ZitatBevor ihr votet, müsst ihr euch alle Texte durchgelesen haben. Sympathievotes und dergleichen sind nicht erlaubt. Die Teilnehmer dürfen selbstverständlich auch voten, allerdings ist es diesen untersagt, für die eigene Abgabe zu voten.
ZitatUm die Aktivität der Votes in den einzelnen Wettbewerben zu steigern und die Voter für ihre Votes zu belohnen, haben wir die Votepunkte eingeführt. Sie sind einfach zu erklären: Votet ein User in einem Wettbewerb, so bekommt dieser einen Punkt für deinen eigenen Text/sein eigenes Gedicht, wenn er abgegeben hat. Hat der User der Votet jedoch keinen Text abgegeben, hat dies keinen weiteren Effekt auf die Punkte der Texte/der Gedichte. Oft hat diese Regelung Vorteile für die Plätze der Texte/der Gedichte, weshalb sich jeder User einmal zum Voten aufraffen sollte.
Natürlich sehen wir es noch lieber, wenn User auch ohne diesen kleinen Ansporn voten.
[align=center]Hallo allerseits!
Willkommen zum Vote von Wettbewerb Nr.16. Die Texte teile ich in mehrere Posts auf, da sie sonst zu viel Platz einnehmen (das sage nicht ich, sondern das Forum...), lest euch bitte nach Möglichkeit alle Texte durch, denn jeder hat es verdient, anerkannt zu werden.
Ihr habt 3 Votes.
Der Vote endet am 25.09.2010 um 23:59 Uhr!
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„Sag mir verdammt noch mal sofort, warum meine Mutter sterben musste!“
Um das verlassene und zerstörte Gebäude der Fuuka Akademie waberten unheimliche Nebel, weiß glühend im Licht einer dunklen Nacht. Kalte Schatten hausten dort, wo noch vor wenigen Monaten Schüler eifrig gelernt, gelebt und gelitten hatten. Es war Vollmond, wie es immer war in dieser Welt, und der kleine rote Stern, den nur zwölf Auserwählte sehen konnten, leuchtete neben dem weißen Nachtgestirn. Alles war leblos.
Fast alles.
In den Ruinen der kleinen Internatskirche, die sogar noch vor dem Jahrtausendkrieg, der alle Welten mit einbezogen hatte, stillgelegt worden war, spielte sich eine schon lange nicht mehr aufgeführte Szene ab.
„Sprich endlich, Nagi, du Hundskopf!“
Wut kochte in Natsuki auf, und das Mal, das sie als HiME kennzeichnete, glühte auf, als aus dem Nichts in ihrer rechten Hand eine kugelförmige Pistole erschien.
Sie hatte doch unmöglich so viel durchgemacht, um jetzt wieder vor diesem kleinen Mistkerl zu stehen, der sie nur wissend angrinste, wie er es immer tat. Sie war Mitglied des Ordens der Metallrose geworden, um endlich das aus dieser Welt zu vertreiben, was zwischen ihr und dem stand, der für den Tod ihrer Mutter verantwortlich war. Auch wenn sie sich dieses Schicksal, genau wie das, eine HiME zu sein, nicht selbst ausgesucht hatte: Die Silberne Königin, die letzte der Gründer des Ordens – alle anderen waren von einem Verräter aus ihren eigenen Reihen hinterhältig ermordet worden, und auch sie hatte nur weitergelebt, weil sie ihren sterbenden Geist an ein Wandgemälde aus alter Zeit gebunden hatte – war durch alle Welten gereist und hatte jeden angeheuert, der in den jeweiligen Dimensionen das Gute – in ihrem Fall die zwölf HiME – verkörperte; so wie es auch jener Verräter getan hatte, nur eben mit dem Bösen – die Ourphans und die leitenden Organe des First District. Es war ein endlos scheinender Kampf gewesen, die geballte Kraft des Guten gegen die Mächte des Schlechten. Ein Kampf um ein geheimnisumwobenes Buch aus der Welt der Silbernen Königin und des Verräters, von dem die Mitglieder des Ordens nur so viel erfahren hatten, dass es als der „Codex“ bezeichnet wurde. Und der schließlich in einer letzten großen Schlacht zwischen den Dimensionen gegipfelt hatte, wobei der Codex zerstört worden war und sich seine Seiten über die Welten verteilt hatten. Viele waren dabei gestorben, unter anderen auch vier HiME, aber es war ihnen doch gelungen, gegen die dunklen Mächte zu bestehen… In der einen Welt hatten sie die Bedrohung der Menschheit durch die Diclonius eingeschränkt, in der anderen hatten sie an der Seite der Magic Knights die wiedererstarkte Debonair zurückzuschlagen. Und in dieser Welt die Ourphans ausgelöscht, ebenso wie den dubiosen First District.
Natsuki ballte die Faust um ihre Waffe. Der First District. Jahre hatte sie sich erträumt, diese Organisation zu zerschlagen, und nun war es ihr durch den Orden endlich gelungen. Anders als manch andere HiME, wie Mai oder Mikoto, die sie von allen am meisten gemocht hatte, war sie nicht beim Orden geblieben, um nach den Seiten des Codex zu suchen und einen kommenden Krieg um ihn zu vermeiden – obwohl sie sich insgeheim sicher war, dass daraus doch nur wieder ein Kampf erstand. Es war weniger wegen ihrem Pflichtgefühl, dass sie zurückgekommen war, denn nach der Vernichtung der Ourphans, für deren Bekämpfung die HiME überhaupt auserwählt waren, hatte sie hier keine Aufgaben mehr, die sie auszutragen hatte. Wobei das nicht ganz stimmte, denn sie hatte immer noch eine Rechnung offen… Sie wünschte sich Rache!
„Hey, nun sei nicht so aufdringlich, Natsuki-chan“, gab Nagi von sich zu hören und hob betont lässig die Schultern.
„Du sollst mich nicht so nennen!“ Ihr Ruf hallte in der verfallenen Kirche wider. Ihr langes, dunkelblaues Haar, das sie auch während Metallrosen-Zeiten nicht gekürzt hatte, wallte zornig, und sie bebte vor Wut. Duran, der riesige, graue Wolf, ihr treues Child, stand neben ihr und knurrte bedrohlich – Nagi wusste genau, dass es nur eines Befehls Natsukis bedurfte, um ihn mit messerscharfen Eissplittern zu durchsieben, wie es auch mit hunderten von Ourphans und anderen Bestien geschehen war.
Doch der Bastard blieb wie immer gefasst, und das hasste sie so an ihm: „Ich weiß wirklich nicht, was mit Saeko passiert ist.“
Nun war es Natsuki genug. Sie hatte sich doch nicht zwei Wochen in den umliegenden Städten durchgefragt, um zu erfahren, dass er immer noch regelmäßig in dieser Kirche erschien, nur um dann so abgespeist zu werden! „Lügner!“, brüllte sie und schoss ab, zielte dabei aber genau. Das Projektil sprang wie Eis klirrend und blau aufblitzend vom Boden direkt zu Nagis Füßen ab, und endlich wich dieser geschlagen zurück und gab, zumindest für diesen Moment, seine Coolness auf. Sie musste unwillkürlich grinsen; er mochte sich zwar aufführen, als könne ihn nichts erschüttern, aber wenn sie ihn auf diese Weise bedrohte, wurde ihm – wie es auch schon vorher gewesen war – doch plötzlich die Zunge locker. Und selbst wenn nicht, würde sie ihn nicht sofort erschießen, denn nach der Auflösung des First Districts war er der einzige, der die Wahrheit wusste. Ebenso wusste er jedoch auch, dass sie sehr schnell ernst machen konnte, wenn sie wollte.
„Na gut, na gut, ich werde ja singen.“ Er gewann seine Haltung zurück und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Du willst also wissen, warum Saeko sterben musste? Natsuki-chan, du bist eine HiME!“
Genervt zog sie die Augenbrauen zusammen. Dass sie eindeutig eine war, konnte man schließlich nicht nur an ihrer Waffe oder an dem Wolf erkennen, der ihr zur Seite stand. Wollte er etwa damit sagen, dass sie die Wahrheit längst schon selbst hätte herausfinden müssen, indem sie ihre Kräfte einsetzte? Aber genau das hatte sie doch immer schon getan, wie diese Situation eindrucksvoll bewies – ansonsten hatte sie ihr HiME-Dasein immer verheimlicht. „Lenk nicht vom Thema ab!“, drängte sie ihn schließlich weiter. „Das tue ich doch gar nicht.“ Sein Grinsen wurde breiter. Mit desinteressiertem Blick seiner weinroten Augen betrachtete er Duran, der knurrend bei ihr stand, jederzeit zum Angriff bereit. Unwillkürlich musste Natsuki sich fragen, warum nicht auch er bei dem Jahrtausendkrieg ums Leben gekommen war wie manch einer ihrer frühren Bekannten. Leider war das Glück aber immer mit den Dummen. Mit nun wieder völlig ruhiger Stimme fuhr er fort: „Du hattest immer schon recht, was den Autounfall betrifft. Er war inszeniert. Deiner Mutter war er jedoch nicht gewidmet.“
Ungläubig ließ Natsuki die Pistole sinken. Duran knurrte lauter, und das Geräusch brachte die Luft zum vibrieren. „Was… was hast du gesagt?“, flüsterte sie fassungslos, und ihre ohnehin schon vor Entsetzen geweiteten Augen wurden noch größer. Wenn es stimmte, was Nagi ihr eben gesagt hatte – und darauf konnte sie sich ohnehin nur zur Hälfte verlassen – dann war nicht ihre Mutter Opfer des Unfalls gewesen, sondern sie. Eigentlich hätte sie, die damals noch so naive und sich über ihre Kräfte gar nicht bewusste HiME, dabei sterben müssen. Der First District hatte geplant, sie loszuwerden, als unschuldiges Kind, bevor sie zur Gefahr wurde. „Ist das… wahr?“
„Natürlich.“ Nagi machte eine wegwischende Handgeste, wie um ihre Zweifel beiseite zu räumen. „Wobei…“ Er tat so, als müsse er angestrengt über etwas nachdenken, lächelte aber verschmitzt, als er ihre hoffnungsvolle Reaktion bemerkte. „Vielleicht war da ja noch mehr? Saeko hat den District systematisch ausspioniert und geheime Akten auswendig gelernt bis zum letzten Punkt. Sie wusste Dinge über ihn, die nicht einmal den Vertretern des Präsidenten vertraut waren. Vielleicht wollten sie nur, dass sie schweigt? Jedenfalls haben sie es geschafft.“
Eine Weile herrschte Schweigen in der Kirche. Jedoch nicht die andächtige Ruhe, die einmal, vor ewigen Zeiten, wie es schien, gewesen war zu Gebeten und Beichten, sondern eine absolute Stille wie in einem Grab. Wie auf einem ausgewachsenen Friedhof, auf dem noch nicht einmal Tote begraben lagen.
„Wer… ist der Verantwortliche?“ Natsuki musste einen Kloß im Hals runterschlucken, um sprechen zu können. So hilflos wie jetzt hatte sie sich nicht mehr seit dem Tod ihrer Mutter gefühlt; diese Schwäche hatte sie sich nie erlaubt. Es war unerträglich für sie, so nahe dran zu sein, sich an diesem Menschen zu rächen, und dabei von einem Krautsalat wie Nagi abhängig zu sein. Eigentlich könnte ich den Orden fragen…, überlegte sie, verscheuchte diesen Gedanken jedoch. Das konnte sie den anderen Mitglieder nicht antun, nachdem sie gegangen war, um – eigentlich – auf eigene Faust nach dem Verbrecher zu suchen, nur um jetzt wieder reumütig wie ein geschlagener Hund zu ihnen zurückzukehren, nur weil sie erkannte, dass es draußen regnete.
„Jemand, der mehr mit dir gemeinsam hat, als du denkst, Natsuki-chan.“ Nagi genoss sichtlich die Rolle, die er für sie einnahm, einfach nur um des Triumphgefühls willen. Doch es war sein Stil, sich nun umzudrehen und sich einem zerbrochen und erbleichten Buntglasfenster zu nähern, um sie mit Duran allein zu lassen.
„Warte! Wie ist sein Name?“ Er konnte doch jetzt nicht einfach so gehen, ohne ihr dieses letzte kleine Detail gesagt zu haben!
Ohne innezuhalten sprang Nagi auf das Fensterbrett. Wie ein schlechter Pokerspieler, der gerade ein gutes Blatt auf der Hand hat, sah er sie von oben herab und mit gewinnendem Grinsen an. „Irgendeinen Namen wird er schon haben. Einer davon ist Kuga.“ Ohne ein weiteres Wort sprang er aus dem Fenster.
Natsukis Entsetzen wandelte sich in puren Schock um. Dieser hinterhältige Ziegenbock! Sie rannte aufs Fenster zu. Hektisch warf sie suchende Blicke in den Nebel. „Was soll das bedeuten? Antworte mir!“, schrie sie ihm hinterher, doch er war nirgends auszumachen. Wenn sie ihm doch nur noch mal ihre Pistolen hätte schmecken lassen! Doch ihre Gedanken kehrten schnell zum Wesentlichen zurück – zu dem, was er ihr gerade eröffnet hatte: Kuga?, dachte sie und erschauderte. Verdammt, das ist mein Familienname!
„Hey, Natsuki-chan.“ Sie sah auf und entdeckte den kleinen Dreckssack durch den Nebel in einem der kahlen Bäume, auf einem Ast stehend und – wie in alten Zeiten – ein Buch auf dem Kopf balancierend. „Lass mich dir einen gut gemeinten Rat geben: Auch wenn der First District nicht mehr existiert, solltest du dich besser vorsehen, mit wem du dich anlegst.“ Er drehte sich um, winkte ihr mit zwei Fingern, gab noch ein kesses „See ya!“ von sich und verschwand im Nebel.
Ihr Ruf verklang laut und tausendfach gebrochen in dem Wald toter Bäume, verschluckt vom Nebel, ungehört vom Mond und dem roten Stern: „NAGI!!!“
Von einer plötzlichen schlechten Vorahnung überwältigt heulte Duran auf.
Nur einen Augenblick später verging die Kirche, oder zumindest das, was von ihr übrig war, in einer vernichtenden Explosion.
Das gelbliche Licht spiegelte sich unheimlich im Rot seiner Augen. „Da waren´s nur noch elf…“
Ich spürte, wie der Zauber mir Kraft verlieh, versank völlig in den geheimnisvollen Untiefen meiner Seele. Mir kam es vor, als würde mein Geist wachsen, mein Verstand schärfer werden und meine Aura grau wie Stahl. Es war, als wäre ich nicht mehr… ich. Als verlöre ich mich selbst in mir. Das war das Gefährliche an der Magie. Man konnte nicht kontrollieren, wie sehr sie einen veränderte. Sie stärkte einen nicht körperlich, sondern geistig. Äusserlich war man derselbe, doch innerlich wuchs alles, wurde intelligenter und bösartiger. Man nahm keine Rücksicht mehr, zerstörte den anderen nicht mit roher Kraft, sondern mit List und Verstand. Bei solch einer magischen Verwandlung musste man wirklich höllisch aufpassen, sich selbst nicht zu verlieren. Wem das geschah, der verschwand auf ewig. Was dann mit ihm geschah, wusste niemand. Denn noch niemals war irgendjemand wieder zurückgekehrt. Damit mir das nicht geschah, konzentrierte ich mich nur auf meine Verwandlung. Sie konnte beliebig gestoppt werden, doch das war einfacher gesagt als getan. Das Zunehmen der Intelligenz und der List war wie ein Rausch. Man vergass alles Restliche um sich herum und gab sich ihm völlig hin. Es bedarf einer enormen Willenskraft, sich vor dem endgültigen Aus dem Delirium zu entziehen. Aber das musste sein, schliesslich war das die einzige Chance, nicht im Nichts zu enden. Mir fiel es sehr schwer, und ich wollte nicht wissen, wie schwer es mir gefallen wäre ohne das Training, welches ich nun seit einem Jahr nur für diese Aufgabe vollzogen hatte. Ich konzentrierte mich, strengte mein nun überdimensionales Gehirn so sehr an, dass es mir fast Kopfschmerzen bereitete, und dann riss ich mich aus meiner Trance.
Der Einbruch der Realität war wie ein Sprung ins eisige Wasser für mich. Und doch wusste ich noch alles, jedes noch so kleine Detail, erinnerte mich an den Dämon und seine Druckwelle, an das Tor, an Cora und an diese seltsame, verschleierte Welt. Doch nun war etwas anders. Meine Sinne waren geschärft worden, so dass ich nun jeden Atemzug meines Feindes deutlich wahrnahm, ebenso wie sein bösartiges Grinsen, selbst durch die dicken, grauen Nebelschwaden hindurch. Er hatte meinen Körper in der Zwischenzeit nicht angegriffen, da er gar keine Möglichkeit gehabt hatte. Denn während ich meine magische Verwandlung durchgezogen hatte, war in der Dämonenwelt die Zeit stehengeblieben. Das war ein Schutzmechanismus, damit der Feind alles gar nicht mitbekam. Ohne ihn würde wohl niemand die Trance überleben. Und plötzlich, ohne jegliches Anzeichen dass es so kommen könnte, rannte das Biest auf mich zu. Doch dank meiner neuen Wahrnehmung war ich schnell genug, ihm auszuweichen. „Nicht schlecht, Kleiner“, meinte das Monster. „Doch was hältst du vom Infernoregen?“
Ich erstarrte, während er in ein irres Lachen verfiel. Niemals hätte ich erwartet, dass ich hier nicht irgendeinen Dämon vor mir hatte- es war ihr König höchstpersönlich. Denn nur er war in der Lage, die gnadenloseste, schmerzhafteste und einfach nur grauenvollste der magischen Attacken zum Einsatz zu bringen. Es war das Grauen eines jeden Wesens, jemals von diesem Angriff getroffen zu werden. Denn kein Schmerz war damit vergleichbar, mit dieser unheimlichen Folter, die einen vor Grausamkeit blind und taub werden liess. Eine Welle der Angst brach über mich herein, während ich trotz meines übernatürlich scharfen Verstandes unfähig war, mich zu bewegen. Langsam schloss ich die Augen und wartete auf mein Schicksal.
Doch es kam anders, als ich gedacht hatte. Ich hörte eine laute Stimme, die eindeutig nicht dem Dämonenkönig angehörte, sie war etwas höher, aber dafür viel kraftvoller. „Tun Sie ihm nichts Gebieter“, flehte die Stimme. „Er trägt eine wichtige Nachricht bei sich, das fühle ich“. Er senkte seine Stimme. „Ich werde ihm nichts tun, ebenso wenig wie Ihnen, doch bitte, lassen Sie ihn ausreden. Ich spüre, es ist wichtig.“ Ich öffnete meine Augen. Neben mir, dem König gegenüber, stand ein anderer Dämon. Er sah sanfter aus als sein Herr, doch auch er hatte den Ausdruck eines wilden Tieres, der ihm ein gefährliches Aussehen verlieh. Ich dachte an Coras Worte und wusste, wer das war. Ich fasste mich kurz und bündig und fragte ohne grosse Umschreibungen, an den Sanfteren der beiden gewandt: „Wirst du mir deine Kugel der Macht aushändigen?“ In seinen grauen Augen blitzte ein bejahendes Funkeln auf und er nickte. „Ich habe es geschafft“, dachte ich glücklich. Ich hatte den Dämonen gefunden, der mir sein Zeichen der Dunkelheit geben würde. Nun würde Coras Stamm mich aufnehmen, ich war gerettet.
Doch der Höchste aller Dämonen machte mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. „Ihr wagt es, euch ohne meine Erlaubnis mir zu wiedersetzen? Mir, dem Herzstück unserer Welt? Ein einfacher Menschenjunge und ein wertloser Untergebener, der eine gute Tat vollbringen will? Pah! Das werde ich nicht zulassen! Ich werde euch vernichten!“ Und er begann zu leuchten, in einem seltsamen Orange. Es breitete sich weiter aus und umspielte die Dornen, Bäume und Giftpflanzen, liess sie strahlen in einem wunderschönen Ton. Es wäre ein unglaubliches Bild gewesen, hätten wir uns nicht in Todesgefahr befunden. Denn langsam band sich das Licht, dass es war wie ein einziger, glühender Ball aus Stahl. Es wurde immer grösser und grösser, bis es fast zu platzen schien. Ich war geblendet von der gleissend hellen Strahlung. Ich konnte mich erneut nicht aus meiner Starre lösen, war wie gebannt. Ich beobachtete das Schauspiel, wie sich das Licht plötzlich in rasender Geschwindigkeit in den Himmel bewegte. Dort gab es eine Explosion- und der Himmel war in ein leuchtendes orange getaucht. Die zuvor noch grauen Wolkenschwaden schimmerten nur in einer auffallenden, bedrohlichen Farbe. Und dann schossen Feuerbälle daraus hervor. Hunderte und Aberhunderte von Flammenkugeln regneten herab. Der König hatte sich in Luft aufgelöst. Der andere Dämon und ich waren die einzigen, welche vom Infernoregen betroffen waren. Einer von den meteoritenähnlichen Gebilden flog direkt auf meinen Verbündeten zu. „Vorsicht!“, wollte ich rufen, doch es war zu spät. Er wurde genau getroffen, wurde begraben unter dem Ball aus glühend heissen Flammen. Ich hörte ihn schreien, wollte ihm helfen, doch ich konnte nicht. Noch immer war ich erstarrt. Ich sah hinüber, erkannte, dass er brannte, und konnte ihm doch nicht helfen. Als erneut eine Feuerkugel auf ihn niederprallte und er erneut einen Schmerzensschrei des Todes hören liess, wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich versagt hatte. Ich hatte versagt. Versagt… Dieses Wort verursache einen unheimlichen Schmerz in mir. Es war, als risse es mir mein Herz aus der Brust. Ich hatte Cora enttäuscht, ebenso wie ihren Stamm. Ich hatte diese Aufgabe für nichts und wieder nichts angenommen, hatte die gefährliche Verwandlung umsonst vollzogen. Ich hatte denjenigen gefunden, der mir geholfen hätte. Doch der lag nun unter Höllenqualen im Sterben. Meine scharfen Sinne halfen mir nun auch nichts mehr. Ich hatte es verdient, im Infernoregen schmerzvoll ums Leben zu kommen. Ich hatte es verdient, zu brennen, vor Schmerz zu erblinden. Alles geschah mir recht. Denn ich hatte versagt. Auf der anderen Seite wartete Cora auf meine Rückkehr, doch ich würde niemals wieder auf die andere Seite kommen. Ich hob meinen Blick gen Himmel und sah einen Feuerball auf mich zukommen. Ich schloss die Augen und hielt mir die letzten Augenblicke meines Lebens vor Augen, bewegte mich nicht. Ich hatte die Schmerzen verdient. Denn ich hatte versagt.
Erneut ist das Nichts unter mir, doch dieses Mal bin ich mir sicher Gott würde mich sterben lassen.
Nach all den Geschehnissen der letzten Wochen, gab es einfach keine andere Möglichkeit für den Herrn im Himmel, mich von der irdischen Welt zu erlösen. Ich habe meine Freunde ins Verderben gestürzt, habe meine Familie im Stich gelassen und sogar Menschen getötet. Ich habe meinen Glauben an das Gute in mir und den Menschen verloren. Ja, sogar den Glauben an Gott habe ich fast gänzlich aufgegeben.
Doch warum? Warum ich? Warum werde ich zur Marionette des Teufels, und nicht etwa die Schwerverbrecher in den Gefängnissen? Oder erlitten Sie alle dasselbe
Schicksal wie ich?
Ich kann nur Vermutungen aufstellen, wissen werde ich es nie. Es ist mir aber in diesem Moment auch egal, denn ich will die letzten Minuten meines armseeligen Daseins, sicher nicht mit dem Gedanken des Warums verbringen. Nein, das ist sicherlich nicht mein Wunsch. Ich möchte eben diesen Augenblick genießen. Wer weiß denn schon was mit mir passiert, wenn ich erst einmal tot bin?
Ich spüre, wahrscheinlich ein letztes Mal, den Wind wehen und heute gibt das tiefe Tal sogar den Blick auf den Bach frei. Er hatte sich im Laufe der Jahrhunderte in die Landschaft gefräst, so muss dieses Tal entstanden sein. Es ist kein Nebel da, nicht so wie in dieser Nacht, in der ich mich selbst ins Unglück stürzte. Wäre ich doch bloß nie in dieses Gotteshaus geflohen, wäre ich doch einfach weitergelaufen. Doch das habe ich nicht getan.
Etwas Nasses läuft meine Wange hinunter. Weine ich? Oder ist es Regen? Noch ein Tropfen rinnt nun über meine rechte Gesichtshälfte. Ich denke schon ich weine, doch da spüre ich den Regen auf meiner Haut. Traurig bin ich trotzdem.
Ich versuche die Tränen zu verdrängen. Probiere es die Trauer mit Wut oder gar Reue zu ersetzen. Es hilft nicht. Ich beginne nun doch zu weinen.
Die Tropfen fühlen sich warm an und für einen Moment habe ich ein angenehmes Gefühl und bin befreit von all meinen Sorgen und Ängsten. Diese Emotionen müssen der Scham, dass ich glücklich bin nach all den Dingen, die ich der Welt angetan habe, aber sofort wieder weichen.
Ich stehe also nun da, auf dieser Brücke und warte. Warte auf den Moment, der mir das Leben nimmt, der mich von dieser materiellen Welt befreit. Vergebens. Der Wind ist verschwunden, der Regen ist mit samt den Gewitterwolken verflogen und der Mut, den Schritt doch selbst zu wagen, ist auch noch nicht eingetroffen. Ich weiß nicht wie lange ich dort oben schon stehe. Eine Stunde, vielleicht mehr, vielleicht weniger oder etwa den ganzen Tag? Mir ist es egal, solange die Erlösung noch kommt.
Plötzlich erfasst mich ein Windstoß. Mein Ende? Egal. Ich lasse mich einfach tragen. In welche Richtung? Ich weiß es nicht. Ich schaue gar nicht. Falle ich schon? Nein, das glaube ich nicht. Doch ich merke, ich bin noch immer in Bewegung. Also muss ich fallen. Ich öffne die Augen.
Unter mir, Pflastersteine. Ich sehe mich um. Die Brücke liegt hinter mir. Aber wie?
Ein paar Männer haben mich von dort runtergezogen. Wut steigt in mir auf und ich beschimpfe sie wüst. Sie wundern sich, machen sich Sorgen, wollen mir helfen. Ich lehne ab und möchte zurücklaufen. Zurück auf das Geländer klettern. Die Männer hindern mich daran. Ich flüchte. Nicht auf die Brücke. In die Stadt hinein.
Wieder ist da dieses blöde Schaufenster. Es ist wie in dieser Nacht, denn noch immer steht diese Musterfamilie vor ihrem Haus. Dieses Mal steigt in mir keine Wut auf. Nur die Sehnsucht nach meiner eigenen Familie.
Sollte mir das Sorgen bereiten? Und wenn schon. Ich setze meinen Irrlauf fort. Ich streune zwischen den Straßen hindurch. Und innerlich weiß ich, dass ich mich mit jedem Schritt der Kirche nähere. Und dann sehe ich sie.
Und wieder ist die Flügeltür halbgeöffnet und erneut zieht mich die warme Aura des Gotteshauses in seinen Bann. Wie die Motten in das Licht.
Ich setze mich in die vorderste Reihe. Ich bete nicht. Ich sitze einfach nur da. Sehe mich um. Wieder stehen Kerzen um den Altar, erleuchten den Raum und ein altes vergilbtes Buch. Die Bibel.
Es dauert nicht lange und der Pastor betritt den Raum. Ich möchte ihm sagen, in welches Unglück er mich gestürzt hat, ihm mitteilen welche Qualen ich erlitten habe, ihm ordentlich die Meinung sagen, doch dazu komme ich nicht.
Er spricht zuerst.
„Verschwinde aus diesem Haus Gottes. Du bist nicht länger eines seiner Kinder. Du hast gesündigt, doch deine Sünde lässt sich nicht wieder gutmachen. Du hast den Pakt mit dem Teufel selbst geschlossen, ja, du allein bist Schuld an deinem Schicksal. Nur du. Und nun schau zu, dass du abhaust.“, entgegnet mir der Geistliche. Ich gehorche. Wie recht er doch hat. Ich flüchte erneut, wie in jener Nacht und wieder finde ich Unterschlupf in der alten Ruine. Nur heute ist etwas anders. Ich will nicht hierbleiben. Fühle mich unwohl. Etwas treibt mich weg von dort. Raus aus der Stadt zurück auf die Brücke. Und erneut muss ich feststellen, dass ich nicht der Herr über meine eigenen Füße bin. So muss ich mit ansehen wie ich auf das Geländer klettere.
Wieder stehe ich dort oben. Nur etwas ist dieses Mal anders. Ich habe nicht die Gewalt über meine Beine. Ich würde sogar behaupten, ich bin Gefangener in meinem eigenen Körper. Er ist nur eine Hülle für meinen Geist und so weiß ich, dass das Materielle nichts wert sein kann und der eigene Geist das Kostbarste auf dieser materialistischen Welt sein muss.
Ich beginne zu weinen und endlich auch zu bereuen. Aber vor allem wird mir klar, dass ich nichts wert bin und alle meine Mitmenschen enttäuscht habe. Ich bin unwichtig und ein schrecklicher Mensch. Ich habe sogar meinen Glauben verloren, in der Hoffnung glücklich zu werden. Doch es ist nur noch schlimmer gekommen und so endet meine Geschichte hier.
Mir ist alles egal. Ich lasse los, lasse mich treiben, der Wind zerrt an meinen Gliedmaßen. Dieses Mal zerrt er mich aber in den Abgrund. Ich bin mir sicher. Und zum ersten Mal in meinem erbärmlichen Leben, lächle ich und bin glücklich. Endlich werde ich erlöst und dabei ist mir das Wie und warum egal. Auch, dass ich viel zu früh sterbe. Mir egal.