Hey, ich habe dir angekündigt, dass ich dein englisches Gedicht rezensieren würde, also werde ich das auch tun. Erst einmal finde ich es sehr löblich, dass du auch Englisch schreibst. Genauso schade ist allerdings der fehlende Kommentar zu diesem Gedicht, aber den bekommst du jetzt. :)
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Little pet
Looking through the window
Seeing life's glitt'ring stage.
Everything's covered with snow
But I'm here in a dark cage.
My wings were made for flying,
My melody for all.
But I am only sitting
Awaiting the last call.
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„Little pet“ ist ein interessanter Titel und im Bezug auf deine Andeutung, dass es sich bei dem Gedicht um die Gesellschaft handle, ist der Titel auf jeden Fall eine Metapher, bei der das lyrische Ich das „Haustier“ der Gesellschaft ist. Das heißt, die Gesellschaft bestimmt, was zu tun ist und hat gewisse Normen und Erwartungen vorausgesetzt, an die man sich als Tier im goldenen Käfig halten muss. Man ist als Tier außerdem abhängig vom Besitzer – in dem Fall ist es so, dass die Gesellschaft sich über Jahrhunderte mit ihren Normen und Gepflogenheiten etabliert hat und das Tier an sich nicht ohne die Gesellschaft überleben könnte. Die Gesellschaft steht z.B. in der Verbindung mit Politik und Wirtschaft und so ist die Abhängigkeit des Menschen an die Gesellschaft sichergestellt. Das Tier ist auch „little“, weil es ohne die Gesellschaft nicht mehr überlebensfähig wäre und außerdem nicht genug Kraft hätte, sich gegen diese zu wehren.
Kommen wir mal zur ersten Strophe. Du zeigst auf, dass das lyrische Ich aus einem Fenster schaut. Die Frage ist, warum schaut es nur aus dem Fenster? Es könnte genauso gut rausgehen und es von nahmen betrachten. Die Antwort wird wahrscheinlich sein, dass das lyrische ich zum einen eingesperrt ist und zum anderen lieber die Distanz wagt. Theoeretisch bestünde bestimmt die Möglichkeit, aus dem Haus auszubrechen, stattdessen bleibt man aber lieber beim altbekannten Alltagstrott, weil man Angst hat, die Normalität zu verlieren. Die Verwendung der Metapher finde ich sehr passend. :)
Der zweite Vers deutet darauf hin, dass das lyrische Ich „passiv“ ist. Es beobachtet wieder nur die Vorgänge und traut sich nicht, irgendwelche Interaktionen zu unternehmen. Es sieht das Dingsymbol (die glitzernde Bühne) vor sich, wobei das im übertragenen Sinne eher die noch unerfüllten Träume sind, die es sich nicht auszuleben traut.
Vers 3 finde ich etwas zu schwammig, weil es sich wirklich auf alles beziehen kann. Mit a-b-a-b hast du einen Kreuzreim, der eine Verbindung zwischen Vers 1 und Vers 3 herstellt. Im Bezug darauf hat man eine weitere Metapher. Das lyrische Ich beobachtet das Geschehen von der Ferne und sieht den Schnee. Aber für ist der Schnee ein Symbol? Ich denke, dass der Schnee für die einhergehende Kälte steht, der die wünsche und Hoffnungen einfriert, weil das lyrische Ich nicht in der Position ist, eine Selbstverwirklichung zu bewerkstelligen. Jedoch kann der Schnee auch für die Unberührbarkeit stehen. Wenn alles eingefroren ist, kann sich nicht verschlimmern oder verbessern. Ein Indiz für das Unberührtsein ist z.B. die Farbsymbolik des Schnees.
Vers 4 stellt dann den ersten Bezug zum Titel her. Die kleinen Haustiere werden immer in Käfigen gehalten und wer im Käfig sitzt, ist schlichtweg gefangen. An dieser Stelle finde ich die Klimax sehr schön. Man sieht deutlich die Entwicklung vom Fenster zum Käfig. Auf das Tiersein bin ich eingegangen, weitaus interessanter ist das „dark“. Ich denke nicht, dass die räumlichen Bedingungen meinst, sondern eher das Innenleben des lyrischen Ichs, das nach außen gekehrt wird. Es hat wahrscheinlich einige Rückschläge in seinem Leben erlebt und hat Angst, noch mehr zu verlieren. Außerdem entsteht durch den Kreuzreim ein direkter Gegensatz von „glitt'ring stage“ und „dark cage“. Es ist fast absurd, dass du Hoffnungen und Träumen so der Realität gegenüberstellst. Die Entschlüsselung der Metapher ist, dass das lyrische Ich etwas tun müsste, was gegen die moderne Gesellschaft ist, um auf die Bühne zu kommen.
Die Strophe 2 klärt, um welches Tier es sich handelt: ein Vogel. Ich habe mich lustigerweise gefragt, welche Gattung es ist. Ein Papagei wäre lustig, weil er die Normen der Gesellschaft wiederholen könnte – nur als Anregung. :D
Und wieder hat du so tolle Metaphern drin! Die Flügel sind eine Metapher für ein Talent, das nur das lyrische Ich hat und es von der Masse abhebt. „My melody for all.“ meint, dass das lyrische Ich etwas hat, was es mit den anderen Menschen teilen möchte. Eventuell hat das lyrische Ich ein musikalisches Talent oder das ist einfach nur passend für den Vogel – aber ich denke, dass das lyrische Ich ein musikalisches Talent hat, ansonsten könnte das Tier auf ein Kaninchen sein. Vers 1 und 3 der Strophe 2 sind wieder Gegensätze, die in einem extremen Kontrast stehen. Die Gesellschaft hindert das lyrische Ich wieder daran, sich komplett auszuleben. (Da ich dazu schon viel gesagt habe, kürze ich das ab.)
Der letzte Vers des Gedichts kann man unterschiedlich verstehen. Entweder als Weckruf, dass das lyrische Ich sich endlich befreit oder schließlich an den aufgekommenen selbstzerstörerischen Tendenzen zugrunde geht. Das heißt, der Tod kommt oder das lyrische Ich bringt sich selbst um.
Für die Metrik bin ich um die Uhrzeit zu faul, aber die Silbenanzahl passt. Ich finde das Gedicht echt schön und du hast das wirklich toll gemacht. Am besten gefällt mir, dass der Text so mit Metaphern gespickt ist. Good job!