Herzlich willkommen im Votetopic zum 6. Wettbewerb in der Saison '11.
([Information] Wettbewerb Nr.9: Shipping)
Mit dem neuen Jahr kamen auch einige Veränderungen. Besonders das Votesystem hat sich gewandelt. So ist es nun nicht mehr möglich nur einen Punkt an einen Text zu vergeben, sondern beliebig viele. Nähere Informationen findet ihr in folgendem Topic:
Regeln, Information und Punkteliste der Saison '11
Wir bitten euch besonders den Punkt "Die Votes" durchzulesen.
Bitte verteilt eure Punkte nicht nur auf einen Text, sondern teilt sie mindestens zwischen drei Texten auf!
Außerdem schreibt zu jedem Vote eine Begründung! 1-2 Sätze genügen!
Votes, die nicht alle verfügbaren Punkte ausnutzen werden als ungültig erklärt
Die Deadline des Votes ist am 4.6.2011 um 23:59 Uhr.
Da wir 13 Abgaben erhalten haben, habt ihr die Möglichkeit 9 Punkte zu verteilen!
Pikachu quietschte fröhlich. Hier - im Kraftwerk östlich von Azuria - fühlte es sich wohl. Elektrizität lag in der Luft und das kleine Pokemon genoss es sichtlich, bald hier, bald da die seltsamen Gerätschaften anzufassen und sein gelbes Fell aufplustern zu lassen.
"Satoshi!", fuhr Kasumi den Jungen von der Seite an, "solltest Du nicht besser auf Dein Pokemon aufpassen?"
Satoshi antwortete ruhig: "Was soll denn schon passieren? Du siehst doch, wieviel Spaß Pikachu hier hat. Das bisschen Elektrizität stellt doch keine Gefahr dar."
Kasumi ließ sich nicht so schnell beruhigen: "Ich mache mir ja auch keine Sorgen um Dein Pikachu! Ich hab viel mehr Angst, dass das Kraftwerk daran Schaden nimmt."
"Das Kraftwerk funktioniert schon seit Ewigkeiten problemlos - trotz der vielen anderen Elektropokemon, die sich hier rumtreiben. Ein Pikachu mehr oder weniger wird da schon nichts kaputt machen." Quasi als Bestätigung blitzte es einmal kurz und aus einer Metallkonsole stieg ein wenig dunkler Qualm auf. Ein Rechnerdisplay wurde kurz schwarz, doch fuhr dann scheinbar wieder einwandfrei hoch. Pikachu hatte geschockt einen Moment innegehalten, doch schüttelte sich dann nur kurz und hüpfte weiter fröhlich umher.
"Siehst Du? Nichts passiert!", meinte Satoshi - mehr zu sich selbst als zu Kasumi.
Kasumi verkniff sich eine bissige Antwort.. Stattdessen fragte sie: "Warum nochmal sind wir hier?"
"*Ich* bin hier, weil es hier viele Elektropokemon gibt und ich sie alle fangen und damit meine Sammlung erweitern will. Außerdem will ich wissen, ob an dem Gerücht um Team Rocket etwas dran ist. Die Frage ist eher, warum *Du* mir immer noch hinterher läufst."
"*Ich* bin hier, weil man Dich keine Sekunde allein lassen kann. Wer weiß, was Du alles kaputt machen würdest, wenn ich nicht aufpassen würde? Selbst jetzt... Du belauschst irgendwo ein Gespräch um 'Stromausfall' und 'Kraftwerk' und schon glaubst Du, hier den Helden spielen zu können. Kann doch nicht sein, dass Du immer den Ruhm alleine erntest! Außerdem schuldest Du mir immer noch ein Fahrrad!".
Satoshi wich zurück angesichts dieses Redeschwalls. "Du immer mit Deinem Fahrrad", murmelte er kleinlaut.
Kasumi beruhigte sich ein wenig, "Glaubst Du echt, dass Team Rocket hier angreifen wird?"
"Es klang zumindest so, als wollten sie einen Stromausfall für böse Zwecke nutzen - und den Stromausfall nicht dem Zufall überlassen. Schaden kann es auf jeden Fall nicht, sich hier einmal umzusehen. Außerdem scheint es Pikachu hier zu gefallen."
Seinen Namen hörend, drehte sich Pikachu zu den beiden um und streifte mit seinem Schweif ein weiteres, wichtig aussehendes Gerät. Auch dieses quittierte nur kurzfristig den Dienst.
Resigniert seufzte Kasumi: "Wenn Pikachu sich hier weiterhin so vergnügt, brauchen wir für den Stromausfall kein Team Rocket me.." Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment wurde sie von einem lauten Knall übertönt. Dann wurde es dunkel und dann war es auch wieder still.
Die Maschinen waren aus, das Brummen der Generatoren war verstummt. Satoshi wagte kaum, sich zu bewegen. Er konnte absolut nichts sehen. Dann auf einmal spürte er etwas im Gesicht, auf seinen Lippen. Erschrocken wollte er einen Schritt nach hinten treten doch er fand sich mit dem Rücken zur Wand. Wieder waren da die fremden Lippen und dieses Mal konnte er sich gegen den Kuss nicht mehr wehren.
Der Moment war so schnell vorbei wie er gekommen war. Nur einen Augenblick später war Satoshi wieder frei.
"Satoshi?", erklang Kasumis Stimme von weiter weg als er erwartet hätte, "wo bist Du?"
"Ich bin hier", rief Satoshi unsicher. Kurz darauf fühlte er Pikachu um seine Beine streichen. "Streck' Deine Arme aus!". Er fühlte, wie ihre Hand seine fand und ergriff. Doch kaum, dass sich ihre Hände gefunden hatten, sprang die Notbeleuchtung an und Kasumi ließ Satoshis Hand los, als ob sie eine heiße Kartoffel wäre.
"Du hast natürlich beim Wort 'Stromausfall' nicht daran gedacht, so etwas wie eine Taschenlampe mitzunehmen, oder?" fragte Kasumi bissig, als sich ihre Augen an das dunkle Rot der Notleuchten gewöhnt hatten.
"Ich hab gedacht, Team Rocket würde hier ins Kraftwerk reinkommen, um den Strom abzuschalten", rief Satoshi zurück. Wütend fügte er hinzu: "Außerdem: Was war das eben?"
Kasumi war schon halb auf dem Weg zum Ausgang. Sie drehte sich zu Satoshi um und funkelte ihn böse an: "Was war *was* eben?"
Satoshi blickte ihr noch einen Moment überrascht in die Augen, zuckte dann aber nur mit den Schultern und meinte: "Ach nichts. Lass uns gehen! Hier drin können wir eh nichts mehr tun."
Ein sanfter Wind spielte mit meinen langen Haaren, als ich aus dem Pokécenter kam. Die salzige Luft füllte meine Lungen und erwärmte mich. Die Zuschauer um mich herum murmelten, “Hey, dass ist ja Cynthia!” oder “Was macht sie denn hier?” Ich lächelte jeden nur warm an und begab mich weiter auf meine Rückreise zur Pokéliga. Meine Großmutter hatte mal mich mal wieder zu ihr gerufen, also war ich nach Elyses geeilt.
“Wär ich nur nicht hingegangen,” dachte ich. Sie und ich streiteten seit letzter Zeit immer öfter, weil sie genug davon hat mich 'alleine' zu sehen. Sie wollte einen Mann an meiner Seite haben, und nicht zu vergessen: Sie wollte, dass ich meinen Traum aufgab.
“Ich weiß, dass du ein starker Trainer bist, aber dein 30 Geburtstag kommt immer näher und ich kann auf meine Finger zählen wie oft ich dich mit einem Mann gesehen hab! Du solltest aufhören in ein Schloss aus Fantasie zu leben und langsam in die Realität kommen!”, hatte sie gebrummt. Ich hatte Lust zurück zu schreien, aber ich hielt meinen Mund und ließ sie ausflippen bis sie sich beruhigt hatte.
Aber wie konnte ich meinen Traum aufgeben? Denn Sie war es die mich aufmunterte zu trainieren. Die Erinnerungen waren stark, wie ich und damalig Kaumalat in ihren Garten trainierten. Sie meinte ich wäre stark genug um es bis an die Spitze zu schaffen, und jetzt wollte sie, dass ich all meine Arbeit wegwarf.
Ich lutschte an einem Erdbeer Speiseeis, nachdem ich wieder 20 Minuten bei der Auswahl verbracht hatte. Wieso gab es so viele leckere Sorten? Konnte man doch nur eine Mischung aus allen nehmen... Ich starrte auf meine Uhr. Um 8:30 fuhr mein Schiff ab zur Pokéliga.
“Cynthia! Cynthia! Hey! Warte doch mal!” Ich machte eine Drehung in Richtung Arena. Volkner kam auf mich zu geeilt. Seit ich ihn kennen gelernt hatte, standen seine Augen immer müde, aber jetzt waren sie aufgeregt und voller Lebenslust.
Wie er auf mich zu gerennt kam, seine blonde Haare im Wind, sah er aus wie ein Adonis. Seine Haare bekamen einen goldenen Glanz durch die Sonne und er lachte. Ich konnte ein erröten nicht verhindern. Cynthia, ermahnte ich mich selber, Hör auf dich wie ein Kind zu verhalten!
“Was ist los?”, fragte ich, einen Bissen von meinen Eis nehmen. Volkner schnaufte und hyperventilierte so ernst, sodass ich fast glaubte er würde im diesen Moment in Ohnmacht fallen.
“Wieder ein Eis? Sorg nicht das du kugelrund wirst, meine liebe Cynthia,” ermahnte er mich. Ich wurde so rot wie eine Tomate als er 'meine liebe Cynthia' sagte. So hatte er noch nie zu mir gesprochen...
“Wird schon nicht passieren,” flüsterte ich heißer, während ich in meine Hand kniff. Ich wand meinen Kopf ab um mein Erröten zu verstecken.
“Was machst du hier?”, fragte er. Als ob er Gedanken lesen könnte, sagte er Aaahh! Deine Großmutter, stimmts?” Das Gerücht das ich meinen Titel abstehen würde ging, wie ein Feuer auf einer trockenen Wiese ganz Sinnoh herum.
“Um es noch mal klar zu stellen, ich habe nicht vor meinen Titel ab zu stehen!”, schnappte ich, während ich zu einer Mülltonne lief um mein Papier weg zu werfen. Er schaute mich mit großen Augen an, und bekam sofort fingen mein Schuldbewustsein hinten im mein Kopf mich an zu schreien.
“Tut mir leid,” sagte ich schuldbewust, “Ich wollte dich nicht anschnappen...”
“Ist schon gut. Kommst du mit zum Strand? Der Sonnenuntergang ist atemberaubend schön,” fragte er verlegen. Ich nickte lachend um seinen roten Kopf, obwohl meinen genau so rot war wie seinen.
Langsam ging verschwand die Sonne aus den Scheinwerfern. Das Meer gab an zu leuchten, als die Sonne halbwegs hinter dem Horizont verschwand. Immer bei solchen Momenten bekam ich Lust auf ein Eis, wahrscheinlich Orange, weil das passte zu den Farben des Meeres.
Wir hatten uns auf eine Bank platziert, die einen guten Blick auf das Meer hatte. Volkner war Eis holen, wahrscheinlich weil ich es wollte oder weil mein Geld alle war, denn wie jeder Mensch musste ich auch für Sachen bewahren.
„Und ein Orangen-Eis für die schöne Lady,“ sagte Volkner. Ich sprang fast einen Meter hoch, denn ich hatte ihn nicht anhören kommen. Aber mehr weil er 'schön' gesagt hat... Woher wusste er überhaupt das ich gerade jetzt Orange wollte?
Ich murmelte schnell ein Danke, während ich einen großen Bissen von meinen Eis nahm. Volkner setzte sich so nah wie nur Menschlich möglich war an mich dran, ohne dass er mich berührte. Das Meer machte sanfte Geräusche während die Wingull ein Lied krächzten, ein romantisches Lied.
“Wir beneiden dich alle Cynthia, weil du der stärkste von uns allen bist. Du bist speziell, gib niemals deinen Traum auf,“ sagte er harmonisch. Wieder stieg das Blut hoch zu meinen Wangen. Er hatte es mit so viel Überzeugung gesagt, dass ich unwillkürlich ihm um den Hals fliegen wollte.
Seine Worten schallten durch meinen Kopf als ihn direkt ansah. Seine Augen wechselten ständig von Farbe, wie die Lichter auf einem Kirmes, während seine Haare sein Gesicht kitzelte.
Er musste meinen durchdringenden Blick gefühlt haben, denn er drehte sich zu mir um. Langsam nahm er meine Hand, während er sich immer weiter vorüber beugte. Ich wusste nicht wieso, aber ich schloss meine Augen und wartete ab. Seine Lippen berührten die meine weich, aber mit so viel Liebe, dass ein Strom von Wärme durch meinen Körper floss. Ich wickelte meine Arme um seinen Hals und begrub meine Finger tief in blonde Locken.
Ich wusste nicht wie lange wir hier küssten, aber mich interessierte es total nicht. Ich wollte, dass dieses Gefühl, welches alles in meinem Körper erwärmte, nicht mehr aufhörte. Seine nach Liebe hungrige Lippen wollten die Meine nicht loslassen. Mein Herz hämmerte auf meine Brust, wie eine Hammer, aber es war ein herrliches Gefühl. Ich wollte in ihn verschmelzen, einfach dieses Gefühl nachgehend.
Er zog sich zurück, aber er hielt immer noch meine Hände fest. Wir verhielten uns wie Kinder, obwohl wir beide zu alt waren um uns so zu verhalten. Meine Augen wanden sich automatisch zu meiner Uhr. „Oh nein!“, rief ich aus, „Ich verpasse mein Schiff!“ Meine Uhr deutete 8:29 an.
Volkners Gesicht wurde sofort wieder seriös, aber der liebevolle Blick ruhte immer noch auf seine blaue Augen. Schnell zog er mich auf und eilte, während er mich hinter sich her zog, eher gesagt schleppte. Ich hörte das Hupen eines Schiffes und ich ließ ein lautes Stöhnen hören. Mein Schiff verschwand hinter dem Horizont, einen grauen Rauch hinterlassend.
“Es tut mir leid, Cynthia, ich wollte nicht...“, entschuldigte sich Volkner. Er spielte verlegen mit einer seinen blonden Locken und er sah mir mit großen Augen an. Warum, ehrlich gesagt, wollte ich hier bleiben?
„Es ist nicht schlimm...“, sagte ich lächelnd. Es war als ob eine schwere Last von Volkner fiel.
Er lächelte wie ein kleines Kind, “Ich lüge, denn ich wollte, dass du hier bleibst.“ Er tat einen Schritt nach vorne, während er seine Arme um mich herum schloss. Ich lehnte mit meinen Kopf gegen seine männliche Brust. Seine Hand spielte mit meine Locken. „Ich liebe dich, Cynthia,“ flüsterte er in meinen Ohr.
Ich schaute in seine blaue Augen, und sah, dass er es ernst meinte. Er beugte sich wieder vorüber um mich ein weiteres mal herzhaft zu küssen. “Ich dich auch,“ flüsterte ich kurz bevor unsere Lippen sich trafen.
„Glaziola, jetzt Eissplitter!“ Ein wunderschöner Eisregen sank auf Maike herab. Sie lächelte:„Sehr gut!“
Blitzartig drehte sie sich um, als sie langsames Klatschen hinter sich hörte. „Das wollte ich auch gerade sagen.“ Der grünhaarige Junge lächelte verschmitzt.
Maike wollte ihn anmeckern, wusste aber nicht wieso. Also erwiderte sie nur: „Danke, Drew.“
„Du warst gut beim Wassili-Cup.“
Schon wieder ein Kompliment. Das war gar nicht Drews Art. Wie benommen nickte Maike. Seit sie durch Johto reiste, war sie Drew schon mehrfach begegnet und hatte auch schon gegen ihn gekämpft, aber irgendetwas schien heute anders zu sein.
„Komm mal mit, ich will dir was zeigen“, meinte Drew und machte eine leichte Bewegung in Richtung Wald.
„Glaziola, komm zurück“, sagte Maike und folgte ihm zwischen den dunklen Bäumen hindurch. Es war ein warmer Nachmittag im Spätsommer. Die klare Luft war erfüllt vom Gesang der Wablu, doch was diesen Tag wirklich perfekt machte, war Drew, wie er vor Maike herging und sich immer wieder umdrehte, als hätte er Angst, sie könnte verloren gehen.
Die Sonne hatte schon einen leichten orangenen Ton, als Drew langsamer ging und schließlich stehen blieb, um sich zu Maike umzudrehen. „Mach die Augen zu!“, befahl er und sie gehorchte. Sanft nahm er ihre Hand und führte sie noch ein Stückchen weiter in den Wald hinein. Als sie stehen blieben, spürte Maike seinen Atem an ihrem Ohr, während er ihr erlaubte, die Augen zu öffnen. Um die beiden Koordinatoren flogen Volbeat und Illumise, die die kleine Lichtung in ein ganz eigenes Licht tauchten, doch was Maike viel beeindrucksvoller fand, war das Picknickset, das in der Mitte der Lichtung aufgebaut war.
„Setzt dich doch“, forderte Drew sie auf und wieder tat sie, was er ihr sagte. Er packte ein Sandwich aus und reichte es ihr. Verlegen nahm sie es entgegen. Gurke und Salat; ihr Lieblingssandwich. Es schmeckte einfach köstlich! „Danke sehr!“, meinte sie nachdem sie den Bissen heruntergeschluckt hatte. „Es ist perfekt.“
Drew schien sich sehr über Maikes Kompliment zu freuen, denn das Mädchen sah ihn erstmals freundlich und schüchtern lächeln.
Beide saßen schweigend auf der Lichtung und aßen ihre Brote, während die Sonne langsam unterging und das Laub der Blätter leuchten ließ, als wäre es schon Herbst. Maike bewunderte die goldenen Stahlen der Sonne und dachte an die schöne Zeit, die sie bisher mit Drew verbracht hatte. Er war immer für sie da gewesen, auch wenn er es nie direkt gezeigt hatte. Allein seine Anwesenheit gab der jungen Koordinatorin immer wieder neuen Mut und schenkte ihr ungewohnte Stärke. Jedes Mal, wenn sie eine Rose sah, dachte sie an Drew und ihr Herz schlug doppelt so schnell wie zuvor. Und jetzt saß sie hier mit ihm auf einer wundervollen Lichtung bei Sonnenuntergang. Als sie sich nach hinten lehnte und sich mit den Händen aufstützen wollte, berührte ihre Hand die von Drew und beide zogen sie schlagartig zurück. Es war wie in einem Liebesfilm und doch real.
Lange schaute Maike in seine grünen Augen. Sie schienen größer zu werden, als er sich zu ihr herüber beugte. Maike wusste, was jetzt kommen würde. Wie lange hatte sie diesen Tag herbeigesehnt, doch als ihre Lippen sich berührten, dachte sie nur noch an die Gegenwart.
Nach einem Augenblick, der Maike wie eine Ewigkeit vorkam und trotzdem viel zu schnell vorbeiging, sah Drew sie an, als wollte er wissen, ob er auch alles richtig gemacht habe. „Egal, was ich bisher als richtig gut befunden habe, nur das war wirklich perfekt“, sagte sie lächelnd.
Er legte seinen Arm um ihre Schulter und sie schmiegte sich an ihn, während die ersten Sterne den Himmel zu schmücken begannen.
Müde lugte ich über das leere Glas vor mir und lies meinen Blick durch die Kneipe wandern. Das schäbige Eichenholz unterstrich die düstere Atmosphäre und verstärkte sie zusätzlich. Durch die wenigen Fenster drang kein Licht, es war mitten in der Nacht. Normalerweise hätte der Barkeeper alle Kunden zu dieser Zeit raus geworfen, doch seit kurzem nannte er es die Lonely-hour , wo jeder willkommen war und sich voll laufen lassen durfte. Die meisten Anwesenden hingen, wie ich selbst ebenfalls, über dem Tresen der Bar und schliefen oder grölten lauthals über ihr Elend. Eigentlich hätte ich es ihnen liebend gerne gleich getan, doch irgendetwas hinderte mich daran. Erneut leerte ich in einem Zug mein Glas, wobei der Alkohol keinerlei Wirkung mehr auf mich zeigte. Wie viele Stunden hatte ich hier verbracht? Es gelang mir nicht, mich daran zu erinnern, es machte auch keinen Unterschied wo ich die Nächte verbrachte.
Der kahlköpfige Mann neben mir heulte sich die Seele aus dem Leib und klagte darüber, dass seine Frau ihn, mitsamt seinen Kindern, verlassen hatte. Seine rot leuchtenden Augen glänzten im Schein der flackernden Lampe neben ihm. Er war ein Glückspilz. „May, geh nach Hause.“, sagte der kleinwüchsige Barkeeper mit Verständnis voller Mine und tippte auf das Zifferblatt seiner alten Armbanduhr. Die Ränder unter seinen Augen verrieten mir, dass er in gewisser Weise wusste, wie es mir erging. Seine Wangen waren überdeckt von schwarzen Bartstoppeln, seine Mundwinkel ließ er nach unten hängen, so als ob sie ausgeleiert wären. Er war nicht nur Barkeeper, sondern unterhielt sich mit den angetrunkenen Kunden steht’s über dessen Situation und gab ihnen gute Ratschläge, wie sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen konnten. Also war er auch Therapeut. Es dauerte einen Moment bis ich seine Aufforderung verstanden hatte und stand vorsichtig von dem Barhocker auf, wobei ich beinahe auf dem Boden landete. Wankend ging ich auf die Ausgangstür zu, die mich an das Tor zur Hölle erinnerte. Das pechschwarze Holz schimmerte im Licht der kläglichen Beleuchtung. Doch die Hölle hatte ich schon längst betreten, seit sieben Monaten um genau zu sein. „Soll ich dich nach Hause begleiten?“, bat sich Mario, der Barkeeper mir an und war dabei, sich die mit Flecken übersäte Schürze aus zu ziehen, ich winkte ab und verließ das Haus.
Die Straßen waren kaum noch zu erkennen, die Glühbirnen der Straßenlaternen hatte man, wie so oft, zerschlagen, sodass um sie herum der Boden von Glasscherben übersäht waren. Drew hätte mich gewarnt und mir verboten, mich um die Uhrzeit noch an solchen Orten herum zu treiben, aber er war nicht da. Eine zarte, kühle Perle kullerte mich Gesicht hinab, verweilte einen Augenblich an meinem Kinn und tropfte dann zu Boden, wo sie sich mit der Pfütze vereinte
Dutzend Mal trat ich in mitten einer solchen Pfütze, früher hätte ich mich darüber geärgert, dass meine teuren Schuhe nass wurden, heute war es mir egal. Ob ich gut aussah oder nicht machte nun eh keinen Unterschied mehr. Meine Hosenbeine saugten sich mit Wasser voll und ließen mich an den Knöcheln frieren. Normalerweise hätte Drew mich vor den Pfützen gewarnt, aber Drew war gestorben und mit ihm die Normalität. Seine Seele hatte mich und diese Welt verlassen, nur sein Körper ruhte noch immer auf der Erde, oder besser gesagt unter der Erde. Zu seiner Beerdigung hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, Angehörige, sowie auch Freunde. Alle hatten sie geweint und mir ihr herzlichstes Beileid ausgesprochen, aber es hatte mich völlig kalt gelassen, nicht eine Träne hatte ich vergossen. Teilnahmslos hatte ich neben seinem Sarg gestanden und betrachtete die Blumen, ich hatte nicht einmal mit bekommen welche es gewesen waren.
Ich hatte die Menschen nicht hören oder sehen können. Es war, als hätte ich mich mit Drew in die Lüfte erhoben und wäre ihm gefolgt. Doch nach einigen Wochen hatte ich ihn verloren und war wieder zu mir gekommen, hatte meine Mitmenschen wieder war genommen und mich dafür verflucht nicht bei ihm zu sein. In meiner geistigen Abwesenheit hatten sich Lucia und Ash um meinen Körper gekümmert, hatten mich gefüttert und gewaschen, alles dafür getan, um mich nicht zu verlieren. Seitdem ich wieder anwesend war verstrichen die Tage, ohne dass ich etwas davon mit bekam. Eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Trauer kontrollierte mich tagsüber abwechselnd. Bei Nacht trieb ich mich in Bars herum, aus Furcht vor den Träumen die mich im Schlaf verfolgten.
Erschöpft schleppte ich mich zu meiner Wohnung und erschrak beim Knarren der Haustür. Dieser Ort war einst mein Zuhause gewesen, der Ort, an dem ich mich sicher und geborgen gefühlt hatte. Nach Drews Tod wurde mir klar, dass er diese Wärme ausgemacht hatte und es ohne ihn nichts als ein leeres Haus war, worin ich nur gelegentlich die Stunden verbrachte. Den ersten Monat hatte ich mich hier völlig isoliert, hatte in jedem Raum etwas von Drews Sachen gelegt, aus Angst ihn zu vergessen. Im Wohnzimmer stand der große Sessel, den er vor einem Jahr gekauft hatte. Ich hatte mit ihm darüber gestritten, da ich ihn für Geschmacklos hielt, hätte ich ihm doch anstatt des Streits erneutl gesagt, dass ich ihn liebte. Ehrfürchtig strich ich mit den Fingerspitzen über den seidigen, grün gestreiften Stoff.
Eine Welle voll Trauer und Sehnsucht überkam mich um zog mich ins tiefe Meer der Einsamkeit. Schluchzend fiel ich vor Drews Bild in die Knie und hämmerte mit den Fäusten auf den laminierten Fußboden ein. „Du hast mich verlassen! Du hast mich vergessen!“, schrie ich aus Leibes Kräften und ohrfeigte mich im nächsten Moment für meine eigenen Gedanken. Sein Gesicht, hinter der dünnen Schicht aus Glas, lächelte mich aus dem Bilderrahmen an und erinnerte mich schmerzhaft daran, dass er mich nie wieder anlächeln würde. Der Aufprall meiner eigenen Hand in meinem Gesicht schallte durch den gesamten Raum, wie ein Gewehrschuss, gefolgt vom Schmerz meiner Wange. Zitternd blieb ich auf dem Boden liegen und kauerte mich an mir selbst fest. „Komm zurück.“, wimmerte ich aufgelöst und kreischte bei den Stechenden Gefühlen in mir auf. „Lass mich nicht allein, Drew.“, schluchzte ich erneut und konnte mich vor weinen kaum noch am Boden halten. Seitdem er gegangen war hatte er eine leere in mir hinterlassen, ein Loch, das man nicht stopfen konnte. Ohne ihn war ich ein nichts und es war gut so. Ich wollte nichts ohne ihn sein. Die Leute sollten mich vergessen und ihr Leben ohne mich fortsetzen.
Die Nachbarn waren der Ansicht, dass ich den Verstand verloren hatte und ich stimmte ihnen zu. Lucia hatte alle spitzen Gegenstände, mit denen ich mir selbst Leid zufügen konnte, aus dem Haus geschafft. Es benötigte keine materiellen Dinge, ich konnte den Schmerz in mir eh nicht stoppen und quälte mich damit. Einige Male hatte ich mir gewünscht, dass Drew mich verlassen hätte oder geschlagen, um ihn hassen zu können. Doch er war mir immer treu gewesen und seine letzten Worte waren: Ich liebe dich.
Ash hatte mir Filme gekauft, in denen frische Witwen gegen ihr Schicksal ankämpfen und nach und nach ihr eigenes Leben weiter führten. Jedoch hatte ich mir keinen der Filme angesehen, ich wollte nicht lernen die Liebe meines Lebens zu vergessen. Lucia sagte oft, dass Drew es nicht hätte mit ansehen können, mich in diesem Zustand zu sehen, doch Drew war fort, er konnte mich nicht sehen. Er würde nie wieder zu mir zurückkehren.
Seine Augen, sein Lächeln, seine Stimme. Das war alles, woran Maike denken konnte, während sie sich die Haare zu einer eleganten Frisur hochsteckte. Vor drei Monaten, als Drew sich von ihr getrennt hatte, hatte sie sie schwarz gefärbt, da er ihre braunen Haare so sehr geliebt hatte. Noch ein wenig Haarspray und sie war fertig für die Bühne. Nachdenklich sah sie ihre Pokébälle an. Wen würde sie für den Wettbewerb auswählen? Sie entschied sich letztendlich für Glaziola und Lohgock und ließ die anderen Pokébälle in ihrer Tasche verschwinden. Maike stand auf und zupfte sich ein letztes Mal ihr Kleid zurecht. Dann verließ sie ihre Umkleidekabine und machte sich auf den Weg zur Bühne. Graphitport City. Das letzte Mal, als sie hier angetreten war, hatte Drew sie im Finale geschlagen. Diese Erinnerung gesellte sich zu dem Bild von Drew, das seit der Trennung unablässig in ihrem Kopf herumspukte. „Und nun, aus Blütenburg City: Maike!“, schallte die Stimme des Ansagers durch den Gang. Die junge Koordinatorin beschleunigte ihre Schritte und trat schließlich ins Rampenlicht. Die Scheinwerfer blendeten sie, sodass sie die Augen zusammenkniff und schützend die Hand vor ihr Gesicht hielt. Für einen Moment beleuchteten die Scheinwerfer das Publikum und da sah sie ihn. Drew saß in der zweiten Reihe. Schlagartig rutschte ihr das Herz in die Hose. Sie biss sich auf die Lippen. Verlier jetzt bloß nicht die Fassung, sagte sie sich. „Komm raus, Glaziola!“, sie warf den Pokéball. In einem zauberhaften Wirbel glitzernden Schnees materialisierte sich das Pokémon und vollführte einen anmutigen Salto. Das Publikum klatschte anerkennend. Plötzlich nahm Maike alles nur noch durch einen Schleier wahr. Sie blinzelte, doch er blieb bestehen. „Los, Glaziola, wir beginnen mit Schaufler – so wie wir es geübt haben!“, befahl sie und das Pokémon begann, sich einzugraben. In dem Moment, in dem es wieder auftauchte, rief sie ihm zu: „So, und jetzt Eisstrahl!“ Glaziola, das mit Schwung aus dem Boden geschossen kam, drehte sich nun um die eigene Achse und versprühte hellblaue Strahlen in alle Richtungen. Durch die Surfer-Vorstellung ihres Vorgängers war die Bühne noch vereinzelt feucht und an diesen Stellen entstanden glitzernde, kleine Eisflächen. Sie machte eine kleine Pause. Alle Scheinwerfer richteten sich auf sie. Das Publikum schwieg und sie fühlte förmlich, wie alle Blicke sie durchbohrten. Erst jetzt bemerkte sie, dass Glaziola sie mit seinem Eisstrahl getroffen und ihre Tränen eingefroren hatte. Maike atmete kurz durch und gab Glaziola den Befehl, seine Eissplitter mit Spukball zu kombinieren, woraufhin es lila glühende Eissplitter in die Luft schoss. „Und jetzt – Eisenschweif!“, rief sie und Glaziola zertrümmerte die Splitter, sodass sich ein lila-glitzernder Eisregen über die Bühne ergoss. Das Publikum staunte und klatschte wie wild, als sie sich gemeinsam mit ihrem Pokémon verbeugte. Anschließend hatte sie es sehr eilig, von der Bühne zu verschwinden und in ihre Umkleidekabine zu gehen. Mit gemischten Gefühlen ließ sie sich in den Stuhl vor ihrem Spiegel fallen. Einerseits war sie stolz auf ihren Auftritt, aber andererseits tat es weh, ihn wiederzusehen. „Und nun der nächste Koordinator: Drew!“, verkündete der Ansager. Maike zuckte zusammen und überlegte kurz, ob sie sich seine Show ansehen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie musste sich selbst nicht noch zusätzlich quälen. Es klopfte an der Tür. „Ja?“, rief sie. Zaghaft öffnete sich die Tür und Ash steckte seinen Kopf herein. „Ash?“, fragte Maike verblüfft, „Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet!“ „Ich bin aber nicht allein“, sagte er und stieß die Tür ganz auf. Rocko und Lucia standen hinter Ash auf dem Flur und winkten ihr zu. Maike konnte nicht anders, sie fiel ihren Freunden in die Arme. Lucia war die letzte, die sie umarmte. „Ich hab ihn auch gesehen“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Er wollte doch nach Orre oder Almia reisen“, murmelte Maike, „Was macht er jetzt hier?“ Ash und Rocko waren wieder zur Bühne gegangen und sie schloss die Tür hinter sich. „Sie haben es alle gesehen, oder?“, fragte sie, „Dass ich geweint hab, meine ich.“ Lucia nickte traurig. „Ja. Aber es war auch nicht zu übersehen, nach deinem Eisstrahl.“ Die Bewunderung, die in ihrer Stimme mitschwang, war nicht zu überhören. „Verdammt! Warum musste er auch gerade jetzt hier auftauchen! Das erste Mal seit – seit damals nehme ich wieder an einem Wettbewerb teil und dann sitzt ausgerechnet er im Publikum!“, brauste Maike auf. Lucia legte ihr die Hand auf den Arm. „Beruhige dich doch“, sagte sie und sah ihre Freundin besorgt an. „Das – das ist nicht fair“, stieß Maike mit versagender Stimme hervor. Lucia reichte ihr ein Taschentuch und Maike tupfte sich damit die Tränen aus dem Gesicht. „Und jetzt die Teilnehmer, die es in die nächste Runde geschafft haben!“, hörte man den Ansager rufen. Maike und Lucia begaben sich auf den Gang zu einer der großen Anzeigetafeln. Maike wurde als Vorletzte aufgerufen, nach ihr kam nur noch – wie konnte es anders sein – Drew. Sie schloss die Augen und machte auf dem Absatz kehrt, um sich dieses Bild nicht länger ansehen zu müssen. Hinter der ersten Ecke lehnte sie sich an die Wand und ließ sich daran zu Boden sinken. Tief durchatmend versuchte sie, die Fassung zu wahren. Ash lugte um die Ecke und hockte sich neben sie. Er sah ebenso besorgt aus, wie Lucia vorher. „Mach ihn fertig. Er hat es verdient“, sagte er und legte ihr die Hand auf die Schulter. Langsam nickte sie. „Du schaffst das. Diesmal wirst du hier siegen!“ Auch er hatte ihren letzten Wettbewerb in Graphitport City nicht vergessen. Sie ballte die Fäuste. „Du hast Recht. Heute kriege ich meine Revanche!“, sagte sie entschlossen. Ash schien zufrieden zu sein und gesellte sich zu Lucia und Rocko. „Egal, was war“, sagte Maike zu sich.
Ihren ersten Gegner im Viertelfinale steckte sie mit links in die Tasche, doch bei Solidad im Halbfinale wurde es ein wenig schwieriger, am Ende stand jedoch Maike als Siegerin da. Die Anzeigetafel verriet ihr, dass sie sich im Finale gegen Drew behaupten musste. Nach einer zehnminütigen Pause stand Maike ihm auf dem Kampffeld gegenüber. Drew war es sichtlich unangenehm, gegen Maike antreten zu müssen. Ohne ein Wort an ihn zu verlieren schickte Maike ihr Lohgock in den Kampf, das sich drohend neben ihr aufbaute. Drew, der scheinbar ebenfalls nichts zu sagen hatte, war seinen Pokéball und schickte damit sein Roserade in den Kampf. Maike grinste siegessicher. Den Typvorteil hatte sie damit auf ihrer Seite. Ein Signal ertönte und damit liefen die fünf Kampfminuten. „Los Lohgock, zeig ihnen deinen Himmelsfeger!“, rief Maike ihrem Pokémon zu, das auch prompt auf Roserade zustürmte und zum Schlag ausholte. „Roserade! Ausweichen und dann Blättersturm!“, brüllte Drew und Roserade gehorchte. „Kontere mit Flammenwurf!“, befahl Maike und Lohgock schickte seinem Gegner einen mächtigen Strahl grell leuchtender Flammen entgegen, der dessen Attacke zu Asche verpulvern ließ und diesen zusätzlich noch voll erwischte. „Oh, das war ein kritischer Treffer!“, sagte der Ansager, als Roserade daraufhin für einen Moment zu Boden ging. Das Publikum stöhnte, doch als das Pflanzen-Pokémon sich wieder aufrichtete, jubelten und klatschten die Zuschauer. Maike riskierte einen Blick zur Punktetafel. Sie hatte Drew tatsächlich mit einer einzigen Attacke schon sehr viele Punkte abgezogen. Diesen kleinen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte Drew, um Roserade ein weiteres Mal die Blättersturm-Attacke ausführen zu lassen. Diesmal konnte Maike nicht rechtzeitig reagieren und Lohgock musste einen Volltreffer einstecken. Abermals stöhnte das Publikum, doch Lohgock ging nicht zu Boden. „Tut mir Leid Lohgock!“, rief sie ihm zu, „Jetzt nochmal Himmelsfeger!“ Während ihr Pokémon angriff, wagte Maike einen Blick an den Rand der Arena. Ash, Rocko und Lucia – ihre liebsten Freunde – standen dort und fieberten mit, ihre Pokémon spielten Cheerleader. Aber auch diesmal verfehlte Lohgock sein Ziel und Roserade landete einen Treffer mit Solarstrahl, der das Feuer-Pokémon zu Boden riss. Plötzlich begann Lohgock, rot zu glühen. Es richtete sich auf und knurrte Roserade so bedrohlich an, dass es einige Meter zurückwich. Maike ahnte nichts Gutes und stürmte auf die Kampffläche. „Lohgock! Tu das nicht!“, doch es war zu spät. Es gab eine gewaltige Explosion, die sie von den Füßen riss. „Man kann nichts mehr erkennen! Was ist da unten los?“, rief der Ansager. Der Rauch verzog sich und gab ein Bild des Elends frei. Lohgock stand als Einziger und Roserade hatte Drew unter sich begraben. Maike rappelte sich auf und stürzte auf ihn zu, um ihm zu helfen. Mit viel Mühe schaffte sie es, Roserade von ihm wegzuschieben, doch Drew regte sich nicht. Tränen stiegen in ihre Augen. „Drew. Es – es tut mir so leid, das wollte ich nicht!“, schluchzte sie und strich über seine Haare. Eine ihrer Tränen fiel auf sein Gesicht. Warum half ihr denn keiner? Wieso kam niemand? Schließlich legte ihr jemand die Hand auf die Schulter und half ihr auf. Sie nahm es gar nicht mehr richtig wahr. Doch dann hörte sie seine Stimme. „Maike“, hatte er gesagt. Das Mädchen riss sich los und fiel neben Drew auf die Knie. „Ich – habe dich immer geliebt“, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Oh Drew“, sagte sie und schloss ihn in die Arme, „Ich bin so froh, dass du lebst, Liebster.“
Die Schritte des Mädchens hallten in dem Rosengarten wieder, verebbten und machten dem Lied der Zikaden Platz, die sich, kaum hatte die Sonne das Land in ihren rötlichen Schimmer getaucht, dazu entschlossen hatten, die Symphonie der Natur anzustimmen. Das Rauschen des Windes in den Bäumen, den Blumen und Büschen, trieb die Schönheit dazu an, immer schneller zu laufen. Und trotzdem hatte sie das Gefühl, dass es bereits zu spät war.
Selbst die Sonne schien ihr helfen zu wollen. Es kam der Brünette so vor, als würde es unendlich länger dauern, bis sie endlich unterm Horizont verschwand, sie konnte sich nicht daran erinnern, dass es je einen derart langen Sonnenuntergang gegeben hatte. Es war ihr nur Recht. Es war kein langer Weg mehr, doch er zog sich so grotesk, dass Haruka sich langsam fragte, ob sie nicht vielleicht rückwärts lief, anstatt auf das gigantische Schloss zu. Der Gedanke ließ sie nicht los, sodass sie kurz inne hielt, das pfirsichfarbene Kleid losließ und tief durchatmete. Er wird nicht gehen, redete sie sich ein. Er war ein Gentlemen, und seine Art von Jungen ließen ein Mädchen nicht stehen, wenn sie sich um ein, zwei, oder auch fünfundzwanzig Minuten verspätete.
Noch ein tiefer Atemzug fand seinen Weg in ihre Lunge, versorgte sie mit der Kraft, weiter eilen zu können, dann hob sie ihr Kleid erneut hoch und ließ die Landschaft an sich vorbeiziehen. Der Wind begleitete sie auch weiterhin, animierte die Blumen dazu, Haruka ebenfalls zu unterstützen, indem er die Rosen, Lilien und Hyazinthen mit einem leichten Streicheln zum Frohlocken brachte. Der gepflasterte Steinboden unter ihr wurde breiter, ehe er in einem großen Platz endete, für den das Schloss Nocturne bekannt war. Es gab kaum Zeiten, in denen das Terrain leer war, selbst an wichtigen Festtagen fanden einige Paar noch ihre Zeit, sich einen entspannenden Spaziergang durch das Blumenmeer zu gönnen und die Sonne zu genießen. Ein Lächeln schlich sich auf Harukas Gesicht, als sie sich an die alte Sage erinnerte, die von Generation an Generation weitergegeben wurde.
„ Die wahre Liebe finden, hm?“, murmelte sie leicht geistesabwesend. Doch das Lächeln verschwand jäh, als sie sich in der Mitte das Platzes wiederfand, völlig allein. Vereinzelt verließen Paare in prächtigen Kleidern und Anzügen das Schloss, aus dem fröhliche Tanzmusik herausschwebte. Ihr Herz pochte wie wild, als sie sich umdrehte, verunsichert nach demjenigen suchte, wegen dem sie überhaupt hier war. Sie fand ihn nicht, auch, als sie sich zum dritten Mal im Kreis drehte, wütend mit dem Fuß aufstapfte und ihre bitteren Tränen herunterschluckte, die sich ihren Weg in ihre Augen bahnten. Nervös wickelte sie sich eine Strähne ihres gelockten Haare nach der Anderen auf, um sich irgendwie abzulenken.
Er würde sie nicht sitzen lassen, oder? Nein, er war doch ein Gentlemen!
Ihre Gedanken kreisten nur um ihn. Um seine smaragdfarbenen Augen, dem arroganten Blick, seinen mintgrünen Haaren, und dem spöttischen Grinsen, wenn Haruka- mal wieder- etwas verbrochen hatte. Die Finger hatten sich ihren Weg zu ihrem Arm gesucht, der nun feuerrot leuchtete und von Kratzern übersät war. In ihrem Frust hatte sie ihre alte Angewohnheit wieder angenommen, und die salzigen Tränen, die nun aus ihren Augen rannen, schmerzten auf der gereizten Haut.
Was war passiert? Hatte sie ihn doch zu lange warten lassen? Hatte er in seiner typischen, arroganten Art und weiße einfach ein anderes Mädchen verfrüht und mit genommen, damit wenigstens er seinen Spaß hatte?
Haruka schluchzte, wütend über ihn, und wütend über sich selbst. Nur weil sie, von Selbstzweifeln geplagt, gut eine Stunde länger als geplant vor dem Spiegel gestanden hatte, war der schönste Tag ihres Leben ruiniert. Eilig wischte sie die Tränen aus den Augen, die drohten, ihre Unsicherheit der ganzen Welt zu zeigen, hämisch und andauernd, denn egal wie oft sie es versuchte, immer wieder schossen Tränen nach, wie eine unendliche Armee aus kleinen, flüssigen Peinigern, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, sie möglichst armselig dastehen zu lassen.
Als sie die Augen wieder öffnete, erblickte sie ein Meer aus Rosenblättern, direkt vor ihrem Gesicht. Als sich die Sicht wieder geklärt hatte, bemerkte Haruka, dass es nur eine einzelne der Liebesboten war, die ihr vors Gesicht gehalten wurden. Etwas bewegte sich in ihrem Augenwinkel, unfähig sich zu bewegen, vermutlich wegen dem Schock, dass sich jemand an sich herangeschlichen hatte, vielleicht aber auch, weil sie es schlichtweg nicht wagte. Der vertraute Rosenduft, die starke Präsenz, das kleine Seufzen in ihrem Ohr. War das etwa..?
„ Es war ja klar, dass du mich warten lässt.“
Haruka zuckte zusammen. Die Stimme war kaum mehr ein Flüstern, aber doch klar verständlich, und der kleine Hauch bei jedem seiner Atemzüge ließen ihr Herz beinahe aus der Brust springen und jedes noch so kleine Härchen auf ihrer Haut stellte sich auf. Er lachte leicht, zog seinen Arm zurück, der sich seinen Weg um ihren zusammengekauerten Körper gesucht hatte und noch immer die Rose hielt. Haruka war verwirrt. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, seit sie seine Anwesenheit gespürt, das Lachen gehört, und die Rose, sein Markenzeichen, gesehen hatte. Ihr Herz pochte nun nicht nur einfach mehr, es ließ viel mehr Amok und für einen kleinen, aber entscheidenden Augenblick fragte sie sich, was passieren würde, wenn sie nun ohnmächtig würde. Würde sich der Grünhaarige Sorgen machen? Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, und eine Träne in ihre Augen. Unwahrscheinlich. Unmöglich. Jenseits aller Vorstellungskraft.
„Worüber denkst du nach?“
„ Was wohl passieren würde, wenn ich jetzt ohnmächtig werde- ob Shuu sich dann wohl Sorgen macht?“
Ein Lachen riss sie aus ihren Gedanken. Hatte sie gerade tatsächlich das ausgesprochen, was ihr durch den Kopf gefahren war? Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie nun auch noch sein Gesicht, nur minimal von ihrem entfernt, vor sich auftauchen sah. Shuu beugte sich herunter, was nicht sonderlich wunderlich war. Immerhin war der Grünhaarige um einiges gewachsen in der Zeit, in der sie getrennte Wege gegangen waren. Schon bei ihrem ersten Treffen vor gut einer Woche war ihr das aufgefallen. Shuu hatte seine Augen geschlossen und bewegte seine Lippen auffällig langsam, in gleicher Geschwindigkeit sprach er dann, scheinbar als Antwort auf Harukas Frage:
„ Ob er sich Sorgen machen würde? Ganz so herzlos ist sicherlich nicht mal er.“ Das kleine Lachen, welches sich seinen Weg zu ihrem Ohr bahnte, ließ Haruka zusammenzucken. Sie bemerkte den geistesabwesenden Blick in den smaragdenen Augen, die sich auf die meerblauen Seelenspiegel des Mädchens fixiert hatte, und augenblicklich spürte sie einen Riss in dem sonst so unnahbaren Shuu. Wie ein Schloss an einem Käfig, in dem ein schreckliches Geheimniss eingesperrt war, das gerade aufgesprungen war. Das sich nur für sie geöffnet hatte.
Nach einer schier endlosen Dauer schaffte Haruka es, wieder klar denken zu können.
„ Shuu?“ Der Grünhaarige schien perplex, vollkommen aus der Bahn geworfen. Er stotterte etwas Unverständliches, sein sonst so blasser Teint wich einem leichten Rougerot, dem Jungen schien die Situation unangenehm zu sein. Haruka verstand diese Reaktion nicht ganz. Was gerade geschehen war, hatte ihr gezeigt, dass er menschlich war, genauso Makel hatte, wie auch sie, und dass auch der cool Shuu manchmal in Verlegenheit geriet. Sie verspürte trotzdem keine Erleichterung, oder gar Freude. Tiefe Betroffenheit machte sich in ihr breit, sie fühlte sich schuldig dafür, dass er.. Warum fühlte sie sich schuldig? Sie hatten ihm das Gefühl gegeben, dass er herzlos war. War es das? Oder hatte es einen anderen Grund?
„ Träum’ nicht so rum, Haruka.“ Die Stimme ihres Freundes hatte an seiner Intensität und Arroganz wieder zugenommen, ungeduldig klopfte er mit seinem Finger auf seinem Arm, wich dabei aber geschickt Harukas Blicken aus. Der leicht rötliche Ton war trotzdem noch nicht verschwunden.
Haruka eilte, so schnell ihre hohen Schuhe es zuließen, hinter ihm her, völlig außer Atem und verwirrt darüber, dass es ihr zunehmend schlechter ging. Ihr wurde schlecht, und die Sicht verschwamm, immer weiter, bis sie glaubte, nun das Bewusstsein zu verlieren. Traf diese Situation jetzt wirklich ein? Haruka lachte leicht, so leise, dass Shuu, der vor ihr lief, es nur als Randgeräusch zu bemerken schien. Das Atmen wurde schwerer, das Herz schlug langsamer, die Erde schien sie zu sich ziehen zu wollen und ihr Bewusstsein schwang weiterhin mit jeder Sekunde. Die Schwärze lockte sie in ihren Bann, verführte den Geist der Braunhaarigen, sagte ihr, dass es so gut wäre. Das Mädchen lächelte schwach, als sie Shuus Gesicht vor sich entdeckte, die smaragdenen Augen, der unsichere Blick, die Lippen die sich bewegten. Er sprach, doch verstand sie kein Wort, und weiterhin verschwamm die Sicht, der Gesichtsausdruck des Jungen wurde ernster, schon fast panisch, und jetzt drang ein Geräusch an ihr Ohr, wie das Rauschen des Meeres, nur viel dumpfer und drohender. Und plötzlich war das Schwindelgefühl fort. Haruka riss die Augen auf, reflexartig, als sie etwas spürte. Shuu hatte sich zu ihr herunter gebeugt und seine Lippen auf die ihren gelegt. Tränen fielen auf Harukas Gesicht, verwirrt erstarrte sie. Weinte Shuu etwa? Als er sein Gesicht wieder anhob, legte sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen, ehe er Haruka in seine Arme schloss und ihr ins Ohr flüsterte:“ Muss man dir immer erst alles klipp und klar sagen? Ich liebe dich, verdammt. Das ist der Grund, warum dir nichts passieren darf.“