Müde schlug Natsumi die Lider auf. Helle Lichtpunkte - entstanden durch Sonnenlicht, das durch die kleinen Lücken im Hutgeflecht sickerte - tanzten vor ihren Augen. Laute Stimmkulissen drangen an ihre Ohren. Gemächlich schob sie die Krempe hoch, um ihre nähere Umgebung betrachten zu können.
Die Sonne schien noch immer in ihrer ganzen Pracht am wolkenlosen Himmel und das Fest hatte nichts von seinem belebten Treiben einbüßen müssen. Noch immer waren überall Menschen versammelt, die sich prächtig amüsierten, was darauf schließen ließ, dass es nicht allzu lange her war, dass der Schlaf sie plötzlich übermannt hatte – hoffte sie jedenfalls.
So ausgelassen und friedlich die Szenerie auch schien, etwas stimmte nicht. Die Tatsache, dass sie hatte einschlafen können, löste in ihr Argwohn aus. Für gewöhnlich sorgte Ace mit seiner lauten wie überdrehten Art dafür, dass Natsumi ihm stets Aufmerksamkeit schenken musste, da der Salamander gern und viel Unsinn trieb.
In dieser Situation hätte er alles versucht, damit sie wach blieb – trotz des mangelnden Schlafs letzter Nacht. Selbst wenn er sie hätte einnicken lassen, hätte sie bei ihrem Erwachen sofort in das lachende Gesicht ihres Glumandas sehen müssen. Ace liebte es, sie während des Schlummerns aus nächster Nähe zu beobachten, in der Hoffnung, sie zu erschrecken, sobald sie die Augen öffnete.
Dass die kleine Echse sich ruhig verhalten hatte, um sie träumen zu lassen, bezweifelte Natsu. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder war Ace selbst eingedöst, was aufgrund seiner vorigen Mahlzeit nicht auszuschließen war, oder er hatte sich wieder davon gemacht, weil er irgendwelchen Pokémon hinterher lief, um sie schlicht und einfach zu begrüßen und mit ihnen zu spielen.
Sie sah sich um.
Rasch bestätigte sich der zweite Verdacht. Das Glumanda saß nicht mehr an seinem Platz, zu sehen war es in der Nähe auch nicht.
„Welchem ahnungslosen Trainer du auch wieder an den Fersen klebst, Ace, mach bitte keinen Blödsinn!“
Schnell verschwand Natsus rechte Hand in der Umhängetasche und kam ebenso schnell mit zwei Pokébällen wieder heraus. Einen der beiden steckte sie in ihre dünne Jacke, den anderen nahm sie und hielt ihn in Richtung des Pokémons, das sich auf ihrem Schoss zusammengerollt hatte. „Tut mir Leid, Shigeko, aber ich möchte nicht, dass du in der Menge verloren gehst“, murmelte sie.
Mit diesen Worten verschwand das Vulpix in seinem runden Gehäuse.
Ein leiser Seufzer entfuhr ihr. Die Suche nach dem Ausreißer würde viel Zeit beanspruchen. Wollte sie ihn vor Einbruch des Abends geschnappt haben, musste sie sich beeilen.
Mittlerweile hellwach, erhob sie sich von der Bank und lief geradewegs in die Masse von Menschen hinein.
„Ace!“ Ihre Stimme übertönte sogar das dröhnende Stimmengewirr der Menge. „Wo steckst du, kleiner Ausreißer?“
Seit geraumer Zeit bahnte Natsumi sich schon ihren Weg rennend durch die Besucherhorde. Sie fragte unzählige Leute, ob sie den kleinen Salamander gesehen hatten. Jedes Mal erhielt sie dieselbe Antwort – nein. Es waren sicherlich bereits Stunden vergangen seit sie die Suche begonnen hatte. Natsu mochte diese Jagd nicht sonderlich, es kostete sie stets aufs Neue Geduld und Nerven.
„Ace!“ In ihrem Hals verspürte sie ein langsam stärker werdendes Kratzen. Vermutlich eine Folge des konstanten Geschreis.
„Manchmal ist er wirklich ein Quälgeist. Man muss immer auf ihn aufpassen sonst baut er Unsinn oder belästigt andere Trainer. Aber ohne seinen lebhaften Charakter wäre die Reise einfach zu ruhig. “
Der Gedanke an all den Blödsinn, den Ace schon gebaut hatte, zauberte ihr ein herzliches Lächeln auf die Lippen. Zugegeben, bei ihm benötigte man viel Beherrschung und die ständigen Suchaktionen zerrten an ihrer Ausdauer, aber dennoch bereitete es ihr Freude den Aufseher spielen zu müssen. Man konnte ihm sein quirliges Verhalten nicht übel nehmen, er war schließlich noch jung.
Ihr fiel ein, was ihre Mutter stets gesagt hatte: Junge Pokémon sind wie kleine Kinder, sie müssen auch erst lernen, wie man sich richtig verhält.
Die plötzliche Erinnerung an ihre Ziehmutter ließ sie zittern. Ehe die Vergangenheit sie wieder einholen konnte, verdrängte sie den Gedanken und widmete sich mit erhöhter Konzentration der Suche.
„Lass mal überlegen, wo habe ich noch nicht gesucht?“, murmelte sie. Sie versuchte gedanklich eine Art Karte der Stadt zu erstellen, in der ihr bisher zurückgelegter Weg eingezeichnet war.
Vertieft in ihre Überlegungen, bemerkte sie die Gestalt nicht, die regelrecht auf sie zu gerast kam.
Erst als die Person nur noch knappe ein, zwei Meter entfernt war, hob sie den Kopf.
Und es kam, wie es kommen musste.
Natsu versuchte noch rechtzeitig auszuweichen, da waren die Beiden schon zusammengekracht. Durch die Wucht des Zusammenpralls geriet sie aus dem Gleichgewicht und landete auf ihrem Hosenboden. Die ganze Situation war ihr furchtbar peinlich. Sie spürte wie ihr das Blut beinahe literweise in den Kopf stieg. „T-Tu-Tut m-mir leid…“, begann sie stotternd. Der Mann wandte den Kopf, den er bis eben noch nach hinten gedreht hatte, in ihre Richtung. Sein Blick wirkte erst perplex, verwandelte sich aber rasch in einen finsteren, der Natsumi zu durchbohren schien. Plötzliche Wut mischte sich hinzu und zeichnete Falten neben seine Augenwinkel.
Unsicher starrte Natsumi zu ihm hinauf.
Er war komplett in schwarz gekleidet. Sein Gesicht war verhüllt, nur die Augen sichtbar.
Ein kühler Schauer lief ihr den Rücken hinab. Ob es am Ausdruck ihres Gegenübers lag oder daran, dass sie am liebsten im Boden versinken würde, wusste sie nicht zu sagen.
Mit hochrotem Kopf stand sie auf und klopfte sich den Staub von der Hose. „T-Tut mir leid, dass i-ich Sie umgerannt h-habe“, versuchte sie erneut sich zu entschuldigen. Der Vermummte verengte seine Augen zu Schlitzen. „Ja ja, lass mich vorbei!“, meinte er rabiat. Er wollte sie am Arm packen und zur Seite zerren, doch Natsu wich unerwartet zurück. Ihr war die junge Frau aufgefallen, die in einem, für sie, unglaublichem Tempo auf sie zu gerannt kam. Sie trug eine schwarze Uniform. Natsumi erkannte die Kluft sofort – ein Ranger.
„Wenn sie wirklich zu uns bzw. zu dem Mann da will… heißt dann, er hat was Verbotenes angestellt?!“
Unbehagen breitete sich in ihr aus. Ihr Blick wanderte wieder zum Gesicht des Mannes hoch.
„Lass mich endlich vorbei, du Göre!“ Diesmal packte er sie und riss sie furios beiseite. Ehe er wieder die Flucht aufnehmen konnte, sprang Natsumi ihm regelrecht in den Weg. Diese Aktion kostete sie viel Überwindung. So misslich ihr die Sache auch war, sie wollte, dass der Verhüllte von der Rangerin gefasst wurde. Warum wusste sie selbst nicht genau. Sie war sich ja nicht einmal sicher, ob die Frau wirklich zu ihnen wollte – obwohl der Mann durch seine seltsame Kleidung verdächtig wirkte.
Sie versuchte heimlich am Unbekannten vorbei zu sehen, um sich zu vergewissern, dass die Uniformierte auch auf sie zusteuerte. Tatsache, sie hatte schon ein gutes Stück aufgeholt und ihren Kurs bisher nicht verändert. Es waren nur noch wenige Meter, ca. zehn bis fünfzehn, Abstand zwischen ihnen.
Dem Mann schien Natsumis Augenmerk nicht entgangen zu sein, denn er verfolgte über seine Schulter hinweg ihren Blick. Auch ihm stach die Rangerin ins Auge, die die übrige Distanz in Sekunden überwand. Ehe er handeln konnte, war sie schon am Ziel.
Natsumi bemerkte den kurzen Blick der jungen Frau, der ihr gewidmet war. Kurzerhand drängelte das Mädchen sich an den in der Nähe stehenden Passanten vorbei und verschwand in der Menge. Sie hatte dafür gesorgt, dass die Frau den Mann erwischte – glaubte sie jedenfalls. Ob die Rangerin die letzten Meter rechtzeitig überbrückt hatte, was mehr als wahrscheinlich war, oder ob der Mann in Sekunden fliehen konnte, darüber dachte sie nicht nach.
Stattdessen nahm sie, den Plan ihres bisher zurückgelegten Weges nun fest im Kopf „verankert“, die Suche nach Ace wieder auf.
Es dauerte nicht lange, bis sie endlich die erste Spur des kleinen Ausreißers hatte. Eine ältere Dame, die sie gefragt hatte, behauptete ein aufgedrehtes Glumanda vor kurzem gesehen zu haben.
Der beschriebene Weg führte sie an eine Kreuzung. Dort befragte sie einen Mann mittleren Alters. Auch ihm war Ace über den Weg gelaufen.
Einige Mal wiederholte sie dieses Schema. Sie hatte das Gefühl, als würde der angeblich eingeschlagene Weg der Echse sie durch die halbe Stadt hetzen.
Irgendwann führte ihr Weg sie in die Nähe des Stadttores. Wenige Meter davon entfernt blieb sie stehen und musterte die Umgebung.
Im Gras lag ein Junge. Er hatte kurze, blonde Haare, trug ein weißes T-Shirt und Jeans. Unweit seines Standortes tobten zwei Pokémon, ein Loturzel und ein Lichtel, miteinander. Hinter einem der Sträucher schlug sich ein Sichlor den Bauch mit Sinelbeeren voll.
Natsus Blick fiel wieder auf den Knaben, denn neben ihm ruhte in derselben Position, die Augen geschlossen und das Gesicht der Sonne zugewandt, ein kleiner orangefarbener Salamander…
OT: Länger geworden als geplant. Hoffe mal er passt so. Falls es was zu bemängeln gibt, kann er mich anschreiben. (Betrifft hier am ehesten Dragon und Eevee, da ihre Charaktere im Post vorkommen)
Eevee: Zwei Dinge^^:
1.) Hetz mich nicht ständig Òo!
2.) Wie so oft kein Thema xD. Irgendwer muss bei dir doch immer Deutschlehrer spielen, was in dem Punkt ich übernehme(n muss) :P