Federkleid - Im Nebel (28.09.14)

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  • Hui, wieder eine neue Geschichte, da muss ich doch gleich kommentieren :D Eine Liebesgeschichte soll es sein, und ganz ohne Stilmittel? Nein, das geht nicht, und ich sage dir, ich habe sogar welche gefunden ^___^
    Eine Liebesgeschichte über Regenschirme. Als Erstes kommt einem nun der Gedanke, dass zwei Regenschirme sich ineinander verlieben und du aus der ganzen Geschichte eine riesige Personifikation machst, in der Gegenstände leben und genau wie Tiere sprechen können. Aber, wie ich das bereits von deinen Werken kenne, kam es natürlich anders, als ich es erwartete, und es handelte doch tatsächlich von der Spezies Mensch.

    Er flog ungeschickt, ungelenk, landete kurz am Boden um dann seine Reise direkt weiter fortzusetzen. Der Wind spielte sprichwörtlich mit ihm. Lies (Ließ) ihn mal nach links und mal nach rechts gleiten. Gelegentlich ließ er ihn einen Salto machen oder senkrecht nach oben steigen. Als ihm plötzlich jemand sein Spielzeug wegnahm.


    Mir gefällt es, dass du hier so kurze Sätze hintereinander bildest (nennt man das nicht auch parataktisch?). Das verdeutlicht die Unruhe, die bei dem Unwetter draußen herrscht, der Unfrieden, das Durcheinander, das der Wind dort stiftet und gleichzeitig die Willkür, die in seinen Taten liegt. Ich mein, du beschreibst ja selbst, dass er den Regenschirm ma so und ma anders tanzen lässt, wie es ihm gerade beliebt und damit greifst du prinzipiell genau das auf, was auch die wichtigste Eigenschaft an miesem Wetter bzw am Wind ist. Nämlich, dass er unberechenbar ist und man nie weiß, wie seine nächsten Vorhaben aussehen. Zuvor gefällt mir auch, dass du Bezug auf das Fernsehsignal nimmst, dadurch kann sich der Leser noch besser in die Lage des Erzählers hinein versetzen. Denn wer kennt es nicht? Gerade läuft ein spannender Film im TV, der Höhepunkt des gesamten Handlungsstranges und dann macht einem das Wetter einen Strich durch die Rechnung -__- Mir fällt auf, jetzt, da ich das so schreibe, dass bei einem Großteil deiner Geschichten etwas sehr Persönliches mitspielt, eine gewisse Subjektivität, Eigenempfinden. Vielleicht ist es gerade das, was mich dabei so fasziniert und mich wirklich mit Begeisterung dazu verleitet, deine Werke zu lesen und zu kommentieren, wer weiß. Auf jeden Fall finde ich es erstaunlich und wirklich außerordentlich, wie es dir gelingt, den Leser auf deine ganz eigene Art und Weise anzusprechen, ihn in seine Sichtweise zu verleiten und dennoch eine unterhaltsame und keineswegs langweilige Geschichte zu liefern. Bravo, ehrlich :>
    Aber weiter im Text.

    Ihre Haare tropften (troffen?) nass von der Stirn und die durch und durch feuchte Jacke flatterte um ihren Körper. Sie sah den Mann und die Überbleibsel ihres Schirms in seiner Linken. Sogleich kam sie zu ihm um ihm den Leichnam des tapferen Soldaten abzunehmen. Alle vier flüchteten sich unter einen nahen Pavillon, hinaus aus meinem Blickfeld.

    Bei dem "tropfen" und meiner Verbesserung bin ich mir zugegebenermaßen unsicher, da erscheinen mir beide Worte irgendwie sinnfremd. Also bleibt es dir ma überlassen, wie du es machst, ich geb nur meine Meinung ab ~ Genial finde ich die Sache mit dem "Leichnam des tapferen Soldaten". Ich bin von dieser Personifikation so dermaßen begeistert, schlichtweg, weil sie dir im Bezug auf einen Regenschirm eingefallen ist, den man im Grunde niemals so bezeichnen würde, ich zumindest nicht :D Du siehst hier die Personen, sowie die Regenschirme wahrhaft als Individuen an, wie man dem letzten Satz des Zitates ja auch entnehmen kann. Und natürlich weiß man, dass Schirme an sich nicht flüchten können, es sei denn, es wurde von Kräften wie dem Wind veranlasst :> Spontan würde ich sagen, du hättest in dem Augenblick, als die Frau den Regenschirm wieder an sich nimmt, noch ihre Mimik beschreiben können, und vorher einfach ganz pauschal ihre Haarfarbe, wäre ja lediglich ein einziges Adjektiv und würde nicht so viel an deiner Geschichte verändern. Einfach nur, ob sie erleichtert war, traurig, ob sie vielleicht sacht gelächelt hat, etwas in der Richtung. Bei dem Mann dasselbe. Wieso sollte man einen solchen Regenschirm denn festhalten? Hat er die Frau schon vorher gesehen oder tut er sowas immer, wenn er verlorene Gegenstände entdeckt? Zum besseren Verständnis wäre das als Ergänzung nicht schlecht gewesen.
    Und so langsam wird mir auch klar, wieso du zwischen einer Liebesgeschichte zwischen Regenschirmen (wie oft hab ich das schon geschrieben? xD) sprichst, naja, teilweise. Du verleihst ihnen ja beinahe wirklich eine eigene Persönlichkeit, so, wie du sie hier beschreibst, als wohnte ihnen Leben inne, als wären sie in der Lage, zu gehen, fast zu denken. Von dieser Perspektive habe ich derartige Gegenstände noch nie betrachtet und ich finde es toll, dass du diese Sichtweise in deiner Geschichte aufgreifst. Von daher kann ich nicht behaupten, das sei dein schlechtestes Werk bisher. Nun, es behandelt keine Problemsituation, wie es normalerweise in Kurzgeschichten der Fall ist, doch deine Geschichten verfügen allgemein über etwas Interessantes. Es liest sich locker, leicht und es handelt sich eigentlich jedes Ma um Alltagsszenen. Sprich man fühlt sich allein schon durch das Thema angesprochen. Ob nun alle Kriterien erfüllt sind oder nicht, Herrgott, eine Geschichte kann doch trotzdem gut sein :o Mach dir da nicht so viele Gedanken ^____^
    Du greifst am Ende nochma den nächsten Tag auf, um die Geschichte zu einem hier erst angedeuteten Ende zu führen. Denn da sind sie ja noch nicht wirklich zusammen, hm? Das sagst du ja wirklich explizit erst im nächsten Abschnitt und das ist imo auch gut so. Bei der Situation, in der die Frau so lacht, kann man sich ja noch einige Gedanken dazu machen. Man könnte sich fragen, wie lange es gedauert hat, bis sie zusammen kamen oder wieso sie durch so einen beinahe banalen Zwischenfall dann letztlich zueinander gefunden haben. Man sagt ja, sowas passiert einfach, ohne sonstige Einflüsse, dennoch erscheint es mir nach wie vor etwas unwahrscheinlich. Dies ist aber gar nicht schlimm, deshalb macht man sich ja Gedanken dazu x) Und irgendwie ist dein Szenario da ja schon süß, sie wären sich voraussichtlich nie begegnet, hätte er nicht den Regenschirm festgehalten... und so entscheidet eine kleine, vielleicht im Affekt oder unbewusst getätigte Handlung über den Werdegang der Gefühle ^___^
    Insgesamt kann ich also sagen, dass mich auch dieses Werk wieder begeistert hat. Zugegeben, die Kriterien waren nicht erfüllt, aber es tut auch gut, manchmal eine erheiternde Geschichte zu lesen, anstatt ständig diese zum Negativen tendierenden Kurzgeschichten, wie es ja in der Regel der Fall ist. Mach bitte weiter so, Rechtschreibung und Formulierungen wie immer top, ich habe auch in meinem Kommentar ja kaum meckern können :> Das Einzige, was mich stört, ist, dass mein Kommentar dadurch so kurz ist ~


    LG


    Schattenseele ~

  • Heute folgt mal etwas besonderes. Kennt ihr diese Geschichten bei denen man selbst bestimmen muss, was man als nächstest tut?
    Genau das habe ich hier für euch. Darin steckt eine Menge Arbeit, ich Hoffe es hat alle von der Logik hingehauen. AM Ende eines jeden Abschnitt findet ihr Zwei Zahlen. Die Erste gibt die Nummer des nächsten Tabs an, die zweite die des entsprechenden Subtabs.
    Bei 2.1 müsst ihr also in Tab 2, Subtab 1 weiterlesen.
    Viel Spaß. :)



    Allein im Labyrinth?
    [tabmenu][tab=1][subtab=1]
    Du öffnest deine Augen. Alles ist verschwommen, der Raum in dem du dich befindest ist düster und nur mit Mühe kannst du Dinge erkennen. Du stellst fest, dass du deine Brille verloren haben musst. Behutsam tastest du mit den Händen am Boden entlang. Er ist feucht und kalt. Sind das Glasscherben? ‚Hoffentlich nicht von der Brille‘, denkst du und tastest weiter. Schließlich bekommst du etwas zu fassen, was sich wie der Bügel einer Brille anfühlt. Es ist der Bügel einer Brille. Deiner Brille. Du setzt sie auf die Nase. Das ist besser. Mühsam richtest du deinen Körper nach oben, Schmerzen fahren durch all‘ deine Glieder. Was war nur passiert? Beim Betasten deines Körpers entdeckst du eine dicke Beule am Hinterkopf. War sie der Grund für deine Ohnmacht? Du weißt es nicht, du willst es auch gar nicht wissen, vielmehr willst du wissen wo du bist. Du beginnst den Raum mit den Augen abzusuchen. Er ist sehr hoch und außerhalb deiner Reichweite entdeckst du ein schmales, vergittertes Fenster. Draußen scheint es Nacht zu sein, denn nur sehr wenig Licht dringt hindurch. Weitersuchend fallen dir ein Lüftungsschacht, eine schwere Tür ohne Knauf, und ein Stapel Holzpaletten in der Ecke auf. Am Boden liegt eine zerbrochene Licher Flasche herum und ein etwa 50cm langes Stück metallene Leiste.


    Was wirst du tun?
    >>Versuchen durch die Tür zu fliehen (1.2)
    >>Versuchen durch den Lüftungsschacht zu fliehen (2.1)
    >>Nichts (4.1)


    [subtab=2]
    Mit der Metallleiste könnte man versuchen die Türe zu öffnen. Du nimmst sie auf. Sie ist kalt und staubig. Beim Näherkommen an die Tür entdeckst du, dass sie tatsächlich nicht verschlossen wurde, du sie also ganz leicht aufhebeln könntest. Du steckst das Metall zwischen Rahmen und Tür und versuchst den Schieber zurückzudrücken. Nach ein paar Versuchen gelingt es dir tatsächlich, quietschend öffnet sich die Tür. Du siehst einen langen Gang, die Deckenbeleuchtung ist ausgeschaltet und alles ist bedeckt von einer Schicht aus Schmutz und Staub. In der Luft hängt ein modriger Geruch. Mit klopfenden Herzen betrittst du den Flur, deine rechte Hand, die das Metallstück fest umklammert ist verschwitzt und warm. Auch wenn du versuchst so leise wie möglich zu sein, hallen deine Schritte von den Wänden zurück und verstärken dein Unbehagen. Wer auch immer dich hier eingesperrt hatte, will gewiss nicht, dass du fliehst. Zu deiner Rechten entdeckst du eine Tür, sie gleicht der Tür, die du eben geöffnet hast, mit dem Unterschied, dass diese einen Griff hat.


    Was wirst du tun?
    >>Versuchen die Tür zu öffnen(1.3)
    >>Weitergehen(1.4)


    [subtab=3]
    Du näherst dich der Tür und lauschst. Nichts zu hören. Langsam und vorsichtig legst du deine Hand auf den Griff. Dein Herz setzt einen Schlag aus als du ihn nach unten drückst. Nichts passiert, die Tür ist verschlossen. Fast schon erleichtert atmest du aus. Du siehst die Metallleiste in deiner Hand und fragst dich, ob sie dir nicht erneut helfen könnte aus einer geschlossenen Tür eine geöffnete zu machen.
    Doch ein genauerer Blick zeigt dir, dass diese Tür abgeschlossen ist und nach mehreren Versuchen musst du einsehen, dass sich das auch nicht ändern lassen wird.
    Du entschließt dich weiterzugehen.


    Lies weiter bei 1.4


    [subtab=4]
    Langsam gewöhnst du dich an den Geruch und das Licht. Du kannst schon etwas weiter schauen, weit hinten entdeckst du eine gläserne Tür. Könnte das der Ausgang sein? Falls es überhaupt möglich ist, schlägt dein Herz jetzt noch schneller. Du hältst auf den vermeintlichen Ausgang zu und erkennst, dass es tatsächlich einer ist. Bald würdest du frei sein, bald könntest du dieses Gebäude hier zurücklassen.
    Plötzlich siehst du neben dir eine weitere Tür, eine Bürotür. Durch das Fenster kannst du zwei Schatten sehen. Du bist also nicht alleine.


    Was wirst du tun?
    >>Zum Ausgang gehen (1.5)
    >>An der Tür lauschen (1.6)


    [subtab=5]
    An der Ausgangstür angekommen, machst du eine ernüchternde Entdeckung: Sie ist Verschlossen. Weder Drücken noch Ziehen hilft, sie harrt an ihrem Ort. Die letzte Wand, die dich von der Freiheit trennt, sie lässt sich nicht überwinden. Du untersuchst das Glas, vielleicht konnte man es ja mit der Metallleiste irgendwie zum Zerbersten bringen. Doch schnell siehst du ein, dass es keinen Zweck haben würde, das Glas ist zu dick.
    Plötzlich hörst du ein Klicken von hinten. Panikartig drehst du dich um, und siehst die Bürotür quietschend aufgehen. Zwei Männer treten auf den Flur. Als sie dich sehen verfinstern sich ihre Gesichter und in der Panik in der du dich befindest schaffst du es nicht irgendein Versteck zu entdecken.
    Sie gehen auf dich zu und drängen dich an die Wand. Der eine ist groß und breit wie ein Schrank, der Andere eher schmächtig, mit einem Spitzbart.
    „Ich denke“, die Stimme des Schranks klingt bedrohlich und schwer „du hast genug gesehen“
    Blitzschnell hebt er eine Pistole, dir bleibt nicht einmal mehr Zeit für einen Entsetzensschrei, da ertönt schon der Knall.
    Kurz durchzuckt dich ein ungeheurer Schmerz am Kopf, dann ist alles still. Für immer still.



    [subtab=6]
    Dumpf dringen die Stimmen an dein Ohr. Du hockst dich vor die Tür und hältst den Atem an. Wieder ist da dein verflixtes Herz, es schlägt so laut, dass du Angst hast, man könnte es drinnen hören.
    Da! Wieder sagt einer der Männer etwas:
    „Umbringen?! Bist du verrückt. Wir stecken so schon tief genug in der Scheiße, da ist ein Mord nicht unbedingt das was ich am liebsten tun würde.“
    „Entweder Mord oder du landest wegen dieser ‚Scheißer‘ im Kittchen. Alter wir sitzen auf ‚ner Millionen willst du, dass so ein Gör uns das alles zerstört?“
    Natürlich! Ein paar Erinnerungen erreichten deinen Verstand. Du hattest auf dem Weg nach Hause mit dem Fahrrad einen Wagen entdeckt, der am Straßenrand stand. Die Motorhaube war total zerstört gewesen. Als du nach Unfallopfern gesucht hattest musstest du einen Schlag oder so abbekommen haben. Daher also die Beule…
    „Noch sitzen wir auf gar nichts, außer auf ‘ner Menge Koks. Wenn man das bei uns findet sind wir schon dran. Sobald wir das aber los sind können uns die Bullen gar nichts mehr… es sei denn wir bringen wen um. Ist das klar?!“
    „Aber unsere Gesichter!“
    „Nichts unsere Gesichter, du hast von hinten zugeschlagen schon vergessen? Lass uns einfach das Zeug zu Geld machen und gut ist. Irgendjemand wird das Balg schon finden bevor‘s verreckt und bis dahin sind wir über alle Berge“
    Was ist das?! Irgendwas kitzelt in deiner Nase. ‚Jetzt bloß nicht niesen‘, denkst du doch zu spät.
    Das laute ‚Hatschi‘ schallt von den Wänden um dich rum zurück, unmöglich, dass die Gangster das überhört haben. Du springst auf und rennst auf den Ausgang zu, hinter dir hörst du es Poltern und direkt danach eine Tür sich öffnen.
    Schwere Schritte ertönen und ein „Halt! Bleib sofort stehen!“.
    Plötzlich hörst du einen Schuss und alles um dich rum wird still. Wie in Zeitlupe siehst du dich auf die Tür zu rennen, Schritt für Schritt, Meter für Meter. Langsam wird plötzlich deine rechte Wange warm, du siehst etwas Goldenes knapp an deinem Gesicht vorbei fliegen. Es fliegt schnell, zumindest so schnell, wie es in Zeitlupe eben möglich ist. Es erreicht ein Fenster der Tür nach draußen.
    Plötzlich ist alles wieder da. Dir wird bewusst, dass dich der Schuss verfehlt hat und vor dir fliegen die Scherben der Türe auf den Boden.
    Ohne lang zu überlegen machst du einen riesen Satz, du springst durch das nun offene Fenster, mit beiden Händen drückst du dich am Rahmen ab. Irgendetwas in deinem Hinterkopf sagt dir, dass sich gerade die Überreste der Scheibe in dein Fleisch bohren, doch du spürst keinen Schmerz. Dann erreichen deine Füße den Boden auf der anderen Seite. Der Kies knirscht unter deinen Turnschuhen und er wird immer lauter, je schneller du rennst. Schließlich erreichst du geteerten Boden, doch du rennst weiter, traust dich nicht, dich umzusehen. Immer weiter rennst du, die Straßen der Stadt entlang. Nur wenig Menschen sind unterwegs, niemand, hinter dem du dich verstecken könntest.
    Erst als du das Gefühl hast, deine Lunge würde dir gleich aus dem Mund fallen verlangsamst du deine Schritte. Bleibst stehen. Drehst dich um.
    Die Männer sind weg. Du bist frei.


    [tab=2]
    [subtab=1]
    Mit den Holzpaletten könnte man eventuell an den Lüftungsschacht rankommen. Vorsichtig stapelst du sie aufeinander. Nachdem du dir sicher bist, dass das Konstrukt bei den richtigen Bewegungen nicht zusammenstürzen würde kletterst du herauf. Von oben kannst du aus dem Fenster blicken doch mehr als die Oberseite einer Mauer kannst du nicht erkennen. Das Gitter lässt sich überraschend leicht aus dem Lüftungsschacht nehmen, doch anstatt es nach unten zu werfen lehnst du es seitlich in den Schacht hinein. Das war sicherer, eine plötzliche Wurfbewegung könnte die Paletten zum Einsturz bringen. Mit beiden Händen stützt du dich am Rahmen des Lüftungsschachtes ab und drückst dich nach oben. Nach kurzem Abmühen befindest du dich im Schacht.
    Die Luft ist stickig und das Atmen fällt dir schwer. Vorsichtig kriechst du voran, in dem kaum vorhandenen Licht kannst du nichts erkennen. Du versuchst so wenig Lärm wie möglich zu machen, und stellst fest, dass dies am besten funktioniert, wenn du dich flach auf den Boden legst, die flachen Handflächen vor dich legst und dich nach vorne ziehst.
    Plötzlich stößt du an eine Wand. Kann das sein? Kann ein Lüftungsschacht einfach so zu Ende sein? Erleichtert stellst du fest, dass es sich lediglich um eine Abzweigung handelt. Ein Gang führt nach links, der Andere nach rechts.


    Was wirst du tun?
    >>Linker Gang (2.2)
    >>Rechter Gang (3.1)


    [subtab=2]
    Vorsichtig ziehst du dich weiter. Irgendwann fängst du an Konturen zu erkennen. Wird das Licht mehr oder gewöhnen sich deine Augen bloß an das Dunkle? Du weißt es nicht.
    Der Gang macht noch zwei weitere Biegungen aber du kommst an keiner Kreuzung mehr vorbei. Schließlich liegst du vor einem Ventilator. Er steht still, dennoch siehst du keine Chance an den Rotorblättern vorbei zu kommen, zu schmal ist der Spalt. Dahinter siehst du Bäume und vor ihnen kannst du gerade so noch das Ende einer Mauer erkennen. Du könntest versuchen den Ventilator rauszuschlagen, aber das würde Lärm bedeuten.


    Was wirst du tun?
    >>Versuchen den Ventilator herauszuschlagen (2.3)
    >>Umdrehen und nach einem anderen Weg suchen (2.6)


    [subtab=3]
    Du holst aus und schlägst mit der Seite deiner Faust fest gegen den Ventilator. Er erzittert leicht doch bleibt hängen. Mit dem bisschen Licht von draußen schaust du dir die Aufhängung an. Sie sehen nicht allzu robust aus, ein paar Fußtritte, platziert an den richtigen Stellen könnten helfen sie herauszuschlagen. Mühsam drehst du dich in dem Schacht um. Schließlich liegst du mit den Beinen zum Ventilator. Auf dem Rücken liegend schaust du nach vorne und trittst feste gegen die Aufhängung, zwei waagerechte Metallstreben.
    Tatsächlich verbiegt sich die eine ein Stück weit. Ermutigt von diesem Teilerfolg trittst du weiter. Schließlich löst sich die rechte Querstrebe von der Wand des Lüftungsschachts und der Rotor hängt nur noch an der Linken. Mit dem Fuß biegst du den Rotor zur Seite und robbst schließlich in Richtung Freiheit.
    Du springst nach draußen und landest auf einem Kiesgelände. Offenbar ist das hinter dir eine alte Fabrik.


    Was wirst du tun?
    >>Fliehen (2.4)
    >>Das Gelände untersuchen (2.5)


    [subtab=4]Du bist frei.
    [subtab=5]
    Du läufst um das Gebäude herum. Es scheint sich um eine alte Molkerei zu handeln. Die Eingangstür ist verschlossen, außerhalb kannst du nichts Auffälliges entdecken. Du beschließt zu gehen.
    Du bist frei.
    [subtab=6]
    Rückwärts kriechst du zurück. Innerlich fluchend, dass du die falsche Abzweigung genommen hast. An den Biegungen brauchst du länger zum durchkriechen, rückwärts ist das Ganze wesentlich schwerer. Und vor Allem: Lauter.
    Endlich kommst du an die Abzweigung.
    Wieder hast du die Wahl.


    Was wirst du tun?
    >>Wieder in die Kammer vom Anfang gehen (2.7)
    >>Den anderen Lüftungsschacht nehmen (3.1)


    [subtab=7]
    Du wendest dich an der Abzweigung und hältst nun mit dem Gesicht nach vorne auf den Ausgang des Lüftungsschachtes zu. Bei der Kammer angekommen purzelst du mit dem Kopf voran herein. Außer ein paar Abschürfungen und einem Splitter im linken Daumen ziehst du dir glücklicherweise keine weiteren Verletzungen zu.
    Du siehst dich nach einer Möglichkeit um die Tür zu öffnen.


    Lies weiter bei 1.2


    [tab=3]
    [subtab=1]
    Du schleichst weiter, ziehst dich durch den Gang. Das Atmen fällt dir schwer und mit jedem anstrengenden Zug über den Boden lassen deine Kräfte nach. Doch gepackt vom Überlebenswillen zeihst du dich weiter.
    Plötzlich setzt sich Staub in deine Lunge, nur mit Mühe unterdrückst du einen Hustenanfall. Langsam ziehst du dich weiter, jetzt nur noch durch die Nase atmend. Irgendwann hast du mal gehört, die Nase würde die Luft, die man einatmet reinigen.
    Plötzlich siehst du etwas weiter weg von dir ein Gitter von dem Licht nach oben scheint.
    Neugierig näherst du dich.
    Unterhalb des Gitters sitzen zwei Männer.
    Du siehst nur ihre Köpfe, der eine bedeckt mit tief schwarzem Haar, der andere kahl.
    „Umbringen?! Bist du verrückt. Wir stecken so schon tief genug in der Scheiße, da ist ein Mord nicht unbedingt das was ich am liebsten tun würde.“
    „Entweder Mord oder du landest wegen dieser ‚Scheißer‘ im Kittchen. Alter wir sitzen auf ‚ner Millionen willst du, dass so ein Gör uns das alles zerstört?“
    Natürlich! Ein paar Erinnerungen erreichten deinen Verstand. Du hattest auf dem Weg nach Hause mit dem Fahrrad einen Wagen entdeckt, der am Straßenrand stand. Die Motorhaube war total zerstört gewesen. Als du nach Unfallopfern gesucht hattest musstest du einen Schlag oder so abbekommen haben. Daher also die Beule…
    „Noch sitzen wir auf gar nichts, außer auf ‘ner Menge Koks. Wenn man das bei uns findet sind wir schon dran. Sobald wir das aber los sind können uns die Bullen gar nichts mehr… es sei denn wir bringen wen um. Ist das klar?!“
    „Aber unsere Gesichter!“
    „Nichts unsere Gesichter, du hast von hinten zugeschlagen schon vergessen? Lass uns einfach das Zeug zu Geld machen und gut ist. Irgendjemand wird das Balg schon finden bevor‘s verreckt und bis dahin sind wir über alle Berge“
    Plötzlich meldet sich wieder dein Hustenreiz. Dieses Mal schaffst du es nicht ihn komplett zu unterdrücken.
    „Was war das?!“
    „Da ist jemand im Lüftungsschacht!“ hörst du die Männer rufen.
    Zwei Knalle ertönen und plötzlich schießt direkt vor dir etwas durch den Lüftungsschacht. Noch bevor du erschrecken kannst spürst du auf einmal einen stechenden Schmerz im Herzen. Du schnappst nach Luft. Vergebens. Dein Herz setzt zu einem letzten Rennen an. Dein Kopf fällt auf den Boden des Lüftungsschachts und das Bild vor deinen Augen verschwimmt.
    Dann ist alles still. Für immer still.



    [tab=4]
    [subtab=1]
    Du bleibst in dem Raum. Noch immer fühlst du dich müde, alles tut weh. Schließlich fällst du in einen unruhigen Schlaf. Ein paar Mal wirst du für wenige Minuten wach, es kommt dir vor als würde jemand auf den Fluren vor der Tür herumlaufen. Doch du weißt nicht ob du träumst oder ob es die Realität ist und nickst sofort wieder ein. Wirklich wach bist du erst als das Morgenlicht durch das schmale Fenster scheint.
    Wieder stehst du vor einer Entscheidung.


    Was wirst du tun?
    >>Weiter warten (4.2)
    >>Versuchen durch die Tür zu fliehen (5.1)
    >>Versuchen durch den Lüftungsschacht zu fliehen (5.2)


    [subtab=2]
    Der Tag verstreicht und bis auf den Vogelgesang von draußen ist alles still. Du wirst durstig und auch dein Hunger meldet sich. Bis auf die zerbrochene Glasflasche siehst du nichts im Raum was annähernd an Essen erinnert und so wirst wohl oder über noch weiter hungern müssen.
    Mittlerweile ist es wieder Abend geworden und noch immer keine Aussicht auf Rettung.


    Was wirst du tun?
    >>Weiter warten (4.3)
    >>Versuchen durch die Tür zu fliehen (5.1)
    >>Versuchen durch den Lüftungsschacht zu fliehen (5.2)


    [subtab=3]
    Die Nacht bringt keinen Schlaf für dich, zu groß ist der Hunger, der dich quält. Du läufst im Raum auf und ab, wie eine Ratte in ihrem Käfig und weißt nicht, wie lange du noch ohne Nahrung durchhalten wirst.


    Was wirst du tun?
    >>Weiter warten (4.4)
    >>Versuchen durch die Tür zu fliehen (5.1)
    >>Versuchen durch den Lüftungsschacht zu fliehen (5.2)

    [subtab=4]
    Du erlebst den nächsten Morgen nicht. Du bist still. Für immer still.



    [tab=5]
    [subtab=1]
    Dir fällt die Metallleiste wieder ins Auge. Mit ihr könnte man versuchen die Tür zu öffnen. Du nimmst sie in die Hand und näherst dich der Tür. Tatsächlich stellt das Schloss keine große Herausforderung dar, da nicht abgeschlossen wurde. Du steckt das Metall zwischen Rahmen und Tür und hebelst dir den Ausgang auf.
    Vor dir liegt ein langer Gang. Während dein Magen grummelt läufst du ihn entlang. Alle Türen, die du siehst sind verschlossen.
    Da entdeckst du die Tür nach Draußen. Freudestrahlend läufst du auf sie zu, vergisst jede Vorsicht. Doch als du sie erreichst stellst du fest: Sie ist verschlossen.
    Das Glas ist zu dick um es mit der Leiste zu zerstören.
    Enttäuscht drehst du dich um. Da stehst du so kurz vor dem Ausgang und kommst dennoch nicht nach draußen.
    Du lauschst. Du hörst nichts und auch von draußen klingen keine Geräusche herein.
    Entmutigt lässt du dich an der Tür nach unten sinken. Dein Magen teilt dir mit, dass wenn du nicht bald eine Lösung findest, dies hier dein Grab werden wird. Da fällt dir eine große massive Eisenstange auf, die am Rand des Gangs liegt.


    Was wirst du tun?
    >>Mit der Stange die Scheibe der Eingangstür zerstören (5.3)
    >>Nichts (4.4)


    [subtab=2]
    Mit den Holzpaletten könnte man versuchen an den Lüftungsschacht heran zukommen. Du stapelst sie aufeinander und schaffst es so tatsächlich an den Schacht zu erreichen. Du rüttelst an der Abdeckung: Ohne Erfolg.
    Das Gitter sitzt bombenfest und beim näheren Hinsehen erkennst du, dass es an allen vieren Ecken mit je vier Schrauben fest an die Wand gehängt ist. Keine Chance es von ihr zu trennen.
    Damit bleibt dir dann nur noch die Türe als Fluchtmöglichkeit.


    Lies weiter bei 5.1


    [subtab=3]
    Die Stange fühlt sich schwer in deiner Hand an. Sie könnte ausreichen. Du holst aus und lässt sie mit voller Wucht auf das Glas donnern. Risse bilden sich in dem Glas. Erneut packst du die Stange mit beiden Händen. Unter einem lauten Klirren rast sie durch die zerberstende Scheibe.
    Die Freiheit liegt vor dir. Vorsichtig kletterst du heraus, passt auf, dass du dich nicht schneidest.
    Dann treten deine Turnschuhe auf den Kiesplatz außerhalb.
    Du bist frei.
    [/tabmenu]


    10.07.12. & 11.07.12

  • Wow, das finde ich ma eine interessante Idee :D Hab mich schon gewundert, was das "Interaktiv" da zu suchen hatte, hat mich ein wenig irritiert x3 Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn mein Kommentar diesma nicht allzu lang ausfällt, denn ich habe dergleichen noch niemals kommentiert ^^" Und ich werde wohl auch recht allgemein bleiben. Ach ja, bei 2.4 war ich frei :D
    Allein die Idee finde ich sehr originell und die Umsetzung auch recht gelungen, dafür, dass es dein erstes Ma zu sein scheint. Ich mag Geschichten aus der Du-Perspektive und bin jedes Ma erneut gespannt, was der Autor mir dort als Begebenheiten und Möglichkeiten präsentiert. Für mich ist das fast aufregender als jede noch so gefühlvolle Erzählung aus Ich- oder allwissender Perspektive, schlichtweg, weil man sich direkt angesprochen fühlt, die Situation noch hautnäher erlebt. Zumindest erachte ich das so x3 Und man weiß ja gar nicht, wie es im nächsten Abschnitt weitergeht, was zusätzliche Spannung erzeugt. Ach, und selbst wenn es nebensächlich erscheint: Schön, dass du ein Tabmenu verwendet hast, das erleichtert die Sache um einiges :>
    Wie gesagt, als "Moderator" sag ich ma hast du deine Aufgabe in der Geschichte relativ gut gemeistert. Eine Grundproblemstellung ist sichtbar vorhanden, nämlich dass man irgendwie wieder in die Freiheit gelangt. Wie und womit hängt ja von einem selbst ab und ich muss zugeben, bei einigem musste ich wirklich länger überlegen, was ich täte. Solch einer Lage hat sich ein Großteil bestimmt noch nie gegenüber gesehen, man muss sich ja wirklich stark in die Geschichte eindenken und dazu noch seine eigenen Eigenschaften und Charakteristika berücksichtigen, wenn man weiterkommen möchte. Ich denke, in der Realität würde ich mich sogar anders entscheiden, als ich es jetzt getan habe. Beispielsweise habe ich mich gegen das Erkunden des Geländes entschieden. In echt... ich könnte mir vorstellen, dass ich es erstma ein wenig absuchen würde, vllt sind da ja noch andere Personen, denen man helfen kann. Und dazu habe ich gleich eine Frage: Ist da direkt der Ausgang von dem Fabrikgelände? Weil sonst müsste man ja theoretisch automatisch seine Umgebung erkunden, um den Ausgang zu finden, oder nicht? Wär so das Einzige, was mir bei meinem Weg aufgefallen ist :3
    Kritik... nun ja, an manchen Stellen hätte ich mir genauere Beschreibungen gewünscht, einfach, weil man ja dem Leser dennoch jede Kleinigkeit schildern muss/sollte. Beispielsweise direkt am Anfang, bei der Startsituation wäre ein wenig mehr Gefühl durchaus von Vorteil gewesen. Wie man sich fühlt, vllt etwas schwindelig, Kopfschmerzen, und auch bei den Emotionen. Ich meine, man bleibt ja nicht einfach ruhig, wenn man sich in einem fremden Gebäude wiederfindet, allein, eingeschlossen, oder? Unter Umständen hat man sich ja auch an den Scherben geschnitten und nun eine kleine Verletzung, und ist es in dem Raum warm, kalt, diesig? Diese Chose hätte man noch gut mit einbringen können, um dem Ganzen etwas mehr Tiefe zu verleihen, bei den anderen Tabs - zumindest bei denen, die ich gelesen habe - ebenfalls. Aber das wäre das Einzige, was ich so auszusetzen habe.
    Ansonsten kann ich mich nicht beklagen. Auf jeden Fall eine tolle Idee und es hat mir in der Tat sehr viel Spaß gemacht ^___^ Großes Lob also an dich, deine Mühe hat sich gelohnt :> Und man musste diesma nicht ganz so viel interpretieren wie bei deinen anderen Werken, sondern sich einfach von dir anleiten lassen ~

    LG

    Schattenseele ~

  • [Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/user/130408/r32f9lik.png]Und wieder folgt nach einer längeren Pause ein Update. Erneut handelt es sich erneut um eine Kurzgeschichte. Entstanden ist sie zu Teilen am Computer, zu anderen Teilen auf einem College Block während dem Englischunterricht. Der Titel ist angelehnt an das Album All We Know Is Falling von Paramore. Warum? - weil ich die Band mag, tieferen Sinn gibt es da dieses Mal wirklich nicht. ;)
    Wie dem auch sei, viel Spaß:


    All I know is falling


    Es heißt, Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, ihr gesamtes Leben noch einmal an sich vorbei laufen sehen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt nicht. Zum Glück nicht. Würde mich direkt dazu veranlassen, ein weiteres Mal zu springen, wenn es denn möglich wäre. Doch ist es das nicht, ich befinde mich bereits im freien Fall. Wie viele Meter sind es wohl? Ich habe ein schlechtes Augenmaß, aber kennt ihr das Commerzbank Gebäude in Frankfurt? Dieser riesige Wolkenkratzer, den man sieht, wenn man direkt aus dem Bahnhof kommt? Nun etwa so hoch sah es von oben aus, als ich vor ein paar Sekunden noch am Rand des Daches stand. Vermutlich habe ich mich getäuscht… das habe ich mich oft. Ge- und Enttäuscht.


    Es war damals im Kindergarten, etwa ein Jahr vor meiner Einschulung… glaube ich. Im Sandkasten hatte ich grüne Smarties gefunden. Schnell stopfte ich mir eines in den Mund, ich freute mich riesig, dass ich etwas gefunden hatte, ganz für mich allein. Doch plötzlich kam Frau Elbe angerannt und sah, was ich in der Hand hielt. Sie wurde ganz blass und befahl mir sofort, alle Smarties fallen zu lassen. Ich wusste nicht warum, sie schmeckten doch gut. Ein bisschen sandig, aber gut. Dann wurde mir schwarz vor Augen, ich kippte um und alles ward dunkel. Erst im Krankenhaus wachte ich wieder auf, weinend saß meine Mutter neben mir am Bett, in meinem linken Arm steckte ein Schlauch, die Narbe habe ich heute noch. Eine Woche lang lag ich im Krankenhaus, man sagte mir, dass die Smarties Rattengift gewesen waren. Ich hatte mich getäuscht.


    Es heißt, Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, alles in Zeitlupe sehen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt. Leider stimmt es. Im Schneckentempo fliege ich am zehnten Stockwerk vorbei, es wirkt so als hätte Mutter Erde sich überlegt, genau an diesem Tag, an diesem Ort die Schwerkraft ein bisschen abzuschwächen.


    Das damals mit dem Rattengift, meine weinende Mutter im Krankenhaus. Es war einer der wenigen Momente, in denen sie in dieser Welt war. Häufig war sie ganz woanders. Direkt gesehen habe ich das nie, aber meistens schloss sie sich im Arbeitszimmer ein und wenn sie nach vielen Stunden zurück kam, waren ihren Augen gerötet und sie war so kaputt, dass sie sich ausruhen musste. Ich wusste nicht, was das war, was das für eine andere Welt war. Also wollte ich es einmal selbst ausprobieren. Ich hatte mich ins Arbeitszimmer geschlichen. In den Schubladen entdeckte ich kleine, durchsichtige Tütchen, mit irgendwas drin. Gerade als ich dieses Irgendwas nehmen wollte, schlug mir meine Mutter von hinten auf die Finger. Sie warf mich aus dem Zimmer raus und schloss ab. Nach etwa einer halben Stunde kam sie mit geröteten Augen wieder heraus. Dieses Mal hatte sie nicht die andere Welt besucht, dieses Mal war sie in dieser geblieben und geweint.
    Als ich in die Schule kam, lernte ich, was Drogen waren. Es dauerte nicht lange, bis ich auf den Bildern das Irgendwas von zu Hause aus den Tütchen wiedererkannte. Aber ich traute mich nicht, meine Mutter darauf anzusprechen, ich hatte Angst, dass sie wieder weinen würde. Doch dann lernte ich die verheerenden Folgen von Drogen kennen, dass sie tödlich sein können. Ich schrie meine Mutter an, sie solle es lassen, begriff nicht, dass sie es nicht lassen konnte. Erst noch später verstand ich auch das und ich fing an, mich über Therapien zu informieren. Ich schaute im Internet, was man gegen sowas machen konnte, besorgte mir Flyer und so weiter. Allerdings konnte ich nie irgendwo direkt nachfragen, ich hatte Angst, man würde mir meine Mutter weg nehmen, dann hätte ich niemanden mehr gehabt. Ich machte also alles alleine. Meine Schulnoten litten sehr darunter und wenn Lehrer auf mich zukamen reagierte ich abweisend und stur. So kam es, dass ich nur ganz knapp meinen Hauptschulabschluss bestand – eigentlich so knapp, dass man es nicht als Bestanden ansehen konnte – während meine Mutter weiter in den Drogen versank. Ich hatte es nicht geschafft, ich hatte sie enttäuscht.


    Es heißt, Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, an all ihre Lieben denken. Nun ich kann euch sagen: Ich weiß nicht, ob es stimmt. In meinem Leben hatte ich nie irgendwelche Lieben, meine Mutter war ein Junkie, mein Vater abgehauen. Abhauen, dass tue ich auch gerade. Fort von dem Elend, welches mich zu Hause erwartet. Mittlerweile sollte dies hier der zweite Stock sein, es sollte nicht mehr lang dauern, dann ist alles vorbei.


    Lieben. Nein ich hatte keine, ich tat es auch nie. Meine Mutter betrachtete ich mit der Zeit nur noch als Laster und die Mädchen in der Schule hielten mich alle für den letzten Assi aus dem Ghetto. Quasi war ich das ja auch. Einmal war da eine, die fand ich recht toll. Ich beobachtete sie recht lang, bevor ich mich endlich mal traute, sie anzusprechen. Tatsächlich wirkte sie von mir auch gar nicht so angewidert und wir verabredeten uns zum Eis essen. Wir unterhielten uns und ich war der Meinung, dass ich mich mit ihr so gut verstand, dass ich ihr alles von meiner Mutter erzählte. Von den Drogen und ihrer Sucht. Hätte ich mal schön mein Maul gehalten. Denn plötzlich stand sie einfach auf und ist weg gerannt. Hatte gesagt, mit sowas wie mir könne sie sich nicht abgeben. Da saß ich dann da vor zwei Eisbechern und als der Kellner mit der Rechnung kam, bin auch ich aufgesprungen und weg gerannt. Die Tränen standen mir für einen kurzen Moment in den Augen, wichen dann jedoch der eisernen Fassade, die ich seither nicht nur gegenüber Lehrern hege, sondern vor allen Menschen, die mir begegnen, rund um die Uhr. Sogar vor meiner Mutter.
    Weil das Mädchen mich enttäuscht hatte, täuschte ich nun alle mit komplettem Desinteresse an der Welt.


    Es heißt, Menschen wie ich würden gegen alle Wände anrennen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt nicht. Alles, was ich in meinem Leben immer gewollt hatte, war totale Ignoranz, ich wollte allein gelassen werden. Mit meinen Problemen abschließen, mein Leben in den Griff bekommen. Die einzige Wand, gegen die ich je kämpfen werde, kommt gerade direkt auf mich zu. Alles um mich herum wird schwarz, wie bei dem Rattengift damals.


    Text: 14.08.12 & 02.09.12
    Bild: 05.09.12


    Ursprünglich hatte ich für die letzten Passagen etwas anderes geplant, was auch den Arbeitstitel Getäuscht erklärt. Nun ist es allerdings dazu gekommen, ich hoffe es gefällt euch. Über Kommentare würde ich mich wie immer freuen. Außerdem möchte ich noch sagen, dass recht bald ein weiteres Werk erscheinen wird, nämlich nach Ablauf der Voting Phase für den aktuellen FF Wettbewerb.
    Grüße, Dachs.

  • Hallo Dachs, ^^
    Als ich mich hier durch den Bereich geklickt habe, bin ich auf den Titel deines Topics gestoßen, der mich neugierig gemacht hat. Federkleid klingt sehr schön und ich hab mal so geschaut, was du bisher veröffentlicht hast. Da ist mir deine interaktive Story, gleich ins Auge gesprungen und ich dachte mir, ich hinterlasse mal einen Kommi. (:


    Allein im Labyrinth
    Ah! Ist das genial, so was kenne ich – dank Flying Sea – auch. Ich bin gleich total begeistert, diese Art von Geschichten habe ich zwar nie als Buch gelesen, war aber von Anfang an dabei, als Fly-Elda so etwas als FF aufgesetzt hat. Leider steht das zurzeit still, aber umso mehr freut es mich, dass du diese Form der Geschichte ebenfalls angewendet hast. Ich glaube ich werde meinen Spaß haben. ^^
    Ich schreib hier jetzt nur mal den ersten Weg, den ich spontan nehmen werde, auf. Wahrscheinlich wird mich danach meine Neugierde dazu bringen, dass ich mich anders an einigen Stellen entscheide, um zu sehen, was du dir noch alles ausgedacht hast, aber da das dann hier uferlos ist, wirst du in dem Kommi mal diesen Weg finden. Isch bin ja so aufgerägt! ^,^
    Erstmal aber kurz was zum Aufbau: hier hast du das Tabmenü perfekt eingesetzt, mit Spoilern wäre das nur halb so komfortabel und das hier hat wirklich Buchcharakter. Ich habe in eines der Bücher, die so aufgebaut sind, mal einen Blick werfen dürfen. (Praktikum in der öffentlichen Bibliothek ist halt awesome, da gibt’s gar nichts.) Und da blättert man sich ja auch immer an bestimmte Stellen zum Weiterlesen und hier blättert man sich durch die Tabs. Gefällt mir sehr gut. ^^
    Ich glaub mein Weg war so ziemlich der langweiligste, weil relativ geradlinig, aber gut, so bin ich halt. ^^
    Man erwacht also irgendwo und kann erstmal gar nicht klar sehen. Alles ist verschwommen und man merkt, dass man keine Brille auf hat. Für mich sehr passend, weil ich ebenfalls Brillenträgerin bin, zwar bin ich dann nicht blind, aber bissl verschwommen schaut die Welt schon aus und ich fühle mich mit Brille auch sicherer. Konnte mich also sehr gut schon in die erste Szene einfühlen und fühlte mich gleich an diesen Ort versetzt. Gut, dass die Brille nicht kaputt gegangen wäre, das wäre ungut gewesen.
    Autsch! Also entweder liegen wir schon eine Weile auf dem harten Boden oder aber man hat uns geschlagen, was die Beule erklären würde. Der Raum ist also ziemlich einfach und erinnert mich von der Beschreibung her an einen Lagerraum.
    Die „Licher Flasche“, sollte wohl eine Liter Flasche sein und die fünfzig Zentimeter hätte ich persönlich ausgeschrieben. Zwischen Stück und metallene, wäre „einer“ nicht verkehrt, dann müsste es aber metallener Leiste heißen. So ist das aber unvollständig, wie es bei dir da steht. Du kannst auch einfach Metallleiste sagen. ^^
    Also, was werde ich machen … Da ich kein Freund vom Herumkriechen bin, fällt für mich der Lüftungsschacht vorerst flach, deshalb wähle ich die Türe und versuche dadurch zu fliehen, auch wenn die ohne einen Knauf oder eine Klinke nicht die beste Wahl zu sein scheint.
    Nichtstun ist für mich keine Option.
    Okay, mit der Metallleiste konnte ich die Tür also öffnen, für einen Moment hatte ich da Zweifel, aber es ging ja doch ganz gut. Natürlich bin ich dann nicht in Freiheit, weil da ein langer Gang ist. Uah … gruselige Sache, da wird einem richtig mulmig. Die Leiste hab ich noch dabei, das ist gut, so ist wenigstens eine meiner Hände beschäftigt – bei Nervosität brauchen meine Hände Beschäftigung – und ich habe noch ein Werkzeug, was man ggf auch zur Selbstverteidigung verwenden kann. Jetzt habe ich die Wahl zwischen einer weiteren Tür oder dem Gang. Ich denke, ich wähle die Tür, immerhin kann sich dahinter ja der Ausgang verbergen …
    Dieser Teil war sehr spannend geschrieben, das hat mir sehr gefallen, wie du Spannung hier aufgebaut hast und es aber trotz dem, dass die Tür verschlossen ist und sich nicht öffnen lässt, weiterhin sehr spannend bleibt. Gelungener Spannungsbogen, bin ja gespannt, ob sich das noch steigern lässt. Natürlich bleibt für mich als Leser ein mulmiges Gefühl zurück, ob das nicht die Tür war, die mich hier herausgebracht hätte, aber ich habe wohl keine Wahl als weiterzugehen und zu hoffen, dass ich noch herauskomme …
    Ich gehe also noch weiter den Gang entlang und mir machen der – mit Sicherheit furchtbare – Geruch und das wenige Licht nicht mehr so viel aus. Ja, ist das denn die Möglichkeit?! Da hinten ist eine gläserne Tür, wenn das der Ausgang ist, dann wäre ich aus dem Alptraum raus! Aber bevor ich voller Erleichterung frische Luft schnappen kann, bemerke ich noch eine andere Tür, mit zwei Schatten drin.
    Mhm … das ist jetzt schwer. Logisch wäre, zum Ausgang zu gehen und die beiden Schatten nicht zu beachten und jeder normale Mensch, hätte das wahrscheinlich getan, aber meine Neugierde hätte mich und hat mich, dazu gebracht an der Tür zu lauschen. Wer weiß schon, wer sich darin befindet? Am Ende sind es andere Leute, die auch hier unten festgehalten werden?
    Also lausche ich leise an der Tür, ich bin natürlich total aufgeregt – auch wenn du den Herzschlag schon oft hier beschrieben hast und es deshalb langsam eintönig wurde, so wäre es hier absolut unpassend gewesen ihn NICHT zu erwähnen, deshalb hat mir das hier so gut gefallen – und bekomme ein interessantes Gespräch mit, wenn auch nicht unbedingt ein gutes. Das scheinen zwei Verbrecher oder Schmuggler zu unterhalten, die mich wohl aus dem Weg geräumt haben, weil ich Zeuge ihres Unfalls war. Oh mann, eine total gefährliche Situation! Eigentlich wäre jetzt der richtige Moment zum Weglaufen, aber leider muss mich ja der Staub in der Nase kitzeln! Auch hier fühlte ich mich sehr gut hineinversetzt, erst vor kurzem musste ich im Lesesaal bei den alten Zeitschriftenbänden ein paar Mal wegen dem Staub niesen. XD Komisch, normalerweise macht mir das weniger aus, aber da schon und ich könnte mir denken, dass ich in so einer Situation auch hätte niesen müssen.
    Ein Schuss?! Also, wenn man die Spannung noch steigern konnte, dann hast du das hier auf jeden Fall erreicht, zwar war die Zeitlupengeschichte ein bisschen sehr Actionfilm, aber das fand ich gar nicht so schlecht gemacht. Natürlich bin ich heilfroh, dass ich nicht verletzt bin und da sind mir die Glasscherben auch schon egal, ich will nur noch raus und weg! Also laufe ich, so lange es geht, bis ich nicht mehr kann und wahrscheinlich nach Luft schnappend und stark hechelnd irgendwo versuche nicht zusammenzubrechen. Aber ich bin frei … frei!


    Und damit endet auch mein Part. ^^ Die restlichen Tabs hab ich dann noch mal durchgeklickt und gelesen, welche Wege es noch gäbe, es gab einen, da traf man gar nicht auf die Gangster, allerdings konnte man auch sterben und gerade als ich meinen Weg noch mal durchgeschaut habe, ist mir aufgefallen, dass mir meine naive Neugierde den Hals gerettet hat! o.o Wow.


    Das gesamte Konzept ist richtig gut und ja auch in Büchern schon sehr erfolgreich und du hast das hier sehr gut umgesetzt. Die von dir ausgedachte Geschichte bietet viele Möglichkeiten und du hast sie alle genutzt um dem Leser eine spannende Handlung zu geben in der es nicht immer gut ausgeht und man wohl ab und an eine Entscheidung bereut oder aber im Endeffekt heilfroh ist, sie doch getroffen zu haben. Ich weiß nicht, wie viel Arbeit das ist so etwas zu schreiben, aber ich hoffe, dass du dich noch einmal an so etwas setzt. Mir hat es gut gefallen, wie du den Leser durch die Geschichte geführt hast, ab und an hätte eine Beschreibung oder ein Gefühl mehr gut getan, eventuell auch ein paar Gedanken, aber ansonsten fand ich's total gelungen. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und dabei selbst ein Teil der Geschichte zu sein. Danke dafür! ^__^


    - Squeek-san

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    Randomfakt zu Allein im Labyrinth?: Der Titel stammt von dem Theaterstück welches ich in der 11. Klasse zusammen mit dem Kurs Darstellendes Spiel aufführte. Hierbei handelte es sich um eine Geschichte um die Sage des Minotaurus. Wie auch in der Interaktiven Kurzgeschichte musste man hier selbst aktiv werden. Denn die Szenen waren auf mehrere Räume verteilt und man musste sich selbst den Weg durch die Geschichte suchen (dies symbolisierte dann das Labyrinth, in welchem der Minotaurus gefangen gehalten wird).



    • Kommentare beantworten []


    Nachdem das Erledigt wäre kommen wir nun zum nächsten Werk. Veröffentlicht wurde es bereits am 26.08.12 im
    Rahmen des FF Wettbewerbs Klanggeschichten. Aufgabe war es aus einer Reihe von vorgestellten Melodien eine
    auszuwählen und dazu eine Kurzgeschichte zu verfassen. Da mir persönlich diese Art von Wettberwerb sehr gut gefiel,
    habe ich mal teilgenommen. Am Ende belegte die Kurzgeschichte dann den vierten Platz - die Meinungen zum Einsatz der Melodie gingen jedoch auseinander.
    Welche vertittst du?



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    Vergessen


    Vergessen. Einmal in meinem Leben wollte ich es vergessen. Einmal in meinem Leben wollte ich mein gesamtes verschissenes Leben vergessen. Frei sein von der Unterdrückung, fern sein von dem Elend, entlassen von der Welt. Das ging nicht, dessen war ich mir bewusst, niemand war je frei, fern oder entlassen. Jeder neue Tag brachte das Selbe. Man stand auf, nutzte die kurze Freizeit die man hatte um sich vorzubereiten. Dann ging es zur „Produktivitätsbeschäftigung“ wie es die Regierung nannte. Im Grunde war es das sinnloseste Unterfangen was man sich vorstellen konnte. Man stand an einem Band und für einen Lohn, der gerade mal ausreichte um den Tag zu überleben tat man einen winzigen Produktionsschritt für irgendwelche Dinge, die sich sowieso nur die Wohlhabenden leisten konnten. Mein Job war es die Zeiger an Uhren zu montieren. Es war immer das Gleiche: Auf einem Band kamen eine Uhr und die dazugehörigen drei Zeiger angefahren, ich nahm sie auf steckte sie fest und drehte ein kleines Käppchen zur Befestigung oben auf, dann legte ich die Uhr wieder auf das Band. Es war erniedrigend zu sehen, wie die eigene Zeit davon floss, kostbare Zeit meines Lebens. Aber was konnte ich schon tun? Wer sich gegen das System auflehnte wurde sehr schnell unschädlich gemacht, wer versuchte etwas zu ändern bekam alles Geld gekürzt, die Wohnung weg genommen und endete irgendwo in der Gosse. Es herrschte Angst, zwischen uns, über uns. Keiner traute sich etwas zu sagen, wir alle wussten, dass ein falsches Wort fatale Folgen haben konnte. Und so hatte ich schon seit langer Zeit nichts mehr gesagt, es gab einfach keine Worte die irgendwie, zu irgendeiner Situation hätten passen können. In der Mittagspause gab es wie jeden Tag denselben unansehnlichen Matsch. Eine graue, unappetitliche Pampe. Sie enthielt genau die Menge an Nährstoffen, die ein Durchschnittsmensch von unserer Sorte brauchte, nicht mehr und nicht weniger. Das hatte die Regierung so angeordnet und es war unumstößlich. Ich kämpfte gegen den Würgreflex an, der sich jedes Mal neu in mich hinein schlich. Ich wusste, würde ich diese Mahlzeit nicht essen, wäre ich bis zum Abend verhungert. Ich glaube, dass war der eigentliche Sinn dieser Mahlzeit: Sie gab uns Kraft zum Arbeiten, nicht aber zum Kämpfen.


    Als ich wieder am Band stand fing das ganze erneut an. Während ich die Zeiger an der Uhr montierte, war ich selbst gar nicht mehr bei der Sache. Mein Körper war eine leere Hülle, ohne irgendwelche Gedanken oder Bedürfnisse, nur ein Satz war tief in mich hinein gebrannt und kein Abstumpfen der Welt würde ihn je verschwinden lassen: Dein Leben ist beschissen. Als der Ton zum Schichtende ertönte ließ ich die Hände sinken, drehte mich um und verließ die Halle. Als ich an einer Glasscheibe vorbei kam, hinter der ein Mann saß, schob ich eine Plastikkarte durch die Öffnung zu ihm hindurch.
    Sie enthielt ein Foto von mir, meine Abteilung für die Produktivitätsbeschäftigung und meine ID. Einen Namen brauchte man in dieser Welt nicht. Er gab mir die Karte zurück und den Lohn für Arbeitereinheit 481-516-234-2.
    Das Geld hatten wir zu freien Verfügung, wer dumm war sparte es und verhungerte, wer durchschnittlich war kaufte sich Nahrung um zu überleben und wer schlau war hatte ein wenig Spaß mit dem Geld und starb glücklich. Ich war durchschnittlich, warum weiß ich nicht.


    Es war also auf dem Nachhauseweg, ich hatte meinen kleinen Laib Brot und zwei Flaschen Wasser unter dem Arm und war nur noch wenige Straßen von meiner Wohnung entfernt. Da fiel mir ein metallener Kasten am Straßenrand auf. Ich wurde aufmerksam. Metall war unter Umständen viel wert und konnte Geld bedeuten. Ich bückte mich und nahm das Ding auf. Es war nicht besonders schwer oder groß. An einer Seite hatte es einen Deckel zum Aufklappen und an der Seite des Scharniers steckte ein Schlüssel in einem kleinen Loch. Heimlich um nicht gesehen zu werden steckte ich das Kästchen in die Tasche und begab mich so schnell wie möglich nach Hause.
    Dort betrachtete ich meinen Fund näher. Der Deckel war wundervoll verziert, und in der Mitte war eine Blume mit fünf Blütenblättern zu sehen. Darunter prangte das Wort Myosotis.
    Rundherum konnte man Stängel und leichtes Laub erkennen. Vorsichtig klappte ich die Dose auf, sie war innen in ein tiefes hellblau gefärbt. Plötzlich ertönte eine Melodie. Ich erschrak und ließ das Döschen auf den Tisch vor mir fallen. Doch die Melodie verstummte nicht. Sie hatte eine beruhigende Wirkung, ich entspannte mich und irgendetwas in mir regte sich. War es Freude?
    Plötzlich verstummte die Melodie, sie war einfach aus. Regungslos saß ich da, konnte nicht fassen, dass der Zauber verflogen war. Ich nahm die Kiste in die Hand, verschloss sie und öffnete sie wieder. Nichts geschah. Dann fiel mir der Schlüssel an der Rückseite auf. Ich drehte ihn einmal herum und die Dose ließ die letzten Töne noch einmal erklingen. Ein Ausdruck des Erkennens huschte über mein Gesicht. Ich drehte den Schlüssel soweit, bis es nicht mehr ging. Dann ließ ich ihn los und die Melodie ertönte von neuem. Ich schloss die Augen und wurde eins mit der Musik. Weiche Töne, welche ineinander glitten als wären sie Eins. Sie gaben einem das Gefühl von Glückseligkeit. Zum ersten Mal in meinem Leben vergaß ich. Zum ersten Mal in meinem Leben vergaß ich mein gesamtes verschissenes Leben.
    Seitdem höre ich jeden Abend dieser Melodie zu und dann bin ich frei von der Unterdrückung, fern von dem Elend, entlassen von der Welt.


    22.08.12


    Ist zuffällig ein LOST Fan bei den Lesern dabei?


    Liebe Grüße, Dachs.



    • Wettbewerbsbeitrag posten []
  • Hallo Dachs. ^^
    Da bin ich wieder und schreibe dir einen Kommentar. Ich hab mir mal deine Wettbewerbsabgabe herausgesucht, da mich die musikalische Untermalung sehr interessiert hat. (:
    Los geht's!


    Vergessen
    Ein interessanter Titel, beschreibt grundsätzlich einen recht beängstigenden Vorgang, muss ich gestehen. Ich zumindest vergesse ungerne Dinge, andererseits kenne ich das Gefühl, wenn man etwas am liebsten vergessen würde, weil es einen in eine schlechte Situation gebracht hat oder weil es unangenehm war. Dann wäre es natürlich sehr schön, die Dinge zu vergessen, aber pures Vergessen ist auch nur eine andere Form von Verdrängung, meist wäre es viel besser in der Zeit zurück reisen zu können und die Dinge wirklich ungeschehen zu machen. Ich denke mal, dass in dem Text noch deutlicher darauf eingegangen wird, wer hier was vergessen möchte.

    Ein schöner Text. (: Ein sehr schöner Text, das erwartet man hinter dem Titel gar nicht. Ich weiß nicht, komischerweise musste ich bei "Vergessen" in Zusammenhang mit den ersten Zeilen mehr an Suizid denken. Aber ich bin froh, dass der Text nicht so endete, sondern ganz anders, mit einem kleinen Hoffnungsschimmer. Ich denke mal, die Melodie die du dir ausgesucht hast, ist die, die am Ende erwähnt wird? Sehr schön, passt auch recht gut zu einer Spieluhr muss ich sagen.
    Der Text ist sehr gut aus der Ich-Perspektive geschrieben worden. In meinen Augen bietet sich die Ich-Perspektive für Kurzgeschichten oft sehr gut an, weil durch die skizzenhafte Darstellung der Charaktere - die typisch für eine KG ist - man mit der Ich-Perspektive gewisse Dinge geschickt umgeht. Beispielsweise die Namensnennung, braucht man nicht, weil kaum einer so denkt, dass er selbst seinen Namen nennt. In der Erzählerperspektive stört es mich immer, wenn lediglich von "Er" oder "Sie" die Rede ist, da finde ich persönlich Namen immer sehr schön. In der Ich-Perspektive brauch ich persönlich das jetzt nicht. Außerdem kann man so auch sehr gut auf Gefühle eingehen, selbst wenn das hier bei dir weniger der Fall war. Als erstes legt sich nämlich gleich die furchtbar gleichgültige Atmosphäre über den Leser. Das Gefühl des Gefangenseins in einem System, dass man nicht durchbrechen kann, ein Kreis, aus dem man nicht rauskommt. Jeden Tag dasselbe, jeden Tag Arbeit am Band, für nichts als einen viel zu geringen Lohn, der einen gerade mal einen Tag durchbringt. Ich weiß nicht, in so einer Regierung zu leben muss schrecklich sein.
    Andererseits bin ich mir ziemlich sicher, dass es auf der Welt in vielen ärmeren Ländern so aussieht, wenn auch ohne die grausige Pampe zu Mittag. Bah, ist ja ekelhaft! Aber ja, so kann man die Menschen natürlich kurz halten und ihren Widerstand eindämmen, wenn sie ohnehin wissen, dass alles früher oder später zu ihrem Tod führt. Genauso wie der Lohn ja auch für nicht mehr zu gebrauchen ist. Wenn aber selbst Namen nicht mehr wichtig sind, sehe ich echt schwarz. Ich weiß nicht, ob du da an die Zukunft gedacht hast oder einfach nur an ärmere Länder - beides ist beängstigend.
    Unser Protagonist, hat sich also durch einen weiteren Tag gekämpft, er ist ziemlich stark davon überzeugt, wie schlecht und furchtbar sein Leben ist. Klar, bei den Aussichten, würde ich da nicht anders denken - ehrlich gesagt, denke ich momentan sogar sehr ähnlich über mein eigenes Leben. Ich finde es eigentlich nicht verkehrt von dem wenigen Geld sich etwas anderes als die Pampe in der Arbeit zu Essen zu kaufen, klar, sparen hätte auch was, aber wenn's nicht geht, geht nicht. Es für einen kurzen Spaß auszugeben, halte ich für sehr kurzsichtig gedacht. Insofern, nichts gegen durchschnittlich, rettet unserem Protagonisten zumindest das Leben. Klar, es ist bisher kein gutes Leben, aber du hast ja am Ende einen kleinen Hoffnungsschimer eingebaut, der sich wirklich gut macht, wenn man die schöne Musik am Ende im Kopf hat. Zufällig findet er also am Straßenrand einen metallenen Gegenstand. Man hat anfangs ein paar Probleme gehabt, sich das vorzustellen, weil du nicht die Größe beschrieben hast und nun ja, ist bissl schwer. Als rauskam, dass es eine Spieluhr ist, hab ich sie mir eher etwas kleiner vorgestellt. Zuerst weiß er nicht so recht, was er damit machen soll - eine sehr schöne Spieluhr, so wie du ihre Verzierungen beschrieben hast. Keine Ahnung, ob was die Gravur bedeutet, aber das scheint auch nicht so wichtig zu sein.
    Am Ende kommt also heraus, dass es sich um eine Spieluhr handelt und unserem Protagonisten für einen kurzem Moment die Möglichkeit gibt zu vergessen. Zu vergessen wie schlecht sein Leben ist, zu vergessen, wie sehr es es eigentlich hasst. Ja, er ist frei, er verspürt Freude am Leben. Zwar nur einen kurzen Augenblick am Anfang, aber gerade die Szene, wo er herausfindet, wie er das Gefühl durch das Drehen an dem Schlüssel wieder bekommt, finde ich sehr schön. Gefällt mir einfach, wie du das beschrieben hast, nicht mit allzu vielen Worten, aber so lebendig, dass ich es direkt vor meinen Augen hatte. Aber vor Augen hatte ich ohnehin alles, das hast du gut geschafft mit diesem Text. ^^


    Durch und durch gelungen, gefällt mir wirklich ausgesprochen gut. (: Ich finde, du hast die Musik sehr gut eingebracht, sie passt natürlich nicht zu dem ganzen Text, ist aber gerade als Untermalung für die Spieluhr perfekt ausgewählt und ich mag deinen Schreibstil hier sehr. Die Ich-Perspektive scheint dir gut zu liegen.


    LOST Fan bin ich leider nicht, tut mir leid. ^^" Aber ich freu mich auf mehr von dir, vielleicht hast du ja im Kommi-Topic gelesen, dass ich mich jetzt regelmäßig um dein Topic kümmern werde. ^.^
    - Squeek-san Feurigel


  • ---


    Heute folgt zur Abwechslung mal wieder ein Gedicht. Doch bevor ich zu diesem komme, noch ein kleiner Hinweis: Vor kurzem hab ich mir bei blogger.com einen Blog angelegt, auf dem ich meine Werke zusätzlich veröffetnlichen werde. Ein Link zu einem Blog lässt sich irgendwie besser weiterreichen, als der zu einem Pokemonforum. ;)
    Desweiteren ist das Kommentieren dort ohne Anmeldung möglich, was gewisse Vorteile mit sich bringt.
    Nichtsdestotrotz werde ich auch hier weiter veröffentlichen, allerdings kann es vorkommen, dass im Blog mal Dinge etwas früher erscheinen, als hier. Da es auch keine Postingregeln gibt, können auch mal zusätzliche Infos bezüglich des Schreibens auftauchen. Reinschauen lohnt sich also. ;)
    http://federpracht.blogspot.com (Das Verlinken habe ich von Aka erlaubt bekommen)

    ---


    360


    Der Todeskuss ganz widerlich


    Ach, was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag, an dem du mich nicht plagest.
    Hab gezittert, hab gespürt
    Die Zeit ist da, ich kämpf mit dir
    Du mich nun zur Tat verführst.


    Das Messer in des Herzens Gegend


    Ach, was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag, an dem ich Waffen trage.
    Hab gezittert, nur vor Wut
    Von dir beschwört, steh ich nun hier
    Verlässt mich doch der Mut?

    Hauche aus das letzte Leben


    Ach, was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag, an dem du mich nicht plagest.
    Hab gezittert, nur ganz kurz
    Du zeigtest keine Zier
    Ich trete an, zum größten Sturz


    Benetzt nun mein Gesicht


    Text: 01.10.12
    Erstveröffentlichung: 03.10.12


    Um den Titel zu verstehen, muss man ein bisschen über das eigentliche Vorhaben des lyrischen Ichs und das Ergebnis am Ende nachdenken.
    Ich freue mich wie immer über Kommentare,
    Grüße Dachs.

  • Hallöle Dachs. ^^
    ein Update heißt, es wird Zeit für einen neuen Kommi für dich. (: Leider bin ich in Gedichten nur wenig bewandert, deshalb sage ich schon im Voraus, dass es gut sein kann, dass ich da nicht so viel rauslesen kann, wie du dir vielleicht wünschen würdest. Aber mal sehen, was ich herauslesen kann. ^^


    360
    Okay, also mit dem Titel kann ich schon mal gar nichts anfangen. Wäre es 365 hätte ich das irgendwie mit einem Jahr verbunden, aber so bin ich absolut ratlos, was du meinen könntest. Du sagst in deiner Beschreibung dazu, dass man das eigentliche Vorhaben des lyrischen Ichs im Kopf behalten sollte, wenn man den Titel verstehen will. Oh, ich seh schon, ich scheitere daran. ^^” Zumindest für's erste.


    Okay, ich fang dann einfach mal an, mal sehen was so draus wird, ne? ^^
    Das Gedicht beginnt mit der Zeile “Der Todeskuss ganz widerlich” - stellt für mich in gewisser Weise eine Vorschau auf das Ende da. Also ich denke mir zumindest, dass darauf angespielt wird, dass einer der beiden vorkommenden Personen sterben wird, welche das sein wird, das weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau. Besonder das Wort “widerlich” hat es mir hier angetan, auch wenn ich nicht sagen kann warum. Widerlich drückt eine gewisse Abscheu aus, was gut zu dem Wort “Todeskuss” passt – ist wohl der unangenehmste aller Küsse.
    Danach kommt die erste Strophe, die mit den Worten beginnt “Ach was hab ich sehnst erwartet”. Dieses Ach ist für mich ein Ausspruch von ... na, wie sagt man das ... Wehmut? Oder resigniert? Aber hier klingt es wirklich etwas wehmütig, immerhin wurde etwas “sehnlichst” erwartet. Erwartet wurde der Tag, an dem das lyrische Ich nicht von einer anderen Person geplagt wurde. Klingt nach einer Art Rivalität für mich. Oder aber Unterdrückung, vielleicht wurde das lyrische Ich von jemandem unterdrückt? Eine Art Beziehung wie zwischen einem Gefangenem und seinem Wärter? Viellicht, bin mir da etwas unsicher. Gezittert ... vor Angst vielleicht? Oder vor Aufregung? Vielleicht auch vor Begierde, danach wird von spüren gesprochen, also kann es gut sein, dass das lyrische Ich begierig auf etwas ist. Sie kämpfen also miteinander und die andere Person verführt das lyrische Ich zu einer Tat. Irgendwie sehe ich da ein Paradoxon. Das lyrische Ich erwartet den Tag an dem die andere Person es nicht plagt, aber der Tag der jetzt da zu sein scheint, ist eher derjenige, an dem es wieder geplagt wird. So scheint es mir jedenfalls, ein einschneidender Tag wohl ... vielleicht der 360. Tag des Jahres? Oder spielst du da auf ein Datum an? Mhm ...
    Naja, die ersten zwei Zeilen der ersten Strophe verwirren mich geringfügig, aber vielleicht komm ich noch drauf – auch wenn ich's weniger glaube. ^^”
    Nach der ersten Strophe steht wieder eine einzelne Zeile: “Das Messer in des Herzens Gegend”. Huch? Das klingt ja schon nach einer handfesten Auseinandersetzung mehr noch, nach einer bewaffneten Auseinandersetzung. Wenn schon von Messer als Waffe gesprochen wird, scheint es klar, dass einer der beiden sterben wird – allein schon das lyrische Ich scheint sehr versessen darauf zu sein, sein Gegenüber aus dem Weg zu räumen. Ob darauf die ersten zwei Zeilen anspielen? Das es jetzt etwas tun kann um danach einen Tag zu erleben, an dem sein Gegenüber es nicht plagt?
    In der zweiten Strophe hat das lyrische Ich jedenfalls den Tag erwartet an dem es Waffen trägt. Zur Verteidigung oder zum Angriff, das ist hier die Frage, würde ich sagen. Es hat gezittert, dieses Mal nur vor Wut und wurde von seinem Gegenüber beschwört. Beschwört ... Damit ich das Wort richtig verstehe, hab ich mal in Wiki nachgeschlagen, wo folgendes steht:

    Zitat von Wikipedia

    Unter einer Beschwörung versteht man sowohl eine flehentlich oder auch vehement vorgetragene Bitte an einen Mitmenschen oder an ein höheres Wesen, als auch die Herbeirufung von Dienstbarmachung von übernatürlichen Wesen.

    Sou, also entweder wurde das lyrische Ich von seinem Gegenüber um die folgende Tat gebeten – also der Kampf, wie ich meine – oder aber das lyrische Ich ist ein übernatürliches Wesen, was sich gegen seinen Meister jetzt auflehnt. Ich weiß noch nicht, für welche Version ich mich entscheiden soll, ich versuch's mal aus beiderlei Gesichtspunkten zu sehen. Das lyrische Ich zweifelt in der letzten Zeile dieser Strophe. Interessant, vorher wirkte es so begierig darauf, so entschlossen und jetzt zweifelt es tatsächlich daran, ob es wohl das Folgende wirklich tun kann. Finde ich gut gemacht.
    “Hauche aus das letzte Leben” ist die nächste alleinstehende Zeile zwischen der zweiten und dritten Strophe. Ab hier bin ich mir ziemlich sicher, dass einer sterben wird, wer auch immer ...
    Die dritte Strophe beginnt in den ersten zwei Zeilen wie die erste. Auch hier zittert das lyrische Ich, aber nur ganz kurz, es hat wohl seine Entschlossenheit zurückerlangt. Sein Gegenüber zeigt keine Zier ... wenn man sich ziert dann wehrt man sich doch oder? Also, so kenne ich es, dass man sagt “Zier dich nicht so!”, wenn jetzt ein Kind vielleicht beim Gesichtwaschen sich wehrt, weil es das nicht mag. ^^ Deshalb denke ich, dass sich das Gegenüber gar nicht wehrt, sondern vielleicht ruhig dasteht und das lyrische Ich nun zum “größten Sturz” ansetzt. Stürzt es jetzt das Gegenüber? Also in dem Sinne, dass es es tötet?
    Das bleibt offen, lediglich in der letzten alleinstehenden Zeile liest man “benetzt nun mein Gesicht”, was denke ich, eine Fortsetzung von der ersten Zeile mit dem Todeskuss ist, der ganz widerlich das Gesicht benetzt.


    Okay. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten:
    a) beide sind letztendlich gestorben
    b) nur das Gegenüber wurde von dem lyrischen Ich besiegt und es ist eine Art versteckter Dialog. Die “großen” Strophen gehören der einen Person, die einzelnen Zeilen der anderen.


    Gut ... gibt mir jetzt trotzdem keinen wirklichen Aufschluss auf den Titel, aber das war mir schon klar, dass ich bestimmt nicht drauf komme. ^^” (Leider habe ich nur mittlere Reife und da waren Gedichtinterpretationen nicht auf dem Lehrplan in Deutsch.)
    Egal, der Inhalt ist jedenfalls sehr faszinierend dargestellt, auch wenn ich ihn nicht völlig verstehe.


    Zum Schluss noch etwas zur Form. Soweit ich das sehen kann, ist kein wirkliches Reimschema drin oder aber ein sehr verstecktes. Mir ist aufgefallen, dass sich die dritte Zeile jeder Strophe miteinander reimt – also dir, hier und Zier. Die ersten beiden Zeilen jeder Strophe sind ohnehin sogut wie gleich, nur die zweite fällt aus dem Schema. Innerhalb der Strophen reimt sich dann noch die dritte mit der fünften Zeile, auch wenn das bei der ersten Strophe nicht so auffällt, weil gespürt sich nicht ganz auf verführst reimt – das s ist halt einfach im Weg. Kein klar zu durchschauendes Reimschema, was aber grundsätzlich nicht so viel macht, ich empfand das Gedicht als gut zu lesen und hatte auch einige Zeilen länger im Kopf.


    Nun, was soll ich sagen? Mir gefällt diese verschleiernde Art hier, dieses Undurchschaubare, was es mir jedenfalls verwehrt es völlig zu verstehen. Normalerweise stört mich das arg, hier aber irgendwie nicht. Wahrscheinlich weil genug genannt aber doch offen ist, dass man sich seine Gedanken machen kann. ^^


    Ich hoffe, dass hat dir etwas geholfen und falls nicht, waren meine Gedanken zu deinem Gedicht vielleicht wenigstens interessant zu lesen. (:
    Freu mich jedenfalls auf Weiteres!


    - Squeek-san Feurigel

  • Uh, da habe ich hier aber einiges nachzuholen... noch einmal Entschuldigung, dass ich bislang nich kommentiert habe, es gab einfach zu viele Klausuren, dann noch Facharbeit... Obwohl ich mir bis zum Abitur eigentlich vorgenommen hatte, keine Kommentare mehr zu schreiben, kann ich bei dir schlichtweg nicht anders. Es juckt mir schon richtig in den Fingern, von daher, on y va ~


    All I know is falling
    Diese Geschichte habe ich nicht umsonst für den FF Award vorgeschlagen, denn ich bin schlichtweg begeistert von ihr. Allgemein habe ich aus persönlichen Grunden so einen kleinen Faible für Stories, die Suizid behandeln und gerade bei dir kann ich mir ja sicher sein, dass dir die Umsetzung gelingt. Nun, aber der Reihe nach.



    Es heißt, (Komma) Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, ihr gesamtes Leben noch einmal an sich vorbei laufen sehen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt nicht. Zum Glück nicht. Würde mich direkt dazu veranlassen, (Komma) ein weiteres Mal zu springen, wenn es denn möglich wäre. Doch ist es das nicht, ich befinde mich bereits im freien Fall. Wie viel (viele) Meter sind es wohl? Ich habe ein schlechtes Augenmaß, aber kennt ihr das Commerzbank Gebäude in Frankfurt? Dieser riesige Wolkenkratzer, den man sieht, (Komma) wenn man direkt aus dem Bahnhof kommt? Nun etwa so hoch sah es von oben aus, (Komma) als ich vor ein paar Sekunden noch am Rand des Daches stand. Vermutlich habe ich mich getäuscht… das habe ich mich oft. Ge- und Enttäuscht.

    Hach ja, diese alte Floskel, die im Grunde jeder kennt, aber niemand bestätigen kann. Die Revue des Lebens, die einen kurz vor dem Tod erwartet. Ein durchaus interessantes Thema, das du da aufgreifst, selbiges gilt für die Einleitung insgesamt. Und bevor ich den Gedankengang im Laufe meines Kommentares hier wieder vergesse.... so gesehen hast du mit der Kurzgeschichte ja eben genau das passieren lassen. Der Protagonist reflektiert noch einma sein Leben, die Aspekte, die ihn geprägt haben, was ihn verletzt, quasi zerrissen hat bereits in sehr jungen Jahren, sprich du widerlegst deine eigene Einleitung, indirekt zumindest. Ich weiß nicht, ob das so gewollt ist oder nicht, jedoch gefällt es mir sehr ^_____^
    Weitere Stilmittel, die du hier verwendest, sind natürlich die direkte Ansprache des Lesers und die, wenn man so will, rhetorische Frage, die zusätzliche Neugier erzeugen. Du beschreibst nicht einmal sonderlich ausschweifend Gefühle oder Gedanken des Erzählers, sondern schilderst in wenigen, dafür umso ausdrucksstärkeren Worten seine aktuelle Lage und wo man sich ungefähr zu befinden hat, nämlich seitens eines Wolkenkratzers. Normalerweise bin ich ja eher ein Fan von ellenlangen Beschreibungen, zumindest, was Fanstories betrifft. Bei deinen Kurzgeschichten allerdings muss das gar nicht sein, du schaffst auch so, die gewünschte Wirkung zu erzielen. Und das, mein Lieber, ist wahrlich ein Talent :> Vor allem der letzte Satz dieses Abschnittes flößt einem, oder zumindest mir, einen Hauch von Verzweiflung und Leid ein, da bekommt man wirklich Gänsehaut. Natürlich möchte man wissen, in wiefern diese These des Protagonisten nun zutrifft oder nicht, lange warten lässt du uns zum Glück nicht.




    Es war damals im Kindergarten, etwa ein Jahr vor meiner Einschulung… glaube ich. Im Sandkasten hatte ich grüne Smarties gefunden. Schnell stopfte ich mir eines in den Mund, ich freute mich riesig, (Komma) dass ich etwas gefunden hatte, ganz für mich allein. Doch plötzlich kam Frau Elbe angerannt und sah, (Komma) was ich in der Hand hielt. Sie wurde ganz blass und befahl mir sofort, (Komma) alle Smarties fallen zulassen (fallen zu lassen). Ich wusste nicht warum, sie schmeckten doch gut. Ein bisschen sandig, aber gut. Dann wurde mir schwarz vor Augen, ich kippte um und alles ward dunkel. Erst im Krankenhaus wachte ich wieder auf, weinend saß meine Mutter neben mir am Bett, in meinem linken Arm steckte ein Schlauch, die Narbe habe ich heute noch. Eine Woche lang lag ich im Krankenhaus, man sagte mir, dass die Smarties Rattengift gewesen sind (waren). Ich hatte mich getäuscht.


    Es heißt, (Komma) Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, alles in Zeitlupe sehen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt. Leider stimmt es. Im Schneckentempo fliege ich am zehnten Stockwerk vorbei, es wirkt so als hätte Mutter Erde sich überlegt, (Komma) genau an diesem Tag, an diesem Ort die Schwerkraft ein bisschen abzuschwächen.


    Was ich hier schon zu Anfang loben muss, ist deine Art, dich in frühere Zeiten hinein zu versetzen. Du benutzt wirklich so eine Sprache, wie es ein Kindergartenkind täte, nämlich die Sache mit den grünen Smarties. Man merkt wunderbar diese "Naivität" und die Unschuld des Kindes, es ist ja immerhin noch klein und weiß Smarties nicht von etwas Giftigem zu unterscheiden. Ich muss gestehen, bis du das Gift erwähnt hast, hatte ich keine Ahnung, was die grünen Teile da sein sollten xD Ich hatte eventuell an Vogelbeeren gedacht -die sind meines Wissens ja auch giftig- oder vielleicht irgendwelche Blumenknopsen, auf Rattengift wäre ich wohl nie im Leben gekommen ^^" Was aber nich heißen soll, dass ich das kritisiere, ist ja schließlich meine eigene Dummheit. Vielmehr hast du es passend aus der Sicht des Kindes dargestellt, gezeigt, wie es die Lage einschätzt. Jedes andere Kind hätte wohl genauso reagiert. Denn wann findet man schon ma leckeren Süßkram einfach auf dem Boden, ganz für sich allein? In dem Sinne, wieder eine überzeugende Wortwahl, denn man wusste ohne sonderlich viele Beschreibungen, wo man sich befindet,was passiert und wer erzählt.
    Dass er sich allerdings da schon Vorwürfe macht... finde ich sehr hart :o Ich meine, er war ein kleines Kind und wusste es eben nicht besser. Eher hätte ich da die Kindergärtner zur Verantwortung gezogen, wenn die nichts gesagt haben oder die Kinder eben vorgewarnt. Bei Kindern kann man doch nicht einfach so Rattengift auslegen, also ehrlich :x Auf der anderen Seite zeigt es, wie stark die Depression des Erzählers bereits ist, dass er sich in so jungen Jahren dafür die Schuld gibt, unwissend zu sein. Man könnte übrigens auch sagen, er hätte die Leute in seinem Umfeld ENTTÄUSCHT, weil er, wie Kinder nunma sind, ein großer Junge sein, dies auch beweisen wollte und dann solche Dummheiten macht :3
    So, es folgt eine kurze Zwischensequenz zur momentanen Sachlage. Das mit der Zeitlupe stimmt also... Man hat das Gefühl, immer weiter in diese Spirale aus... Hoffnungslosigkeit und Selbstverachtung hinein gezogen zu werden, und ich finde es bewundernswert, dass dir das mit so wenigen Worten gelingt. Sie sagen so viel aus, obwohl es sich dabei nur um wenige Sätze handelt. Wieder benutzt du so eine Art These, die von den Menschen aufgestellt wurde und sich nun also bewahrheitet, laut unserem Erzähler. Inzwischen habe ich bereits so viel Mitgefühl mit ihm, er tut mir unglaublich leid und ich weiß ja, dass es noch härter kommt :x





    Das damals mit dem Rattengift, meine weinende Mutter im Krankenhaus. Es war einer der wenigen Momente, in denen sie in dieser Welt war. Häufig war sie ganz woanders. Direkt gesehen habe ich das nie, aber meistens schloss sie sich im Arbeitszimmer ein und wenn sie nach vielen Stunden zurück kam, waren ihren Augen gerötet und sie war so kaputt, dass sie sich ausruhen musste. Ich wusste nicht, (Komma) was das war, was das für eine andere Welt war. Also wollte ich es einmal selbst ausprobieren. Ich hatte mich ins Arbeitszimmer geschlichen. In den Schubladen entdeckte ich kleine, (Komma) durchsichtige Tütchen, mit irgendwas drin. Gerade als ich dieses Irgendwas nehmen wollte, schlug mir meine Mutter von hinten auf die Finger. Sie warf mich aus dem Zimmer raus und schloss ab. Nach etwa einer halben Stunde kam sie mit geröteten Augen wieder heraus. Dieses Mal hatte sie nicht die andere Welt besucht, dieses Mal war sie in dieser geblieben und geweint.
    Als ich in die Schule kam, (Komma) lernte ich, (Komma) was Drogen waren. Es dauerte nicht lange, (Komma) bis ich auf den Bildern das Irgendwas von zu Hause aus den Tütchen wiedererkannte. Aber ich traute mich nicht, (Komma) meine Mutter darauf anzusprechen, ich hatte Angst, dass sie wieder weinen würde. Doch dann lernte ich die verheerenden Folgen von Drogen kennen, dass sie tödlich sein können. Ich schrie meine Mutter an, sie solle es lassen, begriff nicht, dass sie es nicht lassen konnte. Erst noch später verstand ich auch das und ich fing an, (Komma) mich über Therapien zu informieren. Ich schaute im Internet, was man gegen sowas machen konnte, besorgte mir Flyer und so weiter. Allerdings konnte ich nie irgendwo direkt nachfragen, ich hatte Angst, man würde mir meine Mutter weg nehmen, dann hätte ich niemanden mehr gehabt. Ich machte also alles alleine. Meine Schulnoten litten sehr darunter und wenn Lehrer auf mich zukamen, (Komma) reagierte ich abweisend und stur. So kam es, dass ich nur ganz knapp meinen Hauptschulabschluss bestand – eigentlich so knapp, dass man es nicht als Bestanden ansehen konnte – während meine Mutter weiter in den Drogen versank. Ich hatte es nicht geschafft, ich hatte sie enttäuscht.


    Es heißt, (Komma) Menschen würden, wenn sie kurz vor dem Tod stehen, an all ihre Lieben denken. Nun ich kann euch sagen: Ich weiß nicht, (Komma) ob es stimmt. In meinem Leben hatte ich nie irgendwelche Lieben, meine Mutter war ein Junkie, mein Vater abgehauen. Abhauen, dass tu (tue) ich auch gerade. Fort von dem Elend, welches mich zu Hause erwartet. Mittlerweile sollte dies hier der zweite Stock sein, es sollte nicht mehr lang dauern, dann ist alles vorbei.

    Hier lernt man einen weiteren Aspekt der Vergangenheit des Protagonisten kennen, nämlich die Drogensucht seiner Mutter. Auch hier stellst du Orts- oder Gefühlsbeschreibungen gezielt eher in den Hintergrund und konzentrierst dich auf die eigentliche Erzählung. Wie sich der kleine Junge gefühlt haben muss, das erfährt man allein schon durch seine Reaktionen und, großes Kompliment dabei an dich, durch deine Wortwahl. Was er sagt, was er macht, das alles spricht mehr, als 1000 weitere Worte es je ausdrücken könnten. Zuerst haben wir hier wieder dieses Kindliche, der Wille, auszuprobieren, was seine Mutter die ganze Zeit in ihrem Arbeitszimmer macht, das Stöbern und -sollte ich es hier Glück nennen?- das Entdecktwerden, bevor Schlimmeres geschehen kann. Mit Drogen ist ja immerhin nicht zu spaßen, und Kinder sind ja dafür bekannt, wenn schon, es dann richtig anzugehen, sprich in dem Fall wäre das leicht eine Überdosis geworden. Wieder liest man fast automatisch zwischen den Zeilen, dass der Protagonist da nicht allzu alt gewesen sein kann. Ich weiß nicht, wann man sowas in der Schule durchnimmt... wir haben es zum Beispiel nie behandelt, bloß Zigaretten. Oder er hat es bei älteren Mitschülern gesehen, was das für Folgen haben kann, unter Umständen auch Tv oder Internet, man weiß es nicht, und es lässt Raum, darüber nachzudenken. Ich persönlich würde wieder an meiner Schule Kritik üben, dass wir sowas nie gelernt haben, sondern da sozusagen Eigenrecherche betreiben mussten, aber nun gut. Immer verzweifelter wird die Situation des Jungen, er versucht vergeblich,seine Mutter aus dem Drogensumpf heraus zu holen, aus Angst, er könnte sie als einzigen Menschen in seinem Leben verlieren, wer täte das nicht? Daher auch durchaus nachvollziehbar, dass er unter dem Druck irgendwann zusammen gebrochen ist, er konnte sich ja niemandem anvertrauen. Mitschüler hätten es wahrscheinlich sofort weiter erzählt, Ärzte das Jugendamt benachrichtigt, Verwandte wohl ebenso... und das in so einem frühen Alter, wirklich bedauernswert :x
    Eine kleine Anmerkung noch, bei "Ich machte alles allein", hätte ich gern gewusst, was er denn alles allein macht. Sicherlich meinst du so Haushalt und den ganzen Kram, eine kleine Aufzählung wäre hier aber auch nicht fehl am Platze gewesen, einfach, um das konkret zu nennen :>
    Tiefer und tiefer gleitet man in seine Abgründe, schlechte Schulnoten, bereits hier merkt man, wie er sich zurückzieht. Zu Anfang ja lediglich vor den Lehrern, aber dabei allein bleibt es ja meist nicht. Ebenfalls in vorigen Zitaten bzw in deiner gesamten Kurzgeschichte streust du geschickte Andeutungen, das finde ich besser als diese detaillierten Beschreibungen von allem und es erfüllt voll die Kriterien einer guten Kurzgeschichte. Einiges wird eben weiträumiger behandelt, bietet Platz für Vorstellungsfreiheiten und im Endeffekt weiß man insgeheim doch, was damit gemeint ist, es erschließt sich einem aus dem Kontext, dasselbe gilt für die Empfindungen des Erzählers. Kennst du dieses Gefühl beim Lesen, wenn man genau so einen Text wie deinen vor sich hat? Es ist großartig <3
    Als Letztes nennst du, wie prinzipiell erwartet, die Enttäuschung als finale Zusammenfassung der Situation. Doch wie hätte er es allein schaffen sollen? Das Opfer muss bei solchen Aktionen zu einer Änderung bereit sein, sonst hilft alles nichts, und das war hier ja nicht der Fall - leider =/ Und ich frage mich, wieso ist der Protagonist selbst nicht in Drogen oder Alkohol versunken? Ich glaube daran, dass das Umfeld für ein Kind sehr prägend ist, und ich meine... ein Großteil der Jugendlichen kennt die Nebenwirkungen von Drogen und Alkohol und konsumiert trotzdem beides, schlichtweg, um sich besser zu fühlen und dieser Welt zu entkommen. Oder hat er es doch getan und erzählt uns hier bloß nichts davon? Man weiß es nicht (also ICH weiß es nicht xD), und ist frei, darüber gründlich nachzudenken.
    Das mit dem an die Lieben denken ist mir btw neu, das kannte ich noch nicht :D Hm... hier wird endlich gelüftet, was es mit dem Vater auf sich hat, obwohl ich sowas eigentlich schon vermutet hatte, denn vorher war von ihm nie die Rede. Und mir gefällt es, dass du nicht scheust, Worte wie "Junkie" oder so zu benutzen. Ich mein "Drogensüchtige" wäre die angenehmere Variante, in deiner Geschichte aber total unpassend und einfach... ja, unangebracht. Es sind nunma harte Tatsachen, und, seien wir ma ehrlich, eine mildere Bezeichnung wäre untertrieben. Er flieht also vor seinem Elend... dazu habe ich (nachdem ich in entsprechendem Topic einige Male meine Meinung kundgetan habe) noch eine Frage: Denkst du, Suizid sei feige? Wenn du schreibst, er flüchte sich gerade vor all den Problemen seines Lebens, hat das so einen leicht... nicht unbedingt zynischen, aber ich sag ma "abwertenden" Nachklang. Es mag zwar der Wahrheit entsprechen, jedoch finde ich persönlich, dass es mildernde Umstände sind. Denn ich glaube, in der Situation des Erzählers hätte ich nichts anderes getan, früher oder später. Er hatte ja wirklich weder eine gute Lebensgrundlage, noch ein schönes Leben an sich =/ Im Übrigen finde ich es gut, dass du nach jedem kleinen Flashback diese Zwischenabsätze einbaust, die beschreiben, wie der freie Fall verläuft, immer gebunden an so eine Annahme, was vor dem Tod passiert. Das schafft so eine gewisse Ordnung in deiner Kurzgeschichte und man weiß, dieser Abschnitt ist beendet und gleich beginnt ein neuer :3 Zudem nähern wir uns so allmählich der Klimax, also dem Höhepunkt der Geschichte ~




    Lieben. Nein ich hatte keine, ich tat es auch nie. Meine Mutter betrachtete ich mit der Zeit nur noch als Laster und die Mädchen in der Schule hielten mich alle für den letzten Assi aus dem Ghetto. Quasi war ich das ja auch. Einmal war da eine, die fand ich recht toll. Ich beobachtete sie recht lang, bevor ich mich endlich mal traute, (Komma) sie anzusprechen. Tatsächlich wirkte sie von mir auch gar nicht so angewidert und wir verabredeten uns zum Eis essen. Wir unterhielten uns und ich war der Meinung, dass ich mich mit ihr so gut verstand, dass ich ihr alles von meiner Mutter erzählte. Von den Drogen und ihrer Sucht. Hätte ich mal schön mein Maul gehalten. Denn plötzlich stand sie einfach auf und ist weg gerannt. Hatte gesagt, mit sowas wie mir könne sie sich nicht abgeben. Da saß ich dann da vor zwei Eisbechern und als der Kellner mit der Rechnung kam, (Komma) bin auch ich aufgesprungen und weg gerannt. Die Tränen standen mir für einen kurzen Moment in den Augen, wichen dann jedoch der eisernen Fassade, (Komma) die ich seither nicht nur gegenüber Lehrern hege, (Komma) sondern vor allen Menschen, die mir begegnen, rund um die Uhr. Sogar vor meiner Mutter.
    Weil das Mädchen mich enttäuscht hatte, täuschte ich nun alle mit komplettem Desinteresse an der Welt.


    Es heißt, (Komma) Menschen wie ich, (kein Komma) würden gegen alle Wände anrennen. Nun ich kann euch sagen: Das stimmt nicht. Alles, (Komma) was ich in meinem Leben immer wollte (gewollt hatte), (Komma) war totale Ignoranz, ich wollte allein gelassen werden. Mit meinen Problemen abschließen, mein Leben in den Griff bekommen. Die einzige Wand, (Komma) gegen die ich je kämpfen werde, kommt gerade direkt auf mich zu. Alles um mich herum wird schwarz, wie bei dem Rattengift damals.

    Immer, wenn man denkt, es könnte nich schlimmer kommen, setzt du noch einen drauf. Endlich findet unser Erzähler jemanden, den er nett und süß findet, beichtet ihr (vielleicht mit etwas zu viel Naivität) die Bürde, die er bereits sein ganzes Leben lang tragen muss, und sie stößt ihn auch von sich, wie alle anderen, die er je kennen gelernt hat. Also zu dem Mädchen muss ich ja ma sagen, die kann man wohl in den Wind schießen. Nur, weil die Mutter solche Probleme hat, muss das doch nicht auch auf das Kind zutreffen :<
    Und wieder muss ich dich für die Einfachheit, der du dich hier bedienst, loben. Eine normale Verabredung zum Eis, bei der sich das Finale aller Erinnerungen zuträgt. Im Grunde auch nicht verwerflich, was der liebe Erzähler hier tut, immerhin kann man sowas einfach nicht für immer für sich behalten, früher oder später will es raus. Scheinbar hat er dem Mädchen schon sehr vertraut, wenn er es ihr sofort bei der ersten Verabredung erzählt, und sie reagiert total abweisend :( Dir gelingt es ohne große Mühe, den Protagonisten dem Leser nahe zu bringen, ihn sympathisch und bemitleidenswert zu machen, allein durch den Lauf der Erzählungen, seine Handlungen, seine Vergangenheit... ich bin wirklich beeindruckt, das schaffen nicht viele Leute hier. Sag, hast du es schon ma bei einem Verlag versucht? Vielleicht dürfen irgendwann kleine Gymnasiasten deine Kurzgeschichten analysieren :> Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert ^___^
    Zurück zu deiner Geschichte... dass er vor dem Bezahlen nur weggelaufen ist, könnte man schon als Andeutung auf sein Vorhaben sehen, was ja nebenher in vollem Gange ist, nämlich die endgültige Flucht vor allem. Ein weiteres Mal wurde er enttäuscht (nicht er ist der Verursacher dafür imo, zumindest dieses Ma), und so vergilt er Gleiches mit Gleichem, er baut um sich herum eine hohe Mauer, die niemand mehr zu durchdringen vermag. Durchaus nachvollziehbar, bei dem, was er alles erleben musste =/ Und ich gehe davon aus, dass der Protagonist auch nicht älter als 20 ist, sprich hat er eigentlich sein Leben noch vor sich. Nur, und das muss man sich ja fragen, was für ein Leben denn? Knappen Hauptschulabschluss, zerrüttete Familie (falls man das so nennen darf), niemandem, dem er vertrauen kann... wie soll man da ne eigene Existenz auf die Reihe bekommen? Viele schreiben, man müsse seine Probleme in den Griff bekommen, egal, wie hart das Leben sei, egal, wie viele Schwierigkeiten man bewältigen muss. Dass man irgendwann einfach am Ende seiner Kräfte ist, berücksichtigt dabei leider niemand.
    Einen letzten Funken Hoffnung hat er also immer besessen, bis zum Schluss. Bemerkenswert, irgendwie hab ich zu meinen schlimmeren Zeiten an sowas nie geglaubt, also weniger endgültige Alternativen. Jedenfalls kommt hier gegen Ende noch ein weiterer Charakterzug unseres Erzählers zum Vorschein, er hat imo die ganze Zeit ein sehr ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein besessen. Er wollte zwar seine Probleme hinter sich lassen, hat aber dennoch für seine Mutter gekämpft, sich ihr sozusagen verpflichtet gefühlt, hat seine eigenen Bedürfnisse dafür völlig in den Hintergrund gestellt, hatte irgendwo doch Hoffnung, er könnte das alles allein bewältigen, er fände jemanden, dem er sich anvertrauen könnte nach all den Jahren, und er schürt enormen Hass auf sich selbst, weil er es eben nicht geschafft hat. Ich persönlich würde ihm keinerlei Vorwürfe machen, für nichts, was hier aufgezählt wird an vermeintlichen Delikten. Herrgott, er war ein Kind/Jugendlicher, dementsprechend total überfordert mit allem. Alles Aspekte, die zwischen den Zeilen erscheinen, ohne dass du sie konkret nennst und sich nach und nach aus dem Kontext erschließen. Und das ist es gerade, was deine Kurzgeschichte so gelungen macht in meinen Augen. Sie erzählt einen mehr oder weniger kurzen Augenblick mit einigen kurzen Rückblicken darin, es wird nicht lange um den Kern herum geschrieben, sondern sich völlig auf die Geschehnisse und deren Wirkung auf den Erzähler konzentriert. Unter all deinen Werken gehört das ohne Untertreibung wirklich zu den aller allerbesten, auch, da du alle Kriterien erfüllst. Keine großen Zeitsprünge (Flashbacks zählen da ja nicht :3 ), Problemsituation, keine überflüssigen Umgebungsbeschreibungen, die Handlung steht im Vordergrund... und zum Schluss, der Rückbezug auf das Rattengift, rundet das Ganze gelungen ab.
    Kurz gesagt bin ich rundum begeistert von dieser Kurzgeschichte :> Ich habe im Grunde nichts daran auszusetzen, die kleinen Kommafehler habe ich dir da ja angestrichen, du greifst hier echt ein spannendes Thema und eine ebenso interessante Begebenheit auf, nämlich den freien Fall. Erinnert mich an das Buch "Falling Man", was wir in Englisch lesen mussten... Wenn ich in Deutsch in ner Klausur so ne KG zum Analysieren bekäme, was wäre ich froh *3* Naja, jedenfalls, mach weiter so, ich freue mich schon, deine nächsten Werke zu kommentieren ^_____^ Das Gedicht folgt auch gleich im Anschluss x)




    360
    Ungeachtet Cynda's Kommentar werde ich mich einfach ma dazu äußern, okay? Ich hatte schon zu lange kein gescheites Gedicht mehr zum Analysieren und das kann ich als Deutsch-Crack natürlich nicht auf mir sitzen lassen x3
    Der Titel, schon ma sehr interessant. Erinnert mich sofort an Mathematik und die 360° eines Kreises... könnte das dahinter stecken oder doch etwas anderes? Wir werden sehen ~




    Der Todeskuss ganz widerlich


    Ach, (Komma) was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag, (Komma) an dem du mich nicht plagest.
    Hab gezittert, hab gespürt
    Die Zeit ist da, ich kämpf mit dir
    Du mich nun zur Tat verführst.

    Nun gut, man erfährt, es dreht sich schon ma um den Tod. Klar, wenn hier von einem Todeskuss die Rede ist *sarcasm* Es scheint sich hier um einen längerwierigen Kampf zu handeln, wenn ich das richtig interpretiere, das lyrische Ich wartet ja sehnsüchtig auf den Tag, an dem es nicht mit dem Tod zu tun haben muss. Theoretisch könnte man von diesen Versen aus eventuell auf eine Krankheit schließen, die das lyrische Ich langsam dahin rafft, auch eine Depression oder Ähnliches könnte damit zu tun haben, schließlich ringt man bei dieser "Krankheit" auch ständig mit dem Tode oder zumindest den Gedanken daran.
    In Vers 4 sprichst du das Zittern des lyrischen Ichs an... Angst? Bangen vor dem, was folgt? Klar, vorher kann man immer sagen, man fürchte den Tod nicht (
    in der Kurzgeschichte wird er ja auch eher als Erlösung gesehen), aber im Endeffekt bleibt doch dieses Maß an Ungewissheit, was danach kommt, ob man dann wirklich ganz weg vom Fenster ist und ein kleiner Teil in einem selbst möchte auch noch nicht sterben.
    Interessant finde ich, dass das lyrische Ich gegen das... Unvermeidbare, sag ich ma ankämpft, es dennoch von eben diesem zur "
    Tat verführt" wird. Fast wie so eine Willenskontrolle -kennt man ja auch vielen Filmen-, bei der der... Hypnotisierte doch noch einen letzten Funken Hoffnung und Gegenwehr in sich trägt. Meist wird er dann ja auch von dem jeweiligen Bann befreit oder es gelingt ihm selbst, sich da heraus zu winden. Mal schauen, wie es sich hier verhält.




    Das Messer in des Herzens Gegend


    Ach, (Komma) was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag, (Komma) an dem ich Waffen trage.
    Hab gezittert, nur vor Wut
    Von dir beschwört, steh ich nun hier
    Verlässt mich doch der Mut?

    Ein Messer ist also im Spiel, interessant. Vorhin kam bei mir auch der Gedanke auf, dass der "Todeskuss" eventuell so interpretiert werden könnte, dass es der Abschiedskuss von seiner/m Liebsten ist, halt der Kuss vor dem Tod... wohl eher unwahrscheinlich x3
    Schön, dass du die zweite (und ja auch die dritte) Strophe mit einem Repetitio beginnst, ich mag solche einfachen, aber doch wirkungsvollen Stilmittel :3 Das bringt da so eine gewisse Struktur in das Gedicht, was ja auch durchgängig eben aufrecht erhalten wird.
    Je mehr ich darüber nachdenke... das lyrische Ich trägt also das Messer, ist ja immerhin eine Waffe... erst dachte ich, das wäre sowas Abstraktes wie die KG mit dem Tod, die du mir letztens geschickt hast, inzwischen jedoch denke ich (ja, ein Geistesblitz xD) bzw könnte ich mir vorstellen, dass es sich beispielsweise um eine von ihrem Mann misshandelte Ehefrau handelt, auf jeden Fall eine Person, die unter dem Zusammenleben mit einer anderen sehr leidet. "Plagen" kann ja auch gleichgesetzt werden mit "Quälen", und manche Männer vergehen sich ja auch brutalst an ihren Frauen und sogar ihren Kindern... dass die misshandelte Person, also das lyrische Ich, das irgendwann nicht mehr aushält und somit zu härteren Bandagen greift, sprich sich eine Waffe anzueignen, ist da nur nachvollziehbar. Bleiben wir auf diesem Wege, so ergibt sich, dass das lyrische Ich momentan mit seinem Gegner kämpft und ebenso gewisse Zweifel in sich hegt. Schafft das lyrische Ich, sich am Ende durchzusetzen? Lässt es sich doch weiter demütigen?
    Metrisch betrachtet verwendest du in beiden Strophen bisher nur Jamben und Trochäen, wenn ich mich recht entsinne, beginnst also entweder betont oder unbetont und dann immer abwechselnd... also, ich weiß nich, ob das Zufall war oder gewollt, jedenfalls gefällt mir das gut so ;> Schafft auch noch ma so ne spezielle Regelmäßigkeit, ich für meinen Teil verabscheue nämlich Unordnung ^____^
    Hier wird eine weitere Eigenschaft des lyrischen Ichs deutlich, ich meine, neben seinen Zweifeln, nämlich die Wut. Auch hier schönes Repetitio mit dem Zittern, dass man dies im Zorn tut, sollte auch allgemein bekannt sein, und wenn es selbst dazu kommt, muss die Rage wirklich enorm sein :o Sprich das lyrische Ich hat über einen längeren Zeitraum sozusagen alles in sich hinein gefressen und letztlich diesen Plan entwickelt, dem Ganzen ein Ende zu setzen... es weiß sich anders nicht zu helfen und greift jetzt zur Waffe. Wir nähern uns der Klimax :D





    Der erste Vers dieses Zitats klingt fast wie ein Befehl, zumindest wirkt es auf mich so. Kein richtiger, mehr so etwas Abschließendes, was sich jedoch mit dem der vorigen Strophe ganz gut ergänzen lässt. Jetzt wirfst du meine gesamte Interpretation wieder um xD Ähm, ähm, lass mich überlegen... wenn man das so sieht, hieße das theoretisch, dass das lyrische Ich seinem Feind das Messer so irgendwo in der Nähe des Herzens reingerammt hat... Nun ja, ma schauen, ob mir dazu noch was einfällt.
    Wieder ein Repetitio, und gerade jetzt fällt mir auf, wie dieses "sehnst" auf mich wirkt, nämlich so, dass das lyrische Ich sich von seinem Gegenüber die ganze Zeit ein anderes Verhalten gewünscht hat. Es hat darauf gewartet, dass sein Partner sich ändert, hat bis zuletzt gehofft, man könne doch noch etwas retten und es müsse nicht zu so drastischen Maßnahmen greifen. Zum Fliehen hatte es scheinbar zu große Angst, hört man ja auch immer, dass solche Menschen sich nicht trauen, ihrem Leid den Rücken zu kehren. Das lyrische Ich ist dementsprechend recht... hoffnungsvoll, dennoch eingeschüchtert, ein Sensibelchen, das alles in sich hinein frisst, bis es nicht mehr geht und ganz zuletzt noch sehr rigoros, will es seine Probleme mit Gewalt lösen.
    Die letzten Verse... gut, dass mit dem "benetzt nun mein Gesicht" könnte zum Todeskuss passen, in dem Sinne, dass es jemanden umgebracht hat vielleicht (oder das viele Blut, also in symbolischer Bedeutung, das bei der Tat verspritzt wird... ja, ich denke zu splattermäßig x3) . Ansonsten... muss ich mich vor diesem Gedicht wirklich geschlagen geben, so leid es mir tut ._. Ich finde es gerade etwas deprimierend, dass meine gesamte Facharbeit quasi nur aus Gedichtanalysen bestand und ich es jetzt nicht auf die Reihe bekomme, dieses Werk von dir hier gescheit zu interpretieren ~3~ Und ehrlich gesagt bin ich immer noch nicht dahinter gekommen, was es nun mit dem Titel auf sich hat... argh, das wird ja immer schlimmer mit mir >____< Bestimmt ist es wieder sowas richtig Simples ...
    Auf der anderen Seite hat es natürlich auch etwas Gutes, dass man das nicht kann. Man hat die Möglichkeit, sich viele unterschiedliche Gedankengänge dazu zu überlegen, und nur, weil ich hier nicht weiterkomme, heißt das nicht, dein Werk sei schlecht. Im Gegenteil, ich finde, es erzeugt durch die Mischung von Ordnung (Metrum, Repetitio) und Abstraktheit genau die Wirkung, die ich mir bei Poesie und Lyrik wünsche, es besitzt Atmosphäre (eine sehr verzweifelte, wie ich hier ma anmerken muss), etwas Endgültiges, Dramatisches, ohne dass es zu viel verrät - and I love it. Ich meine, Heinrich Heine schreibt Gedichte mit 2000 Strophen und du schaffst es, mich mit dreien zu begeistern, das ist ein großes Lob ^____^

    Abschließend kann ich sagen, dass mir beide Werke von dir sehr gefallen haben. In ihnen finden sich, wenn ich es richtig gedeutet habe, spannende und mitreißende Themen wieder, die jeder kennt, allerdings kaum jemand anspricht. Schade, denn aus ihnen lässt sich eine ganze Menge herausholen, wie du hier eindrucksvoll bewiesen hast. Ich bin froh, damals auf dein Topic gestoßen zu sein, wirklich, sonst wäre mir eine Perle hier im Bereich entgangen :>


    LG


    Namine ~

  • In letzter Zeit gab es viel Wind um mein Topic. Zwei Kommentare zu drei Werken und eine private Nachricht - ebenfalls zu 360 - warten auf eine Beantwortung. Deswegen werde ich auch zunächst auf eben jenes Gedicht eingehen.
    Ich möchte hier direkt vorwarnen, dass ich nun die gesamte Botschaft des Gedichtes offenlegen werde, sollte jemand noch Lust haben diese selbst herauszufinden oder aber eine eigene zu entdecken, so sollte nun nicht weiter lesen.


    Namine und Cyndaquil schafften beide leider nur einen Teil richtig zu deuten. Zugegeben: Alle eure Interpretationen sind nachvollziehbar was dann wohl auf eine fehlende Eindeutigkeit meinerseits schließen lässt. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass gerade dies den Reiz eines Gedichtes ausmacht.
    Das lyrische Ich wird vom lyrischen Du seit Ewigkeiten geplagt.

    Zitat

    Ach was hab ich sehnst erwartet,
    den Tag an dem du mich nicht plagest.


    Es entschließt sich diesem ein Ende zu machen und sein Widersacher zu töten, das Blatt gewisser Maßen um 180° zu drehen.

    Zitat

    Die Zeit ist da, ich kämpf mit dir
    Du mich nun zur Tat verführst.


    Der Versuch misslingt allerdings, das lyrische Du ist stärker und tötet das lyrische Ich.

    Zitat

    Hab gezittert, nur ganz kurz
    Du zeigtest keine Zier
    Ich trete an, zum größten Sturz


    Somit hat sich das Blatt nicht nur um 180° gedreht, sondern um 360, was die Titelgebung erklärt. Namines anfänglicher Gedanke war also gar nicht so abwegig.
    Cyndaquil sprach ein schwer zu erkennendes Reimschema an. Nun hier muss ich sagen, dassfast jeder Vers ein Gegenstück hat, welche auch mit einer gewissen Systemantik angeordnet sind.

    Vers Reim
    Der Todeskuss ganz widerlich a
    Ach, was hab ich sehnst erwartet, b
    den Tag, an dem du mich nicht plagest. /
    Hab gezittert, hab gespürt c
    Die Zeit ist da, ich kämpf mit dir d
    Du mich nun zur Tat verführst. c
    Das Messer in des Herzens Gegend e
    Ach, was hab ich sehnst erwartet, b
    den Tag, an dem ich Waffen trage. /
    Hab gezittert, nur vor Wut f
    Von dir beschwört, steh ich nun hier d
    Verlässt mich doch der Mut? f
    Hauche aus das letzte Leben e
    Ach, was hab ich sehnst erwartet, b
    den Tag, an dem du mich nicht plagest. /
    Hab gezittert, nur ganz kurz g
    Du zeigtest keine Zier d
    Ich trete an, zum größten Sturz g
    Benetzt nun mein Gesicht a



    So gibt es innerhalb der Strophe immer einen Reim, der durch einen anderen Vers gesperrt wird. Diese sperrenden Verse reimen sich untereinander. Die allein stehenden Verse zwischen den Strophen bilden außerdem einen Kreuzreim. Der erste Vers einer jeden Strophe ist jeweils gleich, der jeweils zweite hat zwar an sich keinen Reim aber immer den selben Anfang. Die zweiten Verse aus Strophe Eins und Drei sind zusätzlich komplett identisch.
    Ich hoffe ich habe jetzt nichts vergessen, und alles verständlich erklärt, falls nicht: Fragt ruhig nach. :)
    Vielen lieben Dank für die Kommentare.


    _____________________________________________


    Nun noch zu Namines Kommentar bezüglich All I know is falling.

    Zitat

    Der Protagonist reflektiert noch einma sein Leben, die Aspekte, die ihn geprägt haben, was ihn verletzt, quasi zerrissen hat bereits in sehr jungen Jahren, sprich du widerlegst deine eigene Einleitung, indirekt zumindest. Ich weiß nicht, ob das so gewollt ist oder nicht, jedoch gefällt es mir sehr ^_____^


    Ja das war beabsichtigt. So hatte ich zuerst vor, dass am Ende dem Protagonisten auffällt, dass seine anfängliche These falsch war. Der letzte Satz sollte dann heißen "Ich hatte mich getäuscht." Deswegen der Arbeitstitel Getäuscht. Allerdings hat dieses Ende dann im Laufe des Schreibens nicht mehr hinein gepasst, weshalb ich mich für die jetzige Fassung entschieden habe.


    Zitat

    Dass er sich allerdings da schon Vorwürfe macht... finde ich sehr hart :o Ich meine, er war ein kleines Kind und wusste es eben nicht besser.


    Zitat

    Er flieht also vor seinem Elend... dazu habe ich (nachdem ich in entsprechendem Topic einige Male meine Meinung kundgetan habe) noch eine Frage: Denkst du, Suizid sei feige? Wenn du schreibst, er flüchte sich gerade vor all den Problemen seines Lebens, hat das so einen leicht... nicht unbedingt zynischen, aber ich sag ma "abwertenden" Nachklang.


    Nein ganz im Gegenteil denke ich, dass Suizid feige ist (die richtige Lösung ist es dennoch nicht...). Viel mehr sollte diese Passage (zusammen mit den anderen) darstellen, wie sehr das lyrische Ich in Selbstvorwürfen versunken ist. Du sagtest ja selbst, er zeigt eine große Verantwortung, gleichzeitig sucht er die Schuld die meiste Zeit bei sich, deswegen auch die Vorwürfe wegen der Kindergartenzeit.
    Ansonsten möchte ich mich nochmal für den Vorschlag beim FF Award bedanken und für das viele Lob. Ich freu mich wirklich immer wahnsinnig, das zu lesen und dass dir meine Sachen so gut gefallen. :)
    Die Rechtschreib- und Grammatikfehler werde ich selbstverständlich ausbessern.



    Liebe Grüße,
    Dachs.

  • Seit ein paar Tagen ist sie bereits auf meinem Blog zu lesen, jetzt möchte ich sie auch hier veröffentlichen: Eine weitere Kurzgeschichte, die da den Titel Aus dem Leben eines Toten trägt. Kurz vor Weihnachten geht es also nochmal um ein düsteres Thema.




    Aus dem Leben eines Toten



    Langsam neigte sich der Sarg nach unten, die Erde nahm ihn in sein Reich auf, die Glocken vom nah gelegenen Kirchturm begleiteten ihn dabei. Im Sarg, da lag ein guter Freund von mir. Mehr als das: Im Sarg da lag mein Vater. Während der Beerdigung – ich war fassungslos; Wie durfte so etwas Schreckliches nur passieren? – schwor ich mir, jeden Tag hierher zurückzukommen. Ich denke, hätte ich mich daran gehalten, würde ich mich jetzt nicht ebenfalls in einem Sarg befinden, die Erde würde mich nicht in ihr Reich aufnehmen und auch die Glocken, ja auch sie würden schweigen. Vieles hätte anders kommen können, doch ich möchte euch nur von dieser einen Geschichte erzählen.


    Die ersten Wochen hielt ich mein Versprechen. Jeden Tag stand ich am Grab meines Vaters, tief steckte die Trauer in mir. Am Tag, als ich von seinem Tod erfahren hatte, war ich sonderlich gefasst gewesen, es wirkte nahezu so, als wäre es mir gleichgültig gewesen. Doch seit der Beerdigung, war ich nicht mehr wie früher. Seit der Beerdigung war mir bewusst, dass einer der wichtigsten Menschen meines Lebens, eben jenes verlassen hatte.
    Das heißt: Er stand kurz davor. Zulassen wollte ich es nicht, tat es nicht. Niemals sollte mein Vater mein Leben verlassen. Niemals wollte ich seine Stimme vergessen, niemals seinen Blick, der vor Freude strahlte, wenn ich ihn besuchen kam. Ich wusste, auch jetzt, obwohl ich ihn nicht mehr sehen konnte, hatte er diesen freudigen Blick, den er immer hatte, wenn ich bei ihm war. Ich stand jeden Tag vor ihm. Legte Blumen nieder, betete sogar für ihn und verbrachte immer an die zwei Stunden - bloß schweigend – an seinem Grab.
    Anfangs hatte ich versucht, ihm von meinem Tag zu erzählen, kam mir dabei jedoch albern vor. Ich war mir sicher, er kannte meine Gedanken, wie es mir ging, was mich bedrückte: All das hatte er mir immer schon, sofort aus den Augen heraus abgelesen.


    Schließlich aber, wurde es Zeit für mich, wieder ins Berufsleben zurück zukehren. Mein Chef war anfangs tolerant gewesen, hatte ein Auge zugedrückt, wenn ich etwas früher ging oder später kam. Doch so langsam hatte ich seine Geduld ausgereizt, es ging nicht anders. So wurden nach zwei Wochen, aus zwei Stunden, eine. Ich sagte mir selbst, dass er es so gewollt hätte. Wollten die Verstorbenen das nicht immer? Dass man wieder zurück ins Leben findet, dass man nicht ewig an ihnen klammert? Ich wünschte mir, dass sie es so wollten.
    Es waren weitere fünf Wochen vergangen, als mein Boss von mir verlangte, an diesem Tag Überstunden zu machen. Ich hatte mein Soll für die vergangene Woche nicht erfüllt, das holte mich jetzt ein. Es war spät, als ich das Büro verließ. Die Nacht hatte ihren dunklen Mantel bereits über der Stadt ausgebreitet, und obwohl – oder gerade, weil er so dick war – kroch die Kälte durch die Straßen. Auch mich ereilte sie, als ich am Friedhof ankam. Das große Eisentor, welches umgeben war von hohen Mauern, war verschlossen, gesichert mit einem gigantischem Vorhängeschloss, lachte es mir geradezu, schadenfroh ins Gesicht. Das Schild daneben verkündete mir, mit gehässigen Worten und Zahlen, dass ich die Öffnungszeiten verpasst hatte.
    Es war der erste Tag, an dem ich es nicht schaffte, meinen Vater zu besuchen.
    Ich machte mir Vorwürfe, gab mir die Schuld daran. Hätte ich die Woche besser gearbeitet, hätte ich keine Überstunden machen müssen, dann hätte ich durch das eiserne Tor schreiten können, hätte es schadenfroh anschauen können. Hätte.


    Doch aus dem einem Mal, wurde viele Male. Ich musste wichtige Einkäufe erledigen, ein Freund holte mich von der Arbeit ab, es regnete in Strömen… Ich kannte viele Gründe, mein Versprechen an diesem oder jenem Tag nicht einzulösen. Ja, einmal reichte sogar das Spiel meiner Lieblingsmannschaft im Fernsehen aus. Und dann, irgendwann brauchte ich nicht einmal mehr Gründe, hörte auf die Wochen seit der Beerdigung zu zählen, ich vergaß sogar seine Stimme und den freudigen Blick.


    Jetzt könntet ihr denken, mein Vater sei mir egal geworden. Nun wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke: Vielleicht habt ihr Recht, mit Sicherheit kann ich es aber nicht sagen. Ich persönlich sagte mir immer, ich hätte einfach mit seinem Tod abgeschlossen. Hoffte wieder, die Toten wollten das. Dass man sein Leben weiterlebt, nicht ewig an ihnen klammert. Und doch könnte alles eine faule Ausrede gewesen sein, doch war ich mir dessen nicht bewusst, hatte ich den freudigen Blick meine Vaters, den er immer dann hatte, wenn ich ihn besuchte, doch bereits vergessen.


    Einige Jahre nach seinem Tod entdeckte eine Schachtel. Sie lag weit hinten, auf dem obersten Regalbrett in meinem Arbeitszimmer. Sie hatte bereits Staub angesetzt, und die Marke, die auf ihr abgedruckt war, hatte schon vor Ewigkeiten das Logo gewechselt. In der Schachtel lag ein Fotoalbum. Ringebunden, groß, schwer und mit einem blauen, ledrigen Einband. Ich wühlte in meinem Kopf nach Erinnerungen und ganz weit hinten, im Dunkeln meines Unterbewusstseins, rührte sich auch etwas. Bloß: Es lag so sehr im Dunkeln, dass es mir nicht möglich war, zu erkennen, was genau da lag. Ich schlug also die erste Seite auf, eine kleine Staubwolke stieg auf und erfüllte den Raum um meinen Kopf. Ich wedelte sie weg und betrachtete das erste Bild. Ein kleines Kind mit einer Eistüte in der Hand lachte mich an, die Nase lief ein wenig und der Mund war zu einem breiten Grinsen verzogen, welches von einem Ohr, bis zum anderen reichte. Ich erkannte meine Lieblingseissorte wieder: Schokolade. Dann erkannte ich den Hintergrund wieder: Unser alter Urlaubsort an der See. Direkt hinter dem Kind, war dieses Schild mit der Porzellan Möwe obenauf, welche heute vom Kot, ihrer lebendigen Artgenossen bedeckt ist. Schließlich erkannte ich mich selbst in dem Bild, ein Foto von mir, als ich noch im Kindergartenalter gewesen sein musste. Ich blätterte um. Beinahe hätte ich das Album fallen gelassen. Wieder schaute eine frühere Version meiner selbst aus dem Album heraus, doch neben ihr saß jemand, an den ich schon länger nicht mehr gedacht hatte: Mein Vater. Ich saß auf seinem Schoß und ich erkannte in seinen Augen diesen Blick. Diesen Blick, den ich dachte vergessen zu haben. Vor uns war ein Kuchen aufgebaut, vier Kerzen rundherum angeordnet und an der Wand hinter mir hing ein großer, roter Luftballon.
    Ich schluckte, blätterte weiter. Das Album war gefüllt mit solchen Bildern, ich konnte uns beide altern sehen. Ich wurde größer, erwachsener, sein Haar verlor an Farbe. Nie waren die Änderungen gravierend, doch nach spätestens drei Bildern konnte man sie entdecken. Hätte man die Fotos schnell hintereinander gezeigt, hätte man vermutlich ein Daumenkino in ihnen erkennen können. Nicht immer war klar, wer das Foto geschossen haben könnte.
    Die letzten Seiten des Albums waren leer. Eine einzelne Träne rann mir über die Nasenspitze, verweilte dort kurz und tropfte dann auf die schwarze Pappe. Begierig zog diese die Nässe ein. Wie lang war ich nicht mehr bei meinem Vater gewesen? Ich versuchte mich zu erinnern, konnte aber nur noch mit Mühe, das Datum der Beerdigung aus meinen Gedanken entwirren. Die Monate, die seitdem vergangen waren, schaffte ich nicht mehr auszurechnen, zu aufgelöst war ich. All die Erinnerungen kehrten zurück, sie erwischten mich zu einem ungünstigen Zeitpunkt, hatten mich überrumpelt und nun betrachtete ich all die Zeit, die ich nicht im Stande war auszurechnen, als verlorene Zeit. Wie konnte ich das nur je wieder aufholen?
    Es war der Abend, an dem ich beschloss, wenigstens eine der Seiten, mit einem Foto, vom Grab meines Vaters zu füllen. Der nächste Tag bot sich dafür wunderbar an. Ich würde früh Feierabend haben, die Nacht sich noch zurück halten und das Eisentor gewiss noch geöffnet sein.


    Ich packte zu Feierabend also gerade meine Unterlagen ein, da meldete sich mein Handy zu Wort. Ein Freund wollte sich mit mir auf einen Kaffee treffen. Ich blickte auf die Uhr: Es war noch genug Zeit und das Café würde nur zwei Straßen weiter sein. Ich zögerte nicht lange, was sprach schon dagegen? Das Foto konnte ich auch immer noch hinterher machen.
    Also verließ ich beschwingt das Bürogebäude, ging an meinem Wagen vorbei, der mich ursprünglich zum Friedhof hätte bringen sollen und schlug den Weg in die andere Richtung ein.
    Und dann: Der Aufprall war heftig, ich spürte wie eine gewaltige Kraft mich zugleich nach vorne und nach oben drückte. Ich überquerte gerade die Straße, als ein Auto aus einer Seitenstraße heraus kam. Schlitterte um die Ecke, gab Volldampf und traf mich direkt an der Hüfte. Ich konnte nicht erkennen, wer der Fahrer war, ja nicht einmal die Farbe weiß ich noch!
    Schmerzen vernahm ich keine, meine Gedanken kreisten um tausend Dinge zugleich und letztendlich doch nur um eines: Würde ich jetzt meinem Vater folgen? Die Arbeitstasche war neben mir gelandet, die Kamera - heraus gefallen - lag in einigen Einzelteilen unweit von mir entfernt.
    Das letzte, was meinen Kopf durchzuckte, war eine Zahl: Vier. Vier Jahre, war ich nicht mehr bei ihm gewesen, heute auf den Tag, vier Jahre.
    Den Krankenwagen hörte ich nicht mehr kommen.


    Text: 23.11.12,
    Überarbeitung: 29.11.12, 02.12.12
    Erstveröffentlichung: 02.12.12



    Ich denke, die meisten waren bereits in der Situation, dass eine nahestehende Person das Leben verließ. Aber wie weit darf man das Damit Abschließen gehen lassen? Macht das Versprechen eines regelmäßigen Besuches Sinn oder sind es doch nur leere Worte?
    Ich bin gespannt auf eure Antworten und/oder Feedback. :)


    Eine besinnliche Vorweihnachtszeit euch allen
    - Dachs

  • Einen knappen Monat später... jaja, ich will dich jetzt nicht mit Ausreden nerven, daher sag ich es dir ganz direkt: Ich hatte in der Zeit so viel Stress, dass ich schlichtweg keine Lust zur Aktivität hier hatte, erst recht nicht für einen Kommentar. Diese Schuld liegt jedoch nicht bei dir, von daher folgt nun das, was schon seit einem Monat fällig gewesen wäre. Und ich finde es nach wie vor schade, dass außer mir noch niemand (!) kommentiert hat.
    "Aus dem Leben eines Toten", soso, ein schönes Paradoxon hast du hier. Ich liebe ja Stilmittel in Überschriften, das versuche ich selbst auch immer wieder x3 Erst hatte ich "Tagebuch" gelesen und mich irgendwie daran festgeklammert, keine Ahnung wieso, beides wäre für mich höchst interessant. Aber nun gut, bleiben wir beim Leben. Meine erste Vermutung wäre, dass man das sowohl auf den Vater, als auch auf das lyrische Ich (man erfährt nicht, ob weiblich oder männlich, aber okay, das soll kein Makel sein, immerhin soll man bei Kurzgeschichten ja selbst denken und sich auf die Handlung konzentrieren). In der Hinsicht des Vaters wäre es, dass sein "Leben" quasi daraus besteht, dass sein Kind ihn täglich am Grabe besucht, dies aber eben aufgrund von zeitlichen Gründen und Ausreden ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr schafft und so das "Leben" des bereits Toten langsam endgültig erlischt.
    Von Seiten des lyrischen Ichs her... es ist ja am Ende ebenfalls tot, also erzählt die Geschichte sein Verhalten und seine Geschichte als noch Lebender und der Titel kann nachwirkend verstanden werden, falls du mich wenigstens verstehen kannst...? Jedenfalls gefällt mir schon einmal die Überschrift sehr, sie weckt Neugierde und macht auf alle Fälle richtig Lust aufs Lesen. Zugegeben, gelesen hatte ich deine Story hier schon lange, nur eben zum Kommentieren konnte ich mich nicht aufraffen.



    Langsam neigte sich der Sarg nach unten, die Erde nahm ihn in sein Reich auf, die Glocken vom nah gelegenen Kirchturm begleiteten ihn dabei. Im Sarg, da lag ein guter Freund von mir. Mehr als das: Im Sarg da lag mein Vater. Während der Beerdigung – ich war fassungslos; Wie durfte so etwas Schreckliches nur passieren? – schwor ich mir, jeden Tag hierher zurückzukommen. Ich denke, hätte ich mich daran gehalten, würde ich mich jetzt nicht ebenfalls in einem Sarg befinden, die Erde würde mich nicht in ihr Reich aufnehmen und auch die Glocken, ja auch sie würden schweigen. Vieles hätte anders kommen können, doch ich möchte euch nur von dieser einen Geschichte erzählen.

    Die perfekte Formel zum Unglücklichsein, wie man sagt: Hätte, würde, könnte, die lieben Möglichkeitsverben. Schöner Einstieg, gefällt mir, das erzeugt gleich zu Anfang so eine... angehaucht negative Atmosphäre, sage ich mal. Man ist mit diesen ganzen rhetorischen Fragen konfrontiert, auf die man im Laufe der Geschichte noch eine Antwort erhalten wird - oder eben nicht, dessen ist man sich ja noch nicht bewusst. Gleichsam mag ich diese Erzählperspektive. Personal und gleichsam in dem Sinne eigentlich unmöglich, denn besagtes lyrisches Ich ist ja bereits tot, oder liegt es in letzten Zügen? Zumindest für mich stellt sich diese Frage, über die man sich unzählige Gedanken machen kann. Genau das liebe ich so an deinen Kurzgeschichten. Sie regen wirklich zum Nachdenken an und sind ab einem gewissen Zeitpunkt nicht einfach zu Ende. Er trifft den Leser immer genau da, wo er am empfindlichsten ist, nämlich bei sich selbst. Hach, wie könnte ich darüber schwärmen <3 Ich zum Beispiel frage mich ja auch in vielen Situationen: "Hätte es anders sein können? Besser?" und doch findet man keine eindeutige Antwort darauf. Gerade solche sensiblen Themen sind es, die deine Geschichten so ergreifend und authentisch machen und ich bewundere dich wirklich dafür.
    Was ich speziell an diesem Zitat noch erwähnen möchte, ist das Repetitio mit den und dem Erdenreich. Das stellt noch einmal eine Parallelität zwischen Vater und Kind her (ich gehe ma davon aus, es ist ein Sohn) und eine ebenso traurige, wie rührende Verbindung. Beide in jeweils einem Sarg begraben, beide wahrscheinlich viel zu früh aus dem Leben geschieden...
    So, nun werde ich das etwas allgemeiner fassen, sonst kann ich mit dem Kommentieren gar nicht mehr aufhören.
    Die Geschichte ist wahrlich rührselig erzählt und ich muss zugeben, ich wurde mit jeder Zeile trauriger und trauriger. Es reichen schon einfache Beschreibungen von Handlungen und Verhalten aus - und das ausschließlich bei deinen Geschichten - um mich emotional mitzunehmen. Vor allem diese Einschübe wie



    Jetzt könntet ihr denken, mein Vater sei mir egal geworden. Nun wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke: Vielleicht habt ihr Recht, mit Sicherheit kann ich es aber nicht sagen.

    Selbstvorwürfe in direkter Verknüpfung mit dem, was der Leser eventuell denken mag - damit nimmst du diesem das Wort aus dem Munde. Das Wahrscheinlichste wäre wirklich, zu denken, der Vater sei dem lyrischen Ich nunmehr einerlei. Man weiß es beim Lesen, doch bewusst an dieses Phänomen denken tut man nicht, zumindest habe ich das nicht getan. Es war eher... unbewusst. Du nimmst das Tiefgründige und bringst es verstohlen und ganz heimlich an die Oberfläche, ohne dass man es sofort merkt, sondern erst im Nachhinein. Ich finde es jedes Mal wieder faszinierend, wo du dieses Talent, diese Methodik hernimmst. Bitte, versprich mir, dass du auch in Zukunft deine Kurzgeschichten veröffentlichst, ja? Und ich meine nicht hier oder in irgendeinem Blog, sondern richtig veröffentlichst, als Sammlung von mir aus, nur bitte, behalt sie nicht für dich! Du bist gut, das weißt du genauso wie ich, und du verschenkst so viel, würdest du damit nicht öffentlich.
    So, nun weiter im Text. Lang, lang ist's her, dass man an den Vater überhaupt nur im Entferntesten gedacht hat, und plötzlich findet man diese Schachtel. Man merkt schon, es steuert allmählich auf den Höhepunkt zu, die Handlung gewinnt mehr an Dichte und Gefühl und es bahnt sich etwas Dramatisches an; etwas, das das Leben des lyrischen Ichs nach so langer Zeit wieder auf den Kopf stellt: die Schachtel bzw das Fotoalbum. Ich fand es richtig gelungen, wie du diesen Fund verpackt hast, und auch die Bilder in dem Album hatten durchaus viel Authentisches. Ein Kind mit einer Eistüte, eine Geburtstagsfeier... und da steht der Vater wieder im Leben, denjenigen, den man im Grunde schon längst vergessen hatte. Ich muss sagen, ich konnte in dem Augenblick, als das lyrische Ich diesen Blick entdeckt hat, so sehr mitfühlen... einerseits herzerwärmend, dass es nach all den Monaten endlich sozusagen zu seinen Wurzeln zurück gefunden hat; andererseits so tottraurig, all die vergeudete Zeit, die es sich mit Ausreden und billigen Zeitvertreiben versüßt hat - mir standen die Tränen förmlich in den Augen. Ja, ich weiß, vielleicht albern, aber ich fühle beim Lesen immer sehr mit und gerade deine Geschichten gehen mir stets sehr nahe.


    So wurden nach zwei Wochen, aus zwei Stunden, eine. Ich sagte mir selbst, dass er es so gewollt hätte. Wollten die Verstorbenen das nicht immer? Dass man wieder zurück ins Leben findet, dass man nicht ewig an ihnen klammert? Ich wünschte mir, dass sie es so wollten.

    Diese Frage stellt man sich Tag für Tag und doch ist es unmöglich, sie zu beantworten. Ja, wollen die Toten das? Wollen sie wirklich vergessen werden, um den noch Lebenden das Dasein zu erleichtern? Oder ist es nicht gerade das, was man vor seinem eigenen Dahinscheiden fürchtet, nämlich, dass sich niemand an einen erinnert? Wahrlich ein moralisches Dilemma, aus dem man so einfach sicher nicht heraus kommt, und doch, wie du schon sagst, wünscht man es sich. Man will sich nicht schuldig machen, den Geliebten zu vergessen, doch leider geht es im Alltag oft nicht anders. Du selbst führst hier das Beispiel des erst geduldigen, dann zunehmend missgestimmten Chefs auf, auch wieder schön aus der Realität gegriffen. Es gibt ja heutzutage wahrscheinlich kaum einen Arbeitgeber, der so gutmütig mit seinen Angestellten ist, die Welt ist zu hart und unerbittlich geworden. Trotzdem passt es zum Umfeld des lyrischen Ichs, wie ich finde. Dieses hat etwas... Sympathisches an sich. Der Vorsatz, das Grab jeden Tag zu besuchen, die Schuldgefühle, als es nicht mehr klappt, die vergeblichen Versuche, sich zu rechtfertigen... allein der Vorfall an sich, der Verlust des Vaters, ist ja bereits mitleiderregend, wodurch du die Sympathie des Lesers auf deine Figur lenkst. Wieder um die Ecke gedacht, ohne dass man es bewusst wahrnimmt, dafür kann ich dich lediglich loben :3



    Vor uns war ein Kuchen aufgebaut, vier Kerzen rundherum angeordnet und an der Wand hinter mir hing ein großer, roter Luftballon.


    Vier. Vier Jahre, war ich nicht mehr bei ihm gewesen, heute auf den Tag, vier Jahre.

    Gezielt eine Parallele gezogen oder nur Zufall? Ich wage zu sagen, dass das von dir gewollt war. Das Bild mit der Geburtstagstorte quasi ein Hinweis auf die Zeit, die vergangen war, ein verdeckter, im Nachhinein vielleicht unlogischer und es gibt sicherlich viel, was dagegen spricht, dennoch ist das für mich kein Zufall mehr. Das hat fast etwas Magisches an sich, meiner Meinung nach. Vier Jahre das Kind auf dem Bild, das das lyrische Ich wieder an seinen Vater erinnert - vier Jahre insgesamt vergangen... da muss Sinn hinter stecken ;D
    Das Vorhaben des lyrischen Ichs ist wirklich löblich. Ein weiteres Mal der Vorsatz, etwas zu tun, was an den Vater erinnert, diesmal in Form eines Fotos im Album. Wahrhaft ergreifend, muss ich sagen. So simpel, im Grunde banal, und es erzeugt doch so viel Gefühl in einem, im Leser, in mir, schlichtweg, weil man es so gut nachvollziehen kann. Und dann... wird er daran gehindert, ich war so fassungslos ;3; Das ist quasi noch eine Steigerung des ohnehin kaum Wiedergutzumachenden, nämlich, dass das lyrische Ich den Vater hat in Vergessenheit geraten lassen. Jetzt hat es sich vorgenommen, das zu ändern und stirbt selbst, welch traurige Ironie. Ich könnte dich schlagen, dass du es hast sterben lassen D: So dramatisch und... meh ._. Man hat sich gerade so richtig mit dem lyrischen Ich angefreundet und dann lässt du es sterben, wie fies kann man sein? Der Clou ist ja noch daran...



    Das Foto konnte ich auch immer noch hinterher machen.

    Das war für mich echt ein Knaller. Nach all der Zeit entschließt das lyrische Ich sich endlich ma, seinen Vater in Gedanken wieder aufleben zu lassen, und dann lässt es ihn für einen Freund sitzen? Den Menschen, der für es eben mehr als bloß ein guter Freund war, wie man am Anfang erfährt? Also ehrlich, ich mag beinahe sagen, dann ist es selbst Schuld. Der Unfall war die Strafe dafür, dass es sich schon wieder hat drücken wollen, zumindest kommt es einem so vor. Das wäre wieder so eine billige Ausrede, wie das lyrische Ich all die Monate über gesucht und auch gefunden hat, etwas anderes war in dem Moment wichtiger als der eigene Vater... ich bin sprachlos. Wie viel hält das schlechte Gewissen des lyrischen Ichs denn bitte aus? Nichtsdestotrotz ein gelungen eingefügtes Stück des Ganzen. Hier erfährt man noch einmal deutlich einen Charakterzug des Erzählers und nicht bloß über einen Wink mit dem Zaunpfahl, wirklich, sehr schön. Aus deinen Geschichten lässt sich immer so viel herausholen <3

    Was ich dieses Mal zu bemängeln hätte, wäre zum einen deine Zeichensetzung. Du hast dich hier teils derbe verhaspelt, was die Setzung von Kommata angeht, denn eigentlich bin ich auch in der Hinsicht Perfektion von dir gewöhnt. Außerdem haben mir einige Details gefehlt, beispielsweise woran der Vater gestorben ist. Wäre er ebenfalls bei einem Autounfall gestorben, hätte das natürlich entsprechend größere Dramatik mit sich gezogen, und ebenso eine engere Verbindung zwischen Vater und Kind. Oder aber der Tod des Vaters wäre ein langwieriger Prozess gewesen, unter dem das lyrische Ich bereits lange gelitten hätte, und somit umso schmerzhafter die Erkenntnis, den lang geliebten, über lange Zeit verlorenen Vater fast komplett vergessen zu haben, umso größer die Schuldgefühle diesbezüglich.
    Das sind so meine Gedanken und Anmerkungen gewesen. Bis auf das eben Geschilderte habe ich wie immer fast nichts auszusetzen. Eine schöne und ebenso dramatische Problemsituation hast du da gewählt. Nun gut, normalerweise hat man keine so großen Zeitsprünge, das dürftest du selbst wissen, jedoch fällt das hier nicht zu streng ins Gewicht, denn die Handlung ist dafür umso mitreißender. Ich kann dich lediglich dafür loben, was du hier postest. Du hast Talent, du hast Kreativität, du behandelst Themen, die jeder kennt und sie doch verdrängt, und das mit solch einer gezielten Präzision, dass es mir fast Angst macht. Ich fände es wahrlich schade, würdest du all das hier nicht beibehalten, du hast das Zeug zu einem echt guten Autor. Ob Gedichte, Kurzgeschichten, von mir aus auch ein gesamtes Buch - ich glaube, vom Literarischen her würde dir alles gelingen.
    In dem Sinne verabschiede ich mich nun, auf dass dein nächstes Werk ein ebenso tolles wird wie die bereits vorhandenen. Besser kann es nämlich kaum noch werden ;3


    LG


    Namine ~

  • Ferienbeginn: Endlich Zeit auf das Kommentar zu antworten.
    Ende des Reizwortwettbewerbs: Endlich die Möglichkeit das jüngste Werk hier auszustellen.
    Beides zusammen: Endlich mal wieder ein Post in diesem mitlerweile doch arg eingestaubten Thread.
    :)



    Wie bereits erwähnt, ist dies hier meine Abgabe zum kürzlich abgelaufenem FF-Wettbewerb. Aufgabe war es zu fünf Reizwörten eine Geschichte zu schreiben, in denen diese vorkommen.
    Für die, die es bereits vorab wissen wollen, die Reizwörter waren: Wolke sieben - Vulkanausbruch - Mango - Freundschaft - Vanille (Text makieren)


    Du lebst


    Wenn ich die Augen verschließe und in dein Gesicht blicke,
    wenn ich die Ohren bedecke und dein Lachen höre, dann spüre ich all die Erinnerungen, welche ich zunehmends versuchte zu vergessen, aus meinem Herzen hervor quellen. Sie brechen aus mir aus wie bei einem Vulkanausbruch. Die kochende, schmerzende Lava durchfließt meine Seele, lässt sie nahezu verbrennen und tritt dann in meine noch immer geschlossenen Augen um über die Wangen, an den bedeckten Ohren vorbei, sich in meinem Kissen zu verlieren. Der Verlust, den ich erleiden musste: Unsere Freundschaft.
    Wenn ich dein schon immer muffig stinkendes Wohnzimmer betrete, rieche ich den Duft von Vanille. Ich erinnere mich an den großen, gelben Fleck auf der frisch tapezierten Wand, der nur entstanden war, weil du die Schale mit Eis nicht festhalten konntest, als du über meine Beine gestolpert bist. Wir konnten die gesamte Wand neu streichen, das Eis schmolz währenddessen.
    Wenn mein Mund mal wieder komplett austrocknet, mir die Spucke weg bleibt und ich nichts mehr schmecken kann, schmecke ich den Geschmack von frischer Mango. Mit ihr bist du damals an deine erste Freundin geraten. Sie wollte damals unbedingt in der Nacht um drei Uhr Mango essen. Du riefst bei mir an ich solle schnell zu deiner Wohnung kommen und von irgendwo diese verdammte Mango besorgen, möglichst bevor ihr zurück kamt.
    Ich weiß nicht mehr wie, doch ich schaffte es. Leider so spät, dass ich von hinter dem Sofa mithören musste, wie ihr auf Wolke sieben schwebtet.
    Wenn ich so an die vergangene Zeit denke, an die verlorene Zeit mit dir als meinen besten Freund, an den Vulkan, der in mir ausbricht, den Duft der Vanille, den Geschmack der Mango, an all die Ereignisse, die unsere Freundschaft so besonders machten, dann bleibe ich ohne irgendwelche Worte zurück.
    "Mach's gut, alter Freund. Grüß die da oben von mir."


    06.03.13


    Mit dieser kurzen Kurzgeschichte konnte ich mir Platz 6 sichern und hätte ich mal gevotet wärs vielleicht noch besser. Ich freu mich über Kommentare und Kritik. Liebe Grüße, flug627 :)

  • Heute geht es weiter mit einem Gedicht, welches ich vor kurzem verfasst habe. Ursprünglicher Ansporn war der FF-Wettbewerb zum Thema Traumszene, da dort aber zum einen keine Gedichte als Abgabe zugelassen waren, aber auch weil sich das Gedicht dann doch in eine andere Richtung entwickelt hat, bekommt ihr es hier zu sehen.


    Die Stecknadel


    Die Stecknadel fällt
    Das Licht geht aus
    Das Sehen vergeht
    Die Panik bricht aus


    Die Stecknadel fällt
    Die Steine brechen nieder
    Begraben dich unter sich
    Haben kaum G'wicht
    Deine Flucht, ihnen zuwider


    Die Stecknadel fällt
    Kannst dich nicht bewegen
    Deine Glieder versteift
    Der Verstand begreift
    Bist deinen Wunden erlegen


    Jeder Stein ein bloßer Schein
    Ein Schloss aus Luft
    Gebaut aus Nichts
    Sollte doch viel größer sein


    Die Stecknadel fällt
    Der Stein, der platzt
    Das Auge sieht
    Die Stecknadel fiel.


    Text: 15.05.13
    Erstveröffentlichung: 16.05.13


    Was ich noch zum Entstehungsprozess sagen kann, wäre, dass dieses Werk ursprünglich als Kurzgeschichte angedacht war. Die parataktischen Sätzen gingen dann aber immer mehr ins Reimschema über und nach ein bisschen Umdichten war der Wandel dann auch vollkommen gelungen. Ich hoffe es gefällt. :)

  • Da stand ich so beim Abspülen, dachte über Kurzgeschichten nach und dann bekam ich plötzlich Lust, wieder mal in deinem Topic vorbei zu schauen, auch, weil's ja leider sonst keiner tut. Erklär mich für verrückt, dass mir dergleichen beim Haushalt einfällt, aber nun gut, es geht ja ums Prinzip. Ich werde mich zunächst mal nur an deinem Beitrag zum Wettbewerb versuchen, weil... ganz ehrlich, mit noch keinem Gedicht konnte ich von der Interpretation her so wenig anfangen wie mit deinem hier ^^" Da muss ich mir erstma genauere Gedanken zu machen... Jedenfalls, Allons-y, los geht's =)


    Mein genereller erster Eindruck ist im Grunde, wie immer bei dir, ein sehr positiver. Ich kenne deine Kurzgeschichten ja bereits und weiß, welchem Stil sie folgen, und ich stelle mit Freuden fest, dass du ihm auch hier treu geblieben bist. Der Titel zunächst erstmal unschlüssig, ergibt er zumindest für mich im Nachhinein doch einen gewissen Sinn. Ich formuliere es mal etwas kitschiger, indem ich sage, besagter Freund lebt im Herzen des sich Erinnernden weiter, egal ob die Freundschaft beziehungsweise eben der Freund bereits verloren ist oder nicht. Weil die Erinnerungen eben so stark sind, dass man den Eindruck gewinnt, er stünde direkt vor einem, habe ich da so in etwa Recht? Das wäre jedenfalls so meine Deutung des Ganzen, vielleicht gibt es ja auch noch andere Möglichkeiten.




    Wenn ich die Augen verschließe und in dein Gesicht blicke,
    wenn ich die Ohren bedecke und dein Lachen höre, dann spüre ich all die Erinnerungen, welche ich zunehmends versuchte zu vergessen, aus meinem Herze (Herzen) hervor quellen. Sie brechen aus mir aus, (kein Komma) wie bei einem Vulkanausbruch. Die kochende, schmerzende Lava durchfließt meine Seele, lässt sie nahezu verbrennen und tritt dann in meine, (kein Komma) noch immer geschlossenen Augen um über die Wangen, an den bedeckten Ohren vorbei, sich in meinem Kissen zu verlieren. Der Verlust, den ich erleiden musste: Unsere Freundschaft.

    Welch phänomenale Beschreibung von Tränen, meine Güte, ich bin beeindruckt *____* Ich gebe zu, ich hab es erst beim zweiten Lesen verstanden, worum es sich in Wahrheit dabei handelt, dennoch... mir fehlen fast die Worte dazu. Treffend charakterisiert als "heiße Lava", in der Seele entstanden, über die Augen ausgedrückt, Wahnsinn, auf so einen Vergleich wäre ich im Leben nicht gekommen. Sachte umschrieben, ohne tatsächlich das Wort "Träne" zu nennen und man weiß trotzdem, um was es geht - so liebe ich das <3
    Also, wenn man die ersten eineinhalb Zeilen liest, schwebt man noch kurzzeitig in einer eher fröhlichen, angenehmen Atmosphäre, welche sich dann aber schlagartig in eine traurige Nichtigkeit verwandelt. Ich mag diese Sätze, die einen so leicht in die Irre führen, wenn du weißt, was ich meine. Erinnerungen, denen man unweigerlich begegnet, ich gehe mal davon aus, jedes Mal, sobald man die Augen schließt (Stichwort: Einschlafen), treten sie auf, zumindest kann ich es mir gut vorstellen, und man muss sich ihnen aufgrund ihrer Stärke ergeben, weil man nichts dagegen tun kann. Hier gewinnt man schon erste schöne, unterschwellige Eindrücke der Gesamtsituation, in der das erzählende Ich sich befindet. Kann sein, dass es an meiner Abneigung gegenüber den Wort "Vulkanausbruch" liegt, allerdings... der Vergleich damit ist natürlich treffend und angemessen, nur klingt beziehungsweise liest sich dieses Wort für mich einfach... es ist in meinen Augen relativ unästhetisch und deshalb würde ich persönlich dergleichen vermeiden, aber da dieses Wort ja vorgegeben war, ist es hier jetzt nicht ganz so dramatisch. Und ich finde, du hast es gut umgesetzt und in deinen Text eingefügt, vor allem, da man mit dergleichen ja stets etwas Negatives assoziiert und genau das hier ja der Fall ist. Mir fielen so spontan noch einige Möglichkeiten ein, die Gefühlslage mit Asche noch weiter auszubauen, jedoch ist das bei diesem Werk nicht nötig, Lava und Verbrennung reichen schon aus (:
    Eine Freundschaft hat man somit verloren. Automatisch fragt man sich, wie, warum, wann? Jedoch kenne ich dich ja gut genug, um sagen zu können, du verrätst es uns mehr oder minder eindeutig am Ende deines Werkes, und ich habe ja auch Recht. Dazu später mehr x) Der Verlust einer Freundschaft ist an sich ja schon tragisch, und diese Tragik greifst du auch wunderbar weiter auf.




    Wenn ich dein, (kein Komma) schon immer muffig stinkendes Wohnzimmer betrete, rieche ich den Duft von Vanille. Ich erinnere mich an den großen, gelben Fleck auf der frisch tapezierten Wand, der nur entstanden war, weil du die Schale mit Eis nicht festhalten konntest, als du über meine Beine gestolpert bist. Wir konnten die gesamte Wand neu machen, das Eis schmolz währendessen (währenddessen).
    Wenn mein Mund mal wieder komplett austrocknet, mir die Spucke weg bleibt und ich nichts mehr schmecken kann, schmecke ich den Geschmack von frischer Mango. Mit ihr bist du damals an deine erste Freundin geraten. Sie wollte damals unbedingt in der Nacht um drei Uhr Mango essen. Du riefst bei mir an, (Komma) ich solle schnell zu deiner Wohnung kommen und von irgendwo diese verdammte Mango besorgen, möglichst bevor ihr zurück kamt.
    Ich weiß nicht mehr wie, doch ich schaffte es. Leider so spät, dass ich von hinter dem Sofa mithören musste, wie ihr auf Wolke sieben schwebtet.

    Das Wort "machen" gefällt mir an der Stelle nicht so ganz =/ Das klingt so plump, beinahe primitiv, und für mich liest es sich an der Stelle wirklich unschön. Sowas wie "streichen" hätte mir dort besser gefallen c:
    Ich weiß nicht, wieso, aber ich habe die ganze Zeit ein wenig schmunzeln müssen, während ich die Passage hier gelesen habe. Das ist so... man entkommt der vorigen Triste und schwelgt mit deinem Ich-Erzähler in schönen Erinnerungen und vergisst dabei sogar mit ihm den Schmerz, den man zuvor empfunden hat, aufgrund des Verlustes des Freundes. Das Ganze hat einen schönen jugendlichen Charme, die spontane Aktion mit der Mango, noch dazu um eine solche Uhrzeit und gleichzeitig diese Gewissheit, sich aufeinander verlassen zu können. Es gibt sicherlich nicht viele Leute, die wegen einer Mango so viel auf sich nähmen, deine Idee an der Stelle - trotz Reizwortvorgabe - ist für mich extraordinär und auf jeden Fall ma was anderes x3
    Außerdem finde ich es ausnahmsweise (normalerweise bin ich da immer strenger) gar nicht schlimm, dass du diese Erinnerungen lediglich in Kurzform dargestellt hast. Im Gegenteil, alles andere wäre wahrscheinlich zu viel gewesen und hätte den Text eher ruiniert. So ist es schön locker gehalten, leicht, und es ist ja nicht so, dass man sich nichts darunter vorstellen könnte. Ich beispielsweise denke daran, wie man die Tankstellen abklappert oder vielleicht bei anderen Freunden klingelt, um so eine Mango zu finden. Obwohl du kaum Details genannt hast, hat man schon recht genaue Bilder im Kopf, und gleichzeitig hat man dabei aber ebenso wenig Beschränkung für seine Fantasie, gefällt mir, auch wenn ich eigentlich immer alles bis ins kleinste Detail haben will.
    Ebenso das mit der "verdammten" Mango... so ein kleines Wort und so eine große Wirkung. Der sich Erinnernde hat sich damals, wahrscheinlich auch etwas belustigt, darüber aufgeregt und tut es allem Anschein nach noch heute, allerdings auch nur in einem... naja, ich sag mal "sarkastischen" und gleichzeitig "amüsiertem" Maße so frei nach dem Motto "Was tut man nicht alles...?", das zeigt doch, wie nahe sich die beiden standen, finde ich, und unterstreicht erneut die Bedingungslosigkeit, in der die Zwei gelebt haben.
    Gleichsam könnte man annehmen, das Zitat des nun verlorenen Freundes sei wortgetreu übernommen und er selbst hat die Mango so bezeichnet... wirft natürlich wieder ein anderes Licht auf die Sache. Dass der Freund selbst mit der Mango-Lage , sag ich jetzt ma, so geringfügig überfordert war und sich in seiner Not eben an seinen besten Kumpel gewandt hat, weil er wusste, er konnte jederzeit auf ihn zählen. Das Mädchen schien ihm ja auch wichtig zu sein, jemanden um die Uhrzeit wegen einer Mango zu nerven, und es ist schön zu lesen, dass der Ich-Erzähler sozusagen alles für das Glück seines Freundes getan hat/hätte.
    Zum letzten Satz des Absatzes... den lasse ich mal so stehen mit seiner klaren Andeutung x)



    Wenn ich so an die vergangene Zeit denke, an die verlorene Zeit mit dir als meinem (meinen) besten Freund, an den Vulkan, (Komma) der in mir ausbricht, den Duft der Vanille, den Geschmack der Mango, an all die Ereignisse, die unsere Freundschaft so besonders machten, dann bleibe ich ohne irgendwelche Worte zurück.
    "Machs (Mach's) gut, (Komma) alter Freund. Grüß die da oben von mir."

    Hach, so ein kleines Résumé der Gesamtsituation <3 Man weiß, Geschichte kommt langsam zum Ende und hat das Wichtigste noch einmal zusammengefasst, like it x3
    Und hier wird letztlich auch das Geheimnis gelüftet, wieso diese Freundschaft eben zerbrochen ist: der Tod des Freundes, und sofort ist man wieder in dieser Tragik drin, die bereits zu Anfang der Geschichte gegriffen hat. Zuvor konnte man sich ja eher noch um die Gründe Gedanken machen, ob es vielleicht an einem Streit lag oder dergleichen, allerdings bist du ja zumindest für mich bekannt dafür, dem Schlimmen stets noch einen drauf zu setzen.
    Natürlich macht man sich im Nachhinein noch Gedanken, woran der Freund gestorben sein könnte, ob das erzählende Ich sich eventuell Schuldgefühle daran zuweist, wenn nicht sogar wirklich daran Schuld ist, und noch vieles Andere. Folglich hast du meiner Meinung nach wieder einmal den wichtigsten Aspekt einer Kurzgeschichte erfüllt, nämlich, den Leser nachdenklich zu machen. Problemsituation ist sowieso vorhanden, da muss ich mich bei dir eh nie beschweren, und gerade mit dem Tod spielst du in deinen Werken ja gern (wie das klingt o/ ) und neben den meist düsteren Atmosphären mag ich das wirklich sehr (:

    Insgesamt wirklich wieder ein schönes Werk deinerseits und ebenso denke ich, dass du die Reizworte passend in deinen Text eingebaut hast, ohne deinen charakteristischen Stil einzubüßen. Bis auf die Sache mit dem Vulkanausbruch - aber da kannst du ja nichts für - hat es sich sehr flüssig und einwandfrei gelesen. Besonders positiv ist mir im Nachhinein so aufgefallen, dass du zu jedem Reizwort innerhalb der Gesamtgeschichte noch einmal eine kleine Geschichte erfunden hast, die mit etwas Schönem (bis auf Vulkanausbruch) in Verbindung steht. So erhält jeder Begriff davon nochmal so eine spezielle, dennoch angenehme, fast nostalgische Eigennote.



    Damit verabschiede ich mich auch wieder und hoffe, mein verspätetes Feedback hat dich zumindest einigermaßen gefreut. Zu deinem Gedicht dort muss ich mir wie gesagt erst noch Gedanken machen, also sowas ist mir noch nie untergekommen. Got me x)


    LG


    Namine ~

  • Viel zu lang hab ich dich jetzt auf eine Antwort warten lassen, umso mehr beschämt es mich, dass ich nach nun fünf Monaten immer noch nichts neues hier gepostet habe (hab mich eben tatsächlich ein wenig erschreckt als ich auf das Datum des letzten Gedichts geschaut habe).
    Damit jetzt aber immerhin dein Kommentar beantwortet wird, hab ich mich jetzt endlich mal dazu aufgerafft hier wieder rein zu schauen.


    Erstmal Danke für das Lob und die Korrektur der Rechtschreibung (werde ich gleich im Anschluss nachbessern). :)


    Zitat

    Treffend charakterisiert als "heiße Lava", in der Seele entstanden,


    Haha, als ich mir die Geschichte neulich wieder durchgelesen habe, fiel mir sogar auf, dass da ein kleiner aber feiner Fehler drin steckt. Von Lava spricht man erst, wenn das flüssige Gestein die Oberfläche erreicht, vorher hätte ich eigentlich Magma schreiben müssen. Eigentlich. Magma ist ein nicht ganz so schönes Wort wie Lava (letzteres klingt imo weicher und schöner ^^) weshalb hier die Wortwahl wohl auch weiterhin Lava sein wird.


    Zitat

    Kann sein, dass es an meiner Abneigung gegenüber den Wort "Vulkanausbruch" liegt, allerdings... der Vergleich damit ist natürlich treffend und angemessen, nur klingt beziehungsweise liest sich dieses Wort für mich einfach... es ist in meinen Augen relativ unästhetisch


    Ging mir ganz genauso. Zusammen mit Wolke 7 gefällt mir dieser Ausdruck am allerwenigsten, hätte ich vermutlich auch nicht verwendet, wenn ich die Wahl gehabt hätte.


    Zitat

    Mir fielen so spontan noch einige Möglichkeiten ein, die Gefühlslage mit Asche noch weiter auszubauen, jedoch ist das bei diesem Werk nicht nötig, Lava und Verbrennung reichen schon aus (:


    Du kennst ja meinen Schreibstil, der die Dinge meist nur skizzenhaft beschreibt. ^^ Wobei ich auch wirklich mal ausprobieren sollte, eine mehr ins Detail verliebte Geschichte zu verfassen - auf die Gefahr hin den Leser ein bisschen zu langweilen. Wäre mal eine Herausforderung.


    Zitat

    Das Wort "machen" gefällt mir an der Stelle nicht so ganz =/ Das klingt so plump, beinahe primitiv, und für mich liest es sich an der Stelle wirklich unschön. Sowas wie "streichen" hätte mir dort besser gefallen c:


    Da hat sich doch tatsächlich Umgangsprache an einer Stelle reingeschlichen, an der sie gar nichts verloren hat. '^^ Werde das mit dem "Streichen" übernehmen, klingt in der Tat besser.


    Zitat

    Außerdem finde ich es ausnahmsweise (normalerweise bin ich da immer strenger) gar nicht schlimm, dass du diese Erinnerungen lediglich in Kurzform dargestellt hast. Im Gegenteil, alles andere wäre wahrscheinlich zu viel gewesen und hätte den Text eher ruiniert. So ist es schön locker gehalten, leicht, und es ist ja nicht so, dass man sich nichts darunter vorstellen könnte. Ich beispielsweise denke daran, wie man die Tankstellen abklappert oder vielleicht bei anderen Freunden klingelt, um so eine Mango zu finden. Obwohl du kaum Details genannt hast, hat man schon recht genaue Bilder im Kopf, und gleichzeitig hat man dabei aber ebenso wenig Beschränkung für seine Fantasie, gefällt mir, auch wenn ich eigentlich immer alles bis ins kleinste Detail haben will.


    Wie gesagt: Skizzenhaft. ^^


    Zitat

    Das Ganze hat einen schönen jugendlichen Charme [...] Ebenso das mit der "verdammten" Mango... so ein kleines Wort und so eine große Wirkung. Der sich Erinnernde hat sich damals, wahrscheinlich auch etwas belustigt, darüber aufgeregt und tut es allem Anschein nach noch heute, allerdings auch nur in einem... naja, ich sag mal "sarkastischen" und gleichzeitig "amüsiertem" Maße so frei nach dem Motto "Was tut man nicht alles...?", das zeigt doch, wie nahe sich die beiden standen, finde ich, und unterstreicht erneut die Bedingungslosigkeit, in der die Zwei gelebt haben.


    Schön, dass zu hören, dass die Wortwahl genau die richtige Wirkung erzielt hat. :) Hatte wirklich versucht hier das Gefühl von Erinnerungen an eine Jugendzeit, gespickt mit den verrücktesten Geschichten zu imitieren.
    "Was tut man nicht alles...?" trifft es da wohl ziemlich gut. ^^


    Zitat

    Natürlich macht man sich im Nachhinein noch Gedanken, woran der Freund gestorben sein könnte


    Nun ja einen fixen Grund habe ich dafür noch nicht einmal, mir ging es wie immer nur um das wesentliche. Lediglich die Schuld des lyrischen Ichs am Tod des Freundes, die wollte ich eigentlich komplett ausschließen. Schuldgefühle... nun ja die könnte man vielleicht trotzdem haben, aber gedacht war es eigentlich so, dass dafür kein Anlass besteht.


    Zitat

    Zu deinem Gedicht dort muss ich mir wie gesagt erst noch Gedanken machen, also sowas ist mir noch nie untergekommen. Got me x)

    Na ich hoffe, dass das nichts negatives ist. :D


    Abschließend nochmal danke für das überwiegend positive Feedback, freut mich sehr zu sehen, dass die Worte genau die Wirkung entfalten, die sie entfalten sollen. :)




    Zum weiteren Verlauf in diesem Topic:
    Fünf Monate ist glaube ich meine bis jetzt längste "Trockenphase". Regelmäßigkeit war hier ja noch nie meine Stärke, aber ein bisschen mehr sollte ich dann vielleicht doch drauf acht geben. Tatsächlich schwebt mir die ganze Zeit auch schon die Idee für eine neue, interaktive Geschichte vor. Da aber besonders dieser Typus eine Menge Aufwand bringt, konnte ich mich bis jetzt noch nicht dazu durchringen. Nächste Woche beginnen die Herbstferien, vielleicht hoffentlich schaff ich es da endlich. =)


    Liebe Grüße,
    flug627

  • Tudeluuu =>
    Also, da ich mich gerade vor meinen Grammatikübungen drücken will dir ja noch einen Kommentar zu deinem Gedicht schulde, dachte ich, so ein entspannter Sonntagmittag ist genau die richtige Zeit, es endlich anzugehen ;3 Auch wenn ich irgendwie immer noch keine Ahnung habe, wie ich das richtig interpretieren soll, aber nun gut, improvisieren wir einfach ma ~



    Titel: Hm, unscheinbar und klassisch zurückhaltend wie immer bei dir, und doch weiß ich, dass da noch ein tieferer Sinn folgen wird, wäre auch ziemlich untypisch für dich wenn nicht o/ Eine Stecknadel ist ja an sich eher dünn, winzig und scheinbar unbedeutend, aber meist sind es ja auch die kleinen Dinge, die Großes in Gang bringen. Nach dem ersten Überfliegen deines Gedichtes gehe ich also davon aus, dass diese süße Stecknadel also sozusagen Mitschuld an dem trägt, vielleicht sogar Auslöser für das ist, was sich dort in deinen Versen abspielt.




    Hier bestätigt sich meine vorangegangene Deutungshypothese ja schon teilweise. Die fallende Stecknadel verkörpert quasi so die Einleitung für das, was im Anschluss passiert, und das scheint nun alles andere als etwas Gutes zu sein. Bei den Versen 2 bis 4 hat man, meiner Meinung nach, wieder so eine Mehrdeutigkeit, wo der Leser sich selbst überlegen kann, welche Alternative er nun wählt. Zum Einen wirklich den materiellen, wörtlichen Sinne von dem erlöschenden Licht, also dass eine Lampe, Kerze oder Ähnliches nun nicht mehr brennt, man deshalb nichts mehr sehen kann und sowohl in einem selbst, als auch in einer nicht genauer definierten Menge Panik ausbricht.
    Zum Anderen könnte man es so interpretieren, dass es mehr auf das Individuum und auch in einem mehr übertragenen Sinne zu verstehen ist. Zwar mag das Licht im ersten Moment noch ausgehen, jedoch bezögen sich die Verse 3 und 4 dann lediglich auf das einzelne Wesen. Es fällt also in Ohnmacht und in ihm selbst bricht eine stille Panik aus, wobei ich im Nachhinein doch eher ersteren Ansatz meinerseits vermute. Trotzdem gefällt mir, dass man es auf mehreren Wegen deuten kann und man muss auch erst genauer drüber nachdenken, wie man das zu verstehen hat c:
    Zweite Strophe, uh, direkt an den Leser gerichtet <3 Ich mag es ja immer, wenn jemand in der Du-Sicht schreibt, bei dem richtigen Schreibstil kann man sich dann noch besser in die Situation einfühlen, und bei dir brauche ich da ja nichts zu sagen ;3 Wieder steht die Stecknadel am Anfang von katastrophalen Ereignissen, ein kleiner Aufschlag, der reicht, riesige Steine ins Rollen zu bringen und jemanden unter sich zu begraben. Was ich allerdings nicht so ganz verstehe, ist das mit diesem "Haben kaum G'wicht" ... also zuerst hättest du das Apostroph meiner Meinung nach nicht setzen müssen, die Zweisilbigkeit hätte imo dem Sprechrhythmus nicht geschadet (= Kaum Gewicht... ich gehe mal davon aus, da es sich ja um eine Traumszene handeln sollte, dass es eben daran liegt, dass sie kaum etwas wiegen. Also sie erdrücken das Individuum eher im metaphorischen Sinne, anstatt dass sie es wirklich so ... plätten, sag ich ma x3 Wobei ich wieder anmerken muss, ich liebe deine Personifizierungen <3 Es passt schlichtweg immer so schön und ich meine, es scheint ja wirklich so, dass die Steine, wenn sie so auf einen niederfahren, einen wahrlich nicht entkommen lassen wollen, so erbarmungslos, wie sie sozusagen vorgehen x)




    So, also hier ist man immer noch unter den scheinbar so leichten Steinen begraben, fühlt sich beengt, ist gelähmt und allmählich setzt die Erkenntnis ein, man kann der Situation nicht mehr lebend entkommen (im Traum lebend, meine ich hier ) . In der dritten Strophe erhältst du wunderbar diese Dramatik aufrecht, die du zuvor schon angedeutet hast, und wenn ich das ma so behaupten darf... es schwingt da so eine gewisse Realitätsnähe mit. Im ersten Moment ist nichts passiert, es folgt ein unbedeutender Augenblick (das Fallen der Stecknadel, würde ich mal sagen) und man sieht sich dem Tode gegenüber. Genau, als wenn man in ein Auto steigt und im falschen Moment nicht aufpasst, so eine gewisse... Nichtigkeit des Lebens, sag ich mal. Wenngleich diese Interpretation vielleicht zu weit geht, aber das erinnert mich sehr an den Barock als Stilepoche, und den mag ich besonders <3 Zudem hat das Fallen der Stecknadel... man verbindet ja so ein sachtes, klingendes Geräusch damit, als einleitender Glockenschlag sozusagen, der ein Desaster höchsten Ausmaßes ankündigt, was ihr wiederum eine gewisse Bedrohlichkeit verleiht. Wahrscheinlich eine von dir eher ungewollte Charakterisierung, aber nun gut, solange sie ihren Effekt erzielt, who cares? x)
    Vierte Strophe, der zweite Vers in dieser erinnert mich ein wenig an Castle of glass von Linkin Park. Auch wenn es ja ein Glasschloss ist und keines aus Luft, jedoch sei das ma so dahingestellt. Ehrlich gesagt stört mich der Binnenreim mit "Stein" und "Schein" ein wenig am Anfang, das liest sich meiner Meinung nach nicht gut und hört sich beim lauten Lesen nicht so gelungen an =/ Sollte, so vermute ich mal, aber eher als Reim mit dem letzten Vers dieser Strophe gedacht sein, ist finde ich allerdings doch etwas unglücklich gewählt. "Fels" würde sich auch nicht gut anhören, "Brocken" auch nicht... eventuell könntest du da noch eine Personifikation einbauen, mit der du den Stein charakterisierst, leider fällt mir da aber gerade auch nichts zu ein ^^"
    Inhaltlich wird aber hier das vorhin Angedeutete noch klarer, nämlich das fehlende Gewicht der Steine, und doch sind sie in der Lage, jemanden zu erdrücken. Scheint irgendwie paradox, vielleicht gewollt, vielleicht nicht, aber Träume ergeben sowieso meistens keinen Sinn, von daher kann man das so stehen lassen :3 Man kommt da ja auch wieder ins Grübeln, wie man sich solch widersprüchliche Steine vorzustellen hat, was sie für Eigenschaften haben, und ich finde, die Tatsache eines verqueren Traumes wird hier schön herausgestellt.




    Die Stecknadel fällt
    Der Stein, der platzt
    Das Auge sieht
    Die Stecknadel fiel.

    Das große Finale ^___^
    Platzender Stein... Seifenblase? Anders könnte ich es mir nicht erklären. Eine große Menge von diesen hat ja auch die Fähigkeit, einen Menschen zu erdrücken, mehr auf andere Art und Weise, würde eher einen Erstickungstod erzeugen als wirklich ernsthafte Wunden, aber nun gut. Wieder die Stecknadel als Auslöser des Ereignisses und irgendwie finde ich es schade, dass du dieses Repetitio in der vierten Strophe nicht an den Anfang gestellt hast =/ Da ist so ein gewisser Bruch in deinem Rhythmus. Ob der nun beabsichtigt war oder nicht... andererseits beschreibst du ja lediglich die Steine exakter in der vierten Strophe, es passiert nichts Schlimmes, daher hätte die Stecknadel ohnehin nicht fallen dürfen... Okay, hat sich erledigt, ist nicht so schlimm x) Jedenfalls mag ich es, dass du ansonsten zu Anfang jeder Strophe denselben Satz verwendest, das kreiert so eine herrliche Ordnung und Regelmäßigkeit =D
    Das Auge kann also wieder sehen, nachdem die Steine verschwunden sind. Man fragt sich automatisch, ob die Wunden plötzlich wieder geheilt sind, ob jetzt überhaupt nichts war, lediglich eine Angstsituation, die aufgrund der Abruptheit ausgelöst wurde und kann für sich in der Hinsicht weiterspinnen, da du ja keine Antwort auf diese Fragen gibst. Ich mag Mysteriösitäten und Dinge, die man in mehrerlei Hinsicht interpretieren kann, von daher hast du für mich wieder voll ins Schwarze getroffen ^-^ Man könnte es auch so deuten, dass man in dem Moment bewusst aus dem vorher beschriebenen Traum aufwacht, das Auge die Realität sieht und naja, es wird demjenigen bewusst, dass es nur Einbildung war. Das wäre nochmal so ein gewisser Pfiff *schnips* dahinter, bei dem man denkt "Ach, so ist das" x3
    Interessant ist die Tatsache, dass du im letzten Vers die Vergangenheitsform benutzt. Vorher durchgängig Präsenz bei "fallen" und jetzt "fiel". Heißt für mich oder deutet sich für mich so, dass diese Szene/Sequenz oder whatever nun endgültig abgeschlossen ist, die Stecknadel ihren Dienst geleistet hat und bestärkt für mich auch den Eindruck des Aufwachens im vorletzten Vers. Außerdem besitzt es eine ähnliche Konnotation wie "Der Schleier fiel", irgendwie, also dass ... ja, es ist vorbei, derjenige wacht auf und wird sich bewusst, es handelte sich bloß um einen Traum, nichts Reales. Mag sein, dass ich jetzt total daneben liege, aber wie gesagt, ich hab ma improvisiert x3


    Allgemein... Vier - fünf - fünf - vier - vier Verse hast du jeweils in den einzelnen Strophen verwendet, eher unregelmäßig. Ich persönlich mag einheitliche Versanzahlen lieber, oder auch bei einem Sonett zwei Terzette und zwei Quartette, allerdings ist das mein persönlicher Geschmack und soll hier jetzt auch nichts schlechtmachen. Reimschema ... ich hab's mal aufgeschrieben
    1) abcb
    2) deffe
    3) ghiih
    4) jklj
    5) mnoo
    Wobei ich bei der fünften und zweiten Strophe jetzt einfach davon ausgegangen bin, dass es sich dabei um einen Reim handelt bei den jeweiligen Versen. Relativ regelmäßig, wie mir jetzt auffällt, außer bei der letzten Strophe, und bei 2 und 3 muss man sich eben den ersten Vers dabei wegdenken, um das Pattern aufrecht zu erhalten. Noch schöner wäre es dabei wirklich gewesen, hättest du bei jeder Strophe lediglich vier Verse gehabt, dann wäre es noch regelmäßiger gewesen, aber nun gut, darüber machst du dir beim Schreiben wahrscheinlich keine Gedanken =)



    Insgesamt ein doch sehr schönes, polysemisches Gedicht, bei dem man wirklich überlegen muss, wie man es zu deuten und zu verstehen hat. Aber genau das unterscheidet dich doch sehr und vor allem positiv von anderen Autoren hier. Mir gefallen deine Thematik, deine Umsetzung und vor allem der Effekt der Nachdenklichkeit. Bei jedem deiner Werke gibt es etwas Tiefgründiges, und gerade bei deinen Gedichten kann ich nur loben, dass du dich nicht an die eigentlichen Muster der modernen und postmodernen Lyrik hältst, sondern Motive und Stile miteinander vermischst. Mach weiter so =)


    LG


    Namine ~




  • Schon länger her, dass hier ein Werk auftauchte. Die Lust am Schreiben habe ich unterdessen nicht verloren und die ein oder andere Idee hatte ich immer wieder, doch so wirklich gut finde ich sie dann erst, wenn sie es auch in fertige Textform auf den Laptop bzw. auf's Papier schaffen. Aber das Thema mit den langen Abständen zwischen den Veröffentlichungen hatten wir ja schon, und ich hau dann lieber eine Zeit lang gar nichts raus und dann etwas, das mir gut gefällt, als ständig nur ein paar halbgare Geschichtchen die ich nur aufgeschrieben habe, weil ich den Unterricht für so furchtbar uninteressant hielt.


    Nun denn, in der Antwort an Namine habe ich bereits angedeutet, dass ich mit dieser Kurzgeschichte einen weiteren Vorstoß in abstraktere Dinge wagen will. Ich persönlich bin immer sehr gefesselt, wenn ich Geschichten lese die in einer mystischen "Welt" die ihren ganz eigenen, nicht nachvollziehbaren Regeln folgt. Man liest dann und bleibt erstmal mit einem Fragezeichen im Gesicht zurück, wird aber dazu angehalten nachzudenken, über das Gelesene nachzugrübeln und irgendwann zu einer Schlussthese zu kommen. Bis jetzt spielt fast alles was ich geschrieben habe in der Realität, irgendwie könnte das beschriebene immer auch wirklich passiert sein. Ich versuche imme mal wieder von dieser Realitätsnähe abzukommen und etwas, fern vom Hier und Jetzt zu schreiben. Das ist jedoch alles andere als leicht, mir fällt es immer wieder schwer so zu schreiben und umso mehr faszinieren mich Werke von Autoren, die diese Hürde erfolgreich überwinden. Das ist mir mit dieser Geschichte hier meiner Meinung nach teilweise ebenfalls gelungen, doch denke ich man kann an dem Konzept noch arbeiten.


    Die Geschichte des Mannes, der die Zeit beherrschen wollte


    Es begab sich einst in einer Welt, die fern von unserer liegt, als ein Mann versuchte die Zeit zu fangen. Nun war es so, dass man in dieser Welt die Zeit nicht so versteht, wie man es bei uns tut. Die Zeit trägt jeder mit sich, denn man kommt mit einer kleinen, goldenen Taschenuhr auf die Welt. Von nun an tickt diese Uhr fortwährend, ihr Rhythmus wird zum Lebensrhythmus ihres Besitzers. Die Uhr macht Tick, ihr Besitzer macht Tack. Die Uhr macht Tack, ihr Besitzer macht Tick. Beide verschmelzen zu einer Einheit und würde die eine Hälfte aufhören zu funktionieren, so würde es die andere unweigerlich auch tun. Doch auch wenn jeder die Zeit immer dabei hat, sie je nach Belieben in die Hand nehmen kann, so kann sie doch niemand festhalten und am Entschwinden hindern.
    Es dennoch probiert hatten viele - mit wirren Zaubersprüchen und Bräuchen hatten sie versucht, einzelne Augenblicke in Ewigkeiten zu verwandeln, mit wissenschaftlichen Experimenten näherte man sich der Zeit um ihr Herr zu werden. Niemals gelang es, und einer nach dem anderen warf das Handtuch und widmete sich anderen Dingen. Nur dieser eine Mann nicht.


    Wie besessen suchte er nach einer Möglichkeit, seine Zeit festzuhalten. Er erhoffte sich davon das ewige Leben, die Unsterblichkeit. Er hatte sich bereits vielen Mitteln bedient, hatte die Alchemie genutzt und versucht, den Stein der Weisen zu kreieren, hatte Kräuter geschluckt, die angeblich ein längeres Leben bewirkten, Hexen und Zauberer hatte er besucht, um sie um Rat zu bitten, und schließlich hatte er sogar Tote beschworen, um sie zu fragen, was das für ein Leben nach dem Ablauf der Zeit sei. Doch egal, auf wen er traf, alle sagten ihm das Gleiche. „Die Zeit ist ein willensstarkes Ding, unmöglich zu zähmen. Gib es auf und freu dich an dem, was du hast!“
    Doch der Mann wollte nicht aufgeben, zu groß war seine Entschlossenheit, und der Zorn, der ihm jedes Mal kam, wenn man ihm nicht helfen wollte, festigte diese nur noch mehr.
    Über die Jahre kam der Mann viel um die Welt - als ein Wanderer zog er von Ort zu Ort, immer mit der Hoffnung, der nächste Schritt würde ihn etwas näher an sein Ziel bringen. So kam er eines Tages – er war mittlerweile ein alter Greis – in eine Stadt, welche an Sonderbarkeit alles übertraf, was er bisher kannte. Das heißt: Eigentlich schien es eine ganz normale Stadt zu sein, die meisten Bewohner waren einfache Bauern, einige Händler und eine Handvoll verlesener Bürger gehörten dem Adel an. Doch etwas lag über der Stadt, dass dem Mann sagte, dies hier sei anders. Er wusste nicht, ob dieses Omen ein gutes oder ein schlechtes sein sollte, doch hatte er während seinen Reisen viel gesehen, so schnell konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Er betrat die Stadt vom Westen her und weil er müde war, machte er sich auf die Suche nach einer Herberge. In den Straßen herrschte Betrieb, überall waren Menschen unterwegs. Allgegenwärtig war das Ticken der Uhren, das man immer hören konnte, wenn sich viele Menschen an einem Fleck befanden. Doch es war etwas, das stimmte nicht mit genau jenem Ticken. Der alte Mann wusste nicht, was, doch etwas befremdete ihn an der Atmosphäre der Straßen. Vielleicht war es die Müdigkeit, die an jeder Bewegung der Menschen haftete, wie als hätten sie nächtelang nicht geschlafen. Der Mann hielt einen Jüngling, der gerade vorbei lief, beim Arm fest und wollte ihn nach dem Weg zur nächsten Unterkunft fragen. Leere Augen blickten ihn an, die scheinbar schon seit Langem den Lebensgeist verloren hatten. Erschrocken ließ der alte Mann den Jungen los und hastete davon, durch die Straßen, vorbei an den Menschen, die nur ganz langsam Platz machten. Ihm schauderte, wenn er sich an die Augen erinnerte. Doch als er sich umsah, stellte er fest, dass jeder um ihm herum solche Augen besaß. Egal, wem er ins Gesicht blickte, jedes Mal starrte ihn ein lebloses, totes Augenpaar an. Auch die übrigen Gesichtszüge zeigten keinerlei Regung und schienen frei von Freude oder Spaß. Da packte den Mann das Grauen, in welche Hölle war er hier hinein geraten? War dies das Reich der Toten? Nein, das konnte nicht sein, er hörte überall die Uhren ticken. Wie um sich zu Bestätigen, holte er seine eigene Uhr hervor und hielt sie sich ans Ohr. „Tick“ machte sie – „Tack“ erwiderte der Mann erleichtert und steckte seine sie wieder ein, er war also noch am Leben. Er überlegte und entschied sich, außerhalb der Stadt übernachten zu wollen, fern der Häuser und den Menschen mit den leeren Augen. Er hatte schon häufig im Freien übernachtet und auch wenn er es - seines hohen Alters wegen - in der der Vergangenheit zu meiden gesucht hatte, so würde ihn ein weiteres Mal sicher nicht umbringen. Er wandte sich um und ging den Weg den er gekommen war. Die Straße gerade aus, dann nach links und dann wieder rechts. Doch als er die Straßen durchschritt, kam ihm nichts bekannt vor, er war sich nicht sicher, ob er diese Häuserreihen schon gesehen hatte. Er schob es auf die Panik, die er beim Flüchten vor dem Jungen empfunden hatte, und ließ sich seines Weges nicht beirren. Doch als er am vermeintlichen Ausgang ankam, befand sich dort nur eine weitere Kreuzung, von der verschiedene Straßen abzweigten. Er irrte weiter umher, allzu weit konnte er doch nicht vom Ausgang entfernt sein. Aber je weiter er sich in die Straßenzüge hinein begab, umso orientierungsloser wurde er. Irgendwann sah alles gleich aus, nirgends waren markante Stellen zu entdecken. Mit jeder Kreuzung auf die er traf, sank seine Hoffnung, den Ausgang zu finden, mit jeder Abzweigung, die er nahm, schwand der Mut, überhaupt noch nach ihm zu suchen. Er versuchte in immer größer werdenden Kreisen zu laufen, doch immer wieder versperrten Häuser seinen Weg, sodass er seinen Kurs abändern musste und wieder die Orientierung verlor.
    Er hatte sich gerade mit dem Gedanken abgefunden, die Stadt allzu bald nicht mehr zu verlassen, als ihm mit einem Mal eine Idee kam: Er hatte die Stadt von Westen kommend betreten, wenn er den Stand der Sonne und die Uhrzeit zur Hilfe nahm, konnte er den Weg finden. Er blickte gen Himmel und konnte zwischen ein paar Wolken tatsächlich die Sonne ausmachen. Erneut holte er sein Uhr hervor. „Tick“ machte er, „Tick“ antwortete die Uhr.
    Ungläubig starrte er auf die Uhr in seiner Hand. „Tick“ machte er nochmal und wieder antwortete die Uhr mit einem „Tick“. Der Sekundenzeiger machte dabei einen Satz nach vorne und sprang lautlos wieder zurück. Der Mann versuchte ‚Tack‘ zu sagen, doch er brachte nur ein „Tick“ hervor und die Uhr gab wie ein unbarmherziges Echo ihr „Tick“ zurück. Die Uhr schien stehen geblieben zu sein, doch der Mann lebte noch.


    Er lebte noch! Er hatte sein Ziel von der stehenden Zeit erreicht! Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte darüber keine Freude empfinden. Viel eher war es Trauer, Müdigkeit aber am meisten überkam ihn Bedauern. Er bedauerte, nie von der Liebe gekostet zu haben, er bedauerte, dass er seine Freunde zurück gelassen hatte und er bedauerte sich selbst. Er, der das ewige Leben gefunden hatte und sich nicht darüber freuen konnte, weil er Gefangener war in einer Stadt ohne Leben.
    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/140128/t2jjukvt.png]
    Von der Stadt in die der Mann kam erzählt man sich, sie wäre verflucht. Niemand, der es gewagt hätte sie zu betreten, habe sie je wieder verlassen. Angeblich stünde in dieser Stadt die Zeit still, doch weil das Ticken der Zeit den Lebensrhythmus der Menschen bestimme, hauche jeder in der Stadt nach und nach seine Freude am Leben aus. Heute eilt der alte Mann durch die Straßen der Stadt, seine Knochen schmerzen vor Müdigkeit, seine Augen sind leer und in seinem Schädel lebt die Verzweiflung. Sie allein zwingt ihn, die Suche nach dem Ausgang fortzusetzen. Er wird ihn nicht finden. Es gibt keinen.


    05.01.14
    Überarbeitung: 21.01.14
    Bild: 21.01.14
    Korrektur: 23.04.14 (Danke an [user]Namine[/user])

    Profilbild von moxie des Jahres

    8 Mal editiert, zuletzt von Frechdachs () aus folgendem Grund: 21.01.14: Bild eingefügt 23.01.14: Korrekturen in Ausdruck und Rechtschreibung (Danke an Namine!)

  • Huhuuuuu (:
    Hab deine Geschichte ja schon gestern gelesen, leider hat sich abends etwas dazwischen geschoben, weshalb du deinen Kommentar nun ein klein wenig später erhältst ^-^
    Dieses Mal versuche ich auch, mich etwas kürzer zu fassen und nur an einigen Stellen mit Zitaten zu arbeiten... bon, on y va ~


    Titel: Ja, zugegeben, wirklich ein ungewöhnlicher Titel, wenn man sich deine restlichen Werke mal so anschaut, aber deshalb nicht unbedingt schlecht. Ich weiß nicht, wieso, aber im Gegensatz zu den ganzen anderen 0815 Geschichten, die man sonst unter solchen Überschriften findet, klingt deine ganz und gar nicht nach einer solchen. Für mich hat es schon fast etwas Märchenhaftes an sich, dieser Titel, und ich muss gestehen, bei Geschichten, die mit Zeit zu tun haben, bin ich immer besonders gespannt, denn ich liebe Sci-Fi und alles, was in diese Richtung geht ^o^Was ich allerdings noch anmerken möchte...



    Es begab sich einst in einer Welt, die fern von unserer liegt, als ein Mann versuchte die Zeit zu fangen.

    Das mit dem "fangen" hätte mir im Titel glaube ich sogar noch besser gefallen ;3



    Geschichte: Mir gefällt die kleine Einleitung in die Welt, in die du mich als Leser führen möchtest. Wie der Titel hat das fast etwas von einer Legende an sich, einer Sage, Erzählung, etwas Magisches gar, und zudem natürlich für das Verständnis deines Werkes so ziemlich unabdingbar. Doch an dieser Stelle eine kurze Frage: Kennst du den Film "In time"? Hab ihn selbst nicht gesehen, doch bei diesem besitzt jeder Mensch ja ebenfalls nur ein gewisses Maß an Zeit, wenn man kein Geld hat, sich ständig neue dazu zu kaufen, und mich würde interessieren, ob dich der Film vielleicht inspiriert hat c:
    Zudem ergeben sich allein aus der Einleitung so viele weitere Fragen für mich, die, wie du es ja beabsichtigt hast, mich zum Nachdenken anregen. Was passiert zum Beispiel, wenn die Uhr von jemandem gestohlen wird? Kann man jemanden einzig dadurch ermorden, dass man seine Uhr/Zeit zerstört (theoretisch ja schon, wenn ich das richtig verstehe *~* ) ? Hach, ich finde es richtig erquickend, mich in solche Fragen zu vertiefen x3


    Bei diesen Gegebenheiten ist der Wunsch ja verständlicherweise noch stärker, seine Zeit irgendwie anzuhalten oder zu verlängern, wenn man sie schon ständig bei sich trägt, von daher ist es schlichtweg normal, dass so viele Menschen, so schreibst du ja, sich daran versucht haben. Und so im Nachhinein betrachtet, nachdem man dein ganzes Werk gelesen hat, ist es ja ziemlich töricht von besagtem Mann, diesem einen Wunsch so hinterher zu eifern und alles andere aus den Augen zu verlieren. Ich weiß ja, du hast das bewusst so gewählt, und sofern man genauer darüber nachdenkt, hast du ja


    „Die Zeit ist ein willensstarkes Ding, unmöglich zu zähmen. Gib es auf und freu dich an dem was du hast!“

    damit die erste Moral der Geschichte - egal, ob du es beabsichtigst oder nicht, ich finde in ALL deinen Geschichten eine Moral, eine Lehre oder einen tieferen Sinn xP - , die prinzipiell so simpel und doch so... fast unmöglich ist, und ich mag behaupten, dass darin noch sehr viel mehr steckt als eine persönliche Ansicht deinerseits. Wenn ich jetzt interpretatorisch noch einen Schritt weiter ginge, würde ich behaupten, es handele sich hierbei um eine versteckte Kritik (wie abgedroschen das schon klingt, entschuldige ) an der heutigen Gesellschaft, die im Grunde viel zu hektisch vorgeht und stets irgendwelchen Ereignissen entgegen fiebert und immer mehr und mehr möchte, anstatt sich mit dem zu begnügen, was man schon besitzt und was einen glücklich macht (hierzu fällt mir übrigens noch ein Zitat von Wilhelm Busch ein: "Ein jeder Wunsch, wird er erfüllt, kriegt augenblicklich Junge." ) . Zumindest kommt mir das bei den Menschen dieser Zeit so vor, ich selbst hadere auch ein wenig mit der zu schnell voranschreitenden Zeit, aber soviel dazu o/
    Was ich eigentlich sagen wollte... ach ja, genau. Ich gehe nicht davon aus, dass dem Mann auf Dauer gesehen das ewige Leben oder die Unsterblichkeit genügen würde, obwohl man glauben mag, dass dies sein einziges Ziel sei und dass er damit endlich glücklich würde. Das gibt es einfach nicht und so, wie du deine Figur hier darstellst, würde ich das von ihr - der Figur - erst recht nicht erwarten x)


    Doch etwas lag über der Stadt, dass dem Mann sagte, etwas sei anders. Er wusste nicht, ob dieses Omen ein gutes oder ein schlechtes sein sollte, doch hatte er während seinen Reisen viel gesehen, so schnell konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Er betrat die Stadt vom Westen her und weil er müde war, machte er sich auf die Suche nach einer Herberge.

    Mah, hier stört mich die Wiederholung etwas... wie wäre es mit "sie sei anders" im Bezug auf die Stadt? Im Übrigen mag ich diese Stelle sehr, da sie für mich beinahe wie eine Art Rätsel klingt, das der Leser neben dem Nachdenken über dein Gesamtwerk zu lösen habe. Ich weiß, er will die Stadt nachher gen Westen wieder verlassen, das ist der Clou dahinter, dennoch trägt der letzte Satz dieses Zitats eine gewisse Mystik mit sich :3


    Allgegenwärtig war das Ticken der Uhren, das man immer hören konnte, wenn sich viele Menschen an einem Fleck befanden. Doch es war etwas, das stimmte nicht mit dem Ticken der Uhren.

    Für mich persönlich klingt diese Wiederholung auch etwas unschön. Ich entschuldige mich, falls das von dir so gewollt war, und ehrlich gesagt wüsste ich gerade nicht, was man stattdessen dafür einsetzen könnte... wollte dich auch nur drauf aufmerksam gemacht haben (:
    Was ich weiterhin an dieser Stelle gerne einwerfen würde: Mir gefällt es, dass du bei deiner Erzählung hier so viele längere Sätze drin hast. An einigen Stellen sind sie vielleicht etwas zu lang geraten und hätten mehr Charme, wenn du sie zu zwei Sätzen teilen würdest, nichtsdestotrotz verleiht dieser Stil der Geschichte eine ganz spezielle, geheimnisvolle, märchenhafte Atmosphäre, und auch dein dem angepasster Schreibstil allgemein, die gewähltere Ausdrucksweise... ich muss mir unweigerlich - wahrscheinlich auch wegen den Kräutern, Zauberern und Alchemisten - eine Gesellschaft und Umgebung so nach dem Mittelalter vorstellen. Ich liebe solche Kombinationen aus Futuristik (in diesem Sinne Zeit kontrollieren) und Altertümlichem :3


    Leere Augen blickten ihn an, die scheinbar schon seit langem den Lebensgeist verloren hatten. Erschrocken ließ der alte Mann den Jungen los und hastete davon, durch die Straßen, vorbei an den Menschen, die nur ganz langsam Platz machten. Ihm schauderte wenn er sich an die Augen erinnerte. Doch als er sich umsah stellte er fest, dass jeder um ihm rum (herum) solche Augen hatte (besaß).

    Dieses Szenario kann ich mir richtig gut vorstellen x3 Irgendwie spielst du so mit ich sag ma bekannten Szenen und fügst sie neu interpretiert in deine Geschichten sein, kann das sein? Gelingt dir gut o/ Jedoch gefällt mir deine Umgangssprache an den beiden Stellen nicht so, die ich dir dort angestrichen habe, das beißt sich ein wenig mit dem anderen Geschriebenen =/ Soll jetzt auch lediglich ein Vorschlag sein, musst du ja nicht annehmen, ist mir nur aufgefallen (:


    Da packte den Mann das Grauen, in welche Hölle war er hier hinein geraten? War dies das Reich der Toten? Nein das konnte nicht sein, er hörte überall die Uhren ticken.

    Hier haben wir auch wieder diese schöne Doppeldeutigkeit, die ich an deinen Werken so liebe :3 Reich der Toten? Rein physisch betrachtet natürlich nicht, das bestätigt der Mann sich ja selbst. Seelisch gesehen allerdings schon und das ist ja das eigentlich Schlimme daran, nicht wahr? Und Hölle trifft es dadurch auch so ziemlich, wie man vor allem nach dem vollständigen Lesen deiner Geschichte feststellen kann - und da haben wir sie, die zweite Moral. Ewiges Leben ist eben doch nicht so begehrenswert, wie man es sich stets vorstellt, was die Menschheit natürlich keineswegs davon abhält, dies trotzdem zu tun (;


    Für meinen Geschmack hast du übrigens sehr schön die Orientierungslosigkeit des Mannes, sowie das Stadt genannte Labyrinth beschrieben. Ich finde, man kann sich bildlich vorstellen, trotz wahrscheinlich verhältnismäßig weniger Beschreibungen, wie er dort ziellos umherirrt und versucht, einen Ausgang zu finden, und auch die Häuser an sich... Gott, genauere Be- und Umschreibungen davon hätten das Flair wohl lediglich zerstört, das du dort erfolgreich kreiert hast, dieses Chaos, die wirklich unheimliche Atmosphäre... ich hab es dir ja bereits in dein Gästebuch geschrieben, bei dieser Geschichte hatte ich - wie bei All I know is falling - wahrlich Gänsehaut °__°


    Er lebte noch! Er hatte sein Ziel von der stehenden Zeit erreicht! Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte darüber keine Freude empfinden. Viel eher war es Trauer, Müdigkeit aber am meisten überkam ihn Bedauern. Er bedauerte nie von der Liebe gekostet zu haben, er bedauerte, dass er seine Freunde zurück gelassen hatte und er bedauerte sich selbst. Er, der das ewige Leben gefunden hatte und sich nicht darüber freuen konnte, weil er Gefangener war in einer Stadt ohne Leben.

    An dieser Stelle hatte ich persönlich wieder so einen kleinen... wie nenn ich das... Gedankenschub x) Ich dachte "Wieso bedauert er sich? Er könnte doch in dieser Stadt mit ewigem Leben vielleicht eine Frau finden, die er liebt", aber als ich dann genauer überlegt habe beziehungsweise den letzten Teil des Zitates hier gelesen... wenn niemand dort mehr Lebenswillen besitzt, wird er als Einzelner ihn den Leuten dort auch nicht wieder einhauchen können und früher oder später einer von ihnen werden, ohne Freunde und vor allem ohne weiteres Ziel, das er verfolgen könnte. Letzteres ist ja so ziemlich das ... naja, so die Ironie dabei. Die ganze Zeit lang hat er etwas ersehnt, das ihm im Endeffekt so oder so den Lebensinhalt genommen hätte, denn etwas anderes hat er ja nie gewollt und dabei alles vergessen und verdrängt, mit dem er so unsagbar glücklich hätte werden und auch sterben können... Dieser Wunsch wird wohl keine Junge bekommen o/


    Heute eilt der alte Mann durch die Straßen der Stadt, seine Knochen schmerzen vor Müdigkeit, seine Augen sind leer und in seinem Schädel lebt die Verzweiflung. Sie allein zwingt ihn, die Suche nach dem Ausgang fortzusetzen. Er wird ihn nicht finden. Es gibt keinen.

    Hier könnte man sich auch wieder fragen: Wieso strebt gerade der Mann danach, einen Ausgang zu finden, wenn es außer ihm niemand tut? Hat er also doch noch einen Funken Lebenswillen in sich im Gegensatz zu den anderen Stadtbewohnern? Ist die weitere "Lebensweise" durch die letzte Handlung bestimmt, die man in dieser Stadt vollbringt? Das macht ihn ja fast schon wieder zu etwas Besonderem unter einer Einheit an Masse, aber wahrscheinlich ist es einfach dieser Ehrgeiz an sich, der deinen Protagonisten in jeder Lebenslage so auszeichnet (:


    Insgesamt kann ich also sagen, wieder einmal ein gelungenes Werk deinerseits, sowohl von der Thematik, als auch von der Umsetzung her, und ich finde, du könntest ruhig öfter solche Geschichten schreiben. Du hast deinen Schreibstil und deine Wortwahl passend an deine Handlung angeglichen und auch diese Nachdenklichkeit, die du generell immer erzeugst, aufrecht erhalten. Wahrscheinlich hab ich hier und da ein wenig zu viel interpretiert, aber du kennst mich ja inzwischen in der Hinsicht x3
    Das Einzige, was mir dieses Mal negativ aufgefallen ist, ist deine Kommasetzung. Ich füge mal in einem Spoiler die korrigierte Version an :3 Ansonsten, mach weiter so, du weißt, ich liebe deine Kurzgeschichten und Gedichte <3




    LG


    Namine ~