Ja, aber was sind Fremdgehen und Affären, wenn nicht romantisches und/oder sexuelles Begehren außerhalb einer monogamen Beziehung, die letzten Endes Geheim stattfinden, weil in der mononormativen Gesellschaft kein Platz für etwas anderes ist? Ich mein, natürlich spielt auch eine wichtige Rolle, dass wir als Gesellschaft kacke damit sind, zu kommunizieren und die meisten von uns nicht lernen in einer Beziehung offen zu kommunizieren (auch ein häufiger Scheidungsgrund). Und während ich mir sicher bin, dass auch in einer Gesellschaft ohne Mononormativität es Leute geben wird, die ihre Partner*innen betrügen. ich denke aber nicht, dass es die 15-20% wären, von denen wir heute sprechen
Genau. Und wenn ich sage, dass wir Menschen Entscheidungen entgegen unserem biologischen Trieb treffen können, auf Grundlage unserer Vernunft und des daraus resultierten Wertesystems, meine ich eben genau das. Dass ich das natürliche Verlangen habe, mich trotz monogamer Beziehung mit anderen sexuell auszuleben, diesem Verlangen aber nicht nachgehe, eben weil ich mich mit meiner Partnerin auf eine monogame Beziehung geeinigt habe, und sie zu betrügen im Widerspruch zu meinen Tugenden stehen würde und ich zudem die Beziehung als solche, die für mich von größerem Wert ist als Sex mit wechselnden Partnern, riskieren würde. Wenn sich beide einvernehmlich auf eine offene Beziehung einigen, dann ist das ne andere Geschichte.
Zu meiner Philosophie gehört aber auch ganz allgemein ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Ich bin für mein Handeln verantwortlich. Nicht meine Hormone, nicht die Sterne, nicht die Gesellschaft. Meine Hormone mögen in mir das Verlangen wecken, trotz monogamer Beziehung Sex mit einer anderen zu haben, aber ob ich's durchziehe, ist meine Entscheidung. Dementsprechend kann ich weder meine Hormone dafür verantwortlich machen, noch meiner Partnerin unterstellen, sie wäre in mononormativen Denkstrukturen gefangen, um meinen Betrug irgendwie zu rechtfertigen. Wenn ich die Polygamie bevorzuge, dann suche ich mir eben eine Partnerin, die dies teilt, statt mich auf eine monogame Beziehung zu einigen und meine Partnerin zu betrügen.
Ich habe nur begründet, warum Raito eben Monogamie und unsere Gesellschaft so miteinander verknüpft
Bin mir nicht sicher, was du damit meinst, dass ich Monogamie mit unserer Gesellschaft verknüpfe. Ich sehe den Wert der Monogamie unabhängig davon, was die gesellschaftliche Norm ist. Dabei ist das nur der Wert den ich für mich festmache. Wenn jemand für sich Partnerschaft, Liebe und Verbundenheit anders definiert und sie gerade durch die Polygamie als eher erfüllt ansieht, dann spreche ich das derjenigen Person nicht ab. Auf die Aussage hin, Polygamie sei eher im Einklang mit unserer Natur, haben ich zum einen entgegnet, dass man Menschen nicht auf ihre Natur reduzieren kann, andererseits aber gesagt, dass wenn wir das Argument Natur gelten lassen, auch sagen könnten, dass all unsere Gedanken, Wertvorstellungen und gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen das Ergebnis eben dieser Biologie und der neuronalen Abfolge unseres Gehirns ist, sich aufgrund dessen also die Frage ergibt, wie weit wir Biologie überhaupt fassen?
Wenn ich das intrinsische Bedürfnis nach einer monogamen Beziehung habe und auch konkret argumentieren kann wieso, warum sollte ich dann eine polygame Beziehung forcieren, indem ich mir einrede, ich wäre einfach nur von der mononormativen Gesellschaft konditioniert und müsste mich zu meinem Glück zwingen? Polygamie macht dich halt auch nur dann glücklicher, wenn sie kongruent ist mit deinen Werten, Zielen, Vorstellungen vom Leben und deinem Selbstverständnis von menschlicher Connection. Aber wenn ich die Intimität zu einer Frau in einer monogamen Beziehung anders bewerte als in einer polygamen, warum sollte ich mich dann umkonditionieren? Polygamie würd halt wie gesagt nur Sinn machen, wenn ich daraus den entsprechenden Mehrwert ziehe, welcher den Mehrwehrt einer monogamen Beziehung meines Erachtens nach übersteigt.
Studien zu diesem Thema geben natürlich Anhaltspunkte, aber so eindeutig sind diese wie gesagt auch nicht und argumentieren in beide Richtungen. Und im Grunde sagt Alaiya ja selbst, dass das ganze größtenteils komplex und vielschichtig ist, man nur sehr wenig ganz konkret sagen kann. Vor allem, weil sich solche Untersuchungen oft auf bestimmte Parameter konzentrieren und das große ganze, also den Menschen in seiner Vielschichtigkeit ausblenden. Nichtsdestotrotz ist es vernünftig, den Status Quo und seine Ursachen zu hinterfragen und zu diskutieren.