nicht benutzt, allgemein weil er mich nicht allzu oft mit Namen anspricht, sondern einfach „du“. Beruht irgendwo auf Gegenseitigkeit, denke ich.
    „Kann sein?“, sage ich, „Das war ein langer Tag... Außerdem habe ich nicht vorhin ein wenig Schlaf erwischt im Gegensatz zu dir.“ „Dann musst du in die Heia-Heia gehen!“ „Und was ist mit dir?“ „Vielleicht wach bleiben, vielleicht schlafen! Im Gegensatz zu dir bin ich putzmunter, aber wenn ich mit dir nicht mehr reden kann ändert das die Sache wahrscheinlich... Nachts lesen, im Bett, ganz alleine ist... einschläfernd. Am Ende wache ich morgen mit dem Buch im Gesicht wieder auf!“
    Aus meinem Lachen wird ein weiteres Gähnen. „Vielleicht hat Primo das Foto dazu noch, dann kann ich es dir zeigen. Ein kleiner Ausgleich für die Kinderfotos von dir.“ Bereits der Gedanke daran macht mir gute Laune. „Mach das“, gähne ich, „Aber erst morgen.“ Während ich spreche, verstaue ich das Album unter meinem Kissen. Dort es ist gut verstaut und gut versteckt vor neugierigen ruthschen Augen.
    „Gute Nacht“, verabschiede ich mich von meinem besten Freund und er flüstert nur: „Gute Nacht, träum' süß...“

  • Hey,
    ich hab gestern kurz und heut 'n paar stunden damit verbracht, diese story von anfang an durchzulesen. Ich schreib selbst gerne (stell es nie on), und spiele mit dem Gedanken, 'ne Fs zu schreiben ähnlich wie die - ich meine die Erzählwechsel zu Beginn. Ich will 'n paar Kiddies wie du zu Anfang in die Rangerschule stecken (mit Romance), die jedoch, wie bei dir, zerrissen wird. Den Hauptchara trifft das aber 'n bissel mehr und er fängt halt sein Leben bei Nachtschatten an, geht später zu den Nappern und spielt quasi gegen die Geliebte (die natürlich gegen Napper geht) ;) aber was hat das mit deiner Fs zu tun? Ich hab egelt nach gescheiten beschreibungen zum Fangen von Pokemon gesucht, da ich mir das bis jetz nich so richtig vorstellen konnte, wenn man mal von der extremen Kreiserei absieht (wie lustig war nur Entei in Fiore ;D) - aber ich will ma auf das letzte Kapi eingehen (keine Angst, ich denk die Helfte des Kommis ist um, labern geht bei mir um Längen besser als naja - kommentieren xD)
    Also vorneweg nehmen wir die Rechtschreibung: Ich arbeite mit Screenreader (Bildschirmleseprogramm), was mir schön gechillt deine Fs in einem Tempo vorließt, was zmd mein Umfeld nicht versteht (zu schnell); jahrelange Übung und tägliches Arbeiten damit trainieren das, da ich das Teil benutzen muss (dürft im Profil von mir stehn, poste das nich so gerne weils ma 'ne Warnung für gab xDDD) - wayne; der Screenreader hat alle Worte hingekriegt, was auf keine bzw kaum Rechtschreibfehler hinweist. 'n paar mal gabs Zeichendreher (stadt und udn oder so), aber war auch nich so dramatisch - nicht, dass es mich persönlich stört, aber vlt andere Leute
    Gramatik: Naja, denke ma sie stimmt, bin kein Gramatikfreak - finde aber extrem dass du im Präsens schreibst, ich geh immer in Präteritum zurück (hoffe hab die zeiten nich verwechselt, denke Imperfeckt oder so is Präteritum oder? Kann den scheiß von Latein, weil ich france hasse und nich genommen habe xD) - die Klammer wär 'ne schöne Überleitung wenn ich fertig wär ;D - wollt sagen, dass ich 'nen respekt hab, weil wenn ich sowas versucht hab jedes 3te Verb korrigiert hab
    Zeichensetzung: Sind so dinge, dem mir und Screenreader bei Richtigkeit riesig helfen; sie waren richtig (mag Simikolone xD)
    Okay, gehen wir zum Inhalt - vorneweg: ich hab kp mehr bei den Kapitelangaben (Nummer), denke mal, dasste deine Fs gut genug kennst, um zu wissen, was ich meine
    Erst ma ist die Fs ja 'ne halbnacherzählung von Ranger 2 - ein Spiel, was wie alles, nur gezockt wird um zu zocken, also ja nicht lesen, schnell durchklicken und aktiv zocken (kennste MD2? Da sind die Szenen so lang, wenn man B gedrückt hällt gehts immerhin weiter...) - heißt: die Story ist für mich sagen wir mal relativ neu - klar kenn ich die Namen und wusst auch, das Bodo nach Fiore muss bzw wo/wann KonGigas etc. kommen, ob allerdings dieser Stein im KonGiga (Schwarzdimant oder so) da im Game auch drin war weiß ich nich ;D
    also btt: Fand den Anfang geil, Blondis Eifersucht ist immer wider lustig (fühlte mich da an Bis(s) zum Ende der Nacht erinnert xD), mir kam nur Primo zu wenig vor. Sehe ihn so als Hochleistungschiller an, was du noch mehr zum Ausdruck bringen könntest ;D
    der Abschied war geil, jedoch fehlten mir genau die Streiche, zmd 'n paar, die Lu fabrezieren wollte bzw. es getan hat
    Finde es gut, dass du 3 Tage inGame in 13 Kapitel gefasst hast, okay du hast die Zeitspanne stark verlängert, aber trotzdem - mit wie viel Elan die Schüler dabei sind, ist aber krass - wir sind 'ne 8 und im durchschnitt hat 40% Standartmäßig die Hausaufgabe nicht (und das ohne die, dies mal echt verpennen) ;) - btt
    Naja, klar Kathy ist traurig, jedoch mir zu wenig, und der Geburtstag kam mir 'ne Spur zu schnell, sie hätte noch 'n bisschen depressiv darumgammeln können, auf der Klippe mit dem Gedanken "ob 40m reichen um beim Aufschlag auf dem Wasser direkt zu sterben?" ;D ne aber 'n bisschen mehr zum Ausdruck hätts schon sein können (Deutschbuch kosten 5 Geld 50!)
    Öhm wie gings weiter - das Staralili nich Bodo sein Partner (Dativ!) wurde - naja wär auch zu krass, dass Pachirisu Primo findet und Staralili auch noch Bodo ;D - finde btw, das so'n aufgewecktes Elektrohörnchen zum Hochleistungschiller passt ;D
    Okay - dann hat der Prieseforst ja gebrannt (schreibt man denso?) - hab inGame garnich mitbekommen, wie Olli erzählt hat, warum ja klar (Profil) - warum war des egelt? Finde es aber seltsam, dass 2 Turtoks reichen, um den Regen hervorzurufen, hätte gedacht, dass für einen Wald, der mal mind. 'nen km² hat mal 10 von denen nötig wären, und davon sagen wir 4 am Brandherd und der rest im umkreis von 100 M in allen richtungen, um das Gebiet flächendeckend zu halten, weil was bringts, wenn der Wald clean und gelöscht ist, aber im Umkreis von 200m noch 100 Bäume brennen? Naja egal
    Die Havebrück-Mission mit den KonGigas war hingegen logischer - wenn man die Frage belässt, woher die Mädels soviele Bidifas hatten, oder wird hier nach Einsatz der Poké-Stärke das Poki nich zwangsläufig entlassen?
    Der Tauchgang war hingegen sehr treffend und gut, fand nur, dasset ruhig 'ne stärkere Verlätzung hätte sein müssen, weil ich meine, wenn 4 Haie einen Umschwimmen und man hat sein Mg dabei, 'n paar Splitterkranaten und das wars und gammelt zudem Unterwasser (die Lunten der Bomben sind aus Magnesium) - da hat man keine Chance. Haie, wie vorallem Tohaido, hamm 'ne starke Init-Base und der Boss hat sich rasch und schnell bewegt. Wie ist es machbar verletzt vier von denen zu fangen, ohne sagen wir mal ernster verletzt zu sein, vorallem, wenn Unterwasser die Bewegungen doch stark verlangsamt sein müssten... egal, fand das trotzdem gelungen, aber Pokemon bleibt ja Fantasy ;D
    Ranger-HQ: Hier hat mir die Konferenz naja... sie war mir nicht zu kurz, aber mehr Details hätten mir gepasst. So ein richter "ichbinderbesteundintelligentesteprofessorderalniaregionundhabdeshalbplanvonkongigas"-vortrag oder so ;D
    Wagnisklippen - hier ging mir das dennoch zu einfach und zwar alles: inGame war das Teil 'n riesen akt für mich, Ranken zusammenbaun, den Skorglas ausweichen, die KonGigas killen und über Federgräser durch sein Leben springen - dann der Sturz: Sie rutscht ab, stürtzt in Steine und scheint unverletzt? 'n bisschen Schürfwunde, 'ne Platzwunde... nein ich stehe nich auf Verletzungen nur 'n bisschen mehr Blut macht es meiner Meinung nach realistischer ;)
    Öhhh - letztes Kap: Hier ist mir 'n kleines Detail iwie aufgefallen und zwar an den Pikachupantoffeln von Lu - wenn ihr Vater sie bereits anhatte, und männer haben ja große Füße (auf jeden meißt größer als 13 jährige Mädels) - wie passen Lu die Schuhe dann? Hat sie Größe ... kA ... will darauf auf jeden 'ne Antwort haben ;) geil, dass sie von Tante erwischt wurde...
    naja... sonnst find ich, dass Lea viel zu wenig zur Geltung kommt, schön, 'ne Technickerin, aber bis jetz hattse nich viel zu tun als rumgammeln, rumgammeln und rumgammeln ;) ich mag das wort^^
    okay, fertig gespant, ich muss ja schließlich noch 'n bisschen was amchen heute
    werd btw deine Fs mal wo vorschlagen gehn ne?
    Aja - wär super, wenn ich 'ne Pn-Benachrichtinung erhalten werde, so'n Rate wirts nie mehr von mir geben... naja mein Gelabere will warscheinlich eh keiner wegen dem hoen Spamfaktor, aber sonnst bring ich mal so 5-6 Zeilen hin...
    okay, des wars jetz echt
    Lg, Almarik

    Warum wollen Männer keine Osterhasen sein?


    Rechtschreibfehler sind rein zur Belustigung da. Ihr müsst mich auch nicht darauf hinweisen, wie toll ihr sie fandet.

  • Soou, jetzt wieder ein neues Kapitel, da ich bei den abgetippten Kapiteln auf Word inzwischen Kapitel 39 und damit schon fast das Ende erreicht habe.
    Die Personen stehen kurz vor dem Endkampf :'DD


    Doch hier geht es jetzt erst einmal weiter mit Teil 2:



    Kapitel 22 – Wieder in der Schule


    Als ich aufwache, bin ich erst einmal gründlich verwirrt. Das Fenster hat sich aus irgendeinem seltsamen Grund verdoppelt und seinen Platz geändert. Auch das Bett, in dem ich liege, ist viel größer. Dabei können Betten doch eigentlich gar nicht wachsen… Ich brauche ein paar Sekunden, um zu kapieren, dass ich mich überhaupt nicht in der Ranger Basis befinde. Sany auf meinen Rücken interessiert das nicht. Sie schläft seelenruhig weiter.
    Wobei, komisch, dass ich auf dem Bauch liege und nicht auf der Seite, wie es bei mir üblich ist… So wird es schwierig, aufzustehen, ohne Sany zu wecken. Normalerweise kann ich sie einfach von mir herunterheben und sanft auf meinen Kissen wieder ablegen. Jetzt muss ich fürs Erste liegen bleiben. Also greife ich, zuerst erfolglos in Leere, nach meinem FangKom. Halb sieben.
    Jeden Sonntag das gleiche Problem. Da kann man an einem Tag so richtig ausschlafen und dennoch wache ich so früh auf. Obwohl, ich muss als Pokémon Ranger ohnehin immer in Einsatzbereitschaft bleiben. Na, wenigstens bin ich nicht müde. Was mich wieder an gestern erinnert. Gedankenverloren sehe ich, dass Bodo mitten in einer Mission steckt. Das gelbe „M“ in dem Kreis ist direkt neben seinem Profil. Hoffentlich hat er nach unserem Gespräch heute in der Nacht noch Schlaf bekommen, bevor er die Mission erhalten hat.
    Vorsichtig rutsche ich ein wenig nach hinten, dann ziehe ich das Fotoalbum unter meinem Kissen hervor. Es schimmert noch genauso schön wie in dem Moment, als ich es in der Truhe gefunden habe. Okay, es ist auch dumm, anzunehmen, dass es sich verändert haben könnte. Mama und Papa lächeln mich von dem oberen Foto an. Eine Weile schaue ich mir das Bild an, dann schlage ich das Buch auf. Den Zettel von meiner Mutter habe ich unter mein Foto geklebt. Ich lese mir das Geschriebene abermals durch. Immer noch hört es sich unglaublich an, dass sie gewusst hat, dass ich das Album finden werde, selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt nicht mehr bei uns ist.
    Moment mal… Wenn sie wusste, dass sie dann nicht mehr hier ist… Hat sie dann auch gewusst, dass Papa und sie uns verlassen müssen? Aus was für einem Grund auch immer… Und ich habe immer noch nicht verstanden, warum das passieren musste… Zu meinem Schutz. Zu Lucys Schutz… Aber ich habe keine Ahnung, wer uns etwas antun wollen würde. Mit Ausnahme von Alexa, aber die ist nicht wirklich gefährlich. Nur hinterlistig und gemein.
    Selbst wenn, dann wäre es wahrscheinlich besser gewesen, wenn sie geblieben wären. Mal wieder, auch wenn ich schon länger nicht mehr daran gedacht habe, sind die einzige, logische Erklärung diese Männer, die meine Eltern ein Jahr vor ihrem Verschwinden besucht haben. Jedes Mal waren sie schwarz gekleidet, mit schwarzen Mänteln und schwarzen Sonnenbrillen. Unangenehm, fies und eine unerträglich böse Aura. Persönlich habe ich ihnen nie in die Augen gesehen. Wahrscheinlich zu schlitzen verengte und Gänsehaut auslösende Augen. Lucy und ich waren jedoch bei den Besuchen in meinem Zimmer, oder in Lus.
    Das spricht wieder dafür, dass diese Männer der Grund dafür waren. Dabei fällt mir ein, dass Bodo davon überhaupt noch nichts weiß. Demnächst sollte ich ihm davon erzählen. Oder… Auch nicht, da dies wahrscheinlich auch mit dem Geheimnis von Mama zusammen hängt. Aber vielleicht hat er auch eine Lösung, dann wäre es nicht schlimm, wenn er wüsste…
    Im nächsten Moment spüre ich, wie sich Sany auf meinem Rücken erhebt und streckt. Sie tappt zu meinen Schultern und beugt sich dort runter, um ihre Wange an meine zu reiben. Sobald ihr jedoch das Fotoalbum auffällt, hört sie damit auf. Auf das Kissen springend, stellt sie sich dahinter. Wenn auch auf dem Kopf, schaut mein Partner Pokémon sich erst mein Kinderbild an, dann das meiner kleinen Schwester. Und was sie sieht, scheint ihr zu gefallen.
    „Maan, da warst du aber echt noch ein Winzling“, schnurrt sie belustigt. „Natürlich, da war ich ja auch noch viel, viel kleiner“, Ich knie mich hin und die Decke rutscht von mir runter. Sany hüpft zurück auf meine Schulter. „Hast du auch Hunger?“, frage ich sie kraulend. Sie schnurrt zufrieden, antwortet aber nicht. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sie ihren Teller Pokémon Futter jetzt will. Wie jeden Morgen.
    Vorsichtig rutsche ich zum Rand und runter vom Bett. Für ein paar Sekunden bleibe ich ruhig stehen, lauschend, ob von unten ein paar Geräusche zu mir hochdringen. Vielleicht das Klirren von Besteck oder das Wasserplätschern, wenn es in das Becken läuft. Nichts. Das ist nicht weiter verwunderlich, immerhin, es ist Sonntag. Wer läuft schon Sonntags Morgen um halb sieben putzmunter in seinem Haus herum? Abgesehen von mir. Natürlich.
    Ansonsten ist niemand so verrückt. Oder so ausgeschlafen. Außer, vielleicht gehört Bodo auch zu den Verrückten… Leise tappe ich aus dem Zimmer und schließe die Türe hinter mir zu. Meine Füße sind leicht verschwitzt und kleiben leicht an den Treppenstufen, als ich sie hinabsteige. Aus dem Wohnzimmer dringt ein leiser, kurzer Schnarcher. Lucy und Lala müssen immer noch auf dem Sofa liegen. Tatsächlich. Die rechte Hand auf dem Holztisch, das kleine Vulpix auf dem Bauch und die Füße unter der Decke hervorragend, schläft mein Schwesterherz. Das Feuerpokémon gibt immer wieder kleine, pfeifende Schnarcher von sich.
    Auf Zehenspitzen schleiche ich in die Küche. Eine Weile muss ich die Schränke nach Lalas Pokémon Futter durchsuchen, finde sie aber erst im letzten Schrank. Ich nehme eine von den Dosen und öffne diese, um den Inhalt in eine große Schüssel zu füllen. Sany schnüffelt begierig daran, bevor sie hungrig anfängt zu essen. „Mal schauen, was sich im Kühlschrank für mich befindet“, denke ich, meinen Blick von Sany losreißend, „Also, Joghurts, Mango-Maracuja, Vanille, Erdbeere. Hinter den Bechern…“ Ich schiebe sie beiseite. Fruchsmoothies. Mein Magen knurrt so sehr, dass ich nach einem Erdbeerjoghurtbecher greife und dazu nach einem Ananas-Banane-Kokossmoothie.
    Ein seltsamer Mix, aber fruchtig ist und bleibt fruchtig. Ich setze mich auf den Stuhl, auf dem normalerweise Tante Ruth sitzt, um zu essen. In fünf Minuten werde ich jedoch gleich von meinem Partner Pokémon unterbrochen. „Schon fertig?“, frage ich, als sie mir „Evoo, Evoliii“ maunzend ihre Schüssel entgegenschiebt, „Schling lieber nicht so. Am Ende bekommst du noch Bauchweh, also mach lieber langsamer.“ Seufzend leere ich eine zweite Dose und Sany befolgt dieses Mal meinen Rat. Sie isst eindeutig nicht mehr so schnell.
    Als wir beide mit frühstücken fertig sind, verlassen wir die Küche. Ein wenig konfuse betreten wir den Gang. „Und… Was machen wir jetzt? Wo wir doch so viel freie Zeit haben?“, murmele ich Sany zu, die von meiner Schulter springt. Sie hüpft die Treppenstufen lautlos hoch, als wolle sie mir den Weg zeigen in dem Haus, das ich schon seit Jahren kenne. Ich folge ihr dennoch, bis hoch in mein Zimmer, wo sie auf mein Bett springt.
    „Du willst doch nicht etwa schon wieder schlafen gehen?“, flüstere ich ihr zu, die Hände in die Hüften stemmend. „Evoo, Evoli!“, erklärt sie und berührt sacht mit ihrer Pfote das Fotoalbum, welches auf meinem Kissen liegt, wo ich es gelassen habe. „Ja ja, ich hab schon verstanden“, murmle ich. Sie hat vorgeschlagen, dass ich das Album Lucy zeigen soll, sobald sie aufwacht. Aber wer weiß, wie lange sie noch schläft.
    Aber wenigstens kann ich ihr dann die Fotos zeigen. Es dauert ganze eineinhalb Stunden, bis mein Schwesterherz endlich aufwacht. Doch schnell ist sie schnell putzmunter. Um genauer zu sein, sobald ich ihr von dem Album erzählt habe.
    „Ein Buch voller Bilder mit Mama, Papa und uns?“, fragt sie begeistert und grapscht nach dem glänzenden Buch. Ich nicke strahlend und übergebe es ihr, damit ich mich neben sie auf das weiche Sofa fallen lassen kann. Lu schlägt das Album auf. Erst starrt sie auf die Fotos, oder auf jeden Fall scheint es so, bis sie den Zettel wegnimmt.
    „Sie wusste, dass du es finden würdest. Typisch Mama halt“, murmelt sie, in ihrer Stimme liegt Bewunderung. Moment mal… Heißt das, Lucy weiß, warum Mutter so etwas wusste? Oder ist das nur eine Anmerkung wegen ihrer typisch zauberhaften Art ?
    „Sag“, beginne ich zaghaft, schaue aber weiterhin auf die Bilder, auch wenn ich sie nicht wirklich sehe, „Wie glaubst du, hat Mama herausgefunden, dass ich es finde? Ich meine, es ist doch schon so lange her! Immerhin sind sie schon seit zehn Jahren… Nun ja, sie sind… Tot…“ Eine Weilte ist es still, fast zu still. Fast kann ich hören, wie es in dem Streichegehirn rattert, so leise ist es.
    Seufzend erklärt sie schließlich: „Mama hatte so gewisse Dinge einfach im Gefühl. Dinge, die mit uns, ihren Kindern, zu tun hatten oder eben noch haben. Eltern, gerade Mütter, haben bestimmte… nennen wir es Fähigkeiten, oder Eigenschaften, die ihnen Vorahnungen geben. Sie haben es im Gefühl, und bei Mama schien das alles noch ausgeprägter gewesen zu sein.“ Ihr Blick ist starr aufs Fenster gerichtet, aber leer. „Auf jeden Fall hat ihr dieses… äh… Gefühl wohl oder übel gesagt, dass du das Album findest“, murmele ich und drehe mein Gesicht in die Richtung, in die sie blickt.
    Es ist bewölkt draußen, aber es sieht nicht nach Regen aus. Wahrscheinlich wird im Laufe des Tages der Himmel aufklären und die Sonne zum Vorschein kommen. Langsam nickt Lu und sie wendet sich wieder mir zu. Der Ausdruck in ihrem Gesicht ist eher angespannt als glücklich. Dann schüttelt sie den Kopf. Ihre hellbraunen, taillenlangen Haare, die ihr vom Schlaf noch abstehen, werden durch die Gegend geschleudert und stehen danach nur noch mehr ab. Die Angespanntheit ist einem fröhlichen Lächeln gewichen.
    „Na gut, wenn das jetzt geklärt ist, können wir uns nun dem Album zuwenden!“, kichert sie und schaut sich endlich die Bilder an.
    Am Montagmorgen ist es kühl und der Himmel noch dunkelblau und teilweise sind sogar noch Sterne zu sehen. Sany sträubt sich. Ihr buschiges Fell berührt mein nacktes Bein oberhalb meiner Socken. Tatsächlich hasst sie es, wenn es derartig kalt ist. Mich auf den Weg schimpfend, tappt sie total mies gelaunt neben mir her. Ganz selten hat sie schlechte Laune, aber sobald sie in dieser Stimmung ist, meckert und murrt sie den ganzen Tag. Seufzend lasse ich ihre Predigt über mich ergehen, erwidere nur Sachen wie: „Was soll ich denn daran ändern?“, „Ja, das ist echt doof!“ und „Ja, hast schon recht…“ Mit den Gedanken bin ich schon bei heute Vormittag, dann, wenn ich meine Mission erfüllen muss.
    Eine außergewöhnliche Mission. Sie wurde mir dieses Mal nicht einmal mehr von meinem richtigen Chef erteilt. Dieser scheint selber eine Riesenmission vor sich zu haben und musste deshalb zu den Brodellanden aufbrechen. Die Brodellande befinden sich auf einer Insel, einer Vulkaninsel um genau zu sein. Dieser Vulkan ist sehr aktiv, durch zwei Türen kann man sogar in sein Inneres, trotzdem befindet sich an seinem Fuße ein Dorf. Einen großen Ausbruch befürchten sie nicht, da ständig kleine Lavarinnsale aus dem Krater ausströmen, direkt ins Meer. Die Häuser stehen so geschützt, dass die Lava sie also nicht erreichen kann.
    Auf jeden Fall musste Urs dort hin, um etwas Wichtiges zu erledigen. Gestern, kurz vor Mitternacht, als wir schon alle im Bett lagen, erhielt Lea eine dringende Mitteilung und er ist sofort aufgebrochen. Kurz davor hat er Frohderich wachgerüttelt und ihm gesagt, dass er in der Zeit die Führung übernehmen soll. Wir Mädels, abgesehen von Lea, haben das heute in der Früh beim Frühstück erklärt bekommen. Ich habe mein Essen mehr schlingen als normal essen müssen, weil Frohderich mich aufgetragen hat, das zu erledigen, was eigentlich Urs machen wollte.
    Freiluftunterricht an der Ranger Schule. Das letzte Mal war der Scherzkeks persönlich dort gewesen, Luana war heute noch mieser drauf als Sany und Urs war nicht anwesend. Der einzige Ranger, der also für die Doppelstunde geblieben ist, bin ich.
    „Da ich heute 1-Tages-Chef, oder 1-Tages-Urs, bin, kann ich entscheiden, wer heute zum Freiluftunterricht geht. Also machst du dich als 1-Tages-Lehrer auf zur Schule!“, hat mir Frohderich heute lächelnd gesagt. Von den ganzen „1-Tages-Dingern“ bin ich ganz konfus gewesen, habe aber genickt und bin losgegangen. Draußen an der frischen Luft bin ich das nochmal durchgegangen. Zu meiner Überraschung finde ich es toll, einmal selber zu unterrichten. Immerhin ist das Thema mein Lieblingsberuf. Außerdem werde ich Fräulein Mai, Direktor Lambert und Inge wiedersehen.
    Als ich aus dem Wald heraustrete und ich vor mir die Holzbrücke über dem reißenden Fluss und das große Schulgebäude sehe, komme ich mir leicht einsam vor. Und das, obwohl Sany sich immer noch beschwert und somit nicht unbedingt leise ist. Als Schülerin waren Bodo und ich immer zusammen und der Fluss, so breit und so laut, ruft eine weitere Erinnerung in mir auf. An die Prüfung, die Pokémon-fangen-Prüfung, Station Nummer 2, mit der Begegnung des zornigen Garados, welches die schlimmen Strömungen ausgelöst hatte, durch die ich wiederum die Oberfläche nicht mehr erreichen konnte. Wäre mein bester Freund nicht gewesen, wäre ich wohl oder übel ertrunken.
    Die Erinnerung treibt mir das Blut ins Gesicht und erhitzt es. Erst Sanys lauter werdendes Gemotze bringt mich wieder zurück in die Gegenwart.
    „Ja, lass uns gehen“, erwidere ich seufzend. Erst als ich ein paar Meter auf der unter meinen Füßen knarzenden Holzbrücke gegangen bin, erkenne ich die zwei Personen. Sie sind in fast vollkommen schwarze Klamotten gekleidet. Obwohl ich sie noch nicht genau sehen kann, weiß ich, dass auf dem Oberteil ein lilanes Zeichen prang. Team Nachtschatten Schergen. Meine Aufmerksamkeit zieht ein paar Sekunden später etwas silbern Glitzerndes zwischen den beiden auf sich. Es muss die gleiche Maschine sein, die auch der letzte Scherge bei sich hatte. Und tatsächlich, die starken Schmerzen in meinem Kopf erscheinen im selben Moment.
    Der Wind weht die Stimmen der zwei Männer in der Mitte der Brücke zu mir herüber. „Und jetzt hüpf! Boing, boing!“, lacht der linke und mit einem Mal fällt mir das Pokémon vor den beiden auf. Ein Glibunkel, welches erst ruhig dalag, springt jetzt sofort auf. „Mann, diese Maschine ist echt stark! Lass es irgendetwas Komplizierteres machen!“, brüllt der Rechte vor Lachen, „Was hältst du von ‚Fliegen beim Schlafen?“ Der erste, der gesprochen hatte, krümmt sich schon vor Lachen.
    „Wahaha!! Wie soll das denn gehen? Ach echt, dieser KonMini ist tausendmal besser als der KonGiga, was? So leicht und doch so viele Befehle! Einfach klasse! Sei ein Sumo Ringer mit verrückten Yogaposen!“ Das gibt’s doch einfach nicht... Die lassen das arme Ding Sachen machen, von denen sie wussten, dass es unmöglich geht. Und noch dazu kann sich das Glibunkel nicht einmal mehr wehren. Wütend und den Schwindel erfolgreich ignorierend stampfe ich auf die Idioten zu. Diese kugeln sich beinahe auf dem Boden, was meine Wut nur noch mehr anfacht. Selbst als sie mich bemerken, können sie nicht mit dem Lachen aufhören. Ganz im Gegenteil, es wird noch stärker. Ich stemme die Arme gegen meine Hüften, obwohl ich meine Hände lieber auf meinen pochenden Kopf gepresst hätte.
    „He, sieh mal! Ein Ranger!“, kiekst einer der beiden schon atemlos, „Was steht der denn da so doof rum?“ Klar, die keuchen beide schon vor Lachen, aber mich deshalb nicht ernst nehmen…? Verwundert, gereizt und ärgerlich hebe ich eine Augenbraue und aktiviere meinen FangKom. Das Glibunkel, welches inzwischen verrückte Verrenkungen macht, beobachtet eine Sekunde später interessiert meine schnell kreisende Fangscheibe. Kaum eingefangen, schaue ich die Team Nachschatten Schergen wieder an.
    Das Grinsen ist verschwunden, beide sind still. Alles, was noch zu hören ist, ist das überaus laute Rauschen des Flusses und das kaum hörbare Quaken des Pokémon, als es seine Backen aufbläst und die Luft wieder rauslässt. „Du kannst gehen“, sage ich sanft zu ihm und lasse es frei. Es hat für heute schon genug durchgemacht. Böse funkele ich die Schergen an. Der besagte KonMini liegt rauchend am Boden, die Kopfschmerzen haben mit dem erfolgreichen Fang aufgehört.
    „So `ne Spielverderberin“, brummt der eine, scheint aber ziemlich nervös aufgrund meines wütendes Gesichtsausdruckes zu sein. Der andere ist offensichtlich ebenfalls besorgt. Er stuppst seinen Partner an. „Lass uns lieber abhauen“, meint er aufgekratzt. Ziehen die jetzt endlich Leine? Mit einem wütenden Schritt auf beide zu, machen sie einen Satz und springen in den Fluss. Schön erschreckt, das hat Spaß gemacht. Die Maschine steht jetzt verlassen da. Ohne das Ding noch eines Blickes zu würdigen, spaziere ich daran vorbei in Richtung Schule.
    Der Schulhof hat sich überhaupt nicht verändert. Weder die Fläche, auf der man das Beseitigen von Zielen trainieren kann, noch die Schulpokémon, die sich überall, wo man hinschaut. Tummeln. Auch das Trainingshaus hat sich überhaupt nicht verändert. Eine Weile brauche ich, um zu bemerken, dass die braunhaarige Frau neben der Türe steht. Eindeutig die Hausmeisterin und Köchin Inge. Und besser gesagt, kniet sie neben der Türe. Anscheinend verarztet sie eines der Schulbidiza fürsorglich.
    Ich renne auf sie zu. Als ich bei ihr bin, frage ich: „Na, Inge? Was ist dieses Mal mit dem Bidiza passiert?“ Mir ist aufgefallen, dass es das Anführerpokémon ist, mit den zwei Kratzern auf der Stirn. Ich hatte es damals bei dem Wettfangen mit Bodo eingefangen, das weiß ich noch ganz genau. „Mal wieder gerauft“, antwortet sie seufzend, „Wie üblich halt, Ka… Moment mal… Kathrin?!?“ Sie blickt zu mir hoch. Ich lächele sie an. „Was machst du denn hier? Als Ranger kommt man doch nicht einfach so zu seiner ehemaligen Schule zurück, oder?“
    „Ach, Inge, heute ist Freiluftunterricht am PdA!“, erkläre ich, verwundert, weil ich die Abkürzung für den „Platz des Aufstiegs“ schon so lange nicht mehr benutzt habe, „Mein ‚1-Tages-Urs‘, also Frohderich, der als Vertretung für Urs der Chef ist, hat mir aufgetragen, dieses Mal Lehrer zu sein. Also, hier bin ich!“ „Na dann, komm mal rein. Ist bestimmt ein wenig seltsam, nach so langer Zeit wieder hier zu sein?“ „Ja, stimmt schon!“
    Wir betreten den mir so bekannten, langen Flur, der zu den vier Klassenräumen führt. Es dringt Lärm aus dem Zimmer von Herrn Tollero. Ungewöhnlich, er kann die Klassen besser ruhig halten als jeder andere Lehrer, sogar besser als Fräulein Mai. Ich verkneife mir die Frage, die mir auf der Zunge liegt. Stattdessen stellt die Hausmeisterin mir eine: „Ich gehe davon aus, dass du weißt, wie es Bodo geht, obwohl er als Ranger in Fiore arbeitet?“ „Ja, klar! Er befindet sich jedoch momentan auf einer Mission, ansonsten hätte ich ihn jetzt anrufen können. Weißt du, als ich Geburtstag hatte, ist Celia mit Luana, eine Arbeitskollegin von mir, zum Ranger HQ um dort darum zu beten, dass ich per FangKom mit ihm reden kann. Sie haben zugestimmt und seither brauchen wir uns keine Briefe mehr zu schreiben. Im Gegenteil, wir können uns jeden Tag sehen und miteinander reden. Nur seit gestern Früh steckt er mitten in einer Mission und da können wir nicht einfach so nebenher quatschen“, erkläre ich.
    Sie lächelt, offensichtlich froh darüber. „Das ist ja echt toll für euch.“ „Oh, bist… Bist du das, Kathrin?“, ruft eine neue, laute Stimme, begleitet von dem Gong. Ich fahre herum. Meine ehemalige Klassenleitung Fräulein Mai hat mich entdeckt. Offenbar hat sie die Stunde gerade eben erst beendet und ist entweder auf dem Weg zum nächsten Klassenzimmer, um dort zu unterrichten, oder zum Lehrerzimmer.
    „Ähm, ja, ich bin die Vertretung für Urs. Wegen dem heutigen Freiluftunterricht, genau wie damals Frohderich bei mir hier war“, sage ich munter, sogar leicht aufgeregt. Sie schmunzelt ebenfalls, aber bei ihr sieht es irgendwie verständnisvoll und leicht traurig aus. Im Lehrerzimmer befinden sich nur wenige Lehrer, wie Herr Lahmberg, Frau Sandstuhl und der Direktor. Fräulein Mai hat mich hierherbegleitet, aber Inge ist in die Küche gegangen.
    „Herr Direktor? Der Ranger für unseren heutigen Freiluftunterricht ist angekommen“, springt sie. Direktor Lambert schaut auf, lächelnd, sobald er mich sieht und erhebt sich dann. „Willkommen zurück, Kathrin!“, er schüttelt mir die Hand und geht um seinen Schreibtisch herum, „Selber erst aus der Schule heraus und schon selber Lehrerin für den Freiluftunterricht. Dadurch dürfest du die Gefühle unserer einzelnen Schüler recht gut verstehen. Sie werden allesamt ziemlich nervös sein, weil viele in dir eine Art Idol sehen. Ein Ranger! Natürlich bin ich mir absolut sicher, dass das heute zwei tolle Stunden werden. Wie üblich kommt ein Absolvent der Schule, um alle an seinem Wissen teilhaben zu lassen. Nun, Kathrin, wie wäre es, wenn wir schon einmal zum Platz des Aufstiegs vorgehen und dort auf die Schüler warten? Fräulein Mai? Am besten, sie kommen mit ihrer Klasse zu dem Monument.“
    Die braunhaarige Lehrerin nickt zustimmend. Auf dem Weg zum Platz des Aufstiegs, fragt mich der Direktor: „Und? Haben du und dein bester Freund schon etwas über die Kreuze, also, die Anhänger herausgefunden?“ „Ähm ja, wir haben schon einige Informationen, aber nicht, wofür sie gut sind oder so. Nur, zum Beispiel, dass die Steine, bei mir die weißen, bei Bodo die schwarzen, Kristalle aus den Chroma Ruinen stammten. Außerdem kann man im Schein des Mondes Dämons Flügel in ihnen erkennen, in den Steinen selber! Aber so viel mehr wissen wir ehrlich gesagt auch nicht“, antworte ich und starre in den Himmel mit den vielen, süßen Schäfchenwolken. Sany hat die Sonne sehr aufgemuntert. Sogar ihre supermiese Laune ist endlich weg.
    Am PdA angekommen, setze ich mich mit ihr auf den großen Stein unter dem Monument. Das letzte Mal, als ich hier saß, habe ich mit meinem besten Freund gelernt, für die Abschlussprüfungen. Man, wie lange ist das schon wieder her? Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit... Als wäre das in einer anderen Zeit passiert… Erst als ich das Geplapper von vielen Jugendlichen, eindeutig Fräulein Mais Klasse, höre, schaue ich auf. Tatsächlich kommen die Schüler gerade die Treppe hinab zum Platz, angeführt von ihrer Klassenleitung.
    Alle starren mich an, und ich kann eindeutige Bewunderung in ihren Augen erkennen. Es verwundert mich. Haben wir damals auch so zu Frohderich aufgesehen? Kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Trotzdem lasse ich mich vor dem heruntergleiten. Die Schüler bilden einen Halbkreis, um mich vor ihre Lehrerin und dem Direktor herum.
    „Gut, jetzt alle zusammen!“, ruft die Lehrerin und als keiner still wird, „Ruhig, Schüler! … Wir hatten noch nie etwas anderes als strahlenden Sonnenschein bei unserem Freiluftunterricht. Es ist wie Magie… Also, aufgepasst: Unsere heutige Lehrkraft ist Kathrin Rose und sie hat unsere Ranger Schule erfolgreich abgeschlossen. Sie ist der Neuling an der Basis in Brisenau. Ich selber hatte sie in meiner letzten Abschlussklasse. Was haltet ihr davon, unser Hauptereignis jetzt stattfinden zu lassen: Unsere Frage-und-Antwort-Runde des Grauens. Möge die Befragung beginnen!“
    Ein Mädchen mit schulterlangen, blonden Löckchen meldet sich und meint: „Hattest du immer gute Noten in der Schule?“ „Um ehrlich zu sein, war ich nicht wirklich eine Leuchte… Besonders in Französisch, da kannst du Fräulein Mai fragen. Sie muss es wissen, sie hat mich selbst darin unterrichtet. Aber ich hab mich durchgeboxt.“ Die Schüler kichern, dann fragt ein Junge mit kurzen, schwarzen Haaren: „Ich habe im Brisenauer Boten etwas über die KonGiga gelesen. Hast du schon einmal einen echten KonGiga gesehen?“ Ich nicke nur und ein Raunen geht durch die Klasse.
    „Passiert gerade etwas Schlimmes in der Almia Region?“, platzt eine weitere Schülerin heraus. Eine Weile überlege ich genau nach, was ich am besten darauf antworten könnte, dann erkläre ich: „Äh, um genau zu sein, gibt es keine genaue Anzeichen darüber, dass irgendetwas schlimmes passiert, jedoch bin ich mir sicher… Wegen ein paar persönlichen Erfahrungen und wenigen Informationen, bin ich mir sicher, dass… Ja, etwas Schlimmes passieren.“ Die Kleine zuckt zusammen. „Ich wusste es…“ Ein grünhaariger Junge mit dunkelblauen Augen hebt seine Hand.
    „Stimmt es, dass Ranger nicht oft nach Hause können?“ Ich lege den Kopf schief und sagen: „Jein. Das hängt natürlich nicht nur davon ab, was für einen Beruf man ausüben will, sondern auch, wo man wohnt. Ich zum Beispiel kann jeden Tag zu meiner Familie, da sie im Nachbardorf wohnt, wenn sie jedoch immer noch in Fiore leben würden, könnte ich das natürlich nicht. Also, wenn du ein Ranger sein willst, deine Familie jedoch trotzdem regelmäßig sehen willst, wäre es nicht schlecht, in derselben Region zu arbeiten.“
    „Kann man sich denn nicht selber aussuchen, bei welcher Station man arbeiten wird?“, unterbricht mich ein Junge mit dunklem Haar.
    „Leider nicht…“, erwidere ich seufzend, „Je nachdem, wie gut man im Fangen von Pokémon ist, kommt man zu einer Basis oder eben zu einer anderen. Es ist sehr schade, weil man dadurch von sehr guten Freunden getrennt werden kann…“
    „War das bei dir so?“, quiekt ein Mädchen grinsend.
    „Ähh…“, ich fange an, zu stottern, „Ja, genau so… ist es… Meine drei besten Freunde sind allesamt nach Fiore gegangen. Wobei, bei Rhythmia ist es so, dass sie dort weiter zur Technikerin ausgebildet wird.“ Das Mädchen und das, das neben ihr steht und ihre braunen, langen Haaren aus dem Gesicht streichen muss, kichern.
    „Hihi… Bist du in jemanden verliebt?“, fragt sie schließlich, ihre blauen Augen blitzen wie Sterne am Sternenhimmel. Natürlich fühle ich sofort, wie sich mein Gesicht erhitzt. Sany fängt ebenfalls an, das seltsame Kichern von sich zu geben und sich auf den Boden zu kugeln.
    „Okay, okay“, meine ich und beiße mir auf die Unterlippe, „Ja, ich bin verliebt…“
    „Aha, vielleicht sogar in jemanden von früher aus der Schule? … Oh, oh, so rot, wie du wirst, ist meine Frage beantwortet.“ Alle Schülerinnen kichern inzwischen. Dann lacht plötzlich sogar Fräulein Mai und alle sind still.
    „Ich glaube zu wissen, wer dieser jemand ist…“ NEIN!“, quietsche ich und hüpfe auf und ab, meine Hände auf mein knallrotes Gesicht pressend, „Bitte, Fräulein Mai, nichts sagen, NICHTS SAGEN! Das darf keiner mehr wissen!“ Die ganze Klasse johlt und lacht aufgrund meines peinlichen Verhaltens. Und wahrscheinlich auch, weil meine ehemalige Lehrerin genau weiß, von wem ich gesprochen habe.
    Die grinst nur noch wissend. „Gut, Schüler.. Ruhig, SCHÜLER! Das ist genug. Gibt es keine Fragen mehr? Sind wir schon durch?“ Und dann zucke ich zusammen. Diese Kopfschmerzen. Sie kommen, bevor jemand ankündigen konnte, dass sie kommen würden.
    „Sany, woher kommen sie?“, frage ich mein Partner Pokémon. Sie hat die Ohren gespitzt. Das Evoli springt durch die Schülermenge, die ihr trotz ihrer Größe sofort Platz macht. Ich stürme ihr hinterher. Da kommen sie auch schon. Zwei Team Nachtschatten Schergen, zu meiner Überraschung die gleichen wie vorhin, stürmen die Treppe hinunter, mit einem KonMini. Das ist das Gerät, das so aussieht, wie ein Computer auf Stelzen.
    „Dürfen wir eine Frage stellen, Frau Lehrerin?“, brüllt der eine uns entgegen. Dem folgt ein überraschtes Kreischen von den Schülern hinter mir. Beide Männer stellen sich mir gegenüber auf und ihnen folgen zwei Venuflibis.
    „Lieber Ranger, warum musstest du uns vorhin ins Handwerk pfuschen?“
    Ganz trocken antworte ich: „Weil das mein Job ist, genau wie es euer Job ist, mir das Leben schwer zu machen. Jetzt mal im Ernst, ihr verursacht bei mir Kopfschmerzen, also versuche ich, diese Schmerzen zu beseitigen.“ Gleichzeitig aktiviere ich meinen FangKom. Sany neben meinen Füßen knurrt bedrohlich.
    „War nicht einfach, unsere Klamotten so schnell wieder trocken zu kriegen, das kannst du glauben“, brummt mich der eine an. „Wollt ihr zwei streiten? War jawohl nicht meine Schuld, dass ihr zwei unbedingt über die Brücke gesprungen seid, direkt in den Fluss. Hättet ihr mich gewarnt, dass das passieren könnte, hätte ich euch warnen können, dass ein Fluss nichts anderes als reißendes Wasser ist! Soll heißen, wenn man da reinhüpft, ist man im Nachhinein nass!“, kontere ich gereizt, „Aber ich hätte mir ja eigentlich denken können, dass ihr von dem achso tollen Team Nachtschatten nicht die hellsten Leuchten im Kronleuchter seid.“ Mit der freien Hand, die nicht meinen FangKom hält, reibe ich mir über die Stirn. Diese dummen Kopfschmerzen. Hinter mir höre ich die Klasse unterdrückt kichern.
    „Soll das ein Scherz sein?“, fragt er, nochmal. Die Schmerzen treiben mich echt noch in den Wahnsinn. Und sie machen mich ärgerlich. Wütend fauche ich ihn an: „Bei dem Freiluftunterricht darf jeder nur eine Frage stellen. DU hast schon eine gestellt!“
    „Na, wie auch immer“, murmelt der andere, beide scheinen ein wenig erschrocken, „Auf jeden Fall wollten wir uns an dir rächen und unser neues Spielzeug an dir ausprobieren. Dafür ist jetzt die richtige Zeit!“ Seine Finger huschen und die Venuflibis, zuvor ganz ruhig hinter den zwei Männern waren, werden mit einem Mal lebendig. Sogar sehr lebendig. Schnell muss ich beiseite springen, um nicht von der Rasierblattattacke getroffen zu werden. Die Fangscheibe, schon losgeschickt, zieht durch mich kontrolliert Kreise.
    „Sany, hilf‘ mir mal bitte. Partner Stärke mit Eisstrahl!“; rufe ich meinem kleinen Evoli zu, welches genau in die andere Richtung ausgewichen ist. Sie reagiert sofort und schießt einen Eisstrahl gut gezielt auf meine Fangscheibe. Die blaue Linie wird eisblau und fängt leicht an, zu glitzern. Außerdem werden während des Fangversuches weitere Strahlen auf die Venuflibis abgefeuert.
    „Gut gemacht, meine Kleine!“, lobe ich sie. Keine halbe Minute später bin ich fertig. „Fangversuch abgeschlossen“, verkünde ich, das Gerät explodiert und die Kopfschmerzen verschwinden augenblicklich. Aschfahl greifen die Team Nachschatten Schergen nach dem seltsamen Computer und machen sich unglaublicher Weise schnell aus dem Straub, schneller als vorhin. Von hinten kommt ein Glucksen. Ich fahre herum und sehe Fräulein Mai, wie sie anfängt, zu lachen.
    „Was? Mehr als eine Frage ist doch normalerweise nicht drin, oder hat sich diese Regel inzwischen geändert?“, frage ich mit hochgezogener Augenbraue meine ehemalige Klassenleitung. Sie grinst, und erklärt: „Du hast mir verboten, darüber zu sprechen, schon vergessen? Oder darf ich jetzt doch sagen, in wen du verliebt bist?“ „Achso.. Nein, dürfen sie nicht…“, meine ich leise, „Können wir also mit der Frage-und-Antwort-Runde des Grauens fortfahren?“
    Sany kommt zu mir gerannt und springt in meine Arme. Fräulein Mai bekommt sich schließlich wieder in.
    „Das mit dem ‚Nur eine Frage‘ hast du also nur wegen deinem letzten Mal vom Freiluftunterricht…“, murmelt sie leise, als ich an ihr vorbeigehe.
    Ein ziemlich kleines Mädchen mit schulterlangen, dunkelroten Haaren meldet sich und will wissen, warum Sany als Evoli die Eisstrahlattacke beherrscht.
    „Ich weiß, dass das sehr ungewöhnlich ist, aber anscheinend ist das erblich. Sany, so heißt sie, hat mir gesagt, dass ihr Papa ein Glaziola war und sowohl Eisstrahl als auch Aquawelle einwandfrei beherrschte. Mit dem Absol meiner Schwester hat sie die beide Attacken dann trainiert und…“ „Sie hat es dir gesagt?“, platzt ein Schüler mit vielen blonden Kringellocken auf den Kopf heraus.
    „Äh, ja, hat sie. Ich verstehe jedes Wort, das sie sagt. Okay, ich verstehe nicht nur sie, sondern jedes Pokémon. Mein Daddy konnte das auch, und er hat es mir beigebracht, als ich noch ganz klein war. Also ist das für mich ganz normal, dass ich das kann, dass ich mich immer wieder wundere, dass das für andere eben Unnormal ist…“, erkläre ich. Sany meint: Maan, ist halt so.“
    „Was wäre wohl, wenn es nicht so wäre, mein Fräulein?“, murmle ich ihr zu. Sie schnurrt daraufhin nur amüsiert. „Okay, hat noch jemand von euch Schülern eine Frage?“, hakt Fräulein Mai nach und schaut in die Runde. Eine Schülerin mit schulterblattlangen, dunkellilanen Haaren hebt ihre Hand.
    „Macht es Spaß, ein Pokémon Ranger zu sein?“ „Natürlich“, antworte ich sofort, „Ich helfe Pokémon und Menschen, mache sie dadurch glücklich und mir wird garantiert nie langweilig. Außerdem ist man nie alleine, man hat entweder sein Partner Pokémon dabei, oder wird von Pokémon Freunden und seine Arbeitskollegen begleitet. Also für mich ist das einfach DER Traumberuf.“
    Ein Raunen geht durch die Menge. Dann sagt keiner mehr was. „Aber jetzt sind wir endgültig durch? Okay, Schüler, ab zurück in die Klasse“, befiehlt die Lehrerin streng. Sie geht zur Treppe und diese hinauf. Leise murrend und immer wieder Blicke zu mir zurückwerfend, folgt ihr die Klasse.
    „Noch viel Glück bei deinem Beruf und bei dem Herausfinden… Und viel Glück bei deinem besten Freund“, höre ich eine tiefe, würdevolle Stimme hinter mir. Ich kann nichts dagegen machen, ich mache automatische einen erschrockenen Luftsprung. Es ist Direktor Lambert. Ich nicke mit hochrotem Kopf.
    Zurück in der Basis werde ich von Frohderich, Eleonora und Olli empfangen. Also sind Luana und Celia auf Patrouille. Auf meinem Weg von der Schule zur Basis habe ich sie auf jeden Fall nicht getroffen. Okay, um ehrlich zu sein, habe ich auch alle fünf Sekunden auf meinen FangKom geschaut, ob Bodo endlich mit seiner Mission fertig ist. Immerhin, er hat schon gestern in der Früh begonnen… Langsam muss ich zugeben, dass ich mir immer mehr Sorgen um ihn mache.
    Was weiß ich, was ihm alles passiert sein könnte. Vielleicht ist er verletzt, oder… Nein, daran darf ich gar nicht denken. Aber dieses Gefühl, nicht Bescheid zu wissen, nagt an mir. Ich werde zunehmend nervöser.
    Irgendwann versuche ich mich mit dem Kochen abzulenken. Eleonora scheint sehr dankbar dafür zu sein, dass ich ihr die Arbeit heute abnehme, wobei ich mir sicher bin, dass das nur wegen Olli so ist. Normalerweise kocht sie nämlich echt gerne.
    Zuerst klappt meine Ablenkung „Mittagessen“ echt gut. Ich schäle einige Kartoffeln für Kartoffelpüree, schiebe einen Leberkäse in den Ofen und brate einige Spiegeleier. Leider haben bei dieser Arbeit nach der Zeit einfach nur noch meine Hände etwas zu tun und meine Gedanken machen sich viel zu schnell einfach selbstständig. Doch kaum, dass ich sie wieder zur Ordnung gerufen habe, sind sie wieder genau dort, wo ich sie nicht haben will.
    Trotzdem reiße ich mich zusammen und unterdrücke das unerträglich starke Verlangen, zu meinem FangKom zu rennen und nachzuschauen, ob ER schon mit der Mission fertig ist. Als der Leberkäse fertig ist, kann ich es nicht mehr ertragen. Erleichtert stelle ich fest, dass das „M“ verschwunden ist. Aber ausgeschaltet ist sein FangKom auch nicht.
    „Kathrin?! Wann ist das Essen fertig?“, höre ich Luana schreien. „Komme gleich!“, schreie ich zurück, schnappe mir die Teller mit dem Besteck und trage sie in den Eingangsraum. Als die anderen beim Essen sind, verziehe ich mich zurück in den Schlafsaal zurück, um Bodo sofort anzurufen. Mit schnell klopfendem Herzen warte ich darauf, dass er abnimmt.
    „Hi“, sagt er grinsend, nachdem er nach einmal Klingeln auf dem Bildschirm erschienen ist. Ich lächele zurück und frage: „Und, wie war deine Mission?“
    Er zuckt mit den Schultern. „Ach, ich weiß gar nicht genau. Ein paar seltsame Idioten haben Pokémon in einem großen Flugzeug entführen wollen. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis wir den Flieger auf den Boden hatten, weil diese Typen richtig gemein waren. Also, etwas Schlimmes ist nicht passiert… Ist aber auch gut so.“ „
    „Na, dann ist also alles in Ordnung. Ich war heute auch auf einer Mission, jedenfalls laut Frohderich und Urs. Heute hab‘ ich nämlich Lehrer beim Freiluftunterricht spielen müssen und dabei hatte ich auch noch Besuch von zwei Team Nachtschatten Schergen. Zu ihrem Pech sind sie beide zu sehr auf die Nerven gegangen“, lache ich und lege meine Kette ab, auf das Nachtkästchen neben meinem Bett.
    „Freiluftunterricht?... So so…“, meint mein bester Freund, „Und? Wie waren die Fragen der Schüler so?“
    Natürlich denke ich dummerweise sofort an die Frage, ob ich verliebt bin und laufe dunkelrot an. Rein instinktiv beuge ich mich so weg, dass Bodo mein Gesicht nicht mehr erkennen können müsste.
    „Naja“, ich räuspere mich, um ein wenig Zeit zu schaffen, „Zum Beispiel ist rausgekommen, dass ich mit Pokémon reden kann, sie eben verstehen kann. Also musste ich sofort erklären, warum das so ist, und auch, ob ich schon einmal einen KonGiga gesehen habe. Eigentlich ganz normale Fragen über das Ranger-Sein und blah blah…“Natürlich, über alles andere sprechen, aber bloß nicht über die eine Frage. Als ich mir sicher bin, dass meine Gesichtsfarbe wieder einigermaßen normal ist, schaue ich ihn wieder an.
    „Na dann… Du, ich glaube, für heute sag ich mal ‚Gute Nacht‘. Ich bin so dermaßen fertig, wegen der dummen Mission. Ich habe in der Zwischenzeit nämlich nicht wirklich geschlafen. Also, Gute Nacht!“, verabschiedet er sich von mir, und ich erwidere: „Gute Nacht, schlaf gut…“