Märchengift - "Es war einmal..."

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  • Im Flammenring


    „Hallo, Damian-kun“, begrüßte ihn der Narr freundlich und winkte ihm einladend zu. „Schön, dass du es bis hier her geschafft hast.“
    Nun bemerkte der junge Magier auch, dass sich die Illusion während des strahlenden Aufleuchtens ein weiteres Mal gewandelt hatte. Er befand sich in einem langen, dunklen Gang, dessen Wände anscheinend aus bunten Stofffetzen zusammengenäht worden waren. Hinter Piero lag ein Ausgang durch den helles Licht in den Korridor fiel und viele laute Stimmen drangen dahinter hervor, aufgeregt redend und rufend, fast als erwarteten sie die beiden Zauberer. Der Boden war flach getretene Erde, staubig und vertrocknet, die Luft stickig und abgestanden. Der Clown selbst wirkte so wie immer: Das lange, rabenschwarze Haar hing ihm unordentlich ins blass geschminkte Gesicht, während die orangeroten Augen verträumt ins Leere blickten und scheinbar nicht das sahen, was normale Menschen erblicken konnten. Auch sein feuerrotes, mit goldenen Stickereien verziertes Narrenkostüm war das Gleiche, das er auch bei ihrer letzten Begegnung getragen. Alles schien normal, aber Damian wusste dennoch, dass dem nicht so war.
    „Wie hast du …?!“, wollte der junge Mann gerade genervt beginnen seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen, da stockte er plötzlich, als er endlich bemerkte, was absolut überhaupt nicht stimmte. Er hatte sich merkwürdig gefühlt, hatte gewusst, dass etwas nicht so war wie es sein sollte. Als er seinen Arm endlich im Licht sah, traf es ihn wie ein Blitzschlag. „Was - Was hast du mit meiner Kleidung gemacht?!“
    Tatsächlich trug Damian nicht mehr sein altes, fremdländisch anmutendes Kostüm, sondern etwas, das entfernt an eine kunstvolle Version der Bekleidung wandernden Volkes erinnerte. Anstatt seiner Zori konnte er nun goldene, metallene Schuhe, welche vorne lang und spitz zuliefen, sein Eigen nennen, von denen der eine nur bis zum Knöchel reichte und von da an unter einem der Hosenbeine versteckt war, während der andere zeigte, dass sie eigentlich stiefelähnlich waren. Die weiten, durch die unterschiedlich langen Hosenbeine asymmetrisch gestalteten Stoffhosen hatten etwas merkwürdig Orientalisches an sich, was vor allem an den vielen künstlerischen Mustern und Stickereien lag. Ähnlich verhielt es sich auch mit der eng anliegenden, körperbetonenden Lederweste, welche matt im Licht glänzte, und an deren Seite ein langer, weitgeschnittener Stoffärmel befestigt war, dem das Gegenstück jedoch fehlte. Gehalten war das gesamte Kostüm in einem feuerroten Ton, der gut zu dem ebenfalls recht eigenen Gewand Pieros passte, gelegentlich durchbrochen von schwarzen und goldenen Streifen und kunstvollen Mustern und Stickereien, welche meist in dunklen Blautönen gehalten waren. Insgesamt konnte man sagen, dass Damian wie ein äußerst extravaganter und wohlhabender Straßenkünstler aussah.
    Dem jungen Mann gefiel der Wandel jedoch überhaupt nicht. Er kam sich affig in diesem Aufzug vor und sein Oberteil war ihm viel zu eng. Dementsprechend aufgebracht war auch der Blick, den er dem leicht amüsiert wirkenden Narren zuwarf. Jener hatte sich abermals in seine Lieblingspose, die kopfüber Schwebende, versetzt und beobachtete belustigt die Reaktion seines Gegenübers. „Ich habe mir die Freiheit genommen, dich umzukleiden, Damian-kun“, erklärte er wie immer abwesend träumerisch als wäre es für ihn das Alltäglichste auf der Welt. Der Zauberschüler, der alles andere als begeistert war, wollte gar nicht erst an die verstörenden Möglichkeiten, wie diese Szenerie ausgesehen haben könnte, denken und versuchte sich abzulenken, indem er alles aus diesem kranken Clown heraus prügelte, was er wissen wollte. Leider war „versuchte“ hierbei das Wort von Wichtigkeit.
    „Wie …?“, knurrte er und ging einige bedrohliche Schritte auf Piero zu, dieser jedoch schien sich dadurch kaum beeindrucken zu lassen, sondern lächelte immer noch geistesabwesend ins Leere und summte traumverloren vor sich hin. Doch gerade als der wütende Magier ihn packen wollte, entglitt er seinem Griff wie fließendes Wasser oder Sand, der einem aus den Händen rinnt und löste sich mit den Worten: „Eine Fantasie, die in der Realität verankert ist“ in dünne Rauchschwaden auf, sodass einzig noch sein Lächeln als Nachbild in der Luft verharrte.
    Wütend ballte Damian die Hände zu Fäusten und biss sich frustriert auf die Unterlippe. Schon wieder war ihm dieser Hampelmann entwischt. Der Kerl war glitschiger als ein Aal. Aber so schnell würde er nicht aufgeben, nicht bevor er diesem widerlichen Narren das dümmliche Grinsen aus dem Gesicht gewischt hatte. Er hatte sich nicht durch diesen kindischen Wettbewerb gekämpft, nur damit man ihm seinen Preis am Ende vor der Nase weg stahl … und er wollte seine alten Kleider zurück!
    Da hinter ihm eine Sackgasse war, rannte er nun dem Licht entgegen, in der Hoffnung Piero dort aufzufinden. Die Geräuschkulisse wurde lauter und ein seltsamer Geruch stieg ihm in die Nase. Es war eine Mischung aus Schweiß, der abgestandenen Luft und, was am seltsamsten war, dem Fell einer Katze. Bei all dieser Skurrilität konnte der Meister dieses Chaos nicht weit sein.
    „Was hat dieser dumme Clown nur nun schon wieder angestellt?“, grummelte Damian verdrossen, fest verankert in der Überzeugung, dass Piero vermutlich abermals dabei war Himmel und Erde auf den Kopf zu stellen. Eine Idee, die man ihm trotz hoher Unwahrscheinlichkeit zutrauen konnte.
    Als er durch den dünnen, buntbestickten Stoffvorhang trat, blendete den jungen Mann das plötzliche, intensive Licht, sodass er schnell die Arme vor die tränenden Augen riss. Das war nun schon das wievielte - sechste Mal - dass das in der letzten Stunde passiert war? Wenn das so weiter gehen würde, müsste er bald darüber nachdenken, sich einen Blindenhund anzuschaffen. Nur nach und nach konnte erkennen, was um ihn herum geschah und wo er sich befand. Lauter Beifall und ein paar anerkennende Pfiffe hießen ihn willkommen und während seine Sicht langsam zurückkehrte, konnte er die Verursacher dieser durchaus schillernden Geräuschkulisse erkennen. Er befand sich mitten in einer überdimensional großen Manege. Über ihm spannte sich ein so changierend buntes Zelt, das es jedem vor Farbenfreude fast die Netzhaut wegätzte und er sich plötzlich zurück in den Vulkankrater wünschte.
    „Als ob meine Augen an diesem Abend nicht schon genug traktiert worden sind!“
    Auf Tribünen und Sitzplätzen, die ringartig um den Schauplatz positioniert waren, hatten sich bereits viele aufgeregte Menschen niedergelassen, darunter eine Menge Kinder, die anscheinend alle auf sein Erscheinen gewartet hatten. Die Luft war furchtbar stickig, was bei der Masse an Leuten in einem einzigen Raum nicht weiter verwunderte und obwohl es nichts im Vergleich zum Krater von zuvor war, war Damian trotzdem unangenehm warm im vielfarbigen Licht, welches von den vielen Scheinwerfen, die sich auf einer höher gelegten Etage befanden, auf ihn geworfen wurden.
    „Bitte nicht!“, stöhnte er flehend auf und massierte sich genervt die Schläfen, da er von diesem ganzen Bild und den damit verbundenen Erinnerungen Kopfschmerzen bekam. „Ich hasse den Zirkus!“
    Auf einmal begann es überall zu knallen und zu zischen, sodass der junge Magier erschrocken zusammenfuhr und sofort seinen Stab kampfbereit hielt, nur um dann hustend mit den Armen durch die Luft zu wirbeln, da die Bühne urplötzlich in Rauch gehüllt wurde. Aufgrund dessen wurde auch das letzte bisschen saubere Luft in dieser Freakshow kontaminiert und man war nicht mehr in der Lage die Hand vor Augen zu sehen. Von allen Seiten blinkte es nun und ohne weitere Vorwarnung brach die Hölle über diesen ohnehin schon nicht zu Damians Lieblingsplätzen gehörenden Ort herein. Aus dem nichts erschienen Akrobaten, die wilde Saltos und gefährliche Luftsprünge vollführten und Messerschlucker, die sich ein Schwert nach dem anderen in den Rachen steckten. Über dem Braunhaarigen schwangen sich Trapezkünstler mit aufregenden Manövern durch die Luft, während er weiter hinten eine Schlangenbeschwörerin erkannte, deren hypnotisches Flötenspiel in all dem unerträglichen Lärm unterging; Tänzerinnen, die mit vielen Ringen und Seilen um sich wirbelten und Reiter auf ihren großen, weißen Stuten, welche über die verschiedensten Hindernisse sprangen.
    In der Mitte dieses Chaos konnte Damian endlich und von der absurden Situation inzwischen mehr als gestresst sein Ziel ausmachen. Dort, zwischen mit Torten um sich schmeißenden Zwergen in lachhaft schlecht gemachten Kostüm, stand, mit einem Bein auf einem großen, roten Ball balancierend und gleichzeitig mit mehreren bunten Tüchern jonglierend, Piero, wie immer selig lächelnd als gehöre er gar nicht zu diesem verrücktem Trupp dazu. Nun gut, im engeren Sinne tat er das auch nicht, schließlich war das hier alles eine Illusion, aber der Zauberschüler war nicht hier um Erbsen zu zählen.
    „Da bist du!“, rief er ihm entgegen, während er einigen Stelzenläufern die Beine unter dem Körper wegschlug, um Platz zu bekommen. „Was soll dieser …?“ Doch wie schon zuvor wurde vor Beendigung seines Satzes von dem Narren unterbrochen.
    „Ah, Damian-kun!“, fuhr ihm der fröhlich lächelnde Piero ins Wort und deutete ihm an näher zu kommen. „Wie schön, dass du es noch rechtzeitig zur Vorstellung geschafft hast.“
    Der Angesprochene verengte seine Augen zu Schlitzen. War das etwa die Art von Scherz, die dieser verachtenswerte Unzurechnungsfähige als witzig empfand. „ ,Wie schön, dass du es noch rechtzeitig zur Vorstellung geschafft hast‘ – Wie schön, dass meine Faust noch rechtzeitig deine Visage getroffen hat!“
    Aber dieser sehr auf seine Kosten spielende Humor war nicht das einzige, was Damian aufregte. Etwas stank hier ganz gewaltig und er meinte damit nicht das wandelnde Irrenhaus im Hintergrund. Pieros Erscheinen ging nicht mit rechten Dingen zu, ebenso wie dieser Ort und das ganze Szenario, welches sich ihm bot. Das war nicht möglich, niemand war in der Lage einen solchen Spruch zu infiltrieren und es gab nur einen Weg die Wahrheit herauszufinden.
    „Wie hast du das geschafft?“, fragte Damian kühl, während sein Blick Piero förmlich durchbohrte. Jener ließ sich absolut nichts anmerken als er mit seinem typischen, undurchschaubaren Lächeln auf den Lippen entgegnete: „Was denn?“ Inzwischen vollführte er einen einhändigen Handstand auf dem Ball, mit der zweiten Hand fuhr er indes weiter fort die Tücher zu fangen. Er schien nicht so als würde er den jungen Mann ernst nehmen, was jenen sehr reizte. Elias war ein Quälgeist gewesen, aber gegen diesen durchtriebenen Clown wirkte er wie ein Segen.
    Doch der Magier atmete einmal tief ein und blieb ruhig, andernfalls hätte er dem laufenden Nervengift vor sich vermutlich sofort einen Schlag ins Gesicht verpasst. Aber aus dem Training mit Aden wusste er, dass es manchmal besser war sich zu beherrschen und sein feuriges Temperament etwas zu zügeln. Im Kampf war es allzeit wichtig einen kühlen Kopf zu bewahren und seinem Gegner stets einen Schritt voraus zu sein, sowohl während einer körperlichen als auch geistigen Auseinandersetzung. „Wer seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, der hat auch den Kampf nicht unter Kontrolle!“, hörte er die strenge Stimme seines Meisters klar wie einen Frühlingsmorgen in seinen Erinnerungen widerhallen. Kein Wunder, hatte er dem hitzköpfigen Schüler diesen Satz auch immer und immer wieder mit stählerner Härte eingebläut.
    „Die Regeln dieser Illusion besagen, dass nur diejenigen an dem „Spiel“ teilnehmen dürfen, die von mir aufgesagt wurden und zugestimmt haben“, erklärte Damian jetzt und die Anspannung in seiner Stimme war, trotz der Ruhe, um die er sich krampfhaft bemühte, kaum zu überhören. Dieser Narr regte ihn auf.
    „Wenn die Regeln starrsinnig sind, muss man sie sich halt etwas zurechtbiegen“, antwortete Piero und Damian zuckte unwillkürlich zusammen. Hatte er sich etwa auch in die Verbindungsplatzierung eingeschleust? Aber das war unmöglich.
    „Das kann nicht sein!“, meinte Damian und seine Stimme wurde nun lauter und energischer aufgrund der überraschenden und schockierenden Offenbarung. „Ich bin der Spielmeister und man kann …!“
    „Es gibt nur einen Spielmeister!“, unterbrach ihn der Narr plötzlich forsch und der Junge verstummte. Um sie herum war es auf einmal still geworden, die Lichter wirbelten und blinkten nicht mehr, die Tiere und Akteure waren verstummt, ja, nicht einmal mehr das Publikum sagte irgendetwas. Alle Aufmerksamkeit lag jetzt auf den Streitenden. Damian fühlte sich mehr als unwohl und das lag nicht nur an der überraschend eingekehrten Stille, die er sich vor ein paar Minuten noch herbeigesehnt hatte. Es war etwas in Pieros Ton gewesen, das ihn verschreckt hatte, ein merkwürdiges Gefühl der Beklommenheit, welches ihn plötzlich überkam. Das Gesicht seines Gegenübers war so friedlich und träumerisch wie immer, aber die Stimme, mit der er gerade gesprochen hatte, passte ganz und gar nicht mehr zu der von ihm aufgesetzten Maske. Der sonst so höfliche Redestil des Narren, der wirkte, als hätte er zuvor eine halbe Tonne Beruhigungstrank geschluckt, war durch einen kühlen, fast schon scharfen Ton ersetzt worden und irgendetwas in Damian sagte ihm, dass es nicht ratsam war, dagegen anzusprechen. Diese Intuition, die sich in seinem Kopf breit machte gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war nicht wirklich Angst, eher eine Mischung aus Scheu und Ehrfurcht, die er sich nicht erklären konnte.
    Auch Piero schien nun bemerkt zu haben, dass die Fassade leicht gebröckelt hatte, denn als er fortfuhr, war sein Ton wieder passend zum Gesichtsausdruck so selbstvergessen wie eh und je: „Und, mein lieber Damian-kun, wir können froh sein, dass er sich gerade mit anderen Sachen beschäftigt.“ Der junge Mann schluckte schwer, doch langsam kehrte wieder die altbekannte Abneigung anstelle seiner verwirrten Gefühle zurück. Doch bevor er sich überhaupt wieder richtig gesammelt hatte, ging der Narr auch schon weiter im Text ohne sich irgendwelche Emotionen mehr anzumerken: „Wie ich dir bereits gesagt habe, wünsche ich mir einen Kampf mit dir. Allerdings sollten wir die Einsätze etwas erhöhen, findest du nicht? Schließlich soll es ja spannend bleiben!“
    Mit diesen Worten schwenkte einer der Scheinwerfer auf einmal auf einen Punkt rechts von Piero und der junge Mann blickte geschockt auf die Farce, die sich ihm darbot. Gefesselt von der Decke schwebend hing dort eine bewusstlose Laila, Rücken an Rücken mit einem panisch um sich strampelnden Adrian. Unter ihnen hatte man einen ziemlich großen Käfig aufgebaut in dem aufgeregt hin und her trabend und ab und an ein lautes Brüllen von sich gebend ein weiteres Monster auf sie wartete. Der stolze, aber gefährliche Kopf und Leib gehörte einem Löwen, dessen lange Mähne ihn majestätisch als König der Tiere krönte und dessen scharfe Zähne selbst dem Magier Ehrfurcht fühlen ließen. Doch hinten, dort, wo eigentlich der Schwanz hätte sein sollen, veränderte sich das Tier auf einmal. Das Fell wich giftgrünen Schuppen, welche in einem gefährlich zischenden Schlangenkopf endeten. Die gelben Reptilien-Augen blickten erwartungsvoll auf das künftige Mal, während ihre gespaltene Zunge ab und an in die Luft schoss um den Geruch ihres Essens zu testen.
    „Sollte ich den Kampf verlieren …“, fuhr der Clown an Damian gewandt fort, ohne auch nur im Entferntesten auf das Flehen und Bitten des Adligen einzugehen, „… dann gehört der Schatz dir und ich ziehe mich zurück. Der weitaus wahrscheinlichere Fall ist jedoch, dass ich gewinne und dann …“ ein lautes Rattern ertönte und die beiden Gefesselten wurden noch etwas weiter hinunter gelassen. Adrian quietschte hysterisch. Piero schenkte dem Zauberschüler sein typisches verträumtes Lächeln. „Nun, sagen wir es so: Es wird unschön werden.“
    Für den Magier gab es keinen Rückweg mehr. Die Stirn in Falten gelegt und Augen geschlossen schien er kurz über seine Lage zu sinnieren, während er sich, wie so oft, auf die Unterlippe bis. Das ständige Rufen von Adrian war dabei weniger hilfreich als behindernd. „Bitte nicht! Ich bin doch viel zu hübsch, um zu sterben!“ Unter ihnen brüllte die Bestie gereizt auf und das wütende Lärmen war laut und deutlich im gesamten Zirkuszelt zu vernehmen. Einige Flammen züngelten um die Mundwinkel des Ungetüms. Das würde im wahrsten Sinne des Wortes ein Spiel mit dem Feuer werden.
    „Du schlägst mir also vor …“, schloss Damian seine Gedanken ab, während er den unbekümmert herumtänzelnden Narren weiterhin kühl betrachtete, „… das ich einen Hinweis auf meine Vergangenheit und einen antiken Schatz als Zusatz erhalte und alles, was ich dafür tun muss, ist, dich so zusammenzufalten, dass du froh sein kannst, wenn du dein Essen danach mit einer Schnabeltasse zu dir nehmen musst?“ Ein schalkhaftes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Braunhaarigen, während er sich abermals für den Kampf bereit machte: „Klingt amüsant!“
    „Wenn man es so ausdrückt, tatsächlich“, antwortete Piero freundlich und ohne den leisesten Hauch von Ironie in der Stimme, bevor er mit einem Schnippen seiner Finger das Schlachtfeld leerte. Urplötzlich lösten sich sämtliche Menschen und Tiere, bis auf die beiden Kontrahenten sowie Adrian, Laila und die Chimäre, in Luft auf und hinterließen nur ein paar ihrer Accessoires. Zeitgleich spürte Damian wie sein Körper wieder von Energie durchflossen wurde. Überrascht stellte er fest, dass all seine Erschöpfung und jegliche Wunde, die von den vorherigen Kämpfen, ja, selbst von seiner Begegnung mit dem Höllenhund, wie weggewischt zu sein schien. Er war bei voller Stärke und hatte alle Möglichkeiten offen. Leicht fragend blickte er zum Narren, der nun einige Meter von ihm entfernt weiterhin levitierte und dem Zauberschüler ein höfliches Lächeln schenkte.
    „Damit es gerecht bleibt, habe ich deine sämtlichen Behinderungen ausgemerzt!“
    „Gut!“, grinste Damian und machte sich kampffertig, den Stab in den Händen und bereit loszulegen. „Jetzt kann der richtige Spaß beginnen!“
    _ _ _
    27. Kapitel mit 2700 Wörtern.

  • [tabmenu]
    [tab=':3']
    Sou, wird wieder Zeit sich zu melden, ne? Wenigstens ist es die halbe Anzahl an Kapitel wie zum letzten Mal ...
    However, mal sehen was sich dieses Mal rausholen lässt ~
    [tab='Lack und Leder']
    So, endlich sieht man Marie mal in Aktion, und dann noch gegen die widerliche Schönheit Kleo. Ich war gespannt, wie du das enden lassen würdest ~ Kleo hat sich letztes Mal ja doch als gekonnt und recht grausam erwiesen, wenn man so noch an Laila denkt ....
    Arg, ich muss immer wieder umdenken, dass der Kampfplatz sich ändert. Kleo war vorhin noch in einer kalten Eislandschaft, und jetzt ist man in einer staubigen Arena , in denen seelenlose Zuschauer in der Tribüne sitzen. (Anbei doch wieder gelungen die Umgebung beschrieben. Besonders die besondere Art der Zuschauer fand ich doch ganz interessant, da die noch was leicht beängstigendes und eventuell auch mysteriöses mit in die Atmosphäre einfließen lassen; "seelenlose Marionetten, illusionäre Puppen, einzig dazu erschaffen worden den falschen Schein des „Spiels“ zu wahren, indem sie in einer längst vergessenen Sprache brüllten, riefen, johlten und kreischten", wirklich nice muss ich sagen ~)
    Ein Kampf ohne Beschränkung soll es sein, fast schon schade, dass Kleo sich dabei durchgesetzt hat, aber auch nicht wirklich verwunderlich bei dem Charakter. Fraglich als Leser war dann nur noch, wie Marie da noch eine Chance hätte. Schließlich hat Kleo ihre Peitsche und das Element Wasser auf ihrer Seite, mit denen sie Sie gut auf Abstand halten kann. Allerdings hast du als Autor natürlich daran gedacht und dir ein wirklich feines Kampfszenario ausgedacht, damit es doch den Anschein hat, dass beide gleich auf sind, und das ist imo doch irgendwo wichtig. Es wäre enttäuschend, wenn man als Leser schon ständig den Gedanken auffassen würde, dass man einer der kämpfenden maßlos im Vorteil ist; ein überraschender Sieg der Unterlegenden kommt dann meist nicht wirklich plausibel vor. Bei deiner Kampfszene hat man aber aber schon eher die Vermutung, dass Marie, trotz des Handicaps, noch gewinnen könnte, und das auch zu recht. Marie ist eher schnell, wendig und zeigt ihre Kraft im Nahkampf und im analysieren des Feindes - konnte man zumindest hier sehen, da sie sich klar zum Ziel machte die Hauptwaffe der Kontrahentin unschädlich zu machen. Sie kommt Kleo mehrmals gefährlich nah, anstatt so, dass sie immer dauerhaft auf Distanz gehalten wurde; gut zu Ende des Kapitels war es teils auch so wegen den Wasserkugeln, aber davon gut abgesehen, musste es so sein. Es ist zwar etwas lästig und für mich persönlich etwas schwer vorzustellen, dass die Peitsche doch mehrmals im letzten Moment Maries Angriff kontert, aber so bleiben doch beide teils auf gleicher Höhe ~ Was mir anbei auch noch vom kämpferischen gefiel, war die Yin-Kraft von Marie. Gewundert hat es mich nicht, da der Rotschopf östliche Kampfkünste erlernt hat, zumindest sehe ich da einen starken Bezug. However, ich fand das doch ganz interessant, was du dir dabei gedacht hast. Das gleichte die beiden Kämpfer doch ganz gut aus; wie Clio schon davor sagte "konventionelle Magie". Auch den "Tanz der Schlangenschwinge“ fand ich interessant, dass du sowas in die Richtung beschreibst und einnimmst. Ich finde solche anmutigen Dinge doch ganz fein, und es passt hier in dem Fall auch gut, da es dadurch eine Wende gibt, die das Kampfgeschehen auf einen anderen Level bringt. Insgesamt, eine gelungende Kampfbeschreibung zwischen zwei verhassten Frauen, die in einer Arena kämpfen.
    Was lässt sich noch sagen ...? Hmm, mir gefiel außerdem noch, dass du die Umgebung ein wenig mehr mit einbezogen hast. Die Beschreibungen über den Ort hast du wie gesagt schön hinbekommen, aber was mir auch nebenbei auffiel, dass du Dinge wie aufwirbelnden Staub oder den Zusammenstoß zwischen Erde und Wasser erwähnst; ist dezent ~ Wo ich aber Clio leider zustimmen kann, ist die Sache mit der Nachtigall. Wenn, dann eine kleine Beschreibung zum Aussehen vom Flattermann da oben; ich selber musste erstmal nachdenken, wie einer nochmal aussieht. Ist aber nur klein und nebensächlich,ansonsten rückst du den Vogel ungewöhnlich sehr ins Rampenlicht. Anbei bin ich auch froh, dass du Maries Verletzung vom ersten Angriff so dezent beschrieben hast. Manche würden da sicher gleich über Blutlachen schreiben wollen ...
    Jedenfalls, wie erwartet ein kleiner Cliffhanger von dir. Für ein solchen Kampf nur ein Kapitel wäre bei dir mittlerweile fast schon merkwürdig. xp
    [tab='Schneeflame']
    Gut, dass der Pfeil von Kleo zerstört wurde. Wäre imo nur unnötig gewesen, wenn Marie wieder am Anfang unterlegen wäre.
    Oh, an eine Yang-Kraft hast du auch gedacht. Fein, sollte nicht großartig überraschen, dass das die zwei bekannten Gegensätzen sind, die man auch bildlich in Schwarz und Weiß trennen kann. Ying scheint mehr die schnelle und hektischere - meinetwegen kühle - Methode zu sein, als die wie beschrieben warme und langsamere, aber effektiver Yang-Kraft. Ich glaube du hast dir schon Gedanken um diesen Angriff gemacht; das es wirklich zwei verschiedene Arten gibt, die auf ihre Weise gut sind und sich unterscheiden. Nach all dem wirkt Marie auch bei weitem nicht mehr so zierlich, wie es mir bisher erschienen ist. Sie zeigt sich doch eher mächtig. Was mich aber ein wenig stutzig machte ... Marie schoss eine Kraft aus dem Schwert: War die Kraft wie zuvor nicht sichtbar? Und zweitens finde ich es etwas verwunderlich, dass nur die Peitsche so arg betroffen wurde, Kleo aber - trotz nicht gemeisterte Attacke - geradezu völlig unversehrt dar steht. Schließlich steht sie schnell auf kreischt wieder um sich rum. Soweit ich weiß ist so eine Peitsche aber doch relativ stabil, komisch, dass Kleo dann mit ihrer zarten Haut keine größere Blessuren davon bekommen hat. Ohnehin, sie wurde davon sogar noch weggeschleudert, von daher erwartete ich eher schlimmeres für sie. Oh, und ich hoffe Ausdrücke wie "Schlampe" kommen nicht allzu sehr oft vor in deiner Geschichte. Ich persönlich habe jetzt kein Problem damit, aber andere vielleicht. Wollte es einfach noch mal anmerken und so.
    However, das Kleo wieder ihre krassen Wutausbrüche kriegt müsste jeder Leser bis hierhin voraussehen können, und ab da schien die Sache wieder ein Wende zu bekommen. Allein schon, dass die Blonde so viel Wasser beschwören kann, macht sie fast schon etwas sehr mächtig, zu Anfang gar nicht zu erwarten von ihr. Jedenfalls macht es die Sache wieder spannender, als Marie vom siedendem Wasser getroffen (Irgendwie verdammt grausam. x_x Will mir den Schmerz nicht vorstellen, die deine Protagonistin da durchmacht.) wurde und im entstandenem Morast mehr oder weniger feststeckt. Die darauffolgende Szene mit dem Voranstürmen und dem Zerbrechen der Klinge war ein ständiges Hin und Her. Mal war Marie am Zug und schien den letzten Angriff zu machen, mal war wieder Kleo näher dran. Wenn es sich zu oft überbietet, wird es unter Umständen etwas uninteressant, von daher sollte man auch eine gewisse Grenze haben, wie weit und lange der Kampf gehen soll. Ich finde es schon schade, dass es sogar soweit kommt, dass das Schwert zerbricht, da ich mir gewünscht habe, dass es bald endet mit denen, aber so geht es ja nur weiter, und das mit einem Szenariowechsel zu Damian. Das ist aber wieder nur meine Ansicht der Dinge, von daher braucht man es nicht gleich auf die bare Münze zu nehmen.

    Ein Schmetterling der sich so weit verirrt. Hm, das erinnert mich so sehr an den Film "Der seltsame Fall des Benjamin Button", in dem sich in einer Szene ein Kolibri sehr weit im Meer oder Ozean verlogen hat. Zumindest erscheint das für mich eine zufällige Parallele zu sein. Bist du auf die Idee selbst gekommen, das mit dem Schmetterling, welches sich so weit verfliegt? o:
    Wie dem auch sei, der Kampf zwischen den beiden Junges schien mir eigentlich zu Ende zu sein, aber vergebens. Man muss Elias schon lassen, dass er Aufgeben nicht kennt. Der Konfront verlief derweil eher dezent als kräftig. Es ist wieder mal jut, dass du die nähere Umgebung beschreibst und ein wenig die Umgebung mit einnimmst wie die heiße Lava, deren Nähe schon zu Verbrennungen führen kann. Leider sehr schade finde ich, dass der Sieg zwischen den Beiden weiterhin unklar ist. Du spannst den Leser etwas auf die Folter damit; ist nicht schlimm oder so, aber ich wenigstens habe mir gewünscht den Part der Geschichte abzuschließen. Da hätte man trotz hoher Wortzahl weiterschreiben können ~ However, da schreibe ich dir nichts vor, du bist der Autor. ;) Allerdings, auch wenn mir das Hinziehen und Weiterkämpfen nach der Zeit nicht mehr ganz so gefällt, den Kampf zwischen Elias und Damian habe ich trotzdem mit Spannung verfolgen dürfen, ebenso auch Kleos und Maries. Auch wenn ich ein wenig rummeckere, dass mir dies und das zu lang ist, es ist nach wie vor sehr gelungen. Die Charaktere wirken weiterhin authentisch - besonders der arrogante Damian, wenn er wieder bewusst provoziert ~

    Wollte ich nur mal gesagt haben, damit nicht der Eindruck entsteht, dass ich sagen würde, dass du was völlig verkehrt gemacht hast. Man sehnt sich langsam wieder zu den anderen "gewöhnlichen" Parts vom Abenteuer, falls du verstehst, was ich damit meine. Man braucht nach all dem ein klein wenig mehr Abwechslung zum lesen, schließlich leiden die Charakter schon gut genug, ne? ^^ Ich will versuchen nicht immer nur was Positives zu sagen, sondern auch Kritikpunkte finden; an sich müsstest du ja wissen, was ich von deinem Werk halte ~
    [tab='Lichterloh']
    Wie lange sich die Beiden nur gegenüberstehen ... Wundert mich, dass überhaupt jemand von denen Kraft hat. Elias zum Beispiels war ja davor schon völlig am Ende, kann aber trotzdem noch einen starken Angriff überstehen, um danach wieder etwas vorzubereiten. Zudem, der Konfront zwischen den Beiden ist zwar super beschrieben, aber man sollte versuchen ein Maß je nach Situation zu finden, damit es sich nicht hinzieht. Nach all dem will man das Ergebnis lieber sehen. Heißt nicht, dass man sich in Zukunft zwanghaft kürzen soll, sondern versuchen sollte nicht zu großzügig alles ins Detail zu beschreiben. Vorwiegend meine ich aber an diesem Kapitel den Abschnitt nach dem ersten Angriff (also nur von hier dem Kapitel aus) und kurz vor dem Zweiten. Es zieht sich da etwas hin, ansonsten passt es ja vorwiegend.
    Jedenfalls, der darauffolgende Aufprall erschien mir wie der Letzte zu sein, nur größer; ich war schon etwas enttäuscht davon, aber dann kamen die Beiden ja in diesen weißen und leeren Raum. Ich war überrascht und dachte, man entschied sich einfach, dass beide verloren hätten, aber deine Idee fand ich im Endeffekt bei weitem besser. Das brachte endlich mal etwas Ruhe und Übersicht in den Kampf bzw. in die Lage der Beiden. Vor allem änderte sich ab dann alles bei ihrer Streitigkeit, da keine Magie dort möglich ist. Damian spielte zwar wieder mal zu sehr mit dem Feuer und es sah auch aus, als ob er endlich verloren hätte, aber mit dieser kecke und dreiste Methode zu siegen ... ich hab daran wirklich Gefallen gefunden, wie er einfach Elias überrumpelte. ;D Die Szene hat mir wirklich gefallen; da ging es mal zur Abwechslung nicht um aufwendige Umgebungen oder Angriffe, die sonst weiß ich wie aussehen. Einfach eine simple Konfrontation mit Schwert, Stab und Mundwerk ~

    Hmm, das Ende von Maries und Kleos Kampf ... Es ist fast schon schade, dass es auf die Weise so abrupt endet. Man erfährt so irgendwie nie, wie es mit den Beiden zu Enden gegangen wäre, wobei wenn, dann hätte ich leider auf Kleo getippt, da sie mit ihrer Magie einfach im Vorteil wäre. Der ganze Showdown quasi umsonst, schade für die Beiden. (Okay, nur schade für Marie wegen ihrem Schwert. x3) Allerdings ergibt der Nachtigall so wenigstens auch Sinn; ihn hast du irgendwie auffällig dargestellt, sodass er im Kopf eines blieb. Ebenso auch der jene Schmetterling beim Vulkan. Frage mich aber trotzdem, ob du dich von dieser Idee irgendwie inspirieren gelassen hast.
    Das das Ganze lediglich nur eine Prüfung war, ist verwunderlich, eine Üerraschung. Das all das als Prüfung geplant wurde ... aber das Piero die Gruppe nicht umsonst irgendwo hinschickt war ja schon von Anfang an klar. Scheint doch ein bedeutender Charakter zu sein, der wohl mehr weiß, als er verrät.
    [tab='Im Flamenring']
    Endlich wieder Piero in voller Aktion ~ Der Hofnarr war immer schon merkwürdig, unheimlich und mysteriös drauf, aber das machte ihn bisher doch schon etwas interessant.
    Ha, wie sich die Kleidung von Damian einfach mal geändert hat. So wie ich mir das gerade durch deine Beschreibung - die anbei gut genug gelungen sind, um es sich ohne große Probleme vorzustellen - vorstelle, sieht das fast schon ein wenig affig aus.^^ Kein Wunder, dass sich der junge Herr darüber gut aufregt ~ Wie auch immer, interessanter ist, wo er gerade ist bzw. wieso gerade sich der Ort nach Piero richtet. Es ist schon merkwürdig genug, dass der Narr überhaupt dort auftaucht, aber gleich auch das Szenario beherrscht? Nun ja, ein Zirkus. Entweder man wusste Bescheid, dass Damian diese nicht aussteht, oder Piero scheint allgemein Freude dabei zu haben; oder beides. xp Jedenfalls quälst du deinen Protagonisten aber schon ein Stück nach all dem ~ Kann mir die Stimmung in solch einem schwülem und vollem Zirkuszelt gut vorstellen ... und die ist nicht wirklich schön.
    Wie sich Damian die Nerven wegen dem Clown kaputtmacht ~ Ich muss ein wenig grinsen, wenn ich sehe, wie gelassen Piero im Vergleich zu Damian ist. Piero wäre aber nicht der, wenn sich an der Stimmung dort nichts getan hätte. Man hat tatsächlich den Narr einmal mit ernstem Ton hören können, das ist doch mal besonders und sicher auch sehr selten. Geradezu erschreckend war aber, was man für eine Wette einging. Das ist schon etwas hart und ich hätte ihm sowas kaum zugetraut, sofern das alles kein Bluff ist. Könnte alles noch sehr interessant werden, erst recht, da es sich um einen ungewöhnlichen Charakter handelt, von dem man im Grunde nichts weiß. Von daher bin ich mir fast schon sicher, dass Damians Zuversicht ihn schneiden wird, aber man wird ja alles schon sehen ~
    Das Kapitel war mal wieder eine gute Abwechslung, quasi eine Pause zu den anderen, und das tat auch gut. Es scheint zwar nur ein Vorspiel auf das Kommende zu sein, aber da kann man sich wohl auch drüber freuen ~


    Anzumerken ist, dass bisher kaum je Fehler waren, nur im aktuellsten Kapitel hier haben sich doch ein paar Auffällige eingeschlichen. Nichts großartiges, aber wie immer vermeidbar.

    [tab='Fazit und so']
    Ich weiß, ich sollte mir abgewöhnen mehrere Kapitel gleichzeitig zu kommentieren, da ich mich so nie voll und ganz auf eines konzentrieren kann. Man sieht ja, dass die Länge zu den einzelnen immer kürzer wird ...
    Wie dem auch sei, war mir wie immer eine Freude weiterzulesen ~ Kontrapunkte konnte ich dieses Mal auch erwähnen, wobei diese jetzt auch nicht der Renner sind. Positives brauche ich nicht wieder ellenlang zu erzählen. :) Ich kann nur sagen, dass ich weiterhin gespannt sein darf, was du uns so auftischst ~
    [/tabmenu]

  • Höllenfeuer


    Sofort begann Damian mit seinem Angriff. Diesmal war keine Zurückhaltung nötig. Um ihn herum erschien ein weiteres Mal der magische Zirkel und er wurde abermals von dem roten Licht umgeben, ein Zeichen, dass er sich erneut auf einen Zauber der zweiten Stufe vorbereitete. Er spürte wie die Magie durch ihn floss, ähnlich eines Blitzes, der schnell und aufschreckend durch seine Adern strömte; wie sein Stab die Energie aufnahm, quasi aufsaugte, gierig wie ein halbverdurstetes Tier und die Kraft durch das mystische Pentagramm vervielfacht wurde. Die Luft um ihn herum flimmerte vor lauter Macht, die elektrifizierend und einem Gewitter gleich die Atmosphäre drückte. Fast erschien es als ob sich der Raum für einen kurzen Augenblick verdüstern würde, obgleich der magische Zirkel mehr Licht als Schatten spendete. Inmitten dieses Schauspiels überirdischer Kräfte war der Zauberschüler als Zentrum des Angriffs. Die Augen voller kühler Entschlossenheit auf das Ziel gerichtet, rief er laut: „Flammenseele: Echsenschuss!“
    Wie zuvor bereits entlud sich der gesamte Druck, der sich innerhalb seines Katalysators aufgebaut hatte, in nur wenigen Sekundenbruchteilen mit einem gewaltigen Krachen, welches das gesamte Zirkuszelt erschüttern ließ. Vom Ring des Mönchstabes aus schoss ein unvorstellbar heißer Strahl purpurnen Feuers auf Piero zu, konzentriert, als ob die Flammen zu einer unglaublichen, alles zerstörenden Masse gepresst worden waren. Dieser Zauber war stark genug um ein Haus vollkommen zu pulverisieren, die bloße Nähe zu dieser Flamme war für jeden Menschen bis auf den Anwender tödlich. Unter normalen Umständen hätte der Magier nie zu so rabiaten Mitteln gegriffen um den Sieg zu erlangen, doch dieses Mal war es anders. Sie befanden sich in einer Illusion, einer sehr realitätsnahen zwar, aber dennoch nur in einem Gedankenspiel. Egal, was hier auch geschah, es war unmöglich, dass sich dies auf ihre Körper in der Wirklichkeit auswirken konnte. Deshalb war er frei Piero nun voller Genuss der verdienten Prügel zu unterziehen, die schon seit der ersten Begegnung überfällig gewesen war und zwar ganz ohne Tabus oder Beschränkungen. Diesmal hieß es kein Erbarmen.
    Der Narr indes schien von den sich ihm näherenden Flammen nicht beeindruckt zu sein, da er ihnen weiterhin mit der Ruhe eines verträumten Faultieres entgegenblickte. Damian lächelte kurz selbstgefällig auf. Falls dieser Idiot wirklich dachte, diese Attacke konnte ihm nichts anhaben, war er entweder extrem leichtsinnig oder extrem unwissend. Beides gereichte dem Magier zum Vorteil.
    Wenige Sekunden später hatte das purpurne Feuer den jungen Mann umschlossen und vollkommen eingenommen. Wütend brüllend wie ein wildes Tier loderten die Flammen, alles zerfressend, was sich ihnen in den Weg stellen würde, keine Gnade zeigend. Damian grinste selbstzufrieden, während er beobachtete wie sein Angriff sich langsam lichtete. Dieser Kampf war vorbei.
    Doch entgegen seiner Erwartungen löste sich die Illusion nicht auf. Stattdessen konnte er langsam eine Silhouette im Feuer ausmachen, einen herumtänzelnden Schatten, der nicht im Entferntesten so wirkte, als würde er gerade an höllischen Verbrennungen zu Grunde gehen. Doch bevor Damian seine Reaktion an die neue Situation anpassen konnte, wurden die tiefroten Flammen auch bereits komprimiert und in der Hand Pieros zu einem winzigen Ball konzentriert. Vor Schock und Unglauben gelähmt betrachtete der Zauberschüler wie Piero sanft gegen den Feuerball hauchte, welcher sich daraufhin zu einem Dutzend violett flammender Schmetterlinge verformte, die sich ihm langsam und unnatürlich glitzernd näherten.
    Ohne wirklich darüber nachzudenken erhob sich Damian in die Lüfte, um einige Meter Abstand zwischen sich und die merkwürdigen Geschosse zu bringen, während sein Kopf weiterhin versuchte, das zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Wie konnte es nur sein, dass ein einfacher Narr wie Piero es geschafft hatte, einen Feuerzauber der zweiten Stufe abzuwehren und ihn für sich selbst zu nutzen. Der junge Mann war noch nie mit violetten Flammen konfrontiert worden, aber er konnte mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass dies Feuer der dritten und damit zweitstärksten Stufe waren, eine Naturgewalt, die nur wenige Menschen beherrschten.
    „Der Typ ist alles andere als ein einfacher Narr!
    “, fluchte Damian in Gedanken, während er im Zick-Zack hinter sich positionierten Pfeilern ausweichend immer weiter zurückflog, um den sich bedrohlich langsam näherenden Schmetterlingen zu entkommen. Alles ergab plötzlich einen Sinn, wie er von diesem Ort gewusst hatte, sich in die Illusion hatte einschleusen können und die Multifunktionsverbindung abgehört hatte. Aber wer war er? Ein Feind seines Meisters? Aufgrund seiner Affinität zu Feuermagie gut möglich. Jemand aus seiner Vergangenheit? Das würde erklären, wieso er gerade Damian aufgesucht hatte. Hieß das, er konnte ihm vielleicht wirklich etwas über seine verlorenen Erinnerungen sagen?
    Wie dem auch sein mochte, nun war es erst mal wichtig, diesen Clown zu besiegen und nicht von seinen Angriffen getroffen zu werden. Eine Berührung mit diesen Schmetterlingen hieße das Aus, Damian wollte sich ihre gewaltige Explosionskraft lieber erst gar nicht ausmalen. Wenn er diesen Kampf überstanden hatte, konnte er seine Fragen stellen. Jetzt musste er vollkomme Konzentration zeigen.
    „Und Damian-kun?“, rief Piero dem Magier fröhlich von unten zu, indes machte er keine Anstalten eine Angriffssalve zu starten, obwohl er seinen Gegner bereits ziemlich in die Enge getrieben hatte. „Wie gefällt dir mein Symphonisches Feuer?“ Inzwischen levitierte auch er, jedoch, so wie immer, kopfüber, während seine Narrenkrone den Gesetzen der Physik trotzte. „Nachdem du mir all dieses Material zum Bearbeiten gegeben hast, dachte ich mir, dass Falter am angebrachtesten wären. Du weißt ja …“, er schenkte dem jungen Mann ein freundliches Lächeln, „… als Symbol des nächsten Lebens.“
    „Symphonische Magie, also belebtes Feuer!“, erkannte der Magier und biss sich auf die Unterlippe. Dieser Umstand bestärkte ihn nur in seiner Annahme, dass der Narr ein perfekt ausgebildeter Feuermanipulator war, diese Art der Elementnutzung war hoch kompliziert und benötigte sehr viel Training und Begabung. Bis jetzt hatte er nur eine Person getroffen, die in der Lage gewesen war, Feuer zu beleben und das war sein Meister gewesen. Selbst dann waren es nur normale Flammen gewesen, keine Magie der dritten Stufe.
    Langsam kam er ins Schwitzen. Piero schien weitaus mehr Expertise als Damian zu haben und zu allem Überfluss konnten seine Kreationen den jungen Mann unabhängig von ihrem Meister angreifen. Wenn der Clown sich nun dazu entschied ernst zu machen und keine Zurückhaltung zu zeigen, wäre es mit ziemlicher Sicherheit aus für ihn. Er musste die Situation also ausnutzen solange Piero noch mit ihm spielte. Blitzartig und unerwartet zuschlagen, um das Ganze zu beenden, bevor die Situation völlig eskalierte. Das einzige Problem stellten nur die Falter dar. Eine Berührung und alle Hoffnungen auf den Sieg waren Geschichte, doch um sie auszuschalten, musste er zu ihrem Meister gelangen. Aber leider konnte er den Narren nicht erreichen, während sie zwischen ihnen waren. Es war ein Teufelskreis. Die einzige Lösung, die ihm noch offen stand, bestand darin, die Flammengebilde zu zerstören und gleichzeitig ihren Erschaffer anzugreifen. Aber wie sollte er das anstellen?
    Einer der Falter, seicht durch die Luft flatternd wie ein vom sanften Frühlingswind getriebenes Blütenblatt, streifte sacht einen Sitz der Tribünen über denen Damian schwebte. Der junge Mann riss entsetzt die Augen auf, doch es war bereits zu spät. Die Explosion, die daraus erfolgte, war so stark, dass es jedes normale Zirkuszelt pulverisiert hätte, doch da es sich um eine Illusion handelte, weitete sich der Raum nur weiterhin ins Unendliche aus, die Druckwelle in seinen unwirklichen Weiten gefangen haltend. Staub wirbelte auf und schluckte die Sicht, einzig Adrians hysterisches Quieken zeugte noch davon, dass sich Menschen in diesem Chaos befanden.
    Damian konnte weder vor noch zurück. Er war zu nah an der Detonation gewesen und die Schockwelle, die gefolgt war, hatte ihn bis ins Mark erschüttert. Er wusste nicht ob er flog oder fiel, hatte jeglichen Orientierungssinn verloren. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und langsam spürte er wie es um ihn herum schwarz wurde. Er versuchte gegen die Ohnmacht anzukämpfen, sich wieder zu fangen, um weiterzukämpfen, doch trotz aller angestrengten Versuche waren die Ergebnisse nur sehr dürftig. Was konnte er nur tun? Langsam fielen seine Augen zu …


    Ein sanfter Wind wehte durch den fremdländisch anmutenden Garten und lies die langen Gräser sacht zur harmonischen Melodie tanzen, die die säuselnden Blätter der Gewächse und das unaufhörliche Plätschern des Wassers vorgaben. Ein paar kleine Bäume spendeten Schatten und schotteten vor der unaufhörlich von oben herab scheinenden Flammenscheibe ab, während der strahlend blaue Himmel höchstens von vereinzelten großen, weißen Schönwetterwolken verdeckt wurde. Die zum Großteil exotische Büsche bewohnende Anlage war geprägt von Hügeln, die nur durch wenige winzige, sich durch die Erde schlängelnde Bächlein geteilt wurden. Jene mündeten in einen klaren Teich zu dem ein schmaler Weg weißen Kieses führte, welcher sich ähnlich dem Wasser zwischen kniehohen Bäumchen und großen, weißen Gesteinsbrocken wandte. Jene machten den Anschein als hätten sie hier bereits seit Anbeginn der Zeit gestanden, jedoch waren sie nur aus rein ästhetischen Gründen in den Garten importiert worden. Am anderen Ende des Ufers konnte man ein exotisches Gebäude erkennen, ähnlich eines Pavillon jedoch weitaus größer. Ein paar, kleine buntgesprenkelte Vögel saßen auf den schrägen Keramikdächern des Hauses und putzten sich, während ein Baumhörnchen auf dem Ast eines der größeren Bäume saß und interessiert seine Umgebung beobachtete. Die Luft war erfüllt vom Summen der vielen Insekten, die über die Wasseroberfläche zischten und dem Geruch unterschiedlicher exotischer Blumen, jeder verführender als der andere.
    Inmitten dieser Idylle lag ein Junge, nahe dem Wasser, in dem er offensichtlich zuvor gebadet hatte. Das nasse, dunkelbraune Haar klebte ihm auf der Stirn, während seine Augen geschlossen waren, da er offensichtlich schlief. Sein entblößter Oberkörper zeigte bereits einen furchtbaren Sonnenbrand und war ebenfalls noch nass vom Bad. Die einzelnen Wassertropfen, die man auf der durchaus blassen Haut vorfinden konnte, glitzerten brillant in der Sonne, das Licht brechend und zerstreuend, wodurch es wirkte, als würde der Junge glänzen wie ein Diamant. Für seine dreizehn Jahre war der Schlafende durchaus kräftig gebaut und dadurch, dass er noch nicht viel gewachsen war, wirkte er noch breiter als ohnehin schon. Die ausgeprägte Muskulatur zeugte von dem vielen Training, das er hinter sich haben musste, eindeutig harte Arbeit, motiviert durch einen strengen Lebensstil.
    „Meister Damian!“
    Sofort schreckte der Junge auf und blickte sich alarmiert um. Sein Lehrer hatte ihn gelehrt niemals unachtsam zu sein, sich unter keinen Umständen Blöße zu geben und doch war er eingeschlafen. Eigentlich sollte er gerade in diesem Moment im Dojo sein, um den Kampf ohne Magie zu üben, doch er hatte sich weggeschlichen, um sich ein wenig zu entspannen. Wenn das rauskäme, würde es Strafe geben. Hoffentlich hatte der alte Sklaventreiber ihn nicht entdeckt … und warum tat sein Oberkörper so weh?!
    Erst nach und nach beruhigte der Braunhaarige sich wieder und er erinnerte sich, dass es eine Mädchenstimme gewesen war, die ihn aufgeweckt hatte. Außer wenn heute Verwandlungen drangenommen wurden war er also in Sicherheit. Sein Blick traf auch schon bald auf die Ruferin: Eine junge Dame, vielleicht drei oder vier Jahre älter als er, eilte den Kiesweg auf ihn zu. Blass geschminkt waren ihre Gesichtszüge trotzallem stark östlich, wodurch sie äußerst exotisch wirkte. Das lange, rabenschwarze Haar hatte sie sich mit einer goldenen Nadel hochgesteckt, während ihre dunkelbraunen, warmen Augen den Amateur-Magier interessiert betrachteten. Ihre Kleidung bestand aus einem efeugrünen, langärmlichen Oberteil und einer schwarzen Hose über die sie eine weiße, mit Rüschen bestickte Schürze gespannt hatte. Ihre schlichten Holzschuhe knirschten auf dem Kies.
    „Oh, hey, Mei!“, rief Damian ihr freundlich zu, wobei er schnell aufstand, um sich dann betont lässig gegen einen Baum zu lehnen. Er kümmerte sich gar nicht erst darum sich sein Oberteil anzuziehen, stattdessen spannte er den Bauch kaum merklich an und schenkte der älteren Frau ein zähneblitzendes Lächeln.
    „Lord Aden verlangt nach Euch“, berichtete die Meid ihm höflich und deutete zur ehrvollen Begrüßung eine Verbeugung an. Sie hatte die Augen abgewandt, schließlich war es schamvoll einen Gast unbekleidet zu überraschen. Der junge Mann ließ enttäuscht den Kopf senken und bückte sich um sein Oberteil aufzuheben und sich über die Schulter zu werfen. „Danke für die Info“, er nickte der jungen Dame zu, um dann noch im Vorbeigehen noch flüsternd hinzuzufügen: „ Wir treffen uns heute Abend an der Brücke.“
    Mit einem zufriedenen Lächeln registrierte er wie sich die Wangen des Mädchens knallrot färbten und er begann fröhlich pfeifend zum alten Gebäude auf der anderen Seite zu gehen. Wenig später fluchte er laut auf, als er bemerkte, dass auch er, allerdings aus leicht anderen Gründen, krebsrot geworden war.
    Mei unterdessen rannte raschen Schrittes zu einem Busch in der Nähe hinter dem eine weitere Bedienstete hockte. „Er trifft sich mit mir!“, quietschte sie nun aufgeregt wie ein kleines Schulmädchen und kniete sich zu der anderen hin. Inzwischen redete sie in ihrer Muttersprache anstatt dem perfekten Aqueanisch, welches sie zuvor gesprochen hatte.
    „Nein!“, entgegnete die zweite Meid, welche für das westliche Auge nicht von der ersten zu unterscheiden war, ungläubig, aber ebenso begeistert.
    „Doch, Yuli!“, bestätigte Mei und blickte dem jungen Magier verträumt hinterher. „Das beweist es, wir sind füreinander geschaffen!“
    „Hey, was macht ihr da!“, rief eine dritte Meid, die gerade einen Korb voller Wäsche durch den Garten trug und die beiden anderen gesichtet hatte. Ihre Miene war streng und ihr Haar leicht unordentlich, aber ansonsten sah sie aus wie das Spiegelbild von Yuli.
    „Hi, Yuni!“, begrüßten die beiden ihre Mitarbeiterin und begannen sofort die neu Hinzugekommene in ihr Geheimnis einzuweihen. „Rate mal wer Mei ausgefragt hat!“
    „Wer?“
    „Na, Meister Damian, du Dussel!“
    „Was?! Aber - aber er ist doch schon mit mir zusammen!“


    Die Luft des kleinen Raums war erfüllt vom Qualm abbrennender Räucherstäbchen, welcher sich über alles wie eine undurchsichtige Nebelschicht legte. Als der Junge eintrat kniff er kurz die Augen zusammen, die sich erst an diese Umstände gewöhnen mussten und deshalb leicht tränten. Er unterdrückte den starken Drang zu husten und versuchte zwischen all den gräulichen Schwaden seinen Lehrer ausfindig zu machen.
    Aden saß auf der anderen Seite des Raumes. In tiefer Meditation schwebte er, die Beine im Schneidersitz gefaltet, die Hände im Schoß und die Augen geschlossen, knapp oberhalb der Reisstroh-Matte unter ihm. Seine Kleidung war dieselbe wie die seines Schülers, einzig in der Farbgebung unterschieden sie sich. Während der Junge helle und fröhliche Farben trug, war das Kostüm des alten Mannes dunkler und zurückhaltender.
    Das Gesicht des Feuermeisters zeugte von seinem hohen Alter. Braungebrannt und von vielen Falten gezeichnet war es, trotz seiner harten Züge, das Gesicht eines Denkers. Die markante Adlernase hielt die feine Halbmondbrille, während das starke, mittellange, graue Haar zurückgekämmt war, sodass es dem Mann nicht in die hohe Stirn fiel. Die ausdrucksvollen Wangenknochen und der säuberlich feingestutzte, grau-schwarze Bart ließen Aden fast wie einen Adligen wirken.
    Als sein Schüler eintrat und leise die Schiebetür hinter sich schloss, schlug der Magier seine dunklen Falkenaugen auf und sank lautlos zurück auf den Boden, wobei sein Blick sich in den seines Schülers bohrte. Damian, der sich inzwischen zwar schon daran gewöhnt hatte, dem aber trotzdem immer noch ein wenig unwohl war, wenn er sich in der Gegenwart seines Meisters befand, wippte vor und zurück und mied Blickkontakt. Immer wenn ihn der Feuerbändiger ansah, fühlte sich der Junge, als wäre sein Kopf transparent und man könne jeden einzelnen Gedanken darin lesen wie in einem offenen Buch. Das war ziemlich unangenehm, selbst nach gut zweieinhalb Jahren noch.
    Ein kurzer Moment der Stille kehrte ein bevor Aden seinem Lehrling mit einem leichten Nicken signalisierte, dass er sich setzen sollte. Damian ließ sich leise nieder und nahm nun Augenkontakt mit seinem Gegenüber auf. Sein Meister hatte meditiert, wie so häufig in letzter Zeit und Damian war es zur unliebsamen Aufgabe geworden mit den jungen Lehrlingen in der Schwertkampfschule den Umgang mit dem Stab zu erlernen. Der junge Mann hatte in den letzten Tagen spekuliert, woran es liegen konnte, dass Aden oftmals so abwesend war und sich immer wieder wegschloss, um lange Gespräche mit dem obersten Weisen dieser Einrichtung zu führen. War etwas geschehen, das dringender Notwendigkeit bedurfte. Neue Hinweise auf Damians Vergangenheit? Aber das konnte nicht sein, sonst hätte ihn sein Meister längst eingeweiht. Geschah vielleicht etwas in Aquea? Wenn ja, was genau?
    „Symphonisches Feuer!“, sagte Aden plötzlich in den für ihn üblichen harschen Ton und riss seinen Schüler somit aus dessen Gedanken. „Was kannst du mir darüber sagen?“
    „Symphonisches Feuer ist eine spezielle Art der Feuermagie, bei der der Anwender seiner Flamme eine Gestalt gibt und sie unabhängig von seinem Willen bewegen lässt“, sprudelte es sofort aus dem jungen Mann heraus als hätte jemand einen Schalter in seinem Kopf umgelegt. Er hätte gelangweilt geklungen, wenn er nicht gewusst hätte, dass Aden so etwas nicht im Geringsten dudelte. So klang Damian einfach mechanisch und gefühllos, während er innerlich die Augen verdrehte. Der alte Mann hatte ihn bis vor einem halben Jahr quasi unter Theorie in Form einer halben Bibliothek begraben und ihn jeden Fakt einzeln in sein Gedächtnis gebläut. Der Junge könnte all dies nicht einmal vergessen wenn er wollte. „Symphonisches Feuer ist eine der drei Unterkategorien der Feuermanipulation und, bei weitem, die schwierigste. Ein Merkmal, welches Symphonisches Feuer von der Technik des Irdischen Feuers unterscheidet, ist, dass es belebt ist, wohingegen Irdisches Feuer unbelebt ist und sich nicht unabhängig von seinem Meister bewegen kann.“
    Aden reagierte kaum auf das Gesagte, was üblicherweise bedeute, dass es korrekt war, sondern fuhr fort Fragen zu stellen: „Schwachpunkte des Symphonischen Feuers?“
    Damian hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, um sich die Informationen zurück in sein Gedächtnis zu rufen, dann antwortete er abermals wie aus der Pistole geschossen: „Symphonische Kreationen des Elements Feuers sind äußerst instabil. Sie lassen sich leicht durch Distanzangriffe außer Gefecht setzen, vorausgesetzt natürlich, dass sie die Energie der Konterattacke nicht aufnehmen und für sich selbst nutzen.“
    Daraufhin kehrte eine kurze Stille ein. Der Junge war recht zufrieden mit sich, dass er es immer noch gewusst hatte, während Aden kurz über den weiteren Tagesverlauf nachzudenken schien. Dann stand er auf und Damian, ganz der disziplinierte Schüler (auch, wenn ihm diese Disziplin aufgezwungen worden war), tat es ihm gleich.
    „Um genau diesen Fall zu vermeiden …“, erklärte der alte Mann, während er sich, von seinem Lehrling gefolgt ins Freie begab, „… wirst du heute eine neue Technik üben, um symphonischen Kreationen zu entgegen treten zu können!“
    Das Bild verschwamm langsam zu einem nicht mehr auseinanderhaltbaren Gemisch aus Farben, während die Stimme seines Meisters in einem Rauschen unterging. Das letzte, was man noch ausmachen konnte, war: „Du wirst deinen Stab brauchen …!“
    Dann schlug Damian die Augen auf.
    _ _ _
    Entschuldigung, dass es erst so super spät kommt >,< Ich bin gerade in Frankreich und wir haben erst gestern Abend Internet-Zugang bekommen. Das nächste Kapitel kommt aber wieder pünktlich.
    28. Kapitel mit 3000 Wörtern.

  • Sou, wie versprochen komme ich noch dazu dir einen Kommi hier abzuliefern ~ Mal sehen was ich so rausholen kann, denn das aktuelle Kapitel ist doch ganz fein gelungen.

    Wo waren wir dran ...? Ach ja, Piero gegen Damian, das sollte ja was großes werden. Meine Erwartungen auf was überraschendes seitens Piero stellten sich doch in die Höhe ~
    Mir gefällt es wie schnell und direkt du in diesem Kapitel anfängst. Man erwartet in dem Fall einen großen Kampf, und denn lieferst du uns auch ganz fix. Was ich auch noch sagen wollte - falls ich das noch nicht getan habe -, es wundert und erstaunt mich immer wieder, wie mächtig all deine Figuren in der Geschichte sind. Allein schon die beschriebene Größe und Stärke Damians Angriff lassen mich ein wenig nachdenken; wie mächtig sind dann die eigentlichen Feinde, und, kommst du als Autor ganz damit mit? Ja, ich weiß, dass solch ein Angriff nicht gewöhnlich und normal einsetzbar ist, das habe ich ja noch mitgekommen können, aber trotzdem das man es überhaupt beherrscht ~ Jedenfalls, wenn du weiterhin mit deinem Schreibstil glänzt, werden uns noch genug solche Kampfszenen erwarten ~
    Jedenfalls, ich mag die Denkweise in diesem Szenario, dass man nichts zu verlieren hat und mal endlich aufs Ganze gehen kann, anstatt Zurückhaltung oder Ähnliches zeigen zu müssen, gefiel mir halt in dem Fall ~ Anbei waren die Beschreibungen, die den Angriff einläutenden doch ganz fein gemacht worden; man konnte sich das Bild des aufspannenden Szenarios doch gut im Kopf vorstellen, was ja das Ziel ist der Sache ist - zumindest ich habe ich es schaffen können; wenn man bei einem Feuermagier Blitze und Gewitter erwähnt, könnte der Eien oder Andere sich was anderes drunter vorstellen, aber egal, ich quatsche wieder nur viel. Den Angriff selbst stelle ich mir mächtig vor, allerdings ... das die Flammen in der Lage sein sollen ein Haus zu pulverisieren - frage mich gerade in welcher Größe - und das schon die bloße Nähe tödlich sein kann. Klingt wirklich fast schon krass, sodass ich mich frage, wie viel mächtiger es noch gehen soll. Jedenfalls wollte ich mich schon fragen, wieso das Zirkuszelt dann nicht einfach abbrennt, aber das wurde ja im Verlauf mehr oder weniger geklärt; Illusion und so. Da brauche ich auch nicht auf die Innenausstattung des Zeltes einzugehen, wobei ich mir schon Gedanken machte, ob Laila und Adrian nicht von der Wucht hätten getroffen sein können. Hm, die Stelle im Text, in der der vernichtende Feuerstrahl auf Piero trifft verwirrte mich auf dem ersten Blick doch ein wenig. Ich erwartete nach solch einem großen Angriff eine Art Explosion, eine Druckwelle oder so; stand ja, dass es in der Lage sei ein Haus zu pulverisieren, von daher der Gedanke, dass es beim Einschlag Boom macht. :3 Deswegen verstand ich zunächst nicht ganz, wie es aussehen sollte das Piero zwar getroffen wird, aber die Flammen trotzdem in seiner Hand komprimieren hat. Ich stockte an der Stelle nur kurz deswegen, kann aber sein, dass es nur an mir und meinem Vorstellungsvermögen liegt. Wie dem auch sei, es wie leicht vorauszusehen, dass die Flammen ihr Ziel nicht erreichen werden, in dem Fall hat es sich sogar gegen den eigentlichen Anwender gerichtet, und das schon mit Stil. Schmetterlinge scheinen fast schon ein ganz klein wenig klischeehaft sein, haben aber doch irgendwo ihren Stil; passt zum Narr mittlerweile ~ Das der Angriff so leicht und gekonnt gekontert wurde, überraschte mich eher nicht, nur finde ich es gut, dass du eine mehr oder weniger Erklärung dazu hast, und auch die Vermutungen zu Piero lassen einen schon Sachen ahnen; vielleicht ist Piero doch kein so guter Kerl, der auf seine Art und Weise "helfen" möchte, irgendwo widerspricht sich das aber in meinem Kopf. Hm, langsam fange ich richtig deine Ideen zu lieben. Symphonisches Feuer, belebtes Feuer also, welches selbstständig agiert; finde ich irgendwie genial. ^^ Du scheinst dir in deine Welt wirklich eingelebt zu haben und viel eigene Logik und Ideen zu erstellen, die gerade für deine Welt gedacht sind. Wirklich nicht schlecht, da es wohl nicht viele Hobbyautoren deines Alters gibt, die sich solche Dinge in ihre eigene Geschichte mit ein denken. Hoffe nur, dass es nirgens irgendwie mal mit was kollidiert, nicht das es dann zu viel und unglaubwürdig ist, sei nur mal so gesagt.
    Hui, hätte nicht erwartet, dass die kleinen hübschen Falter solche Kraft in sich haben. Das müssen ja viele kleine mächtige Bömbchen sein, wenn bloß einer schon so viel Kraft entfesseln kann, wobei ich mich gerade frage, ob die Explosion jetzt auch eine Kettenreaktion mit den anderen Falter entstanden ist; wäre ja zumindest möglich, dass die eine Detonation die andere heimsuchte. Ich konnte mir danach kaum vorstellen, wie Damain nur noch eine geringste Chance dabei hätte, wenn Piero sowas mal einfach aus dem Handgelenk zaubert, aber mal sehen was passiert, wenn das nächste Kapitel dazu sagt ~

    Der nächste Part dieses Kapitels besteht wohl aus einer Rückblende, welche mit einer wirklich sehr schönen Umgebungsbeschreibung eingeleitet wird. Ich dachte zunächst schon, dass es sich um einen Adeligenplatz halten würde, aber da Damian dort vor Ort ist ~ Er lässt es sich zumindest sehr gut gehen, wenn er schon einfach am Wasser einschläft und noch dazu den Nerv hat noch ein Mädchen auszuführen; ja, das ist er in seiner ganzen Form. xD Dabei müsste er sich im Grunde um ganz andere Dinge sorgen ... Wobei ich mich langsam frage, wie der Junge selbst noch in diesem Alter es schafft immer wieder Mädchen aufzureisen, lol. (Der hat ja schon mehr als eine Geliebte dort *hust*) However, trotz seiner Art scheint er sein eigentliches Handwerk - theoretisch - zu verstehen, was mich doch irgendwie wundert, dass er trotz allen seinen Eigenschaften (Bagern, Faulenzen etc ..., halt frech und teils rebellisch) Talent hat.
    Hmm, wenn man bedenkt wie bzw. auf welcher Art Aden ihn die Dinge gelehrt hat, muss er wohl einfach lernen können, wenn ihm schon die Sachen eingezwungen wurden. Scheint über die Jahre ein doch sehr strenger Lehrer gewesen zu sein, was ich zunächst am Anfang der Geschichte nicht so ganz von ihm dachte. Ich mag jedenfalls Damians Sichtweise gegenüber Aden und der Situation, ist einem einfach sympathisch und unterhaltsam; eine sehr nette Pause vom Kampf in der Gegenwart. Hmm, die Rückblende hört so einfach auf, und das an einer sehr unpassenden Stelle. Kein Wunder also, weshalb Damian zunächst keine Chance gegen Piero hatte, wenn er sich nicht dran erinnern kann, oder zumindest von jetzt an nicht ganz; man hat ja schon merken können, dass es kurz inne halten musste, als er nach der Schwäche vom jenem Feuer gefragt wurde.
    Nach dem, was du uns hier präsentiert hast, kann man sich doch schon auf eine Fortsetzung freuen. Bin wirklich gespannt, was du uns als Autor noch alles an Ideen niederschreibst ~
    Wirklich erwähnenswerte Kritik konnte und habe ich dieses Mal nicht wirklich entdecken können. Fehlerchen sind zwar drin, aber aber sehr wenige, wie üblich ~

  • Danke, Amatsu für deinen tollen Kommentar (wie üblich) :> Ich würde liebend gerne näher darauf eingehen, aber ich muss morgen früh raus (Sommerferien in Berlin schon vorbei ._.), weshalb ich dir das später in einem GB-Eintrag schreiben werde.


    Dies ist das vorletzte Kapitel. Ich versuche nächste oder übernächste Woche das Finale als Dreiparter zu posten.



    Sonnentänzerin


    Marie wich einigen Feuersalven aus und begab sich mit einem gekonnten Salto zum hinteren Ende des Saals, wobei ihre seidenen Tücher in der Luft flatterten. Sie landete sicher auf dem Boden und bereitete sich sofort darauf vor einige weitere Yin-Attacken zu entfesseln, während sich ihr strahlendblauer Blick in ihre Gegnerin bohrte. Graues Haar, welches von einem reichen, rot-goldenen Kopftuch verdeckt wurde; ein ausdrucksloses, junges Gesicht geprägt von goldenen, emotionslosen Augen und ein knappes, bauchfreies Tänzerinnen-Outfit, welches den weiblichen, gut gebräunten und ästhetischen Körper zur Schau stellte. Es war Salome.


    Nachdem sich die Nachtigall mit einem strahlend hellen Lichtblitz in die junge Frau verwandelt hatte, hatte Marie sich an einem anderen Ort wiedergefunden. Nach der unerträglichen Hitze der Arena war das Erste, was der Rothaarigen entgegenschlug, die kühlen Schatten des neuen Kampplatzes. Sie befand sich in einem orientalisch anmutenden Raum, dessen einzige Lichtquelle ein Glasdach über der Mitte des Zimmers war, sodass warmes Sonnenlicht das Zentrum des Saals erleuchten konnte. Der Boden und die Wände bestanden aus kaltem, bläulichem Stein, die Decke aus einer weißem, Marie nicht bekannten Masse, einzig der Untergrund in der Mitte zeigte sich als eine Fläche aus Holzparkett. Bis ins kleinste Detail kunstvoll verzierte Holzsäulen, die das halbkugelförmige Dach stützten, bildeten einen Kreis und grenzten dadurch das Herzstück des Saals vom äußeren Rand ab. Hinter dem Mädchen befand sich ein schlüssellochförmiges, hölzernes Tor, welches mit staatlicher Größe über sie ragte. In der Luft lag der starke Geruch von Leim, was Marie als leicht irritierend empfand.
    Dann fiel ihr ihre Kleidung auf. Anstatt ihrem typischen, konservativen Gewand aus schlichtem Hemd und knöchellangem Rock trug sie etwas, das überhaupt gar nicht ihrem Stil entsprach: das Kostüm einer Bauchtänzerin. Das knappe Oberteil, welches in unaufdringlichen Blautönen gehalten war, war kurzärmlig und besaß einen für Marie relativ freizügigen Ausschnitt, jedoch noch nichts, was an Kleos Anstößigkeit heranreichte. Es endete kurz unterhalb der Brust und besaß einige angenähte Stofffäden, an deren Enden Glasperlen hingen, die bei jeder Bewegung klimperten und den Rotschopf aus dem Konzept brachten. Der Rock war verhältnismäßig lang, weitaus länger als der, den Marie normalerweise trug, jedoch auch ungleich weiter geschnitten, sodass ihr mehr Bewegungsfreiheit zur Verfügung stand. Auch dieses Kleidungsstück war in einem dezenten Blauton gehalten, jedoch lagen einige seidene, dunklere Tücher über dem eigentlichen Stoff, sodass man nur einen Teil des eigentlichen Rockes sah. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, musste die Schwertkämpferin voller Missgunst feststellen, dass man sie in sehr hochhackige Schuhe gesteckt hatte. „Na toll!
    „Was … was soll das?!“, hörte Marie auf einmal eine wohlvertraute Quietschstimme neben sich. „Wieso sehe ich aus wie irgendein dahergelaufenes Flittchen?!“
    Kleopatra hatte man ebenfalls in ein thematisch zur Illusion passendes Kostüm gesteckt, welches sich nur in wenigen Dingen von dem des Rotschopfes unterschied. Gehalten in hellen, aggressiven Rottönen, war das Oberteil noch viel knapper als das des anderen Mädchens und zeigte das beeindruckende Dekolleté der Blondine in seiner ganzen Pracht. Marie sträubte sich zwar gegen das Gefühl, aber sie kam nicht umhin zu wollen, ihr Kostüm ähnlich voluminös ausfüllen zu können. Der Rock der Viscountess war genauso lang wie der der Rothaarigen, bestand jedoch aus einem dünneren, fast schon durchscheinenden Stoff. Abgeschlossen wurde auch dieses Gewand durch extrem hohe Schuhe, doch im Gegensatz zu Marie schien Kleo kein Problem mit diesem Umstand zu haben. In Hinblick auf ihr sonstiges Schuhwerk nicht weiter verwunderlich.
    Was das Mädchen jedoch am meisten verwunderte, waren die Haare ihrer vorherigen Gegnerin. Kleopatras langer, goldblonder Lockenwasserfall war zurückgebunden worden und ähnelte somit der Frisur Salomes. Was an der ganzen Sache merkwürdig wirkte, war der Zustand in der sich die Haarpracht befand: War sie zuvor noch schmutzig, verklebt und dreckig gewesen, glänzte sie nun wieder in alter, seidiger Schönheit im Zwielicht. Kleos wunderschönes Gesicht schien ebenfalls komplett sauber, wie nach einem langen, gründlichen Bad. Marie spürte, dass auch sie selbst kein bisschen schmutzig mehr war. Was bedeutete das?
    „Da ihr euch nicht ergeben wollt, bin ich gezwungen euch gewaltsam aus dem Spiel zu auszusortieren“, erläuterte die Bauchtänzerin, fast als hätte sie die Gedanken der Rothaarigen gelesen, die Situation nun emotions- und leidenschaftslos als würde es sich um eine belanglose Alltäglichkeit handeln, jedoch ohne die goldenen Augen von ihren Gegnerinnen zu lassen. Ihre absolute Gelassenheit wirkte seltsam einschüchternd, als ob sie wusste, dass sie die beiden Frauen im Halbschlaf besiegen konnte.
    „Was soll das alles, Salome?“, fragte Marie angespannt, während sie einige Schritte zurücktrat und die Ältere mit kühler Wut in den Augen fixierte. Innerlich bereitete sie sich bereits auf die Konfrontation vor, die unweigerlich folgen würde. Sie hatte die ungute Vorahnung, dass es kein Spaziergang werden würde und ihr Gefühl betrog sie nur selten.
    In ihrem Kopf wirbelten tausend Fragen umher, aufgescheucht wie ein Schwarm panischer Vögel. Was war mit Laila? Ging es Damian gut? Hatte Piero etwas mit dieser Sache zu tun? Die letzte Frage erübrigte sich fast, da ihre Gegnerin ja ausdrücklich von „ihrem Meister“ gesprochen hatte, aber es konnte immer noch sein, dass sie in Wahrheit jemand anderem diente. Der Narr erschien ihr nicht wie jemand, der so etwas machen würde. Jedoch war es trotz allem äußerst wahrscheinlich, dass er hinter allem steckte. Nur warum?
    „Ihr kennt euch?“, fragte Kleo verwirrt, wobei sie Maries Gedankenfluss unterbrach, und wandte sich missbilligend die Nase rümpfend an die Rothaarige. Es war ihr eindeutig anzumerken, dass sie nicht viel von der Tänzerin hielt, vermutlich Neid.
    „Flüchtig“, antwortete das Mädchen, die Augen weiterhin auf die derzeitige Bedrohung gerichtet. Selbst wenn das blonde Gift sich nun entscheiden würde, sie anzugreifen, ging von der Grauhaarigen doch größere Gefahr aus. Marie wusste weder welche Magie sie beherrschte noch wie geschickt sie im Kampf war. Sie konnte sich als einfach herausstellen, aber das war recht unwahrscheinlich. Im schlimmsten Fall war sie auf Adens Level und Marie wusste, dass sie dann allein nie eine Chance haben würde. Aber sie musste sie besiegen! Für Laila und Damian.
    Kleopatra schien mit dieser einsilbigen Antwort nicht zufrieden zu sein, denn sie wollte gerade den Mund aufmachen, um einen abfälligen Kommentar abzulassen, da wurde sie aber auch schon von der abwesenden Stimme Salomes unterbrochen: „Als letztes gewaltfreies Mittel zur Überzeugung gebe ich euch die Wahl.“ Nach einem leichten Schnippen ihrer Finger materialisierte sich auf einmal ein äußerst übel zugerichteter Elias bewusstlos einige Meter über ihrem Kopf schwebend.
    Marie riss überrascht die Augen auf und auch Kleopatras Gesicht zeigte für einen kurzen Moment ihren Schock, während die Geiselnehmerin des Jungen ungerührt weitersprach: „Wenn ihr nun aufgebt, wird ihm kein Leid geschehen und ihr werdet mit ihm und den anderen Ausgeschiedenen wiedervereint …“ Marie zog scharf die Luft ein. Laila ging es ähnlich wie Elias?! „Solltet ihr euch jedoch entscheiden zu kämpfen und verlieren …“, fuhr Salomé monoton wie eh und je fort, „… wird sowohl ihm als auch euch weitaus Schlimmeres erwarten als einfache Gefangenschaft.“
    „ Meine nichtsnutzige Verwandtschaft könnt ihr gern behalten …“, flüsterte Kleo abfällig und verzog den Mund als hätte sie zurzeit einen sehr widerlichen Geschmack im Mund. Marie konnte daraufhin nur den Kopf schütteln. Es war schließlich immer noch ihre Familie. Aber auch sie befand sich in einer Zwickmühle. Sollte sie wirklich Lailas Gesundheit aufs Spiel setzten und versuchen Salomé, von der sie nicht wusste wie stark sie eigentlich war, zu besiegen? War es vielleicht doch besser nachzugeben und ohne einen Kampf vom Feld zu ziehen? Aber was, wenn das alles nur eine Lüge war? Sollte sie sich einfach kampflos ergeben?
    „Aber…“, begann Kleo auf einmal unerwartet und ihre Stimme war nun bissiger als zuvor, was Marie leicht verwunderte. Ein kurzer Blick zur Blondine enthüllte, dass sie sich nun aufgerichtet hatte und mit kühlem Abscheu im Blick auf ihre Gegnerin starrte. „Ich lasse mir von niemanden etwas befehlen und schon gar nicht von irgendeiner dreckigen Zigeunerin!“
    Die erdbeerroten Lippen verformten sich zu einem hochmütigen Lächeln, die himmelblauen Augen zeigten, dass sie sich ihres Sieges sicher war. Der Rotschopf konnte innerlich nur den Kopf über den Leichtsinn der Anderen schütteln. Was wenn sie verlören? Was würde dann mit Laila und den anderen geschehen? Konnte sie das Risiko eingehen?
    In ihrem Kopf erklang plötzlich die Stimme ihrer Großmutter: „Wer nicht wagt, der kann auch nicht gewinnen. Oder anders gesagt: Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, ob du es nicht vielleicht doch geschafft hättest!“ Wenn sie jetzt aufgab, würde sie in derselben Position wie Laila enden, sie musste es also wenigstens versuchen. Sie würde nicht zulassen, dass man ihre Schwester noch länger in Gefangenschaft hielt und würde, wenn es nötig war auch zum Äußersten gehen, um dies zu erreichen. So begab sie sich in Kampfstellung, während sie am bläulichen Schimmer neben ihr erkannte, dass auch Kleo ihre magischen Kräfte neu heraufbeschwor.
    Salomé reagierte zuerst überhaupt nicht, sondern beobachtete ihre entschlossenen Kontrahentinnen aus ihren mysteriösen, unlesbaren Goldaugen. Doch dann ließ sie urplötzlichen mit einem hellen Aufflammen eine feurige, lange Sichelklinge in ihrer Hand erscheinen und verkündete ungerührt: „Dann soll es Tod sein.“


    Marie konzentrierte ein weiteres Mal ihre Energie. Einige Schweißperlen glitzerten auf der Stirn der Rothaarigen, bevor sie sie mit einer schnellen Bewegung wegwischte. Ihr Körper hatte sich seltsam versteift, fast als hätte sie sich irgendwo verletzt, während ihr schweres, keuchendes Atmen ihre äußerst prekäre Lage zeigte. Ihre Muskeln schmerzten bei jeder Bewegung und ihr Kopf fühlte sich mehr und mehr so an als würde er jeden Moment zerspringen. Sie hatte ihre Reserven bereits aufgebraucht, viel Kraft blieb ihr nicht mehr zum Kämpfen. Doch sie musste sich jetzt zusammennehmen, nur ein letztes Mal.
    Hätte dieses dumme Blondchen nicht mein Schwert zerstört, hätte ich das Problem gar nicht!“, fluchte Marie in Gedanken, während sie sich aufraffte und einen letzten gewaltigen Yin-Schuss auf ihre Gegnerin abfeuerte. Es fühlte sich an, als hätte man ihr den Himmel von den Schultern genommen.
    Die Attacke, obwohl sie unsichtbar war, war doch deutlich zu spüren, fast wie ein Windstoß, der massiv geworden war. Der Druck dieser letzten Verzweiflungstat war so groß, dass eine Delle im Steinboden entstand, von dem viele verzweigte Risse ausgingen, während das Holzparkett im Zentrum des Saals mit einem lauten Krachen zersplitterte.
    Vollkommen zerstört und ohne die Kraft irgendeine weitere Großtat zu vollbringen, ließ sich Marie gegen die Steinwand hinter sich fallen und sank müde daran herab. Sie konnte nur hoffen, dass dieser letzte Akt der Hoffnungslosigkeit etwas bewirkt hatte. Ihre letzten Yin-Angriffe waren allesamt ohne große Mühe abgefangen und mit zugleich gefährlichen und beeindruckenden Kontern beantwortet worden. Salomé bediente sich einer Art materiellem Feuer, welches wie ein Schleier brennender Sandkörner majestätisch als ihre flexible Defensive diente. Zum Angriff nutzte sie ihre flammende Klinge, mit welcher sie immer wieder gigantische Feuerwellen entsandte, denen Marie jedes Mal nur um Haaresbreiten entgehen konnten. Aber dieses Mal konnte Salomé doch unmöglich die Oberhand gewinnen, oder?
    Ein paar Meter von der Rothaarigen entfernt, entfesselte Kleopatra eine ganze Armada leuchtendblauer Wasserbälle, sodass das Mädchen sich fast schon wunderte, warum der Saphirring an ihrem Mittelfinger nicht schon lange vor Überladung explodiert war. Die Blondine schien noch weitaus frischer und energetischer zu sein als Marie, zumindest quiekte und kreischte sie bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, hysterisch rum. Das war jedoch sehr verwunderlich, bedachte man, dass Kleo von Anfang an ihre Magie weitaus öfter genutzt hatte als Marie.
    Wie viel magische Kraft besitzt dieses Weib?“, fragte der Rotschopf sich frustriert in Gedanken, während sie sich die Rippen hielt, um ihre außer Kontrolle geratene Atmung wieder in den Griff zu kriegen.
    Hast du mich gerade ,Weib‘ genannt?!
    Da du auf die Privatsphäre anderer Leute sowieso keine Rücksicht nimmst, erübrigt sich die Antwort!
    Du mieses, kleines …!“, doch bevor die Viscountess sich wutentbrannt den Obszönitäten hingeben konnte, wurde sie durch eine enorme Druckwelle unterbrochen und selbstverständlich auch umgeworfen. Da Kleopatra sich nicht auf ihre Attacke konzentriert hatte, war jene mit Maries Angriff zusammengeprallt noch bevor sie Salomé überhaupt erreicht hatte. Die folgende Reaktion war eine gigantische Explosion in der Mitte des Saals und ein orkanartiger Wirbelsturm aus Holzspänen, Steinsplittern und Glasscherben.
    Marie hätte schützend die Hände vor das Gesicht gehoben, wenn sie nicht mit solcher Brutalität gegen den Boden gedrückt worden würde. Zu ihrem Glück lag sie mit Gesicht gen Erde und keiner der gefährlich scharfen Trümmerstücke traf sie am Kopf. Der Großteil ihres Körpers blieb unversehrt, bis auf einige harmlose Kratzer und Schrammen, doch ein spitzes Glasstück hatte ihre Seite gestreift. Sie hatte schon den Schmerz schlimmerer Wunden erleben müssen, dennoch war dieses Gefühl, als würde ihre Haut um die Verletzung herum brennen wie ein Lagerfeuer, kein schönes.
    Kleopatra neben ihr war es offenbar besser ergangen, denn sie zeigte keinerlei Anzeichen irgendwelcher schwereren Blessuren, abgesehen von der nun abermals zerstörten Frisur natürlich. Doch das schien der Blondine als Grund für einen weiteren furiosen Wutanfall offenbar auszureichen.
    „Das ist alles deine Schuld!“, keifte sie nun lautstark quer durch den vollkommen zerstörten Saal ohne sich auch nur zu bemühen, es vor ihrer Gegnerin geheim zu halten. Eine telepathische Konversation hätte sich ohnehin als fruchtlos erwiesen, da Salomé zuvor bereits demonstriert hatte, dass sie diese belauschen konnte. „Du bist noch talentloser als dein idiotisches Trampeltier von Schwester!“
    Das war ein Schuss zu weit gewesen. Marie spürte wie sich ihr Körper trotz vollkommener Kraftlosigkeit ein weiteres Mal ruckartig anspannte. Wie konnte es dieses niederträchtige, abscheuliche Biest wagen auch nur ein böses Wort über Laila zu verlieren. Das war zu viel! Marie versuchte sich aufzurichten, während sie der Blondine einen Blick der absolut tödlichsten Sorte entgegen schleuderte. Ihr unglaublicher Hass auf dieses grauenhafte Scheusal vor ihr gab dem Mädchen die Kraft sich aufzurichten. Sie sammelte sich noch ein letztes Mal, den Blick voller Feindseligkeit auf die Blondine gerichtet. Sie fand etwas in sich, ein letztes bisschen Kraft, die sie nutzen konnte. Der letzte Angriff gegen das Monster in Engelsgestalt. Wenn Kleopatra nicht gewesen wäre, befände sich Laila jetzt gar nicht in Gefahr. Es war alles ihre Schuld! Marie hatte geschworen ihre Schwester zu rächen und das würde sie mit dieser finalen Attacke auch endlich tun.
    Die Viscountess betrachte die Rothaarige mit einer Mischung aus Abschätzung und Ekel. Ihr Blick hing an der immer noch blutenden Wunde ihres Gegenübers und aus dem angewiderten Zucken ihrer Mundwinkel konnte man schließen, dass sie, von dem was sie sah, nicht besonders angetan war. Jene fokussierte weiterhin ihren gesamten Willen darauf, der Blondine so viel Leid wie möglich anzutun. In nur wenigen Sekunden müsste sie dieses verabscheuungswürdige Gesicht nie wieder sehen.
    Die himmelblauen Augen Kleopatras flackerten für einen kurzen Moment zur Seite, nur um kurz danach vor Entsetzen weit aufgerissen zu werden. Bevor Marie sich jedoch auch nur ansatzweise wundern konnte, was die Blondine so erschrocken hatte, hatte jene bereits ihre Hand erhoben und auf die Rothaarige gerichtet. „Nixes Wut!“
    Das Mädchen wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte noch nicht die nötige Energie zusammen, um den Angriff zu kontern, geschweige denn einen Gegenangriff zu starten. So wie es nun aussah, würde diese kochendheiße Wassersalve sie umreißen wie eine zierliche Strohpuppe. Wie hatte Kleopatra nur herausgefunden, was sie plante? Hatte sie wieder ihre Pläne über die Multiverbindungsplatzierung abgefangen? Doch nun war es ohnehin zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, in wenigen Sekundenbruchteilen würde sie dieser verheerende Angriff treffen und ihr mutmaßlich den Rest geben. Danach konnte sich Kleo alleine mit Salomé weiter prügeln und die Rothaarige hätte Laila ein weiteres Mal enttäuscht.
    Wie erwartet traf sie Nixes Wut mit voller Wucht und Marie wurde mehrere Meter zurückgeschleudert, doch überraschenderweise brannte ihr das Wasser nicht die Haut von der Brust. Statt der typischen brodelnd heißen Temperaturen besaß der Angriff trotz aller Härte eine ungewohnte Kühle, die zwar auch nicht unbedingt angenehm war, aber dennoch keine so schlimmen Effekte wie die normale Ausführung der Attacke besaß. Was war passiert? Ging Kleo nun etwa auch die magische Kraft aus?
    Doch bevor die Rothaarige auch nur die Möglichkeit besaß, diese Fragen laut auszusprechen, zeigte sich die Antwort von selber. Dort, wo der Rotschopf bis vor kurzem noch gestanden hatte, krachte nun eine bedrohlich züngelnde Flammensäule in den Wasserstrahl, aus dem ein lauter Knall und viel Dampf resultierten. Marie blickte entsetzt zur Ursprungsquelle dieses Hinterhalts und voller Schrecken wurde ihr klar, dass Salomé natürlich auch immer noch da war. Die vorherige Explosion schien ihr anscheinend nichts ausgemacht zu haben, da man keinen noch so kleinen Kratzer an ihrem Körper feststellen konnte. Wäre Kleopatra dem nicht zuvorgekommen, hätte die Attacke Marie mit voller Breitseite erwischt. Das bedeutete wiederum …
    Ein Schrei riss die Rothaarige aus ihren Gedanken. Die blonde Adelstochter hatte offenbar den Rückstoß ihrer Attacke genutzt, um der flammenden Niederlage zu entgehen, war jedoch nicht ganz so gut weggekommen wie ihre Verbündete. Obwohl sie dem Feuer haarscharf entronnen war, hatte sie etwas Anderes getroffen, denn ihr Bein zeigte eine beeindruckende Schnittwunde. Offenbar verbarg sich hinter Salomes Angriffen mehr als nur bloße Feuermagie.
    „Bist du denn zu gar nichts gut, du nutzloses Stück!“, kreischte die Blondine mit vor Schmerz noch schrillerer Stimme der jungen Frau auf der anderen Seite entgegen. Marie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Ihr Gehirn hatte immer noch verarbeitet, dass Kleopatra, eine Frau, die sich in Rekordzeit zu einer ihrer am meisten verachteten Feinde erhoben hatte, ihr das Leben gerettet hatte. Nicht nur das, sie hatte außerdem die eigene Gesundheit dabei an zweite Stelle gestellt, eine Tat, die man von der selbstverliebten Kleo am allerletzten erwartet hätte. Das bedeutete im Endeffekt, dass sie diesem Püppchen ihr Leben schuldete.
    „Sitz da nicht so dumm rum und starr Löcher in die Luft! Tu doch endlich was!“
    Ein weiteres Gefühl mischte sich zu Maries Verwirrung: Irritation. Sie war nicht wirklich begeistert davon, dass jemand in einem solchen Ton mit ihr sprach, schon gar nicht Kleopatra. Dennoch kam sie in Gedanken nicht um den Fakt herum, dass ebenjene sie zuvor gerettet. Was sollte sie jetzt tun? Ihre Gedanken huschten zu Laila, daran, dass sie tot sein würde, wenn sie diesen Kampf nicht gewinnen würde. Sie musste siegen, sonst wäre es das Aus für ihre Schwester. Diese Erkenntnis erfüllte sie ein weiteres Mal mit Determination und so sammelte aus den letzten Fingerspitzen alle Kraft, die ihr noch zur Verfügung stand und versuchte aufzustehen.
    Doch trotz aller Bemühung scheiterte sie und musste letztlich ihre Niederlage eingestehen. Aber das wollte sie nicht, sie konnte einfach nicht aufgeben, nicht jetzt. Wenn sie sich beugen würde, wäre sie nicht die Einzige, die unter den Konsequenzen ihrer Entscheidung zu leiden hätte. Sie musste es einfach schaffen.
    Alles wegen diesen blöden Schuhen!
    Marie hatte all ihre sich gegenseitig bekämpfenden Emotionen in diesen Gedanken gesteckt, all ihre Frustration, Wut und Verwirrung auf die verdammten, hochhackigen Schuhe fokussiert. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es irgendetwas bringen würde, doch sie hatte sich geirrt. Von einer Sekunde auf die andere stand sie plötzlich und die Schuhe waren verschwunden. Um genau zu sein hatte sich ihr gesamtes Kostüm verändert.
    Anstatt des zuvor verrufenen Schuhwerks trug sie nun flache Eisenschuhe, die direkt in metallene Beinschienen mündeten, welche ihr bis zur Hälfte des Oberschenkels reichten. Um ihre Hüften herum trug sie einen sehr kurzen, braunen Rock, welcher ihr recht viel Beinfreiheit gab. Ihr Oberkörper war durch einen im Licht des einfallenden Sonnenlichts silbrig glitzernden Plattenharnisch verdeckt. Er passte ihr wie angegossen, als ob er für sie gemacht worden wäre. Auch fühlte er sich ungewöhnlich leicht an, sodass Marie sich wunderte, aus welchem Material er wohl geschmiedet worden war. Armschienen besaß sie keine, jedoch befanden sich an ihren Oberarmen kurz unterhalb ihrer Schulter dünne Eisenringe, an denen die Ärmel eines Kettenhemds befestigt worden waren. Die Hände des Mädchens wurden durch stählerne Panzerhandschuhe geschützt. Das feuerrote Haar war hochgesteckt worden und nur ein paar wenige Strähnen fielen heraus und umrahmten das verwirrt dreinschauende Gesicht wie eine flammende Einfassung. Um den ganzen die Krone aufzusetzen spürte die junge Frau an ihrer Seite etwas Schweres und als sie an sich herabblickte, sah sie ein Schwert. Nicht nur irgendein Schwert, sondern das Schwert ihrer Großmutter.
    „Aber …“, flüsterte sie ungläubig, während sie die Waffe immer noch betrachtete wie einen wieder zum Leben Erweckten, „… das ist unmöglich! Es ist zerbrochen worden!“
    Doch das Mädchen hatte keine Zeit sich weiter zu bewundern, denn ein panischer Aufschrei Kleopatras riss sie aus ihrer Faszination und reflexartig wich sie zur Seite aus, keine Sekunde zu früh. Dort, wo sie bis vor kurzem noch gestanden hatte, kollidierte nun ein gewaltiger Flammenstrahl mit der Wand und hinterließ einen großen, dunklen Brandfleck. Salomes Gesicht zeigte keine Regung, aber dennoch erschien es Marie so, als ob sie sich versteift hätte, fast als wäre ihr unwohl, während sie nun einen Angriff nach dem anderen abfeuerte und dabei mehrere Pfeiler zerstörte. Die Decke bröckelte bedrohlich.
    Aber trotz ihrer vorherigen Erschöpfung schaffte es Marie jeder einzelnen Feuerattacke zu entkommen. Ihr Körper zeigte keine Spur von Müdigkeit mehr, sie spürte noch nicht mal die Verletzung, die sie sich zuvor an ihrer Seite zugezogen hatte, fast als wäre sie verschwunden. Was für sie aber am Verwunderlichsten war: Ihr Körper war wieder voller Energie für einen Kampf. Sie wusste nicht wie das passiert war, aber nun musste sie diese letzte Chance nutzen. Sie musste Salome besiegen. Aber diese Aufgabe würde sie nicht alleine bewältigen können.
    Kleo!“, rief sie in Gedanken aus, hoffend, dass die Blondine kooperieren würde. „Kleo! Wir müssen zusammenarbeiten!
    Bitte!“, spuckte die andere telepathisch aus, als würde sie die bloße Idee bereits anekeln. „Bevor ich mit dir zusammenarbeite, lasse ich mich lieber vergiften, erschießen, erschlagen und ertränken! Gleichzeitig!
    Hör mir zu!“, fuhr Marie der Blondine unwirsch ins Wort ohne groß auf die Proteste zu achten. „Nur gemeinsam können wir Salome besiegen. Ich habe bereits einen Plan!
    _ _ _
    29. Kapitel mit 3600 Wörtern. Mein längstes Kapitel to date. Mein Beta-Leser hat leider Urlaub, aber ich hab mein möglichstes gegeben, es fehlerfrei on zu stellen. Ich bin nicht wirklich begeistert von dem Kapi, es geht mir alles zu schnell, aber ich wollte das Kapitel nicht noch länger machen ...

  • Purgatorium I: Abgrund


    Einzig ohrenbetäubendes Brausen war zu vernehmen, während ein Sandsturm im Ring tobte. Der eingetretene Dreck, der als Boden gedient hatte, war aufgelockert worden und fegte nun durch die Luft, wobei er absolut alles hinter seinem graubraunen Kornschleier verhüllte.
    Piero schwebte wie immer kopfüber in der Luft und schien von der titanischen Explosion, die sich im Zirkuszelt ereignete unberührt zu bleiben, fast als wäre sie überhaupt nicht da. Sein Gesicht war noch immer unlesbar und das ewig präsente Lächeln unbewegt. Adrian, welcher zusammen mit Laila von der Decke hing und aufgrund der Druckwelle wild hin und her baumelte, und die Chimäre, die unter den beiden Gefangengenommenen in einem magischen Käfig verharrte, nahmen das Ganze jedoch bei weitem nicht so gelassen. Während der junge Viscount exzessiv um sich trat und die Laute eines sterbenden Eichhörnchens von sich gab, schien das Biest zu seinen Füßen offenbar zu versuchen, den Lärm der Detonation mit seinem Gebrüll zu übertönen, ein fruchtloses Unterfangen. Indes spuckte es eine Salve Feuer nach der anderen, wobei ein Flammenstrahl gefährlich nah an dem jungen blonden Mädchen vorbeiging und diese nur haarscharf verfehlte.
    Nach einer kurzen Weile, die einem wie Stunden vorkam, verschwand die Explosion so schnell wie sie gekommen war und der Staub, der aufgewirbelt worden war, senkte sich wieder langsam zu Boden, wie ein brauner Sprühregen. Piero hatte die Augen nun geöffnet und das träumerische Grinsen auf seinen Lippen verlosch allmählich bis sich bald nur noch ein Schatten des ehemaligen Lächelns sein Gesicht zierte. Der orangerote, hypnotische Blick des Narren huschte unruhig umher fast als erwartete er einen überraschenden Gegenangriff. War er bereits besiegt?
    Urplötzlich geschah das Unglaubliche. War die vorherige Eruption bereits kaum zu erfassen gewesen, so war sie doch absolut gar nichts im Vergleich zu dem, was folgte. Der Lärm war so trommelfellzerfetzend laut, dass man meinen konnte, der eigene Kopf sei implodiert. Es war, als ob die ganze Welt von diesem einen Geräusch bedeckt worden war, wie von einem Mantel, und schon bald hörte man gar nichts mehr. Die Druckwelle war derart stark, dass der Käfig mit der Chimäre darin sich mehrfach überschlug und schließlich weit entfernt auf der Seite liegen blieben, das darin eingesperrte Biest paralysiert vor Schock. Adrian und Laila indes verschwanden quiekend in den unendlichen Weiten der Illusion, einzig Piero blieb unberührt wie zuvor schon und das trotz des beeindruckenden Schauspiels, welches sich ihm bot. Vor ihm, dort, wo zuvor noch eine undurchsichtige Staubwolke gewesen war, türmte sich nun eine züngelnde Wand aus Flammen empor, glühend rot und gefährlicher aussehend als jedes Monster aus den Mythen. Es war ein fantastisches Schauspiel, da diese fast schon massiv wirkende Feuerwand sich unendlich weit zu erstrecken schien als wäre es ein Zeichen der Götter. Es war surreal.
    Auf einmal schoss aus dem lodernden Flammenmeer etwas unnatürlich hell Leuchtendes hervor, schneller als die flinksten Vögel sauste es durch die Luft, gefolgt von der Feuersbrunst wie die Beute vom Raubtier. Piero schenkte der sich ihm näherenden Höllenflut keine weitere Beachtung, seine Aufmerksamkeit lag einzig auf der, wie sich nun herausstellte, rapid wirbelnden Feuerscheibe. Doch der Fokus des Narren wurde wieder zurück auf die nun langsam absterbende Detonation gelenkt, als sich abermals etwas aus seinen lohenden Fängen löste. Fast so schnell wie die Feuerscheibe flog er durch die Luft, doch anstatt wie sein Vorgänger in irgendeine Richtung davon zu sausen, schien er ein genaues Ziel zu haben. Mit solcher atemberaubenden Geschwindigkeit, dass man ihn nur noch als verwischten Schatten wahrnehmen konnte, jagte er durch die Flammen direkt aus Piero zu. Sein braunes Haar flatterte ungebändigt im Wind, die dunklen Augen waren voll konzentriert auf seinen Gegner gerichtet, die zu Fäusten geballten Hände in violettes Feuer gehüllt. Damian!


    Der junge Zauberer hatte, dank der Erinnerung an seinen Meister, sich seinen Stab zu Nutze gemacht. Mit der Attacke „Flammenrad“, bei der er seinen Stab in einen Mantel aus Feuer einhüllte und ihn als sich drehende Scheibe auf die Gegner schleuderte, hatte er sehr schnell hintereinander die restlichen Schmetterlinge Pieros ausgeschaltet und damit die gigantische Detonation ausgelöst, aus der er selbst nur mit Müh und Not hatte entkommen können. Aber trotzdem gereichte ihm dies zum Vorteil, denn nun konnte der Braunhaarige endlich seine beste Technik zur Schau stellen: „Physisches Feuer: Flammenmantel“. Das Physische Feuer war eine der drei Zweigtechniken der Feuermanipulation, zu denen auch das Symphonische Feuer zählte. Anders als bei jenem nutzte man hier die Flammen jedoch als Verstärkung für den eigenen Körper und die eigenen Kampffähigkeiten. Es war riskant, aber wenn er schaffte nah genug an den Gegner heranzukommen, hatte er so gut wie gewonnen. Da er die Druckwelle der Explosion als Unterstützung für die eigene Geschwindigkeit und Pieros Feuer anstatt seines eigenen genutzt hatte, war er ohnehin nicht aufzuhalten. Der Narr würde nicht wissen wie ihm geschah.
    Er war bereits in Reichweite des Narren, hinter sich die stetig zerfallende Feuerwand, kurz davor diesem ganzen Irrsinn ein Ende zu bereiten. Er holte zum Schlag aus, das violette Feuer, welches seine Faust einhüllte, leuchtete noch intensiver als zuvor. Das war das Ende.
    Piero schenkte dem jungen Magier ein freundliches Lächeln, bevor er mit einer eleganten Drehung zur Seite auswich. Doch das war noch nicht alles; bevor Damian überhaupt irgendeine Chance hatte zu reagieren, geschah das Unerwartete: Die Flammen, welche seine Fäuste wie Handschuhe bedeckt hatten, wurden plötzlich von seinen Händen gezogen und näherten sich in kleinen Funken Piero, wie Motten, die vom Licht geködert wurden. In Furcht und Verwunderung beobachtete der Braunhaarige wie sich die Funken um den Clown herum sammelten, um dann hinunter gen Boden zu sinken. Er kannte diese Technik, es waren die „Feuertränen“, eine Technik, bei der man sich der Flammen seines Gegners bediente, ähnlich wie er es zuvor gemacht hatte. Aber es war unmöglich für den Anwender so viel Magie seines Gegners zu stehlen, vor allem da sie Teil des Flammenmantels gewesen waren und sich deshalb noch fester in seinem Griff befunden hatten. Wie war es möglich, dass Piero durch diese relativ schwache Technik Damians gesamten Flammenmantel hatte auflösen können?
    Die ersten Funken berührten sanft den sandigen Boden und urplötzlich schnellte ein Ring aus dunkelviolettem Feuer um den Narren herum empor. Wütend zischend wie eine hungrige Schlange leckten die gierigen Flammenzungen nach Damian, welchem zum Glück schnell genug klar geworden, was sein Gegner plante, und sich kraftvoll zurückstieß. Er konzentrierte sich und die in ihm pulsierende magische Energie wurde in seine Füße geleitet wie warmes Wasser, das durch seine Adern floss. Mit einem weiteren Anstieg an Geschwindigkeit sauste er nun in einem Bogen quer durch inzwischen vollkommen pulverisierten Ring. Zwischen all den kleinen Feuern, die von der Explosion verursacht worden waren und alles zerfraßen, was nicht bereits komplett zerstört worden war, erkannte er, dass Piero ihm fröhlich zuwinkte.
    Beeindruckend, Damian-kun“, erklang auf einmal die weltfremde Stimme des Narren in seinem Kopf, doch Damian zuckte kaum mit der Wimper. Er hatte das erwartet.
    Ich hatte also recht. Du hast unsere Verbindungsplatzierung abgehört!
    Selbstredend“, antwortete sein Feind gelassen und obwohl er zu weit von ihm entfernt war, um irgendwelche Details zu kennen, sah der junge Mann das nervige, unbesorgte Lächeln vor dem inneren Auge. „Ich hoffe im Übrigen du hast dich nicht verbrannt“, fügte Piero besorgt hinzu und Damian zuckte kurz entnervt. Er hatte bisher nie mit Feuer der dritten Stufe zu tun gehabt, geschweige denn es selbst benutzt, und war sich ziemlich sicher, dass er mehr als nur ein paar Brandblasen davon getragen hatte. Wenn seine Hände so schlimm aussahen wie sie sich anfühlten, wollte er lieber vermeiden sie zu betrachten.
    Wie dem auch sei …“, fuhr der Narr nun fort, weiterhin so höflich wie eh und je, doch der junge Mann sah, dass er sich auf einen weiteren Angriff vorbereitete, „… ich denke ernsthaft, es wird Zeit das Ganze zu beenden, Damian-kun.
    Weißt du was?“, meinte Damian in Gedanken und ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, als er aus dem Augenwinkel etwas Goldenes auf sich zu fliegen sah. „Ich bin ausnahmsweise ganz deiner Meinung!
    Mit einer eleganten ausladenden Handbewegung ließ Piero eine weitere seiner feurigen Kreaturen auf den jungen Magier los, doch diese war weitaus schneller als seine vorherigen symphonischen Kreationen. Anstatt der langsam flatternden Schmetterlinge sauste nun eine feurige Schwalbe dem braunhaarigen Jungen entgegen, an die Stelle des Violetts trat Purpurrot, ein Zeichen, dass es sich nur um eine Technik der zweiten Stufe handelte.
    Im Kopf des Magieschülers hatte sich bereits ein Plan gebildet, riskant zwar, aber er war sich sicher, dass er Piero auf diese Weise besiegen konnte. Er würde sich sowohl die Attacke seines Gegners als auch die illusionäre Natur dieses Schauplatzes zu Nutze machen und wenn er richtig mit seiner Vermutung lag, dann hätte der Narr nicht den Hauch einer Chance. Doch damit er dieses Spiel mit einem Schachmatt beenden konnte, brauchte er ein gewisses Werkzeug und zwar so schnell wie möglich. Die Schwalbe verringerte den Abstand zwischen ihr und ihrem Ziel unangenehm schnell und sollte sie ihn berühren, war das Spiel für ihn gelaufen. Er brauchte, bevor er kontern konnte, seine Waffe.
    Da er kein Risiko eingehen wollte, verstärkte er noch einmal die Magie in seinen Beinen und schoss mit atemberaubender Geschwindigkeit davon, um das aufzulesen, was er benötigte. Doch die Schwalbe erhöhte ihr Tempo ebenfalls und kam ihm immer näher und näher, ihre ausgebreiteten Flammenflügel schnitten förmlich durch die Luft und hinterließen eine Spur glitzernder Funken hinter ihr, fast wie der Schweif eines Kometen. Es war ein Wettrennen um den Sieg, wer zuerst ankam, bekam den Preis. Damian gab noch einmal alles, wobei er sich jedoch ein gutes Stück Magie zurückbehielt, schließlich brauchte er dies noch für den späteren Kampf. Dennoch drückte er alles, was er entbehren konnte, in diesen Flug, die Hand verzweifelt nach vorne ausgestreckt, fast als besäße er die wahnwitzige Idee, dass er nach dem Sieg greifen könne. Dann spürte der junge Mann wie sich seine Finger um etwas Warmes schlossen. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihm und er spürte wie sein Herz so stark pumpte, als wolle es ihm aus der Brust springen. Er hatte es geschafft.
    In seiner nur sehr leicht zitternden Hand befand sich sein Mönchsstab, welcher allerdings aber auch schon bessere Tage gesehen hatte. Die Kollision mit den violetten Schmetterlingen war ihm ganz und gar nicht gut bekommen. Seine Enden waren weggeschmolzen und sein goldenes Gewand zerkratzt und geschwärzt, allerdings funktionierte er zu Damians Glück nach wie vor, da er ihm sonst nicht entgegen geflogen wäre.
    Doch noch war noch nicht alles entschieden, denn inzwischen hatte auch die Schwalbe zu dem jungen Mann aufgeschlossen und war kurz davor mit ihm zusammenzutreffen. War dies nun das Ende? Wenn er nichts unternahm, würde er trotz aller Bemühungen verloren haben. Doch zum Glück besaß der Magieschüler wie immer ein Ass im Ärmel. Mit einer schnellen Drehung, wandte er sich seiner sich näherenden Niederlage zu, sodass er dem symphonischen Biest in die leeren, feurigen Augen blicken konnte. Noch einmal beschleunigte er, auch wenn es ihm kaum etwas bringen würde, doch er musste nur ein paar Sekunden für sich gewinnen. Sein Stab begann sich abermals wild vor ihm zu drehen, sodass man bald wieder nur eine goldene Scheibe erkennen konnte.
    Magnetverschiebung!
    Keinen Augenblick zu spät. Nur wenige Wimpernschläge später war Pieros Offensive auf den sich drehenden Mönchsstab getroffen. Doch es folgte weder ein lauter Knall noch ein Schmerzensschrei von Seiten Damians. Stattdessen leuchtete die Scheibe vor dem jungen Magier auf einmal in einem gefährlich roten Ton auf, während die Schwalbe verschwunden zu sein schien.
    Auf das Gesicht es Braunhaarigen trat ein gefährliches Grinsen als er zum dritten Mal an diesem Abend in dem überirdisch roten Licht aufstrahlte. Um ihn herum erschien erneut der magische Zirkel, leuchtend hell, wie mit Feuer in die Luft geschrieben. Der Magier spürte wie die magische Kraft sich in ihm aufbäumte wie ein wütendes Tier, ihn erwärmte, als es durch seinen Körper strömte, einer Flut flüssigen Feuers ähnelnd. Die Atmosphäre, welche ohnehin bereits angespannt war, lud sich auf, fast als würde in wenigen Augenblicken ein gewaltiges Gewitter losbrechen. Die Luft knisterte, als ob sie mit Elektrizität gefüllt wäre und ein sanfter Wind wehte um den Flammenzirkel, sodass Damians Haar leicht durch die Luft flatterte. Der junge Mann hatte die Augen geschlossen, wie immer die nötige Konzentration und Kraft für den folgenden Spruch sammelnd.
    Plötzlich schlug er die Augen auf und rief: „Flammenseele: Herzlanze!“
    Vor der goldenen Scheibe entwickelte sich auf einmal ein gigantischer, purpurroter Feuerstrahl, welcher mit einem lauten Rauschen auf den Narren am Boden zuschoss, zornig knisternd, als ob es kaum darauf warten konnte, alles in seinem Pfad zu pulverisieren. Es war, als ob man das Feuer komprimiert und in eine lavaartige Masse verwandelt, weder flüssig noch wirklich feuerartig. An seinem Kopf formte sich eine Pfeilspitze und darin konnte man schemenhaft die Umrisse Damians erkennen. Offenbar hoffte er Piero auf die physische Weise verletzen zu können.
    Clever, clever“, komplimentierte der Narr den Versuch des Jungen fröhlich, während er eine Hand der Attacke entgegen streckte, offenbar seine Defensive vorbereitend. Sein entspanntes Lächeln zeigte, dass auch dieser Zug von seinem Gegner ins Leere laufen würde. „Vielleicht schaffst du es ja … Aber vorher musst du leider an meinem kleinen Wächter vorbei!
    Vor dem wandernden Künstler fuhr unerwartet eine hohe, violette Feuerwand empor, einschüchternd lodernd und vor lauter Energie nur so überschäumend. Eine weitere Technik der dritten Stufe. „Phönixkrone: Gesicht des Vulkangottes!
    Das Feuer verformte sich und bildete das verzerrte Abbild eines überdimensionalen Kopfes, doch es war kein Kopf, der des einen Menschen auch ansatzweise ähnlich sah. Die Züge wirkten merkwürdig grob und hölzern wie eine schlechtgemachte Maske mit großen, runden Augenlöchern, welche leer und leblos ins Nichts starrten, flammenden, dicken Lippen und einer enormen Knollnase mit ballongroßen Nasenlöchern.
    Der Angreifer war inzwischen immer näher gekommen und kurz davor mit dem unnatürlichen Wesen zusammenstoßen, um die nächste Explosion auszulösen, die die Illusion würde erdulden müssen. Es erschien als glaubte der junge Magier sein Angriff könne es trotz des Kräfteunterschieds mit Pieros Kreation aufnehmen, denn er machte keine Anstalten abzubremsen. Stattdessen beschleunigte er noch einmal, bereit es dieses Mal darauf ankommen zu lassen. Dies würde die letzte Konfrontation sein. Nun hieß es Schachmatt.
    Pieros freundliches Lächeln verbreitete sich, bevor er mit einem leichten Handsignal seiner grotesken Kreatur zu verstehen gab, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Mit einem beeindruckenden Grollen öffnete das ekelerregende Gesicht langsam seinen Mund. Schwerfällig trennten sich die Lippen voneinander, um ein noch erschreckenderes Schauspiel zu offenbaren: Anstatt einer Mundhöhle besaß das Monster nichts weiter als ein sich fast unendlich erstreckendes, schwarzes Loch, in welchem ein paar Flammen mit der alles verschluckenden Dunkelheit kämpften. Es war als würde man in den Abgrund des Todes blicken.
    Mit einem durchdringenden Röhren entließ das abstoßende Geschöpf nun einen gewaltigen, tiefroten Feuerstrahl, der der Attacke Damians in purer Energie in nichts nachstand. Wenn diese beiden kollidieren würden, hieße es Spielende für den Magier, er konnte unmöglich hoffen, danach noch an dem Gesicht des Vulkangottes vorbeizukommen, nur um es dann ein weiteres Mal mit Piero aufzunehmen. Doch trotzdem tat der junge Mann keine Anstalten vom Kurs abzuweichen oder zu versuchen der Attacke des Wächters zu entgehen. War dies seine letzte Verzweiflungstat?
    Die beiden Attacken kamen sich immer und immer näher, beide stark genug, um ein ganzes Haus zu zerstören. Wie zwei Kometen schossen sie durch die Luft, vom Himmel gefallene Sterne, bereit aufeinanderzutreffen und ein Spektakel ungleich jedes anderen auszulösen. Nur noch wenige Haaresbreiten waren die beiden Feuerbälle voneinander entfernt, so nah, dass die Flammenzungen sich bereits gegenseitig berühren konnten. Dann trafen sie sich.
    Keine Explosion. Kein kolossales Feuerwerk. Stattdessen löste sich Damians Feuerstrahl sang- und klanglos mit einem leisen Zischen in dünne Luft auf, während die Attacke des Vulkangottes unberührt in die ewigen Weiten des illusionären Zeltes rauschte. Zum ersten Mal in der Gesamtheit des Kampfes wirkte der Narr hinter dem gigantischen Feuergesicht aus der Fassung gebracht. Erstraunt riss er die orangeroten Augen auf und schien in absolut keiner Weise zu wissen, was vor sich ging. Was war passiert? Wo war …?
    Dann erschien Damian hinter Piero.
    Die nächsten Sekunden zogen sich dahin, als ob die Zeit aus Harz gemacht worden wäre. Das braune Haar des jungen Mannes flatterte leicht im Wind, die Augen hatte er zu Schlitzen verengt, sein Blick war entschlossen, doch sein Lächeln triumphal. In seiner Hand hielt er den goldenen Stab, schwach im Licht des Vulkangottes glänzend, verschmutzt und beschädigt. Es kam ihm vor als hätte er sich in eine Schnecke verwandelt, so schleppend, meinte er, holte er mit der Hand zum Schlag aus, seine Waffe fest in der Faust eingeschlossen. Die Intensität, mit der er den Stab umklammerte, ließ seine Fingerknöchel weiß werden. Langsam drehte sich der Narr um, immer noch verwirrt, doch als seine Augen den Blick Damians streiften, mischte sich dämmernde Erkenntnis in seinen Gesichtsausdruck. Der Junge wusste was geschah, sein Gegner versuchte ein weiteres Mal eine Defensive vorzubereiten, aber jener war sich trotz allem bewusst, dass das nicht mehr möglich sein würde. Damian war schneller.
    Dann stieß der junge Magier das Ende seines Mönchsstabs mit voller Wucht in den Rücken Pieros. Dies war das Ende: Schachmatt.
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    So, Teil 1 vom Finale. Teil 2 kommt (hoffentlich) nächstes Wochenende, ich kann aber keine Versprechungen machen. Die letzten Tage waren ziemlich stressig ... 2800 Wörter

  • Purgatorium II: Requiem


    Die Illusion zerbrach. Damian erkannte kaum etwas, den Blick einzig auf seinen Gegner gerichtet. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr wie die hohen Holzbalken, die das Zirkuszelt gehalten hatten, zerbrachen, als wären sie aus Papier gemacht und gen Boden stürzten. Bei ihrer Berührung mit der Erde lösten sie sich in glitzernde, braune Partikel auf wie in Kristall gefangene Lichtfragmente. Die leeren Sitzreihen zerschmolzen, Eis in der Sonne gleich, während das in allen Farben schimmernde Zirkuszelt in den dunklen Schatten der Illusion verschwand. Die gesamte Arena wurde von der Finsternis verschluckt, alles Licht wie in einem düsteren Meer versinkend.
    Pieros weiß geschminktes Gesicht leuchtete blass in der Schwärze, ähnlich dem Vollmond am sternenlosen Nachthimmel, während sein orangeroter Blick sich in den braunen Damians bohrte. Wie festgeklebt das träumerische Lächeln auf den Lippen schien dieses Mienenspiel jedoch nicht wirklich zu dem Ausdruck in seinen kühlen Augen zu passen. Es war ein merkwürdiges, geradezu unheimliches Bild, welches der Narr abgab, den jungen Magier fixierend, dessen eben noch triumphale Züge sich in eine von Schock und Angst gezeichnete Maske verwandelten. Was bedeutete das? Wie war das nur möglich? Er hatte doch gewonnen. Wieso geschah dies alles?
    Er spürte wie ihm der goldene Stab langsam aus der Hand glitt, fast wie eine sich windende Schlange, die versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. Obgleich seine Finger fest um ihn geschlungen waren, konnte er ihn nicht halten, während sein Blick immer noch wie hypnotisiert an Piero hing. Sein Körper war paralysiert, unfähig sich zu bewegen, während er wie gebannt in die feurigen Augen des Narren starrte. Wie ein Strudel aus wild tobenden Flammen, ein Gemisch aus Funken und Glut, welches ihn gefangen hielt, so erschienen sie ihm, ein brennendes Meer, welches ihn ertränkte. Der junge Magier hatte es bis dahin vermieden dem Narren direkt in die Augen zu sehen, zu oft hatte sein Meister ihn davor gewarnt, dass Augenkontakt der Schlüssel eines Illusionisten war, und nun, da er es tat, verstand er dies nur zu gut. Es war so gut wie unmöglich sich von dem Blick seines Gegenübers zu lösen, wie gefesselt ging man in der orangeroten Ewigkeit unter.
    Ein plötzlicher, stechender Schmerz rief den jungen Mann in die Gegenwart zurück, so stark, als ob man Blitze durch seine Adern gepumpt hätte. Der unerwartete Schock ließ ihn für einen kurzen Moment orientierungslos zurück, während weißes Licht ihn blendete, sodass seine Augen vor Leid und Blindheit tränten. Immer noch fuhren blitzartige Qualen durch seinen Körper, jede folgende jedoch schwächer als die vorherige. Zusätzlich spürte er zu seinem großen Bestürzen, dass er immer schwächer und schwächer wurde, fast als würde ihm die Magie ausgesaugt werden. Sein Kopf schmerzte schlimmer als jemals zuvor, er schien kurz vor dem Zerbersten zu sein, während sein Körper sich vor Schmerz versteifte, bis er schließlich keinen Muskel mehr bewegen konnte. Schon bald lag er keuchend mit tränenden Augen auf dem Boden, seine Gliedmaßen taub, unfähig sich zu bewegen.
    Erst als er völlig am Ende war, ließ die Folter nach, sodass er nur noch mit den Nachwirkungen zu kämpfen hatte, die ihn immer noch peinigten. Sein Kopf schien wie von Nebel gefüllt zu sein, keinen klaren Gedanken fassend, nur noch die niedersten Dinge wahrnehmend. Alles war verschwommen, verschleiert durch Schmerz und Verwirrung, seine Sinne abgestumpft wie ein altes Messer. Was war nur los? Wie konnte das sein?
    Trotz seines betäubten und fast schon leblosen Zustands, begann er langsam zu erkennen, wo genau er sich befand: Es war der weiße Raum, in welchem er zuvor seinen finalen Kampf gegen Elias hatte ausfechten müssen, da, wo Piero sich das erste Mal eingemischt hatte. Sein schwacher, verschwommener Blick wanderte langsam nach unten. Um seine schmutzigen, aufgerissenen Hände schlangen sich seltsame Fesseln, aus tintenartigem Rauch bestehend, eine flüssige Dunkelheit in Form von ihn bindenden Ketten. Um was für Magie handelte es sich hier? Waren sie der Grund für seinen furchtbaren Zustand?
    „Siegel … -magie?“, flüsterte er schwach, seine Stimme rau und heiser, als hätte er seit mehreren Tagen nicht mehr wirklich sprechen können. Das Wort kam nur schleppend über seine Lippen, seine Zunge fühlte sich wie ein totes Tier in seinem Mund an, eklig und kalt.
    „Ja als auch nein in gleichen Teilen, Damian-kun“, antwortete plötzlich die fröhliche Stimme Pieros. Hätte Damian sich in einer besseren Verfassung befunden, wäre er in diesem Moment wohl wild herumgewirbelt und hätte fanatisch um sich geblickt, um den Sprecher, dessen Worte von überall und nirgendwo her zu hallen schienen, ausfindig zu machen. Doch so konnte er nur unwillig lauschen: „ Ich habe den selben Trick benutzt wie du in unserem kleinen Kampf.“
    Das Augenlid des jungen Mannes zuckte und sein Gesicht verdüsterte sich. Eine Illusion?
    „Ganz recht!“, fuhr des Narren körperlose Stimme munter fort, offenbar erfreut von der Tatsache, dass der Braunhaarige dies so schnell erkannt hatte. „Du hast dir die illusionäre Natur unseres Schlachtfelds zu nutzen gemacht, um mich glauben zu lassen, du hättest einen frontalen Angriff gestartet, während du in Wirklichkeit hinter meinen Rücken geschlüpft bist. Clever, ich hatte nicht erwartet, dass Aden dich in der Illusionskunst lehrt, aber du hast mich abermals überrascht …“
    „Aber letztlich hat es nichts gebracht!“, spuckte der Lehrling angewidert aus. Plötzlich wurde ihm alles klar, trotz seines bemitleidenswerten Zustands fiel es ihm wie Schuppen vor die Augen. Es war so offensichtlich gewesen, dass es ihn fast schon zum Rasen brachte, wenn er nur darüber nachdachte. Dabei war er sich nicht einmal wirklich sicher, auf wen er tatsächlich wütend war. Sich selber dafür, dass er es nicht schon früher bemerkt hatte? Oder den Narren, der dafür verantwortlich war? „Das ganze Spektakel war nichts weiter als ein Spiel, eine Täuschung. Von dem Moment an, in dem du mir erschienen bist, hattest du mich unter deiner Kontrolle und da die Illusion der Prüfung meinen Geist bereits aufgelockert hatte, war es für dich ein Leichtes, mich zu manipulieren!“
    Mit jedem Wort, das er sprach, wurde der junge Mann zorniger, seine Emotionen kochten auf, so wie er es selten erlebt hatte, wie Magma in einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. Aber bevor er dieses Gefühl in irgendeiner Art und Weise lenken konnte, wurde er auch schon durch einen weiteren, stechenden Schmerz sediert. Seine Knochen fühlten sich an als wollten sie gleich zerbersten, während seine Lungen nach dem vielen Reden noch mehr wehtaten als vorher, fast als hätte ihm jemand ein Messer in den Brustkorb gerammt. Piero ließ sich durch die kleine Unterbrechung jedoch nicht ablenken, sondern sinnierte ungestört weiter: „Eine Illusion in einer Illusion, eine Art zweifaltiger Traum. Es ist wirklich interessant wie tief man in jene Abgründe eindringen kann, bevor man gänzlich von ihnen verschluckt wird. Ich denke, du weißt, worüber ich rede …“
    „Was willst du?“, keuchte Damian, seine Stimme kaum mehr als ein schwaches Röcheln. Die vorherige Tortur hatte kaum mehr etwas von ihm zurückgelassen, sodass er nach Luft schnappend um jedes einzelne Wort kämpfen musste. „Den Schatz? Wieso musstest du uns und die drei Volltrottel dafür hier hinunter schicken? Der Höllenhund war sicher nicht das Problem, noch war es die Prüfung des Schatzes! Um was geht es dir wirklich?“
    „Clever, clever, Damian-kun“, antwortete der Narr heiter und man konnte das träumerische Lächeln geradezu aus seinen Worten heraushören. „Du liegst vollkommen richtig mit deinen Vermutungen. Der Schatz ist nicht von Interesse für mich, vor allem da ich mich der Prüfung schon vor langer Zeit unterzogen habe. Mein primäres Ziel war nicht Reichtum oder dergleichen, sondern die Überwachung verschiedener Individuen, von denen du am wichtigsten warst. Ich vermutete, dass Aden dich noch nicht eingeweiht hatte, weswegen ich dir und deinen Freunden von dem Schatz erzählte, wobei ich dir noch eine besondere Motivation mit auf den Weg gab …“
    „Meine Vergangenheit …“, flüsterte der Junge leise, mehr zu sich selbst, als zu seinem Gesprächspartner. Der einzige Grund, weswegen er diese Hürden überhaupt auf sich genommen hatte.
    „Ich musste dich testen, Damian-kun“, fuhr Piero ungerührt fort, sein Ton immer noch fröhlich und jovial. „Diese Umgebung war der perfekte Ort für deine Prüfung. Die heiligen Stätten, die du weiter oben gesehen hast, gehörten dem sogenannten „Kult des Tartaros“, einer barbarischen Sekte, die viele Völker tyrannisierten und unnennbare Grausamkeiten vollstreckten bis sie durch den Sonnenkönig ausgelöscht wurden. Sie besaßen viele Tempel im Süden und Osten dieser Welt, doch auch hier in Aquea waren sie vertreten. Dieses Heiligtum im Speziellen ist besonders gefährlich …“
    Der Narr stoppte kurz in seinen Ausführungen und ließ Damian eine wenig Zeit zum Nachdenken, um die Informationen, die er zuvor erhalten hatte zu verarbeiten. Piero wusste also über die merkwürdigen Zeichnungen und Rituale Bescheid. War er vielleicht ein Anhänger des Kultes? Aber das konnte nicht sein, wenn es tatsächlich stimmte, dass der Sonnenkönig es vor Jahrtausenden geschafft hatte, den Kult auszurotten. Zudem hätte ein einfaches Kultmitglied keine Motivation, ihn zu verfolgen und zu „testen“. Was war dann der Grund?
    „Als Schüler von Aden warst du ohnehin interessant für mich“, erhob Piero nun abermals seine Stimme und der junge Magier wusste nicht, ob er seine Gedanken gelesen oder es sowieso hatte aufbringen wollen. „Hinzu kamen noch andere Faktoren, die dazu führten, dass ich eine verstärkte Wissbegierde in dich entwickelte. Aber letztlich bist du nur ein kleiner Teil eines größeren Puzzles, ein Mosaikstein, der dort liegt, wo er gefallen ist und nun an seinen rechten Platz gerückt werden muss …“
    Langsam fühlte Damian sich unwohl und das nicht aufgrund seiner körperlichen Verletzungen. Es schien als glaubte der Narr, dass er bereits gewonnen hatte und sah man sich die derzeitige Lage an, war das mehr als wahrscheinlich. Doch obwohl er nicht viel schlauer war als zuvor, wusste er zumindest, dass er seinem Gegner nicht einfach so den Sieg überlassen konnte. Wenn er ein Feind seines Meisters war, dann konnte das schwere Konsequenzen haben, Aden wäre sicher nicht begeistert davon, festzustellen, dass sein handverlesener Schüler gegen irgendeinen dahergelaufenen Spielmann verloren hätte. Aber wie sollte er sich nur aus dieser Lage befreien? Er war vollkommen am Ende und Piero besaß die totale Kontrolle über die Illusion.
    Dann traf ihn der Geistesblitz. Piero hatte zuvor etwas davon gesagt, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass Aden Damian die Gedankenmanipulation beibringen würde, etwas, dass ihm schon vorher einen Vorteil eingebracht hatte. Was wenn er jetzt ebenjenes Wissen nutzen würde, um sich gegen die Illusion zu stemmen. Gewiss rechnete der Narr nicht mit einem Gegenangriff und zu Damians Glück brauchte er für diese Art des Konterns weder Magie noch Stamina, nur pure Willenskraft und davon besaß er bei Leibe genug.
    So begann er sich auf einen bestimmten Punkt in sich selbst zu konzentrieren, seinen Kopf zu lehren und gleichzeitig wieder zu füllen, alle äußeren Einflüsse ausblendend, genauso wie sein Meister es ihm beigebracht hatte. Auf diese Art konnte er gegen die Illusion ankämpfen und wieder zurück in die Realität gelangen, wo er vielleicht eine fairere Chance gegen den Clown hatte. Er musste es schaffen.
    „Ein Fluchtversuch?“, erklang die freundliche Stimme Pieros erneut in seinem Kopf und trotz der oberflächlichen Fröhlichkeit schien es Damian als hörte er einen Schuss Hohn heraus. „Eines muss man dir lassen, Damian-kun, du bist nie bereit aufzugeben. Dies muss jedoch nicht unbedingt eine Stärke sein …“


    Der einst wunderschöne Tanzsaal lag in Trümmern. Die Überreste des Glasdaches waren zusammen mit den zersplitterten Holzsäulen über den ganzen Boden verteilt worden, während Teile der Decke hinuntergestürzt und beim Zusammenprall mit dem Steinflur zersprungen waren. Die Luft war erfüllt von einem Nebelschleier bestehend aus Staub und Schmutz, der über allem wie ein schwerer Vorhang lag. Durch die verschiedenen Löcher in der Decke fiel helles Sonnenlicht in den Saal und spiegelte sich in den abertausenden Glasscherben wieder, sodass es schien als ob die ganze Erde von unendlich vielen Diamanten bedeckt war. An den Wänden konnte man Brandspuren erkennen, einige Säulen sahen indes so aus, als wären sie durchgeschnitten worden und in einer Ecke konnte man eine große Wasserlache ausmachen.
    Im Zentrum dieses Schlachtfelds waren Kleopatra und Marie, beide vollkommen am Ende und Rücken an Rücken aneinander gefesselt. Die Haare der Blondine waren ein weiteres Mal arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, während ihre Elfenbeinhaut einige unschöne Kratzer und Blessuren aufwies. Auch der Rotschopf sah nicht besser aus, ihr Schwert lag nutzlos in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes und in ihrer Rüstung fehlten einige Teile, welche zusammen mit dem Schutt irgendwo unter der heruntergefallenen Decke vergraben waren.
    „Das war ein toller Plan!“, fauchte Kleo nun und strampelte unwillig mit den Füßen, die himmelblauen Augen giftige Blicke an die Wand verschickend, da es ihr zurzeit nicht möglich war, sich ihrer Partnerin zuzuwenden. „Nur schade, dass unsere Gegnerin jedes einzelne Wort hören konnte!“
    „Was hätte ich denn sonst tun sollen?“, keifte die Rothaarige entnervt zurück und versuchte vergeblich ihren Kopf so zu verrenken, dass sie die Adlige ansehen konnte. „Es dir durch den Raum zubrüllen? Weitaus bessere Idee!“
    „Wusstest du denn nicht, dass Salome Zugriff auf unsere Verbindungsplatzierung hatte?!“
    „Wenn du es wusstest, wieso hast du mich dann nicht gewarnt?“
    „Was?! Jetzt willst du auch noch mir die Schuld für deine Unfähigkeit in die Schuhe schieben?“
    Während das Gezanke noch eine Weile weiterging, stand Salomé unbeteiligt daneben und starrte mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck Löcher in die Luft. Ihr konnte man nicht einmal im Entferntesten ansehen, dass sie gerade Teil eines Kampfes gewesen war. Die Mädchen waren offenbar nicht an sie herangekommen, denn sie war vollkommen unversehrt, ihre makellose, braungebrannte Haut zeigte keinen einzigen Kratzer. Aus ihren in die Leere blickenden Augen konnte man geradezu die Langweile ablesen. Für sie war dies offenbar eine reine Zeitverschwendung gewesen.


    „Du stellst dich weitaus ungeschickter als deine Freundin an“, kommentierte Piero die verzweifelten Versuche Damians aus der Illusion frei zu brechen fröhlich, während jener sich immer noch unentwegt abmühte. „Sie hatte es sogar unwillentlich erreicht, die Konditionen meiner Illusion zu verändern …“
    Marie?“, sprang es dem jungen Mann unvermittelt in den Sinn, ihn nur für kurze Zeit von seinem Ziel ablenkend, doch es war bereits zu spät. Ein weiterer brennender Schmerz durchfuhr ihn, eine Strafe für sein kurzes Zögern und gleichzeitig seinen schwächlichen Widerstandsansätzen ein Ende setzend. Für einen kurzen Moment wurde alles taub, er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts. Es war, als ob er auf einmal unter Wasser getaucht und ihm alle Luft entwichen wäre. Dann, nach wenigen Sekundenbruchteilen, die ihm wie Tage vorkamen, schnappte er keuchend nach Luft. Jeder Atemzug brannte in seiner Lunge wie ein wütendes Feuer und sein Gesicht war nass von Schweiß und Tränen.
    „Das lag aber auch natürlich daran, dass ich mich nicht exklusiv auf sie konzentriert habe“, hörte er die Stimme des Narren ungerührt weiter redend, weit weg und nur schwach in seinem Kopf widerhallend, wie vom fernen Ende eines Tunnels. Doch trotzdem glaubte Damian aus den Worten Pieros fast so etwas wie Belustigung herauszuhören. „Manchmal muss man eben wissen, wann man verloren hat, Damian-kun.“
    „Ich gebe nicht auf!“, presste Damian zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, doch ein weiterer Schock reduzierte ihn abermals zu einem röchelnden Halbtoten.
    „Aber vielleicht wäre es besser, wenn du es tätest …“, flüsterte Pieros sanfte, träumerische Stimme in sein Ohr, fast als stände der Narr direkt neben ihm. Die unglaubliche Gelassenheit dieses Clowns machte den jungen Mann nur noch wütender. Für ihn war das Ganze nur noch ein Spiel, eine kurzweilige Erheiterung, Amüsement aus den Qualen des Magiers zu ziehen. Die Worte schienen so weich wie Federn, doch Damian hörte dahinter den Spott heraus. „Gegen mich kannst du nicht gewinnen.“
    „Ich … muss mich nur … aus der Illusion befreien!“, hustete der Braunhaarige und er schmeckte den metallischen Geschmack seines Blutes im Mund. Auf einmal verspürte er den starken Drang sich zu übergeben, während sein Herzschlag an Geschwindigkeit zunahm. „Dann … dann …“, er stoppte als ihm die Magengalle die Kehle hochkroch, doch er schaffte es sie zurückzudrängen, „ … kann ich es locker mit dir aufnehmen!“
    „Vorausgesetzt du schaffst es zu entkommen“, entgegnete der Narr gleichgültig.
    „Irgendwann wirst auch du müde!“, retournierte Damian und er konnte es sich nicht verkneifen sein typisches selbstzufriedenes Grinsen aufzusetzen, die sonst makellos weißen Zähne vom Rot seines Blutes beschmutzt. „Du kannst mich nicht ewig hier festhalten!“
    „Vorausgesetzt ich bringe dich nicht vorher um.“
    Damian konnte nicht anders als laut aufzulachen, bereute es jedoch sofort wieder, da sein Hals sich anfühlte, als hätte ihm jemand mit einem Messer von innen die Haut abgestreift. Etwas Blut tropfte seine Lippe hinunter auf den schneeweißen Boden. „Du bluffst!“, keuchte der junge Zauberschüler, während er weiterhin mit vor Anstrengung zusammen gekniffenen Augen nach Atem rang. „Du hast selbst gesagt, dass du mich brauchst, dass ich irgendein … Mosaikstein oder so bin! Außerdem …“, fuhr er fort und sein Grinsen wurde noch breiter, „… hast du sowieso bald verloren! Es dauert nicht mehr lange bis mein Meister und Maries Großmutter herausgefunden haben, wo wir sind, und dann hast du es mit zwei großen Magiern zu tun! Sie werden dich zertreten wie ein Insekt!“
    Piero antwortete darauf eine kurze Weile lang nichts und Damian wähnte sich schon in der Hoffnung ihm seine Grenzen aufgezeigt zu haben, doch dann kam die Antwort, freundlicher und ruhiger denn je: „Ich nehme an du bist mit dem Term Zeitliche Dissonanz vertraut, Damian-kun?“
    Der junge Mann erstarrte, während es ihm kalt den Rücken hinunterlief. Ein Schock, anders als die, die ihm Piero bisher bereitet hatte, durchfuhr ihn als ihm klar wurde, auf was der Narr hinaus wollte. Natürlich kannte Damian den Begriff Zeitliche Dissonanz; Aden als Theorieanbeter hatte keine Gelegenheit ausgelassen, ihn Bücher über alles Mögliche auswendig lernen zu lassen. Es beschrieb den Unterschied zwischen der gefühlten Zeit innerhalb einer Illusion und dem Lauf der eigentlichen Zeit außerhalb. In der Praxis hieße dies, dass Piero Damian mehrere Jahre innerhalb der Illusion einsperren konnte, ohne das in der realen Welt mehr als ein paar Minuten vergingen.
    „Du musst einfach einsehen …“, säuselte die Stimme des Narren immer noch heiter und verträumt, „… dass ich gewonnen habe.“
    „Nein!“, rief Damian mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung aus. Er konnte das nicht zulassen, Piero durfte nicht siegen. Abermals begann er sich gegen die Illusion zu stemmen, stärker und entschlossener als zuvor. Vor Anstrengung die Augenlider zusammengepresst, blendete er alle Einflüsse aus, sowohl innerlich als auch äußerlich, nur auf sein eines Ziel konzentriert. Er musste alles, alle Ressourcen, die er besaß, sämtliche Reserven, die er noch nicht verbraucht hatte, sammeln, musste versuchen sich endlich aus diesem Würgegriff zu befreien. Sein ganzes Sein durfte sich nur auf diesen einen Richtungspunkt konzentrieren, nichts anderes blieb ihm im Sinn. Er musste es schaffen.
    „Ich werde nicht verlieren!“
    Alles zerbarst. Für einen kurzen Moment befand der junge Mann sich in der Schwebe, unfähig irgendetwas zu erkennen, unfähig auch nur irgendetwas zu fühlen. Dann schlug er auf einmal die Augen auf.
    Vor ihm taten sich abgrundtiefe Schatten auf, nur einzeln durchwachsen von orangeroten Schleiern. Seine Füße berührten festen Untergrund, obwohl er nichts erkennen konnte. Überall waren nur Schatten und Nebel, nichts wirkte als ob es der Realität entsprungen wäre. Hatte er es geschafft? In seiner Hand hielt er abermals seinen goldenen Stab, doch seine Kleidung war immer noch Pieros schwarzrotes Zigeunergewand. Sein Körper war wieder normal, nichts wies auf die unglaublichen Qualen hin, die er zuvor hatte erleiden müssen. Die schwarzen Fesseln, die seine Handgelenke zuvor gebunden und ihn und die Qual aneinander gekettet hatten, waren verschwunden. „Ist die Illusion gebrochen?“
    „Teilweise.“ Damian lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter als ihm abermals Pieros ruhige Stimme leise ins Ohr flüsterte. Sofort wirbelte er herum, um zu sehen, wo der hinterhältige Narr war, doch er erkannte nichts und niemanden. Nur endlose Dunkelheit, eine gähnende Leere. „Jedoch muss man sich fragen, wie weit du bereits in das Labyrinth deiner Gedanken eingedrungen bist. Weißt du die Antwort?“
    Frustriert biss der junge Mann sich auf die Lippe. Noch eine Illusion? Aber wie war das möglich? „Egal! Ich habe es bereits einmal geschafft seine Gedankenspiele zu brechen, ich schaffe es sicher noch ein zweites Mal!“ Abermals sammelte er sich und versuchte genug Entschlossenheit zu vereinen, um freizukommen, doch Pieros ständige Stimme in seinem Nacken erwies sich als konstanter Dorn im Auge.
    „Was immer du für richtig hältst, du liegst falsch“, hauchte die verträumte Stimme und ihr Ton war nun so fröhlich, dass man meinen konnte, ihr Besitzer wäre gerade zum König ernannt worden. „Egal welchen Irrweg du auch beschreitest, am Ende ist es nur ein weiterer Pfad zu deiner Niederlage.“
    „Du kannst mir nichts einreden!“, spuckte Damian verabscheut aus, die Augen weiterhin fest geschlossen, versuchend sich auf seine innere Mitte zu konzentrieren. „Deine kleinen Psychospielchen funktionieren bei mir nicht!“
    „Die Gabe der Sonne …“, fuhr der Narr ungerührt fort, den unfreundlichen Ton seines Gesprächspartners nicht achtend, „… ist gleich den Flügel, die es uns ermöglichen, uns von den Ketten des Schicksals loszureißen und der Erde zu entrinnen, um die Himmel zu erobern. Doch obgleich jenen, müssen wir fallen, von Hochmut getrieben, durch Hochmut gestürzt.“
    „Das sagt gar nichts!“, fauchte der Junge, verzweifelt seine unnahbare Fassade versuchend aufrecht zu erhaltend. Doch langsam begann seine Sicherheit zu bröckeln und seine Kämpfe gegen die Schlingen der Illusion um seinen Geist ließen nach. Er hatte nicht verloren, er konnte nicht verloren haben! Schließlich hatte er noch nie versagt, gerade jetzt, da es zählte, durfte es ihm nicht zum ersten Mal geschehen!
    „Gib auf“, flüsterte Piero leise, die Stimme kaum noch ein Hauch in den ewigen Schatten.
    „Niemals!“, rief Damian zornig. Er durfte nicht aufgeben!
    „Du hast keine Chance auf einen Sieg …“
    „Sei ruhig!“
    „In deinem Inneren hast du es schon längst akzeptiert …“
    „Nein!“ Damians Stimme brach und wurde langsam schwächer. Etwas drückte in seiner Brust, zermalmte sein Herz wie eine unsichtbare Hand. „Ich … ich kann noch siegen!“
    Leises Lachen hallte durch die unendliche Finsternis. Es war kein kühles, grausames Lachen, aber warm war es auch nicht. Es war einfach nur merkwürdig. „Aber zu welchem Preis?“ Auf einmal erschien ein helles Leuchtfeuer nicht weit von Damian entfernt. Seine Leuchtkraft war so stark, dass der junge Mann für einen kurzen Moment die Augen zusammenkneifen musste, um nicht geblendet zu werden. Als er sie wieder aufschlug, stand ihm Piero gegenüber.
    Das weiße Gesicht leuchtete vor dem düsteren Hintergrund noch heller als sein Feuer zuvor, sein Lächeln so träumerisch und unbeschwert wie eh und je, doch die orangeroten Augen kalt und berechnend. Hinter ihm erschienen, zu Damians Entsetzen, Adrian und Laila, beide bewusstlos, schlaff den Kopf hängen lassend und gefesselt von den schwarzen Ketten, die er zuvor abgeschüttelt hatte. Die haselnussbraunen Augen des jungen Mannes weiteten sich vor Schock und Bestürzung, als ihm klar wurde, was Piero vorhatte. Dann übermannte ihn ein weiteres Mal die Wut.
    „Lass sie aus dem Spiel!“, zischte er und sein Blick war gefährlicher als je zuvor. Das war nicht gerecht, der Narr kämpfte mit unfairen Mitteln.
    „Dafür hättest du sie zuerst aus dem Spiel lassen sollen“, entgegnete jener nun, das Lächeln so unbewegt wie die Zeit selbst. „Sollen sie das Opfer deines Sieges werden?“
    „Das lasse ich nicht zu!“, brüllte Damian und zum ersten Mal seit dem Beginn des Kampfes verlor er seine Kühle und stürmte einfach so, ohne Plan oder Verstand auf seinen Gegner zu, einfach nur darauf hoffend, dass er es irgendwie schaffen konnte, die beiden zu befreien. Doch kaum hatte er seinen ersten Schritt gemacht, schon spürte er wie ihm die Knie nachgaben, wie alle Kraft aus seinen Gliedern wich und er zu Boden sank. Sein Stab fiel ihm ein weiteres Mal aus der Hand und landete klirrend auf dem Grund, während der Braunhaarige sich schwer atmend mit den Händen abstützen musste, um nicht umzukippen. Warum war er auf einmal wieder so schwach?
    „Sieh es ein, ich habe alle Fäden in der Hand …“
    „Nie … -mals!“, brachte der junge Mann keuchend hervor, den immer trüber werdenden Blick auf Laila, Adrian und Piero gerichtet. „Ich kann noch …“
    „Du kannst nichts mehr“, unterbrach ihn Piero, die Stimme sanfter und freundlicher denn je. „Jeder Weg führt zum Niedergang.“
    Ein Bild blitzte durch Damians Bewusstsein. Kleopatra und Marie, beide bewusstlos, genauso wie Laila und Adrian, Rücken an Rücken gebunden. Über ihnen mit einem langen Sichelschwert in der Hand eine bedrohliche Salomé, die Augen auf ihr Ziel gerichtet. „Was?!
    „Soll dein Stolz auch dich zum Fall verleiten?“
    „Ich gebe nicht auf!“, flüsterte Damian doch seine Stimme wurde schwächer, kaum noch hörbar. Er spürte wie seine Augen brannten, doch er wollte es nicht wahrhaben. Er war zu stur, um es zu akzeptieren.
    „Von Hochmut getrieben …“
    „Ich …“, flüsterte Damian, mehr zu sich selbst als zu dem Narren. Seine Stimme brach, als ihm etwas Warmes über die Wangen lief und ein gewaltiger Kloss im Hals ihm die Kehle zuschnürte. Wieso war er so machtlos? Warum konnte er nicht weiterkämpfen? Langsam hob Salomé das Schwert.
    „Durch Hochmut gestürzt!“
    Das Schwert sauste herab. Damian schrie auf. Sein ganzer Kopf war leer, nur noch ein Gedanke war vorhanden. Sein Körper war stumm, sein Geist taub. Das durfte nicht passieren!
    Das Schwert stoppte. Pieros Lächeln verbreitete sich.
    „Ich … ich gebe auf.“
    _ _ _
    So, vorletztes Kapitel mit 4100 Wörtern. Letztes Kapitel ist bereits vorbereitet, fertig und kommt nächste Woche zusammen mit dem Epilog.

  • Purgatorium III: Strafe


    Damian schlug die Augen auf. Sein Herz raste so schnell als wolle es ihm jeden Moment aus der Brust springen und sein Kopf war merkwürdig benebelt, fast so als hätte er ein paar Gläser zu viel getrunken. Sein Körper war schwer und schläfrig wie nach einem langen Traum aus dem er endlich erwacht war. Alles war verschwommen als hätte sich Dunst vor seinem Gesicht abgesetzt und versperrte ihm die Sicht. Erst nachdem er sich ausgiebig die Augen gerieben hatte, kam die Klarheit zurück und es war ihm möglich seine Umgebung in Augenschein zu nehmen.
    Langsam und verwirrt sah er sich um: Er befand sich in einem Raum der sich weit in alle Richtungen erstreckte, ähnlich einer gigantischen Blase im Gestein. Schwarze, von Diamanten gesäumte Wege führten zu der Erhöhung in der Mitte der Höhle, auf der er sich befand. Links von ihm lag ein finsterer See, dessen dunkle Wellen an schwarzen Sandstränden eine unheimliche Melodie spielten. Licht kam von einer kleinen Sphäre, die sich über ihnen positioniert hatte, fast wie eine Miniaturausgabe der Sonne. Ihr Glanz war golden, aber kühl und nicht so wie warm wie das Flackern eines Feuers. Er war wieder zurück in der Realität.
    Neben ihm regten sich allmählich Marie und Laila, weiter entfernt erwachten gerade Kleopatra, Adrian und Elias aus ihrem langen Schlaf. Als er vorsichtig mit wackligen Beinen aufstand, da seine Knie nach der Illusion offenbar noch zu schwach waren, um ihn vollkommen sicher zu stützen, bemerkte er wogegen er die ganze Zeit gelehnt hatte: Die weiße Steintruhe, die den Schatz beinhaltete.
    „Was … was ist passiert?“, fragte er sich, seine Stimme nach der langen Stille etwas heiser. Hatte er nicht gerade eben noch verloren? Er hatte doch aufgegeben, oder? Warum war er dann wieder hier und wieso fühlte er sich so merkwürdig? Bedächtig und darauf achtend nicht hinzufallen trottete er ein wenig um den Schatz herum, während er hinter sich das Stöhnen Adrians vernehmen konnte, es aber getrost ignorierte. Seine Auffassung war seltsam getrübt, seine Gedanken schleichend und nur schleppend alles verarbeitend. In einer Pfütze in der Nähe konnte er sein Spiegelbild erkennen. Da traf es ihn.
    „Was?! Was soll das?!“
    Er trug immer noch denselben affigen Aufzug, den er schon in Pieros verdammten Zirkus angehabt hatte. Kein Wunder, dass er sich die ganze Zeit so merkwürdig gefühlt hatte, in diesem Kostüm konnte einem ja auch nichts Anderes als unwohl sein. Mit einem Schlag war seine gesamte Energie wieder zurückgekehrt, sein Kopf wurde klarer und er spürte das große Verlangen jemanden mit weißer Schminke und orangeroten Augen ins dümmlich lächelnde Gesicht zu schlagen.
    „Was brüllst du denn hier so rum?“, kam der schnippische Kommentar hinter ihm und Damian musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass er von Marie gekommen war. Offenbar war sie nun ebenfalls im Vollbesitz ihrer Kräfte, während man Adrian und Kleopatra noch weiter lamentieren hören konnte.
    „Hast du mich mal angesehen?!“, fauchte der junge Mann aufgebracht und wirbelte auf dem Absatz herum, um dem Rotschopf beim Streiten wenigstens ins Gesicht sehen zu können. „Ich sehe aus wie ein …“ Doch er stoppte mitten im Satz.
    Auch Marie sah nicht mehr so aus wie er sie in Erinnerung hatte. Statt ihres normalen, konservativen Kostüms trug sie etwas, was der junge Magier nicht in einmal in tausend Jahren an ihr erwartet hätte. Bekleidet war sie mit einer Kombination aus Rüstung und kurzem braunen Rock mit flachen Eisenschuhen, ihr bis zum Knie reichenden Beinscheinen, einem Plattenharnisch, der ihren Oberkörper schützte und wie Damian ungerne zugab sehr gut an ihr aussah, Metallhandschuhen und merkwürdigen, an Ringen unterhalb ihrer Schulter befestigten Kettenhemdärmeln. Insgesamt sah sie wie eine Kriegerkönigin aus, das rote Haar wild und ungeordnet ihr Gesicht umrahmend. Der junge Mann konnte nicht anders als sie für einen kurzen Moment ungläubig anzustarren. Sie wiederum beantwortete seinen Blick mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck, als ob sie nicht genau wüsste, warum er denn auf einmal so verdattert dreinblickte.
    „Was …?“
    Doch bevor der Zauberlehrling die Frage, die ihm auf der Zunge brannte, stellen konnten, wurde ihm die Antwort auch schon von einer verträumten Stimme ins Ohr gehaucht: „Eine Illusion, der Realität entsprungen oder auch eine Realität, gewonnen aus Illusionen.“
    Damian sprang einen halben Meter zur Seite, das Herz wollte ihm vor Schock fast durch die Rippen bersten, bevor er realisierte, wer da gerade gesprochen hatte und sich wütend umdrehte. Dort, vor ihm kopfüber in der Luft schwebend, hing Piero mit einem Lächeln auf den weißen Lippen als wäre nie etwas gewesen. Er sah so aus wie immer, die Kleidung feuerrot, die Haare rabenschwarz und die Narrenkrone immer noch stur der Gravitation trotzend. Hinter ihm stand Salomé, wie immer mit einem Gesichtsausdruck, als wäre sie nur rein zufällig hier.
    Der junge Mann konnte es kaum fassen. Befand er sich immer noch in einer Illusion? Das würde seine Kleidung erklären. Aber warum waren Marie und die anderen dann hier? Waren sie ein Teil von Pieros Manipulationen oder hatte er beschlossen gegen alle auf einmal anzutreten. Wie dem auch sein mochte, Damian war bereit es mit dem Clown aufzunehmen. Automatisch griff er an seine Hüfte, wo er seinen goldenen Mönchsstab vermutete, spürte jedoch, dass jener nicht da war. Mit vor Zorn verengten Augen sah er wie der Narr mit dem kleinen, sichelartigen Gerät herumspielte und es dabei interessiert begutachtete.
    Als jener Damians Blick aufgriff und sah, dass der Magier noch mehr auf Kampf getrimmt war als sonst, hob er beschwichtigend die Hände, wobei er seinem Gegenüber dessen Waffe zuwarf. „Keine Sorge, Damian-kun“, meinte der Narr ruhig, das träumerische Lächeln unbewegt auf seinem Gesicht. „Salomé und ich haben kein Interesse daran euch zu bekämpfen.“
    „Ach, tatsächlich!“, knurrte der Braunhaarige den Blick immer noch feindselig auf das Zigeunerpaar gerichtet. „Und was ist dann mit deinem kleinen Mosaik oder wie auch immer du es bezeichnest hast? Was sollte das Ganze dann, hmm?“
    „Damian, was ist hier los?“, fragte Marie besorgt, während sie einige Schritte näher trat, offenbar nicht genau wissend wie sie reagieren sollte.
    „Die beiden da …“, spuckte der junge Mann verächtlich aus ohne den Blick auch nur eine Sekunde von den Illusionisten zu lassen, „… hätten euch beinahe alle …!“
    „Es war ein Test“, unterbrach ihn Piero ohne mit der Wimper zu zucken, während er die beiden weiterhin anlächelte, als wäre er ein stolzer Lehrer und sie seine Schüler, die gerade einen Buchstabierwettbewerb gewonnen hatten.
    „Ein Test?“, wiederholten Damian und Marie ungläubig gemeinsam, der Junge skeptisch eine Augenbraue hochgezogen, das Mädchen einen bösen Blick zur Bauchtänzerin werfend. Was meinte er damit? All dieser Aufwand für eine simple Prüfung?
    „Ein Test, um zu sehen wie weit du bereit bist deine eigenen Interessen hinter die anderer zu stellen“, erklärte der Narr freundlich, sein interessierter, orangeroter Blick auf Damian ruhend. „Ich kann dir bereits jetzt sagen, dass du nicht allzu schlecht abgeschnitten hast.“
    „Heißt das …“, überlegte der junge Magier laut und strich sich nachdenklich über das Kinn, bevor es ihm wie Schuppen vor die Augen fiel und sein Gesicht sich vor Freude und Aufregung aufhellte, „… dass wir jetzt rechtmäßige Besitzer des Schatzes sind?“
    „Das bedeutet, dass wir Großmutters Gasthaus retten können!“, rief Marie außer sich vor Glück aus und ohne weiter darüber nachzudenken fiel sie dem leicht überraschten Damian vor Jubel um den Hals. Jener wusste nicht genau, wie er darauf nun reagieren sollte und beschloss nach kurzem Zögern den Rotschopf einfach zurück zu umarmen, wobei er ihr sinnloserweise etwas auf den metallenen Rückenpanzer klopfte. Doch auch er konnte es kaum fassen: Sie hatten endlich das erreicht, wofür sie gekämpft hatten. All die Kämpfe, all die Strapazen würden sich nun auszahlen. Er bekam einen Hinweis auf seine Vergangenheit und zu allem Überfluss konnten sie auch noch die Gaststätte vor der Pleite bewahren. Es war wie ein wahr gewordener Traum.
    „Bedauerlicherweise …“, unterbrach Piero ruhig den Freudentaumel der beiden Jugendlichen, „… habt weder ihr, noch die drei merkwürdigen Gestalten da drüben …“, er deutete mit einem Kopfnicken hinter Damian und Marie auf den Grabstein, sodass die beiden sich umdrehten, um zu sehen, was die drei Adligen trieben. Kleo, Adrian und Elias waren gerade dabei gewesen klamm und heimlich zu versuchen die Steintruhe zu öffnen, hatten dabei allerdings keinen Erfolg gehabt und standen nun leicht schuldbewusst zu der kleinen Vierergruppe blickend wie die begossenen Pudel da.
    Dem jungen Magier fiel bei näherer Betrachtung auf, dass sich auch die Kleidung der drei Adligen seit ihrer letzten Begegnung stark gewandelt hatte. Statt ihres zerfetzten, schwarzen Minikleids trug Kleopatra nun ein Kostüm, welches offenbar sehr von Salomé inspiriert worden war: Ein bauchfreies, sehr freizügig geschnittenes Oberteil, ein extrem langes Kleid aus fast schon durchscheinenden Stoff, alles gehalten in starken Rottönen und sehr hochhackige Schuhe, bei denen dem einen ein Absatz fehlte. Auch Elias und Adrian schienen offenbar radikal unter Pieros lebhafter Fantasie gelitten zu haben, denn beide hatte es sogar noch schlimmer getroffen als selbst Damian.
    Der Silberhaarige war gekleidet in eine kurze, grüne Hose, welche kurz oberhalb seiner Knie endete, einem blauen, kurzärmligen Hemd mit silbernen Streifen und einer gigantischen, knallroten Fliege, von der Damian vermutete, dass sie größer war als seine Hand. Auf seinem Haupt thronte eine dunkelblaue Mütze, die einem enormen Wassertropfen verdächtig ähnlich sah, doch all das war noch nichts gegen die Schuhe. An die Stelle der normalen, dezenten Schuhe, die der junge Adlige sonst immer trug, waren nun tellergroße, gelbe Ungetüme gerückt, die zu allem Überfluss auch noch so geformt waren, dass sie aussahen wie die Füße einer Ente.
    Adrian hatte es nicht viel besser erwischt, da es den Narren bei ihm wohl auf die sieben Weltmeere verschlagen hatte. Sein Schuhwerk war durch ein Paar hohe, schwarze Stiefel ersetzt worden, die enganliegende Hose hatte die Farbe von Narzissen angenommen. Der Mantel, den er über seinem weißen Rüschenhemd trug, war lang und leicht angerissen, schwarz mit goldenen Rändern und großen, reichaussehenden Knöpfen. Schräg platziert auf dem goldbraunen Wellenhaar des jungen Viscounts fand ein goldener Zweispitzhut seinen Platz, an dem eine gigantische, gelbe Feder befestigt worden war. Um den ganzen noch die Krone aufzusetzen, verdeckte eine goldene Augenklappe das rechte Auge des Adligen. Insgesamt gaben alle Drei einen sehr merkwürdigen Eindruck ab.
    Während Damian und Marie das Trio immer noch anstarrten als handelte es sich bei ihnen um sehr seltene Tiergattungen, fuhr Piero ungestört fort, dass Lächeln immer noch omnipräsent: „… keiner von euch hat die Prüfung des Schatzes bestanden.“
    „Was?!“, riefen der Zauberlehrling und der Rotschopf im Einklang aus und die zertrümmernde Enttäuschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Wie konnte das sein, nach all dem, was sie durchgemacht hatten? Hieß dies etwa, dass sie es nun doch nicht schaffen würden, die Gaststätte zu retten? Der junge Mann konnte es kaum fassen, er wollte es aber auch nicht. Wie war das möglich, nach all dem, was sie hatten durchstehen müssen? War alles, alle Mühen, die sie in diesen Kampf um den Schatz, in diese Prüfung, investiert hatten, etwa vollkommen umsonst gewesen?
    „Aber wie kann das sein?“, bohrte die Rothaarige halb verzweifelt halb frustriert nach, krampfhaft versuchend sich an einen letzten Hoffnungsfaden zu klammern. Das konnte nicht alles gewesen sein. „Du hast doch gesagt, dass wir die Prüfung bestanden haben!“
    „Die Prüfung des Schatzes …“, erklärte Piero freundlich und ohne sich von niedergeschlagenen Gesichtern seiner Zuhörer aus der Ruhe bringen zu lassen, „… sieht vor, dass man innerhalb der Illusion siegt. Da aber beide Gruppen entweder verloren oder aufgegeben haben, steht keinem das Recht auf den Schatz zu. Allerdings …“, fügte er hinzu, bevor Damian und Marie überhaupt die Möglichkeit hatten, sich laut darüber zu beschweren, „… ist es mir schon seit einiger Zeit möglich auf das Innere der Truhe zurückzugreifen.“
    „Heißt das …“, wunderte sich Damian, die Augen nachdenklich geschlossen und die Hand am Kinn, doch bevor er seine Frage vollständig stellen konnte, fiel ihm Marie aufgeregt ins Wort, in ihren azurblauen Augen wieder ein Hoffnungsschimmer glitzernd: „… dass du uns einen Teil des Schatzes abgeben wirst?“
    Der Narr schenkte ihr sein typisches sanftes Lächeln und Damian sah aus dem Augenwinkel wie das Mädchen leicht errötete: „Ich sehe keinen Grund, weshalb ich ihn euch verwehren sollte.“ Mit diesen Worten trat Piero, nun wieder mit beiden Füßen fest auf dem Boden, einige Schritte nach vorne und an Damian und Marie vorbei auf die Steintruhe zu. Kleo, Adrian und Elias zuckten zurück, fast so als hätte der Schwarzhaarige ihnen einen seiner bösen Blicke zu geworfen, und blieben zitternd einige Meter von dem Rest der Gruppe entfernt stehen, einige von Verlangen geprägte Blicke der Steintruhe zuwerfend.
    Der junge Mann und die Rothaarige folgten ihrem Wohltäter geschwind, wobei Damian sich niederkniete, um einer verwirrt dreinschauenden Laila auf die Füße zu helfen. Auch sie war nicht von einem Kostümwechsel verschont geblieben, jedoch hatte man bei ihr lediglich das Farbmuster geändert. So trug sie nun ein schneeweißes Kleid, mit einer braunen Strickjacke darüber und einem langen, roten Kapuzenmantel. „Interessante Farbkombination …“, war der gedankliche Kommentar des Jungen dazu, doch er behielt diese Beobachtung für sich. Kein Grund jetzt einen Streit vom Zaun zu brechen.
    Piero hatte sich inzwischen vor der weißen Steintruhe niedergekniet und berührte mit einer blassen, langfingrigen Hand sanft die Seite des Sarges, fast so als hätte er es mit einem scheuen Tier zu tun. Sofort leuchtete die eingravierte Schrift feuerrot auf und erfüllte die schwarze Höhle mit einem warmen Glanz. Die drei Adligen zuckten wie verschreckte Hühner zusammen, doch Damian achtete gar nicht darauf, er betrachtete fasziniert das Geschehen. Ganz langsam, so schleichend, dass man es kaum mitbekam, hob sich der schwere, steinerne Deckel und schwebte für ein paar Sekunden schwerelos in der Luft. Dann levitierte er zur Seite und enthüllte die lang ersehnten Reichtümer, welche wie ein goldener Schein aus der Kiste heraus strahlten.
    Marie trat zögernd einige unsichere Schritte näher, fast als befürchtete sie, ihr Glück würde sich in Luft auflösen, wenn sie zu überschwänglich war, doch Damian dachte gar nicht daran sich in Zurückhaltung zu üben und war der Erste am Sarg, vor Vorfreude und Aufregung kaum noch an sich haltend. Nun konnte er endlich sehen, wofür sie gekämpft hatten, wofür sie diese Tortur überhaupt erst begonnen hatten.
    Der Schatz war genauso wie er ihn sich vorgestellt hatte: Im Inneren der Truhe häuften sich vielerlei wertvoller Dinge an, der junge Mann erkannte einige reich verzierte Kronen, Diamantketten, Ohrringe, die verdächtigerweise so aussahen, als wären sie mit Blut beschmiert, Spiegel, edle Schatullen und eine ganze Menge Edelsteine, einzig wirkliches Geld fehlte. Das Licht der Feensphäre, welches von oben auf diese unermesslichen Reichtümer herab schien, brach sich in den vielen Kristallen, Rubinen und Saphiren und ließ das Innere der Truhe aussehen, als hätte man einen Regenbogen in ihr eingesperrt. Der junge Magier konnte all dies kaum fassen: All dieses Gold und Silber, all diese Perlen und Diamanten, es überrumpelte ihn in all seinem Glanz und seiner Pracht. So erschlagen war er von diesem Anblick, dass er weder seinen Partnern noch Piero einen Blick zu warf, als jener zu einer weiteren Erklärung ausholte, sondern wie gebannt das Gold bewunderte. „Dies ist der sogenannte Schatz der Geisterprinzessin oder auch der Reichtum der Toten, es hat viele Namen. Diese Kostbarkeiten sind über viele Jahrhunderte zusammengetragen worden, genommen von wahrlosen Generationen. Jeder Historiker würde hier sein Paradies auf Erden finden.“
    „Unglaublich!“, flüsterte Marie und Damian konnte ihr nur all zu leicht zustimmen. Dieses Zeug war also schon mehrere Zeitalter alt, war vielleicht vor Hunderten von Jahren geschmiedet worden. Da war sogar die Möglichkeit, dass einige Dinge hier von magischer Natur waren. Wie stark die Flüche oder Sprüche, die so viel Zeit zum Reifen gehabt hatten, wohl waren? Sollte er es herausfinden? Neugierig genug war er. Doch etwas, er wusste nicht genau was, hielt ihn davon ab, einfach so in die Truhe hinein zu fassen und sich den erstbesten Gegenstand herauszunehmen. Er konnte nicht sagen wieso, aber irgendwie spürte er, dass das ein Fehler sein würde. Er hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend und seine Intuition belog ihn normalerweise nie. Aber dennoch die Gelegenheit war einfach so verlockend …
    Während der Junge noch mit sich ring, übernahm Piero jedoch die Initiative und fischte mit einer flinken Handbewegung etwas aus den Untiefen der Kiste. „Hier!“, rief er fröhlich und warf dem Braunhaarigen den kleinen, runden Gegenstand zu. „Fang!“
    Reflexartig hob Damian die Hand genau im richtigen Moment, um das Geschenk geschickt entgegen zu nehmen. Verwundert betrachtete er es: Es war ein silberner Ring, groß genug, um an seinen Ringfinger zu passen. Eingelassen in ihn war ein klobiger, tiefschwarzer Stein, so finster, dass man meinen konnte, er verschlucke das Licht selbst, ähnlich verhärteter Finsternis. Fasziniert begutachtete der junge Magier das Schmuckstück, fast schon hypnotisiert wirkte er, während er die eingravierten, sich weiß vom Dunkel des Steins abhebenden, Linien untersuchend, mit seinen Fingern fühlend sanft über sie strich. Sein Kopf war wie leer gefegt, er registrierte nichts Anderes, nur auf den Ring und das Muster fixiert. Wenn er es richtig erkannte, war dies eine weiße Schlange, den Mund geöffnet und die gespaltene Zunge ausgestreckt.


    Nichts. Dunkelheit. Eine rote Finsternis, eine blutrote Finsternis. Das Gesicht eines Mannes, zu schnell wieder verschwunden, als das man es erkennen konnte. Schreie. Blut, welches alles bedeckte, welches die Sicht nahm. Wieder das Gesicht blutrot, nicht erkennbar, dann abermals verschwunden. Ein Zischen. Schnee. Rot. Blut.


    „Meine dir versprochene Belohnung …“, begann Piero leise und sanft sprechend, doch Damian zuckte sofort zusammen. Er hatte den Ring angesehen und war kurz in Gedanken verloren gewesen, hatte für einen kurzen Moment vergessen wo er war. Dieser Stein war merkwürdig gewesen, hatte ihn geradezu eingesogen, doch nun, da er aus seiner Starre gerissen worden war, hatte er einen schlechten Geschmack im Mund. „Ein Hinweis auf das Vergessene, welches wir verloren wähnen und auf das, was die Zukunft bringt.“
    Damian wusste nicht genau wie er antworten sollte, sein Kopf war seltsam neblig, ähnlich dem Gefühl, welches er zuvor schon in der Illusion gespürt hatte. Er wollte gerade ansetzen sich nörgelnd darüber zu beschweren und zu fragen, ob das alles gewesen war, weil er mit weniger kryptischen Hinweisen auf seine Vergangenheit gerechnet hatte, da er wurde jedoch unterbrochen. Ein dunkles, bedrohliches Grollen gefolgt von einem unglaublich starken Beben erschütterte die Höhle. Damian hatte große Mühen nicht hinzufallen, während Laila sich verzweifelt und verängstigt an Marie klammerte, sodass beide auf ihre Allerwertesten plumpsten. Einige Brocken stürzten von der Decke auf den Boden und zersprangen dort mit einem lauten Krachen, während Damian mit vor Entsetzen entgleisten Zügen feststellte, dass sich Risse im Boden auftaten. Der dunkle See schien ebenfalls in Aufruhe geraten zu sein, große, alles zerstörende Wallen krachten gegen die Steinwände, während die einst so ruhige Wasseroberfläche nun wild, fast als wäre sie erzürnt, blubberte und zischte.
    Auch Piero war offensichtlich alles andere als begeistert über diese Entwicklung der Dinge, denn sein sonst ewig träumerischer Gesichtsausdruck verdüsterte sich zum ersten Mal wirklich und er drehte sich rasch um, um zu sehen, wer für dieses Chaos verantwortlich war. Kleo und Adrian hatten es gewagt sich unbemerkt über den Schatz her zu machen und hatten sich alle ihre Taschen mit den Ringen und Kelchen vollgestopft, während sie sich selbst mit Ketten und Kronen behangen und geschmückt hatten. Nun gaben sie nicht zum ersten Mal an diesem Tag den Eindruck ab als hätte man sie soeben mit einem gigantischen Hammer geplättet. Stärker zitternd als Espenlaub hingen sie aneinander und blickten von Angst und Schrecken erfüllt zu dem über ihnen schwebenden Narren empor. Damian konnte Pieros Gesichtsausdruck nicht sehen, da jener mit dem Rücken zu ihm stand, doch als er die vollkommen panischen Reaktionen der beiden Adligen sah, war er sich nicht mehr so sicher, ob er das auch unbedingt wollte. Dieser Narr konnte schon ganz schon einschüchternd sein.
    „W-was geschieht hier?“, quiekte Laila hysterisch und der junge Magier konnte Tränen in ihren Augenwinkeln glitzern sehen.
    „Der Schutzmechanismus des Schatzes hat sich aktiviert“, erläuterte Piero düster, immer noch die Katastrophe um sich herum betrachtend. „Nur wer des Schatzes würdig ist, darf ihn berühren, andernfalls passiert dies.“
    „Wir-wir sind jung und brauchen das Geld!“, brachte Adrian als schwache Verteidigung hervor, doch ein Blick von Piero brachte ihn zum Schweigen, sodass er sich quiekend hinter Kleo versteckte, die offenbar vergeblich versuchte, ein unschuldiges Lächeln aufzusetzen, dabei aber kläglich scheiterte.
    „Wie dem auch sei“, fuhr der Narr fort, ohne sich weiter mit den beiden bemitleidenswerten Figuren abzugeben. Nun wandte er sich wieder an Damian, Marie und Laila, die ihn allesamt erschrocken und geschockt anstarrten. Was sollten sie nun tun? Der Weg zurück war lang und wenn sie hierblieben würden sie von den Steinen begraben werden. Aber sie konnten es niemals rechtzeitig zum Ausgang schaffen, oder? Außerdem war da ja noch der Höllenhund, der sie angreifen würde und Damian war sich nicht sicher, ob der Narr es mit dem Ungetüm würde aufnehmen können. Alles war verloren, nichts konnte sie jetzt noch retten.
    „Folgt mir!“, befahl Piero der Gruppe plötzlich und seine Stimme war zum ersten Mal befehlend, der sonstige, weiche, geduldige Ton war verschwunden. Seine orangeroten Augen blickten fordernd in die Runde und Damian konnte dem Blick keine Sekunde lang standhalten. Stattdessen tat er wie ihm geheißen und eilte hinter dem Schwarzhaarigen und Salomé her ohne auch nur daran zu denken sich zu beschweren. Ihr Schicksal lag nun in deren Händen. Damian wusste, dass er es sich gerade jetzt nicht leisten konnte, ungehorsam zu sein, vor allem, da er selbst keine Ideen hatte, die sie hier heil rausbringen würden. Der Clown schien sich in diesem Höhlensystem weitaus besser als er auszukennen und war demnach einer der sichersten Personen, denen er zurzeit folgen konnte.
    So rannten sie alle hinter dem schwebenden, rotleuchtenden Narren und der freizügigen Zigeunerin hinterher, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden irgendetwas zu hinterfragen. Ganz vorne waren Piero und Salomé, hin und wieder den Weg blockierende Steinbrocken sprengend und den richtigen Pfad weisend. Hinter ihnen liefen zuerst Laila mit flatterndem Mantel, dann Marie und zum Ende hin Damian gefolgt von Elias, Kleopatra und als allerletztes Schlusslicht Adrian, der seine Probleme hatte hinterher zu kommen.
    Das Beben wurde nun immer stärker, während mehr und mehr Teile der Decke ihren Weg auf den Boden fanden, sodass die kleine Gruppe sehr aufpassen musste, nicht getroffen und unter dem Geröll begraben zu werden. Schon bald war der Pfad hinter ihnen versperrt, was allerdings kein Problem war, da ohnehin keiner der Jugendlichen wahnsinnig genug gewesen wäre, umzudrehen und wieder zurück zu rennen. Den Nerven des jungen Mannes nicht zutragend waren die ganzen Risse, die sich nun in Wänden und an der Decke auftaten. Er hatte keine Lust in eine dieser Todesgruben hineinzutreten und er war sich sicher, dass jeder hier seine Wünsche teilte. Piero und Salomé führten sie nun in einen versteckten Gang, den Damian beim ersten Eintreten nicht bemerkt hatte, der aber offenbar eine Abkürzung durch den Tunnelkomplex war, da es schon bald sehr steil in die Höhe ging.
    Hinter sich konnte er Adrian sich beschweren hören: „Warum muss ich eigentlich als Letzter laufen?“
    „Weil du der langsamste bist, du Volltrottel!“, fauchte Kleo, die allerdings auch nicht wesentlich schneller war als ihr Cousin. Der eine abgebrochene Absatz machte ihr offenbar ganz schön zu schaffen, da sie eher humpelte als rannte und zusammen mit dem jungen Goldhall sehr weit zurückfiel. Damian begann bereits sich zu fragen, ob sie es überhaupt noch schaffen würden, da wurden seine dunklen Befürchtungen auch schon bewahrheitet.
    Ein weiteres starkes Beben erschütterte den Tunnel und ließ die Gruppe zittern und schwanken. Vor der blonden Viscountess tat sich urplötzlich und unerwartet ein gewaltiger Spalt auf, in den sie beinahe hineingefallen wäre. Dieses Schicksal vermied sie zum Glück jedoch, da sie gerade noch rechtzeitig stehen blieb und entsetzt den kirschroten Mund weit aufriss. Adrian, der diese Hürde allerdings nicht wahrgenommen hatte, verpasste es rechtzeitig zu bremsen und krachte mit voller Wucht in den blonden Lockenkopf hinein, sodass beide für einen kurzen Moment taumelten, bevor sie mit einem markerschütternden Schrei in den Abgrund stürzten.
    Damian riss entsetzt die Augen auf, kaum verarbeitend, was er gerade miterlebt hatte. Sein Herz schien für einen kurzen Moment stehen zu bleiben, doch ehe er irgendetwas Anderes tun konnte als mit vor Schock offenstehenden Mund auf den Abgrund zu starren, war ein silberner Schopf bereits an ihm vorbei gezischt. Der junge Magier wollte ihm eine Warnung hinterher rufen, doch da stürzte Elias sich bereits ebenfalls in die Leere, in einem verzweifelten Versuch seine Schwester zu retten. Damian konnte es kaum fassen.
    „Elias!“, schrie jemand hinter ihm auf und der Braunhaarige wusste sofort, dass es sich dabei um Marie handelte. Instinktiv streckte er seine Arme aus, da er genau wusste, was seine Kindheitsfreundin versuchen würde, und hielt sie damit davon ab sich auch in die Tiefe fallen zu lassen. „Nein!“, brüllte er die Rothaarige über das Donnern und Grollen des einstürzenden Tunnels an und schüttelte sie leicht, fast als wollte er sie wieder zu Besinnung bringen. Sein Blick bohrte sich in ihren, angespannt und unnachgiebig. In ihren leuchtenden Augen glitzerten Tränen, immer geweitet vor Schock. „Du kannst nichts mehr tun! Los!“
    Mit diesen Worten schubste er sie wieder in Richtung ihrer Schwester und den beiden Straßenkünstlern und gemeinsam beeilten sie sich den Anderen zu folgen, während hinter ihnen die Decke mit dem Boden kollidierte und den Weg zurück vollkommen versperrte. Sie waren gerade noch rechtzeitig davon gekommen.


    Eine kurze Zeit später schlug ihnen nach all der modrigen, stickigen Luft der dunklen Höhle die frische Brise des Abends entgegen und schon bald stolperten alle Drei erschöpft und außer Atem, aber erleichtert unter den freien Sternenhimmel. Das Erste, was Damian tat, war sich ermattet auf den schwarzen Steinboden sinken zu lassen und dort die Augen geschlossen nach Luft zu ringen. Sein Herz raste tausend Mal schneller als er eben gerannt war und schlug unangenehm gegen seine Rippen, fast wie ein Vogel, der aus seinem Käfig gelassen werden wollte. Neben ihm ließen auch die zwei Mädchen zu Boden sinken, beide genauso am Ende wie er. Das Beben hatte inzwischen aufgehört.
    „Das … war haarscharf!“, keuchte der junge Mann, konnte aber nicht umhin das breite, selbstgefällige Grinsen aufzusetzen, welches für ihn so typisch war. „Wer will nochmal?“ Als Antwort bekam er einen schwachen Hieb in die Seite, da Marie offenbar sogar zu kraftlos war, um ihn anständig zu vermöbeln. Zu seiner Freude sah er, dass auch sie ein schwaches Lächeln aufgesetzt hatte.
    Piero indes starrte gedankenverloren auf den nun versperrten Höhleneingang, der, wie Damian erst jetzt bemerkte, in einen gigantischen, aus schwarzem Gestein bestehenden Berg hineinführte, der offenbar ein paar Meter in den Boden gesackt war. Sie befanden sich offensichtlich im Schwarzgebirge, welche den Norden und Osten der Stadt absperrte und zu den am weitreichendsten und vor allem schönsten Gebirgen Aqueas gehörte. War dieser Höhlenkomplex tatsächlich so weitreichend gewesen?
    „Drei fehlen …“, murmelte der Narr, die Augen meditativ geschlossen, dass Gesicht nichtssagend. Damian wusste, dass er über Kleopatra, Adrian und Elias nachdachte. Mit einem Stich traf es ihn, dass alle Drei nun vermutlich tot und begraben irgendwo von Steinen zermalmt in den Untiefen des Tunnelsystems verschollen waren. Er hatte die Adligen, vor allem die zwei Jungs, zwar nicht sonderlich gemocht, aber dennoch hatte er ihnen nie so ein Schicksal gewünscht. Irgendwie tat es ihm ein wenig Leid um sie. Piero schien allerdings anderer Ansicht zu sein, denn er meinte mit einem Schulterzucken: „Gier wird Zuteil, was Gier gebührt.“
    Nun wandte er sich abermals an die drei Jugendlichen, die sich offenbar langsam wieder zu erholen schienen und setzte sein übliches träumerisches Lächeln auf: „Einmal den sanften Händen des Todes zu entweichen, kann nur bedeuten, dass ihr es auch in Zukunft schaffen werdet.“ Salomé stand neben dem Narren und starrte gelangweilt Löcher in die Luft.
    Damian, der mit diesen Worten herzlich wenig anfangen konnte, zog gereizt eine Augenbraue hoch, beließ es jedoch dabei, während Marie dabei war Laila auf die Füße zu helfen. Der junge Mann wollte sich gerade umdrehen, um, perfekter Ehrenmann, der er nun mal war, seine Freundin zu unterstützen, da spürte er auf einmal eine Hand auf seiner Schulter und er wurde sanft von Piero zur Seite gezogen. Der Narr schenkte ihm ein weiteres freundliches Lächeln, doch etwas in seinem Gesichtsausdruck war nun anders, merkwürdiger, falls das bei diesem komischen Kauz überhaupt noch möglich war. Damian vermied es ihm in die Augen zu sehen und spielte mit genervtem Gesicht an seinen neuen Klamotten rum. Sobald er wieder bei der Gaststätte war, würde er sich sofort umziehen!
    „Noch eine persönliche Warnung an dich, Damian-kun“, flüsterte Piero und der Ton in seiner Stimme ließ auf nichts Ungewöhnliches schließen, doch der junge Magier spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Dann, ohne Vorwarnung, drückte der Narr ihm auf einmal die Karte mit dem Skorpion in die Hand. „Nimm dich in Acht. Der Skorpion will dir nichts Gutes.“
    „Was?“, fragte Damian leicht verdattert, doch bevor er überhaupt irgendeine Frage, die ihm auf der Zunge lag, stellen konnte, zog ein markerschütternder Schrei seine Aufmerksamkeit auf sich. Sofort wirbelte er herum, bereit sich jedem Gegner zu stellen, doch er sah nur Marie und Laila, die beide weißer im Gesicht waren, als es Kreide je sein konnte. Zitternd und mit Tränen in den Augen starrten sie auf etwas, das außerhalb von Damians Sicht, hinter einem der Berge lag.
    „Was ist passiert?“, rief er besorgt und eilte zu seinen Freunden hinüber, die Verwirrung stand ihm auf die Stirn geschrieben. Er hatte die beiden noch nie so außer sich erlebt, nicht einmal als sie in ihrer Kindheit eine tote Katze gefunden hatten. Was konnte es nur sein?
    „Was …?“, hob er ein weiteres Mal die Stimme als er sie erreicht hatte, doch dann stockte er mitten im Satz. Sein entgeisterter Blick fiel auf das, was die beiden schon vor ihm bemerkt hatten. Schwarzstadt brannte.
    _ _ _
    Letztes Kapitel, woohoo! Mit 4900 Wörtern das absolut Längste, was ich bisher geschrieben habe.

  • Epilog


    Dunkler als jeder Abgrund war das Himmelszelt in jener recht kühlen Frühlingsnacht, einzig der bleiche Vollmond als einzelnes, milchiges Auge Licht spendend. Kein Stern war zu erkennen, nur dunkle Schatten, alles Licht verschluckend wie ein gieriges Tier. Im fahlen Licht der weißen Scheibe erschienen die Äste der noch immer kahlen Bäume wie gefährliche Krallen, lange Tentakeln, bereit zu zupacken und dürre, gespenstische Schatten auf die kleine Lichtung werfend, auf der sich die Menschenmenge versammelt hatte.
    Dichte Rauchschwaden verschlechterten die Sicht auf das Spektakel, hingen wie ein Vorhang über der Versammlung, Zeuge des bis vor Kurzem noch brennenden Feuers, welches nun jedoch verloschen war, einzig einige verkohlte Holzstücke zurücklassend. Warum es den Platz nicht mehr erhellte war fraglich, konnte man zwischen all den dunklen Schatten und undurchsichtigen Nebelschleiern doch kaum etwas erkennen. Die vielen Personen, es mussten weit über hundert sein, waren nur noch als schemenhafte Umrisse auszumachen, formlose Silhouetten, die grau im blassen Vollmondlicht wirkten.
    Niemand sprach, nur gelegentliches, unruhiges Tuscheln unterbrach die unnatürliche Stille, doch ansonsten schienen alle wie gebannt auf etwas zu warten, ja, geradezu hypnotisiert wirkten sie, wie sie da standen, laut- und fast bewegungslos. Kaum jemand schien sich zu trauen einen Mucks von sich zu geben, eingeschüchtert von der Ruhe ihrer Kameraden, nur einige wenige wagten es tatsächlich hinter vorgehaltenen Händen ungeduldig zu murmeln, möglichst unauffällig, als fürchteten sie bestraft zu werden. Jeder wartete gespannt darauf, dass etwas passierte, irgendetwas, das dieses alleszerdrückende Schweigen zerstören würde.
    Schließlich, als die Unrast ihren Höhepunkt erreicht hatte und einige der Anwesenden begannen nervös von einem Bein auf das andere zu springen, während das Geflüster zu einem lauten Summen heranreifte, traten drei Figuren in den Mittelpunkt und jeder verstummte auf der Stelle. Keiner tat mehr irgendetwas, jedes Augenpaar lag nun gespannt auf dem Zentrum der Aufmerksamkeit. Jeder hielt aufgeregt seinen Atem an, auf das lauschend, was man ihnen verkünden würde. War die Zeit endlich gekommen?
    Eine schwache, kühle Brise wehte durch den Schwarzwald und ließ die klauenartigen Äste rascheln und die Büsche zur Melodie des Windes säuseln. Gleichzeitig wurde der Qualm, der noch dem vorherigen Feuer geschuldet war, auseinander gerissen wie ein dünnes Seidentuch und die Fetzen auf den Schwingen der Lüfte in alle Himmelsrichtungen verstreut. So konnte nun auch das fahle Mondlicht die Gesichter der Vorgetretenen beleuchten und ihre Profile scharfe Schatten werfen lassen.
    Der Anführer war ein großgewachsener, breitschultriger Mann, der so gut wie jeden um mehrere Köpfe überragte. Sein langes, ungezähmtes Haar war von einem tiefen Schwarz jedoch mit vielen grauen Strähnen, die Hinweise auf sein fortgeschrittenes Alter waren, und es wuchs ihm wild und ungebändigt den Nacken hinunter. Sein Gesicht war ebenfalls von seinen Jahren mit Furchen und Falten gezeichnet, doch der scharfe Blick in seinen hellbraunen Augen ließ ihn wesentlich jünger, aber auch gefährlicher wirken. Die Züge waren hart, die Nase markant und gewölbt, die dünnen, farblosen Lippen formten einen zusammengekniffenen, strichhaften Mund, die Wangen hoch und hohl. Eine lange, weiße Narbe zog sich von seinem breiten Kinn hinauf über den Mund bis hin zum rechten Nasenloch, drei Weitere verschönerten sein rechtes Auge und durchschnitten eine seiner buschigen, grauschwarzen Augenbrauen. Der Blick dieses Mannes war streng, während er durch die Runde guckte, fast als suchte er jemanden, den er bestrafen konnte.
    Neben ihm und fast drei Köpfe kleiner stand ein weiterer Mann, dieser jedoch weniger stattlich und eindrucksvoll in der Gestalt. Das schmutzige, silbrige Haar konnte es an Länge sogar mit dem des Anführers aufnehmen, war jedoch dünner im Vergleich und hing dem Mann ungeordnet ins Gesicht, wobei es seine Züge verdeckte wie der Nebelschleier zuvor die Lichtung. Die großen, violetten Augen blickten glasig ins Nichts, nur ab und zu konnte man einen irren Funken des Wahnsinns in ihnen aufblitzen sehen, doch so schnell er wie gekommen war, verschwand er auch wieder. Ansonsten waren die Physiognomie eher unauffällig, eine lange, dünne Nase, dünne Lippen und ein allgemein spitzes Gesicht, nichts Herausragendes. Einzig die drei langen Narben an seiner linken Wange waren ein Blickfang, hatten sie doch Ähnlichkeit mit denen des beeindruckenden Mannes neben ihm.
    Die dritte Person hielt sich weiterhin in Schatten, doch sie war noch sehr viel kleiner und schmächtiger, ging sie dem zweiten Mann doch nur bis zu Brust. Die schmächtige Gestalt ließ auf ein Kind oder sehr jungen Jugendlichen schließen, doch man konnte nichts Genaues ausmachen. Das Einzige, was sich von der Silhouette dieser Gestalt abhob, waren die zwei dreieckig anmutenden Tierohren, wie man sie auch bei Füchsen oder Katzen finden konnte. Doch die Gestalt blieb in den Schatten, den zweiten Platz hinter dem imposanten Anführer einnehmend.
    Jener erhob nun die Stimme und seine Worte waren harsch und rau, fast wie das Knirschen von Granit oder Knarzen eines alten Baumes: „Brüder, Schwestern! Uns wurde berichtet, dass das Erdbeben von zuvor nicht nur dies war, sondern zudem auch etwas Anderes brachte! Die Bannkreise um Schwarzstadt sind geschwächt, die anderen Stämme alarmiert. Dies wird nur die erste von vielen Städten sein, die wir unser nennen werden!“
    Des Mannes Stimme wurde mit jedem Wort, das er sagte, lauter, energischer, eindringlicher, fast als wollte er diese Zukunft durch seine Rede allein Realität werden lassen. Er hob eine Hand gen Himmel, die Augen verengt und sein Lächeln eine Reihe spitzer, nichtmenschlicher Zähne offenbarend, freudig nach der Mondscheibe greifend. Die Gruppe begann langsam ein unnatürliches, tierisches Heulen anzustimmen.
    „Zeit für die Werwölfe sich zu erheben!“
    _ _ _
    900 Wörter.

  • [tabmenu]
    [Tab=Vorwort]
    Heyho, Cheshire TheSnob!


    Lang ists her, ich weiß, aber du kennst mich ja, ich kommentiere gern auch mal mehrere Kapis zugleich x3


    Das große Finale des "ersten Bandes" also ... ich bin gespannt, wie es werden wird.
    Achja, Rechtschreibung und co. folgt wieder, wenn der neue Band erscheint :))
    [Tab=Lichterloh]
    [Subtab=Positives]
    Von wildgewordenen Keifel
    Der Vergleich der beiden kämpfenden Magier mit den revier-/weibchenranglnden Wildschweinen ist ein guter Einfall. Hierin sind die brachiale Kraft und das präzise Aufeinandertreffen der beiden enthalten. Der Vergleich enthält aber auch das Wilde, Unkontrollierte, dass die beiden Zauberkundigen scheuklappenhaft aufeinander zustoben lässt, ohne Blick für etwas anderes.
    Ein sehr feiner, wirklich guter Gedanke!


    Beschreibungen allgemein
    Allgemein finde ich, dass deine Beschreibungen in diesem Kapitel mehr als nur gelungen sind. Du gehst auf Vergleiche, Feinheiten und mehr ein, beschreibst lebendig und gefühlvoll. Gut so!


    Sterbender Phönix
    Das hat irgendwie etwas paradoxes, nicht? Trotzdem ist dir dieser Vergleich der flammenden Federn zu Damiens Magie sehr gut geglückt. Ern drückt Stärke und Macht, aber vorallem auch deren Vergänglichkeit aus.


    Das Finale Damien/Elias
    Hmmm, ich muss sagen, ich bin etwas hin und hergerissen; einerseits erwartet man bei dem Aufeinandertreffen und der geballten Energie natürlich einen großen Knall als Kampfesschluss. Andererseits passt dieses eher "wenig" spektakuläre Ende doch hervorragend und wird in seiner Schlcihtheit dem fulminanten Kampf selbst wohl etwas gerechter.
    Doch, das Ende war wirklich gut. Gerade die Schattenseite von Damiens Charakter kommt hier wunderbar hervor, was ihn paradoxerweise noch ein Stück weit sympatischer macht.


    "Gleich würden sie sich wieder zum Tanzen begeben, anmutig und elegant in grausamer Entschlossenheit."
    Oh, ich liebe diese Formulierung. Tanzen als Äquivalent zum Kämpfen hat mir schon immer gut gefallen, und die Verbindung zur Grausamkeit, die du hier herstellst, ist so passend wie genial. Wirklich gut!


    Nachtigallenreigen
    Das "Ende" des Kampfes Kleopatra (wie mich "Kleo" btw verwirrt :D)/Marie war vollkommen überraschend. Man erwartet natürlich einen erneuten, spannungsgeladenen, weiteren Verlauf, aber es kommt doch völlig anders. Das bislang eher unbeachtete Detail - die Nachtigall - wird zum "Schiedsrichter" des Duells und unterbricht das Geschehen völlig unerwartet. Das wäre auch ein sehr guter Cliffhanger gewesen, taugt aber mindestens genauso gut zu einer guten Weiterführung des Kapitels.


    Schmetterlingsvergleich
    Der Schmetterling als Blüte ... das ist ein ungewöhnlicher Vergleich, nichts destotrotz ein sehr schöner. Ist er doch grazil, federleicht und anmutig und gibt somit genau die richtigen Assoziationen wider.


    Piero
    Nun gut, der geneigte Leser wusste ja schon, das Piero da seine Finger im Spiel hat. Dass es dann aber zu einer Konfrontation kommen würde, in die Damien verwickelt ist - das verspricht durchaus, Spannend zu werden. Ich freue mich auf den nächsten part, den ich sogleich konsumieren werde! (die Gedanken der Gestaltwandlerei finde ich hier btw auch sehr spannend, ich bin neugierig, ob/wie du das noch weiter ausführen wirst).
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]
    Rabenschwarzer Schnee
    Dieser Ausdruck und die Beschreibung darum herum ist sehr schön. Allerdings ist der zugehörige Satz etwas lang und verschachtelt. Ich möchte dir nicht in den Stil pfuschen, aber ich habe gelegentlich das gleiche Formulierungsproblem. Die Sache ist, das zu lange bzw. verschachtelte Sätze eine gute Beschreibung derart strecken können, dass der Sinn und die wohlüberlegten Worte verloren gehen könnten oder möglicherweise schwer zu erschließen sind.
    Lieber einmal mehr trennen, ich muss mich da auch immer zu zwingen :)


    Plötzliches Ende
    Du erwähnst gegen Anfang das plötzliche Ende des Kampfes; was mir nicht so gut gefallen hat, ist, dass der Kampf dann aber tatsächlich nciht zuende ist, sondern sich noch fortsetzt. Ok, die magischen Auseinandersetzungen sind womöglich vorbei, aber dennoch kann man hier meiner Ansicht nach nicht vom plötzlichen Ende dieses Kampfes sprechen. Vom zentralen Mittelpunkt der Auseinandersetzung vielleicht?


    Sekunden der Stille, Ruhe vor dem Sturm
    Kurz vor dem letzten Aufeinandertreffen zwischen Damien und Elias erwähnst du diese Phrasen. Sie sind solide und gute Worte in einem Text, ganz grundsätzlich. Aber hier passen sie leider nicht. Es ist klar, was du ausdrücken willst: Die knisternde, elektrisierte Spannung, die gerade durch das statusch erscheinende Stillstehen der beiden Kämpfer entsteht. Aber STille und Ruhe sind nunmal leider eher Begriffe des Hörens, und du änderst ihre Besetzung hier auch nicht konkret. Da aber die gesamte Umgebung einen heiden Krach verursacht, ergibt sich hier ein begrifflicher Widerspruch.


    "Eine tiefe, melodische Frauenstimme hatte sie vollkommen unerwartet vom Kämpfen abgehalten."
    Hm, tief und melodisch, andererseits monoton und gefühlskalt - ich denke, dass sich das durchaus widerspricht. Monoton heißt ja, dass es sich um einen gefühls-/seelenlosen, in einer Stimmlage erscheinenden Klang ahndeln müsste. "tief", "melodisch" deutet hingegen auf eine abwechslungsreiche, bewusstere Stimme hin. Es kann sein, dass das so gewollt ist, an dieser Stelle muss ich das aber leider bemängeln.
    [Tab=Im Flammenring]
    [Subtab=Positives]
    Ein neuer Schauplatz
    Der Szenenwechsel, an dem Damien zu Beginn des Kapitels teilhat, hat mir aus verschiedenen Gründen gut gefallen - vorallem aber durch die Rückbezüge/Verweise. Zum einen bringst du die schaustellerische Atmosphäre, die provisorisch anmutende Umgebung eines Zirkus' sehr gut zur Geltung, z.B. durch den durch Tücher gekennzeichneten Gang. Ein deutlicher Rückbezug zeigt sich hier zu der Szene in Pieros Zelt, wo das Ambiente ja durchaus ein ähnliches ist. Ein weiterer, versteckterer Bezug liegt in der Beschreibung des Unter´grunds. Flachgetretene Erde, staubig und vertrocknet, das erinnert doch sehr an Maries und Kleos (nun einstigen) Kampfplatz und stellt so eine gekonnte Verbindung zwischen beiden Kampfszenarien her.


    "... und er wollte seine Kleider zurück!"
    Eine Stelle zum Schmunzeln. Auch, wenn ein sehr ernstes Thema behandelt wird oder die Protagonisten sich in einer sehr ernsten Situation befinden, sollte ein wenig Humor nicht vergessen werden. Dem Geschehen angemessen und nicht an den falschen Stellen natürlich, aber herauszufinden, wann was angebracht ist, ist eine Kunst des schreibens, finde ich.


    "Ich hasse den Zirkus!"
    Damien verbindet unangenehme Erinnerungen mit dem Zirkus? Nun, an sich ist das vielleicht eine nebenbei gemachte, eher zu vernachlässigende Bemerkung, aber da man so wenig über die Vergangenheit des Zauberkünstlers weiß, ist das ein interessantes Detail. Auch, da dieses so subtil vermittelt wird, dass man sich fragt, ob da nicht eine tiefere Bedeutung hintersteckt ...


    "Wer seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, der hat auch den Kampf nicht unter Kontrolle."
    Wahre Worte. Wer zu heißblütig an eine Sache herangeht, verliert den Blick fürs Wesentliche und läuft Gefahr, entscheidende Momente zu verpassen oder entscheidende Details zu übersehen, die man sich zum Vorteil hätte machen können.


    Pieros Wandel
    Oh, der gute Narr bekommt nun auch andere Facetten zugeteilt. Das ist sehr gut, das macht die ganze Figur etwas dreidimensionaler. Und gerade, dass die Mimik sich nicht ändert, der Klang der Stimme aber derart anders, macht die Worte auch für den Leser noch gefährlicher. Mit diesem relativ einfachen Mittel hast du die Atmosphäre sehr gut zum Ausdruck gebracht!
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]
    Der "Clown"

    Zitat

    Der Clown selbst wirkte so wie immer [...]


    Der Ausdruck "Clown" mag hier zwar passen, lässt aber eher einen "lächerlichen" Eindruck von Piero zurück - wir wissen ja, dass er nicht so harmlos ist, wie er tut. In sofern ist die Bezeichnung zwar richtig, als dass es sich um einen schaustellerischen Narren handelt, aber "Clown" ist ein zu besetztes Wort, als dass es bedenkenlos verwendet werden kann. Anders sieht es da bei folgender Stelle aus:

    Zitat

    [...] versuchte sich abzulenken, indem er alles aus diesem kranken Clown herausprügelte [...]


    Da ist es eine eher Damien zugeteilte Sicht, die geschildert wird, weshalb die Bezeichnung hier ok ist. Wenn du aber eher aus Sicht des Erzählers - aus einer "objektiveren" Warte sozusagen - sprichst, solltest du mit Worten, die stark assoziiert werden, eher vorsichtig umgehen.


    Stickereien
    Als du Pieros Gewand beschreibst, erwähnst du Stickerein, die dieses zieren. Nun bleibt es allerdings bei dieser Erwähnung, was sehr schade ist. Ja, manche Muster sind durchaus schwer beschreibbar, allerdings kann es auch helfen, Vergleiche zu ziehen oder zu überlegen, wie man das dem Leser am Besten veranschaulichen kann - verworrene Ranken oder allgemein Pflanzenmetaphorik sind da beliebte Beschreibungsmuster.


    "[...] da die Bühne urplötzlich in Rauch gehüllt wurde."
    Diese "Bühne", die erwähnst du hier zum ersten Mal und scheinst sie vorauszusetzen. Falls damit die Zuschauerränge oder ein Podium in der Mitte gemeint sind, solltest du vorher, wenn auch nur kurz oder in einem Nebendatz, darauf zu sprechen kommen. So ist das jedenfalls leider etwas zu vorausgesetzt.


    Chimäre
    Erneut ein Bezug zur griechischen Mythologie, der mir gut gefällt, zumal dieses mythische Geschöpf auch für Einbildung und Täuschung stehen kann. Allerdings Beschreibst du das Wesen nur zum teil, eine Chimäre besteht eigentlich aus drei Tieren: Dem von dir erwähnten Löwen und dem Schlangenkopfschwanz, aber im Nacken befindet sich der Mythologie zufolge noch der Kopf einer Ziege.
    [Tab=Höllenfeuer]
    [Subtab=Positives]
    Titel
    Der Titel erinnert "inhaltlich" an den Kampf gegen den Cerberus, der ja ziemlich bedrohlich war und nur durch einen "Zufall" abgewendet werden konnte. Entsprechend Gefährliches lässt sich für die Ereignisse in diesem kapitel vermuten ...


    Damiens erster Angriff
    Das Flimmern, das Knistern der Luft, die geladene Atmosphäre - diese Beschreibungen waren herrlich zu lesen, daran gibt es nichts auszusetzen. Du erzeugst Spannung und ein Gefühl für diese Szene, wirklich gut!


    Pieros magische Helferlein
    Schmertterlinge! Smettbo Das ist zuckersüß, in der ernsten Situation auf perfekt passende Weise absurd und spiegelt den Charakter des scheinbar wenig ernstzunehmenden Narren - der hinter der freidlichen Fassade aber ein gefährliches Inneres verbirgt - hervorragend wider!
    Sie werden von Piero auch als "Symbol des nächsten Lebens" bezeichnet - wegen ihrer Verpuppung, wegen des "Lebenswechsels", den sie vom Larvenstadium bis zur Entfaltung ihrer Flügel durchmachen? Ein schöner und sehr interessanter Gedanke, der malerisch und gut vorstellbar ist.


    Kampfesverlauf
    Dass Damien nicht so einfach würde gewinnen können wie gegen Adrian oder vergleichsweise gegen den kleinen Silberling, war abzusehen. Allerdings baust du immer wieder Wendungen und überraschende Angriffe/Konter ein, die den Kampf noch um einiges Spannender machen. Zumal man zwischendurch wirklich nicht weiß, wer nun die Oberhand hat und wer unterlegen ist. Zumal Damiens Ohnmachtsanfall nach dem "Schmetterlingseffekt" zunächst auf eine Niederlage des Zauberschülers zu verweisen scheint.


    Erinnerung
    Ah, wir erfahren etwas mehr über Damien. Zwar nicht eine der anfangs erwarteten verschütteten Erinnerungen, allerdings gibt uns der Einschub auch einen schönen Eindruck und bildet eine gute Überleitung zur Lösung des aktuellen Kampfproblems und der nächsten Technik. Eine gute Idee, die Erinnerung für den Hinweis auf die Schwächen von Pieros besonderem Feuer zu nutzen.
    Enthalten ist anfangs eine sehr harmonische Beschreibung der Umgebung, was diese sehr anschaulich werden und dem Leser direkt vors Auge treten lässt. Der Vergleich des Kiesweges mit Wasser ist im Übrigen sehr malerisch und fügt sich gut ins Gesamtbild ein.


    Casanova
    "Aber er ist doch schon mit mir zusammen!" - oh ja, das passt zu Damien. Auch hier ist es schön, dass du nicht platt erwähnst, dass er viele Frauen gleichzeitig an der Hand hat, sondern das ganze ganz leicht verschleierst, was aber schon reicht. Du erzielst den gewünschten Effekt, bist dabei aber nicht zu "aufdringlich" direkt.


    Ausdrucksvolle Wangenknochen
    Diese Wendung nutzt du, als du Aiden beschreibst. Ein schönes Detail, auf das selten geachtet wird: Körperliche Merkmale. Man sollte natürlich nicht jede einzelne Falte oder Hautschuppe beschreiben, aber sorgfältig ausgewählte Details verleihen deinen Charakteren mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit.
    Außerdem lässt du in diesem Zwischenstück noch Eigenarten des dem Leser noch wenig bekannten Feuermeisters durchscheinen (etwa die knappe, harsche Art, seinem Lehrling Fragen zu stellen). Das ist sehr schön und vereinfacht es dir, zu einem späteren Zeitpunkt evtl. Bezug darauf zu nehmen, wenn Aiden wieder in der Gegenwart in Erscheinung tritt.
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]Übergang
    Der Übergang von "Flammenring" zu "Höllenfeuer" war ehrlich gesagt etwas holprig. Du steigst sofort in die handlung ein, indem du Damin mit den ersten Worten des Kapitels zum Angriff übergehen lässt - an sich ok. Allerdings geschieht das ganze gerade in Bezug zum Schluss des vorigen Parts etwas zu plötzlich. Der letzte Satz, "Jetzt kann der richtige Spaß beginnen!", ist ein schöner Abschluss, der aber mehr oder weniger "schwebt". Wenn man diesen Satz liest, erwartet man nicht unbedingt direkte Handlung in unmittelbarem Anschluss dazu. Ein Abschnitt, oder zumindest ein kleiner Nebensatz, um den Leser wieder an das Geschehen anzubinden, wäre da etwas besser gewesen. So erscheint es ein wenig, als würde ein Stück vom Anfang fehlen.


    Baumhörnchen
    Der Ausdruck fällt hier zum ersten Mal. Meinst du Eichhörnchen oder eine für deine Welt spezifischere Art? Wenn letzteres der Fall ist, solltest du auf jeden Fall darauf achten, diese "neuen" Arten dem Leser durch Beschreibungen nahe zu bringen.


    Gerötete Wangen

    Zitat

    Mit einem zufriedenen Lächeln registrierte er wie sich die Wangen des Mädchens knallrot färbten und er begann fröhlich pfeifend zum alten Gebäude auf der anderen Seite zu gehen. Wenig später fluchte er laut auf, als er bemerkte, dass auch er, allerdings aus leicht anderen Gründen, krebsrot geworden war.


    Normalerweise würde ich die fehlenden Gründe für Damiens Gesichtsverfärbung als Hinweis darauf ansehen, dass das später noch eine Rolle spielen wird. Da es sich hier aber um eine für den Handlungsverlauf zweckmäßig eingesetzte erinnerung handelt, halte ich das für eher unwahrscheinlich (wenn das nicht so ist: sry), und dann fehlt hier einfach was. Wut oder Anstrengung könnten grundsätzlich noch außer Scham in Frage kommen, allerdings passt es nicht zu der aktuell zufriedenen Lage des Magiers in der Erinnerung. Uns fehlt also ein Hinweis darauf, wie anders genau Damiens Gründe waren, rot zu werden.
    [Tab=Sonnentänzerin]
    [Subtab=Positives]Ortswechsel
    Ah, ein Sprung zurück zum Zickenkrieg. Gut, so wirkt alles nicht hintereinander weg erzählt, sondern erhält seinen ganz eigenen Reiz durch die Abwechslung von Schauplatz und Charakteren. Hier wiederum ist der direkte Sprung ins Geschehen eines heißen Gefechts sehr gut und interessant. Das liegt daran, dass zum einen ein kompletter Szenenwechsel vorliegt, zum anderen aber eine Rückblende angefügt wird - ein gelungenes Element, das hier angebracht wird.


    Der Saal
    Auch hier waren die Beschreibungen wieder sehr gut. gerade die Idee mit dem Glasdach hat etwas - es ist ein bisschen wie mit Träumen. befindet man sich im Traum selbst, fallen einem keine ungewöhnlichen Dinge auf. Hinterher stellt man aber fest, dass in Umgebung oder den handelnden Personen Elemente vorhanden waren, die logisch so nicht nachvollziehbar sind- aber ich schweife ab. Das Glasdach, dass eher zu einem Vorhof oder einer unmöblierten halle passen würde, brachte mich auf diesen Gedanken. Es ist hier allerdings ein schönes Element, und man merkt, dass du dir hier Mühe gegeben hast, dir eine gute Einrichtung des Schauplatzes darzustellen (einzig "orientalisch anmutend" hättest du evtl. noch etwas ausführen können - Farben, Gerüche, Ausstattung, das spezifisch "Orientalische", abgesehen von der Kleidung, eben).


    Das dahergelaufene Flittchen
    Das ausgerechnet Kleo so etwas sagt, ist ironisch wie absolut passend zu ihrem Charakter. An sich selbst nimmt sie nicht war, wie "billig" sie bisweilen auf ihre Zeitgenossen wirkt, wenngleich sie sich ihrer weiblichen Reize sehr wohl bewusst ist und diese auch einzusetzen versteht. Erst, wenn sie aus ihrer selbst gewählten Garderobe in einen fremden Kontext gerät, werden ihr derlei Dinge bewusst - aber auch wieder nicht als Selbsterkenntnis, sondern als Beleidigung für andere (hier für die Person, der sie das Outfit zu verdanken hat).


    Reaktionsunterschiede
    Gut ist, dass du nicht alle Charaktere auf die neuen Situationen - gerade betreffs Geiselnahme und co. - gleich reagieren lässt. Während Damien sich eher kühl gibt, wird Marie sofort panisch und zeigt ihre Besorgnis offen. Das unterstreicht auch noch einmal die grundsätzlichen Charakterzüge der Figuren.


    Sensenmann
    Salomes Waffe und ihre Nennung des Todes als "Entscheidung" passen sehr gut zusammen. Abgesehen davon kreiert dieses Motiv noch einmal eine um einiges bedrohlicher Atmosphäre, als sie ohnehin schon vorhanden ist.


    Gegnerwechsel
    Ein interessanter Part, den du da eingebaut hast. Statt den Kampf Kleo/marie vs. Salome stringent bis zum Ende durchzuhalten – was durchaus auch ok gewesen wäre – lässt du die Gegnerpaarung zwischendurch wechseln. Nun gehen die beiden eigentlichen Kontrahentinnen für kurze zeit wieder aufeinander los. Ein kurzer, aber sehr interessanter Teil, der etwas mehr Dynamik in einen ohnehin schon recht bewegten Kampf bringt.


    Rettung?
    oho. Gut, welche Beweggründe Kleo genau dazu bewogen haben, Marie vor Salomes Attacke zu retten, bleibt ein Geheimnis. Ich glaube aber, dass sich uns hier ein wesentlicher Wesenszug
    der Blondine offenbart. Nach außen unnahbar und kalt, steckt unter dieser äußeren Schicht, die so dick wie ihre Tageskosmetik sein dürfte, ein viel tiefschichtigeres Wesen. Schon, als sie ihren Bruder zu schützen versucht hat, schien das etwas durch, hier wird es aber noch einmal stärker deutlich. Denn Masken fallen bisweilen dann, wenn man sie aus Überraschung oder in einer extremen Situation nicht mehr aufrecht erhalten kann – und offenbaren, was in unserem Innersten ist. In Kleos Fall scheint es ein tief im Innern verborgenes Sorgegefühl um bestimmte Menschen zu sein … warum das Marie betrifft? Wir werden sehen …
    „Tu doch endlich was!“, ist im Übrigen kurze Zeit später wieder der Hinweis darauf, wie unbewusst Kleo selbst diese Aktion war bzw., dass sie diesen überraschenden Anfall von Fürsorge zu verschleiern versucht.


    “Alles wegen diesen blöden Schuhen!“
    … und der folgende, erklärende Nachsatz sind sehr schön. Vorallem wegen des eher versteckten Inhalts: Aller Frust, aller Zorn entlädt sich gern auf etwas völlig anderes, bisweilen Harmloses weil Wehrloseres, an dem man sich abreagieren kann.


    ungewöhnlich leicht
    Gut an dieser Stelle (du beschreibst die neue Rüstung) ist besonders die Tatsache, dass du nicht nur die üblicherweise zum Schreiben verwendeten drei Sinne benutzt. Gut, Schmecken wäre auch schwierig, allerdings nutzt du hier den Aspekt der Körperwahrnehmung, der meistens (weil auch teilweise zu vernachlässigen) kaum beachtet wird. Ein wirklich gutes Detail!


    “Ich habe bereits einen Plan!“
    Guter Schluss, viel mehr kann man nicht sagen. Ein leichter Cliffhanger, der mit einer interessanten Andeutung aufwartet und dem geneigten Leser Appetit auf mehr macht und das nächste Kapitel herbeisehnen lässt.
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]
    "Marie spürte, dass auch sie selbst kein bisschen schmutzig mehr war."
    Hier wäre eine Formulierung a la "bemerkte" passender gewesen. Spüren hat immer etwas gefühltes an sich - entweder innerhalb des Körpers (dann auf natürliche Weise) oder außerhalb des Körpers in übernatürlicher Art. Und wenn du Maries besondere Fähigkeiten hättest andeuten wollen, die evtl. in ihr schlummern, hätte das doch mit einem Hauch stärkerer Andeutung geschehen sollen oder an einer anderen Stelle, zu einem anderen thematischen Punkt.


    " Sie würde nicht zulassen, dass man ihre Schwester noch länger in Gefangenschaft hielt und würde, wenn es nötig war auch zum Äußersten gehen, um dies zu erreichen."
    Hm, das scheint mir an dieser Stelle zu sehr festzustehen. Marie vermutet an dieser Stelle nur, dass sich auch Laila in Gewalt Salomes befindet (da diese den Kampf gegen Kleo verloren hatte). Letztlich weiß Marie es aber nicht. Eigentlich ist das nicht schlimm, allerdings ist der Entschluss und der Gedanke dafür zu klar, dazu hätte es eher einer deutlicheren Feststellung bedurft (z.B. durch Nachfrage an Salome oder Selbstauskunft dieser).


    “Determination“
    Ja, begriffe kann man zwar nachschlagen, und manche etwas seltener gebrauchte Schlagworte wie dieses kann man durchaus kennen. Allerdings kann man nicht immer davon ausgehen, weshalb es evtl. ratsam wäre, wenn du dir für solche Begriffe einen Glossar im Startpost oder eine kurze Notiz am Kapitelende anlegst, damit deine Leser die wichtigen Informationen direkt nachvollziehen können.
    [Tab=Purgatorium I]
    [Subtab=Positives]
    Du hast sie nicht vergessen ...
    … die beiden Gefangenen und die Chimäre. Du lässt den Kampf nicht allbeherrschend sein, sondern behältst alle relevanten Details (oder auch Nervensägen, wie im Fall Adrians) im Hinterkopf und gibst ihnen von Zeit zu zeit Gelegenheit, sich dem Leser wieder ins Gedächtnis zu rufen. Schön dabei ist, dass du den Grad zwischen richtigem Zeitpunkt und zu starker Häufung der 'Auftritte' entlangzuwandern scheinst.


    Druckwelle
    Die Beschreibung der Druckwelle ist sehr schön geworden. Gerade die Mantelsymbolik gefällt mir gut, sie ist plakativ und man kann sich sehr gut etwas darunter vorstellen.


    Flammenrad
    Oho, Copyrightverletzung! Eine nette Anspielung, ob nun gewollt oder nicht. Es drängt sich einem unwillkürlich das Bild eines auf Piero zustürmenden Ponita oder Fukano auf, was keineswegs störend ist.


    “Piero schenkte dem jungen Magier ein freundliches Lächeln [...]“
    Stelle ich mir persönlich extrem gruselig vor. Gerade wegen des sonst sehr verträumten, aber doch gefährlich ruhigen Narren stellt sich diese doch recht subtil geschilderte Gefühlsregung eine ganz besondere Gefahr. Zumal sich der Charakter des Lächelns verändert – von ständig-verträumt zu betont-freundlich. Die Gefahr ist hier kaum übersehbar. [size]Everytime Kaiba Piero smiles, a puppy dies[/size] ~


    Schwalbe
    Nicht zufällig Fan von „Katekyo Hitman Reborn!“, oder? Wenn nicht, musst du dich mit diesem Absatz nicht weiter beschäftigen. Wenn doch (oder du die Serie zumindest kennst), finde ich diese Referenz sehr interessant. Gerade begründet durch diesen offensichtlichen Gegensatz, schön … (ok, falls du damit wirklich nichts anfangen kannst: In der angesprochenen Manga-/Anime-Reihe taucht ein Charakter auf, dessen Attribut „Regen“ ist. Im späteren Verlauf der Serie kämpft eine Schwalbe an seiner Seite, die mit dem gleichen Attribut ausgerüstet ist und teilweise seine eigenen Attacken verstärkt).


    “näher und näher“
    Ein simples sprachliches Mittel mit umso größerem Effekt. Durch die bewusste Wiederholung des Wortes „näher“ wird hier eine Spannung erzeugt, die greifbar ist und den Leser zum Mitfiebern anregt. Auch die darauf folgenden Beschreibungen des Schlagabtauschs tragen zum am-Text-Kleben in nicht geringem Maße bei.


    Kuck-uck!
    Der Schlussakt des ersten Purgatatorium-Teils war so von Spannung geladen, dass es kaum zu ertragen ist. Schon der Beginn des Angriffs Damiens ließ einen bangen, was geschehen würde – wenn einem auch klar war, dass ein so einfacher Sieg oder eine so (sry) dämlich verschuldete Niederlage kaum mit dem Zauberschüler bzw. seinem Gegner in Einklang zu bringen wären. Es war in gewisser Weise vorprogrammiert, dass das Ganze nicht so offensichtlich sein konnte – dass Damien sich jedoch selbst eine Illusion zunutze macht, um Piero zu täuschen, ist schlicht genial [Fortsetzung folgt in Purgatorium II.]
    [Subtab=Verbesserungsvorschläge]
    Purgatorium
    s. „Determination“; im Prinzip ist die Verwendung von Fremdworten oder fremdartig erscheinenden Ausdrücken gut und lobenswert, sie sollten sich aber aus dem Kontext erklären oder aber für die, die damit nichts anfangen können, in einem Glossar o.Ä. erklärt sein (im Rahmen einer FF geht das ja).


    Flatterlinge Smettbo
    Die zauberhaften Todesboten Pieros explodieren bei der kleinsten Berührung, nicht? Dann erscheint es aber seltsam, dass sie nach der Explosion des ersten nicht ebenfalls eine ganze Batterie an morbidem Feuerwerk entzünden. Nicht so sehr wegen der Druckwellen: Die herumfliegenden teilchen, allen voran der gut beschriebene Dreck und Staub des Bodens, hätten die kleinen Feuerteufel ja auch in die Luft jagen müssen. Oder spielt Pieros Wille da eine größere Rolle? Das hätte hier noch etwas deutlicher werden können.


    Feuerscheibe
    Du erwähnst bei Damiens 'Ausbruch' aus der Detonation eine Feuerscheibe. Das klingt ja nach einem doch nicht wirkungslosen Angriff oder zumindest Nebeneffekt eines solchen – doch wo ist sie hin? Danach wird sie nicht mehr erwähnt und scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.


    Handverletzungen
    Die Verletzungen an Damiens Händen wollte dieser sich nicht ansehen, nach dem, wie sie sich anfühlten. Doch wenn er tatsächlich so schwer verletzt wurde – warum erfährt man keine reaktion außer diese? Adrenalin wäre zwar ein Erklärungsmuster, das aber denke ich nicht greift, wenn Damien sich der Schwere greifbar bewusst zu sein scheint. Ein wenig in Richtung Schmerz hätte an dieser Stelle noch gut gepasst.
    [tab=Purgatorium II]
    [subtab=Positives]
    Kuck-uck!, Teil 2
    "[...] dass Damien sich jedoch selbst eine Illusion zunutze macht, um Piero zu täuschen, ist schlicht genial"
    ... und dieser Eindruck setzt sich im zweiten Teil des Purgatoriums ungemindert fort. Ein leichter Hintergedanke, dass das nach diesen Kampf nicht alles gewesen sein kann, ist im Hinterkopf zwar vorhanden. Als es dann aber soweit ist, als herauskommt, dass Piero die ganze Zeit über mit Damien gespielt hat - richtig genial. Er war die ganze Zeit überlegen, aber auch vorsichtig genug (was seine Überlegenheit auch im taktischen zur Schau stellt), um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Ein wahrhaft mächtiger Gegner, und ich bin sehr gespannt, ob es wohl einmal ein Rematch geben wird!


    Das tote Tier
    Die Beschreibung der Zunge - eklig, aber der Vergleich mit einem toten Tier, das nicht mehr Willens ist, sich zu rühren und zu keiner Aktion mehr fähig, passt hier sehr gut.


    Ein zweifaltiger Traum
    Das Schichtenmodell erinnert mich stark an die Wächterromane von Sergej Lukianenko, aber die Thematik wird höchstens gestreift, deshalb belasse ich es bei der Anmerkung. Die Idee jedenfalls, eine Illusion nicht nur eindimensional, sondern wandelbar und vielschichtig zu machen, ist sehr gut - man kann sich somit denken, dass du dir nicht nur starke Gedanken um deine Geschichte machst, sondern auch, dass jeder Schritt durchdacht ist und der Leser genau hinschauen darf, wie die Handlung zu deuten sein kann.


    Von Stärke und Schwäche

    Zitat

    [...] du bist nie bereit, aufzugeben. Doch das muss nicht unbedingt eine Stärke sein ...


    Abgesehen davon, dass das letztlich ein Hinweis auf den späteren Handlungsverlauf ist: Diese Stelle klingt regelrecht philosophisch (im aller-positivsten Sinne). Du machst dir über geradezu alltäglich scheinende Bilder und Ideale Gedanken und verlegst sie in Kontexte, in denen sie gar nicht mehr so einfach zu deuten sind. Das regt zum Nachdenken an und zeigt erneut, wie stark die Flügel deiner Gedanken sind und wie weit sie dich tragen.


    Sprung
    Der Sprung zum nun ebenfalls entschiedenen Kampf der beiden Amazonen und der Todesbotin fügt sich gut ins Bild und untermalt die schwere Prüfung Damiens. Auch, dass der "Plan" offenbar keine großartige Wirkung gezeigt hat, ist nciht schlecht: Es muss nicht immer alles gelingen, was die Protagonisten sich zurecht legen. Das muss nciht immer mit dem Tod einer Person enden, wie du hier gezeigt hast.


    "Marie?"
    Oho, zeigen sich da soetwas wie gefühle beim feurigen Zauberschüler? Sehr zurückhaltend zwar, aber gerade das ist interessant und verführt zu gewissen Spekulationen, macht gewisse Entwicklungen später umso glaubwürdiger.


    Zeitliche Dissonanz
    Etwas, das nur kurz angeschnitten wird, aber einen interessanten Aspekt aufwirft. Viel möchte ich dazu jetzt nicht mehr sagen, aber vielleicht begegnet uns dieses Phänomen ja noch einmal ...


    Von Hochmut getrieben, durch Hochmut gestürzt.
    Noch ein bezug an die griechische Mythologie? Mich erinnerte das Ganze jedenfalls stark an die Ikarus-Erzählung. Ich finde es nebenbei sehr gut und geschickt, wie du diese Andeutungen und Referenzen nciht nur einbaust, sondern sie in schönen Beschreibungen versteckst. So können sowohl die Leser folgen, die damit nichts anfangen könnten, als auch die kleine Bonbons entdecken, die bewandert in der Materie sind.


    Aufgabe
    Dass Damien schließlich aufgibt, steht seiner enormen Willenskraft eigentlich zuwider. Aber es zeigt auch, dass es etwas gibt, dass ihm wichtiger ist als er selbst. Und wie tödlich die Kränkung und Schmach sind, die Piero ihm damit zugefügt hat - das dürfte noch einiges an Konfliktpotential für die Zukunft liefern.
    [subtab=Verbesserungsvorschläge]
    Ausnahmsweise keine.
    [tab=Purgatorium III]
    [subtab=Positives]
    Erwachen
    Als du Damien erwachen lässt, wirkt es zunächst mehr als seltsam, dass er die Höhle von vor ein paar Kapiteln nicht wiedererkennt - gerade der See ist ja sehr markant. Bei näherer Betrachtung scheint mir das Ganze aber wirklich gelungen zu sein: Wie man manchmal eine Weile braucht, um aus einem Traum in die Wirklichkeit zurückzufinden, so muss natürlich auch die Illusion zunächst die Sinne verschleiern, bevor man sich nicht nur körperlich wieder in der "Realität" befindet.


    "Eine Illusion, der Realität entsprungen oder auch eine Realität, gewonnen aus Illusionen."
    ... erinnert mich erneut sehr an "Reborn!"; es hat aber keinen Sinn, darüber zu sprehen, falls du nicht wissen kannst, was ich meine. Hier zeigt sich jedenfalls wieder deine feine Gedankenspinnerei, die fasziniert und deine Leser in den bann der Geschichte zieht.


    Test
    Oh, endlich scheinen wir den Grund für diese ganzen Ereignisse zu erfahren, die vornherein nach mehr aussahen. Ein Test, hm ... ein Test vornehmlich für Damien vermutlich, aber hat das Ganze evtl. auch etwas mit dem seltsamen Kleinkind zu tun? Ich bin gespannt, ob die Fragen in "Märchengift II" beantwortet werden!


    Voreilig ist selten heilig
    Ja ... vergiss die Überschrift. Dass das Trüppchen trotz Kampfniederlage den Schatz dennoch zu bekommen scheint, hat irgendwie einen niedlichen Happy-Ending-Touch. Allerdings schaffst du es irgendwie, den Argwohn des Lesers trotzdem zu wecken - wahrscheinlich, weil Piero gar nicht direkt davon spricht, sondern Damien und co. einfach annehmen, dass sie trotzdem gewonnen haben. Dass das letztlich doch auf Niederlage hinausläuft, ist nur konsequent. Zusammen mit dem hoffnungsvollen Zwischenspiel ergibt das aber einen schönen Kniff in der Geschichte, der aus der Geradlinigkeit herausbricht. Dass Piero (wie interessant, dass er die Prüfung schon gemeistert hat - wer ist dann sein Prüfer gewesen?) ihnen dann letztlich doch etas abgibt, ist eine schöne Geste, die dem geheimnisvollen Narren doch soetwas wie Menschlichkeit verleiht.


    Verkleidungen
    Woran es wohl liegt, dass alle in sehr amüsanten Verkleidungen aus der Illusion treten? Interessanter Punkt, aber vor allem Lailas Outfit ist spitze. Nicht zwingend wegen der Zusammenstellung, sondern wegen der Referenz: roter Kapuzemantel, das Rotkäppchenklischee schlechthin!


    Die drei Unglücksraben
    Schon, als die weniger minderbemittelten Protagonisten (sry) nicht direkt in die Kiste gegriffen haben, ahnte man schon irgendwie, dass da etwas faul ist. Im Grunde ist die Katastrophe, die die drei Adligen dann auslösen, auch nur folgerichtig: Sie haben die Prüfung nicht bestanden und dürfen den schatz nicht berühren (interessant auch, dass kein Bargeld darin enthalten ist, Anm. am Rande), Punkt. Die drei erinnern mich btw immer mehr an Jesse, James und Mauzi...


    Skorpion
    Rate mal, an wen ich gedacht habe? ich hoffe, ich liege richig, ich will nämlich bald mal wieder was von ihm lesen ...
    [subtab=Verbesserungsvorschläge]
    Bezug

    Zitat

    Den Nerven des jungen Mannes nicht zutragend waren die ganzen Risse, die sich nun in Wänden und an der Decke auftaten.


    Hier hättest du Damien explizit nennen müssen, denn das "der junge Mann" bezieht sich grammatikalisch auf Adrian.


    Verlust
    Dass die Übriggebliebenen - auch, wenn die Adligen jetzt nicht ihre besten Freunde waren - erst durch Piero auf deren Verlust aufmerksam werden, als sie draußen sind, ist etwas seltsam. Eigentlich müsste der Schock ja noch nachwirken, es passiert ja nicht jeden Tag, dass man Leute, mit denen man trotz aller Differenzen eine Menge durchgemacht hat, in einer Felsspalte verschwinden sieht.


    "die Karte mit dem Skorpion"
    Das hättest du voraussetzungsfreier formulieren sollen. "Der Skorpion" suggeriert, dass das betreffende Objekt/Symbol den Handelnden schon bekannt ist. Hier taucht das - zumidnest für Damien und co. - aber zum ersten Mal auf, also sollte das im Text auch so rüberkommen.


    Flammenmeer
    ... genau darin liegt der Punkt. Dass Schwarzstadt brennt, ist gut, ein überraschendes Element, das man so nicht vermutet hätte und das automatisch in rätselhaften Zusammenhang mit den Geschehnissen im Bergland gerückt wird. Auch, das Ganze als einen letzten Zweiwortsatz platzen zu lassen, ist genial. Aber. Wenn eine ganze Stadt brennt, sollte einem zuerst etwas anderes auffallen als das feuer selbst. Was ich meine, ist: Sie starren erschrocken in die Ferne und die Stadt brennt. Da hätte noch ein bisschen mehr Beschreibung richtung Feuerschein, Rauch o.Ä. hineingekonnt. Der Überraschungseffekt kommt dann trotzdem zustande, wenn du zunächst nicht direkt auf die Stadt verweist und Vergleiche wie einen als Sonnenaufgang fehlgedeuteten Feuerschein einbaust.
    [tab=Epilog]
    Da ich dazu nicht ganz so viel zu sagen habe, schreibe ich mal alles in einen Tab - ich hoffe, das stört nicht.


    Also: Jetzt taucht ein neues Problem in Form von Werwölfen auf. Ein gutes Element, wenn zunächst auch Klischeehaft erscheint - denn es fügt sich aufgrund vieler wölfischer Feindbilder in Märchen perfekt in das Überthema deiner Geschichte ein.


    Ob sie für das Feuer verantwortlich sind? Was wohl passiert ist? Der zweite Teil deiner Story verspricht jedenfalls eine ganze Menge an Spannung.
    [tab=Nachwort]
    Sooo, wir sind auch schon am Ende angekommen. Ich muss sagen, dass ich wirklich begeistert von deiner Geschichte bin und mich schonmal in die Benachrichtigungsliste für die Fortsetzung eintragen lassen möchte ;3


    Mir gefällt, wie subtil du teilweise deine Bezüge zu Märchen gestaltest. Lailas Mantel im Purgatorium ist da nur ein Hinweis.


    Hmmm, viel bleibt gar nicht mehr zu sagen ... vergiss nicht, mich zu benachrichtigen, wenn das zweite "Buch" online geht!


    lg


    ~ Kleio
    [/tabmenu]


  • Btw, an alle Leser, die sich bis jetzt davor gescheut haben zu kommentieren: Wenn ihr es doch mal machen wollt, hab ich hier ein paar Fragen, die vielleicht beantworten könnt. :>


    Wer ist eure Lieblingsfigur?
    Welche Figur mögt ihr am wenigsten?
    Welcher Moment hat euch in der Geschichte am besten gefallen?
    Was muss ich auf jeden Fall verbessern?
    Spekulationen für die Zukunft?


    Der zweite Teil von Märchengift sollte dieses Wochenende online gehen. Bis dahin :>


    lG Snob