Okay, hier ist die Sache: Polizei ist ein sehr neues Konzept. Die Menschheit hat den größten Teil ihrer Geschichte ohne eine Polizei in irgendeiner Form verbracht – und die Leute haben sich nicht rechts und links die Köpfe eingeschlagen. Natürlich ist es schwer Kriminalstatistiken für eine Zeit aufzustellen, in der es keine kriminelle Strafverfolgung gab und damit auch keine Statistiken über kriminelle Vorfälle geführt wurden. Tatsächlich war es jedoch in den allermeisten Gesellschaften der menschlichen Geschichte üblicher eben persönliche Lösungen für Konflikte zwischen Menschen und Konflikte zwischen Mensch und Gesellschaft zu finden.
Die einzigen Statistiken, die ich gefunden habe, sind aus einzelnen Städten unter britischer Herrschaft zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert. Hier lässt sich feststellen, dass generell im Verlauf der Zeit die Anzahl von Morden deutlich zurückgegangen ist. Ja, auch nach der Einführung von der Polizei – allerdings ist der Rückgang zwischen Einführung der Polizei und 50 Jahre später etwa gleich groß, wie der Rückgang in den 50 Jahren davor. (Und natürlich werden BI_PoC dabei nicht mitgezählt. Weil Racism and Shit.) Übrigens ist tatsächlich die Mordrate in Jamestown von 1450, die aufgezeichnet ist, geringer, als die durchschnittliche Mordrate in den USA heute.
Und genau da ist das hüpfende Komma. Wenn die Polizei so viel bringt: Warum ist dann die USA, das Land mit der am besten ausgerüsteten Polizei und vor allem auch einer der größten Anteile von Polizei pro Einwohner, die Kriminalitätsrate so viel größer, als irgendwo anders auf der Welt? Wie passt das zusammen?
Ich habe übrigens eben auch etwas interessantes zur Aufklärungsrate von Morden gefunden: Nämlich, dass diese wahrscheinlich unter 50% liegt. Das gibt die Polizei selbst zu. Warum sagt nun die Polizeistatistik etwas von über 90%? Nun, weil zur Aufklärungsrate nur die Morde gezählt werden, die überhaupt der Polizei vorgelegt werden. Es wird jedoch davon ausgegangen das 30-50% aller Morde niemals entdeckt werden oder als „natürliche Tode“ behandelt werden.
Das geht eben auch in die Richtung, die ich vorher schon angedeutet habe: Denn auch bei Sexualverbrechen ist es so, dass in die Aufklärungsstatistik nur die aufgenommen werden, bei denen es zu einer Anzeige gekommen ist. Das heißt: Das Opfer muss eine Anzeige aufgeben und die Polizei muss diese Anzeige auch aufnehmen (etwas, das weit, weit schwerer ist, als es klingt – gerade weil nun einmal Sexualdelikte häufig etwas sind, wo Aussage gegen Aussage steht).
Das gilt natürlich auch für alle anderen Verbrechen. „Aufklärungsrate“, die gelinde gesagt mit 56% jetzt aus nicht großartig ist, betrifft nur Verbrechen, bei denen a) eine Anzeige aufgegeben wurde und b) diese Anzeige angenommen wurde.
Dann lass mich einmal deine Punkte durchgehen:
Personen- und Objektschutz: Macht in der Theorie Sinn, hat allerdings in der Realität wieder das Problem mit dem „rechten Auge“. Ich hatte es ja eben wieder genannt mit der Demo in Wien, wo die LGBTQ* nicht von der Polizei geschützt wurden – die rechten Leute dafür vor Gewalt durch die Antifa. Das ist leider auch etwas, das ich immer wieder auf Demos festgestellt habe, auf denen ich war, wenn es eine rechte Gegendemo gab (oder wir die linke Gegendemo gegen eine rechte waren): Nämlich, dass die Polizei viel eher auf unsere Gewalt geachtet hat, als auf die von der rechten Seite. Dieses Problem sieht man eben auch darin, wie eben der Objektschutz immer wieder bei rechten Demos versagt – als Stichwort seien hier auch die Ausschreitungen auf den Corona Demos genannt. Ich bin nun auf relativ vielen linken Demos und habe genau zwei Mal positive Erfahurngen mit der Polizeipräsenz dort gemacht. (Das eine Mal, weil die Alternative für die Polizisten war, sich mit Fußballhooligans rumzuschlagen, das andere Mal hat sich tatsächlich eingegriffen als Nazis von der Demo, gegen die wir auf die Straße gegangen sind, handgreiflich wurden.)
Konkrete Gefahren: Nun haben wir hier eben das Problem, dass es absolut nicht messbar ist, wie viele Alkoholisierten Fahrer*innen im Verhältnis zur Gesamtzahl von alkoholisierten Fahrern aus dem Verkehr gezogen haben. Alles, was ich jetzt lesen konnte, war, dass bei einigen Polizeikontrollen bis zu 10% aller angehaltenen Fahrer*innen mit zu hohem Alkoholgehalt aus dem Verkehr gezogen wurden. Nun ist aber die Sache: Diese Kontrollen sind nicht überall – und ich habe keine Statistiken gefunden, dass eine höhere Anzahl an Kontrollen dazu geführt haben, dass weniger Unfälle unter Alkoholeinfluss passiert sind. Um das zu gewährleisten wäre ein Personalaufwand nötig, der nicht möglich wäre. Und fun fact: Auch hier fällt mir eine bessere Lösung ein, nämlich dafür sorgen, dass weniger Autos unterwegs sind, indem man die Verkehrswende einläutet.
Und was Drogen angeht: Inwieweit wird dadurch die Gesellschaft sicherer? Denn auch wenn Dealer hochgenommen werden, verringert das nicht die Anzahl der Drogen im Umlauf, aus dem Grund, das es die Nachfrage nicht geringer macht. (Also einmal davon abgesehen, dass die meisten, die hochgenommen werden, eh Konsumenten sind und keine Dealer.) Es ist viel eher so, dass der „War on Drugs“ die Gesellschaft unsicherer macht, weil es eine sehr konstante Einnahmequelle für das organisierte Verbrechen ist - eben dadurch, dass es illegal ist. Portugal hat gezeigt, dass die Beendung der strafrechtlichen Verfolgung von Drogendelikten und das angebot sicherer Quellen zum Drogenbezug die Gesellschaft auf mehreren ebenen sicherer gemacht hat. Nicht nur, dass es dem organisierten Verbrechen ein Standbein weggenommen hat, es hat eben auch andere Drogenbedingte Delikte verringert, hat die Anzahl von Drogenabhängigen und die Übertragung von HIV heruntergesetzt.
Zur Ermittlung habe ich eben bereits etwas geschrieben: Viele, um nicht zu sagen die meisten, aller Straftaten werden nicht angezeigt. Bei den angezeigten Straftaten werden nur 56% aufgeklärt. Das heißt: Weit, weit unter 50% aller Straftaten werden jemals aufgeklärt. Auch ist es nun einmal natürlich so, dass Strafverfolgung ohnehin erst dann passieren kann, wenn erst einmal etwas passiert ist. Insofern sehe ich hier keinen großen Präventionsfaktor.
Und ja, an dieser Stelle muss ich auch sagen: Ich sehe strafenden Vollzug weit weniger sinnvoll an, als rehabilitative Rechtsdurchsetzung. Und an dieser Stelle sei fairerweise gesagt, dass natürlich in Deutschland ein Mischsystem herrscht, also ein Teil des deutschen Strafvollzugs durchaus auf Rehabilitation ausgelegt ist. Dennoch denke ich ein komplett rehabilitatives System wäre besser. Zumal man sagen muss: Nur ein geringer Anteil aller Menschen im Strafvollzug sitzt aufgrund von Gewaltverbrechen ein. Ein weit größerer Anteil sitzt wegen Diebstählen, Unterschlagung, Fälschung und vergleichbaren Delikten ein. (Dazu gehören übrigens auch die Schwarzfahrer*innen, die einfach nicht das Geld hatten.) Und da muss man eben schon fragen: Macht das Sinn? Und vor allem: Macht das die Gesellschaft sicherer?
Übrigens sei noch einmal etwas zum Thema „Marginalisierten nutzt die Polizei“ etwas gesagt, nämlich, dass sie es eben nicht tut. Sehr viele marginalisierte Gruppen, egal ob LGBTQ*, BI_PoC oder Behinderte Menschen haben keinerlei Vertrauen in die Polizei. Weil die Chance nicht zu gering ist, dass die Polizei, wenn sie denn gerufen wird, gegen uns ist. Nein, dazu habe ich keine Statistiken, sehr wohl aber sehr, sehr viele entsprechende Erfahrungen im persönlichen Umfeld. Das reichte von Handgreiflichkeiten durch die Polizei, zur Mitnahme aufs Präsidium, hin zur Strafanzeige gegen denjenigen, der eigentlich Opfer war, unter etwaigen vagen Vorwenden. Im besten Fall hat die Polizei einfach nur gelacht und nichts gemacht.
Und was mir eben auch konkret fehlt, ist nun ein Vorschlag, wie man, wenn man die Polizei behalten will, die reformieren soll, dass diese nicht wieder und wieder von rechten Netzwerken unterlaufen wird, wie es in ausnahmslos allen Ländern passiert.