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  • Wenn es der Erhaltung auch von Leben generell dient, ist es nützlich

    Wenn es der Erhaltung einer Lebensform dient, die ihren eigenen Lebensraum und im Grunde einen ganzen Planeten immer weiter ins Verderben stürzt, ist es auch noch nützlich?

    Ich bin einfach keine Freundin der menschlichen Rasse und ich denke auch nicht, dass man das Universum noch Jahrmillionen damit belangen muss. Trotzdem ging es mir in meinem vorigen Post nicht darum, mich sofort dagegen zu stellen, sondern ich wollte erreichen, dass man vielleicht auch mal in beide Richtungen denkt und hinterfragt, was man bislang zu diesem Thema gedacht hat. Dass man vielleicht auch mal darüber nachdenkt, ob dieser Lebenserhaltungstrieb nicht doch mehr Tücken als Vorteile birgt.

    Die Arterhaltung als Ganzes ist mir auch egal, aber jeder möchte als Individuum sein Leben retten (es sei denn, du hast einen Todeswunsch äh...) und sagt sich im Notfall wohl eher selten "für mich soll das arme Tier nicht ausgenommen werden" - also, ja, das sollte es schon. ^^"

  • Und was ist an Computerchips im Gehirn so "schlimm"?

    Nun, das lässt sich vielleicht mit den Eingriffen, die wir bereits haben, ganz gut zeigen. Das Cochlea-Implantat ist tatsächlich ein Gerät, mit dem man die Hörfähigkeit von tauben Menschen wieder herstellen kann. Das ist an sich nett, dieses Gerät als ultimative Lösung für Gehörlose Menschen hinzustellen übergeht allerdings Wünsche und Sorgen tauber Menschen völlig.

    Das Stichwort heißt hier Ableismus, die Vorstellung ein Mensch wäre "schlechter", wenn er nicht alle gewöhnlichen Fähigkeiten besitzt. Du hörst nichts? Mit dem Cochlea-Implantat brauch ich hörender Mensch nichts mehr tun, kümmer dich halt, dass du die Fähigkeit zu hören (zurück)bekommst. Womit wir auch direkt bei Auswirkungen dieser Vorstellung sind: Diese Technik privatisiert das Problem des Taubseins. Du bist taub? Dann kümmer dich halt, dass du hörst. die Gesellschaft bietet dir ja schon eine Möglichkeit. Und es ist eine typische Weise mit Problemen behinderter Menschen umzugehen: Nicht der Nichtbehinderte unternimmt einen tatsächlichen Schritt um auf den anderen zuzugehen, sondern der Behinderte muss sich einem Eingriff unterziehen. Der Nichtbehinderte könnte natürlich Gebärdensprache lernen, aber das ist ja wohl viel zu schwer, nicht zumutbar für den gebeutelten Nichtbehinderten.

    Die Sorge vor Hacks und staatlicher Überwachung könnte eventuell berechtigt sein, aber völlige Gehirnkontrolle mit solcher Technologie klingt für mich - als Laien - schon sehr utopisch (bzw. dystopisch?). Zumindest während unserer Lebenszeit muss man sich darüber bestimmt keine Gedanken machen.

    Abseits staatlicher Überwachung ist doch heute schon schlimm genug, wenn essenzielle Geräte gehackt werden. 2017 mussten in den USA eine halbe Million Herzschrittmacher zurückgerufen werden, weil diese hackbar waren. Das waren nur die nicht verbauten Geräte, da eine OP zum Austausch des Herzschrittmachers dann doch nicht ganz ungefährlich ist. Das heißt aber eben auch, dass es einem potenziellen Angreifer möglich ist den Herzschlag des Opfers zu kontrollieren. Das finde ich beängstigend genug. Wenn man sich jetzt vorstellt, ein potenzieller Angreifer greift direkt im Gehirn an... ich stell mir das ein bisschen wie bei Neal Stephensons Snow Crash vor.

    Ich wage zu behaupten, dass Angriffe auf Gehirnchips sogar wahrscheinlicher sein dürften, weil die meisten wohl ihren Mehrwert aus einer Internetverbindung ziehen würden. So schlampig, wie üblicherweise mit Security umgegangen wird, möchte ich mir nicht ausmalen, wie groß das Risiko am Ende ist.

    Und wer lebt denn nicht gerne?

    Und dennoch gibt es zahlreiche Gedankenspiele zum ewigen Leben in Literatur und anderen Medien, aber selten sehen sie positiv aus. Vampire, die des Lebens müde sind, transhumane Wesen, die endlich sterben wollen. Zumal offenbar viele vergessen, dass der größte Teil des Lebens von Arbeit geprägt ist. Man verlängert also vor allem die Zeit, die man mit Arbeit zubringen. Jetzt kann man natürlich anmerken, dass die fortschreitende Technisierung dafür sorgen wird, dass wir weniger arbeiten müssen. Dem empfehle ich ein Blick in die Doku "Richtung 2000". Dort stellte man sich vor, dass man in knapp 30 Jahren nur noch rund 25h die Woche arbeiten müsse. Darauf warten wir nun gut 20 Jahre, ein Blick nach Österreich reicht, um zu vermuten, dass der Kapitalismus uns eher noch mehr Arbeit aufdrängt, als dass wir irgendwann gar nicht oder nur kurz arbeiten müssten.

    da die Leute ja immer noch Kinder bekommen.

    Auch so ein Punkt: Auch wenn Kinderlosigkeit zunimmt, ist die gängige Vorstellung von Glück dann eben auch eigener Nachwuchs. Glück, das eingeschränkt werden muss, wenn wir noch länger leben. Die Frage ist halt nicht nur, ob man leben will, sondern auch wie.


    Was Leben und Sterben angeht, empfehle ich diesen Text von Wolfgang M. Schmitt. Ich jedenfalls freu mich, dass irgendwann der Quatsch auch mal vorbei ist.

  • Ist zwar jetzt ein wenig Off-Topic, aber was wäre daran so "schlimm", wenn der Mensch älter wird?
    Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist das Durchschnittsalter der Menschen signifikant angestiegen.

    Namine hat darauf schon die passende Antwort geliefert, die ich auch nicht besser formulieren könnte. Wer liebt sein Leben nicht, als Kind, als Jugendlicher und Erwachsener aber stelle dir doch mal vor, wie du das mit weit über 100 Jahre sehen würdest? Der Körper baut doch schon mit 20 oder 30 Jahre ab? Das ist natürlich! Früher starb man schlichtweg einfach an Altersschwäche und heute sind es diagostizierte Krankheiten oder was anderes. Gegen Epidemien und diverse Krankheiten hat sich der Mensch mittlerweile gut gewappnet und das einzige was die Überbevölkerung "reguliert" sind Naturgewalten oder Kriege. Ich bin kein Menschenhasser aber ich finde es einfach unnatürlich, dass wir mit aller Macht versuchen, das Leben zu verlängern ... mit z.B. Mischwesen wie hier im Thema

  • Und was ist an Computerchips im Gehirn so "schlimm"?

    Nun, das lässt sich vielleicht mit den Eingriffen, die wir bereits haben, ganz gut zeigen. Das Cochlea-Implantat ist tatsächlich ein Gerät, mit dem man die Hörfähigkeit von tauben Menschen wieder herstellen kann. Das ist an sich nett, dieses Gerät als ultimative Lösung für Gehörlose Menschen hinzustellen übergeht allerdings Wünsche und Sorgen tauber Menschen völlig.

    Das Stichwort heißt hier Ableismus...

    Nein, das ist es nicht.

    Du fragst ja genauso wenig nach, was Gehörlose wollen und ob jeder davon das gleiche möchte. Du drückst anderen genauso nur deinen idealistiychen Ideen auf. Wenn du die Entwicklung des Chips einschränkst, indem seine Existenz kritisiert wird, bestimmst du über die Köpfe all jener hinweg, die ihn eingepflanzt haben wollten und wer gibt dir das Recht dazu?

    Mit der Logik dürfte man überhaupt keine Hilfsmittel und Operationen durchführen, die Behinderungen ausgleichen oder beseitigen. Was geht es dich überhaupt an, wenn der Betroffene diesen Chip haben möchte und worin liegt der Unterschied zu einem gewöhnlichen Hörgerat, außer dass es effizienter ist und weshalb werden bloß effizientere Methoden, die auf demselben Prinzip wie Ineffiziente basieren, moralisch kritisiert, und ist es nicht ableistisch als gesunder Mensch zu bestimmen, was ein behinderter Mensch (nicht) wollen soll? Kritisier die Existenz von Hörgeräten ebenfalls, oder es ist doppelmoralisch.

  • Das Cochlea-Implantat ist tatsächlich ein Gerät, mit dem man die Hörfähigkeit von tauben Menschen wieder herstellen kann. Das ist an sich nett, dieses Gerät als ultimative Lösung für Gehörlose Menschen hinzustellen übergeht allerdings Wünsche und Sorgen tauber Menschen völlig.

    ... Mit dem Cochlea-Implantat brauch ich hörender Mensch nichts mehr tun, kümmer dich halt, dass du die Fähigkeit zu hören (zurück)bekommst. ... Und es ist eine typische Weise mit Problemen behinderter Menschen umzugehen: Nicht der Nichtbehinderte unternimmt einen tatsächlichen Schritt um auf den anderen zuzugehen, sondern der Behinderte muss sich einem Eingriff unterziehen.

    Wenn diese Alternative einem Gehörlosen wirklich hilft, dann wird er das wohl in erster Linie für sich selbst machen und nicht absichtlich behindert bleiben, um andere Menschen dazu zu bringen, sich auf ihn einzustellen. Dieses Denken wäre doch regelrecht absurd. Abgesehen davon wird niemand gezwungen, aber bei einem relativ risikolosen Eingriff sehe ich beim besten Willen die Nachteile nicht.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

    Per aspera ad astra!

    Momentan kein Partneravatar mit Missy!

  • Naja, aber ich würde mich trotzdem fragen, wieso dieser Chip überhaupt existiert.

    Ich bin einfach mal so frei und nehme an, dass sich die Forscher nicht an die Entwicklung solcher Gerätschaften machen, nur, um ihrer grenzenlosen Nächstenliebe nachzukommen und anderen Leuten helfen zu wollen. Natürlich ist es nicht schön, mit einer solchen Behinderung zu leben, aber es ist nicht so, dass sie ein Leben wirklich in seinen Grundfesten einschränkt. Letztendlich ist es aber dennoch etwas, was nicht "der Norm" entspricht und was dementsprechend angepasst werden muss. Darauf wollte QueFueMejor - so liest es sich zumindest für mich - in erster Linie hinaus.

  • Naja, aber ich würde mich trotzdem fragen, wieso dieser Chip überhaupt existiert.

    Ich bin einfach mal so frei und nehme an, dass sich die Forscher nicht an die Entwicklung solcher Gerätschaften machen, nur, um ihrer grenzenlosen Nächstenliebe nachzukommen und anderen Leuten helfen zu wollen. Natürlich ist es nicht schön, mit einer solchen Behinderung zu leben, aber es ist nicht so, dass sie ein Leben wirklich in seinen Grundfesten einschränkt. Letztendlich ist es aber dennoch etwas, was nicht "der Norm" entspricht und was dementsprechend angepasst werden muss. Darauf wollte QueFueMejor - so liest es sich zumindest für mich - in erster Linie hinaus.

    Aber was ist mit Leuten, die mal hören konnten, aber aufgrund eines Unfalls es nicht mehr können?

    Klar, sie können immer noch ein normales Leben leben, aber wenn mir das passieren würde, würde ich so etwas direkt in Anspruch nehmen, da für mich ein Leben, wo ich plötzlich auf einen meiner Sinne verzichten müsste, unglaublich schwer bis unmöglich wäre

  • Naja, aber ich würde mich trotzdem fragen, wieso dieser Chip überhaupt existiert.

    Ich bin einfach mal so frei und nehme an, dass sich die Forscher nicht an die Entwicklung solcher Gerätschaften machen, nur, um ihrer grenzenlosen Nächstenliebe nachzukommen und anderen Leuten helfen zu wollen. Natürlich ist es nicht schön, mit einer solchen Behinderung zu leben, aber es ist nicht so, dass sie ein Leben wirklich in seinen Grundfesten einschränkt. Letztendlich ist es aber dennoch etwas, was nicht "der Norm" entspricht und was dementsprechend angepasst werden muss. Darauf wollte QueFueMejor - so liest es sich zumindest für mich - in erster Linie hinaus.

    Gerade als normaler Angestellter in der Wissenschaft, verdient man wirklich keine Millionen, und forscht tatsächlich eher um des Forschungswillens und um die Gesundheit der Patienten zu verbessern.


    Wer sagt, dass das Leben dann nicht grundlegend eingeschränkt wird und wer bestimmt das? Ich würde zB meinen Lebensmut verlieren, wäre ich blind und da könnten andere noch hundert Mal sagen "da gewöhnt man sich schon". Wer sowas sagt, den interessiert es doch gar nicht, was ICH will und ich reagier schon langsam allergisch auf andere / Argumente, die bestimmen wollen, wie sich andere fühlen sollen. ^^"


    Und wieso ist es in Ordnung ein falsches Knie zu bekommen und keiner hinterfragt das und kritisiert es als "ableistisch gegenüber Gehbehinderten"? Und wieso ist es okay, eine Hornhauttransplationen zu erhalten und keiner hinterfragt das? Wäre doch alles nicht unbedingt lebensnotwendig.

  • Ich bin einfach mal so frei und nehme an, dass sich die Forscher nicht an die Entwicklung solcher Gerätschaften machen, nur, um ihrer grenzenlosen Nächstenliebe nachzukommen und anderen Leuten helfen zu wollen.

    Na aus reiner Nächstenliebe wird sowieso (fast) nichts erforscht. Das ist letztlich ja auch der Grund, warum man mit einer seltenen Krankheit einfach Pech hat. Genauso, wie es in Apotheken immer häufiger vorkommt, dass Medikamente nicht lieferbar sind, die Pharmaindustrie sieht schlicht den Gewinn.

    Zumindest sind wir hierzulande in der glücklichen Lage, dass man solche Implantate kostenlos bekommt, so gesehen muss uns der Profit, der damit gemacht wird, nur nachrangig interessieren.

    Dass man sich als Gehörloser einer Norm anpassen muss, ist schlich nicht gegeben.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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  • An dieser Stelle Highlighte ich mal frech Thrawn,weil ich weiß, dass er dazu was sagen kann x)

    Hör auf damit. Weiß eigentlich nicht, ob ich da wirklich was Neues zu beisteuern kann, aber ich kann's ja mal versuchen, wenn man mich schon darum bittet. Ich fange mal mit der Frage an, inwiefern ich medizinischen Fortschritt befürworte bzw. nicht befürworte.


    Die Sache bei medizinischen bzw. medizintechnischen Neuerungen ist für mich eigentlich immer, dass sie aus meiner Sicht an sich erst einmal zu befürworten sind. Warum auch nicht? Die Möglichkeiten, das Patientenwohl zu erhalten bzw. Schmerzen zu vermeiden, werden größer und darin liegt erst einmal ein klarer Vorteil. Außerdem können sich neue Behandlungsalternativen als förderlich für das Selbstbestimmungsrecht der Patienten erweisen, wenn sie andere Alternativen ersetzen, die die Patientin eigentlich aus persönlichen Gründen ablehnen würde, aber dann eben mit dem eigenen Wohlergehen im Blick annehmen muss. Auch mit der Verlängerung des menschlichen Lebens sehe ich da insofern erst einmal nicht das große Problem, wenn man es so interpretiert, dass sich der Mensch vom Tod stärker unabhängig macht und damit eigentlich sogar einen größeren Grad an Freiheit gewinnt. Wobei hier dann aber auch wieder das erste Problem auftritt, dass ich bei dem sehe, was hier gesagt wird:

    Und dennoch gibt es zahlreiche Gedankenspiele zum ewigen Leben in Literatur und anderen Medien, aber selten sehen sie positiv aus. Vampire, die des Lebens müde sind, transhumane Wesen, die endlich sterben wollen.

    Im Idealfall bedeutet für mich die Verlängerung des eigenen Lebens, dass man seinen Todezeitpunkt selbst bestimmen kann. Es wäre eine Lossagung von der Unterwerfung unter die Naturnotwendigkeit des Todes. Allerdings tritt damit für mich auch die Notwendigkeit ein, im Zuge dieser Möglichkeit stärker über das Sterbenlassen und auch den ärztlich assistierten Suizid zu sprechen, da zur Freiheit hier ja nicht nur die negative Freiheit ("vom Tod"), sondern auch die positive Freiheit ("zum Tod") gehören muss. Letzten Endes ist es ja auch nicht Aufgabe der Medizin, den Menschen gegen seinen Willen am Leben zu erhalten und es nützt mir wohl wenig, ewig leben zu können, wenn ich nicht das "Sterben zur rechten Zeit" gelernt habe. Natürlich muss am Ende die Entscheidung dem jeweiligen Individuum überlassen und ein System geschaffen werden, in dem eine von Beeinflussung befreite Entscheidung möglich ist. Womit wir dann eigentlich auch bei dem Problem sind, dass ich mit medizinisch-technischen Neuerungen generell habe: Das System ist, gelinde gesagt, beschissen.


    Erst kürzlich wurde mir ja im Thema zur Impfpflicht von mancherlei Seite mitgeteilt, dass die Selbstbestimmung bei medizinisch relevanten Entscheidungen keine Rolle spielen sollte, und die Konsequenz davon ist wohl dann zwangsläufig, dass man Menschen einfach gesund machen muss, auch wenn sie es nicht wollen und eigentlich ablehnen. Mit einer derartigen Haltung ist die dringend notwendige Debatte um die Sterbehilfe offensichtlich nicht zu führen, und sollte sich diese Haltung in der Mehrheit schon durchgesetzt haben, sehe ich schwarz für die Zukunft.


    Davon ab aber spielen bei medizinischen Neuerungen auch finanzielle und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle, und darin besteht für mich das größte Problem. Am Fall der sogenannten "personalisierten" (das Wort ist sehr irreführend, denn wirklich persönlich ist daran nichts) Medizin etwa sieht man sehr schön, wie ein Ansatz, der für die Mehrheit der Patienten (derzeit) keinen nennenswerten Mehrwert bringt und überhaupt erst noch sehr viel Grundlagenforschung bedarf, eine Vielzahl an Mitteln bekommt, bei denen es durchaus diskussionswürdig ist, ob sie nicht in anderen Bereichen eigentlich besser eingesetzt werden könnten. Überhaupt ist die Frage der Finanzierung in der Forschung eine ziemlich große Sache: Projekte benötigen nicht selten Drittmittel, oft durch private Geldgeber. Das führt dazu, dass vorrangig die Projekt finanziert werden, von denen sich besagte Geldgeber Fortschritte auch für sich selbst versprechen, während bei öffentlichen Geldern zumindest noch auf das Wohl der Allgemeinheit eines Staates geachtet wird. Aber auch Letzteres ist nicht unproblematisch, wenn man etwa an Krankheiten denkt, die in finanziell schwachen Regionen verbreitet sind, in finanziell starken Regionen aber so gut wie nicht vorkommen. Erstere haben dann nicht immer die Mittel, um die Forschung effektiv vorantreiben zu können; und letztere tun es nicht, weil die eigenen Bevölkerung eben nicht betroffen ist. In diesem Sinne muss man auch sagen:

    Gerade als normaler Angestellter in der Wissenschaft, verdient man wirklich keine Millionen, und forscht tatsächlich eher um des Forschungswillens und um die Gesundheit der Patienten zu verbessern.

    Na aus reiner Nächstenliebe wird sowieso (fast) nichts erforscht. Das ist letztlich ja auch der Grund, warum man mit einer seltenen Krankheit einfach Pech hat.

    Der Wissenschaftssoziologe Robert Merton formulierte 1942 schon in seinem Aufsatz, in dem er (mit sowohl deskriptivem als auch normativem Anspruch!) ein Ethos der Wissenschaft vorschlug, dass die Motive des Wissenschaftler vielfältig sein können. Er wendet sich, wenn ich mich recht erinnere, explizit dagegen, das Bild eines Wissenschaftlers zu zeichnen, der vollkommen altruistisch Forschung betreibt. Ein derartiges Bild könnte man eigentlich sogar als moralisch überfordernd bezeichnen. Stattdessen spielt ein gewisser Eigennutz manchmal eine Rolle, ebenso wie das Verlangen nach Ruhm oder Anerkennung. Altruistische Motive gibt es sicherlich auch, aber es wäre fern der Realität, sie als alleinigen Antrieb zu formulieren. Interessanterweise formulierte Merton angesichts dieser Problematik trotzdem die Norm bzw. den Wert (er scheint beide Begriffe praktisch synonym zu verwenden, auch wenn er wohl öfter von "Normen" spricht; spätere Autoren wie Hans Radder haben vorgeschlagen, die Mertonianischen Normen eher als Werte zu interpretieren) der Uneigennützigkeit ("desinterestedness"), die aber eher im Sinne einer institutionalisierten Kontrolle und Transparenz gesehen wird, wenn ich mich nicht irre, und nicht zwangsläufig als eine strikte Forderung an die Einzelperson, die aber dafür den anderen Mitgliedern der wissenschaftlichen Gemeinschaft rechenschaftspflichtig ist.

    Was man letzten Endes daraus machen muss, ist, dass man kein idealisiertes Bild des einzelnen Wissenschaftlers voraussetzen kann, aber natürlich deswegen auch nicht ins andere Extrem umschlagen muss. Allerdings ist das tatsächlich nicht einmal so schlimm, denn es geht sogar der Fragestellung nach in die falsche Richtung, wenn es um die Verteilung von Forschungsgeldern allgemein geht: Ein Wissenschaftler kann noch so lautere Motive haben und eigentlich an einer sehr wichtigen Sache forschen wollen, wenn er dafür keine Mittel erhält, dann wird daraus in der Regel nichts. Und diese Mittel zu akquirieren kann nun einmal schwierig sein, wenn die potentiellen Geldgeber davon nicht profitieren. Manchmal führt das auch dazu, dass der Nutzen wissenschaftlicher Projekte ein wenig zu optimistisch eingeschätzt wird, obwohl er noch gar nicht wirklich absehbar ist. Für die Aufrechterhaltung der epistemischen Werte der Wissenschaft ist das durchaus ein Problem.

    Wenn man das nun auf die Frage der Befürwortung von medizinischem Fortschritt anwendet, dann ergibt sich daraus halt Folgendes: Fortschritt, der mit wenig Auswirkungen für ein allgemeines Patientenwohl einhergeht, insofern kritisch zu sehen, als dass die Mittel an anderer Stelle vielleicht eine größere Wirkung für das Patientenwohl gehabt hätten. Beispielhaft ausgedrückt: Es ist ja an sich ganz nett, wenn man weiß, was man gegen Haarausfall machen kann, aber wären die Ressourcen für diese Erkenntnis nicht besser für, keine Ahnung, Forschung im Bereich der Malaria eingesetzt worden? Im Übrigen betrifft die Frage hier auch nicht nur den Bereich der Medizin - Ressourcen aus der medizinischen Forschung hätten etwa auch für eine Verbesserung in Bezug auf zum Beispiel auf die Bekämpfung sozialer Krankheitsursachen (z. B. Armut) eingesetzt werden können, was manchmal einen größeren Nutzen bringen könnte. (Hier ist natürlich das Problem, dass man leicht Gefahr laufen kann, bestimmte Gruppen gegeneinander auszuspielen, weshalb ich diesen Punkt immer mit Vorsicht beäuge.)


    Das ist ein Aspekt, unter dem man medizinischen Fortschritt kritisch ansehen kann. Der nächste ist dann die Frage nach der Zugänglichkeit neuer medizinischer Therapien für die Bevölkerung. Hier stößt man leider darauf, dass damit die ohnehin schon vorhandene Ungleichheit zwischen Arm und Reich auch stärker in den Bereich der Gesundheit getragen wird, was insbesondere in Hinblick auf genetische oder kybernetische Optimierung enorm problematisch ist, aber auch durchaus Therapien zur Verlängerung des Lebens betreffen kann. Simpel ausgedrückt: Es ist ja echt geil, wenn man genetische Defizite ausgleichen kann, seine Denkleistung kybernetisch erhöht und 140 wird - nur werde ich's mir halt dann wie der mutmaßliche Großteil der Bevölkerung nicht leisten können. Die Gefahr ist, dass sich dann die ohnehin schon soziale Überlegenheit der Reichen auch auf die gesundheitliche Ebene erstrecken wird (also, noch mehr als ohnehin schon) und sich somit nur weiter manifestiert und stabilisiert. Das ist überhaupt der Punkt, der bei Wissenschaft gerne mal übersehen wird: Sie ist letztlich eine gesellschaftliche Institution und hat durchaus eine systemstabilisierende Wirkung, die sich eben auch auf soziale Ungleichheiten erstreckt. Man wird mir also hoffentlich meinen Pessimismus angesichts von all diesen tollen medizinischen Neuerungen verzeihen, die vielleicht an sich gut sind, aber im derzeitigen System und im derzeitigen Stand der Gesellschaft wahrscheinlich katastrophale Folgen für die Gleichheit hätten. Wenn ich morgen unter den Urenkeln von Trump leben muss, die mir nicht nur finanziell, sondern jetzt auch noch körperlich und intellektuell in jeder Hinsicht überlegen sind, dann werde ich mich nur bedanken können.


    Die Frage ist jetzt natürlich, ob sich diese beiden Kritikpunkte auf den Fall der Chimären anwenden lassen. Ich muss sagen, dass ich das eben nicht weiß, weil die Folgen für mich im Moment noch schwer absehbar sind und ich mich mit dem konkreten Fall nicht wirklich beschäftigt habe, zumindest, was den zweiten Kritikpunkt betrifft. Den ersten sehe ich nämlich insofern nicht, als dass von der Forschung die Allgemeinheit grundsätzlich in hohem Maße profitieren könnte. Was dann den zweiten betrifft: Wenn die Organe am Ende nur für die oberen Zehntausend verfügbar sein werden, dann sind wir wohl am Arsch; andererseits bietet sich hier vielleicht auch die Möglichkeit einer günstigen Produktion und somit, dass auch weniger betuchten Menschen die Möglichkeit hierzu offensteht. Dann aber wiederum stellt sich natürlich die Frage, was man dann mit seinem längeren Leben anfängt, und hier greifen dann eben wieder die Punkte, die QueFueMejor erwähnt hat und die ebenfalls wieder mit dem System zusammenhängen: Es ist fraglich, ob das längere Leben nicht etwas sein wird, das für den Menschen an sich, sondern eben für die Wirtschaft da ist. Angesichts der Tatsache, dass heute schon alles nur für die Wirtschaft da zu sein scheint, bin ich auch hier pessimistisch.


    In puncto schwer absehbar: Der Artikel vom Spiegel hat ja auch Kritik wiedergegeben, dass derzeit generell noch nicht klar ist, ob das Verfahren so (in absehbarer Zeit) funktionieren wird. Sollte das stimmen, dann wären natürlich erfolgsversprechendere Verfahren zu befürworten (andererseits, wie Lakatos sagte: "Klugheit gibt es erst im Nachhinein" - in reinen Faktenfragen wird man damit wohl leben müssen). Ob allerdings die anderen im Artikel genannten Verfahren jetzt in der ethischen Hinsicht weniger bedenklich wären, darf wohl bezweifelt werden, zumindest scheint mir "Aufbereitung von ausgewachsenen Organen der Tiere für den Menschen" in der Hinsicht eigentlich mit sehr ähnlichen Problemen anzukommen.


    Zu denen ich dann jetzt auch noch was sagen möchte. Was die von Namine genannten Argumente betrifft, wegen der man die Sache in Japan jetzt kritisch sehen kann:

    ~ es driftet in eine Massentierhaltung ab, da viele Menschen Organe brauchen (und sich damit über kurz oder lang bestimmt auch gut Geld verdienen lässt)

    ~ die Gefährdung des Wohl des Tieres; im Artikel wurde schon beschrieben, dass es möglicherweise zu kognitiven Einschränkungen kommen kann und man eventuell in Kauf nehmen müsste, dass man dort nur so eine Art Fleischlieferanten hat, der aber eben mehr vegetiert als als richtiges Lebewesen bezeichnet werden kann

    Ich fasse diese beiden Argumente mal insofern zusammen, als dass sich bei beiden ein Bezug zur Massentierhaltung herstellen lässt, was im ersten Argument ja explizit auch erwähnt wird und beim zweiten zumindest implizit vorhanden ist, wie Bastet schreibt:

    Ich sehe den Unterschied zu den anderen Tieren in der Massentierhaltung nicht. Die haben ebenfalls kognitive Störungen, bloß sind die nicht (nur) auf organische Ursachen zurückzuführen, sondern psychischen Stress und Verkümmerung der Sinne und Intelligenz. Über Generationen sind Tiere in der Massentierhaltung tatsächlich dümmer geworden aka haben im Vergleich zu anderen Artgenossen Gehirnsubstanz verloren ... was vielleicht besser so für sie ist ...

    Die Sache ist hier natürlich, dass man mit der Massentierhaltung für den Fleischgenuss gewissermaßen einen Präzedenzfall hat: Eine Massentierhaltung an sich wird hier für das Wohl bzw. den Lustgewinn der Menschheit in Kauf genommen, und damit - abgesehen von der darin stehenden Instrumentalisierung der Tiere - auch, dass das Wohl der Tiere darunter leidet. Man kann hierbei aber eben, wie es auch Bastet implizit tut, das Argument machen, dass die Massentierhaltung zum Fleischkonsum erlaubt ist und der Zweck davon offensichtlich ein niederer ist, als wenn man Krankheiten heilt. Dementsprechend kann man sagen: Wenn Ersteres erlaubt ist, dann muss es Letzteres doch zwangsläufig auch sein.

    Das Problem an diesem Argument ist aber für mich, dass es eigentlich nur taugt, um diejenigen, welche die Massentierhaltung zum Fleischkonsum befürworten und eine Massentierhaltung zum Organgewinn ablehnen, auf einen Widerspruch hinzuweisen. In der Hinsicht ist es beweiskräftig. Nun kann ich aber sagen, dass ich halt auch die Massentierhaltung zum Fleischkonsum scheiße finde. Und damit bin ich dann eben nicht mehr mit Hinblick auf die Konsistenz meiner Überzeugungen automatisch gezwungen, eine Massentierhaltung zum Organgewinn anzunehmen - wenngleich aber natürlich ebenso nicht folgt, dass ich sie strikt ablehnen muss. Ich könnte ja trotzdem zu dem Schluss kommen, dass sie mit Hinblick auf den Nutzen für den Menschen gerechtfertigt wäre, oder zumindest solange gerechtfertigt, bis eine ethisch weniger problematische Alternative gefunden wurde. Der Punkt, den man hier insofern, denke ich, mitnehmen muss, ist, dass es sich hier doch trotzdem um eine Instrumentalisierung und Inkaufnahme von Schmerzen von Tieren handelt. Dass das ethisch bedenklich ist, sollte eigentlich klar sein, selbst wenn man argumentiert, dass das menschliche Wohl überwiegt. Die Begründung, dass die Massentierhaltung schlimmer, aber erlaubt ist, ist dahingehend auch kein wirklich beweiskräftiges Argument für die Akzeptanz dieser Praxis.

    ~ ist es mit dem Erhalt der menschlichen Art rechtzufertigen, dass man dermaßen stark in die Natur eingreift?

    Prinzipiell ist eigentlich gerade das Eingreifen in die Natur von vielen philosophischen Anthropologen als das Kennzeichnen des Menschen gesehen worden. Der Mensch passt sich nicht an die Umgebung an, er passt die Umgebung an sich an, und dass auf eine so bewusste Art, dass kein tierisches Verhalten dem wirklich gleichkommt. Man kann jetzt natürlich erst einmal sagen, dass ein Sein kein Sollen impliziert - aber in diesem konkreten Fall denke ich, dass es sich hierbei insofern um einen Sophismus handeln müsste, als dass es viele Beispiele gibt, wo das Eingreifen des Menschen in die Natur kein bloßes Faktum ist, sondern auch ethisch gerechtfertigt zu sein scheint, was letzten Endes dann doch zu implizieren scheint, dass dem Menschen Eingriffe in die Natur prinzipiell erlaubt sind, wenn eine entsprechende Rechtfertigung dahinter steht. Man denke etwa an Natur- und Artenschutzprogramme, die irgendwo sicherlich auch ein Eingreifen des Menschen in die Natur bedeuten.

    Die Kehrseite der Medaille ist dann natürlich: Derartige Eingriffe sind ironischerweise nicht selten durch das unbedachte Eingreifen des Menschen in die Natur an anderer Stelle notwendig geworden. Und es ist letzten Endes dieser Punkt, wegen dem man dann doch überlegen muss, ob Eingriffe in die Natur so toll sind. Allerdings scheint es mir nicht wirklich ein Einwand gegen Eingriffe in die Natur per se zu sein, sondern vielmehr auf das hinzuweisen, was eigentlich oben bereits gesagt wurde: Eingriffe in die Natur bedürfen der Rechtfertigung, dürfen nicht leichtfertig vorgenommen werden und mögliche Konsequenzen müssen bedacht werden. Insofern wäre etwa meine Antwort hierauf:

    Gibt es irgendein sinnvolles Argument dafür, nicht "in die Natur einzugreifen", außer ein sentimental-romantisches "das ist halt die Natur, das darf man doch nicht machen!!!"? Wenn es der Erhaltung auch von Leben generell dient, ist es nützlich, da muss man sich nicht aus Prinzip dagegen stellen. Wenn ich daran denke, wie viel weiter wir schon sein könnten.

    Gegen Eingriffe in die Natur allgemein sehe ich eigentlich auch erst mal nichts, was dagegen sprechen würde - sobald sich aber die Eingriffe konkretisieren, können natürlich Gegenargumente auftreten. Unbedachte Eingriffe in die Natur sind in jedem Falle abzulehnen und man sieht ja eigentlich schon, wie weit wir mit solchen gekommen sind - die Zerstörung der Natur ist heute ja allgegenwärtig.


    Was dann nun zu der Frage führt, welche Konsequenzen die Chimären auf die Natur hätten. Da scheint mir erst einmal die Konsequenz zu sein: Keine, da nicht das Ziel ist, sie wirklich in die Natur zu entlassen (ob sie da überhaupt überleben könnten?), sondern in Kultur zu halten. Wie gesagt: Es scheint so. Den Eingriff in das genetische Erbgut der Tiere an sich könnte man also in der Hinsicht als vertretbar ansehen - davon unberührt ist aber immer noch der bereits erwähnte problematische Umstand, dass Tierarten auf neue Art instrumentalisiert und dem Leid ausgesetzt werden können. Außerdem: Ich habe immer vom Eingriff in die Natur an sich gesprochen. In diesem Fall betrifft dieser Eingriff aber eben auch Tiere, denen zumindest teilweise auch Rechte und Schutzbedürftigkeit zukommen; entsprechend könnte man es nicht als Eingriff in die Natur, sondern als Eingriff in Rechte verstehen. Tierrechte sind natürlich irgendwo immer schwierig: Über ihren Umfang wird gestritten, und die Rechte und das Wohl der Menschen scheinen grundlegend höher eingestuft zu werden (von einigen Ausnahmefällen abgesehen, die aber extrem sind). Dann wiederum kann man fragen, ob diese Debatte hier aufgemacht werden kann bzw. muss, weil es sich um Embryonen handelt, denen möglicherweise generell noch kein so hoher Schutzstatus zukommt wie ausgewachsenen Tieren (beim Menschen argumentiert man ja ähnlich). Dann wiederum sollen die ja nun deutlich länger gewachsen werden lassen als bisher, und somit könnte man fragen, ob ihnen nicht doch schon vor der Geburt ein nicht vollständiger, aber zumindest teilweise Schutzstatus zukäme. Gegenargument könnte dann natürlich sein, dass aber der eigentliche Eingriff lange vorher stattfand, als das noch nicht der Fall war. Die Entnahme der Organe aus einem ausgewachsenen Tier wäre natürlich ohnehin aber der Eingriff in die Rechte des Tieres mit der Begründung, dass das menschliche Wohl schwerer wiegt.

    Darüber hinaus: Ich habe jetzt natürlich wie gesagt auch nicht viel dazu gelesen, aber da stand ja so etwas wie:

    Zitat

    Einige Fachleute befürchten, dass sich die menschlichen Zellen in den Tieren an Orten einnisten könnten, an die sie nicht gehören - etwa im Gehirn - und so beispielsweise die Kognition der Tiere verändern.

    Leider wurde da jetzt nicht näher spezifiziert, was "die Kognition verändern" genau heißt. Würde es aber bedeuten, dass diese menschlicher wird, dann hätten wir es potentiell mit einem empfindungsfähigen Wesen zu tun, das dementsprechend einen deutlich höheren Schutzstatus hätte. Andererseits soll gerade das ja auch vermieden werden. (In dem Kontext vielleicht nochmal der Hinweis, dass es sich nicht um eine "echte" Kreuzung aus Tier und Mensch handelt, die in allen Zellen gleichermaßen das Erbgut von beidem enthielte, sondern es darum geht, menschliche Organe in Tieren zu züchten.)


    Wenn ich das jetzt alles mal kurz zusammenfassen dürfte: Ich würde vorsichtig sagen, dass ich die Versuche an sich erst einmal okay finde, insbesondere weil es sich nicht wirklich um Forschung an menschlichen oder auch nur teilweise menschlichen Embryonen handelt. Ich verstehe aber auch die ethischen Bedenken und meine Zustimmung ist keinesfalls eine unbedingte, sondern immer an das in den Fällen anscheinend schwerer wiegende Menschheitswohl und die Frage nach Alternativen geknüpft, die aufgrund der ethischen Problematik in Bezug auf die Tiere selbst eigentlich gefunden werden müssten - ich denke, vor einer bedingungslosen Zustimmung sollte man sich insofern hüten. Aber etwas nur bedingt zuzustimmen, scheint wohl aus der Mode gekommen zu sein.


    Ansonsten, weil mir das noch im Gedächtnis geblieben ist:

    Nun, das lässt sich vielleicht mit den Eingriffen, die wir bereits haben, ganz gut zeigen. Das Cochlea-Implantat ist tatsächlich ein Gerät, mit dem man die Hörfähigkeit von tauben Menschen wieder herstellen kann. Das ist an sich nett, dieses Gerät als ultimative Lösung für Gehörlose Menschen hinzustellen übergeht allerdings Wünsche und Sorgen tauber Menschen völlig.

    Das Stichwort heißt hier Ableismus, die Vorstellung ein Mensch wäre "schlechter", wenn er nicht alle gewöhnlichen Fähigkeiten besitzt. Du hörst nichts? Mit dem Cochlea-Implantat brauch ich hörender Mensch nichts mehr tun, kümmer dich halt, dass du die Fähigkeit zu hören (zurück)bekommst. Womit wir auch direkt bei Auswirkungen dieser Vorstellung sind: Diese Technik privatisiert das Problem des Taubseins. Du bist taub? Dann kümmer dich halt, dass du hörst. die Gesellschaft bietet dir ja schon eine Möglichkeit. Und es ist eine typische Weise mit Problemen behinderter Menschen umzugehen: Nicht der Nichtbehinderte unternimmt einen tatsächlichen Schritt um auf den anderen zuzugehen, sondern der Behinderte muss sich einem Eingriff unterziehen. Der Nichtbehinderte könnte natürlich Gebärdensprache lernen, aber das ist ja wohl viel zu schwer, nicht zumutbar für den gebeutelten Nichtbehinderten.

    Ich bin mir natürlich nicht sicher, ob ich den Punkt komplett verstehe, ich denke aber, dass die geäußerte Kritik hier im Thema daran vorbeizugehen scheint - oder zumindest an der Problematik, die ich dabei sehe. Zunächst einmal denke ich, dass das hier die Aussage von QueFueMejor als extremer darstellt, als sie ist:

    Was geht es dich überhaupt an, wenn der Betroffene diesen Chip haben möchte und worin liegt der Unterschied zu einem gewöhnlichen Hörgerat, außer dass es effizienter ist und weshalb werden bloß effizientere Methoden, die auf demselben Prinzip wie Ineffiziente basieren, moralisch kritisiert, und ist es nicht ableistisch als gesunder Mensch zu bestimmen, was ein behinderter Mensch (nicht) wollen soll?

    Soweit ich es verstanden habe, wurde nicht das Implantat selbst kritisiert, seine Entwicklung oder aber Leute, die es benutzen wollen. Vielmehr scheint mir das Ziel der Kritik wieder der gesellschaftliche Umgang mit dem Implantat zu sein. Wenn Gehörlosigkeit generell als etwas verstanden wird, dass überwunden werden muss, dann entsteht dadurch eine Abwertung der Gehörlosen und obendrein auch ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Druck - dass dieser gesetzlich nicht institutionalisiert ist, es also nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, sich im Falle der Gehörlosigkeit ein derartiges Implantat einsetzen zu lassen, ist sicherlich begrüßenswert (das wäre ja noch schöner), negiert aber nicht einen trotzdem strukturell vorhandenen Druck. Du unterstellst QueFueMejor , dass er das Individuum nach einer Rechtfertigung für den Chip fragen würde, ich glaube aber vielmehr, dass er eher kritisieren würde, dass man wahrscheinlich gesellschaftlich dazu übergehen würde, das Individuum zu fragen, wenn es sich so einen Chip nicht einsetzen würde. Er stellt meinem Eindruck nach also eher die Frage: "Was geht es die Gesellschaft bzw. einzelne Menschen an, wenn der Betroffene diesen Chip nicht haben möchte?"

    So würde ich das für mich zusammenfassen, und ich sehe wirklich nicht, warum diese Frage problematisch sein sollte. Ich sehe ehrlich gesagt Parallelen mit einer anderen Debatte, die es in der letzten Zeit gab, nämlich der "Wo kommst du eigentlich her?"-Frage, die in Deutschland irgendwann jedem gestellt zu werden scheint, der nicht so schön reinrassig-mitteleuropäisch-deutsch aussieht, sondern etwa eine dunklere Hautfarbe hat. Wenn die Person dann etwas antwortet wie "Aus Köln", dann wird gerne noch einmal (mitunter genervt) nachgehakt: "Nein, wo jetzt wirklich?" oder etwas in der Art. Die Implikation dieser Frage ist letztlich, dass aufgrund des Aussehens von Leuten geschlossen wird, dass ihre Herkunft nicht "deutsch" ist, dass sie letztlich irgendwie doch nicht dazugehören, selbst wenn sie jetzt vielleicht schon in dritter Generation hier leben und es eigentlich niemanden angeht, woher vielleicht ihre Großeltern kommen. Hingegen werden alle, die wunderbar "deutsch" aussehen, nie nach ihrer Herkunft gefragt (selbst wenn sie tatsächlich nicht aus Deutschland kommen).

    In ähnlicher Art könnte man vermuten, dass ein Gehörloser mit einem entsprechenden Implantat nicht gefragt werden wird, warum er es hat; hingegen jemand, der es nicht hat, gefragt wird, warum er es nicht hat. Ich weiß natürlich nicht, ob das der Fall ist, und möchte daher keine finale Aussage dazu treffen, ob diese Problematik real existiert. Aber wenn es sie gibt, dann bedeutet es, dass das Nichthaben des Implantats als rechtfertigungsbedürftig angesehen wird, das Haben jedoch nicht. Damit würde durchaus eine Form des gesellschaftlichen Drucks bestehen. Möglicherweise hat Gucky das ja schon bedacht und den empirischen Gegenbeweis dafür, weshalb er so zuversichtlich schreiben kann:

    Dass man sich als Gehörloser einer Norm anpassen muss, ist schlich nicht gegeben.

    Gerne würde ich diese Einstellung teilen, allein: Ich kann's leider nicht, da mir besagter Beweis bis jetzt fehlt. Davon ab frage ich mich aber irgendwie doch so ein bisschen vorsichtig, ob Aussagen wie diese hier

    Abgesehen davon wird niemand gezwungen, aber bei einem relativ risikolosen Eingriff sehe ich beim besten Willen die Nachteile nicht.

    Wenn diese Alternative einem Gehörlosen wirklich hilft, dann wird er das wohl in erster Linie für sich selbst machen und nicht absichtlich behindert bleiben, um andere Menschen dazu zu bringen, sich auf ihn einzustellen.

    nicht doch implizit eine Rechtfertigung von Gehörlosen für ihre Entscheidung fordern, sofern sie das Implantat nicht möchten bzw. bereits Unverständnis mit dieser Entscheidung auszudrücken?


    Na ja. Ansonsten nehme ich noch einmal das Zitat hier, um etwas Generelles zu sagen:

    Zumindest während unserer Lebenszeit muss man sich darüber bestimmt keine Gedanken machen.

    Über so Vieles glaubten mittlerweile verstorbene Generationen sich keine Gedanken machen zu müssen, und das dadurch angerichtete Chaos durften stets die Nachfolger ausbaden, die heute leider wir sind. Wir sollten daher versuchen, diesen allgemeinen Fehler unserer Vorfahren nicht zu wiederholen und die Probleme, die wir schon heute absehen können, jetzt zumindest anzugehen, anstatt sie der Zukunft zu überlassen. Ich habe gelesen, was dann mit der Zukunft passiert.


    Andererseits habe ich letztens auch gehört, dass Newton den Weltuntergang für 2060 vorhergesagt hat. So unwahrscheinlich erscheint mir das gar nicht mehr, und in diesem Sinne also yolo.

  • Thrawn

    Ich weiß zumindest von mir und so einigen anderen, dass ich bloß aus Neugierde und Interesse an einem Thema dran bin. Altruismus kommt bei bestimmten Themen hinzu, die der Menschheit einen tatsächlichen Nutzen bringen.

    Wenn du wüsstest, wie viel Stunden ein vollbeschäftigter Mikrobiologie / Immunbiologe / Biochemiker / Neurobiologen / alle in der Pharmaerzeugung im Labor arbeitet, wie viel Zeit man ins Studium und Weiterbildungen investiert und im Vergleich zur Kompetenz und Leistung einen doch etwas mickriges Gehalt erhält ... uhm ja. ^^ Wir können festhalten, zumindest aus Geldgier macht es keiner und solche Felder wie Krebsforschung sind unglaublich ermüdend. Da suchst du vielleicht mal ein Jahr lang oder länger nach einem bestimmten Molekül. Das tut man zwar auch aus intellektuellem Interesse, aber du könntest dich auch "Einfacherem" widmen, wieso gerade Krebsforschung, wenn nicht auch zu großen Teilen aus Altruismus?


    Und inwiefern Wunsch nach Ruhm und Anerkennung? Es gibt noch immer diesen superdämliche "Geniewahn", der so etwa im 19. Jahrhundert entstanden ist.

    Demnach freuen sich auch pseudointellektuelle Leute, wenn sie Namen wie Einstein, Freud und viele Philosophen und Schriftsteller in Gesprächen namedroppen können.

    In Wahrheit lief es auch in der Vergangenheit oft so ab, dass ein größeres Team an Projekten saß und die meisten Forscher, wenn sie noch Glück hatten, Fußnoten am Rand blieben, weil die bekannten Namen sie absichtlich und wissentlich überschatteten.

    Nicht umsonst sind die heutigen Zitierregeln in wissenschaftlichen Arbeiten so streng.

    Vielen wird im ersten, zweiten Semester gesagt, dass sie sich gar nicht den großen Ruhm erhoffen sollen. Außerdem geht es ja nicht ums Ego und den Personenkult, sondern um die Wissenschaft.


    Zitat von Thrawn

    Soweit ich es verstanden habe, wurde nicht das Implantat selbst kritisiert, seine Entwicklung oder aber Leute, die es benutzen wollen. Vielmehr scheint mir das Ziel der Kritik wieder der gesellschaftliche Umgang mit dem Implantat zu sein.

    Anzuerkennen, dass eine Schädigung an einem Organ existiert, wenn es seine Aufgabe nicht zweckgemäß erfüllt, hat nichts mit Ableismus zu tun, das ist Logik und dass viele Menschen, die mit dieser Einschränkung leben, sie maximal verbessern wollen, ist ebenfalls verständlich. Nicht umsonst existieren eben all jene Hilfen, die aus dem Organ noch das Maximum an Funktion herausholen sollen und die werden von so gut wie allen Patienten gerne angenommen.

    Meine Kritik war eben, dass ein nicht eingeschränkter Mensch zu wissen glaubt, was für Wünsche Betroffene hätten.

    Es existiert heute diese Ideologie, dass man Vielfalt um jeden Preis aufrechterhalten soll, auch wenn dich diese Vielfalt im Alltag behindert und dir vielleicht Depressionen verschafft oder den Lebensmut nimmt. Dazu tragen auch die Dokus und Berichte bei, die aufzeigen wie "wundervoll" viele behinderte Menschen angeblich mit ihrer Einschränkung umgehen würden.

    Mag auf manche zutreffen, aber am Ende wurde keiner gefragt, ob er das haben will, und muss ja damit zurechtkommen, wenn er nicht sterben will.

    Viele Menschen werden an ihrer Behinderung doch depressiv, aber dann sagt die Gesellschaft wieder: "Man muss nicht so sein wie andere und mit seinem Schicksal zurechtkommen. Ist ja auch nicht lebensbedrohlich :bigheart:" Diese Dinge werden stark idealisiert, einfach auch deshalb, weil Leute gerne sentimentales Gedöns sehen und hören wollen. ^^"

    Gleichzeitig sagt aber auch keiner: "juhuu, ich hab zehn Lebensmittelallergien und an Pollen erstick ich auch fast!" Da ist es gesellschaftlich wieder vollkommen erlaubt sich zu beschweren, dass dein Körper nicht so funktioniert, wie er sollte. :unsure:


    Tl;dr: Viele Menschen wollen durchaus, dass ihr Körper so funktioniert, wie er soll und denen ist die daraus entstehende Vielfalt egal. Erst recht, wenn eine Einschränkung erst im Laufe des Lebens auftritt.

  • Ich gestehe dir gerne zu, dass du und deine Kollegen vollkommen altruistisch handeln. Mein Punkt war der, dass wir das schlicht nicht voraussetzen können, in normativer Hinsicht, weil es moralisch überfordernd sein kann, in deskriptiver Hinsicht, weil es real nicht der Fall ist - du kannst von deinem Atruismus nicht auf andere schließen. Meine Studienkollegen aus der Chemie wollten etwa gerne in größere Chemieunternehmen, "weil Geld". Ich bezweifle wie gesagt nicht, dass Altruismus eine Rolle spielen kann und das in vielen Fällen auch tut, bezweifle aber dennoch, dass das real immer der Fall ist oder ein konstituierendes Element des Wissenschaftlers darstellt. Zumal ja Einiges an Forschung existiert, von dem die Allgemeinheit eben nicht nennenswert profitiert - neue Kosmetika, militärische Geheimforschung zur Entwicklung von Waffen, deren Zweck nichts anderes ist, als den Feind noch effizienter zu töten etc.

    Und keine Sorge, Bastet - mein wissenschaftstheoretischer und wissenschaftshistorischer Studiengang hat immer Wert darauf gelegt, dem Personenkult entgegenzuwirken. Wobei im Fall von Einstein gesagt werden muss: Die Probleme, denen er sich widmete und die er löste, waren lange bekannt (nur eben nicht gelöst), insbesondere die Spezielle Relativitätstheorie lag in der Luft und auch nichteuklidische Geometrien, denen er sich in der Allgemeinen Relativitätstheorie bediente, waren natürlich schon länger bekannt und wurden insbesondere von Hilbert vorangebracht, aber dennoch hat es Einstein geschafft, die Physik wirklich mit einem komplett neuen Paradigma des relativen Raums und der relativen Zeit auszustatten, was durchaus keine selbstverständliche Leistung war.

    Ruhm und Anerkennung sind mögliche Motive für Forschung, die ich als Beispiel für nicht-altruistische Motive genannt habe. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, inwiefern das zweifelhaft ist. Ich sage nicht, dass jeder sie hat und auch Merton hat das damals nicht behauptet, dass jeder sie hat, aber es sind durchaus Motivationen. Dass sie sich in der Realität (gerade heute) oft nicht erfüllen oder dass die Anerkennung, selbst wenn sie mal jemandem zufällt, dieser Person im Regelfall eigentlich nicht allein zusteht, steht auf einem anderen Blatt, beschränkt aber die Möglichkeit des Motivs nicht.

    Nein, er glaubte eben nicht, dass er wisse, was ein eingeschränkter Mensch für Bedürfnisse habe. Das war eben der Punkt: Wenn man davon ausgeht, dass ein eingeschränkter Mensch zwangsläufig und ohne Ausnahme ein Implantat haben will, das seine Einschränkung kompensiert, dann tut man eigentlich genau das, was du kritisieren willst, und spricht ihnen ab, vielleicht gerade das nicht zu wollen.

    Der Rest geht leider insofern am Argument vorbei, als dass du Fälle konstruierst, in denen Menschen über ihre Krankheit nicht genügend reflektiert haben, ggf. im Falle psychischer Krankheiten auch gar nicht in der Lage dazu sind, nicht genügend aufgeklärt wurden etc.

    Worauf ich - und vermutlich auch QueFueMejor - hinauswill, ist aber Folgendes: Was, wenn ein Gehörloser, der vollkommen über seine Einschränkungen und die damit verbundenen Konsequenzen für sein Leben aufgeklärt worden ist sowie über die Möglichkeit des Implantats und was es tun würde, sich dann vollkommen aufgeklärt, selbstbestimmt und aus freien Stücken dafür entscheidet, dass er es trotzdem nicht will, aus welchem Grund auch immer? Ich sage, dann darf man ihn für seine Entscheidung weder verurteilen noch ihn zum Implantat drängen.

  • Nun gut, Chemie ist in manchen Bereichen etwas anderes, vor allem (werkstoff)technische Chemie.


    Ich kann immer noch die Meinung teilenn dass es ableistisch sein soll. Man verwendet den Begriff bei körperlichen Einschränkungen, die sich auf Sinnesorgane und Gliedmaßen beschränken, wenn man aber nicht unbedingt lebensbedrohliche Behinderungen der inneren Organe (Asthma, chronische Bronchitis, Morbus Crohn, Zöliakie etc...) oder des Immunsystems (sprich Allergien) behandeln würde, dann sagt das keiner.


    Wenn sich jemand gegen solche Hilfe entscheidet, dann sind das wohl fast ausschließlich jene, die mit der Behinderung geboren wurden und Angst haben sich nicht damit zurechtzufinden.

    Außerdem weiß ich nicht, ob ein Implantat jemanden, der nie gehört hat, hören lassen würde. Praktisch... ein wahrnehmen ohne tatsächlich zu hören. Nur weil du plötzlich hörst, heißt es nicht, dass du all diese Geräusche sinnvoll zuordnen kannst. Sowas lernt man schon im Mutterleib. Da lernt das Gehirn bereits den wahrgenommen Geräuschen einen Sinn zu verleihen und einer Kategorie zuzuordnen. Wenn ein erwachsenes Gehirn das lernt, dann dauert das bestimmt eine Weile und das würde der behandelnde Arzt vielleicht gar nicht vorschlagen, I dunno?

    Ich glaub auch nicht, dass du einen Blinden, der noch nie gesehen hast, by magic plötzlich sehen lassen könntest und derjenige würde verstehen, was er wahrnimmt. Wenn, dann dauert das bestimmt eine Weile. (Vermutung, tho)

  • Möglicherweise hat Gucky das ja schon bedacht und den empirischen Gegenbeweis dafür, weshalb er so zuversichtlich schreiben kann:

    Dass man sich als Gehörloser einer Norm anpassen muss, ist schlich nicht gegeben.

    Gerne würde ich diese Einstellung teilen, allein: Ich kann's leider nicht, da mir besagter Beweis bis jetzt fehlt.


    Was für einen Beweis benötigst du, wenn du offensichtlich der gleichen Meinung bist:


    ... es also nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, sich im Falle der Gehörlosigkeit ein derartiges Implantat einsetzen zu lassen, ist sicherlich begrüßenswert (das wäre ja noch schöner)


    Nichts anderes habe ich gesagt. Falls du irgendeinen gesellschaftlichen Druck gemeint hast (um den es nicht ging), kann ich dazu nichts sagen, dazu müsste ich Personen mit diesem Problem kennen, was ich aber nicht tue.


    Erst kürzlich wurde mir ja im Thema zur Impfpflicht von mancherlei Seite mitgeteilt, dass die Selbstbestimmung bei medizinisch relevanten Entscheidungen keine Rolle spielen sollte, und die Konsequenz davon ist wohl dann zwangsläufig, dass man Menschen einfach gesund machen muss, auch wenn sie es nicht wollen und eigentlich ablehnen.


    Wenn du aufmerksam mitgelesen hast, ging es kaum darum, Menschen zu ihrem gesundheitlichen Glück zu zwingen. Vielmehr ging es darum, eine Krankheit endgültig zu den Akten legen zu können und bis dahin diejenigen Menschen zu schützen, die (noch) nicht geimpft werden können.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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  • Nun gut, Chemie ist in manchen Bereichen etwas anderes, vor allem (werkstoff)technische Chemie.

    Möglich; ich bin mir aber tbh nicht sicher, ob das wirklich fachgebunden ist. Ich denke, man wird überall Forschung finden (je nach Fach vielleicht mehr oder weniger), die jetzt nicht unbedingt aus altruistischen Motiven erfolgt, mitunter auch deswegen, weil bei mancher Forschung gar nicht klar ist, ob sie der Menschheit mal irgendwann nützlich wird. Das Motiv in solchen Fällen ist dann mitunter schlichte Neugierde - man will manchmal ja auch einfach nur wissen, wie die Welt funktioniert, ohne dass dieses Wissen zwangsläufig eine konkrete Anwendung hat.

    Ich kann immer noch die Meinung teilenn dass es ableistisch sein soll. Man verwendet den Begriff bei körperlichen Einschränkungen, die sich auf Sinnesorgane und Gliedmaßen beschränken, wenn man aber nicht unbedingt lebensbedrohliche Behinderungen der inneren Organe (Asthma, chronische Bronchitis, Morbus Crohn, Zöliakie etc...) oder des Immunsystems (sprich Allergien) behandeln würde, dann sagt das keiner.

    Da muss ich mal jetzt nachfragen: Was genau, meinst du, ist ableistisch? An dem, was ich und QueFueMejor gesagt haben, erkenne ich nämlich insofern nichts Ableistisches, als dass der Punkt hier ja gerade in die Richtung geht, dass man Gehörlosigkeit nicht als etwas ansieht, das zwangsläufig korrigiert werden muss, also Gehörlosigkeit nicht etwas ist, was Menschen in irgendeiner Form "minderwertig" macht - etwas, was mitunter eine Konsequenz kapitalistischer Logik ist, in der es "gesunde, voll leistungsfähige" (d. h.: nicht gehörlose) Menschen als Arbeitskräfte braucht; oder aber es wird eben zum gesellschaftlichen Konsens, dass die Leute sich doch einfach das Implantat einsetzen könnten, weil wir anderen dann nicht von deren Gehörlosigkeit genervt werden und uns nicht auf sie einstellen müssen. Beides ist durchaus kritikwürdig und in eine derartige Richtung, denke ich, ging dann eben auch die Kritik - nicht am Implantat selber, sondern wie es mitunter in die Gesellschaft spielen könnte.

    Aber auch davon ab ist die Sache die: Menschen haben unterschiedliche Wertvorstellungen. Würde ich morgen mein Gehör verlieren, würde ich persönlich vermutlich alles (nun gut, nicht alles, aber einiges) machen, damit ich es wiederbekomme. Aber jemand anderes muss eben nicht so denken. Die Person kann andere Wertvorstellungen haben als ich, die sie bei völliger Aufklärung über das Implantat, was es leisten kann und die vielleicht mit Gehörlosigkeit verbundenen Einschränkungen aufgeklärt ist, trotzdem zu einer anderen Entscheidung führen, als dass bei mir der Fall wäre. Ich meine, jetzt nur als Beispiel: Das Einsetzen des Cochlea-Implantats bedarf ja einer kleinen Operation. Nun bin ich mir bewusst, dass die Risiken hier wohl relativ gering sind (zumindest nach allem, was ich gelesen habe), aber sie bestehen. Ich selbst würde nun für mich entscheiden, dass ich die Risiken in Kauf nehmen würde, wenn ich dadurch (wieder) hören könnte. Aber jemand anderes könnte für sich entschieden haben, dass das, was er dadurch "gewinnt", eigentlich kein so großer Gewinn für ihn und daher die Risiken nicht wert ist. Das ist natürlich nur eine Möglichkeit und es existieren sicher auch sehr viele andere, an die ich vielleicht eben gerade deswegen nicht denke, weil ich nicht in der Situation bin. Insofern möchte ich da auch eigentlich gar nicht zu sehr drüber spekulieren. Hierzu würde ich in dem Sinne eben sagen,

    Wenn sich jemand gegen solche Hilfe entscheidet, dann sind das wohl fast ausschließlich jene, die mit der Behinderung geboren wurden und Angst haben sich nicht damit zurechtzufinden.

    Außerdem weiß ich nicht, ob ein Implantat jemanden, der nie gehört hat, hören lassen würde. Praktisch... ein wahrnehmen ohne tatsächlich zu hören. Nur weil du plötzlich hörst, heißt es nicht, dass du all diese Geräusche sinnvoll zuordnen kannst. Sowas lernt man schon im Mutterleib. Da lernt das Gehirn bereits den wahrgenommen Geräuschen einen Sinn zu verleihen und einer Kategorie zuzuordnen. Wenn ein erwachsenes Gehirn das lernt, dann dauert das bestimmt eine Weile und das würde der behandelnde Arzt vielleicht gar nicht vorschlagen, I dunno?

    Ich glaub auch nicht, dass du einen Blinden, der noch nie gesehen hast, by magic plötzlich sehen lassen könntest und derjenige würde verstehen, was er wahrnimmt. Wenn, dann dauert das bestimmt eine Weile. (Vermutung, tho)

    dass ich mich ein wenig an der Formulierung "fast ausschließlich" störe, weil ich wie gesagt mal vermute, dass es eine Vielzahl guter Gründe gibt, die vielleicht nicht immer mit meinen Wertvorstellungen übereinstimmen, die ich aber als Ausdruck eines freien eigenen Willens der jeweiligen Person respektieren muss.

    Wobei als Zusatz natürlich zu sagen wäre: Wer ein Implantat wie dieses möchte, der soll's natürlich bekommen können, mitsamt ausreichender Aufklärung, ergebnisoffener Beratung, etc. Anders ist Selbstbestimmtheit im engsten Sinne ja nicht zu gewährleisten.

    Nichts anderes habe ich gesagt. Falls du irgendeinen gesellschaftlichen Druck gemeint hast (um den es nicht ging), kann ich dazu nichts sagen, dazu müsste ich Personen mit diesem Problem kennen, was ich aber nicht tue.

    Nun, es freut mich natürlich, dass wir in irgendetwas übereinstimmen. Aber Gucky, wenn ich mir den Anfang der Debatte um das Implantat anschaue,

    Das Stichwort heißt hier Ableismus, die Vorstellung ein Mensch wäre "schlechter", wenn er nicht alle gewöhnlichen Fähigkeiten besitzt. Du hörst nichts? Mit dem Cochlea-Implantat brauch ich hörender Mensch nichts mehr tun, kümmer dich halt, dass du die Fähigkeit zu hören (zurück)bekommst. Womit wir auch direkt bei Auswirkungen dieser Vorstellung sind: Diese Technik privatisiert das Problem des Taubseins.

    dann scheint mir gesellschaftlicher Druck doch eigentlich genau das Thema gewesen zu sein. Wenn du darauf nicht eingehen wolltest, sei es dir natürlich zugestanden, ich war halt davon ausgegangen, dass du nicht unbedingt am Beitrag von QueFueMejor vorbeischreiben wolltest. Denn die Feststellung, dass es keine gesetzliche Vorschrift dafür gibt, betrifft ja gar nicht die von ihm geäußerte Kritik (und diese Feststellung wird er möglicherweise implizit schon vorausgesetzt haben, sofern er mir diese Vermutung verzeihen wird). Ich habe halt den Punkt mit der gesellschaftlichen Ebene aufgegriffen und noch einmal darauf hingewiesen, dass die Abwesenheit gesetzlichen Zwangs nicht reicht.

    Wenn du aufmerksam mitgelesen hast, ging es kaum darum, Menschen zu ihrem gesundheitlichen Glück zu zwingen. Vielmehr ging es darum, eine Krankheit endgültig zu den Akten legen zu können und bis dahin diejenigen Menschen zu schützen, die (noch) nicht geimpft werden können.

    Weiß nicht Gucky. Am Ende schien mir da noch einmal in Frage gestellt worden zu sein, ob die Selbstbestimmungsdebatte bei medizinischen Entscheidungen relevant sein sollte. Das klingt mir doch eher danach, als sei im Rahmen des Begründungsversuch einer Impfpflicht der Wert der Selbstbestimmung an sich und allgemein bezweifelt worden. Sollte ich da natürlich etwas falsch verstanden haben und alle waren eigentlich der Ansicht, dass Selbstbestimmung bei medizinisch relevanten Fragen immer ein wichtiger Wert ist, der nicht leichtfertig ignoriert werden darf, dann würde mich natürlich wohl kaum etwas mehr freuen. :)

  • Erst kürzlich wurde mir ja im Thema zur Impfpflicht von mancherlei Seite mitgeteilt, dass die Selbstbestimmung bei medizinisch relevanten Entscheidungen keine Rolle spielen sollte, und die Konsequenz davon ist wohl dann zwangsläufig, dass man Menschen einfach gesund machen muss, auch wenn sie es nicht wollen und eigentlich ablehnen.


    Wenn du aufmerksam mitgelesen hast, ging es kaum darum, Menschen zu ihrem gesundheitlichen Glück zu zwingen. Vielmehr ging es darum, eine Krankheit endgültig zu den Akten legen zu können und bis dahin diejenigen Menschen zu schützen, die (noch) nicht geimpft werden können.

    Vor allem geht mir das Selbstbestimmungsrecht dann auch sonstwo vorbei, wenn derjenige ein aktiver Gefährderer ist. Niemand hat in einer Gesellschaft das Recht sich so rücksichtslos zu benehmen und sich dann als armes Ding darzustellen. Diese Leute schädigen andere Menschen aktiv mit ihren Entscheidungen und wälzen sich dann am Boden "wäääh, MEINE Rechte, ich armes, von einer Mehrheitsdiktatur gebeuteltes etwas!!". Und was ist mit den Rechten anderer, die dieser Person ausgesetzt sein müssen?

    Und ja, man kann das durchaus mit einer Person vergleichen, die zu schnell fährt, jemanden umführt und dann genauso handelt. "Hab ja das Recht Leute umzunieten, ich finanzier die Straßen mit Steuergeldern."


    Wenn es eine Krankheit ist, die bloß dich betrifft, kannst du mit der machen, was du willst.


    Btw...



    *hust xD*

  • Ich habe halt den Punkt mit der gesellschaftlichen Ebene aufgegriffen und noch einmal darauf hingewiesen, dass die Abwesenheit gesetzlichen Zwangs nicht reicht.

    Was genau willst du denn dann eigentlich? :unsure:

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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  • Was genau willst du denn dann eigentlich? :unsure:

    Offensichtlich auf die Einladung einer Moderatorin in die Diskussion antworten. Okay ... Ich dachte eigentlich, ich hätte meine Ansicht mittlerweile lang und breit dargelegt. Mein Punkt bestand eigentlich in der Zustimmung zu dem, was QueFueMejor gesagt hatte und in der Verteidigung seiner These gegen den Einwand, sie sei selbst ableistisch, wenn sie mir doch so ziemlich das Gegenteil davon zu sein scheint und die Problematik eines mit einem Optimierungsgedanken verbundenen Ableismus aufgreift und kritisiert.


    Ist das deiner Ansicht nach valide, in der Art zu diskutieren, oder ist meine Meinung mal wieder irrelevant? :)

  • Ich meinte speziell den von dir genannten Punkt, dass dir die Abwesenheit des gesetzlichen Zwangs nicht reicht.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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  • Ich meinte speziell den von dir genannten Punkt, dass dir die Abwesenheit des gesetzlichen Zwangs nicht reicht.

    Der Punkt ist hier wie gesagt, dass auch ein mit einem Optimierungsdenken verbundener gesellschaftlicher Druck - der nicht gesetzlich institutionalisiert ist - ebenfalls problematisch ist. Und ja, ich kann nicht genau abschätzen, wie groß der ist, gebe ich zu. Wenn er gar nicht vorhanden ist, wäre das natürlich super, nur so optimistisch kann man meiner Ansicht nach nicht ohne Weiteres sein.