Als Gedichte (bzw. Lyrik) bezeichnet man allgemein Texte, die in Versen und Strophen aufgebaut sind, die sich in der Regel reimen und über ein bestimmtes Versmaß verfügen können. Als Vers bezeichnet man jeweils eine Zeile im Gedicht, als Strophe einen ganzen Absatz.
Reim
Wie gesagt reimen sich die meisten Gedichte, deshalb folgt hier ein kurzer Überblick über die gängigsten Reimschemata (gleiche Buchstaben bedeuten jeweils, dass sich die Verse reimen):
Paarreim (aabb), Kreuzreim (abab), umarmender Reim (abba), dreifache Reimreihe (abcabc), Schweifreim (aabccb), unterbrochener Reim (abcb)
Beispiel: (hier: umarmender Reim)
(a) Ein reiner Reim ist sehr begehrt,
(b) doch den Gedanken rein zu haben,
(b) die edelste von allen Gaben,
(a) das ist mir alle Reime wert.
(Goethe)
Natürlich könnt ihr euch auch ein eigenes Reimschema ausdenken, oder auch Verse reimlos lassen, indem ihr ihnen einfach kein Gegenstück gebt.
Reime können zudem unterschiedliche Qualitäten haben:
reiner Reim: Übereinstimmung der hörbaren Lautfolge, z.B. Stunden - verschwunden
unreiner Reim: unvollständiger Gleichklang, z.B. Bräune - Steine
rührender Reim: identisch klingende Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung, z.B. bar - Bar
identischer Reim: Gleichklang identischer Wörter (Tipp: Sollte wenn überhaupt nur sparsam verwendet werden!)
Kadenz: Die Art, den Abschluss eines Verses zu gestalten. Bei der stumpfen (männlichen) Kadenz ist die letzte Silbe des Verses betont, bei der klingenden (weiblichen) Kadenz die vorletzte Silbe, während die letzte wieder unbetont ist.
Beispiel 1:
„Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr.“
-> männliche/stumpfe Kadenz
Beispiel 2:
„Womit man denn bezwecken wollte,
dass sich der Esel ärgern sollte.“
-> weibliche/klingende Kadenz
(Wilhelm Busch)
In der Regel reimen sich nur die letzten Wörter zweier Verse (Endreim). Allerdings gibt es auch Anfangsreime (hier reimt sich jeweils das erste Wort) oder Binnenreime (hier reimen sich zwei Wörter innerhalb eines Verses).
Insgesamt gibt es noch viele weitere Reimschemata, Reimqualitäten und Reimformen. Bei Gedichten sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, sie sind ein einziges Spiel mit dem Sinn und Klang der Worte. Tipp: Einfach ausprobieren!
Versmaß
In diesem Abschnitt geht es um das Versmaß, auch bekannt als Metrum. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich beim dabei um die Betonungen der Wörter. Damit ein Gedicht auch schön klingt, sollten diese Betonungen nach einem bestimmten Schema auf die Wörter verteilt sein.
Hinweis: Meistens sind die betonten Silben in der Natur eines Wortes bereits unveränderlich festgelegt. Zweisilbige Wörter haben die Betonung entweder auf der ersten oder der zweiten Silbe, Beispiele: Schweigen, Dichter, Erde (erste Silbe betont), Gedicht, verrückt, erlebt (zweite Silbe betont). Versucht man die Wörter anders zu betonen, kann es sich unter Umständen sehr seltsam anhören. Bei mehrsilbigen Wörtern können die Betonungen ganz unterschiedlich verteilt sein, einsilbige Füllwörter dagegen können je nach gewähltem Versmaß betont oder unbetont sein.
Hier kommt ein Überblick über die gängigsten Versmaße:
Trochäus: Es wird zwischen betonten und unbetonten Silben abgewechselt, wobei jeder Vers mit der betonten anfängt, z.B. Hörst du nicht die Bäume rauschen (Eichendorff: Lockung)
Jambus: Gleiches wie beim Trochäus, nur genau umgekehrt, jeder Vers beginnt mit der unbetonten Silbe, z.B. Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde (Goethe: Willkommen und Abschied)
Andere sind z.B. Daktylus (die erste Silbe ist betont, danach folgen zwei unbetonte) und Anapäst (die ersten beiden Silben sind unbetont, die dritte betont).
Vor der ersten betonten Silbe können mehrere unbetonte stehen. Diese nennt man dann Auftakt.
Rhetorische Stilfiguren
Rhetorische Stilfiguren oder auch Stilmittel machen nicht nur Gedichte interessanter, kommen aber in jenen gehäuft vor. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um Spielereien mit der Sprache. Im Folgenden seht ihr eine kleine Übersicht der gängisten Stilmittel, für weitere könnt ihr z.B. hier nachsehen.
Klangfiguren:
Alliteration: mehrere (betonte) Wörter beginnen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben, z.B. bei Wind und Wetter
Assonanz: ähnlich klingende Wörter, z.B. sagen - haben (sie reimen sich nicht vollständig, da die Konsonanten, also hier g und b, verschieden sind)
Bildhafte Figuren: (kann sich auch auf die Wortbedeutung beziehen)
Euphemismus: Beschönigung, z.B. von uns gehen, statt sterben
Hyperbel: Übertreibung, z.B. todmüde, "Das hab' ich dir schon hundert Mal gesagt!"
Untertreibung: z.B. ganz gut, statt hervorragend
Ironie: Gegenteil des Gesagten ist gemeint, z.B. "Das hast du ja wieder toll gemacht!"
Litotes: doppelte Verneinung, oft zum Zweck der Untertreibung, z.B. nicht unschön
Oxymoron: Begriffe, die einander ausschließen, z.B. heißer Schnee, schwarze Milch
Paradoxon: (scheinbarer) Widerspruch, z.B. Ich weiß, dass ich nichts weiß. (Sokrates)
Metapher: bildhafte Darstellung/Begriff im übertragenen Sinne, z.B. Flug der Gedanken
Vergleich: das Gleiche wie die Metapher, aber mit dem Wörtchen "wie", z.B. mutig wie ein Löwe
Personifikation: Vermenschlichung eines Gegenstandes, z.B. die lachende Sonne
Symbol: Begriff, der für etwas Abstraktes steht z.B. Taube für Frieden, Herz für Liebe/Leidenschaft
Satz- und Wortfiguren:
Anapher: mehrere (Teil)Sätze beginnen mit der gleichen Wortfolge, z.B. Wir fordern..., wir fordern...
Chiasmus: Überkreuzstellung von Satzgliedern, z.B. Die Kunst ist lang, kurz ist unser Leben. (Goethe)
Ellipse: unvollständiger Satz, z.B. Ich kann dies, du [kannst es] nicht!
Parallelismus: parallele Satzkonstruktionen, z.B. Heiß ist die Liebe, kalt ist der Schnee
Wie fange ich an?
Ganz am Anfang steht immer eine Idee. Inspirationsquellen dafür können z.B. sein: Natur, Literatur (Bücher, andere Gedichte), Filme, Lieder, Bilder/Fotos, einzelne Begriffe, persönliche Erlebnisse, etc. Sobald ihr ungefähr wisst, worum es in eurem Gedicht gehen soll, solltet ihr dazu Stichpunkte machen. Was soll darin vorkommen, welche Formulierungen würdet ihr gerne verwenden? Außerdem empfielt es sich, sich Wörter zu notieren, die mit dem Thema in enger Verbindung stehen, vielleicht reimen sich sogar ein paar von ihnen bereits.
Anschließend versucht man, die Begriffe zueinander in Beziehung zu setzen, etwas auszuformulieren. Jetzt sollte man auch auf die Betonungen achten (eine gängige Methode ist, die betonten Silben mit einem Strich darüber zu kennzeichnen) und sich passende Reimwörter zurechtlegen. Versucht aber, den Reim nicht durch eine verquere Satzstellung zu erzwingen, das sieht meistens nicht so gut aus und kann sich unter Umständen seltsam anhören. Daher auch immer wieder zwischendurch das Geschriebene probelesen, ob klanglich alles passt.
Wenn man sich zu lange mit einem unfertigen Gedicht beschäftigt, bekommt man leicht eine Schreibblockade. Dann am besten einfach den Stift weglegen und etwas anderes machen - die besten Ideen kommen einem oft genau dann, wenn man schon gar nicht mehr über das Gedicht nachgedacht hat.
Beispielgedicht
Um einmal zu zeigen, wie ein Gedicht dann aussehen kann und wie Reim, Metrum und Stilmittel verwendet werden können, habe ich hierzu noch ein Beispiel gewählt. Dabei handelt es sich zudem um ein Sonett - dieses besteht aus 14 Versen in zwei Quartetten (vier Verse pro Strophe), an die sich zwei Terzette (drei Verse pro Strophe) anschließen. Der Inhalt der Quartette und Terzette sollte dabei antithetisch (= gegensätzlich) aufgebaut sein. Die Quartette bestehen in der Regel aus umarmenden Reimen, die Terzette können sich strophenübergreifend in unterschiedlichen Varianten reimen.
Printemps (Georg Heym)
(a) Ein Feldweg, der in weißen Bäumen träumt,
(b) in Kirschenblüten, zieht fern über Feld.
(b) Die hellen Zweige, feierlich erhellt,
(a) zittern im Abend, wo die Wolke säumt,
(c) ein düstrer Berg, den Tag mit goldnem Grat,
(d) ganz hinten, wo ein kleiner Kirchturm blinkt.
(d) Das Glöckchen sanft im lichten Winde klingt
(c) herüber goldnen Tons auf grüner Saat.
(e) Ein Ackerer geht groß am Himmelsrand.
(f) Davor, wie Riesen schwarz, der Stiere Paar,
(g) ein Dämon vor des Himmels tiefer Glut.
(f) Und eine Mühle fasst der Sonne Haar
(e) und wirbelt ihren Kopf von Hand zu Hand
(g) auf schwarze Au, der langsam sinkt, voll Blut.
Das Metrum dieses Gedichts ist ein fünfhebiger Jambus (also fünf Betonungen pro Vers), wie in der ersten Strophe gezeigt (betonte Silben sind unterstrichen). Wie ihr seht, wurden in diesem Gedicht zudem nur männliche Kadenzen verwendet, da immer die letzte Silbe eines jeden Verses betont wird. Das Reimschema könnt ihr an den Buchstaben links vor den Versen erkennen. Wie für ein Sonett typisch, stehen die ersten beiden Strophen im Gegensatz zur den letzten beiden: Eine friedliche Idylle, die plötzlich von dämonischen Elementen zerstört wird. Werfen wir noch einen Blick auf die verwendeten Stilmittel: Hier kommen besonders viele Personifikationen vor, z.B. der träumende Feldweg, das Haar der Sonne, etc. "Wie Riesen" ist ein Vergleich - man sollte sich hier nicht von dem "schwarz" irritieren lassen, da sich der Vergleich ja ganz offensichtlich auf die Stiere bezieht und "schwarz" nur eine zusätzliche Charakteristik dieser ist. Die "tiefe Glut" des Himmels dagegen ist eine Metapher, denn natürlich brennt der Himmel nicht wirklich. Überhaupt kann man die gesamte vierte Strophe als Metapher sehen, denn so sehr die Wortwahl auch Gewalt suggeriert, beschreibt der Autor eigentlich nur einen simplen Sonnenuntergang. Nebenbei kann man noch zwei Synästhesien (eine Vermischung der Sinneswahrnehmungen) entdecken: Töne können nicht golden sein, ebenso wie der Wind nicht "licht" (also hell) sein kann.
Einfache Gedichte oder: Haiku & Elfchen
Abgesehen von "typischen" Gedichten, die in Versen und Strophen aufgebaut sind, gibt es noch zwei Sonderformen, die ich hier kurz erläutern möchte:
Haiku
Das Haiku ist eine japanische Gedichtform und besteht lediglich aus drei Zeilen. Es ist reimlos und auch auf das Versmaß muss hierbei nicht geachtet werden, dafür aber hat es einen sehr speziellen Aufbau: Die erste Zeile muss aus exakt fünf Silben bestehen, die zweite aus sieben und die dritte wieder aus fünf (5-7-5). Ob es sich dabei um einen Satz handelt, der durch alle drei Zeilen geht, oder ob nur einzelne Gedanken aneinander gereiht werden, ist dabei egal.
Beispiel:
Ab der Mittagszeit (5)
ist es etwas schattiger (7)
ein Wolkenhimmel (5)
Quelle: Wikipedia/Haiku
Elfchen
Das Elfchen heißt so, weil es aus elf Wörtern besteht. Auch hier sind Reim oder Versmaß egal - diesmal spielen auch Silben keine Rolle -, dafür aber müssen andere Dinge beachtet werden, die das Elfchen ganz schön knifflig machen können. Genau wie das Haiku ist auch hier die Form ganz genau festgelegt: Das Elfchen besteht aus exakt fünf Zeilen. In der ersten Zeile steht ein einziges Wort, in der zweiten sind es schon zwei Wörter, in der dritten Zeile drei, danach vier, und zum Schluss wieder eins (1-2-3-4-1). Zusammengerechnet erhält man also wieder die Zahl 11. Das ist aber noch nicht alles: Bei einem Elfchen ist auch noch der Inhalt der Zeilen festgelegt. So muss das erste Wort irgendein Gedanke sein, oder eine Farbe, ein Geruch, etc. In der zweiten Zeile wird beschrieben, was das Wort aus Zeile 1 tut oder bewirkt, in der dritten Zeile, wie oder wo das Wort aus Zeile 1 ist, in der vierten Zeile steht dann das, worauf man eigentlich hinaus will, und in der letzten Zeile das Ergebnis oder Fazit des Elfchens.
Beispiel:
Spätsommer (1)
Goldenes Licht (2)
Sonne verströmt Wärme (3)
Fülle der Früchte lockt (4)
Dankbarkeit (1)
Quelle: Wikipedia/Elfchen
Noch Fragen?
Wenn noch Fragen offen sind oder ihr etwas nicht verstanden habt, könnt ihr gerne hier posten. Außerdem steht es Anfängern frei, ihre Gedichte in diesem Topic bewerten zu lassen (bitte in Spoiler packen).
Ein besonderes Dankeschön an Fatum für die
vielen Hinweise und Verbesserungsvorschläge
Das Fanfiction-Komitee