Erschreckend, aber kaum überraschend:
Hier muss ich mal kurz dazwischen grätschen. Ohne Kontext kann man aus dieser Grafik selbst nicht wirklich viel ablesen. Das "erschreckendste" an der Grafik ist meiner Meinung nach offen gestanden die Farbgebung. Wenn die Quelle nicht von Statista wäre, die ja wirklich ziemlich neutral sind, hätte ich die ohne weiteres als "manipulativ" bezeichnet. So ist sie zumindest unglücklich. Wenn man die nicht angeklagten Polizisten in signal-roter Warnfarbe darstellt und die tatsächlich verurteilten in ruhigem Blau, impliziert man damit doch, dass Anklagen und Verurteilungen gut und richtig sind? Das wäre nämlich ein Fehler.
In einem perfekt funktionierenden Polizeiapparat müssten eigentlich alle diese Männchen in der Grafik rot sein, ich bin mir vergleichsweise sicher, dass man bei uns in Deutschland in den Jahren 2013 - 2019 noch ein "erschreckenderes" Verhältnis finden würde, weil kein Polizist wegen eines tödlichen Waffeneinsatzes verurteilt wurde.
Denn Polizisten, die gerechtfertigt töten - also aus Notwehr oder Nothilfe - werden eben gar nicht angeklagt. Die Fälle bleiben in diesen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft "hängen", die nur Anklage erheben darf, wenn ihr eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint. Auch die ist aber schon eine von der Polizei unabhängige staatliche Instanz.
Ein Geschmäckle bekommt die Verurteilungsquote erst dann, weil kaum zu bestreiten ist, dass die USA tatsächlich Probleme mit institutioneller Polizeigewalt haben. Das darf aber nun nicht dazu verleiten, alle nicht angeklagten Polizisten als Problem wahrzunehmen. Auch in den USA werden sicherlich die Situationen, in denen die Polizisten Leute aus (ex ante) berechtigter Notwehr töten, überwiegen. Man muss auch bedenken, dass in den USA die Bevölkerung deutlich stärker bewaffnet und somit das individuelle Risiko für Polizisten größer ist. Zusammengefasst wird man natürlich sagen können, dass durchaus zwei, drei, vielleicht auch Vier von den rot gefärbten Männchen blau gefärbt gehören. Für eine genaue Feststellung reicht diese Grafik aber nicht aus. Da müsste man stattdessen prüfen, wie viele Polizisten trotz hinreichender Indizien von den Staatsanwaltschaften nicht angeklagt oder der Fall erst gar nicht zur Staatsanwaltschaft gegeben wurde oder bei denen gar nicht erst versucht wurde, belastende Tatsachen festzustellen. So eine Statistik dürfte sich leider kaum erheben lassen. Aber da wäre dann tatsächlich jedes rote Männchen erschreckend, und es wären sicher auch noch einige rote Männchen da. Das Verhältnis von rot zu blau wäre aber nicht annähernd so gravierend, wie es in der Grafik dort den Anschein hat.
Das soll jetzt keine Polizeigewalt rechtfertigen oder relativieren, aber man muss sich schon klar machen, dass im Grunde nicht mehr, sondern weniger Polizisten wegen Gewalttaten verurteilt werden sollten - weil sie gar nicht erst Gründe für eine Verurteilung liefern sollten.
Habt ihr auch gelesen, dass in den USA die Ausbildung eines Polizisten im Durchschnitt knapp 3 Monate dauert? Schon klar, dass in der kurzen Zeit weder Recht noch Ethik ausreichend gelernt werden kann. In Deutschland dauert es meist 3 Jahre, mit einsatznahen Übungen und Praxis im Dienst. Zum Glück haben wir deswegen durchschnittlich kompetentere Polizisten und weniger Polizeigewalt in Deutschland, bzw. Europa generell, auch wenn Racial Profiling bei uns auch ein Problem ist.
Ich finde übrigens, dass wir auch bei uns in der Ausbildung noch einiges verbessern können. Ich persönlich bin in Niedersachsen aufgewachsen, wo seit Jahren neue Polizisten nur noch nach einem dreijährigen Bachelorstudium auf die Straße gelassen werden. In Nordrhein-Westfalen, wo ich studiert habe, gibt es noch eine Polizeiausbildung mit Einstellung in den mittleren Dienst. (nicht mehr aktuell, die Aussetzung des mittleren Dienstes erfolgte in NRW allerdings später, siehe den übernächsten Post). Die Unterschiede in der Qualifikation sind im Umgang mit den Polizisten wirklich teilweise frappierend. Meiner Meinung brauchen Polizisten eben nicht nur einsatznahe Übungen und Praxis im Dienst, sondern sie müssen auch die staatstheoretischen Grundlagen hinter ihrer Arbeit verstehen. Es gibt etwa immer noch zu viele Polizisten, die davon ausgehen, dass die Bürger sich ihnen gegenüber für ihr Verhalten rechtfertigen müssten. In Wahrheit ist es grundsätzlich natürlich umgekehrt. Auch bei der Frage nach der Beweislast habe ich durchaus schon Defizite festgestellt. Etwa müssen Polizisten mir, wenn ich mit einem Kopfhörer Fahrrad fahre, nachweisen, das meine Aufmerksamkeit dadurch beeinträchtigt ist. Ich habe schon mit Polizisten gesprochen, die stattdessen immer dann ein Bußgeld nehmen, wenn der Bürger nicht nachweist, dass er nicht beeinträchtigt war - das ist nicht nur technisch unmöglich, sondern auch eines Rechtsstaats absolut unwürdig. Mit Polizeigewalt hat das natürlich noch nicht viel zutun, aber es ist dennoch ein Machtmissbrauch, der überwiegend schlicht auf Unkenntnis basiert und mit einer besseren Ausbildung sicher vermeidbar wäre.
Das geht jetzt auch in die Richtung dessen, was Bastet sagt. Ethik beibringen ist natürlich schwer, man kann Polizisten aber durchaus vermitteln, dass auch sie sich an Regeln zu halten haben und es bei Nichtbeachtung dieser Regeln nun einmal Konsequenzen gibt.
Mich würde es aber interessieren, ob besagte 20er wirklich ne Fälschung war
Ehrlich gesagt interessiert mich das persönlich nicht wirklich. Ich hoffe aber trotzdem inständig, dass es ein echter Schein war. Wenn es eine Fälschung war, würde das nur wieder rechten Spinnern, allen voran dem Oberspinner im Weißen Haus, ermöglichen, den Tod zu rechtfertigen. Auch bei einer Fälschung war das Vorgehen der Polizei aber absolut unverhältnismäßig und durch nichts zu entschuldigen.