Moralische Dilemmata [Neue Dilemmata hinzugefügt im Beitrag #90]

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  • @Bastet
    Ich rede nicht von 180° und "Menschen kommen gut auf die Welt". Es ist aber ebenfalls naiv zu glauben, dass Menschen sich nicht entwickeln und zu vergessen , dass im Zusammenspiel mit den Genen auch die Umwelt viel beiträgt. Eine Veränderung dieser resultiert auch in einer Veränderung der Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale. Dass ein Mensch sich trotz jahrelanger negativer Umgebung ändern kann bzw. sozialisieren, zeigt die Resozialisierung von Kindersoldaten, die zwar schwierig und vor allem langwierig verläuft, aber auch positive Ergebnisse bringt. Ich glaube nicht daran, dass ich mit "Liebe und Gerechtigkeit das reine Herz" eines Menschen herstellen kann, aber dass die Entwicklung, vor allem im jungen Alter, noch sehr flexibel ist und mit dem richtigen Einsatz das Potential birgt, positiv zu verlaufen. Ich denke, das ist schon ein Unterschied zu dem, was du beschreibst :( Und außerdem bräuchte es nicht mal eine 180° Drehung, reicht doch auch völlig, wenn (in unserem Beispiel) Hitler nicht mehr genug, was auch immer ihn motiviert hat, besitzt, um zu handeln. Ob er weiterhin durchschnittliches rechtsextremes Gedankengut im Kopfe trägt, ist dann auch nicht mehr relevant.

  • "Jeder kommt "gut" auf die Welt" ist an sich schon vollkommen überholt.

    Nun ja, da widerspreche ich mal. Natürlich kommt keiner "gut" oder "böse" auf die Welt, aber sowohl eine gestörte Umwelt, als auch eine genetische Veranlagung lassen sich (wenn nötig auch durch Medikamente) zumindest in so weit beheben, dass ein zumindest halbwegs gesellschaftsfähiger Mensch entsteht, falls in der frühen Phase alles schief gegangen ist. Bei einigen läuft auch die frühe Kindheitsphase halbswegs "normal" ab, und trotzdem können durch Erfahrungen und Traumata aus dem späteren Leben Mörder, Terroristen und so weiter entstehen. Ich gehe bei Gott nicht davon aus, dass man jedem Menschen helfen kann, und ich glaube sehr wohl, dass es bei einigen "zu weit" gegangen ist, um sie jemals wieder mit gutem Gefühl auf die Gesellschaft zu entlassen oder sie komplett frei handeln lassen zu können.


    Allerdings sehe ich ebenfalls, dass bei dem Großteil der sonst schwer straftätigen Menschen gute soziale Kontakte und ein intaktes Umfeld einiges positives verändern können. Natürlich wäre es einfacher, einfach zurück zu reisen und Hitler zu töten (angenommen, der ganze shit findet dann nicht statt, was ich persönlich jedoch stark bezweifle, aber das ganze spiegelt ja eine hypothetische Situation wieder), allerdings wäre es meiner Meinung nach trotzdem falsch, den "einfachen" Weg zu wählen, bevor man nicht immerhin alles versucht hat, das ganze abzuwenden (Auch, wenn das Monate oder Jahre dauern könnte. Eine komplett "geschädigte" Psyche lässt sich eben nicht von einem Tag auf den anderen wieder richten).


    Falls das ganze also wirklich eine Frage von der Tötung eines bislang unschuldigen Menschen, der jedoch sicher einen enormen Massenmord begehen wird, oder es geschehen zu lassen ist, dann spiele ich durchaus mit der Idee, diesen Menschen mehr oder minder vorsorglich zu töten, da das ganze für mich in diesem Fall nichts anderes als Notwehr bzw. Nothilfe ist. Darauf spielt @Leviator meiner Meinung nach auch an (ich bitte um Korrektur, falls ich das falsch interpretiert haben sollte).


    Auch, wenn der Mensch bis dato unschuldig sein sollte, wenn es keinen anderen Weg gibt, würde ich es wohl tun. Auch, wenn ich mein Leben lang mit meinem Gewissen ringen müsste, einen de facto unschuldigen Menschen getötet zu haben. Falls fest steht, dass er diverse Taten, die meiner Meinung nach nicht zu rechtfertigen sind, begehen wird, dann würde ich wohl zu diesen Mitteln greifen. Ich sehe das auch ähnlich in dem Fall, dass erwähnte Person mein Kind töten würde. Natürlich würde ich ein unschuldiges Kind töten und hätte wohl unglaubliche Gewissensbisse, allein für den Schmerz, den ich dessen Familie zufügen würde, aber wenn klar ist, dass es entweder heißt den Mörder meines Kindes zu töten oder mein Kind sterben zu lassen, dann könnte und würde ich nicht lange überlegen und diesen Menschen umbringen.


    In diesem Szenario stellt sich für mich keine "moralische" Frage. Das ganze stufe ich persönlich als Notwehr ein und das wird es auch bleiben. Falls es jedoch etwas realistischer (lassen wir den Zeitreise-Faktor mal weg xd) zugeht, und es eine Möglichkeit gibt, den Menschen durch Zuneigung, Therapie oder Medikamente davon abzuhalten, dann wäre der Mord mein letztes Mittel. Auch, wenn ich zugeben muss, dass es mir enorm schwer fallen würde, einem solchen Menschen Unterstützung zu leisten.


    Ich weiß aber auch, dass ich es mir selbst nicht verzeihen könnte, hätte ich es nicht versucht. Von daher müsste ich wohl über meinen Schatten springen und versuchen, eine lange Zeit die Bezugsperson eines Menschen zu sein, den ich im Grunde verabscheue. Wie gut das klappen würde kann ich ehrlich gesagt nicht einschätzen und ich zweifle dahingehend selbst an meinen Fähigkeiten. Falls ich dem zukünftigen Mörder meines Kindes gegenüberstehen würde, wäre es wohl eine der größten Hürden meines Lebens, diesem mit Respekt und Verständnis entgegen zu treten. Falls es jedoch die einzige Möglichkeit abgesehen von Mord ist, müsste ich es wohl versuchen, allein, weil ich sonst wohl nicht mehr mein Spiegelbild betrachten könnte.


    Das ganze ist natürlich rein hypothetisch, und ich muss zugeben, dass ich mir selbst nicht sicher bin, ob ich in so einer Situation so handeln würde, wie ich es gerade beschrieben habe. Da ich aber ein Mensch bin, der stark an seinen Idealen festhält und ein Gewissen hat, das ihn teils jahrelang quälen kann, müsste ich es wohl allein aufgrund es egoistischen Faktors, auf mein Leben sonst nicht mehr klar zu kommen, tun. Das ist zumindest die Theorie.


    Falls ich im Extremfall jedoch dazu greifen würde, bin ich mir jedoch sicher, dass ich zumindest von mir selbst schwer enttäuscht wäre. Allein aufgrund meiner doch recht radikalen Abneigung bezüglich der Todesstrafe (das kann man meiner Meinung nach hier gleichsetzen) und vielen anderen Prinzipien, aufgrund denen ich versuche, mein Handeln aufzubauen, hätte ich nach so einer Tat wohl starke Schwierigkeiten, wieder ein halbwegs normales Leben zu führen.


  • 1. Dilemma


    2. Dilemma


    3. Dilemma


    4. Dilemma

    5. Dilemma (Leviator)

  • @Cassandra
    Dass sich ein Mensch nicht ein Stück weit anders entwickeln hätte können, behaupt ich nicht, allerdings muss man sich auch die Frage stellen, ob so viele "hätte" und "wäre" und "eventuell" die Sache Wert sind, wenn man für den einen Millionen opfert?


    Andererseits müsste man es ja auch auf andere hohe Nazitiere abgesehen haben und an der Vergangenheit sollte man ohnehin nichts ändern. Das ist für mich das eigentliche Dilemma, die Frage, ob man es sich trauen darf an der Vergangenheit etwas zu ändern.

  • Hallo ^^~
    Ich schätze die Dilemmata sehr. Ich habe mehrfach über Kohlberg referiert und die Dilemmata in den letzten Jahren immer wieder überdacht. Dabei hat sich auch meine Einstellung verändert. Zum Glück(?) :saint:
    Besonders will ich auf den Zugführer eingehen. Aber auch das 8. ist sehr interessant.


    Bevor ich das jetzt ausführe, muss ich festhalten, dass ich zwischen theoretischem moralischem Handeln und praktischem unterscheide. So hatte es auch Kohlberg vorgesehen.


    Aus meiner Sicht ist das Zugführer-Dilemma vergleichsweise simpel. Eigentlich kann ich auf alle Fragen nur antworten, dass man hier kein Mengenprinzip anwenden kann. Dazu muss ich dem Leben A den Wert X zuordnen. Gleichzeitig sage ich sogar noch , dass jedes Leben N den Wert X hat, weil mehr automatisch auch mehr wert sind. Das lässt sich mir bestimmt nochmal ankreiden, aber ich will einem Menschenleben niemals einen Wert zuordnen. Einfach, weil es dann nur noch ein Schritt ist, Moral zu errechnen: "Das Leben der Bewohner des Hochhauses ist mehr wert (Und es sind mehr), als der entführte Jet."
    Nein. Man sollte ihn aber nicht einfach abschießen. Im Prinzip ist das Utilitarismus: Die Handlung, deren Ergebnis zu größerem Glück führt, ist richtig. Absichten, Einstellung, Wille, ... All das spielt keine Rolle. Handeln wir nach dem Utilitarismus, dann ist ein falsch ausgesuchtes Geschenk eine schlechte Handlung, weil es Empfänger und in Folge den Käufer unglücklich macht. Die ganze vorherige Mühe ist egal. :/
    Das ist einer der Gründe, weshalb ich Utilitarismus für nicht ausreichend für ethische Fragestellungen halte.


    Jetzt, wo ich den Utilitarismus für mein Handeln ausgeschlossen habe, was bleibt übrig?
    Ich frage mich, ob ich in der Position bin, das zu entscheiden und ob ich mit den Konsequenzen leben kann. Weil viel zu leicht vergessen ist, dass man einfach aktiv andere Menschen tötet, indem man irgendwas mit der Weiche anstellt. Zuvor war man zur falschen Zeit am falschen Ort, aber wer befahl einem zu handeln? Ich würde mir von niemandem befehlen lassen, ein Leben zu beenden und es bestimmt nicht von alleine tun. Darum würde ich die Weiche nicht umstellen. Mit allem anderen spiele ich Gott.
    Das beantwortet nicht nur die Ausgangsfrage, sondern genau so alle, die die Rolle des einen Gleisarbeiters variieren. Diesen werde ich nicht töten.


    Schwieriger sind die anderen Szenarien. Ein geliebter Mensch in der Gruppe - Ich glaube, dass Theorien da nichts gegen den praktischen Fall sind. Eine solche Szene ist ein Albtraum und ich will mich nie darin befinden! Eigentlich gilt die obige Theorie auch jetzt. Allerdings ist die Hemmschwelle, impulsiv zu handeln viel geringer. Ich weiß nicht, wie ich handeln würde, aber wohl würde ich jetzt die Weiche viel eher umstellen. Trotzdem hätte ich damit gemordet und ich hätte den Willen, mich den juristischen Konsequenzen ohne Begnadigung zu stellen ... Auf jeden Fall wäre mein Leben danach ein anderes. Ich glaube nicht, dass ich wieder glücklich werden könnte, mit keiner der Varianten :(


    Zuletzt das Tier!
    Hier wird es schwierig. Ich kann das obige Prinzip entweder nur für Menschen geltend machen oder auf Tiere ausdehnen - Aber wo ziehe ich dann die Grenze? Ist das Pferd mehr wert als ein Hund? Die Katze mehr als eine Eidechse? Und diese dann mehr als ein Insekt? Entscheidend wird denke ich sein, dass ich nicht in das "Schicksal" eingreifen will. Und dann, ob ich impulsiv oder befangen handeln könnte, weil ich aus einer von beiden Möglichkeiten jemanden kenne oder sogar liebe. :flinch:


    Zum Thema dicker Mann nur kurz:
    Wie zur Hölle kommt man auf so etwas? Das habe ich noch nie verstanden. Da springe ich lieber selbst. :wtf:


    Ich muss gleich aufstehen. Also nur ganz kurz zum letzten Dilemma:
    Ich finde das Szenario total interessant und werde darüber heute bestimmt noch gründlich nachdenken. Aber ich glaube an den Butterfly Effect. Damit müsste es möglich sein, zu verhindern dass das Kind zum Mörder wird. Alles andere kann ich jetzt leider nicht mehr ausführen. Aber gerne ein weiteres Mal ^^

  • DILEMMA 9 - Ein Leben für ein Leben


    In Diskussionen rund um die Todesstrafe oder das Strafgesetz und seine Härte, taucht ein Argument immer wieder auf. Ob direkt oder indirekt, es wird sich oft gefragt, wie es sein kann, dass der Täter nicht eine Strafe erhält, die die Schwere seiner Tat nahezu identisch zurück geben soll. Nur dass das realistisch gesehen leider nicht möglich ist, wenn vor allem das Opfer nicht mehr lebt. Deswegen der Gedanke - und ich ordne es unter Dilemma ein, da es a) nicht realistisch ist, sondern nur ein Gedankenspiel und b) auf eine unbequeme Art mit Menschenleben handelt - was wäre denn, wenn wir ein Leben gegen ein Leben tauschen könnten?


    Stell dir vor, wir leben in einem alternativen Universum, in dem alles absolut gleich ist, bis auf die Tatsache, dass wir das Leben eines Opfers im Austausch gegen das Leben des Verursachers wieder austauschen können. Sprich, wer direkt oder fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht (ACHTUNG: ich nutze ganz bewusst "verursacht" und nicht "verschuldet", da letzteres mehr einschränkt), der kann eben sterben und das Opfer kommt zurück, als ob nichts war (wir ignorieren somit alle möglichen Verletzungen, die der Tod mit sich brachte). Sollte der Staat diesen Tausch als ein Urteil nutzen, wenn

    • der Täter das Opfer aus niederen Gründen ermordet hat (z. B. Raubmord)
    • der Täter das Opfer aus Affekt getötet hat (z. B. im Streit)
    • der Täter das Opfer durch fahrlässiges Verhalten getötet hat (z. B. durch das Ignorieren von Regeln/Sicherheitsmaßnahmen)
    • der Täter und das Opfer sich fahrlässig verhalten haben (z. B. läuft das Opfer ohne Fußgängerübergang im Dunkeln über die Straße und der Täter schafft es nicht rechtzeitig zu bremsen, da er 10km/h schneller als erlaubt fuhr)
    • das Opfer sich fahrlässig verhalten hat (z. B. das Opfer dringt in eine Baustelle ein, befindet sich, wo keiner sein sollte und wird überfahren/erschlagen)
    • der Täter aus Notwehr handelt
    • der Täter anfänglich aus Notwehr handelt, aber im Affekt nicht rechtzeitig aufhört, obwohl die Gefahr vorbei ist
    • der Täter in allen aufgelisteten Fällen eine Familie und junge Kinder hat, während das Opfer keine Hinterbliebenen zurücklässt

    Das kann man sicher weiterspinnen, da es viele individuelle Situationen gibt. Ist auch jedem erlaubt ein eigenes Szenario zu ergänzen. Man muss auch nicht auf alle Punkte eingehen. Vergesst hier bitte nicht, dass es sich eben um ein Gedankenspiel handelt, das vor allem die eigenen Prinzipien und Prioritäten hinterfragen soll und gebt bitte darauf acht, dass die Menschenwürde in euren Formulierungen nach wie vor geachtet wird.

  • Cassandra

    Hat den Titel des Themas von „Moralische Dilemmata [Neue Dilemmata hinzugefügt / 18.9. / Beitrag #45]“ zu „Moralische Dilemmata [Neue Dilemmata hinzugefügt im Beitrag #86]“ geändert.
  • Zitat von Cassandra

    Stell dir vor, wir leben in einem alternativen Universum, in dem alles absolut gleich ist, bis auf die Tatsache, dass wir das Leben eines Opfers im Austausch gegen das Leben des Verursachers wieder austauschen können. Sprich, wer direkt oder fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht (ACHTUNG: ich nutze ganz bewusst "verursacht" und nicht "verschuldet", da letzteres mehr einschränkt), der kann eben sterben und das Opfer kommt zurück, als ob nichts war (wir ignorieren somit alle möglichen Verletzungen, die der Tod mit sich brachte).

    Soll also kurz und knapp heißen, dass das Opfer wiederkommt und der Täter dafür ist tot?


    Also das finde ich noch ungerechter. Weil dann wird der Zustand lebend/tot einfach ausgetauscht und dann wird der Täter ja auch zum Opfer und das Opfer zum Täter.


    Opfer: tot > lebend

    Tötet: /\_____ \/?

    Täter: lebend > tot


    Gerecht wäre nur wenn die Zustände beider Parteien gleich wären.

  • Das ist so schwierig zu beantworten. Ich würde bei allen Situationen gerne die Details wissen und die Personen kennen wollen, um mir ein Urteil zu bilden. Notwehr kann vieles bedeuten, wenn man den genauen Tathergang nicht kennt.


    Dann müsste man auch erstmal den Angeklagten fragen, da es sicherlich genügend Personen gäbe, die freiwillig sterben würden, um ihre Schuld dann eben wortwörtlich zu begleichen.


    > Der Täter das Opfer aus niederen Gründen ermordet hat (z. B. Raubmord).


    Hat er aus vollem Bewusstsein heraus geschossen oder ist ihm ein Schuss losgegangen?


    Ansonsten wäre niedrige Gründe die einzige dieser Umstände, bei denen ich den Austausch zustimmen würde. Wenn es ein klares Schwarz und Weiß gibt und einen klaren Täter und ein klares Opfer gibt: Opfer wurde zB vergewaltigt und im Anschluss ermordet um nicht auszusagen. Opfer wurde aus reiner Mordlust umgebracht...


    > Der Täter das Opfer aus Affekt getötet hat (z. B. im Streit).

    > Der Täter das Opfer durch fahrlässiges Verhalten getötet hat (z. B. durch das Ignorieren von Regeln/Sicherheitsmaßnahmen).

    > Der Täter und das Opfer sich fahrlässig verhalten haben (z. B. läuft das Opfer ohne Fußgängerübergang im Dunkeln über die Straße und der Täter schafft es nicht rechtzeitig zu bremsen, da er 10km/h schneller als erlaubt fuhr).


    Nein, es sei denn der Täter würde sich freiwillig bereit erklären.


    > Das Opfer sich fahrlässig verhalten hat (z. B. das Opfer dringt in eine Baustelle ein, befindet sich, wo keiner sein sollte und wird überfahren/erschlagen).


    Inwiefern existieren hier überhaupt Opfer und Täter? Das ist ein Unfall.

    Wenn sich "Schuldtragende" dennoch schuldig fühlt, kann er sich zu dem Austausch bereiterklären.


    > Der Täter aus Notwehr handelt.

    > Der Täter anfänglich aus Notwehr handelt, aber im Affekt nicht rechtzeitig aufhört, obwohl die Gefahr vorbei ist.


    Kommt stark auf die Situation an und kann ich nicht pauschal beantworten. Vielleicht waren beide gegenseitig Täter zueinander, vielleicht waren beide auch gleichzeitig Opfer, vielleicht ist die Situation auch viel klarer.


    > Der Täter in allen aufgelisteten Fällen eine Familie und junge Kinder hat, während das Opfer keine Hinterbliebenen zurücklässt.


    Natürlich sind Hinterbliebene tragischer, aber man sollte den Wert des Menschen nicht anhand der Anzahl der Angehörigen messen.

  • Gerecht wäre nur wenn die Zustände beider Parteien gleich wären.

    Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre :D Genau darum geht es einem moralischen Dilemma, dass man sich nur innerhalb der Vorgaben bewegen kann und überlegen, wie man da handeln würde und was man mit welcher Begründung als "richtig" ansieht. Im Startpost kannst du nachlesen, welchen zweck solche Gedankenspiele verfolgen und wieso man es sich nicht einfach machen kann, indem man sich eine eigene optimale Lösung ausdenkt, anstatt sich an die Vorgaben zu halten. Es geht darum, seine eigenen moralischen Prinzipien und Einstellungen herauszufordern und in Situationen ohne Lösung eine Lösung zu finden, mit der man persönlich leben kann.

  • Hey,


    mal was neues, das ich richtig spannend finde. Es ist kein Dilemma, nicht wirklich. Oder vielleicht doch? Jedenfalls passt es in dieses Thema dennoch am besten, weil es vor allem um das Abwägen moralischer Werte geht. Deswegen bitte ich hier gleich zu Beginn, dass man nicht mit dem Totschlagargument "Das ist gegen die Menschenrechte/gegen das Gesetz" kommt. Darum geht es nicht. Ich will das nicht durchsetzen. Ich will das aus einer moralischen, ethischen und philosophischen Perspektive beleuchten und Gedanken reizen und herausfordern, weil die Idee doch … reizvoll ist.


    Der Name Roger Fisher ist vielleicht einigen schon bekannt. Er war Jura-Professor an der Universität in Harvard und seine Schwerpunkte waren Verhandlungen und Konflikt Management [Wikipedia für mehr]. In einem Artikel, in dem es um wichtige Entscheidungen, vor allem im Bezug auf Atomwaffen und deren Einsatz, ging, diskutierte er folgenden Vorschlag:


    My suggestion was quite simple: Put that needed code number in a little capsule, and then implant that capsule right next to the heart of a volunteer. The volunteer would carry with him a big, heavy butcher knife as he accompanied the President. If ever the President wanted to fire nuclear weapons, the only way he could do so would be for him first, with his own hands, to kill one human being. The President says, "George, I'm sorry but tens of millions must die." He has to look at someone and realize what death is—what an innocent death is. Blood on the White House carpet. It's reality brought home.

    When I suggested this to friends in the Pentagon they said, "My God, that's terrible. Having to kill someone would distort the President's judgment. He might never push the button."

    — Roger Fisher, Bulletin of the Atomic Scientists, March 1981[10]

    Kurz übersetzt: Er schlug vor, dass der Code für den Einsatz der amerikanischen Atomwaffen in einer Kapsel im Körper (nah am Herz) eines Freiwilligen eingesetzt werden soll. Wenn der Präsident die Entscheidung trifft, Atomwaffen einzusetzen - und somit Millionen über Millionen an Menschen zu töten - muss er vorher eigenhändig diesen Freiwilligen töten, um an die Kapsel zu kommen. Und so sich bewusst machen, was der Tod eines Menschen bedeutet, bevor er den von vielen mehr verursacht. Die Reaktionen darauf waren, dass das ja eine schreckliche Idee sei, weil jemanden zu töten, würde den Präsidenten in seinem Urteil beeinflussen und er würde womöglich niemals Atomwaffen einsetzen können.


    Das Dilemma hier ist also: Wenn du dich entscheidest, indirekt unzählige Unschuldige zu töten, musst du vorher direkt einen Unschuldigen töten. Wenn du das nicht schaffst, dann darfst du auch das andere nicht. Im Kontext dessen, dass es sich um den amerikanischen Präsidenten (wir lassen bitte Trump aus dem Spiel lol) handelt und dieser wichtige Entscheidungen objektiv treffen muss, kann man das wohl als Dilemma sehen. Die Frage ist also:


    Was haltet ihr von dieser Idee? Rein hypothetisch natürlich. Welche Gründe können dafür sprechen, dass man diesen Zwischenschritt gehen sollte?

  • Cassandra

    Hat den Titel des Themas von „Moralische Dilemmata [Neue Dilemmata hinzugefügt im Beitrag #86]“ zu „Moralische Dilemmata [Neue Dilemmata hinzugefügt im Beitrag #90]“ geändert.
  • Was haltet ihr von dieser Idee? Rein hypothetisch natürlich. Welche Gründe können dafür sprechen, dass man diesen Zwischenschritt gehen sollte?

    Finde die Argumente spannender, die dagegen sprechen.


    Das Dilemma (oder der Vorschlag vielmehr) hat ja was von moralischem "Highground" - der Präsident wird gehemmt, die Weltvernichtungsmaschine in Gang zu setzen. Und die Anekdote mit den Militärs, die besorgt sind, dass der Präsident ja dann vielleicht gar nicht den Knopf drücken würde. Ohoho!


    Jetzt müsste man mal relpolitisch schauen, welchen Zweck die atomare Bewaffnung der Supermächte insbesondere zum Entstehungszeitraum (ende 1970er Jahre, Publiziert 03/1981) hatte. Es gab verschiedene Militärdoktrinen, die alle irgendwo im Prinzip der gegenseitigen Abschreckung gemündet haben. Im Prinzip musste man dem ebenso atomar bewaffneten Gegner versichern, dass man im Falle eines Erstschlags mit vernichtender Macht zurückschlagen würde. Maßnahmen, die also (was gefahrlos möglich gewesen wäre) die Erstschlagskapazität verringert hätten, durften gleichzeitig nicht auch nur den Eindruck erwecken, einem möglichen Gegenschlag im Weg zu stehen.


    Das trieb dann Stilblüten, wie die "Enthauptungsschlag"-Theorie (also dass eine Supermacht die andere mit einem schnellen, präzisen Atomangriff so beschädigen kann, dass kein Gegenschlag mehr möglich ist) und der "Gegendoktrin" der sog. "Toten Hand" (Eine automatische Einleitung eines Atomschlags, falls die Kommandostrukturen durch eben jenen Enthauptungsschlag handlungsunfähig geworden sein sollten).


    Alles basierte darauf, dass dem Gegner genau die richtige Menge an Informationen über die eigene Doktrin zugespielt wurden. Hätten die USA nichts von der "Toten Hand" gewusst, hätte sie ja keine Abschreckungswirkung gehabt, usw.


    Bezogen auf die Situation bedeutet das, dass zwar die Erstschlagskapazität eines Landes herabgesetzt wird, allerdings der Präsident auch "als gehemmt gelten könnte", einen Erstschlag des Gegners zu erwidern, was wiederum das globale Risiko eines atomaren Konflikts erhöhen würde.


    Weiterhin müsste man - auch wieder realpolitisch - feststellen, dass es nicht allzu viele Freiwillige geben würde, die das mit sich machen lassen würden. Sie müssten ja im richtigen moment auch bereit sein, zu sterben. Ich kann mir vorstellen, dass so zwischen dem "Opferlamm" und dem Präsidenten über die Zeit doch eine Beziehung entstehen könnte, die "im Anblick des sicheren Todes" ein zusätzliches Hindernis darstellen würde.


    Ich finde den tatsächlich gewählten Weg der vertraglich vereinbarten, gegenseitig kontrollierten, gemeinsamen weltweiten Abrüstung (SALT, INF, START, ...) da deutlich besser. Klar, dass im Entstehungszeitraum dieser Theorie die Verträge entweder noch nicht (lange) abgeschlossen waren oder sich angebahnt hätten, die globale Situation aber trotzdem recht labil war, sodass es für solche - zugegeben sehr interessanten - Gedankenspiele Raum und Bedarf gab.


    Schönes Ding.

  • Bezogen auf die Situation bedeutet das, dass zwar die Erstschlagskapazität eines Landes herabgesetzt wird, allerdings der Präsident auch "als gehemmt gelten könnte", einen Erstschlag des Gegners zu erwidern, was wiederum das globale Risiko eines atomaren Konflikts erhöhen würde.

    Das setzte voraus, dass 1. ein solcher Konflikt tatsächlich am schwelen ist und 2. menschliches Versagen ausgeschlossen ist. Selbst wenn wir den 1. Punkt als nicht gegeben ansehen, haben wir mit Punkt 2 ein echtes Problem vor uns. Was du als "Tote Hand" bezeichnest, nannte Kubrick in Dr Strangelove "Weltvernichtungsmaschine" bzw "Doomsday device". Was er zeigt, ist die Möglichkeit, dass die Maschine bereits installiert, aber noch nicht bekanntgemacht ist (um dann ihre vermeintliche Abschreckungswirkung zu erzielen). Was sich wohl selbst Kubrick nicht hätte ausmalen können, wäre ein Präsident, der mit "Doomsday device is Fake News" reagieren könnte, wodurch die vermeintliche Abschreckung selbst mit ihrer Bekanntheit ins Leere läuft.

    Was haltet ihr von dieser Idee? Rein hypothetisch natürlich. Welche Gründe können dafür sprechen, dass man diesen Zwischenschritt gehen sollte?

    Tatsächlich als hypothetisches Konstrukt ziemlich gut, weil es den abstrakten Tod vieler Menschen mit dem greifbaren Tod eines Menschen verknüpft. Es bräuchte schon einen ziemlichen Psychopathen, der dennoch Atomwaffen zünden würde.

  • Das setzte voraus, dass 1. ein solcher Konflikt tatsächlich am schwelen ist und 2. menschliches Versagen ausgeschlossen ist. Selbst wenn wir den 1. Punkt als nicht gegeben ansehen, haben wir mit Punkt 2 ein echtes Problem vor uns. Was du als "Tote Hand" bezeichnest, nannte Kubrick in Dr Strangelove "Weltvernichtungsmaschine" bzw "Doomsday device". Was er zeigt, ist die Möglichkeit, dass die Maschine bereits installiert, aber noch nicht bekanntgemacht ist (um dann ihre vermeintliche Abschreckungswirkung zu erzielen). Was sich wohl selbst Kubrick nicht hätte ausmalen können, wäre ein Präsident, der mit "Doomsday device is Fake News" reagieren könnte, wodurch die vermeintliche Abschreckung selbst mit ihrer Bekanntheit ins Leere läuft.

    Im Prinzip hast du recht, ich hab Dr. Seltsam auch gesehen (und geliebt), allerdings erst, nachdem ich von der tatsächlichen "Toten Hand"-Strategie der Sowjets gelesen hatte. Wie genau das System funktionierte, ist natürlich nicht 100%-ig bekannt, es ist aber herrschende Meinung, dass es es gab. Wie schon eingangs gesagt war Teil einer Nuklearstrategie in beiden Blöcken, dass der jeweils andere Block genau die Richtige Menge an Informationen erhielt, um die gewünschte Abschreckungswirkung zu entfalten.


    Zusammen hing der Paradigmenwechsel der Sowjets übrigens mit der Entwicklung sehr zielgenauer U-Boot gestützter Nuklearraketen. Die US-Amerikaner konnten theoretisch unbemerkt bis in küstennahe Gewässer Russlands vordringen, dort einen präzisen Nuklearschlag auslösen und mit einer Vorwarnzeit von wenigen Minuten strategische Ziele vernichten, ohne dass es eine koordinierte Möglichkeit zum Gegenschlag gegeben hätte.


    Was mir noch eingefallen ist, und das passt wieder gut zum "menschlichen Versagen": So ein Nuklearschlag passiert ja nicht automatisch, wenn der Präsident auf den roten Knopf drückt (vlt ist das in Nordkorea so) - sondern es gibt ein relativ kompliziertes System mit einer Meldekette (irgendwer entdeckt einen drohenden Erstschlag und meldet seine Erkenntnis an seinen Vorgesetzten) und einer Reaktionskette auf Freigabebasis, also der Präsident erteilt einen Befehl mit einer definierten Verbindlichkeit, die Ausführung obliegt aber nachgeordneten Stellen. Jede dieser Stellen (auf beiden Seiten, Meldung und Ausführung) führt eine Plausibilitätsprüfung durch (was Kubricks Weltvernichtungsmaschine gänzlich fehlte und zumindest bei der Sowjetischen Strategie auf der "Meldeseite" etabliert war - siehe Stanislaw Petrow) und ist durch menschliches Verhalten beeinflussbar. So schrecklich die Bedrohung der vollständigen Annilihation der Welt in der Retrospektive gewesen sein muss: Bis auf den aktuellen POTUS und seine Administration saßen auf beiden Seiten einigermaßen rationale Entscheidungsträger, die nicht leichtfertig das Schicksal der Welt aufs Spiel gesetzt hätten.

  • Was haltet ihr von dieser Idee? Rein hypothetisch natürlich. Welche Gründe können dafür sprechen, dass man diesen Zwischenschritt gehen sollte?

    Tatsächlich als hypothetisches Konstrukt ziemlich gut, weil es den abstrakten Tod vieler Menschen mit dem greifbaren Tod eines Menschen verknüpft. Es bräuchte schon einen ziemlichen Psychopathen, der dennoch Atomwaffen zünden würde.

    Na zum Glück könnte ich das dem derzeitigen Präsidenten der USA nicht zutrauen.


    Finde das Gedankenexperiment aber auch gut. Es ist sicherlich um ein Vielfaches schwieriger einen Menschen selbst mit einem Messer oder sogar eigenen Händen zu töten, als den Befehl zu einer Tötung zu geben. Schon alleine Waffen mit einer höheren Reichweite wie Pfeil und Bogen oder Armbrüste verringern sicherlich schon die Hemmung einen anderen zu töten. Dann erst ein einziger Knopf. Es ist so surreal, dass ein einziger Knopfdruck eine weltweite Katastrophe auslösen kann und es ist dennoch etwas, das man leichter von sich wegschieben und auch rationalisieren könnte, als den Tod eines Menschen selbst herbei- und durchgeführt zu haben.

  • Wirklich realistisch ist es dennoch nicht, da die Waffe immer nur als Gegenreaktion eingesetzt werden soll und der Freiwillige sicherlich kein "Feind" ist, der in so einem Fall vernichtet werden soll. Also wenn jemand anderes eine Atombombe gezündet hätte, würde man anschließend genug Leid sehen, sodass das Leid des Freiwilligen nicht mehr im Verhältnis zum bereits angerichtetem Schaden und Leid des Verursachers steht. Demnach wäre die sonst hohe Hemmschwelle den Freiwilligen zu töten unbedeutend geworden oder immer noch so hoch, weil sich Präsident und Freiwilliger gut kennen. Letzteres wäre aber politisch nicht vertretbar, wenn dadurch eine angemessene mögliche Gegenreaktion ausbliebe.

  • Er schlug vor, dass der Code für den Einsatz der amerikanischen Atomwaffen in einer Kapsel im Körper (nah am Herz) eines Freiwilligen eingesetzt werden soll. Wenn der Präsident die Entscheidung trifft, Atomwaffen einzusetzen - und somit Millionen über Millionen an Menschen zu töten - muss er vorher eigenhändig diesen Freiwilligen töten, um an die Kapsel zu kommen.

    Am meisten würde mich an der Stelle interessieren, wo dieser Freiwillige herkommen soll bzw. was er dafür bekommt. So viel Selbstlosigkeit bringt doch niemand freiwillig auf. Zumal man sich damit doch auch irgendwie zu dem perfekten Anschlagsziel für jemanden macht, der an diese Kapsel harankommen möchte. Vielleicht sollte diese Verantwortung so jemand wie der Vizepräsident auf sich nehmen?

    Aber wenn ich nur bei der Idee ansich bleibe, würde das im Extremfall eher dazu führen, dass wichtige Zeit verstreicht, wenn es gilt, auf einen Erstschlag zu antworten. Will der Präsident hingegen als erster Atomwaffen einsetzen, ist er für mich sowieso wahnsinnig und wird kaum davor zurückschrecken, einen Unschuldigen mehr zu töten.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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