Da sitzt sie. Draußen, auf dem langen, morschen Holzbalken. Sieh sich nur einer ihre Augen an, überwältigendes Blau. Und ich? Ich bin nur ein Fermicula und trau mich nicht aus meiner modrigen Höhle raus.
Ja, es ist wahr. Ich, das unglücklich und unsterblich in ein Furnifraß verliebte Fermicula. Ich brauche irgendwas, um sie zu beeindrucken. Aber was? Fieberhaft überlege ich nach einem geeigneten Mittel. Plötzliches Gelächter hinter mir reißt mich aus den Gedanken. „Was wollt ihr von mir?“, frage ich genervt. Aus dem Rest des Stammes, der sich hinter mir versammelt hatte, tritt der Stärkste heraus. „Was wir von dir wollen? Dass du dich wie jeder andere auch in ein stinknormales Fermicula-Weibchen verliebst, was denn sonst?“ Ich wende mich von der ganzen Sippe ab und seufze. Auch sie drehen sich um und verkriechen sich wieder in den Tiefen des Baus.
Erneut starre ich sehnsuchtsvoll zu Furnifraß. Und dann habe ich die zündende Idee. Liebe geht durch den Magen, also brauche ich etwas Essbares. Ich krabbele in die Vorratskammer des Baus uns packe heimlich einige Beeren und einen Tannenzapfen in ein Bündel, nehme es Huckepack und trage es so leise wie möglich aus der Kammer heraus. Die schwere Last erschöpft mich, sodass ich kurz vor dem Ausgang des Baus anhalte und nach Luft schnappe. Ich luge verstohlen aus dem Bau hinaus. Da sitzt sie immer noch und blickt gelangweilt in der Gegend herum. Ein Schmetterling fliegt durch die Luft, ein Dusselgurr zwitschert vergnügt auf einem Ast.
Mir fällt zum ersten Mal in meinem Leben auf, wie schön der Wald doch eigentlich ist, in dem ich wohne. Überall ist saftiges Grün, sei es Gras oder ein mit Moos bewachsener Baumstumpf. Die Tannen ragen unendlich hoch in die Luft, und wenn ich Glück habe, landet sogar ein Tannenzapfen direkt vor der Haustür auf dem Boden. Die Luft ist klar und rein, die Blumen wachsen überall. Viele Pokémon haben sich auf dem Waldboden ein hübsches Fleckchen ausgesucht, an dem sie sich niedergelassen haben und nur ab und zu kommen hier Wanderer vorbei, die die Stille und Friedlichkeit des Waldes genießen.
Meine Gedanken schweifen ab. Ich kann mich gar nicht auf mein eigentliches Ziel konzentrieren: Furnifraß beeindrucken! All meinen Mut zusammengenommen, krabbele ich zu ihr. Wie in Trance bleibe ich vor ihr stehen und schaue sie an. Mein Herz sinkt mir in die Kniekehlen, als ich ihr das Bündel vor die Füße lege und öffne. Sie blickt erstaunt auf mich und mein Geschenk herab und ihr Mund bildet ein Lächeln. Nach wie vor starre ich ihr unentwegt in die Augen, fasziniert von ihrem klaren Blau. Ich merke gar nicht, dass ihr das unangenehm ist.
Erst nach einer Zeit gelange ich wieder zu Bewusstsein und klettere auf den Tannenzapfen, der noch vor Furnifraß' Füßen liegt. Ich lächele, damit sie weiß, dass das Festmahl für sie ist. Das scheint sie verstanden zu haben, holt einmal tief Luft und röstet den Tannenzapfen.
Es ist ein angenehmer Tag. Die Sonne scheint, die Temperatur ist mild, vielleicht auch warm, für mich als Feuerpokémon schlechter einzuschätzen und viele Pokémon gehen rege ihren Beschäftigungen nach und erscheinen meist freudig erregt.
Für mich ist dieses sonst so wundervolle Wetter heute eher unangenehm, es erfreut mich nicht wirklich. So döse ich auf einem morschen Holzbalken sitzend im Schatten einer großen Tanne und blicke gelangweilt ins Leere.
Gerade als ich darüber nachdenken will, wie es wohl meinen Eltern geht, obwohl ich sie nicht einmal kenne, werde ich von einem leisen Getrappel über dem trockenen Erdboden aus jenen Gedankenansätzen gerissen und plötzlich steht mein Leibgericht und gleichzeitig Todfeind vor mir: ein Fermicula.
Ich bin zunächst verwirrt, da es mich eindringlich anschaut, fast schon so, als hätte es innerlich Schmerzen und würde sich verzweifelt den Tod suchen, so mein erster Gedanke. Doch dann packt es aus einem Bündel aus Blättern einen Tannenzapfen, sowie Beeren aus und schiebt es mir zögernd vor die Füße. Nun erkenne ich ein gewisses Schamgefühl in seinen Augen und eine gewisse Unsicherheit.
Ich bin sichtlich verwirrt und vor allem erstaunt über das Geschenk, was für mich sein soll, weswegen mir ein kleines Lächeln entschlüpft.
Gleichzeitig denke ich an die schon seit unserer Existenz währende Feindschaft zwischen den Fermicula und uns Furnifraß, was mir sogar sehr natürlich erscheint. Wir als Ameisenbären und sie als eher aggressiv geltende Ameisen – wir als Feuertypen und sie als stählerne Käfer. Beides natürliche Faktoren, die Fermicula zu unserer Beute machen und anderes herum ihre Furcht vor uns, aber gleichzeitig auch ihr immenser Hass gegenüber uns, da wir in ihren Reihen große Löcher hinterlassen, währenddessen das Loch in unserem Magen für einige Zeit gefüllt ist. Wobei so ein gesamter Fermiculastaat auch schon das ein oder andere Furnifraß auf dem Gewissen hat, da sich ein einzelnes nicht gegen Abertausende dieser aggressiven Stahlkäfer wehren kann und ihren scharfen Mandibeln irgendwann unterlegen ist.
Plötzlich wird mir sehr unbehaglich, als ich wahrnehme, dass dieses scheinbar geistig verwirrte Fermicula immer noch vor mir sitzt und mich die ganze Zeit eindringlich anstarrt, schon fast so, als wolle es noch irgendetwas von mir, etwas, was mir fremd war, was mir unlogisch erschien.
Könnte es sein, dass dieses Fermicula, welches scheinbar ein Männchen ist, etwa Gefühle für mich hat, mich liebt?
Wenn ja, dann scheint es wirklich geistig verwirrt zu sein. Es schiebt den Tannenzapfen dann noch ein Stückchen zu mir, klettert darauf und lächelt mich an. Darauf kommt mir der Gedanke, dass ich mit meiner ersten Vermutung gar nicht falsch gelegen habe und es wirklich den Tod sucht. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich verstanden habe, was er will und beginne mein angebotenes Festmahl zu rösten, aber auch nur so, dass es dann noch genießbar sein wird.
Als die Flammen erlöschen, strömt ein verzückender, köstlicher Duft in meiner Nase. Warme, geröstete Ameise samt Beilage. Als ich mein Festmahl beäuge, merke ich, dass jenes merkwürdige Fermicula noch lebt, es zuckt unaufhörlich. Ich schaue in seine verbrannten Augen und erkenne nun echten Schmerz und sehe erstaunlicherweise, dass die Flammen nicht jegliche Flüssigkeit verdunsten ließen und ein Tropfen salzigen Wassers, eine Träne, über das verkokelte Gesicht Fermiculas läuft. Ich erkenne, dass ich doch falsch lag und es nicht durch mich sterben, sondern Gefühle von mir erwidert bekommen wollte und dieser Gedanke oder viel mehr diese Erkenntnis, versetzt mich in tiefes Erstaunen und ein schier übergroßes Entsetzen. Unerwartet lächelt das Fermicula mit letzter Kraft, bevor es, scheinbar zufrieden, stirbt.
Plötzlich höre ich hinter mir ein gewaltiges Getrappel kleine Füße. Ich drehe mich, die Gefahr ahnend, um und schaue einer großen Menge wütender Fermicula in die Augen, zornig und zum Angriff bereit, bereit, auch mir ein scheußliches Ende zu machen. Doch plötzlich wird bei einer jener, scheinbar handelt es sich um die Königin des Ameisenstaates persönlich, der Blick weicher und es liegt ein gewisses Maß an Verständnis in ihnen. Kurz darauf wendet sich der ganze Trupp um und verschwindet wieder im Bau. Sie lassen mich leben und gehen, mit der Gewissheit, dass ich ewig währenden Schmerz in mir tragen werde, so mein Gedanke. Und ich gehe.
Ich spüre Hitze, körperliche Schmerzen und bin erfüllt von tiefer Trauer, doch dann, als ich eine Träne zerdrückend in ihr Gesicht schaue, welches erfüllt mit Erstaunen und Entsetzen ist, übermannt mich ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit. Mit letzter Kraft erzwinge ich mir ein Lächeln, das einerseits meinem Furnifraß gelten soll, als Geste des Verzeihens und als Zeichen größten Glücks. Andererseits gilt es meinen Schwestern und Brüdern, welche sich hinter der Liebe meines Lebens versammelt haben, bereit, sie zu töten. Ich merke, dass die Königin unseres Staates mein Lächeln sieht und versteht - oder zumindest verstehen wird. Ich lasse das letzte Fünkchen Leben aus mir strömen und füge mich meinem Schicksal, jenem, welches vielleicht einiges verändern, die natürlichen Gegebenheiten auf den Kopf stellen wird. Mit dieser Hoffnung verlässt meine zufriedene Seele meinen nun leblosen Körper und steigt hinauf gen Himmel.
Kühler Herbstwind zerrte an meinen Kleidern, als ich meinen Heimweg nach Avenitia antrat. Bei jedem Schritt wippte der Hut über meinen luftigen blonden Haaren auf und ab, die Strähnen fielen knapp auf meine Schulter. Es war verlockend, noch einmal durch die Läden zu schlenzen und den verführerischen Duft der zahlreichen angebotenen Leckereien einzuatmen, doch ich verscheuchte den Gedanken daran mit einer lebhaften Erinnerung an den nächsten Besuch meiner Waage. Tief in Gedanken versunken trottete ich die Gassen entlang, die ich schon lange auswendig kannte. Kleinere und größere Häuser, die meisten davon freundlich eingerichtet, modern und in knalligen Farben, zogen an mir vorbei, und in der Ferne vernahm ich bereits die Rufe der ersten, nachtaktiven Pokémon.
Diese Welt... wie war sie mir vertraut geworden in den letzten Monaten! Ich wusste nicht, ob ich mit mir und meinem Leben zufrieden sein konnte, so völlig sinnlos, ziellos, wie es im Moment war. Ich war glücklich, ganz klar, auf eine einfache Art und Weise, ohne jeden Verstand. Sich einfach gehen zu lassen und jedem Kampf, jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen, hatte schon etwas. So wurde ich nicht stärker, aber auch nicht verletzt.
Die Laternen wurden entzündet, und schon tauchten sie die wie ausgestorben daliegende Stadt in einen goldenen Schimmer. Kalt schauten die Sterne aus den Wolken hervor.
Ich hatte schon allzu viel Zeit verloren, wenn ich meine duftenden Einkäufe noch sicher nach Hause bringen wollte. Wenn ich ankäme, war das Brot hoffentlich noch warm, trotz des schneidenden Windes, der mir um die Knöchel wehte.
Langsam entfernte sich die Stadt, sie wurde immer kleiner mit jedem Schritt den ich in Richtung meiner Heimat machte. Der Wind hob kleine Sandkörnchen auf und ließ sie durch die Luft tanzen, ich kniff meine Augen leicht zu. Der Mond verlieh alles einen silbernen Glanz, zusammen mit dem leisen Rauschen des Windes war die Umgebung um mich herum unheimlich.
Meine Fußstapfen hallten in meine Ohren, unterbrachen meinen Gedankengang. Jeder meiner Freunde hatte seine eigene Stärke gefunden, alle sind über sich hinausgestiegen, außer mich, das Mädchen welches nichts konnte.
Plötzlich drang ein ängstliches Gekreisch in meinem Trommelfeld. Langsam drehte ich mich um und blickte durch das grüne Gebüsch auf eine kleine Wiese. Überall ragten die prächtigsten Blumen aus dem saftigen Boden, alles sah aus wie ein wunderschönes Idyll, außer zwei Individuen die die Stille der Nacht zerstörten.
Eine riesige Katze starrte auf seine Beute herab, das kleine Pokémon quietschte ängstlich und blickte in die hungrigen Augen des Kleopardas. Eine Angst übermannte mich, meine Beine fühlten sich wie Pudding an.
Ohne nachzudenken stürzte ich mich in der Richtung des Kampfes. Innerlich fluchte ich mich selbst an, warum hatte ich meine Pokémon zuhause gelassen? Sie konnten dem Nagelotz helfen nicht als Nachspeise für ein viel größeres Wesen zu enden. Das Kleoparda knurrte mich an, Wut glitzerte in seine Augen, aber ich griff nur schnell nach dem erschrockenen Pokémon.
Der süße Duft der vielen Blumen beruhigte meine angespannten Muskel, als ich durch den Wald rannte, die Äste zerrten an meine Kleider, jedes Mal schoss einen Schmerz durch meinen Körper. Die Wesen der Nacht krochen aus ihre Häuser um zu sehen woher die vielen Geräusche herkamen, wonach sie sich wieder in ihre dunklen Verstecken zurück zogen.
Meine Armen fühlten sich warm und feucht an, aber ich nahm mir nicht die Mühe nach unten zu schauen, um herauszufinden das eine warme rötliche Flüssigkeit über mich strömte. Mein Magen drehte sich um, eine Übelkeit stieg mir zum Hals.
„Halte durch,“ ermahnte ich das kleine Erdmännchen, welches krankhaft hyperventiliere. Angst schimmerte in seine große Augen, er sah den Tod langsam auf ihn hinzu kriechen. Mit diesem Tempo würde ich erst in einer halben Stunde in Avenitia ankommen, das kleine Pokémon wäre bestimmt an seine Verwundungen gestorben.
Schnell legte ich das kleine Wesen in dem saftig grünen Gras, ich presste auf die Wunde. Er kreischte vor Angst, schnell versuchte er sich aus meinem Halt zu befreien, aber ich gab ihm keine Chance. Das Blut spritzte aus seinem Bauch, wo ihn das katzenartige Pokémon getroffen hatte.
Mein Hut wurde von meinem Kopf gewippt, schnell nahm ich ihm und legte ihn wie ein Verband um seinen Mittel, langsam entstand ein rötlicher Fleck auf die grüne Seide. Meine Mutter würde einen Herzimpfakt bekommen wenn sie mich so sah, aber trotzdem drückte ich immer noch auf die Verletzungen. Niemals, niemals würde ich zusehen das ein Wesen, ob Pokémon ob Mensch, vor meinen Augen starb.
Gedanken wehten wie ein Sturm durch meinen Kopf, jedes Gefühl verschwand aus meinem Körper. Das wilde Nagelotz bewog nicht mehr, nur seine Brust ging hoch und runter, in einem gleichen Takt. Ich hob den kleinen Körper vorsichtig auf und presste ihn gegen mich an, wie ein Stofftier hielt ich ihn fest, bevor ich mich langsam in Richtung meiner Heimat machte.
Die kleinen Lichter, die aus den vielen Häuser Avenitias leuchteten. Ich hatte den Beutel mit frisch duftenden Brot verloren, die Läden in Gavine wären zu wenn ich schnell zurück rannte um neues zu kaufen. Ich atmete tief ein, die sanfte Luft, gefüllt von dem Duft der vielen Blumen, füllte meine Lunge. Meine Muskeln beruhigten sich, ich musste meinen kleinen Freund retten.
Ich fühlte Augen auf mich gerichtet, die Blicke der Bewohner fühlten sich wie Dolche an auf meiner durchbluteten Haut. Ekel war deutlich lesbar auf ihrem Gesicht, ich gab niemand Beachtung. Bell, das sonst immer so brave Mädchen, rannte mit einem halbtoten Pokémon durch die Innenstadt. Am Ende der Straße ragte das Labor von Professor Esche hervor, ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Jemand hatte mich von dem Fenster gesehen haben, denn sofort als ich das große Gebäude betrat, stürmte die erschrockene Professorin auf mich zu. „Bell!“ Einen heißeren Schrei verließ ihren Hals, schnell entnahm sie mir das Nagelotz und eilte mit ihm in einem anderen Raum.
Eberhard kam auf mich zu gerannt, Angst war auf seinem Gesicht geschrieben. Ich schüttelte kurz mein Kopf, ich war nicht in der Stimmung zu reden, meine Gedanken gingen nur nach dem Blick von dem kleinen Pokémon aus. Sie war mir so bekannt...
Die Zeit war unwichtig, jedoch nachdem ich aufblickte, hatten sich die Zeiger schon Stunden verlegt. Schritten hallten am Ende des Flures, mein Herz beruhigte sich endlich, das kleine Nagelotz starrte die Welt um sich herum neugierig an. Professor Esche und ihr Vater lächelten, vor Freude ließ ich ein leises Gekreische los.
„Er ist schwach, aber er hat es überlebt. Du hast ihm richtig behandelt,“ lächelte sie.
Meine Kleider hingen zerfetzt an meinem Körper, meine Haare vermischten sich mit Ästen von unterschiedlichen Bäume, aber trotzdem war ich stolz, da ich zum ersten Mal etwas geschafft hatte, etwas worin ich gut war.
Durch die verlassenen Häuserschluchten von Stratos City hastete ein blauhaariger und in Gedanken versunkender Junge. Ihm war nicht mehr bewusst, dass da eigentlich andere Menschen hätten sein sollen, denen man hätte ausweichen müssen. Für ihn war es schon normal, dass sich alles und jeder in dieser Metropole bedeckt hielt. Bis auf eins, zwei Ausnahmen vielleicht.
Dann bog der junge Trainer in eine Seitengasse ein. Cheren stoppte abrupt, als er die Melodie einer Spieluhr neben einem Müllkontainer vernahm. Für den Jungen war es ein kurzer Moment des Innehaltens, der ihn an seinen letzten Auftrag in Orion City zurück erinnern ließ.
Die Melodie, der er lauschte, war schön, aber auch verboten, da sie von der Gegenseite stammte. Sie erzählte vom Leid der Pokémon, das ihnen nur aufgrund der Menschen widerfuhr. Es war genau das, was ihm der unbekannte grünhaarige Junge bei seiner letzten Mission erzählt hatte. Es schmerzte Cheren noch immer, dass ihm dieser Auftrag missglückt war. Deswegen war er jetzt auch unterwegs in den Park, um sich mit Bell zu treffen. Doch die Melodie der Spieluhr hielt ihn noch immer fest und er fing an zu überlegen: „Eventuell ist da doch..“
Aber in diesem Moment leuchtete einer seiner 4 Pokébälle an seinem Gürtel und ein Ferkokel erschien.
Es begrüßte ihn mit einem aufmunternden „Ferkokel!“. Mit Abscheu betrachtete das Pokémon die Spieldose und röstete es kurzerhand mit einer Glut-Attacke.
Cheren verstand, was ihm sein Pokémon sagen wollte und nickte ihm zu. Es hatte recht, Menschen und Pokémon konnten auch in Eintracht miteinander leben. Die Freundschaft zwischen ihm und Ferkokel war der beste Beweis dafür.
Cherens Miene hellte sich etwas auf. Nachdem er sein Pokémon wieder zurück in seinen Pokéball gerufen hatte, eilte er weiter. Seine Laune hatte sich ein wenig gebessert, auch weil er sich mit Bell treffen würde.
Gerade als der Blauhaarige die Seitengasse verließ und in den Park gehen wollte, traf ihn ein harter Schlag auf den Hinterkopf.
Cheren war immer noch leicht benommen, als er in einer Lagerhalle aufzuwachen schien. Er war an einen Stuhl gefesselt. Er wollte eines seiner Pokémon rufen, damit es ihn befreien konnte. Jedoch hatte man ihm aller seiner Pokémon beraubt.
Aber der junge Trainer war nicht allein. Aus einer Ecke schritt ein grünhaariger Junge auf ihn zu. Es war der Trainer von neulich, der der ihm die Mission vermasselt hatte! Im Gegensatz zu Cheren war er nicht allein. In einer Ecke standen noch zwei Plasmarüpel herum. Sie tuschelten etwas, was es war, konnte Cheren aber nicht verstehen.
Um seine Angst zu überspielen warf er dem Unbekannten gereizt entgegen: „Mein Name ist Cheren, wer bist du? Und was willst Du? Wo sind meine Pokémon? Lass mich frei!“
„Na, na, na“, entgegnete der Fremde mit einem leichten spötteln in seiner Stimme, „Du bist nicht in der Lage Forderungen zu stellen.“
Der Grünhaarige kickte kurz gegen den Stuhl an dem Cheren gefesselt war, sodass der Stuhl leicht wankte.
„Aber Deine Fragen will ich Dir gerne beantworten, schließlich bin ich kein Unmensch, so wie gewisse andere Leute hier im Raum.“, der Entführer bedachte Cheren mit einem zynischen Lächeln.
„Ich bin N und ich kämpfe für die Sache des Guten. Ich will die Pokémon von ihrem Joch erlösen, den Menschen als Sklaven zu dienen. Deswegen habe ich vorhin auch 'Deine' Pokémon in ihre Freiheit entlassen. Ich habe sie aus ihren Gedanken manipulierenden Pokébällen befreit. Sie waren alle dankbar und sind fröhlich in den Wald verschwunden.“, verächtlich warf N Cheren eine Hälfte eines zerstörten Pokéballs zu.
„Nein!“, schrie Cheren, „Das ist eine Lüge!“ Es konnte doch nur eine Lüge sein, oder? Ferkokel war doch wirklich Cherens Freund gewesen?
Der junge Trainer versuchte sich aufzubäumen und sich von seinem gefesselten Stuhl zu befreien. Dabei kippte er um und blieb auf dem Boden liegen.
N ging nun ganz nah an Cheren heran, um ihn wieder aufzurichten. Dabei zuckte er kaum merklich zusammen. Was er eben erzählt hatte stimmte nämlich nicht ganz. Befreien wollte er Cherens Pokémon. Aber als sie ihn, anstatt ihm zu danken, angriffen. War er nicht nur verwirrt, sondern wurde auch von ihnen verletzt. Nur mit Mühe hatte er zusammen mit den beiden anderen Rüpeln die Pokémon in einen Käfig sperren können. N machte sich allmählich der Gedanke breit, dass das was sein Vater erzählte eventuell doch nicht stimmen könnte. Aber warum sollte ihm sein eigener seit N denken konnte, Lügen auftischen?
Nein, irgendwas böswilliges musste diese kleine Ratte von Pokémontrainer angestellt haben, dass ihm 'seine' Pokémon so blind folgen wollten. Genau das wollte N heraus finden. Deswegen war er relativ freundlich zu Cheren und wollte ihm seinen Stuhl wieder aufrichten. Außerdem verfolgte er den Plan Cheren auf seine Seite zu ziehen. Denn er konnte gut mit Pokémon umgehen, er war ein fähiger Gegner gewesen, auch wenn er neulich unterlegen gewesen war. Nur musste er ihn dafür erst brechen.
Zur selben Zeit eilte Bell in den Park. Sie war wieder einmal viel zu spät dran und ärgerte sich deswegen über sich selbst. Als Sie schließlich an dem vereinbarten Treffpunkt angekommen war, fiel Ihr sofort auf das irgendwas nicht stimmte – Cheren war nicht da! „Er ist doch sonst immer so ein Pünktlichkeitsvernatiker!“, entfuhr es ihr. Zehn Minuten Verspätung waren für ihren besten Freund mehr als ungewöhnlich. Weitere Zehn Minuten vergingen als währen es 10 Stunden gewesen. Irgendetwas musste ihm passiert sein! Nur was? Aufgeregt sah sich die junge Trainerin um. Sie begann die wenigen Menschen, die doch noch unterwegs waren nach Cheren zu fragen. Bei einem Eisverkäufer hatte sie endlich Glück: „Haben Sie einen Jungen mit blauen Haaren und einer Brille gesehen?"
„Ja habe ich.“, sagte der Mann. Bell war im ersten Moment erleichtert. Doch als sie dann hörte, dass ein bewusstloser Cheren von drei Leuten in Richtung Lagerhallen gebracht worden war, gab es für die junge Trainerin kein halten mehr. Bell rannte los, als wäre ein Schwarm Fleknoil hinter ihr her.
Bei den Lagerhallen angekommen, wurde das Mädchen ganz vorsichtig und schlich von Tür zu Tür. Doch sie wurde entdeckt, bevor sie Cheren fand und zwar von einem ungehalten dreinschauenden Jungen. Der Andere hatte grüne Haare und war Bell ein wenig unheimlich. Sie fragte: „Hast Du einen blauhaarigen Jungen mit Brille gesehen?“
Daraufhin verfinsterte sich die Miene des Fremden und er warf einen Pokéball. Es erschien ein Somnivora.
„Los, Hypnose“, befahl er dem Pokémon. Doch stattdessen setzte das Pokémon eine große rosane Rauchwolke frei. Der Nebel umhüllte die beiden. Schnell rief Bell noch ihr Zwottronin. Aber zu spät, denn schon im nächsten Moment schien die Wolke zu explodieren und Bell schwebte mit zusammen mit N und Cheren durch den Raum. Endlich hatte sie ihren Freund gefunden, nur an einem sehr seltsamen Ort. Sie waren nicht mehr in Stratos City. Um sie herum ersteckte sich ein gigantischer Wald mit einer hübschen Lichtung. Die drei jungen Menschen glitten sanft zu Boden und blieben dort wie kleine Babys liegen. Vor ihnen erhob sich eine uralte, knorrige Eiche. Der Wind streifte durch ihre Äste und ihre Blätter schienen den Dreien etwas zuflüstern zu wollen. Zunächst verstanden sie nicht, aber dann vernahmen sie die die Worte des Baumes: „Ihr Menschen, warum bekämpft ihr euch? Im Grunde habt ihr doch die selben Ziele.“
Als die drei Widerspruch einlegen wollten, zitterte der Boden unter ihren Füßen leicht.
Die Eiche fuhr fort: „Ihr wollt alle, dass Pokémon und Menschen in Harmonie miteinander leben. Und das versucht ihr durch euren dummen Krieg in die Tat umzusetzen.“
Der Baum schien vor Lachen leicht zu Beben und seine Äste sich aneinander zu reiben.
„Dabei ist es doch der Krieg, der das Leid zwischen euch sät!“
Die Stimme verstummte für eine Weile und die Kinder begriffen, was der Baum meinte.
„Wenn ihr miteinander Frieden schließt, werdet ihr euer Ziel gemeinsam erreichen.“
Die drei Trainer schauten sich gegenseitig an. Nicht mehr feindseelig, sondern freundschaftlich. Dann begann sich der Wald um sie herum aufzulösen und die drei Freunde würden gemeinsam in die Welt hinausziehen, um die Botschaft der Traumeiche zu verbreiten.
Licht durchflutete den prunkvollen Saal, ein heiliges, warmes Licht, welches nur einer einzigen Quelle entspringen konnte. Ein animalischer Schrei ertönte am Himmel und dann glitt der Drache, gewandet in einem schneeweißen Fell, sacht zu Boden. Nathaniel hätte sich niemals vorstellen können, dass eine solch imposante Kreatur derart sanft landete. Er legte den Kopf in den Nacken, um sie zu betrachten – als Mensch, im Gegensatz zu ihr klein und unbedeutend, reichte er nur bis zu ihrem Schenkel. Reshiram mutete ihm wie ein Engel mit eisblauen Augen an. Er spürte den Windstoß ihrer Flügelschläge und dann war der Raum mit rot-orangen Feuerwerk erfüllt, als die Fackel, die Reshirams Schweif darstellte, erleuchtete.
Und plötzlich erzitterte er, sah in unwirklicher Ferne Blacks Gesicht und las in ihm, dass es falsch war, was er tat. Neben ihm befand sich ein dunkler Drache, mindestens ebenso imposant und wirkte mit seiner bulligen Statur wie sein Leibwächter.
Seine Ziele, was sollte aus ihnen werden? Seine? Die hatten nie existiert, er war immer nur die Marionette seines Vaters gewesen.
In Blacks Augen konnte man erkennen, wie alles in ihm der Verzweiflung wich und er für einen Moment noch versuchte er sich in Nathaniels Richtung zu drehen, etwas zu sagen, aber Reshiram strahlte etwas seltsam Warmes von sich aus und zog ihn in ihren Bann. Er versuchte sich gleichzeitig auf Nathaniel und Reshiram zu konzentrieren, doch dies gelang ihm nicht. Er rutschte unsanft auf mehreren Steinen, die durch all die Jahre mit Moos belagert wurden, aus und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem harten Boden.
Nathaniel versuchte ein Kichern zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht. In dieser bizarr gefährlichen Situation, die das Schicksal der gesamten Welt zu verändern mochte, ließ er sich von diesem irrwitzigen Bild des Blacks, dessen haselnussbraune Augen vor Erstaunen groß wurden, dessen Wangen einen leichten Rotschimmer aufwiesen, dessen Kapuze der blauen Weste ihm über das wirre, braune Haar gerutscht war und der wehleidig stöhnte, mitreißen. Dieser Junge brachte ihn zum Lachen, mehr als alle Videospiele, denen er sich aus einer unendlichen Einsamkeit heraus gewidmet hatte, mehr als seine Pokemon, die er über alles liebte, und alles Andere auf der Welt. Black verlieh ihm das Gefühl der Leichtigkeit und der Geborgenheit, dass alles halb so schlimm war, wie es erschien. Und deswegen schätzte er seine Nähe.
G-Cis schnaubte entrüstet. „Ich mag verloren haben. Eine Witzfigur wie du… wie konnte solch Gesindel es so weit bringen?“, schrie jener dem Jungen, welcher in den letzten Monaten zum erklärten Feindbild geworden war, entgegen. „Aber mein Sohn.“ Ein höhnisches Grinsen legte sich auf den lippenlosen Mund. „Ja, der wird mich stolz machen.“ In seinen Augen spiegelte sich der blanke Wahnsinn wider. Seine Stimme glich der eines Betrunken – nur hatte sein Vater zu tief ins Glas geblickt, als es mit Ansehen und Macht gefüllt war.
Nathaniel war sich dessen schon immer bewusst gewesen, hatte ihn aber bis zu diesem Augenblick verdrängt hatte und plötzlich kroch in ihm die Angst hoch. Was, wenn er genauso geworden wäre…?
„Ich bin keine Witzfigur!“, entgegnete Black empört und wusste selbst nicht, ob dies der Wahrheit entsprach. Schließlich hatte er sich in diesen ehrwürdigen Hallen vor den ebenso ehrwürdigen Drachen blamiert. „Und Ihr Sohn ist nicht Ihr Sklave! Und Ihr Sohn ist Ihr Fleisch und Blut, nicht Ihr Experiment.“ Hoffnungsvoll wandte er sich an den Angesprochenen.
„Ich…“ In seinem Inneren tobte ein Sturm, der einem peitschenden Meer glich. „werde dich nicht stolz machen, Vater“, wisperte er kaum hörbar, aber da es in der großen Halle still geworden war, hörte man jedes Wort.
„Dein Name birgt Ruhm, er ist dem eines Königs würdig, Nathaniel, vergiss das nie“, hatte er ihm sein Vater stets gesagt. Wie jeder andere Prinz litt er an großer Einsamkeit. Pokemon waren treue Gefährten, aber Menschen benötigten die Gesellschaft andere Menschen, Gleichaltriger, mussten Freundschaften schließen und sich schlussendlich… ja, auch verlieben. Niemand wusste, wie es war er zu sein.
Während der Raum still wurde und sogar Reshiram ein wenig geschockt ihre großen, blauen Augen aufriss versuchte Black sich mühsam wieder in eine halbwegs normale Pose zu begeben, denn er lag noch immer rücklinks wie ein verunglückter Käfer auf dem Boden.
Er versuchte zu begreifen was in seinem Gegenüber vorging. Auch wenn er immer so tat als verstehe er ihn, hatte Nathaniel ihn nie in sein Herz sehen lassen. Das war das erste Mal, dass er Nathaniels wahre Gefühle vernehmen durfte und trotz der Situation gefiel es ihm. Er war einfach nur glücklich und vergaß alles um sich herum, Reshiram, G-Cis, Zekrom, den Ort und die Stille. Er sah nur noch Nathaniel vor sich und gleichzeitig fürchtete er, jeder könnte sein wild pochendes Herz hören.
C-Gis Gesichtsausdruck entglitt. „Mein Lebenswerk ist dahin“, murmelte er apathisch, mit jedem Mal lauter, als er die Worte seines Sohnes realisiert hatte. „Mein … Experiment, es hat versagt. Alles ist dahin, mein Lebenswerk. Dahin!“ Das letzte Wort klang wie das Jaulen eines getretenen Yorkleffs. Selbst unter seinem imposanten, königlichen Umhang wirkte er nur mehr wie ein alter, gebrochener Mann. „Du bist schuld! Und du hast ihn aufgehetzt gegen den eigenen Vater und ihm…“ Er spuckte die Worte aus, als seien sie giftig. „den Kopf verdreht, als seist du ein Weib, du...“
Einen Augenblick lang befürchtete Black, dass sich der Alte auf ihn stürzen würde und wich einen Schritt zurück. Tatsächlich kam C-Gis ihm näher, doch diesmal brüllte Zekrom laut auf und drohte sich zu erheben. „Das… Das ist nicht meine Schuld!“, rief Black G-Cis aus schierer Verzweiflung zu. „Nate weiß selbst, was er tut und was er will.“ Er war erleichtert, dass das Pokemon auf seiner Seite war und ihn beschützen wollte, und suchte Nathaniels Blick. Dieser erwiderte aus seinen tiefen, schwarzen Iriden und Black meinte, eine Träne in seinem Augenwinkel erhascht zu haben.
Auch wenn Nathaniel nie überzeugt gewesen war von den Ideen und Vorstellungen seines Vaters, so war er ja immer noch sein Sohn. Es musste schwierig für ihn sein, sich in diesem Moment endlich gegen ihn zu stellen, doch es befreite ihn sicherlich auch, endlich die Wahrheit zu sagen, sich nicht mehr verstellen zu müssen. Auf jeden Fall lächelte Nathaniel ihn an. Sein Antlitz war voller Freude und Dankbarkeit.
Plötzlich spürte Black ein Kribbeln in seinem Bauch und eine wohltuende Wärme breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Ein Strahlen erhellte sein Gesicht und er sah Nathaniel weiterhin an. Es gab nur noch ihn und sein Gegenüber. So wenig er doch von diesem Jungen wusste, so viel wollte er noch von ihm erfahren, mit ihm erleben. Seine Füße trugen ihn vorwärts, ohne dass er es bemerkte, oder kontrollieren mochte. Er durchquerte die Halle, auf den Jungen, der eigentlich sein Konkurrent gewesen war, zu und wurde dabei immer schneller, bis er vor ihm stehen blieb.
Nathaniel, meldete sich eine scheinbar Jahrtausende alte, weise Frauenstimme zu Wort. Reshiram senkte den Kopf und blies ihm ihren warmen Atem ins Gesicht. Instinktiv umarmte er ihren Hals. Meine Anwesenheit wird hier nicht mehr benötigt.
„Nein.“ Gegenüber diesem Engel wusste er nicht mehr zu sagen und verspürte Nervosität. „Wohin fliegst du jetzt?“
Wohin du willst. Die Drachendame legte den Kopf schief und versuchte in seinem erstaunten Gesicht zu lesen. Ja, richtig. Komm mit mir, weit weg von allem, was war. Ich will dir die Welt zeigen, so wie sie wirklich ist.
Nathaniel prägte sich Blacks Bild ein, alle Erinnerungen an ihn und plötzlich erklang in seinen Ohren wieder die fröhliche Musik des Riesenrades, dessen Fahrt ihn verändert hatte. Folgsam kletterte er über Reshirams Schwinge auf ihren Rücken.
„Wir sehen uns wieder“, versprach er.
„Wann, Nate?“
Nathaniel beugte sich kurz hinab und hauchte einen unschuldigen Kuss auf seinen Mund. Sein langes, grünes Haar bedeckte sein Gesicht. Black erstarrte, berührte seine Lippen und lächelte verlegen. Vielleicht war es nötig gewesen, um ihnen beide zu bestätigen, welche Bande zwischen ihnen bestanden.
Bald, wandte sich Reshiram an ihn und er schreckte kurz zurück, als die fremde, warme Stimme in seinem Kopf lag. Ich bringe ihn dir bald wieder, keine Sorge. Er glaubte in den Worten eine verschmitzte Botschaft zu hören. Dann wurde sie wieder ernst. Du bist ein guter Mensch, Black. Arceus segne dich.
Sodann breitete der Drache die majestätischen Schwingen aus und richtete sich wie ein Pfeil dem Himmel entgegen. Ihre schlagenden Flügel erzeugten einen Wirbel und ein Getöse, der die Menschen erfasste und beinahe von den Füßen riss und auch Zekrom folgte ihrem Beispiel. Inmitten von peitschenden Windböen sah Black dem Jungen nach. Hier war ihr lächerlicher Krieg, der von beiden Jungen nicht gewollt gewesen war, zu Ende. Stattdessen war es C-Gis, dessen alte, müde Knochen alle Kraft dafür aufbrachten den legendären Drachen hinterherzulaufen und er bettelte sie an, sie mögen bleiben.
Black legte den Kopf in den Nacken und beobachtete Reshiram, welche nur mehr als Punkt am Himmel zu erkennen war. Langsam begann er zu verstehen. So fühlte sich also Einsamkeit an? Aber sie würde vergehen, das wusste er.
Ein wenig verschwommen blickte das Gesicht von N aus dem Wasser. Die Haut war blass, obwohl der Junge mittlerweile sehr viel im Freien war. Die Augen schauten müde drein und die Stirn lag – trotz, dass es sich um einen recht jungen Menschen handelte – in Falten.
Über dem Wasser kniete ein weiterer Junge, der dem N aus dem See zum Verwechseln ähnlich sah.
Er strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Genau wie sein Double, war auch dieser Junge in seine Gedanken vertieft und man fragte sich, ob er seinen Doppelgänger überhaupt bemerkte.
Es waren philosophische Gedanken, die die beiden beschäftigten.
Sie wussten nicht, wohin sie gehen sollten, welchen Weg sie an der nächsten Abzweigung einzuschlagen hatten.
Sie wussten nicht, was sie tun sollten und genauso wenig wussten sie auch nicht, ob das, was sie taten, richtig war.
Und dennoch schien ihnen nicht klar zu sein, wer sie waren.
So verharrten die Beiden eine ganze Weile, bis der Blick des Jungen über dem Wasser wieder in die Realität fand. Zugleich klarte sich Ns Blick ebenfalls auf und nun sahen beide ihrem Gegenüber direkt in die Augen.
Wusste der Doppelgänger des jeweils anderen vielleicht eine Antwort, die man selbst noch nicht kannte?
Die Idee schien ihnen zu gefallen, denn nun bewegten sie ihre Köpfe aufeinander zu.
Die Nasenspitze des Jungen, der dem N aus dem Wasser so ähnlich sah, berührte fast die Wasseroberfläche.
Er spürte bereits die klare und erfrischende Luft die von dem See ausging.
Doch plötzlich lehnte sich der Junge zu weit hinaus, für die Dauer eines Wimpernschlags zeigte Ns Gesicht blankes Entsetzen, dann zersprang es in tausende einzelne Tropfen.
Hoch schossen sie hinaus, doch der Junge, der gerade noch am Ufer gesessen hatte, glitt mit panischen Bewegungen in das Wasser. Das Letzte, was er spürte, bevor ihm schwarz vor Augen wurde, war, dass sein Kopf gegen irgendetwas Hartes stieß.
N lag am Boden. Er fühlte sich schrecklich.
Ein Grashalm kitzelte ihn an der Nase und er musste unwillkürlich niesen.
‚Seltsam’, dachte er ‚wieso habe ich nie bemerkt, dass Gras so intensiv riecht?’
Plötzlich hörte er den Schrei eines Vogels. Er war gefährlich laut, sodass er sofort aufsprang. Komischerweise verlor er sofort das Gleichgewicht und landete auf allen Vieren.
Irgendwas war anders und es dauerte einige Zeit, bis N registrierte, was es war: Er war plötzlich ein Yorkleff!
Doch viel Zeit hatte er nicht, um darüber nachzudenken, denn mit einem Mal schoss der Vogel, den er gerade noch gehört hatte, aus den Büschen vor ihm.
Haarscharf flog das Washakwil an seinen Kopf vorbei, geradewegs gen Himmel.
Das kleine Yorkleff – davon ganz erschrocken – stolperte rückwärts und bemerkte nicht den steilen Abhang, der hinter ihm war.
So kam es, dass es diesen hinunterpurzelte und dabei nur ängstlich fiepen konnte.
N kam zum Stehen, als er direkt auf einem Praktibalk landete.
„Was fällt dir ein?!“, rief das Kampfpokémon wütend aus.
„Ich war mitten in meinem Training, du hast mich dabei unterbrochen!“
Praktibalk baute sich drohend vor dem Hund auf, der nun dasaß, wie ein Häufchen Elend.
„Ich schätze, ich werde mein Training nun an dir fortführen müssen und ich hoffe, dass viele dabei zuschauen, damit sie wissen, dass man so was mit mir nicht macht!“
Das Praktibalk begann wie wild mit seinem Balken auf sein Gegenüber einzudreschen und N, der zwar immer noch von dem Sturz und den anderen Ereignissen gezeichnet war, versuchte, so gut es in seinem doch ziemlich verwirrten Zustand eben ging, auszuweichen. Doch letztendlich erwischte ihn das Holz seines Gegners an der Pfote.
Er jaulte auf und rannte im nächsten Moment schutzsuchend zu einem nahen Baum, wo er jedoch – aufgrund seiner Schmerzen – zusammenbrach. Das Praktibalk sah darin die Chance, die Sache zu Ende zu bringen und rannte mit wütendem Geschrei auf N zu.
Dieser kniff die Augen zusammen und wartete auf den Schlag, der ihn vermutlich erneut in die Besinnungslosigkeit treiben würde.
Doch es passierte nichts. Der erwartete Hieb blieb aus.
Vorsichtig öffnete er seine Augen und als er dann mühsam seinen Kopf aufrichtete, sah er gerade noch, wie das Praktibalk von einem anderen Pokémon verscheucht wurde und ein junges Mädchen langsam auf ihn zukam.
Dann wurde alles schwarz.
Als er wieder zu sich kam, wusste er zuerst nicht, wo er war. Schwerfällig versuchte er, sich aufzurichten. Da ertönte plötzlich eine laute Stimme:
„Lilia, Lilia! Er ist wieder aufgewacht! Er ist wieder aufgewacht!“ Verwirrt blinzelte N und langsam wurde seine Sicht wieder klarer. Er erkannte ein Milza, welches aufgeregt um ihn herumrannte und immer wieder diesen Satz schrie.
„Hey, ganz ruhig, Milza! Was ist denn los?“, hörte er dann eine zweite, weibliche Stimme fragen. Sofort blieb das Milza stehen und schaute in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
„Er ist aufgewacht! Siehst du das denn nicht?“, rief es aufgeregt und deutete auf N.
Dieser folgte Milzas Blick und erkannte ein junges Mädchen mit lilafarbenen Haaren. Wenn er richtig kombiniert hatte, musste das Lilia sein.
Langsam kamen auch die Erinnerungen wieder zurück und er erkannte sie als das Mädchen, das ihn vor dem Praktibalk gerettet hatte. Als er anschließend an sich herunterschaute, sah er, dass er noch immer ein Yorkleff war.
Egal, wie das passiert war, er wusste nicht, ob er es gut finden sollte, oder nicht. Dass es nur ein Traum war, glaubte er nicht mehr. Dazu hatte sich der Kampf zu real, und vor allem zu schmerzhaft, angefühlt.
Doch wieder wurde seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt, als Lilia endlich bemerkt zu haben schien, dass N, oder besser gesagt, das Yorkleff, wieder aufgewacht war.
„Hey Kleiner! Geht’s dir wieder besser? Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass wir zu spät gekommen sind! Deshalb bin ich kurz in den Wald gegangen, um Kräuter und Beeren zu sammeln, damit es dir schnell wieder besser geht. Siehst du?“, fragte sie N lächelnd und holte eine große Menge Beeren und Kräuter aus ihrer Tasche und hielt sie ihm unter die Nase.
Als Yorkleff war seine Nase extrem feinfühlig und sofort wurde er von einer Ladung unbekannter Gerüchen überrumpelt. Fiepend wich er vor ihr zurück. Schmerzerfüllt jaulte er gleich darauf auf, als er einen stechenden Schmerz in seiner linken Vorderpfote wahrnahm. N begann zu winseln und leckte sich seine schmerzende Tatze.
„Oh, hat dich das Praktibalk an der Pfote verletzt? Komm, lass mal sehen, ich tu dir nichts“, redete Lilia beruhigend auf N ein. Dieser sah sie misstrauisch an. Wann hatte ihm schon je jemand helfen wollen? Immer war er nur von seinem Vater für seine eigenen, boshaften Ziele missbraucht worden.
„Es stimmt, lass sie dir helfen, sie ist echt nett!“, meldete sich nun auch Milza zu Wort. N wandte den Blick von Lilia ab und sah zu Milza. Er fühlte, dass die beiden die Wahrheit sagten. Doch der Grund für ihre Hilfsbereitschaft war ihm schleierhaft. Er war doch nur ein kleines Yorkleff!
Immer noch misstrauisch ließ er es schließlich zu, dass Lilia ihn an der verletzten Pfote anfasste. Sie tastete vorsichtig daran herum, aber trotzdem tat es N ziemlich weh. Leise winselnd ließ er das Ganze über sich ergehen.
„So ist’s brav, ein ganz tapferes Kerlchen bist du“, meinte Lilia, als sie seine Pfote losließ. Sie begann, in ihrer Tasche zu kramen. Plötzlich begann sie, leise zu sprechen.
„Weißt du, es gibt so viel Unrecht auf dieser Welt… Am liebsten würde ich mich verhundertfachen und die Welt ein kleines bisschen besser machen. Die meisten Menschen sind so auf sich selbst fixiert, dass sie davon gar nichts mitkriegen, oder sie verschließen ihre Augen davor. Ich helfe gerne und überall, wo ich kann, aber das reicht noch lange nicht aus… Ich weiß, dass es immer irgendwo und irgendwie Probleme geben wird. Dabei kann wirklich jeder etwas zur Besserung beitragen“. Sie seufzte traurig.
N hat sie die ganze Zeit über aus großen Augen angesehen. Vielleicht war das etwas, was er tun konnte! Den Menschen und Pokémon helfen… So als eine Art männliche Schwester Joy? Unzufrieden schüttelte er seinen Kopf. Nein, wie sähe er dann aus! Dann doch lieber einfach planlos durch die Welt ziehen und helfen, wo er nur kann, so wie Lilia das tat. Ja, das würde ihm gefallen. Doch dann fiel ihm ein, dass er ja nur ein kleines Yorkleff war. So konnte er doch nichts bewegen! Traurig ließ er seinen Kopf hängen. Da hätte er endlich eine Aufgabe gefunden, und dann musste ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen.
„Weißt du was, Yorkleff? Hättest du nicht Lust, dich mir anzuschließen? Du machst einen netten Eindruck und ich glaube, wir würden gute Freunde werden, meinst du nicht auch?“, riss Lilias Frage N aus den Gedanken. Sich ihr anschließen? Wieso eigentlich nicht? So konnte er doch den Menschen helfen!
Seiner Meinung nach war die Chance, dass er wieder ein Mensch wurde, nicht allzu hoch.
Schwanzwedelnd bellte er einmal zustimmend.
„Ist ja klasse! Schau Milza, wir haben einen neuen Freund gefunden!“, rief Lilia freudestrahlend aus und klatschte in die Hände.
N saß immer noch schwanzwedelnd am Boden und zum ersten Mal in seinem Leben war er so richtig glücklich.