Wie Wasser und Eis

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  • soo, eine neue woche, ein neues kapitel~viel spaß mit


    Kapitel 23
    Gefangen


    3.7.2009- 4.7.2009


    Lee öffnet das linke Auge. Es schmerzt, doch er kann es aushalten. Seine Sicht ist ein wenig verschwommen, als er auch das zweite Auge öffnet, sieht er, dass er in einem engen, dunklen Raum liegt, der sich ruckelnd bewegt. ‚Ein Laster oder sowas.‘, schlussfolgert er. Wie lange ist er bewusstlos gewesen? Außer ihm befindet sich nichts hier, auch keine anderen Gefangenen. ‚Konnten Tai und Hagane fliehen? Wo bringen die mich hin?‘, fragt der Blonde sich. Er weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, in einer Art Dämmerzustand döst Lee vor sich hin. Seine Hände und Füße sind gefesselt, was ihm nicht viel Bewegungsfreiheit lässt. Der Lastwagen hält kurz an, fährt wenige Momente später weiter. Das Geräusch des Motors hallt auf einmal auf eine merkwürdige Weise wider, Lee glaubt, dass sie in einen Innenhof gefahren sind. Seine Vermutung bestätigt sich, als der Motor nun zur Gänze erstirbt, Schritte nähern sich dem Wagen. Die Heckklappe geht auf. Hände packen seine Fußknöchel und ziehen ihn grob ins Freie. Bevor er seine Umgebung sondieren kann, wird ihm eine Sonnenbrille aufgesetzt, dessen Gläser mit schwarzer Plakatfarbe oder so etwas bemalt wurden. Er sieht nichts mehr. Es ist relativ kühl, es muss also bereits Nacht sein. Seine und die Schritte seines Entführers sind die einzigen Geräusche, die an seine Ohren dringen, dann geht zischend eine Tür vor ihm auf. Lee stößt mit dem Fuß gegen eine Schwelle, dahinter ist es wärmer als draußen, und von den Rändern der Brille her kommt nun ein schwacher Lichtschein. „Nehmt mir mal diese bescheuerte Brille ab.“, verlangt er, als Antwort stößt ihm nur jemand das Knie in den Rücken. „Ah. Gastfreundlich, wie ich sehe.“ – „Du solltest nicht so vorlaut sein, Kleiner.“, eine dumpfe Männerstimme weist ihn zurecht. Lee lächelt nur. „Ich bin nicht vorlaut. Sowas habe ich seit Jahren nicht nötig. Wer seid ihr, dass ihr euch anmaßt, mich gefangen nehmen zu wollen?“ – „Ich glaube, das weißt du genau.“, diesmal antwortet wieder die Frau mit Marias Stimme. Der Blonde schweigt. „Also die Feiglinge von Team Galaktik.“, meint er dann, und wartet auf den nächsten Hieb, um herausfinden zu können, wo sich sein Gegner befindet. ‚Verdammt. Wäre mein Gehör doch so gut wie das von Maria, sie kriegt immer durch bloßes Hinhören genau heraus, wo sich ihre Feinde befinden!‘, flucht er innerlich. Doch es kommt kein Schlag, nur leises Lachen. Spöttisch kanzelt die Frau ihn ab. „Feiglinge? Sind wir Feiglinge, weil wir herausgefunden haben, wo deine Freundin dich treffen wollte, und einen Hinterhalt vorbereiteten?“, irgendwo links, denkt Lee. Dann spannt er die Muskeln an und führt einen waagerechten Tritt in dieselbe Richtung aus. Es ist kurz still, er spürt jedoch keinen Widerstand. ‚Daneben.‘. „Wow, nicht so ungeduldig, Schatzi.“, flötet die Frau, Lee platzt beinahe der Kragen. ‚Sie klingt exakt wie Maria! Wieso hat sie diese Stimme?!‘, fragt er sich. Dann wird er weiter gestoßen. „Du musst diese Grünhaarige sein.“, murmelt er. „Ganz recht. Mein Name ist Commander Venus.“, er spürt, wie sie ihm eine Hand ans Kinn legt und es leicht anhebt. „Wir werden sicher gute Freunde, oder?“ – „Kannst du vergessen.“, ächzt er. Ihre Berührung macht ihn nahezu krank. Niemand außer Maria darf diese Stimme haben.
    „Dich kriegen wir schon noch klein. So, viel Spaß.“, Lee verflucht sich selbst, sie haben ihn abgelenkt, sodass er nicht auf seine Schritte achten konnte. Als sie ihm die Brille abnehmen, ist er in einer Art Hotelzimmer gefangen, es gibt keine Fenster, die fensterlose Tür ist aus extrem dickem Metall gefertigt, und die Einrichtung besteht aus einem großen, weiß bezogenen Bett und mehreren Kommoden. „So, du kriegst ab und zu was zu essen, wenn du uns in einem Verhör brauchbare Informationen verschafft hast. Gehab dich wohl.“, sagt Venus, dann herrscht Ruhe. Zitternd vor Wut bleibt Lee eine Weile mitten im Raum stehen. Dann tritt er ins angrenzende Badezimmer herüber und wäscht sich das Blut ab. Die Platzwunde schmerzt tierisch, ist aber nicht so schlimm, dass er es nicht aushalten könnte. „Für wen halten die sich?“, er hat nicht gefragt, wo Hagane und Tai sind, das hätten sie ihm sowieso nicht verraten. Schritt eins: einen klaren Kopf bekommen, das ist wichtiger als irgendwelche Fluchtversuche. Also setzt er sich aufs Bett und schließt die Augen. Doch seine Gedanken schweifen ab, immer wieder muss er an Maria denken. Ein unbekanntes Kontingent an Zeit später klopft es an der Tür. Sie öffnet sich, blitzschnell springt Lee genau in den toten Winkel, sodass niemand, der von draußen reinkommt, ihn auf den ersten Blick sehen kann. Dann will er sich mit ganzem Gewicht gegen die offene Tür werfen, doch er kann sich nicht mehr rühren. „Gut so. Halt ihn fest, Kadabra.“. ‚Schon wieder diese Venus!‘, durchfährt es ihn. Gelassen tritt sie ein und beugt sich vor, damit sie ihn ansehen kann. „Na, wie fühlt sich das an? Sei am besten ganz brav, okay?“ – „Wie du willst.“, sie gibt ihrem Pokémon einen Wink, woraufhin es den Löffel kurt dreht. Lees Beine bewegen sich von selbst, er ist gezwungen, sich neben der Grünhaarigen auf dem Bett nieder zu lassen. „So, ich frage mich, ob Rocky jetzt endlich aufgibt.“ – „Wieso sollte sie?“ – „Weil wir ihren stärksten Trainer gefangen haben. Da wärt ihr nicht drauf gekommen, dass es uns gelingt, diesen Code aus der Zeitung zu knacken, was?“, verächtlich wirft sie Lee eine Ausgabe auf den Schoß, er erkennt Maria sofort. Sein Herz setzt für einige Schläge aus. Sie trägt eine Sonnenbrille, ein merkwürdiges Tattoo und steht vor der Fassade des ehemaligen Polizei-Hauptquartiers. „Botschaft?“, fragt er, Venus streicht sich durchs Haar. „Tu doch nicht so. Die drei Punkte sollen die Seen darstellen, und die obere Ecke vom D zeigt genau auf Ewigenau, wenn man es auf die Karte projiziert.“, leise beginnt Lee, zu lachen. „Ich bin beeindruckt. Ihr habt eure Köpfchen angestrengt und seid- wie immer- zum falschen Schluss gelangt. Sie wollte mich nie in Ewigenau treffen.“ – „Lüg mich nicht an, mein Liebling.“, flüstert Venus, erneut setzt Lees Herz aus. ‚Die Stimme.‘. „Ja, ich weiß, dass ich dich an sie erinnere. Schließlich hat sie das in Weideburg gründlich ausgenutzt. Schockierend, nicht wahr?“ – „Sei still.“ – „Aber, aber. Lee, wir werden sicher gute Freunde.“, wiederholt sie, dabei eine etwas höhere Stimmlage anschlagend, die er ebenfalls zu gut von Maria kennt. „Ich sagte, sei still, oder du bereust es. Du hast nicht das Recht, ihre Stimme zu benutzen.“, knurrt der Eisbrecher. Venus erhebt sich. „Oh, wenn du dich da mal nicht täuschst. ICH habe die Fäden in der Hand, du wartest hier bloß, bis wir mit den Verhören anfangen.“ – „Du glaubst wirklich, ich sei der Stärkste aus Rockys Team.“ – „Keine falsche Bescheidenheit, bitte. Von jedem deiner kleinen Freunde haben wir eine Menge Daten gesammelt, und eine Skala erstellt, die eure Gefährlichkeit einstuft. Du stehst ganz oben.“ – „Daten. So ein Scheiß. Ich habe die meisten Turniere gewonnen, mehr nicht. Wenn Maria hier auftaucht, habt ihr ein echtes Problem.“ – „Du bist sicher, dass sie kommt, oder?“, Lee lächelt grimmig. „Darauf kannst du wetten. Und dann retten dich nicht mal mehr sämtliche bekannten Götter der alten Mythologie.“, Venus beugt sich zu ihm herunter. „Was ist, wenn wir sie schon haben? Wenn sie in diesem Moment in der Zelle direkt neben dir liegt? Ganz allein? Hm? Was machst du dann?“ – „Du solltest dir mal selber zuhören. Träum weiter. Das Mädchen kriegt ihr nicht. Sie ist lange nicht so nachlässig wie ich. Um sie einzufangen, braucht ihr eine sehr viel bessere Idee, als so einen kleinen Hinterhalt.“ – „Hilf mir, Schatz… ich fühle mich so einsam…“, haucht Venus, und Lee spürt, wie sein Hass für sie ins Unermessliche wächst. „Das wirst du büßen.“, doch sie lacht nur und macht sich auf den Weg zur Tür. „Wir sprechen uns nachher noch. Bis dahin genieß deine Zeit hier. Schlaf schön.“, mit einem letzten, hämischen Blick schließt sie die Tür hinter sich, welche mit einem entmutigend heftigem Geräusch einrastet. Das Kadabra teleportiert sich aus dem Raum, und der Trainer ist wieder allein.
    Seufzend lässt er sich aufs Bett sinken. Mit einem Blick hat er erkannt, dass er ohne Hilfe wohl hier nicht rauskommt, es sei denn, bei den Besuchen macht irgendwer einen dummen Fehler. Bis dahin bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als zu warten und sich auszuruhen. Lee schließt die Augen. ‚Du musst ruhig werden, damit du dir was ausdenken kannst. Die hat nur Marias Stimme, mehr nicht.‘, sagt er sich. Es dauert nicht lange, dann hat er exakt Marias Bild vor Augen. Ihr braunes, bis über die Schultern fallendes Haar, die dunkelblauen Augen, der sanft geschwungene Mund, ihre schmale Nase, die weiche, gebräunte Haut und ihren typischen, nachdenklich-amüsierten Gesichtsausdruck. Beinahe kommt es so vor, als wäre sie bei ihm, würde ihren langen, perfekten Körper an ihn schmiegen. Verdammt, wie er sie vermisst! Er hat sie noch nie gefragt, wo der Rosenduft in ihrem Badezimmer herkommt, fällt ihm ein. Das würde er nachholen, sobald sie wieder bei ihm wäre. ‚Was denkst du nur für dummes Zeug. Ist doch im Grunde egal, wo der herkommt.‘, belächelt Lee sich selbst. Er ist sich sicher, dass sie genau so empfindet. Wahrscheinlich ist sie in diesem Moment schon auf dem Weg, um ihn zu suchen. Langsam driftet Lee in eine Traumwelt hinüber.
    //
    ‚Komisch. Wo bin ich?‘, der Blonde findet sich an einem glasklaren See wieder, mitten auf einer gigantischen Wiese. Er trägt außer einem weiten, weißen Mantel nichts am Leib, eine leichte Brise spielt mit seinem Haar. Lee merkt, dass seine Wunde verschwunden ist. ‚Das ist doch der See, an dem ich letztes Jahr mit Maria war. Das muss ein Traum sein.‘, nachdem er das gedacht hat, kräuselt sich die Oberfläche des Sees leicht. Ein leises Rascheln hinter ihm lässt ihn herumfahren. Maria steht vor ihm, sie trägt einen schwarzen Kimono, ihre Haare wehen leicht im Wind. Lee macht einen hastigen Schritt auf sie zu, doch sie nimmt ihre typische Kampfhaltung ein: Einen Arm vorgestreckt, die Handfläche auf ihn gerichtet, den anderen Arm winkelt sie an, ballt die Faust. Dabei geht sie seitlich leicht in die Knie. „Maria!“ – „Lee.“, ihre Stimme klingt wie ein Glockenspiel, zugleich nah und doch weit entfernt. „Wie hast du mich gefunden?“ – „Habe ich nicht.“ – „Das…“, er stockt, sieht sich kurz um. „Das ist ein Traum, habe ich Recht?“. Sie nickt nur stumm, weicht dabei einen Schritt zurück. Lee schließt kurz die Augen. „Warum bin ich hier?“ – „Weil du hier sein willst.“ – „Ich will zu dir. Aber du lässt mich nicht. Ich verstehe das nicht.“ – „Du hast doch gesagt, es sei nur ein Traum.“, lächelnd legt sie den Kopf schief, einige Strähnen fallen ihr ins Gesicht. „Das weiß ich auch. Team Galaktik hat mich, und ich bin eingeschlafen.“ – „Aber wenn du mich jetzt umarmst, wachst du nur umso enttäuschter auf.“ – „Das weißt du nicht. Vielleicht kann ich mich dann besser mit der Situation abfinden.“ – „Wir wissen beide, wie du tickst. Ich fühle genauso. Das hier ist nicht echt.“ – „Warum willst du kämpfen?“ – „Damit du zur Besinnung kommst. Du hast die letzten Stunden nur an mich gedacht, das weiß ich genauso gut wie du. Du musst anfangen, über deine Situation nachzudenken. Die mögen zwar im Kampf schwächer sein als du, aber momentan sind sie im Vorteil. Sie können dich verhören. Sie können dich foltern. Sie können dich sogar töten, wenn sie es wollen. Und das könnte ich mir nie verzeihen.“, auf ihre Worte hin seufzt Lee schwer. „Du hast wie immer Recht. Aber ich komme aus diesem verdammten Zimmer nicht raus.“. Lee nimmt seine Kampfhaltung ein, springt dann mit aller Kraft auf Maria zu. Im letzten Moment weicht sie aus, packt sein Bein, dreht sich damit einmal um die eigene Achse und wirft ihn in den See. Sie bleibt am Ufer stehen, bis er wieder an Land geschwommen kommt. Sie kämpfen eine Weile miteinander, ein Beobachter könnte meinen, sie studieren einen Tanz ein. „Das Wasser fühlt sich aber verdammt echt an.“ – „Wasser ist immer Wasser. Flüssig, durchsichtig, es spendet Leben und kann es wieder nehmen.“, antwortet sie, und richtet dann beide Arme auf den See. Als sie sie hochnimmt, folgt eine gigantische Wasserblase ihren Bewegungen, schimmernd hängt sie über Lees Kopf. Er springt ab, landet einen Schritt hinter ihr, zielt auf ihre Kniekehlen und tritt zu. Doch sie ist zu schnell, bringt sich mit einem Rückwärtssalto in Sicherheit, und lässt das Wasser gefrieren. Pfeile aus Eis rasen auf den Blonden zu.
    Was ist los mit dir? So zimperlich bist du normalerweise nicht.“, merkt sie an, als Lee sich vor den Pfeilen rettet. Blitzschnell zieht er zwei davon aus dem Gras, schleudert sie in Marias Richtung, und springt hinterher. Sie reißt reflexartig die Arme hoch, die Pfeile verflüssigen sich, doch sie hat unwillkürlich die Augen zugekniffen, und Lee nutzt ihre Unachtsamkeit. Er packt ihre Schulter, doch bevor er den Angriff fortsetzen kann, hat sie sich seinem Griff entwunden und fegt ihm mit einem Tritt die Beine unter dem Körper weg. Im Fall umklammert Lee ihre Hand, reißt sie mit sich, und rollt sich ab. Bevor sie aufschlägt, stützt sie die Hand auf den Boden und katapultiert sich ebenfalls wieder in die Senkrechte. Lächelnd streicht sie über seine Brust.Genau richtig. Nutze die vermeintlichen Stärken des Gegners zu deinem Vorteil, schlage zu, wenn er es nicht erwartet. So kannst du siegen, auch, wenn alles verloren scheint.“ – „Das hättest du mir auch einfach sagen können.“ – „Aber das ist ein Traum. Dein Traum. Du wolltest den leichten Weg von vornherein nicht, und das finde ich gut so.“ – „Ich wünschte, ich könnte einfach hier bei dir bleiben, bis das Ganze vorbei ist.“, antwortet er. Maria schüttelt den Kopf. „Das geht leider nicht. Schon bald wachst du auf, aber ich verspreche dir, wir finden dich.“ – „Wir? Wer ist noch bei dir?“ – „Lucia. Ich habe sie in Herzhofen getroffen. Schon morgen treffen wir in Ewigenau ein.“ – „Nein. Nicht!“, er ist bestürzt. Sie würde direkt in Venus´ Falle laufen. „Venus hat deine Nachricht falsch interpretiert. Nur deswegen hat sie den Hinterhalt gelegt. Die warten auf dich!“, ihre Augen verdunkeln sich. „Umso besser. Sie werden es büßen, was sie uns angetan haben.“ – „Begreifst du es nicht? Das sind nicht nur ein paar kleine Fische!“, die Sorge um sie frisst ihn schier auf, er darf nicht zulassen, dass Maria ihnen auch noch in die Falle geht. „Was du mir hier sagst, spielt sowieso keine Rolle. Es ist nur ein Traum.“, sie schaut auf den See hinaus. „Ich muss gehen.“ – „Nein.“, Lee will es nicht wahrhaben. „Es hat so real gewirkt…“ – „Ich sollte dir mitteilen, worauf es jetzt ankommt, und das habe ich geschafft.“, ohne einen Laut erhebt sie sich. Er packt ihren Arm und hält sie zurück. „Bleib hier. Bitte.“ – „Die Zeit läuft ab.“ – „Es ist ein Traum, oder nicht? Wie kann die Zeit ablaufen?“ – „Du kannst schon jetzt kaum mehr loslassen. Wenn ich länger bleibe, wirst du mich umso stärker dabehalten wollen.“, mit traurigem Blick sieht sie auf ihn herunter. Dann schließt Maria die Augen und setzt sich neben den Trainer. „Na schön. Ich will es schließlich auch.“, flüstert sie. „Nur ein Kuss. Dann werde ich mich damit abfinden.“ – „In der nächsten Nacht wirst du mich sowieso wieder rufen. Was bringt dir denn ein Traumkuss?“, fragt sie lächelnd. Lee lächelt zurück. „Werden wir nicht herausfinden, wenn wir es nicht versuchen, meinst du nicht auch?“ – „Du kriegst immer, was du willst, habe ich Recht?“ – „Das weißt du doch am besten.“, auf seine Worte hin lacht sie. Er wendet ihr den Kopf zu, erstarrt in der Bewegung. Sie trägt den Kimono nicht mehr, sondern einen ihm bisher unbekannten, schwarzen Bikini, der sich vorteilhaft ihren weiblichen Rundungen anpasst. „Huch!“, entfährt es ihm. „Was „Huch!“? Gefällt er dir?“ – „Den kenn ich noch gar nicht. Äh…klar, wem sollte sowas nicht gefallen?“ – „Dann bin ich beruhigt.“, langsam lässt sie sich zurücksinken und hebt eine Braue. „Stehe zu Diensten.“ – „Das kann doch kein Traum sein, es sei denn…“ – „Es sei denn, du hast ein richtig, RICHTIG…“, mit jedem Wort kommt sie ihm ein Stück näher. „…fantasievolles Unterbewusstsein. Du musst wissen, Träume entstehen, weil…“ – „Ich weiß, wie Träume entstehen. Aber wieso hast du etwas an, was ich noch nie zuvor gesehen habe?“, sie scheint einige Momente nachzudenken.
    Ich hätte da eine Erklärung, aber darauf musst du selbst kommen.“, ihr Mund befindet sich nur Zentimeter von seinem entfernt. Doch kurz, bevor sie ihn erreicht hat, löst sich Maria in Luft auf, der See und die Wiese verschwinden ebenfalls, Lee fällt in ein schwarzes Nichts.
    //


    Bevor er die Augen öffnet, weiß er, wo er sich befindet. Fluchend erhebt er sich und sieht sich um, dabei fällt ihm auf, dass seine Pokébälle nicht hier sind. ‚Wahrscheinlich haben sie die irgendwo versteckt, damit ich nicht so leicht abhauen kann.‘, sagt er zu sich selbst. Dann geht er in sich und versucht, in sich hinein zu horchen. Auf einen Fehler warten, die gegnerischen Schwächen ausnutzen oder gar ihre Stärken zu den seinen machen. ‚Danke, Maria.‘, nach diesen Gedanken setzt er sich im Schneidersitz aufs Bett, legt die Hände zusammen und atmet tief aus.
    //


    4.7.2009


    Kraterberg
    Es ist Nacht. Die Gegend ist still, sehr still. Nur der Wind pfeift zwischen den Felsspalten und Berggipfeln umher. An einem der vielen Kliffs ist ein kleines Zelt aufgebaut, es steht gefährlich nah am Abhang. Im Inneren haben sich zwei junge Frauen eng aneinander gekuschelt, um keine Erfrierungen zu riskieren. Maria erhebt sich, blickt einen Moment auf Lucia herunter, und deckt sie dann zu. Anschließend kriecht sie leise aus dem Zelt, kneift kurz ob des Windes die Augen zusammen und starrt in die Nacht hinaus. ‚Es war nur ein Traum. Du kannst ihn erst küssen, wenn du ihn befreit hast.‘. Aber es war so real gewesen! Als würden sie wirklich mit einander reden. Die Sonne geht langsam auf, und Braunhaarige sieht ins Tal hinunter, wo irgendwo in den tiefen Wäldern Ewigenau liegt. Der Schatten des Kraterbergs zieht sich noch viele Kilometer tief ins Land hinein. „Maria?“, ihre Freundin ist aufgewacht und kommt verschlafen ans Licht des anbrechenden Tages. „Guten Morgen.“, antwortet die Angesprochene leise. „Morgen. Hast du gut geschlafen?“ – „Ja, habe ich. Und du?“, sie sehen sich in die Augen, die Blauhaarige lächelt. „Ich auch.“ – „Mein Traum…Lee kam darin vor. Er hat gesagt, Team Galaktik wartet in Ewigenau auf uns.“, Lucia überlegt kurz. „Sollten wir dann einen anderen Weg gehen?“ – „Nein. Ich bringe uns da schon rein. Hagane wartet auf uns.“ – „Und du bist sicher, dass du mich begleiten willst?“ – „Klar doch. Ich lasse meine kleine Schwester doch nicht alleine gegen die Bösen kämpfen!“, scherzt sie. Maria blinzelt, doch sie lächelt nicht. „Ich bin aber älter als du.“ – „Das ist ja der Scherz daran.“, die Koordinatorin rutscht ein wenig vor, sodass die beiden jetzt nebeneinander an der Klippe sitzen. Ihre Schenkel berühren sich. „Im Traum habe ich ihm gesagt, er soll nicht überstürzen und sich darauf konzentrieren, wie er aus seiner Lage das Beste machen kann. Das sollten wir auch tun.“ – „Training, meinst du?“ – „Auch. Ich habe diese Fähigkeiten nicht umsonst. Es ist bestimmt nicht leicht, aber ich kann sie verbessern. Du hast gesehen, wie ich dich vor dem Sturz gerettet habe, ich kann sogar Menschen manipulieren. Wenn ich das perfektioniert habe…“, ihr Blick verdunkelt sich unmerklich. Lucia lehnt sich an sie, um Maria Trost zu spenden. „…dann hält mich niemand mehr auf.“. ‚Und ich kann Lee ohne Probleme retten.‘, fügt sie in Gedanken hinzu. „Dich werde ich auch beschützen.“, verspricht sie. „Du hast Lee im Traum gesprochen?“ – „Ja. Das war sowas von komisch…beinahe, als wäre das wirklich er. Verstehst du? So einen realen Traum hatte ich noch nie.“ – „Denkst du, er hat auch von dir geträumt?“, fragt Lucia leise.
    „Da bin ich sogar fast sicher.“ – „Das ist wirklich romantisch, weißt du das? Ein Paar, das getrennt ist…im Traum vereint…himmlisch!“, seufzt sie. Maria zieht eine Braue hoch. „Noch romantischer wärs, wenn wir zusammen sein würden.“, woraufhin Lucia in gespielter Überraschung die Augen aufreißt. „Also wirklich! Woran denkst du gerade?“ – „Nichts.“, ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen der hochgewachsenen Brünetten. Lucia merkt, dass sie dabei ist, wieder aufzutauen.
    „Sag schon. Vor mir brauchst du nun wirklich keine Geheimnisse zu haben.“ – „Könnte ich auch gar nicht. Also, ich habe an etwas wirklich, WIRKLICH Romantisches gedacht.“ – „Was man bevorzugt nachts tut?“ – „So in etwa.“, nun stößt die Koordinatorin Maria mit dem Ellbogen in die Rippen. „Hey, du bist ja eine richtige Draufgängerin geworden! Erzähl, wie wars?“, doch ihre Freundin errötet. „Ich glaube nicht, dass man sowas ausgiebig…“ – „Warum nicht? Ist doch nichts dabei!“ – „Die Details erspar ich dir. Aber…“, sie beugt sich zu Lucia herüber und flüstert ihr etwas ins Ohr. Die Augen der Blauhaarigen weiten sich, sie wird nun ebenfalls rot. Geschockt sieht sie Maria an. „Nein! Du hast…?“ – „Doch, wenn ichs dir sage! Pass auf…“, sie flüstert weiter, und als sie geendet hat, starrt sie mit rotem Gesicht auf ihre Beine. „Ihr seid ja…“ – „Bitte, es ist mir nicht peinlich, darüber nachzudenken oder mir so etwas zu wünschen. Aber darüber geredet habe ich noch mit niemandem.“ – „Macht er sich denn gut?“, will Lucia wissen. „Ja. Lee ist…wirklich geduldig. Ich habe ihn angebettelt und gefleht. Es war…“ – „Unglaublich.“, hilft die Blauhaarige aus. Maria nickt. „Ja. Mehr als das.“ – „Danke, dass du es mir erzählt hast. Ich weiß, wie verschlossen du normalerweise bist.“, ihre Hände suchen und finden sich, gemeinsam sehen die beiden den Berg hinunter. „Machst du in Einall eigentlich deine Wettbewerbe weiter?“ – „Vermutlich, ja. Das ist eine Herausforderung, die ich mir nicht entgehen lassen will. In Einall gibt es so viele neue Pokémon zu entdecken.“ – „Sieht aus, als würden wir uns nach diesem Abenteuer erneut trennen.“ – „Beim letzten Mal hat uns das auch nicht umgebracht. Aber diese Abenteuer mit dir sind wahnsinnig schön, Maria.“, der Braunhaarigen fehlen scheinbar die Worte, sie klemmt die Unterlippe zwischen die Zähne und presst den Mund zusammen. „Ich will niemanden verlieren. Nicht dich, nicht Lee. Ich muss stärker werden.“ – „Ich hoffe, du verlierst dabei deine Menschlichkeit nicht. Es ist nichts Falsches, Schwäche zu zeigen. Es ist auch nicht falsch, die Kontrolle zu verlieren, wenn dich die Trauer übermannt. Aber es ist wichtig, wieder aufzustehen, verstehst du? Sie haben ihn, ja, aber wir sind auf dem Weg, ihn zu befreien. Wir schaffen das.“ – „Hoffentlich geht es den anderen gut.“, flüstert sie. Auf einmal hebt Lucia die freie Hand, ballt sie zur Faust und schlägt Maria sanft gegen die Stirn. „Aua!“ – „Hey. Schau mich an!“, verlangt sie. Verdutzt gehorcht ihre Freundin. „Du sorgst dich um alle Trainer aus Rockys Team. Klar. Aber findest du nicht, dass du Vertrauen in sie haben solltest? Das sind alles keine Anfänger. Du kannst nicht von dir erwarten, sie alle zu beschützen! Wir kümmern uns zuerst um Lee, danach sehen wir weiter.“, eine Weile lang schweigen sie, Maria nimmt mit einem Mal wahr, dass die Blauhaarige sehr viel weiser geworden ist, als sie allein in Sinnoh umherreiste. ‚Sie ist wirklich gewachsen.‘, fährt es ihr durch den Kopf. ‚Und sie hat Recht.‘. Endlich lächelt sie wieder, es ist, als würde ein finsterer Schleier von Maria abfallen. Die Sonne bricht zwischen den Berggipfeln hervor und fällt auf die beiden Mädchen, die mit dem Rücken zu ihr sitzen. „Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.“, Maria hebt die Hand, die Lucia hält, und küsst den Handrücken ihrer Freundin leicht. „Wahrscheinlich wäre ich vor Rachsucht einfach da rein gestürmt. Auf diese Gedanken hätte ich selbst kommen müssen. Zusammen sind wir unschlagbar.“, ihre Freundin legt den Kopf schief und scheint zufrieden mit dem, was sie sieht. „Das ist die Maria, die ich kenne! Willkommen zurück.“, strahlt sie. Die letzten Stunden waren eisig gewesen, größtenteils hatte Maria mit dem Ausarbeiten von Racheplänen zugebracht, oder mit Fantasien davon, was sie ihren Feinden antun würde. ‚Wahrscheinlich wende ich einiges davon noch an. Aber ich kann wieder klar denken.‘.
    Wenig später haben die beiden einen kleinen Campingkocher aufgebaut und machen sich Frühstück. Ringsum sind ihre Teams mit ihrem Essen beschäftigt; Zorro, Marias Galagladi, sitzt, wie üblich, ein wenig abseits. Garados und Milotic teilen sich ihr Mahl, genauso wie die beiden Plinfas, die sich hervorragend verstehen. Togekiss, Mamutel und Pachirisu sitzen ebenfalls beieinander, Haspiror allerdings scheint keinen Hunger zu haben. „Was ist mit deinem Haspiror?“, will Maria wissen, als es das merkwürdige Verhalten bemerkt. „Oh, es hat Liebeskummer. Sein Pikaschatzi verweilt weit weg in der Einall-Region.“, flüstert Lucia, woraufhin die Braunhaarige dem kleinen Wesen einen bedauernden Blick zuwirft. „Sie kommen sicher wieder zusammen.“ – „Klaro!“, lacht die Koordinatorin. Maria lässt sich wieder an der Klippe nieder und lässt ihre nackten Beine herunterbaumeln. Kalt ist ihr nicht, obwohl sie nur die Hotpants trägt. „Wie ist denn diese Hagane so?“, will Lucia dann wissen. „Naja, wie eine kleine Schwester halt, sie war anfangs immer darauf bedacht, Situationen, in denen Lee ihr etwas Gutes tat, auszunutzen. Sie haben sich wohl ewig nicht gesehen, darum ist das verständlich, denke ich. Aber im Laufe unserer Reise ist auch sie größer geworden, wir kommen mittlerweile sogar relativ gut aus.“ – „Und…“, Lucia wirft Maria einen kurzen Blick zu. „…deine Eltern? Du hast sie noch nie erwähnt, das ist mir schon öfters aufgefallen.“ – „Irgendwann fragst du danach, das habe ich gewusst.“, antwortet sie leise. Dann lehnt sie sich zurück und stützt sich mit den Händen auf dem Fels ab. Langsam stößt sie den Atem aus und schaut Lucia an. „Ich weiß nicht, wo genau ich herkomme. In meiner frühesten Erinnerung spiele ich Verstecken mit irgendjemandem, ich weiß, dass der- oder diejenige gut ist, aber ich habe ein gutes Gefühl, dass ich dieses Mal gewinne. Wir spielen auf einer großen Wiese, vielleicht ist das unser Garten. Überall stehen Büsche herum, aber ich sehe das Haus nicht. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wo das war.“, sie zieht die Beine an, umschlingt sie mit den Armen und legt das Kinn auf ihre Knie. „An meine Eltern kann ich mich gar nicht erinnern. Mit der Zeit sind ihre Gesichter genauso verblasst wie alles andere auch. Irgendwann, als ich schon ein wenig größer war, bin ich auf der Straße aufgewacht, und habe das Kämpfen gelernt. Ein kleines Mädchen, ganz allein, soll auf der Straße überleben? Ich dachte erst, das sei unmöglich, aber ich habe es auf die harte Tour durchgehalten.“ – „Das muss wirklich schlimm für dich gewesen sein.“ – „Es geht. Ich war stolz auf mich, stolzer, als es vielleicht angebracht war, und bin so arrogant geworden, wie man nur irgendwie sein kann.“. Sie verschweigt, dass ihre Arroganz durch ein Schlüsselereignis in ihrem 15. Lebensjahr komplett ausgelöscht wurde, ihr Wesen hatte sich damals ins genaue Gegenteil verkehrt. Die entstandene Schüchternheit konnte erst durch Lucias Hilfe bezwungen werden. „Vermisst du deine Eltern?“, Lucias Stimme ist leise, als würde sie mit zu lautem Sprechen Marias Gefühle verletzen. Doch Maria schüttelt den Kopf. „Ich weiß es nicht. Wie kann man etwas vermissen, was man nie wirklich gekannt hat? Klar, ich habe keinen sicheren Hafen, in den ich mich ab und zu zurückziehen kann, aber Lees Gegenwart ist mehr als ausreichend. Er ist meine Familie.“ – „Denkst du, sie leben noch irgendwo, und warten auf dich?“ – „Ich weiß es nicht. Und selbst, wenn es so ist, ich glaube nicht, dass sie mich erkennen oder gar wieder aufnehmen würden.“ – „Sie müssen doch heißen, wie du, oder? Hast du mal im Telefonbuch nachgeschaut?“, Maria schüttelt den Kopf. „Nein. Maria Jou ist ein Name, den ich mir selbst gegeben habe. Jou, das Spiel, um über die Erfahrungen auf der Straße hinwegzukommen. Maria, die Geliebte…weil ich mir das so oft gewünscht habe.“, den letzten Teil sagt sie beinahe flüsternd. „Wenn das nicht dein richtiger Name ist, kannst du im Telefonbuch nicht nachschauen, das stimmt.“ – „Macht nichts. Ich bin all die Jahre ohne sie ausgekommen.“, die Braunhaarige verzieht die Lippen zu einem Lächeln, um Lucia zu zeigen, dass es gut so ist, wie es ist.
    Mit einem geschmeidigen Sprung ist Maria auf den Beinen und sieht sich um. Ihre Partner sind mit dem Essen fertig, ihre Blicke richten sich auf die Braunhaarige. „Gut. Ich würde sagen, wir beginnen mit dem Abstieg. Seid ihr soweit?“ – „Also, wir sind allzeit bereit.“, sagt Lucia, die ihre Pokémon soeben- bis auf Plinfa- in ihre Bälle zurückruft. Maria tut es ihr gleich, doch nach dem ersten Schritt schon packt Lucia sie am Handgelenk. „Stimmt was nicht?“, die Koordinatorin antwortet nicht sofort, sie scheint erst ein wenig Mut anzusammeln. „Ich…ach, nicht so wichtig.“, sie lässt Maria los und schaut auf ihre Füße. „Was ist denn?“ – „Gar nichts! Hahaha! Wir können los!“, doch dem nervösen Gelächter entnimmt Maria, dass doch irgendwas sein muss. „Sag schon. Du brauchst auch vor mir keine Geheimnisse zu haben.“, wieder breitet sich Schweigen zwischen den beiden aus wie ein dünner Vorhang, dann fasst Lucia einen Entschluss. „Wenn du…diese Wasserkontrolle auf Menschen anwenden willst, musst du ein starkes Gefühl haben, oder?“ – „Ja, ich habe es in letzter Zeit ab und zu mal wieder versucht, es aber nicht mehr geschafft.“ – „Wenn du…üben willst oder so, ich stelle mich gern bereit.“, Maria verneint. „Auf keinen Fall. Ich werde dir nicht die Kontrolle über deinen Körper nehmen, nur, um darin besser zu werden. Ich will dich nicht manipulieren.“ – „Du manipulierst mich nicht, wenn ich einverstanden bin.“ – „Aber es erscheint mir falsch.“ – „Wenn es dich stärker macht, sehe ich da kein Problem. Lass es dir durch den Kopf gehen, ja?“ – „Mach ich.“. ‚Wieso eigentlich nicht? Sie hat sich sogar bereit erklärt! Das wäre die Chance, deine Fähigkeiten weiter auszubauen.‘, fährt es der Brünetten durch den Kopf.
    Langsam richtet sie die rechte Hand auf Lucia, welche kurz schluckt und sich bereit macht. Dann breitet sie die Arme aus. Maria versucht, ihre Gefühle aus der letzten Nacht wieder aufleben zu lassen, den Zorn, die Verzweiflung, die Trauer. Mühelos gelingt es ihr, mit einem Mal spürt sie, wie eine mentale Verbindung zu Lucias Körper hergestellt wird. Eine Träne läuft ihr die Wange herunter. Sie ballt die Faust. Ihre Freundin zittert ein wenig, ihre Arme fallen schlaff herunter. „Au, nicht so fest!“, ächzt sie, woraufhin Maria die Finger wieder spreizt. „Es tut weh?“ – „Ja, wenn du zudrückst, verkrampft sich mein Inneres.“, erschrocken lässt Maria die Verbindung fahren, tritt zu ihr hin und legt ihr eine Hand auf den Bauch. Lucia atmet schwer. „Das wollte ich nicht! Es tut mir leid.“ – „Nein, schon gut, du brauchst Übung.“, entschlossen stellt sich die Blauhaarige wieder so hin wie zuvor. Ihr Plinfa sieht zu, scheint nicht sicher zu sein, was es davon halten soll. „Ich passe auf.“, verspricht Maria, nimmt diesmal beide Hände, um die Kontrolle besser im Griff zu haben. ‚Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich ihr was tue. Vorsichtig jetzt!‘. Als sie beide Hände nach oben nimmt, hebt Lucia ihre Arme ebenfalls. Das Heben des Zeigefingers zum Beispiel führt dazu, dass Lucia eine Hand hochnimmt. „Das ist relativ leicht, wie eine Art Puppenspiel.“, murmelt Maria, bewegt testweise nacheinander alle Finger und probiert verschiedene Kombinationen aus. Dann fällt ihr ein, dass die Hilfestellung ihrer Hände nur dabei hilft, die Energie zu fokussieren, die Bewegungen an sich bewirken jedoch nicht, dass sich Lucia anders bewegt.
    „Warte.“, Maria steht einige Momente lang nur still am Abhang des Berges, als sie die Augen öffnet, merkt Lucia, dass sie nun sogar richtig weint. „Maria?“ – „Schon gut.“, die Stimme der Trainerin ist kaum hörbar, sie verschränkt die Arme vor der Brust und scheint sich heftig zu konzentrieren. Lucia fühlt ein Kribbeln überall, dann sieht sie, wie sich ihre Hände heben. Ihr Körper fühlt sich an, als würde sie etwas nach oben ziehen. „Was…“, ihre Füße lösen sich vom Boden. Sie schwebt! „Unglaublich!“, ruft sie, dabei sieht sie, dass Maria immer mehr Tränen über die Wangen laufen. ‚Sie muss wahnsinnig starke Gefühle haben, um das hier aufrecht zu erhalten.‘, fällt es Lucia ein. Mitleid überkommt sie. „Bereit?“ – „Für was?“ – „Für einen kleinen Test.“, antwortet Maria leise. Sie nimmt beide Arme nach vorn, ballt die Fäuste und spreizt Zeige- und Mittelfinger, sowie den Daumen ab. Ein Schluchzer schüttelt sie, dann senkt sie die linke Hand, während sie die Finger der rechten alle abspreizt. ‚Was ist das? Diese Kraft…‘, denkt Lucia, ihre Beine fangen an, zu brennen. Dann geht alles ganz schnell. Sie geht tief in die Hocke, kommt kurz auf dem Boden auf, ihre Beine werden durchgedrückt und sie fliegt durch die Luft. ‚Was hat Maria da entfesselt?!‘. Nach einer Flugrolle in 10 Metern Höhe rast sie mit den Füßen zuerst wieder auf den Boden zu, die Arme ausgestreckt, um die Balance zu halten. Doch bevor sie aufschlägt, verlangsamt sich ihr Fall, sanft berührt sie die Erde. Maria wischt sich über Wangen und Augen, Lucia sieht, dass sich zu den Füßen der Braunhaarigen eine kleine Pfütze gesammelt hat. „Das ist unbeschreiblich!“, doch sie ist begeistert und fällt Maria um den Hals. „Es war, als könnte ich fliegen!“ – „Kannst du auch, wenn ich mich konzentriere. Im Kampf passiert dir nichts, ich schwöre es dir.“ – „Du bist echt der Wahnsinn, Maria!“, schwach lächelnd verneigt sich Maria vor ihr. „Ich tue, was immer ich tun muss.“ – „Wie hast du das eben gemacht? Ich dachte, du brauchst deinen ganzen Körper, um die Kontrolle zu wirken.“ – „Dachte ich auch.“, die beiden machen sich auf den Weg, Maria schaut in die Wolken, die von der Morgensonne in den schönsten Farben angemalt werden. „Aber je stärker die Gefühle sind, die ich heraufbeschwöre, umso leichter geht das, auch ohne meine Hände.“ – „Interessant. Und die Gefühle, die du wegen Lee hast, sind stark genug, um…mir fällt grad kein Beispiel ein, aber auf jeden Fall irre stark.“ – „Stark genug, um das zu tun.“, Maria richtet wie beiläufig eine Hand auf Lucias Beine, sie japst nach Luft. „Was hast du getan? Das Gefühl hatte ich eben schon!“ – „Spring.“, antwortet ihre Freundin gelassen. Als Lucia gehorcht, ist sie im ersten Moment geschockt und überrascht. Als wäre die Schwerkraft ein Witz, katapultiert sie sich meterhoch in die Luft, balanciert sich aus, und landet einen Schritt vor Maria. „Ich kann auch deine Muskeln stärken. Früher ging das nur bei mir.“, das Brennen verschwindet. ‚Jetzt müssten ihre Muskeln wieder normal funktionieren. Die Stärkung fordert bei zu langem Gebrauch ihren Tribut, und das will ich ihr nicht zumuten.‘, überlegt Maria. „Jetzt bin ich motiviert! Auf nach Ewigenau!“, jubelt das Mädchen mit den blauen Haaren. „Die sollen uns kennen lernen.“.


    und wie immer freue ich mich auf kommentare, verbesserungen, anregungen und sowas alles, man sieht sich :D
    mfg
    Kori

  • guten abend zusammen, es kamen leider wieder keine kommis, aber das hält mich noch lange nicht auf. ich hoffe, ihr habt spaß beim neuen kapitel :)



    Kapitel 24
    Teamwork


    4.7.2009


    Es fühlt sich merkwürdig an. Ich habe schon vieles erlebt, aber die Gefühle, die ich auf der Reise von Herzhofen nach Ewigenau empfunden habe, spielen in einer ganz anderen Liga. Freude, Entsetzen, Schmerz, Glück, Trauer, Verzweiflung, Hoffnung. Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen, dass so vieles zugleich in meiner Brust toben könnte. Nachdem ich in Elyses Haganes Schreckensnachricht erhalten habe, setzt mein Gedächtnis einfach aus. Ich weiß nicht, wie ich über den Kraterberg gekommen bin, aber Lucia war dermaßen fix und fertig, dass ich vermute, wir sind die Nacht durchgereist. Seit heute früh kann ich wieder klar denken. Und ich habe nun eine viel bessere Kontrolle über meine Fähigkeiten... Das merkwürdige Gefühl, von dem ich sprach, ist im Grunde wie ein Rausch, als wären meine Sinne weit über ihr normales Maß hinaus gewachsen. Kontrolle über alles, was ich tue. Normalerweise denkt man darüber nicht nach, aber ich spüre jeden einzelnen meiner Muskeln, jede Faser, jede Bewegung meiner Gliedmaßen. Jeder Schlag meines Herzens. Mein Körper scheint sich in eine Symphoniegruppe verwandelt zu haben, jeder Musiker weiß, was er zu tun hat, und die Dirigentin bin ich. ‚Merkwürdig‘…stimmt daher nicht zu 100%. Sicher, es ist ungewohnt. Aber zum größten Teil ist das Gefühl berauschend. Was ist geschehen? Habe ich mich weiterentwickelt, weil ich über die Gefühle hinweggekommen bin, über den Verlust? Vielleicht. Mit Sicherheit werde ich wohl nie sagen können, woher all diese Kraft jetzt kommt. Meine Augen suchen die Klippen um uns herum ab, wir folgen einem steinernen, schmalen Grat, welches mitten durch einen großen See führt. In weiter Ferne sehe ich den Wald, der diesen See umschließt. Viele Meter unter uns rauscht die Brandung gegen den Fels. Lucia läuft vor mir, ich „übe“ die ganze Zeit über weiter. Ihre Schritte macht sie nicht selbst, und sie merkt es nicht einmal, so sanft setze ich meine Kraft ein. Ein paar Mal stolpert sie, dann entschuldige ich mich innerlich, weil ich unachtsam war. Kleine Steine, auf die ich drauftrete, rollen den Pfad hinunter und dann ins Wasser unter uns. Dieser Weg erinnert mich an eine Passage, die ich in einem fernen Land mal beschritten habe. Sie hieß „Der Schlangenpass“, war jedoch viel gefährlicher, noch schmaler. Und der See, durch den sie führte, war von Seemonstern bewohnt. Doch in diesem See kann ich keine Pokémon entdecken, die Oberfläche ist glasklar, man kann bis auf den Grund sehen. Sekunde. „Warte.“, murmele ich, löse die Verbindung zu Lucias Körper. Meine Freundin dreht sich um. Sie sieht erstaunt aus. „Was ist denn?“ – „Hier sind keine Pokémon.“, in meinem Hinterkopf meldet sich irgendetwas zu Wort. Keine Pokémon…wer hatte das gesagt? Es ist wichtig, aber ich kann mich nicht erinnern. „Hm. Du hast recht.“ – „Diesen See kenne ich. Der Fluss, der den Kraterberg vom Rest des östlichen Sinnohs trennt, hat hier seinen Ursprung. Eigentlich leben hier viele Garados.“ – „Sollen wir umkehren?“ – „Nein. Aber wir sind besser vorsichtig.“, der See ist in zwei Hälften geteilt, die Trennwand ist gleichzeitig der Pfad, den wir gerade benutzen. Auf der einen Seite tummeln sich normalerweise Karpador, auf der anderen ihre Weiterentwicklungen. Das hier ist die einzige Stelle in Sinnoh, an der Garados sich untypisch ruhig verhalten, bisher weiß niemand, wieso. „Warte mal.“, bitte ich sie erneut, die Blauhaarige hält inne.
    Ich hebe beide Arme, konzentriere mich dann auf die Verzweiflung in Haganes Stimme, als sie ins Telefon geschluchzt hat. Meine Augen brennen. Langsam kommen mir die Tränen, ich spüre es. Ein geringer Preis dafür, dass ich diese Dinge tun kann. Der See gerät in Aufruhr, als ich dem Wasser sage, was es zu tun hat. Auf der ganzen Länge des Weges erheben sich zwei Wasserwände, eine links, eine rechts, sie ragen 10 Meter hoch auf. Dann gefrieren sie. Das Sonnenlicht wird im Eis gebrochen und wirft funkelnde Reflexe auf meine Haut. Lucia schlägt die Hände vor den Mund. „Das ist wunderschön!“ – „Und notwendig. Ich will nicht, dass uns hier etwas passiert.“, ich atme einmal tief aus, vor einer Woche noch hätte ich so etwas nie vollbringen können. Etwas tropft mir auf die Brust, ich sehe runter, und merke, dass die Tränen immer noch fließen. Stumme Zeugen meiner Gefühle. Mit den Handballen wische ich sie weg. „Wir können weiter.“ – „Schau mal, Plinfa, wie schön das glitzert.“, sagt Lucia, als sie sich wieder in Bewegung setzt. Die Eiswände sehen aus wie gefrorene Wellen, oben sind sie sanft geschwungen. Eine Weile lang beobachte ich die schimmernden Punkte auf meinen Armen. Im Grunde ist es ja Team Galaktiks Schuld, dass sich meine Kräfte so verstärkt haben. Sie haben sich mit Lees Entführung das eigene Grab geschaufelt. Wir laufen noch eine Stunde lang auf dem Grat entlang, dann entschließen wir uns dazu, ein wenig langsamer zu gehen, damit wir nicht zu viel Kraft verbrauchen, die wir jederzeit nötig haben könnten. Es ist mittlerweile ungefähr 10 Uhr, das sagt mir ein Blick auf den Sonnenstand. Im nächsten Moment spüre ich einen merkwürdigen Druck auf den Ohren, in meinem Kopf brummt es. Sofort hechte ich nach vorn, reiße Lucia um und schütze ihren Körper mit meinem. Etwas saust haarscharf an meiner Stirn vorbei, zerplatzt an der Eiswand, die ich geschaffen habe. Der Flugbahn nach zu urteilen muss es von irgendwo schräg über mir abgeschossen worden sein. Mein Kopf ruckt hoch, Lucia unter mir zappelt ein wenig. „Was machst du denn da?“ – „Still. Da ist was.“, weit über uns fliegt ein Pokémon, ich kann allerdings auf die Distanz nicht feststellen, welches es ist. Ich schaue nach, womit es geschossen hat. Ein ekelhafter Matschfleck klebt am Eis, also muss es ein Giftpokémon sein. „Golbat, noch einmal Matschbombe!“, ruft eine Männerstimme. Sie klingt irgendwie beunruhigt. „Die stehen oben auf der Mauer!“, ruft Lucia, die sich auch umgesehen hat. „Was?!“, doch ein weiterer Blick sagt mir, dass sie recht hat. Mindestens 40 Männer und Frauen haben sich auf beiden Mauern postiert. Wie sind die da wohl raufgekommen? Unwichtig, denn jetzt sind sie dem Untergang geweiht. „Was wollt ihr Spaßvögel?“, rufe ich hinauf. Ich merke, dass ich in den Galaktikern keine Gegner sehe. Ich bin mächtiger, besser als sie! „Dich mitnehmen, wie die anderen beiden!“, schallt es zurück. „Ganz schön mutig, mich auf dem Wasser herauszufordern, meint ihr nicht? Ihr kommt mir gerade recht.“ – „Wir wissen genau, wie du kämpfst! Los, Blitza!“, mit einem Mal wimmelt es im Wasser, auf den Eismauern und auf dem schmalen Grat nur so vor Elektropokémon. Blitza, Lanturn, Raichu, Lektrobal, Ampharos, Luxtra. Dermaßen viel Strom habe ich noch nie auf einem Fleck gesehen. „Au weia.“, meint Lucia nur. Ich erwidere nichts, richte jedoch eine Hand auf sie. „Danke.“ – „Gern geschehen.“, ihre Muskeln werden gestärkt, das Brennen in meinen Augen kehrt wieder. Gut, dass ich die Mauern errichtet habe, ohne sie wären unsere Gegner wahrscheinlich direkt in Schussposition gewesen. Die zweite Matschbombe fängt Garados ab, welches ich soeben gerufen habe. Es hat eine große Schwäche Elektroangriffen gegenüber, ich werde enorm aufpassen müssen. „40 gegen 2, eigentlich unfair…euch gegenüber.“, raune ich. Endlich ein Ventil. „Sie ist genauso vorlaut wie der Blonde. Los, ANGRIFF!“, sein Gebrüll dringt wie durch einen Schleier zu mir durch, ich beschwöre meinen schlimmsten Albtraum herauf. In Gedanken stürme ich eine dunkle Zelle, Lee liegt blutend und ohne Pulsschlag am anderen Ende. Ich haste durch den Raum, hebe seinen Kopf an, doch bevor ich sein Gesicht sehe, weiß ich, dass es zu spät ist. Die Tränen brechen sich Bahn. Die Eismauern verflüssigen sich, als meine Macht sie trifft, alle darauf stehenden Galaktiker fallen herunter. „ANGRIFF STOPPEN!“, brüllt einer, und ich weiß, wieso. Wenn sie mit Elektroangriffen das Wasser treffen, würden sie sich selbst ins Aus schießen. Also können nur noch die Gegner auf dem Felsgrat angreifen, Lucia und ihr Togekiss besiegen gerade ein Magnezone. Plinfa schießt Blubbstrahlen ab. Einer der Trainer geht in den Nahkampf über, doch die Koordinatorin ist zu schnell und zu wendig. Mit einem Sprung ist sie hinter ihm, schubst in herunter ins Wasser. Langsam breite ich die Arme aus, unterdrücke ein Schluchzen, der ganze See beginnt einzufrieren. Es fühlt sich so gut an, ich kann tun, was auch immer ich will, solange Wasser in der Nähe ist! „Garados, los, Kaskade!“, befehle ich, ein gegnerisches Blitza, welches gerade unter uns an Land klettern will, wird getroffen. Die Augen meiner Seeschlange leuchten rot. Ihre Fähigkeit beschert ihr eine höhere Angriffskraft, wann immer sie einen Gegner niederstreckt. „Raus aus dem Wasser, schnell!“, kopflose Schreie erklingen, einige Galaktiker schaffen es, auf die herannahende Eisschicht zu gelangen.
    Ein Großteil jedoch bleibt stecken. „Lucia, mach du die hier oben, ja?“ – „Kein Problem!“, ruft sie zurück und weicht einem Blitzschlag aus. Ihr Togekiss umkreist sie einmal und feuert eine Aurasphäre ab. Ich springe hinunter, komme mit dem linken Fuß zuerst auf und bleibe auf dem Wasser stehen. „Was zum…“, eine Frau in silberner Uniform, die in meiner Nähe treibt, betrachtet mich fassungslos. Ihr Lanturn schwimmt etwas weiter unten und wartet auf Befehle. Kurz denke ich nach, man versinkt, weil die Oberflächenspannung zerstört wird. Vermutlich halten meine Kräfte die Spannung aufrecht, wo immer ich auftrete. Ich konzentriere mich. Um mich herum gefriert das Wasser, erbarmungslos holt es die davon schwimmenden Gegner ein. Der See gerät in Aufruhr, die Wellen peitschen immer höher, je stärker meine Gefühle werden. Dann balle ich beide Hände zu Fäusten. Schlagartig friert die gesamte rechte Hälfte des Sees ein, nichts rührt sich mehr. Einige, die den Kopf zufällig gerade aus dem Wasser gestreckt hatten, rufen um Hilfe, die ihnen niemand gewähren wird. Ich spüre Freude. Diese Typen haben mir Lee genommen, und dafür büßen sie nun. Sie haben keine Chance, sind weniger wert als ich! Ich gehe in die Knie, reiße den Arm vor und drehe mich dabei halb um die eigene Achse, unter mir wird ein kleiner Teil des Wassers wieder flüssig und stößt fontänenartig in die Höhe. Ich lasse mich davon ein Stück tragen und springe dann ab, lande mehrere Meter weiter oben wieder auf dem Felspfad, wo ich auf einem Knie und der linken Hand lande. Als ich mich erhebe, sehe ich, dass Lucia die Situation total im Griff hat. 4 Pokémon haben schon gegen ihr Togekiss verloren, ich sehe, wie ihre Trainer sie wieder zurückrufen. Zwei Galaktiker stürzen sich auf meine Freundin, doch sie rollt sich ab, tritt dabei einem die Beine unter dem Körper weg und dem anderen dorthin, wo er es als Mann sicher als unangenehm empfindet. Röchelnd bricht er zusammen, gleichzeitig besiegt Togekiss sein Blitza. Ein bestialisches Brüllen lässt mich herumfahren, Garados wütet im linken Teil des Sees, etliche Gegner hat es schon erledigt. Als ein Lanturn zur Attacke ansetzt, richte ich meine Hand auf das Wasser vor ihm, eine Kugel aus Eis umschließt das Pokémon. Im nächsten Moment kriegt es seine eigene Ladung ab. „Super, Garados! Danke!“, rufe ich ihm zu, als es triumphierend in Richtung Land geschwommen kommt. Fluchend rufen die Galaktiker weitere Pokémon, sie ahnen nicht, dass ihre 20 Gefährten schon besiegt sind. Lächelnd wende ich mich Lucia zu. „Kinderspiel, was?“ – „Ja, das fühlt sich super an.“, sie dreht sich in Richtung Norden, ich achte auf etwaige Gegner aus dem Süden. Wir stehen Rücken an Rücken, doch der Kampfgeist der Galaktiker scheint gebrochen. Die auf der linken Hälfte wollen flüchten, ich denke an eine Erinnerung aus meiner Kindheit, die erste, in der ich gemerkt habe, dass ich keine Eltern mehr habe. Das Wasser wird hart, schimmert leicht im darauf scheinenden Sonnenlicht. Ich friere auch die zweite Hälfte des Sees ein, im Gegensatz zur nördlichen Seite jedoch ist der See friedlich, als ihn die Kälte überkommt. „Jetzt müssen wir uns nur noch eine Art Siegespose ausdenken.“, überlege ich, meine Tränen trocknen im Wind. „Wieso das?“ – „Weil Pay und sein Team schon einen Namen haben. Wenn wir uns jetzt eine Pose ausdenken, sind wir genauso cool.“ – „Ich bin froh, zu sehen, dass die alte Maria wieder da ist.“ – „Lee fehlt mir. Aber er würde nicht wollen, dass ich ohne ihn pausenlos Trübsal blase.“, auf meine Worte hin hebe ich das linke Bein und winkele es an, balanciere mich mit dem rechten aus. Gleichzeitig verschränke ich die Arme vor der Brust. „So in etwa. Versuch mal!“, ermuntere ich Lucia, eine Minute später sieht es aus, als würden wir uns in der Mitte spiegeln, auch wenn ich ein Stück größer bin. Unsere Fußsohlen berühren sich in der Mitte. „Perfekt.“ – „Also, wenn Lee davon nicht der Kopf durchbrennt, weiß ich auch nicht mehr weiter.“, lacht Lucia, wir setzen unseren Weg fort. Darüber, die Galaktiker freizulassen, denke ich gar nicht erst nach. Sollen sie erst eine Weile abkühlen. ‚Sie haben Lee mitgenommen!‘, Haganes Stimme ertönt in meinem Kopf. In einem Anfall von rachsüchtiger Wut richte ich die Konzentration noch einmal auf den riesigen See hinter mir, schnipse mit Daumen und Mittelfinger beider Hände. Das Eis zersplittert auf der gesamten Fläche, ich kann nicht mal erahnen, was für Schmerzen man erleidet, wenn einem überall Eissplitter in den Körper gejagt werden. Das Wasser spritzt aus den aufklaffenden Eisspalten und die Schreie verklingen in der Sommerluft. Lucia dreht sich erschrocken um, reißt die Augen auf. Dann bemerkt sie meinen Gesichtsausdruck. Ohne ein Wort zückt sie ein Taschentuch, tupft meine Wangen ab und nimmt meine Hand. „Ruhig, ich bin ja da.“.
    //


    Schleiede
    Lilith denkt noch an die Verabschiedung von Pay, als sie eine schattige Allee entlang schreitet. „Stirb mir nicht weg.“, hatte er gesagt, und sie dann geküsst. Sie hat nicht vor, aus dieser Welt zu scheiden, solange er noch hier ist. „Dafür ist mir das Leben zu süß.“, haucht sie, obwohl außer ihr niemand hier ist. Ihre Gedanken schweifen ab. Erneut durchlebt sie die Nacht mit dem Rothaarigen, die aufkommenden Emotionen sind heftig; noch immer spürt sie das Prickeln am ganzen Körper. Und immer noch schmeckt sie den letzten Kuss, als sie sich über die Lippen leckt. Dann ruft sie sich zur Besinnung. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“, sagt sie sich. Ein paar Straßen weiter befindet sich das Haus, in dem die Frau wohnt, die sich Officer Felis nennt. Ihr bürgerlicher Name ist Jennifer Hadou, unverheiratet, und Jennifer wird Lilith jetzt dahin führen, wo Team Galaktik seine Konferenzen abhält. Ihre gesamte Erscheinung hat sich verändert, blonde Locken fallen ihr über die Schultern, über einem schwarzen Rock trägt sie das neue, grüne T-Shirt. Auch ihre Augenfarbe ist anders, statt schwarz sind sie nach der kleinen Verwandlung flaschengrün. Pay und Chief haben die Adressen der anderen beiden bekommen, Jupiter war für einen halben Tag verschwunden, über sein Handy hatte Pay erzählt, dass sie von einem Typen mit schwarzem Mantel abgeholt wurde. Mittlerweile ist sie jedoch wieder zurück, und der Rothaarige beschattet sie. Sogar Chief hat mehr zu tun, als sie erwartet haben, Apis erholt sich erstaunlich schnell und ist schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Lilith erinnert sich daran, wie überrascht Chief darüber gewesen war, schließlich hat Apis einen Kopfstoß von Rameidon abbekommen. Sie biegt ab, ein Blick auf das Straßenschild zeigt ihr, dass es sich schon mal um die richtige Straße handelt. „Nummer 54…Nummer 54…“, murmelt das Mädchen, sich an die Adresse erinnernd. Die 54 ist nicht zu übersehen; jedes der Reihenhäuser ist mit einer gut sichtbaren, weißen Nummer ausgestattet. Hier ist die Straße relativ eng, Autos sind am Rand geparkt, und einige kleine Kinder spielen weiter hinten mit einem Fußball. „Das nenne ich mal ein schönes Haus.“, Lilith bleibt stehen, lässt den Blick an der roten Backsteinfassade hochwandern. Dann sieht sie sich um, stellt fest, dass sie nicht beobachtet wird, und betritt das Grundstück. Ein kleiner Garten, von einem schmiedeeisernen Zaun umschlossen, grünt vor sich hin. Sie umrundet das Haus, bemerkt niemanden, und läuft wieder nach vorn. Ein paar dichte Büsche direkt am Zaun erscheinen ihr als Versteck geeignet, verstohlen kriecht sie hinein und sucht sich eine angenehme Position. Wenn Felis herauskäme, würde sie einen guten Blickwinkel haben.
    Lilith denkt darüber nach, das Haus einfach anzugreifen, ihre Pokémon sind ebenso leidenschaftlich im Kampf wie sie selbst. Doch Chief hatte gesagt, dass es wichtig sei, die Pläne der Verbrecher zu kennen, darum beschränken sie sich nun aufs Observieren. Bestimmt 2 Stunden lang sitzt das Mädchen im Gebüsch, dann tut sich endlich was. Als Proviant hatte sie sich einige Trinkpäckchen mit Orangensaft eingepackt, die sie mittlerweile zur Hälfte geleert hat. Ein schwarzer Van hält vor dem Haus. Sie hebt den Kopf, und sieht, wie ein Mann mit grauem Anzug und schwarzem, penibel getrimmten Schnauzbart aussteigt, die Fahrertür öffnet und daneben stehen bleibt, als hätte man ihm das Rückgrat mit einem Zollstock verstärkt. Felis verlässt das Haus, nickt dem Mann kurz zu, der wohl eine Art Chauffeur darstellt, und will ins Auto steigen. Sie trägt erneut Zivilkleidung, wo sie wohl hinwill? Lilith flucht innerlich. So, wie es aussieht, hat sie keine Chance, ebenfalls in den Wagen zu gelangen. Sie denkt schnell nach. Dann hebt sie einen Stein auf, holt leise aus und schleudert ihn in ein Fenster des oberen Stocks. Krachend geht die Scheibe zu Bruch. Felis und der Chauffeur fahren herum. „Was war das?“, hört Lilith Felis fragen. „Ein Einbrecher? Sehen wir nach.“, entscheidet sie dann. Die beiden laufen ins Haus, ohne den Wagen abzuschließen. „Wie leichtsinnig ihr seid…“, flüstert Lilith und verlässt ihr Versteck. Sie behält die Fenster im Auge, während sie zur Beifahrertür schleicht, sie geduckt öffnet, ein letzter, prüfender Blick sagt ihr, dass alles in Ordnung ist. Schnell steigt sie ein und in den hinteren Teil kriecht, wo einige Kisten herumstehen. So schnell es geht, klappt sie einen Deckel auf, versteckt sich in der größten Kiste und schließt sie wieder. Wenig später hört sie, wie Felis und der andere Typ einsteigen. Der Wagen fährt an, die Rufe der Kinder werden leiser. Lilith schließt die Augen und atmet gleichmäßig, sie würde ihre Kraft brauchen, wenn sie an ihrem Bestimmungsort angekommen ist. Sie liegt auf vielen runden Gegenständen, soweit sie urteilen kann. Aus einer Art Hartplastik…Pokébälle? Wieso transportieren die Pokébälle?
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    Weideburg
    Der Raum ist verdunkelt, nur der schmucklose Tisch in der Mitte wird von einer Tischlampe beleuchtet. In einer Wand befindet sich eine große, verspiegelte Scheibe, daneben eine schmale Tür. LeBelle schreitet nachdenklich von einer Wand zur anderen, lässt dabei die Frau, die am Tisch sitzt, nicht aus den Augen. „Du bleibst erstaunlich unkooperativ. Wir haben sämtliche Daten und Unterlagen aus eurem Labor mitgenommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie entschlüsselt haben.“, sie starrt an die Decke und erwidert nichts. LeBelle seufzt, dann geht er in die Hocke und drückt den rechten Fuß der Frau runter, den sie auf einem Stuhl abstützt. Sie keucht, dann beißt sie die Zähne zusammen. „Ich will einen Anwalt.“, zischt sie. Der Agent schüttelt den Kopf. „Das habe ich mir gedacht. Er wird bald hier sein. Fürs Erste jedoch muss ich jede Information aus dir raus pressen, die ich kriegen kann. Er denkt kurz an Rocky, sie ist eine Meisterin des Verhörs. Doch er selbst geht lieber Hinweisen und Spuren nach. Das Bein der Frau weist einen komplizierten Bruch auf, ihrer Aussage nach hat ein braunhaariges Mädchen ihr einen heftigen Tritt versetzt, unter dem ihr Bein wie ein Zweig zerbrochen ist. Nun befindet es sich in einer Schiene plus Verband, doch LeBelle ist mit ihr noch nicht fertig. „Ich weiß nicht, was ihr Typen vorhabt, aber ich werde nicht zulassen, dass ihr Sinnoh zerstört.“, sagt er, die Gefangene erwidert noch immer nichts. „Überleg doch mal. Du wurdest zurückgelassen. Du hast für sie gekämpft, und das ist der Dank. Hilf lieber uns.“ – „Kannst du vergessen, Bulle.“ – „Ich bin kein Bulle. Außerdem hätte ich schon lange eure komische Droge benutzen können. Wir haben einen ganzen Schrank voll davon in eurem Labor gefunden. Desweiteren ist in einer Gasse im Nordteil der Stadt ein Mann gefunden worden, der, unserer Beschreibung nach zu urteilen, die Maria Jou uns gab, einer eurer Officer sein könnte. Du hast nichts zu verlieren und viel zu gewinnen.“ – „Sei dir da mal nicht so sicher. Die holen mich schon raus, warts nur ab!“, LeBelle legt sich eine Hand ans Kinn. „Schön. Dann bleib eben still. Ich komme wahrscheinlich nicht wieder, und mein Kollege, der gleich kommt, ist mit Verhören nicht so zimperlich wie ich. Guten Tag.“, mit diesen Worten verlässt er den Raum und winkt einen anderen Agenten der internationalen Polizei heran. „Tu dein Bestes. Die ist zäh.“, meint er, bevor er das Revier verlässt. Er hat in Blizzach einen Auftrag zu erledigen.
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    Ewigenau, Pokémoncenter
    Rocky steigt aus ihrem Wagen, den sie direkt vor dem Gebäude geparkt hatte. Hastig schließt sie ab und eilt über den Gehweg. Hinter dem Pokémoncenter befindet sich eine große Wiese, auf der einige Bäume stehen. Die gläsernen Türen öffnen sich, innen ist kaum etwas los. Die weißen Fliesen sind dermaßen poliert, dass Rocky sich beinahe in ihnen spiegeln kann. Klar, zu der frühen Stunde. Joy erwartet sie bereits. „Das Mädchen ist oben, ich habe ihr den Schlüssel zu Zimmer 13 gegeben. Sie war total fertig. Nach Ihrem Anruf habe ich getan, was ich konnte, um ihr die Zeit hier angenehmer zu gestalten. Klopfen Sie einfach an, ja?“ – „Danke, Schwester.“, Rocky hält links auf die Treppe zu, oben angekommen bleibt sie vor Zimmer 13 stehen. Dann hebt sie den Arm und klopft. ‚Hoffentlich geht es ihr gut.‘, schießt es ihr durch den Kopf. Lees Schwester sitzt auf dem Bett, den Blick aus dem großen Fenster gerichtet. „Hagane?“, behutsam geht Rocky um das Bett herum und legt dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. „Komm, Maria ist sicher gleich da. Es wird alles gut, versprochen. Wir holen Lee zurück.“ – „Ich war nicht stark genug!“ – „Mach dir keine Vorwürfe. Gegen so viele hättest du keine Chance, wenn du nicht weggelaufen wärst, hätten sie dich jetzt auch. Und dann hätten wir nicht mal die Informationen.“, Hagane lässt sich mitziehen und hält Rockys Hand. Die Polizistin spürt, dass sie zittert. „Es ist alles gut.“, flüstert sie. Zusammen gehen sie wieder ins Untergeschoss. Ihr Handy klingelt. „Rocky hier.“ – „Eine so schöne Stimme kann niemand anderem gehören.“, unwillkürlich muss sie lächeln. Dann entsinnt sie sich ihrer Situation. „Das kann ich nur zurückgeben. Was gibt’s?“ – „Ich bin in Weideburg fertig. Scheinbar gibt es mindestens ein Dutzend Laboratorien, die in ganz Sinnoh versteckt sind. Ich breche sofort nach Blizzach auf. Wir müssen uns so schnell wie möglich da oben treffen.“, auf diese Worte hin wirft Rocky einen Blick auf Hagane. Dann fasst sie einen Entschluss. „Bin schon auf dem Weg. Hagane, komm mit.“. ‚Maria wird nichts unversucht lassen, um Lee zu befreien. Ich muss seine Schwester aus dem Gefahrenfeld bringen, hier in Ewigenau ist es nicht sicher genug. Besser, sie kommt mit mir.‘, denkt sie dabei. Hagane nickt nur teilnahmslos. Die Polizistin wendet sich zu Schwester Joy um. „Hier wird bald ein Mädchen auftauchen, was nach der Kleinen hier fragt. Sagen Sie ihr, ich habe sie mitgenommen, okay?“ – „Sehr gern. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise.“ – „Danke. Auf Wiedersehen!“. In ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel suchend, blickt Rocky sich gleichzeitig um, als sie aus dem Pokémoncenter treten. Ein paar Passanten sind unterwegs, und die Geschäfte gegenüber öffnen gerade. Sie macht Hagane die Beifahrertür auf und steigt dann auf der anderen Seite ein. „So, anschnallen bitte. Wir fahren nach Blizzach. Warst du schon in Blizzach?“, fragt sie. Lees Schwester scheint wieder zu sich zu kommen, jetzt, wo sie Gesellschaft hat. „Nein, Officer.“ – „Im Übrigen bin ich stolz auf dich. Ihr seid in einen Hinterhalt geraten und du konntest trotzdem entkommen. Das war mutig von dir, wirklich. Ich dachte, ich sage dir das nochmal.“ – „Danke. Ich werde mein Bestes tun.“, zur Überraschung der Polizistin schließt Hagane die Augen und atmet tief und gleichmäßig. Dabei konzentriert sie sich stark auf irgendetwas. ‚Ist das Meditation?‘, fragt sie sich im Stillen. Rocky drückt aufs Gas, der Wagen fährt an.
    Sie steckt das Handy in die dafür vorgesehen Station an ihrem Armaturenbrett. Dann wählt sie Alfreds Nummer. Sie will wissen, wie es am Wahrheitssee aussieht. Zu ihrer Beunruhigung jedoch geht niemand ran. „Hoffentlich ist ihnen nichts passiert.“, murmelt sie. Dann schaut sie zu Hagane rüber. „Du hast gesagt, du wärst auf einmal superstark gewesen, als du die Sterne angesehen hast. Korrekt?“ – „Ja.“ – „Und vorher ist dir das nie passiert?“ – „Nein, Officer.“ – „Du kannst mich Rocky nennen. Wir sind ein Team.“, sie hört, wie das Mädchen scharf die Luft einzieht. „Wirklich? Danke, Rocky.“ – „Kein Problem.“ – „Und…nein, vorher ist das noch nie passiert.“ – „Und…du hast nur die Sterne angesehen, sagst du?“ – „Naja…ich hatte den Eindruck, dass sie mir etwas sagen wollten.“ – „Hast du ihnen zugehört?“ – „Ich weiß es nicht. Es ist alles so schnell gegangen.“ – „Interessant. Beim nächsten Mal solltest du auf ihre Worte achten. Ich habe von solch einer Fähigkeit noch nie zuvor gehört.“ – „Ich auch nicht.“ – „Solange du nicht weißt, wie du sie aktivieren kannst, solltest du dich allerdings nicht auf sie verlassen.“ – „Hatte ich auch nicht vor.“ – „Gut.“, Rocky wechselt außerhalb der Stadt sofort auf die Überholspur und zieht an etlichen Fahrzeugen vorbei. Die Ausläufer des Ewigwalds sind in der Ferne zu sehen.
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    Sandgemme
    „Herrje, was für eine Zeitverschwendung.“, Eva steht nackt in der Dusche, Kuré und sie haben sich für die Zeit ihres Aufenthalts in einem kleinen Hotel niedergelassen. Im Labor hatten die Psychokräfte von Simsala mal wieder ganze Arbeit geleistet, bevor die Bombe hochgehen konnte, haben Simsala und Guardevoir die drei Trainer und Raichu nach Sandgemme teleportiert. Kuré hat ihre Sachen schon zusammengepackt, Alfred wartet unten am Wagen, mit dem er sie hergefahren hat. Es ist ein wahrhaft edles Modell von einem Oldtimer, den er wohl irgendwann mal auf einer Auktion gewonnen hat. Langsam wäscht sie sich den Staub und den Schweiß vom Körper, das warme Wasser fließt über ihre Haut. ‚Scheinbar wussten die über unsere Pläne Bescheid. Wäre es möglich, dass alle anderen Teams auch in derartige Fallen getappt sind?‘, fragt sie sich. Nach einigen Minuten steigt sie aus der Dusche und greift zum Fön, um ihr Hüftlanges Haar zu trocknen. Dabei betrachtet sie sich im Spiegel. ‚Wahrhaft makellos und rein. Wie es sich für eine Adlige gehört.‘. Sie ist sehr zufrieden mit ihrer Erscheinung. Auf den ersten Blick mag sie zerbrechlich und schwach aussehen, doch das gehört zu ihrem Image. Ihre Kurven sind zwar nicht so ausgeprägt wie die von Lilith oder gar von Maria, doch dafür strahlt sie die gottgegebene Eleganz der absoluten Oberschicht aus. Vor 3 Jahren noch war Maria eine kleine Bohnenstange, Eva erinnert sich gut an die Zeit. Doch mittlerweile ist sie wirklich aufgeblüht. ‚Wie wir alle.‘, fügt sie in Gedanken hinzu. Sie muss lächeln. Ihre beiden Freundinnen sind bestimmt in Sicherheit, im Kampf ist es so gut wie unmöglich, sie zu besiegen. Lilith und Maria… mit ihnen zusammen hat sie schon so einiges erlebt. Sie freut sich darauf, die beiden wiederzusehen. Die Blonde verlässt das Badezimmer, sie hat sich ein Handtuch um den Körper gewickelt. Kuré schaut von ihrer Tasche auf, in die sie gerade noch etwas reinsteckt. „Biest du färtiesch? Wier müssän gleisch los.“ – „Natürlich. Wir ziehen uns nur noch etwas über.“, antwortet Eva und sucht sich eine leichte Dreiviertelhose und ein T-Shirt heraus, auf dem goldene Stickereien verteilt sind. Ihr Haar hat sie zu einem französischen Zopf geflochten. Die Trainerin aus Einall jedoch sieht mal wieder aus wie eine Blumenwiese auf Beinen. „Wie kann sie es eigentlich ertragen, immer so bunt auszusehen?“ – „Bunt? Das iest mein Stil, c´est tout.“ – „Es ist wirklich nicht leicht, sie länger anzusehen.“ – „Dann guck woanders hien, bittä.“, Eva nickt leicht, was Kuré zum grinsen bringt. Mit ihrem Rucksack in der einen und Evas Tasche in der anderen Hand geht Kuré vor, die Blonde folgt ihr. Vor dem Hotel sitzt der Gentleman schon am Steuer, Eva steigt sofort hinten ein. Die Rothaarige zuckt die Schultern und setzt sich neben Alfred. „Jetzt kauft sich jeder noch ein Eis und dann fahren wir los.“, meint er, doch Eva widerspricht ihm. „Dafür haben wir keine Zeit mehr. Die anderen brauchen uns bestimmt.“ – „´abän wier über´aupt einän Plan „B“?“, will Kuré von vorn wissen, sie reicht ihren Rucksack zu Eva durch, neben ihr auf der Sitzbank ist genug Platz für zwei. „Bisher nicht. Dafür war der Eisbrecher zuständig. Wir müssen Maria finden.“, meint Alfred. „Bon, dann fahren wier sofort nach Ewigänau, odär?“ – „Richtig.“
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    Route 211
    Wir durchqueren hügeliges Gelände, in nicht mal 2 Stunden sollten wir Ewigenau erreicht haben. Weite Flure erstrecken sich um uns herum, grasbewachsen und von der Mittagssonne in ein sattes, leuchtendes Grün getaucht. Ich habe mich wieder beruhigt, dank Lucia. Sie läuft neben mir her, diesmal sogar ohne meine Mithilfe. Es fühlt sich fast so an, als wäre ich in Sicherheit, nur weil sie meine Hand hält. Dabei bin ich doch sogar stärker als sie… es ist erstaunlich, wie viel Mut mir dieses Mädchen spendet. Nach meinem Ausraster am See ist sie nicht geflüchtet, sondern bei mir geblieben und hat mich daran erinnert, wer ich bin. Was sieht sie wohl in mir? Eine Freundin? Eine Schwester? Eine Art höheres Wesen? Letzteres ist unwahrscheinlich, sie kannte mich schon, bevor ich diese Fähigkeiten erhielt. Ich merke, dass sie mich anschaut. „Stimmt was nicht?“ – „Wieso?“ – „Du guckst mich seit 5 Minuten mit großen Augen an!“ – „Oh.“, schnell senke ich den Blick und werde rot. „Sumimasen. Das wollte ich nicht.“ – „Mach dir keine Sorgen! Woran denkst du denn?“ – „Ich…“, verlegen räuspere ich mich. Gefühlsduseleien liegen mir nicht. „An uns. Ich hätte nicht gewusst, was ich tun soll, wenn mein Ausraster vorhin dich zur Flucht bewogen hätte.“ – „Maria, ich lasse dich nicht hängen.“ – „Danke. Ich weiß nicht, was in diesen Momenten mit mir los ist. Ich habe einen einzigen Gedanken, vorhin war es Haganes Hilferuf. Und auf einmal ist es, als würde in meinem Kopf ein Schalter umgelegt werden, ich kann nicht mehr klar denken, nur noch die Zerstörung meiner Feinde ist präsent.“ – „Du machst sowas nicht jeden Tag mit. Hilflosigkeit und Wut sind nichts Schlimmes, aber du solltest dabei deine Menschlichkeit nicht vergessen.“ – „Ich fühle mich beinahe, als wäre ICH die Böse.“, murmele ich. Meine Freundin schüttelt den Kopf. „Nein, du reagierst einfach stark auf die Trennung von Lee. Ich bin sicher, wenn ihr wieder zusammen seid, fühlst du dich gleich besser.“ – „Ich fühle mich in deiner Gegenwart auch sehr wohl.“, erwidere ich leise. Sie lächelt mich an. Wir schweigen eine Weile. Dann ergreift Lucia wieder das Wort. „Sag mal, in Ewigenau…was tun wir da, nachdem wir Hagane aufgesammelt haben?“ – „Wir müssen Lee finden. Team Galaktik hatte vor einem Jahr einen kleinen Außenposten dort, den sie als Lagerhaus getarnt haben. Vielleicht ist der noch in Betrieb.“ – „Wieso haben wir den nicht bemerkt? Wir waren doch so lange in der Stadt!“ – „Weil er getarnt war, Dummerchen.“, ich muss lächeln. „Das kam erst sehr viel später raus, als sich Team Galaktik eigentlich schon aufgelöst hat.“ – „Stimmt, das wäre ein Grund.“ – „Also werden wir zuerst dem Pokémoncenter, dann diesem Unterschlupf einen Besuch abstatten.“ – „Gut. Das ist ein Plan.“ – „Und dann stürmen wir rein und besiegen alles, was sich uns in den Weg stellt?“ – „Das wiederum ist kein Plan.“, den zweiten Satz sagt sie mit aufgeblasenen Wangen, was mich zum Lachen bringt. „Oder ich geb dir den Stein und guck zu, wie du sie willenlos machst.“ – „Würde klappen, wenn da nicht auch Frauen darunter wären!“ – „Hmm.“, ich tue so, als würde ich angestrengt nachdenken, und mache dabei eine gespielt todernste Miene. Lucia kann nicht mehr an sich halten. „Hör auf damit!“, nun lacht auch sie. „Wir kriegen das schon hin. Ich nehme mal an, der männliche Anteil beträgt in etwa 50%, unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen und Konfrontationen mit Team Galaktik. Die sind dann schon mal ausgeschaltet.“ – „Ernsthaft jetzt? Du willst…“ – „…ihnen total den Kopf verdrehen? Na logisch. Ich bin stark, aber wenn ich auf diese Tricks zurückgreifen kann, um einen weiteren Vorteil zu erhalten, dann nutze ich die Chance.“ – „Du bist ja ein richtig niederträchtiges Biest, wenn du willst.“ – „Oh, ja, das bin ich.“, grinse ich. Mit Lucia ist das Reisen immer am lustigsten. Ich schaue kurz in die Wipfel einer kleinen Baumgruppe, die links von uns steht. Einige Ambidiffel turnen darin herum. „Ich glaube, ich muss dein Geschenk dafür auspacken.“ – „Den…“ – „Genau.“ – „Das bedeutet, du…“ – „Richtig.“ – „Wau.“
    Ich stelle mir vor, wie die Galaktikerinnen mitten im Kampf feststellen, dass sie auf sich gestellt sind. Perfekt. Das dürfte ein Kinderspiel werden. „Das wird ein harter Kampf, nehme ich an.“ – „Aber keiner, den wir nicht gewinnen könnten.“ – „Plinfa und ich werden unser Bestes geben. Wär doch gelacht, wenn die uns auch noch erwischen!“ – „Eher erwischen wir die. Ich pass auf dich auf.“. In gegenseitigem Einverständnis sehen wir uns in die Augen. ‚Noch einen Verlust werde ich nicht zulassen.‘, sage ich mir. Wir kommen auf der Kuppe eines Hügels an, vor uns liegt Ewigenau. Die Stadt, in der damals alles anfing. „Es ist lange her, was?“ – „Ja. Und wir sind stärker.“ – „Und erwachsener.“ – „Und wir sind ein Team.“. Den Kopf voller Pläne und Strategien gehe ich neben Lucia her, den Hügel herab. Ich spüre Ungeduld, Team Galaktik muss so schnell wie möglich zur Strecke gebracht werden. „Du, sag mal…“ – „Ja?“, mein Blick streift die Koordinatorin. „Wenn Maria nicht dein richtiger Name ist, kann ich dich dann auch Elektra, Sachiko oder Jeanne nennen?“ – „Hm.“, ich denke kurz nach. „Nur, weil es nicht mein Geburtsname ist, macht es meinen Namen nicht weniger wertvoll. Ich habe ihn mir ausgesucht, und bin glücklich damit. Ich weiß nicht mal, ob ich meinen richtigen Namen überhaupt wissen wollen würde.“ – „Das kann ich verstehen.“, sagt Lucia. „Wie kommst du eigentlich auf Elektra? Ist das nicht diese Profikillerin?“ – „Naja, ich mag den Namen. Weiß nicht.“ – „Die anderen auch, nehm ich an.“ –„ Erwischt!“. Auf diese Weise scherzend gelangen wir nach Ewigenau. Es tut mir wirklich gut, mal wieder abzuschalten und Späßchen zu machen. „So. Ab nun müssen wir aufpassen, dass uns von diesen Typen keiner sieht.“, flüstere ich, als wir die ersten Einfamilienhäuser passieren. Die Stadt ist ebenfalls von Bäumen eingeschlossen, früher standen hier die Baumriesen des Ewigwalds. „Herrje, wie aufregend!“ – „Du bist echt einmalig, Schwester.“


    hoffe, ihr hattet wirklich spaß beim lesen, ich werde die nächsten paar kapitel ein wenig schneller folgen lassen, weil bald wirklich der 4.7. ist, und es irgendwie cool rüberkommt, wenn man denselben tag "liest" xD ich freue mich wie immer auf kommentare, verbesserungen, kritik und sowas.
    mfg
    Kori

  • erneut ist eine woche vorüber, eine ziemlich kommilose, wie es aussieht :O naja, viel spaß mit dem neuen kapitel ;D


    Kapitel 25
    Ich heiße nicht Sachiko!


    4.7.2009


    „Sachiko?“ – „Ja?“ – „Hey, du hörst sogar darauf!“, lacht Lucia. „Aber nur, weil du den vorhin vorgeschlagen hast!“, erwidere ich. Wir sind in Ewigenau unterwegs, unser erster Halt soll das Pokémoncenter sein. Ich atme die frische Sommerluft ein, bestaune die vertrauten Straßen, die ich damals kennen lernte. Die Straßen sind nicht sehr gut besucht, es ist, als würde ein dunkler Schleier über der Stadt liegen. Mir läuft ein Schauer den Rücken herunter. Ein paar Menschen sind unterwegs, aber sie erledigen ihre Einkäufe zielstrebig und ohne wirklich zur Ruhe zu kommen. „Was ist denn hier los?“, murmele ich. „Weiß ich nicht.“, erwidert die Blauhaarige. Sie lässt meine Hand los und kramt einen Stadtplan hervor. „Laut Karte ist dieses Lagerhaus am Ortsrand, da lang.“, sie zeigt nach Nordwesten. „Ich glaube, ich nenn dich jetzt immer Sachiko. Du hast noch keinen Spitznamen.“ – „Was?!“ – „Klingt doch schön. Gut, also los!“, entscheidet sie fröhlich und geht voran. Ich folge ihr seufzend. „Wie du willst.“. Den Weg zum Pokémoncenter kennen wir auswendig, währenddessen unterhalten wir uns über spezielle Wettbewerbstaktiken. Mich interessiert sowas auch, obwohl ich eigentlich nur kämpfe. Irgendwann biegen wir in die Straße ein, die geradewegs auf das Pokémoncenter zuführt. Auch hier befindet sich kaum jemand, vereinzelt laufen einige Menschen von Shop zu Shop. Ich bleibe am Glastresen eines Eisladens stehen und bewundere kurz das kunstvoll gefertigte Vordach, welches den Eisessenden Schatten spenden soll. „Guten Tag.“, ein Mann mittleren Alters in weißer Schürze tritt hinter den Tresen. Ich beuge mich ein wenig vor. „Guten Tag, entschuldigen Sie die Störung. Was ist hier los? Wir sind heute erst angereist und sind erstaunt, dass es hier so…trostlos aussieht.“, ich habe kurz nach dem richtigen Wort gesucht, und „trostlos“ erscheint mir am besten. Er blickt sich kurz um. „Psst. Redet nicht zu laut. Es verschwinden Pokémon und Trainer! Es fing vor einigen Wochen an, ein kleines Mädchen ist eines Abends nicht mehr nachhause gekommen. Mehrere weitere Fälle folgten, und immer waren es Trainer und Trainerinnen, die gerade ihren Orden gewonnen hatten. Silvana hat sich schon mit der Polizei angelegt, weil sie sich so große Sorgen macht. Ein weiterer Fall hat sich erst vor Kurzem ereignet, allerdings war es das erste Mal, dass eine Gruppe von Trainern angegriffen wurde. Jede Mutter der Stadt ist vorsichtig geworden und lässt ihre Kinder nicht mehr aus dem Haus.“, ich schweige. Eine Trainergruppe? Waren das vielleicht sogar Lee, Tai und Hagane? „Gibt es irgendwelche Zeugen?“ – „Bisher nur eine einzige. Sie ist aber vor einigen Stunden von der Rocky aus Herzhofen in Gewahrsam genommen worden, wie mir Schwester Joy berichtete. Ich kenne sie seit ihrer Kindheit, nebenbei bemerkt.“
    Sie hat sie mitgenommen? Warum? Ich sollte Hagane doch abholen.‘, ich verstehe nicht, wieso Rocky mir das nicht zutraut. Oder hat sie instinktiv die Gefahr bemerkt, die hier offenbar irgendwo versteckt ist? „Vielen Dank.“, ich drehe mich wieder um und sehe Lucia an. Sie hat mitgehört. „Und was nun?“ – „Hagane ist nicht mehr da. Das heißt, wir kümmern uns sofort um das Lagerhaus. Je schneller wir Lee und Tai befreit haben, umso besser.“ – „Okay.“, also nehmen wir die nächste Straße rechts, die uns an den Ortsrand bringen soll. Als das Gebäude eine Viertelstunde später in Sicht kommt, bin ich erstaunt. Eine hohe Mauer umgibt das Grundstück. „Ob das von innen bewacht wird?“ – „Mit Sicherheit. Warte, ich muss mich umziehen.“, hastig sehe ich mich um, wir befinden uns in einer Einbahnstraße, zu beiden Seiten stehen Lagerhallen, es ist so gut wie nichts los. Kleine Baumgruppen versuchen, ein wenig Leben in die sonst graue Straße zu bringen. Ein Charmian schläft am Straßenrand auf einem Müllkanister. Als ich mich vergewissert habe, dass außer Lucia und mir keine Menschenseele in der Nähe ist, laufe ich zu einigen Bäumen hinüber. Dergestalt geschützt ersetze ich meine Unterwäsche durch den neuen Bikini, den die Koordinatorin gekauft hat. Danach ziehe ich mir Bluse und Hotpants über, bevor ich zu meiner Geheimwaffe greife, werde ich mir ein Bild davon machen, was uns im Inneren erwartet. „So. Mal schauen.“, wir treten ans die Mauer, das Eingangstor ist fest verschlossen. „Und wenn es einfach neu vermietet wurde und der Besitzer total arglos ist?“, will Lucia wissen. „Wäre möglich. Aber Pay hat gesagt, unter den Ruinen des alten Hauptquartiers stand auch noch ein Labor. Ich glaube, die haben hier noch etwas. Also los.“, mit einem Sprung hocke ich oben auf der Mauer und schaue mir das Grundstück an. Es ist grasbewachsen, ich kann nicht sagen, ob das vor einem Jahr auch schon so war. Eine steinerne Auffahrt führt vom Haupttor zur zweistöckigen Lagerhalle. Sie ist sehr groß, ein weiteres, stählernes Tor befindet sich in der Mitte der Gebäudefront. „Die Luft ist rein, komm!“, zische ich und strecke eine Hand aus. Lucia springt, ich kriege ihren Arm zu packen und ziehe sie hoch. Gemeinsam springen wir, kommen unversehrt unten auf. „Vorsichtig jetzt.“ – „Los, Pachirisu.“, Lucia holt die kleine Elektromaus zur Hilfe. „Du auch, Zorro.“, ich tue es ihr gleich, Galagladi kann außerordentlich gut kämpfen. Es verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich vorwurfsvoll an, als ob es wüsste, dass ich einen fiesen Trick benutzen will, und es missbilligt. „Guck nicht so. Ich tue nur, was ich tun muss.“. Vor dem stählernen Tor bleiben wir stehen. „Pachi?“ – „Ruhig, Pachirisu. Wir wollen nur ein paar Freunde befreien.“, flüstert sie. Ich untersuche das Tor. „Es gibt keine Klinke, keine Knöpfe und keinen Öffnungsmechanismus. Ich schätze, wer auch immer hier rein will, braucht Kontaktmänner im Inneren. Dann wollen wir mal sehen, wie wir das Türchen geknackt kriegen.“.
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    Cécile blickt von ihrem Modeheft auf und rückt ein wenig auf ihrem Liegestuhl hin und her. Irgendwas stimmt nicht, sie spürt sowas. Ihr rieselt ein Schauer die Beine hinunter, die in einer dicken, mit Tarnmuster versehenen Militärhose stecken. An den Füßen trägt sie rosafarbene Sandalen, und obenrum eines ihrer hautengen Tops. Es ist schwarz, ein großes, rotes R befindet sich auf Brusthöhe. Nachdenklich zwirbelt sie eine Strähne ihres weißen Haars um ihren Zeigefinger. Sie und ihr Partner sitzen im Innenhof eines alten Galaktik-Unterschlupfs und bewachen die Eingänge. „Was los?“, will er wissen. „Nichts, Johnny.“, erwidert sie, unterdrückt das Gefühl und widmet sich wieder ihrem Heft. Er heißt nicht wirklich Johnny, doch einst hatte er einen Vorgesetzten desselben Namens, welchen er derartig bewundert hatte, dass er denselben Namen annehmen wollte. Doch im Gegensatz zum anderen Johnny besitzt ihr Partner keine Aura der Kompetenz, die sie sich an ihm wünschen würde. Sie beide waren dennoch eines von Team Rockets Elitepaaren, von denen es insgesamt nur 6 gibt. Eigentlich bleibt die Arbeit auch immer an ihr hängen, denkt Cécile. Sie hat zwar keinen ausgeprägten Modegeschmack, aber dafür einen hohen Intellekt sowie gute Instinkte. Außerdem waren sie und Johnny das ganze letzte Jahr über von Yussuf trainiert worden, dem ersten Offizier des Phantoms. Im Nahkampf konnte ihnen niemand was vormachen. Und genau darum waren sie auch von Team Rocket das einzige Paar, welches zur Bewachung von zwei wichtigen Gefangenen abkommandiert worden ist. „Wieso…ähm. Wieso dürfen die anderen da oben auf der faulen Haut liegen, während wir hier die Drecksarbeit machen müssen?“, Johnny räuspert sich oft, wenn er spricht. Cécile nennt das „seinen kleinen Tick“, er muss immer erst mit seinem Satz klarkommen, bevor er ihn rausbringen kann. „Das hier ist keine Drecksarbeit. Wenn es hier heiß wird, sind wir die einzigen, die dafür sorgen könnten, dass die Gefangenen auch Gefangene bleiben. Das haben wir alles schon durchgekaut, wir sind einfach stärker als die anderen.“ – „Stimmt gar nicht. Ähm…die anderen 5 Paare sind stärker als wir.“ – „Die werden aber woanders gebraucht!“ – „Schon klar. Ähm. Weit weg von der Stelle, wo dieses Mädchen auftaucht und alles umbringt, um den Eisbrecher zu befreien.“ – „Du weißt nicht mal, ob sie kommt. Woher soll die denn wissen, wo wir ihn verstecken? Außerdem wird gerade der Transporter von diesen Galaktik-Stümpern vorbereitet, in einer halben Stunde sind wir ihn los. Dann können sich die in Blizzach mit ihm rumschlagen.“ – „Das…ähm! Das sind keine Stümper. Hätten wir den Eisbrecher fangen können? Diese Venus ist gut, das musst du zugeben:“ – „Ich messe die Kompetenz einer Person nicht an der Oberweite.“, Cécile sieht Johnny stirnrunzelnd an und stöhnt entnervt, als er rot wird. „Wusste ich es doch. Der wiedersteht keiner. Männer!“, das letzte Wort sagt sie mit einem angeekelten Unterton. „Du musst aber zugeben, dass sie außerordentlich gut aussieht.“ – „Ja, tut sie. Und jetzt lass mich in Ruhe.“. Innerlich beglückwünscht sie sich dazu, nicht auch rot geworden zu sein. Ja, Venus hat Ausstrahlung, und zwar extrem. „Wie sieht diese Maria eigentlich aus?“, die Frage ihres Partners bewegt Cécile dazu, erneut zu stöhnen, sie achtet darauf, wirklich genervt zu klingen. „Du hast die Bilder doch gesehen. Groß, braune Haare, dunkelblaue Augen, gut…gebaut.“ – ‚Verdammt, Cécile, reiß dich zusammen.‘ – „…und sie trägt bevorzugt Trainingshosen. Zumindest war das vor einem Jahr so. Laut einem Informanten aus Weideburg hat sich das jetzt geändert, doch die offiziellen Angaben sind noch nicht freigegeben.“ – „Sehr, ähm. Gut. Dann müssen wir also nur hoffen, dass sie in der nächsten halben Stunde nicht auftaucht.“
    „Feigling.“ –„ Ich bin nur darauf bedacht, nicht allzu früh ins Gras zu beißen. Du hast doch gehört, was sie damals angerichtet hat.“ – „Wir haben von Yussuf gelernt, wie man die Energie eines Menschen abschaltet, also hör endlich mit dem Gejammer auf, da wird mir ja schlecht!“, faucht sie ihn an. Dann reibt sie sich die Augen. Ihr wird heiß und kalt zugleich. Johnny sitzt mit dem Rücken zum Eingang, sie ihm gegenüber, also sieht sie immer zuerst, wenn jemand eintrifft. Und manchmal hat sie kurze Tagträume, das ist ihr „kleiner Tick“. ‚Nicht jetzt! Wir müssen aufpassen!‘, sagt sie sich und will wegschauen. Doch es gelingt ihr nicht. Das Mädchen, welches vor ihr steht und sich mit einer anmutigen Bewegung die Haare richtet, verschwindet nicht. So lange Beine hat Cécile noch nie gesehen, der Körper der jungen Frau scheint vor Perfektion zu strahlen. Ein schwarzer Bikini betont ihren üppigen Vorbau, und der sanft geschwungene Mund scheint sie spöttisch anzulächeln. Graue Wolken hängen über Ewigenau. Die ersten Regentropfen fallen herab, einige davon landen auf Céciles Magazin.
    Als dann die ersten Regentropfen auf den Körper des Mädchens fallen, von dem Cécile eben noch dachte, ihr Verstand hätte ihre Fantasien Wirklichkeit werden lassen, erstarrt sie. Ihr Blick huscht zu ihren Pokébällen, die in einer kleinen Kassette neben ihrem Liegestuhl platziert sind. Eine dicke Eisschicht umschließt sie. ‚Was ist hier los?‘. Das ist kein Tagtraum, eher ein Albtraum, und zwar ihr schlimmster. „Verdammt.“, ächzt sie, das Magazin gleitet ihr aus den kraftlosen Fingern und fällt mit leisem Rascheln zu Boden. Johnny sieht auf. „Sag schon, was ist mit dir? Irgendwas stimmt doch nicht!“ – „Wie bist du hier reingekommen?“, Cécile ist geschockt, als sie ihre Stimme hört: als habe sämtliche Energie verlassen. Sie will nicht kämpfen, nicht gegen diese…diese erhabene Schönheit. Es ist fast, als ob sich eine Göttin zur Erde herab begeben hat, um ihre Bewohner zu prüfen und diejenigen auszulöschen, die nicht genügen. Unter dem Blick der Braunhaarigen fühlt sich Cécile immer kleiner, wie ein winziges Pelzwesen, was gerade von einem hungrigen Knakrack mit den Blicken gemessen wird. Ihr Partner dreht sich ruckartig um und stolpert einige Schritte rückwärts, als das Mädchen ihn ansieht. „Ihr wollt mich doch nicht etwa aufhalten, oder?“, fragt sie mit großen, unschuldigen Augen. Céciles Herz schmilzt. Zugleich hat sie das Gefühl, den Kampf hoffnungslos zu verlieren, selbst wenn sie sich darauf einlassen würde. Die Aura, welche die Braunhaarige umgibt, ist unglaublich. „Céci?“, flüstert ihr Partner. „Ja?“, zischt sie ebenso leise zurück. „Das ist sie, oder?“ – „Ja.“ – „Und sie ist allein.“ – „Ja.“ – „Eine bessere Chance kriegen wir nicht!“, Cécile denkt hastig nach. Rein physisch gesehen ist Maria nur eine junge Frau, während Johnny und sie, Cécile, für den Kampf ausgebildete Agenten sind. „Du hast Recht. Wie immer?“ – „Wie …äh. Ja, wie immer.“, raunt er und streckt beide Fäuste nach links und rechts aus. Er schluckt. Auch ihm macht die Erscheinung der jungen Frau zu schaffen. Cécile greift in die Taschen ihrer Hose und zieht drei kleinere Holzstäbe daraus hervor, die sie zu einem Kampfstab zusammensteckt. Maria schaut dabei zu, richtet ihre dunkelblauen Augen dann auf die Weißhaarige. ‚Nein! Schau mich nicht an!‘, schreit es in ihr. Sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen und versucht, nicht dauernd den Körper ihrer Feindin zu bewundern. Mit lautem Gebrüll stürmt Johnny vor, seine Taktik ist einfach. Das Gebrüll soll den Gegner einschüchtern und verwirren. Er holt aus, reißt die linke Faust zurück, Cécile weiß, dass er zuerst die Magengrube angreifen wird. Sie atmet zitternd ein, lässt den Stab gekonnt um ihre Hand wirbeln und setzt nach. Um Johnny auszuweichen, wird Maria entweder springen, sich ducken oder nach rechts ausweichen, berechnet Cécile. Also lässt sie ihren Stab eine halbkreisförmige Bahn beschreiben, in welcher alle drei Möglichkeiten einbezogen sind. Ausweichen ist unmöglich. Johnnys Faust geht ins Leere, der Stab trifft die linke Schulter des Mädchens, als sie das linke Bein ausstreckt und in einen Spagat geht. ‚JA!‘, triumphiert Cécile, sie konnte einen Treffer landen! Ihr Partner lässt einen Schlaghagel auf Maria niedergehen, jeder Schlag ist so platziert, dass er einen bestimmten Nerv in ihrem Körper trifft. Doch er verfehlt sie erneut, im Spagat hat sie die Arme auf den Boden gestemmt und sich in den Handstand katapultiert. Ein kurzes Beugen und Strecken der Arme, und sie fliegt über die beiden hinweg, landet hinter Cécile. Im Flug berechnet diese einen weiteren Schlag. Der Stab trifft den linken Fußknöchel des Mädchens. Als sie landet, knickt sie sofort ein, Cécile hört, wie sie nach Luft schnappt. „Nicht nachlassen! Weiter!“, ruft sie. Der Fuß von Maria dürfte sich jetzt so anfühlen, als wäre er eingeschlafen, denkt Cécile.
    Doch als sie erneut zum Schlag ansetzen will, dreht ihre Gegnerin sich um, wider Willen bleibt Céciles Blick an ihrem Ausschnitt hängen. Sie verharrt kurz, dann ruft sie sich zur Besinnung. Johnny setzt seine Angriffe fort. Dichter Regen prasselt auf sie nieder. Der Kampf dauert an, irgendwie gelingt es Maria, trotz eines unbrauchbaren Fußes weiter auszuweichen. Nach einigen Minuten scheint sie Céciles Angriffsmuster entschlüsselt zu haben, die Weißhaarige landet keinen einzigen Treffer mehr. „Verdammt, die ist schnell!“, keucht Johnny, als sie beide sich für einen Moment an die gegenüber liegende Wand zurückgezogen haben. Maria steht ihnen gegenüber, die Hände in die Hüften gestemmt, das Kreuz durchgedrückt wie eine Kaiserin. Wasser rinnt in kleinen Bahnen ihren Körper herunter. Sie weiß, wie sie ihre Reize zur Geltung bringt. Cécile leckt sich über die Lippen und schüttelt den Kopf. „Aber sie kämpft nicht.“ – „Was? Willst du mal meine blauen Flecken zählen?“, entgegnet Johnny, und es stimmt. Maria hat ihnen immer wieder Tritte verpasst, die ebenfalls schmerzen. „Das meine ich nicht. Schau doch mal hin! Die spielt mit uns.“, presst sie zwischen den Zähnen hervor. Ihre Gegnerin legt den Kopf schief. „Tue ich das?“ – „Halt uns nicht zum Narren! Wir gehören nicht zum namenslosen Fußvolk!“ – „Ich weiß. Ihr seid in der Hierarchie direkt unter euren Vorständen angesiedelt, stimmt doch, oder?“, will Maria wissen. Cécile schweigt. ‚Woher weiß sie das? Hat sie uns belauscht? Aber das würde bedeuten, sie hat von vornherein gewusst, dass wir…‘ – „Du wolltest diesen Kampf.“, wie ein Blitz durchzuckt Cécile die Erkenntnis. ‚Die Gefangenen! Sie lenkt uns nur ab!‘, denkt sie. „Und allein bist du auch nicht, oder?“ – „Wer weiß. Ich muss sagen, ihr seid wirklich nicht schlecht. Zum Aufwärmen zumindest.“, Céciles Verstand versucht, die Bedeutung dieser Worte zu erfassen, und braucht wie üblich nicht länger als ein paar Millisekunden. Eisige Schauer rasen durch ihren Körper, als Maria beide Hände in den Himmel hebt. Das Regenwasser bleibt in der Luft stehen, sammelt sich zu einer schimmernden Kugel, die über der Braunhaarigen hängt. Sie blinzelt, die Frau mit der Tarnhose merkt, dass Maria weint. Ihr Partner zieht sich langsam zurück. „Was ist das?“ – „Ihre wahre Kraft.“, Cécile schließt die Augen. „Egal. Ich weiß zwar nicht, wie du die Bombe in Herzhofen überlebt hast, aber wir können es immer noch schaffen. Los!“, sie schreit und hebt ihren Stab, dann läuft sie auf Maria zu. Johnny bleibt an ihrer Seite und setzt zu einem speziellen Angriff an, der aus vielen verschiedenen Tritten und Schlägen besteht. Die Braunhaarige zieht eine Braue hoch. „DU warst das in…“, ihr Blick verfinstert sich, sie richtet eine Hand auf Cécile und ballt sie zur Faust. Auf einmal scheint die Welt zu kippen, Maria verschwindet aus ihrem Blickfeld. Im nächsten Moment spürt sie nassen Stein an ihrer Wange. „Wa…“, bringt sie noch heraus, dann setzt der Schmerz ein. Glühende Messer scheinen in ihrem Bauch und im Kopf zu stecken. Die Weißhaarige ist mit voller Wucht aufgeschlagen, das weiß sie, doch den Schmerz im Bauch kann sie sich nicht erklären. Als sie den Mund öffnet, kommt kein Ton heraus, mit Entsetzen stellt Cécile fest, dass sie nicht mehr sprechen kann.
    Die Minuten vergehen. „Céci…“, Johnnys Stimme! ‚Er lebt!‘ – „J…a.“, mit größter Mühe formt sie das Wort. „Sie ist weg. Ähm… ich kann nicht mehr. Die Wasserkugel ist zu Eis geworden und hat mich erwischt.“ – „Ich…haaa-be keine Ahnung, was s-sie mit m-mir gema…acht hat.“, ihre Worte werden ab und zu von Husten unterbrochen. Die Schmerzen sind grässlich, ihre Eingeweide glühen und pochen. Cécile hustet und sieht Blut auf den Stein spritzen. „Der Gefangene müsste jeden Moment abtransportiert werden. Sie sind umsonst h- ähm- hier.“, sagt ihr Partner mit schwacher Stimme. „Wir haa…aben sie aufgeha-aufgehalten.“. Ihre Pein wird zu groß, dankend nimmt sie die Hand der Dunkelheit, welche sie aus dem Licht des Bewusstseins führt. Cécile schläft ein.
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    Ich blicke an mir herunter, die Wut lässt langsam nach. Mein Fuß funktioniert dank meiner Heilungskräfte wieder. Wie können diese minderwertigen Kreaturen es wagen, mich zu verletzen!? Die beiden waren stärker gewesen, als ich gedacht hatte. Eigentlich wollte ich Lucia, Zorro und Pachirisu nur Zeit erkaufen, sie haben einen Eingang gefunden und sind auf der Suche nach den beiden Gefangenen. Tai und Lee. Doch dann hatte ich Ernst machen müssen. Zum Glück habe ich solch eine große Ausdauer, sonst hätte das wirklich übel ausgehen können. Ich muss meine Fähigkeit früher benutzen, wenn ich gegen die Commander und Vorstände kämpfe, sage ich mir. Die mit dem Stab hat mich bestimmt 10 Mal getroffen, auch wenn sie es selbst nicht gemerkt hat. Mein linker Arm war unterhalb des Ellbogens so gut wie unbrauchbar, der Fuß sowieso, und ich hatte im Unterleib eine eigenartige Taubheit gefühlt. Es war besser, den Kampf schnell zu beenden. Wieso mein kleiner Bikini-Trick auch bei der Frau gewirkt hat, weiß ich nicht, aber ich habe sie überrascht, und genau so war es geplant. Mein Zorn war ins Unermessliche gestiegen, nachdem sie die Bombe erwähnt hatte. Ich schüttele den Kopf. ‚Beruhige dich, Maria.‘. Mal schauen, was mich im Inneren erwartet. Nachdem ich die beiden ausschaltete, bin ich durch eine Tür getreten, die hinter ihnen in die Wand eingelassen war. Lauter weiß gekachelte Gänge führen kreuz und quer, und überall sind Türen, hinter denen sich Konferenzräume oder Büros befinden. Meine nackten Füße machen auf den Fliesen kaum ein Geräusch, ich habe gelernt, möglichst leise zu sein, wenn ich es muss. Ich öffne wahllos Räume, es kann ja sein, dass sie Lee einfach hier irgendwo reingesteckt haben. Dann fällt mir ein, dass er sich aus diesen Räumen locker selbst befreien könnte, was wiederum heißt, dass die Tür, hinter der er gefangen ist, aus Stahl sein muss. Diese Holztüren würden seinen Attacken kaum standhalten. Auf einmal versagen meine Beine den Dienst, ich stürze und pralle mit der Hüfte auf den gefliesten Boden. „Itai!“ – „Sachiko?“, ich blicke hoch, Lucia und unsere Pokémon kommen mir entgegen. Sie hilft mir hoch. Dankbar stütze ich mich ab und lehne mich dann gegen die Wand. „Ich heiße nicht Sachiko.“ – „Ist aber ein schöner Name. Hast du die beiden Wachen besiegt?“ – „Ja. Und du? Hast du was gefunden?“ – „Nein, leider nicht. Weißt du, das ist komisch. Das ganze Gebäude ist verlassen, aber hier glänzt alles, als ob hier regelmäßig die Putzkolonne wütet. Irgendwas ist hier faul!“ – „Was hat Pay gesagt…“, ich denke kurz nach. ‚Die haben alles verbrannt. Und das Labor war…‘ – „Darunter! Hier ist was im Untergrund versteckt!“, es fällt mir wieder ein. Also müssen wir uns einen Weg nach unten bahnen. „Hier muss es einen Weg geben. Mit Sicherheit. In einem der Räume befindet sich bestimmt eine Treppe oder sowas.“, sage ich, doch ich kann wohl kaum eine große Hilfe sein. Ich dachte, ich hätte mich komplett regeneriert, doch meine Nerven sind angeschlagen; meine Beine fühlen sich taub an. So kann ich nicht weiter. Den Leichtstein habe ich beim Sturz fallen lassen, Lucia hebt ihn auf und reicht ihn mir. „Danke.“, ich spüre, wie sich Leichtigkeit in meinem Körper ausbreitet, die Blauhaarige dreht sich um. „Komm, klettere auf meinen Rücken. Diesmal trage ich dich!“ – „Bist du sicher?“ – „Klar doch! Du wiegst jetzt sogar noch weniger als ich, das klappt schon.“ – „Nochmal danke, Lucia.“ – „Ist doch Ehrensache, Sachiko!“, sie bringt mich selbst in dieser Situation noch zum Lachen. Das Mädchen hilft mir dabei, auf ihren Rücken zu klettern, sie klemmt die Arme unter meine Beine. Da ich noch nass bin, bleibt es dabei nicht aus, dass Lucia ebenfalls Wasser abkriegt. Ich lege die Arme um sie. Wir finden jedoch keine Treppe, meine Gedanken rasen.
    Der geheime Eingang muss auch bewacht werden.‘ . Und da wir nur zwei Wachen gesehen haben… „Lucia, ich glaube, der Eingang ist im Innenhof.“ – „Wie kommst du darauf? Bist du sicher?“, hastig bedeute ich ihr, die Tür nach draußen zu suchen. „Ja! Die Typen da draußen hatten nur auf diese Weise alles im Blick. Wieso bin ich da nicht gleich drauf gekommen?“, doch als wir gerade wieder in den Regen hinaustreten, stockt mein Herz. Die beiden Rocket-Mitglieder, die ich besiegt habe, liegen immer noch an der Wand, an der ich sie zurückließ, auch die beiden Liegestühle stehen noch dort. Ein durchweichtes Heft liegt daneben. Doch im Boden hat sich eine große Öffnung aufgetan, eine Rampe führt in die Tiefe. Und aus dieser Öffnung kommt in diesem Moment ein gepanzerter, schwarzer Lieferwagen herausgeschossen. Ein gelbes „G“ befindet sich auf den Seiten. Das Haupttor steht offen, der Wagen verschwindet in den grauen Regenschleiern. Wie betäubt starre ich ihm hinterher. Wieso habe ich dieses schreckliche Gefühl, am Abgrund zu stehen und jederzeit fallen zu können? Wieso weiß ich, dass sich Lee in diesem Wagen befindet? Weil es logisch ist, ihn nach einem Überfall erst einmal in den nächstgelegenen Stützpunkt zu bringen und danach weg zu verlegen? Weil meine Instinkte mir das sagen? Weil ich einfach das Gefühl habe, dass Lee sich von mir entfernt? Ich springe von Lucias Rücken, will dem Wagen hinterherlaufen, meine Beine tragen das Gewicht nicht und ich stürze erneut. Ich trage Schürfwunden an Unterarmen und Knien davon. „LEE!“, ich schreie meine Wut in den Regen hinaus, leises Geprassel verrät mir, dass meine Kräfte den Regen über diesem gottverdammten Unterschlupf in Hagel verwandelt haben. Als ich den Mann hinter mir leise lachen höre, fahre ich herum. Dieses Insekt! Lacht es mich aus? „Wie kannst du es wagen…“, knurre ich und richte die linke Hand auf ihn. Soll es ihm doch genauso ergehen wie seiner Kollegin! „Wagen? Ähm, ich wage nichts. Ich habe doch eh nichts mehr zu verlieren. Bringst du mich jetzt um? Wie Cécile?“ – „Ihr würdet dasselbe mit mir tun.“, ich drücke langsam zu, er knirscht vor Schmerz mit den Zähnen. „Wie könnt ihr es wagen, mir Lee wegzunehmen und Sinnoh zu bedrohen, ihr Maden?! Ich lasse jeden einzelnen von euch büßen!“, verspreche ich. Lucia hat sich neben die Frau gekniet und fühlt nach dem Puls. Aus ihrem Mund rinnt das Blut. „Sie ist…fort.“, stellt die Koordinatorin fest. Ich höre kaum hin, ich will nur, dass diese Typen bezahlen. „Wo bringt ihr Lee hin, und wo sind die verschwundenen Kinder? Rede, und ich erspare dir die Qual.“, ich krieche neben ihn, knie mich hin und sehe in seine Augen. Er zittert. „Das heißt, du tötest mich schnell? Wie gnädig.“, er hustet. Mein Eisgeschoss hat ihn frontal erwischt, überall an seiner Stirn und an den Händen sind Blessuren zu sehen. Ihm ein schnelles Ende zu gewähren, darauf habe ich allerdings wenig Lust. „Die Kinder sind im Untergrund. Du kannst sie noch retten. Die Luke ist so eingestellt, dass sie immer exakt eine Stunde lang offen stehen bleibt, falls wir größere Transporte durchführen. Du, ähm. Du hast eine Stunde.“, keucht er, als ich wieder ein wenig fester zudrücke. „Wo ist Lee?“ – „Verpiss dich, Miststück.“, er kneift die Augen zusammen. „Ich kann dir alles antun, was ich will, ohne einen Finger zu rühren, also sag mir jetzt gefälligst, wo Lee ist!“, der Typ wirft einen Blick auf seine Kollegin. „Vergiss es. Ich werde nicht derjenige sein, der Team Galaktik zerstört.“. Mir reicht es, die Wut bäumt sich in mir auf wie ein tobender Drache, ich balle die Hand zur Faust, er brüllt laut. Dann spüre ich, wie sich schlanke Arme von hinten um meinen Bauch legen. Ich erstarre. Mit einem Mal wird mir bewusst, was ich hier tue. Meine Gefühle kehren zurück. „Das bist doch nicht du.“, Lucias Stimme klingt…niedergeschlagen? Traurig? Ich lasse die Hände sinken. Der Typ vor mir entspannt sich ein wenig. ‚Sie hat Recht. Lee würde mich so nicht sehen wollen. Ich muss ruhig an die Sache herangehen… ich habe total die Kontrolle verloren.‘. Mir wird schlecht. Dann spüre ich, wie die Tränen kommen. Ist das Bedauern, was ich empfinde? Reue? Oder nur Trauer darüber, dass mir Lee so kurz vor dem Ziel erneut entrissen wurde? „Wach auf, Maria. Die beiden da sind nur geopfert worden, um uns abzulenken. Sie können nichts dafür.“. Wie lange Lucia mich so hält, kann ich nicht sagen.


    Sometimes it´s hard to know
    Which way you´re supposed to go
    But deep inside, you know you´re strong
    If you follow your heart, you can´t ne wrong
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    Nordmeer
    Wie jeden Tag steht Manon abends an der Reling des Frachters und blickt auf die stille See hinaus. Ihre roten Haare spielen im Wind, in der Linken hält sie eine Zigarette. Sie denkt an ihre Kindheit. Nie im Leben hätte sie auch nur erraten können, dass sie einst mithelfen würde, Sinnoh zu retten. Cat, Joana und sie sind sich immer näher gekommen, obwohl sie sich eigentlich gesagt hatte, sie würde nur kämpfen und sich ansonsten von den Kindern fernhalten. Doch die Gegenwart der Mädchen beruhigt sie, es ist manchmal fast so, als wären sie ihre Töchter. „Hier steckst du!“, Manon dreht sich um, Cat kommt über das Deck gelaufen. Wie immer trägt sie ihren Haarreif mit den Katzenohren darauf. Wieso der Schweif an ihrem Steißbein ihr zu gehorchen scheint, weiß Manon noch immer nicht, und sie hat auch nicht vor, danach zu fragen. Cat hat eine starke Persönlichkeit, wenn man sie braucht, kann man sich auf das Mädchen aus Weideburg verlassen. „Wo ist Joana?“ – „Unter Deck, sie schläft viel. Ich glaube, ihre Fähigkeiten sind anstrengend. Sie merkt es zwar nicht, aber ihr Schlafbedürfnis ist weitaus größer als das von miau oder dir.“, antwortet das Katzenmädchen. „Sie hat auch gestern erst den Kapitän von seiner Seekrankheit geheilt. Das war amüsant.“ – „Ja, dabei muss man dem armen Mann nur gelegentlich den Rücken massieren, dann geht’s ihm besser, sagte er zumindest. Aber unsere kleine Ärztin hat das perfekt hingekriegt.“ – „Das kann man wohl sagen.“, Manon inhaliert den Rauch und verzieht das Gesicht, als eine Erinnerung in ihrem Geist aufblitzt. „Stimmt was nicht?“ – „Es ist alles in Ordnung. Danke.“, wehrt die Rothaarige ab. Cat sagt nichts, sie boxt Manon gegen die Schulter. „Komm schon, raus damit!“ – „Nein, wirklich, es geht mir…argh!“, weiter kommt sie nicht, Cat hat sich ihren Kopf geschnappt und hält sie im Schwitzkasten. „Du sagst miau jetzt sofort, was dich bedrückt, los!“ – „Lass-Hey!-Meine Frisur!-Aua!“ – „Ja, ich kann böse sein, miau!“ – „Ist ja gut, ist ja gut! Lass los!“, Manon richtet sich wieder auf und streicht ihre leuchtend roten Haare zurück. Cat grinst sie an. „Ich…bin ja schon ein wenig älter als ihr, das heißt, ich habe Erfahrungen gemacht, auf die ich nicht stolz bin.“. Die Rothaarige zieht an ihrer Zigarette und wendet sich wieder dem Meer zu. Engelchen und Teufelchen streiten sich wieder. „Wenn du es endlich jemandem anvertraust, wirst du ruhiger schlafen können, glaub mir.“, sagt Engel-Manon. Die Teufelin tippt sich an eines ihrer roten Hörner. „Spinnst du? Das geht sie nichts an.“ – „Klar geht es sie was an. Sie sind doch fast wie eine Familie geworden!“, Manon denkt eine Weile nach. Dann holt sie Luft. „Mein erster Partner als Trainerin war ein Glumanda. Wir haben zusammen viel durchgemacht, sind um die halbe Welt gereist. Kaum ein Arenaleiter konnte unserer Kraft widerstehen. Da war Hilda noch nicht geboren, ich habe den Orden aus Schleiede von ihrem Vater gewonnen.“, sie seufzt tief. „In der Hoenn-Region ist es dann passiert. Rocky und ich waren Freundinnen, wir haben uns damals mit einer Verbrecherbande angelegt, die, wie ich glaube, der Vorläufer von Team Magma war. Auf dem Pyroberg haben wir uns einen erbitterten Kampf geliefert, bei dem mein Glurak…zu Tode gestürzt ist. Wir hätten gewinnen müssen. Die Bedingungen waren gut, und wir waren stark, so unglaublich stark! Wie auch immer, ich habe nie herausgefunden, mit was er getroffen wurde, aber mein Partner war verloren. Seine Tochter, ein Glumanda, ist bei mir zuhause, ich passe auf sie auf. Aber ich besitze seitdem kein einziges Feuerpokémon mehr. Du bist die Erste, der ich das erzähle, und auch die letzte.“
    Cat streichelt ihr über den Rücken. „Miau Frauen müssen doch zusammen halten! Du kannst miau erzählen, was du willst, klaro?“ – „Untersteh dich.“ – „Hey, miau sind doch ein Team! Miau vertrauen einander, darauf kommt´s doch an, wenn miau siegreich sein wollen. Damit es nicht noch mehr Trainern so geht wie dir.“ – „Du hast Recht… ich kann nicht glauben, dass ich das sage.“ – „Ja, Mama!“, lacht die Braunhaarige. „Sei brav.“. Engel-Manon nickt glücklich. Diesmal hat die Teufelin verloren.
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    „Uh, yeah!“, Pay hat sich statt des Afros nun doch eine schwarze Kurzhaarperücke ausgesucht, außerdem trägt er eine verspiegelte Sonnenbrille, eine Jeansshorts und ein Hawaii-Hemd mit blauem Palmenmuster. Und außerdem sitzt er gerade in einem Wagen, der Commander Jupiter an einen ominösen Ort bringen soll, von dem er bisher nicht weiß, wo der liegt. In Schleiede hatte er es geschafft, durch einen kleinen Hausbrand dafür zu sorgen, dass niemand auf ihn achtete, als er sich in das Auto schlich. Im hinteren Teil des Wagens sind nur eine Menge Kisten aufgestapelt, die er nicht öffnen kann, also hat er sich einfach dahinter versteckt. Er imitiert einen Stadionsprecher. „Keiner hat den wagemutigen Pay bemerkt, als er sich hinter die feindlichen Reihen schlich, folks! Jupiter und ihr Chauffeur-Hampelmann schauen auf die Straße, wie es sich zwar gehört, aber nicht eben dem eigenen Wohlbefinden zuträglich ist, denn im Kofferraum wartet das Feuer! Wer ist eigentlich die Frau daneben? Die soll mal den Kopp drehn, ich seh so nix. Verdammt, bin ich cool, oder was? Erst denk ich mir den Teamnamen aus, dann hab ich dieses geniale Hemd, und zu guter Letzt karren die sich grad mega das Verderben in die Hütte! Das war dochn astreiner Klimax, wenn ich das richtig in der Birne hab. Oder ne Metapher? Feuer wartet ja nich. Nich, wenns nach mir geht, zumindest. Muss ich mal Maria fragen, die weiß dieses ganze komische Zeug sicherlich. Oder…ach ne, die war nie inner Schule. Dann Lee, aber dazu müssten wir den ersma rettn. Die kriegn das schon hin. Hoffentlich geht’s Lilith und Chief gut, ich würd sie ja anrufn, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass mich die Vögel da vorne bemerken würdn.“. Seine Laune ist auf einem Höhepunkt, er malt sich bereits in den schönsten Rottönen aus, was er mit dem geheimen Stützpunkt der Galaktiker anstellen würde. Dann überlegt er. „Hm, ne, warte. Wir wolln rausfindn, was die so regeln, da kann ich den Laden nicht abfackeln. Schade, aber ich kann mich auch in Geduld üben.“. Der Rothaarige steckt jetzt schon seit Stunden in diesem Wagen, er schätzt, dass sie sehr weit nach Süden fahren, aber genau kann er das nicht sagen. In diesem Moment dreht Jupiter das Autoradio auf. Der Sprecher klingt zwar monoton wie immer, doch die Meldung, die er vorliest, ist brisant. „Und soeben erreicht uns eine Eilmeldung. In Ewigenau sind die Kinder, die in den vergangenen Tagen und Wochen als vermisst gemeldet wurden, wieder aufgetaucht. Laut einer Zeugin ist es zwei jungen Frauen gelungen, die Kinder zu befreien, die an einem uns bisher unbekannten Ort gefangen gehalten wurden. Live aus Ewigenau berichtet Lucy King.“, er übergibt das Wort an eine Frau. Im Hintergrund rauscht es, scheinbar steht sie im Regen. Sie holt Luft. „Ich befinde mich hier vor dem Polizeirevier Ewigenaus, vor nicht mal zwei Stunden sind hier circa 20 junge Trainer und Trainerinnen vorstellig geworden. Wer sie verschleppt hat ist uns bisher nicht bekannt, aber laut einer internen Quelle überschneidet sich dieser Fall direkt mit den Vorkommnissen in Herzhofen, wo erst vor einigen Tagen das Revier in Flammen aufgegangen ist.“, Jupiter stellt das Radio ab und lehnt sich zurück. „Das ist gar nicht gut.“, murmelt sie. Der Chauffeur dreht den Kopf. „Das heißt, der See der Wahrheit, der See der Kühnheit und das Ewigenau-Gebäude sind verloren.“ – „Ja. Wie machen diese Kinder das bloß?“, fragt sie sich und schüttelt entmutigt den Kopf. Ihre violetten Haare fallen ihr über die Schultern. Grinsend kriecht Pay noch ein bisschen weiter in die Schatten.
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    Autobahn, nördlich von Ewigenau
    So wenig Schlaf, so viel Fahrt. Rocky blinzelt. Das ist sie gewohnt. Dicke Wolken hängen über diesem Landstrich, das Mädchen neben ihr hat die Augen geschlossen und schläft. Sie tritt aufs Gas. Die Straße fliegt nur so unter ihr hinweg. Es ist fast Nachmittag, im Radio hat sie von den befreiten Kindern gehört. In Ewigenau war etwas faul, das hatte sie gespürt, doch ihre Mission ist wichtiger. Ihr Handy klingelt. Hastig steckt sie es in die Station. ‚Was möchte Kuré denn um die Zeit? Nein, Sekunde…‘, überlegt sie. Kuré hatte ihr Handy an Maria weitergegeben. „Rocky hier. Was gibt’s?“ – „Konnichiwa.“, Marias Stimme klingt traurig, Rocky schluckt hart. „Er war nicht dort, habe ich recht?“ – „Leider ja.“, antwortet die Braunhaarige, die Polizistin kann sich gut vorstellen, wie sie sich fühlt. „Ich habe die Kinder aus Ewigenau gefunden.“ – „Gute Arbeit. Ich habe es schon im Radio gehört.“ – „Aber dabei…dabei habe ich eine Agentin von Team Rocket umgebracht. Ich war so wütend, wissen Sie, und…“, Rocky stockt der Atem. Das wiederum hätte sie nicht erwartet. „Du…umgebracht? Wie?“ – „Indem ich ihre Organe zerquetscht habe, eventuell waren es auch die nachfolgenden inneren Blutungen.“, ihr Ton ist kühl und sachlich, die Polizistin weiß nicht, was ihr mehr Angst macht. Dann empfindet sie Mitleid. Mit Maria, weil sie umsonst nach Ewigenau gereist ist und ihre Hoffnungen zerplatzt sind, und mit der Agentin, die der Brünetten quasi zum Fraße vorgeworfen wurde. Sie überlegt hastig. „Du hast dich wieder im Griff, oder?“ – „Ja, dank Lucia. Es tut mir leid.“ –„Bei solchen Gefühlen rastet jeder aus.“ – „Was wirst du jetzt unternehmen? Ich weiß nicht, wo sie Lee hinbringen könnten.“ – „Ich auch nicht. Der zweite Rocket- Agent wollte es mir auch nicht sagen.“ – „Es gab noch einen? Wo ist er?“ – „Keine Ahnung. Ihn habe ich auch angegriffen, aber Lucia hat mich davor bewahrt, einen weiteren Menschen zu töten. Wir sind gegangen, nachdem wir die Kinder gefunden haben, auf ihn habe ich nicht mehr geachtet.“ – „Wir hätten ihn verhören können.“ – „Habe ich versucht. Mehr war aus dem nicht rauszubekommen. Sie haben Lee in einem schwarzen Transporter mit einem gelben „G“ auf jeder Seite mitgenommen, meiner Meinung nach befindet sich Tai ebenfalls dort.“ – „Haben die Medien dich ausgefragt?“ – „Nein. Den Kindern habe ich gesagt, dass sie Stillschweigen bewahren sollen, weil es um polizeiliche Ermittlungen geht.“ – „Das war schlau von dir, aber Team Galaktik weiß sowieso, dass wir ihm auf der Spur sind. Ich glaube, wir können uns die Geheimniskrämerei ab jetzt sparen.“ – „Gut. Ich werde zurück nach Herzhofen gehen, oder soll ich Ihnen nach Blizzach folgen?“ – „Kommt darauf an. Hast du das geheime Untergrundversteck gründlich durchsucht?“ – „Noch nicht. Ich habe die Kinder befreit und bin gegangen. An diesem verfluchten Ort wollte ich keine Sekunde länger bleiben.“. Rocky beißt sich auf die Unterlippe. „Das kann ich verstehen, aber wir brauchen alle Informationen, die wir kriegen können. Bitte, durchsuche das Gebäude gründlich, okay?“ – „In Ordnung.“ – „Ich rufe heute Abend wieder an. Danke, Maria.“ – „Bis dann, Rocky.“, sie legt auf. Dann fährt sie sich mit einer Hand durchs Haar, wirft einen Blick zu Hagane und konzentriert sich auf die Straße.


    uuuuuuund wie immer freue ich mich auf kritik und kommentare, man sieht sich :D
    mfg
    Kori

  • so, ich bins mal wieder (wie oft hab ich diese einleitung jetzt benutzt? o.O ) egal, ohne große worte: viel spaß :D



    Kapitel 26
    Auf in die Kälte


    4.7.2009


    „Ich weiß auch nicht…Rocky wollte, dass wir den Schuppen durchsuchen.“, seufze ich. Die Sonne bricht an einigen Stellen durch die dicken, grauen Wolken, die über der Stadt hängen. Wir sitzen auf einer Mauer in der Innenstadt, der düstere Schleier, der über Ewigenau zu hängen scheint, ist noch nicht verschwunden, auch wenn wir die Kinder befreit haben. Im unterirdischen Versteck hatten mehrere Dutzend Wachleute gewartet, die allesamt den Kampfeswillen verloren hatten, nachdem sie mich sahen. Die übrig gebliebenen 4 Frauen versuchten uns aufzuhalten, doch vergebens. Ich habe sie alle an einer Wand festgefroren, sodass wir uns in Ruhe umsehen konnten. Einige Räume dort unten waren eingerichtet wie Hotelzimmer, wahrscheinlich waren Tai und Lee in zwei von diesen Räumen untergebracht. Ich versuche, mir eine Art Plan ins Gedächtnis zu rufen. Ganz oben, auf der Erde, befindet sich das alte Lagerhaus, dazu der Trakt mit den ganzen Büros. Die Ebene darunter ist die „Gefängnisebene“, Unterkünfte für die Wachen waren dort auch vorhanden. Und dann gibt es ein weiteres „Level“, riesige Labors durchziehen den tieferen Untergrund. Ich verstehe dieses ganze wissenschaftliche Zeug nicht, aber Officer Rocky aus Ewigenau hat von mir alles genauestens erzählt bekommen. Die daraus resultierenden Ergebnisse soll sie an ihre Cousine wasweißichwievielten Grades aus Herzhofen schicken, das habe ich ihr klargemacht. „Tja. Zurück nach Herzhofen, was?“, Lucias Stimme beendet die Stille. Ich nicke leicht. Den Bikini habe ich ausgezogen, trage nun wieder mein übliches Outfit. Dann lege ich mir eine Hand auf die Brust. „Ich sollte doch irgendwas fühlen. Reue oder so. Ich meine, diese Frau hat nur ihren Job gemacht, und nun ist sie tot.“, ich krame in meiner Gefühlswelt, doch das Einzige, was ich empfinde, ist eine merkwürdige Schwermut, weil ich nun keinen Anhaltspunkt mehr habe, wo Lee sich befindet. „Du hast doch etwas gefühlt. Ich weiß, was du denkst. Aber in meinen Augen bist du keine kaltblütige Killerin.“ – „Lucia, ich habe ein, fast zwei, Menschenleben beendet. Und alles, was ich fühlte, war ein bisschen Trauer. Das wars. Ich hätte nicht mal den Mann verschont, wenn du nicht gewesen wärst.“. Die Blauhaarige starrt ihre Füße an. „Es hilft dir aber auch nicht, diese Verbrecher zu bedauern. Sie würden mit uns dasselbe, wenn nicht sogar Schlimmeres, tun.“ – „Das macht mein Handeln nicht besser.“ – „Maria.“, sie dreht sich zu mir um, sitzt nun im Reitersitz auf der Mauer. Hinter uns befindet sich ein Fahrradladen, vor uns ein kleiner Park. Ich tue es ihr gleich, damit wir uns gegenübersitzen. Lucia nimmt meine Hände. „Das hab ich von dir. Mach die Augen zu.“, ohne Widerstand schließe ich meine Augen und strecke die Arme aus. Ihre kühlen Finger umschließen die meinen, ihr Atem geht ruhig und gleichmäßig. „Stell dir vor, du wärst allein auf dem Meer. Du hast nur ein kleines Kanu, aber in diesem Kanu befinden sich Kisten. Schwere Kisten. Sie sind mit deinen Sorgen gefüllt. Diese Kisten sind dein Ballast, Sachiko. Du brauchst diesen Ballast nicht. Wirf ihn über Bord.“ – „Das sagst du so leicht…“, ich werde unterbrochen, sie schlägt mir sanft gegen die Stirn. „Aua.“ – „Ja, es sagt sich leicht, aber du bist doch meditativ ein Profi, oder nicht? Also mach die Augen wieder zu.“ – „Sumimasen.“. Ich tauche tief in meine Gedankenwelt ein. Was belastet mich? Ganz klar: die Trennung von Lee. Außerdem diese Aufgabe, die Rocky mir indirekt gestellt hat. Ohne Lee bin ich die Anführerin des Teams. Dazu kommt die tote Rocket-Agentin. Außerdem Sorge um Lucia, ich könnte es mir nie verzeihen, wenn sie durch meine fehlende Perfektion in Gefahr gerät. Wie soll ich all das über Bord werfen? „Musst du gar nicht.“, sagt eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. „Aber anders werde ich das alles nicht los!“ – „Du musst es lediglich einsperren. Diese Gefühle sind ein Teil von dir, daran kannst du nichts ändern. Aber konzentriere dich auf das Wesentliche, darauf kommt es an!“, ich habe beinahe das Gefühl, mit Lee zu reden. Meine Brust hebt und senkt sich bei jedem Atemzug. Das Blut rauscht durch meine Adern. Energiewellen scheinen aus ihrer Hand in meinen Körper zu fließen. Eine tiefe Gelassenheit macht sich in meinem Inneren breit.
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    Autobahn Schleiede-Herzhofen
    Pay hat mittlerweile herausbekommen, wem der dritte Kopf gehört: Felis, der anderen Frau aus Jupiters kleinem Team. Doch wieso er Lilith, die sich an ihre Fersen heften wollte, nicht sieht, ist ihm ein Rätsel. Vielleicht hat sie es nicht geschafft, ins Auto zu kommen? Oder...sein Blick wandert zu den ganzen Kisten, die um ihn herum stehen. Wäre es möglich, dass sie sich hier drin versteckt hat? Eher nicht, die Kisten sind für einen Menschen zu klein, sogar Maria mit ihren akrobatischen Fähigkeiten hätte dabei Probleme. Aber sie MUSS hier sein, irgendwas sagt ihm, dass Lilith ganz in der Nähe ist. Er richtet sich halb auf und späht in die Dunkelheit. Einige der Kisten sind gestapelt. „Warte ma. Die is n Stück kleiner als ich. Das heißt…“, er legt eine Hand an die Stirn. Nicht zu viel denken. Schnell tritt er zu einem Kistenstapel herüber, prüft, ob die Galaktiker noch auf die Straße achten, und nimmt vorsichtig den Deckel ab. Kleidung liegt darin. Ein grünes T-Shirt und ein Rock…aber kein dazugehöriges Mädchen. Darunter kann er Galaktik-Uniformen ausmachen, und ahnt, wieso Liliths Kleidung hier zurückgelassen worden ist. Er durchsucht die Kiste. Ein Anzug hat in etwa seine Größe, schätzt er, nur das Umziehen könnte hier eng werden. Hastig und mit einigem Bedauern legt er das Hawaii-Hemd ab, zieht dafür die silbern glänzende Uniform Team Galaktiks an. Dann fällt ihm eine längliche, flache Kiste ganz hinten im Laderaum auf. ‚Da pass ich doch sicher rein.‘, denkt er und schleicht hinüber. So leise wie es geht öffnet er den Deckel, blickt über die Schulter und legt sich hinein. „Aua!“, zischt ihm eine Mädchenstimme entgegen. „Argh! Erschreck mich doch nich so!“, zischt er zurück. Dann fällt ihm auf, dass es Lilith ist, die sich dasselbe Versteck ausgesucht hat. Die Galaktik-Uniform schmiegt sich eng an ihren schlanken Körper, Pay lächelt und schließt die Kiste wieder. Unter sich spürt er Liliths Beine. „Kann ich wenigstens oben liegen, nur dieses eine Mal? Du bist verdammt schwer!“, fragt sie. Der Feuertrainer öffnet den Deckel wieder. „Aber leise! Und schnell!“, verlangt er. Lautlos steigen die beiden aus, Pay legt sich zuerst wieder rein. Das Mädchen mit den blond gefärbten Haaren kuschelt sich an ihn. „Ich wusste, das ist Schicksal.“, murmelt sie glücklich. Vorne im Wagen zuckt Jupiter zusammen. „Alles in Ordnung bei dir?“, will Felis wissen. Jupiter nickt nervös. „Ja, ich dachte nur, ich hätte da im Wagen was poltern hören.“ – „Das musst du dir eingebildet haben. Hinten sind nur die Pokébälle.“ – „Du hast Recht. Ich komme in Gedanken nur nicht von dieser Nacht weg. Das war…“, sie legt eine Hand an ihren Unterleib, wo die Schnitte verborgen sind und schweigt. Sie hat keinen Beweis dafür, wer ihr das angetan hat, doch sie ist absolut sicher, dass es diese Psychopathin aus Rockys Team war. Dafür würde sie bezahlen, schwört sich Jupiter.
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    Autobahn Ewigenau-Blizzach
    Lee liegt benommen im Laderaum des schwarzen Transporters. Tai sitzt ihm gegenüber. Den beiden ist es zwar gestattet, zu sprechen, aber ihnen fehlt meist die Kraft. Der Blonde erinnert sich an das eine Verhör, welchem er unterzogen wurde, als er in diesem unterirdischen Bau gefangen war. Es muss unterirdisch gewesen sein, das ist ihm klar geworden, als ihm das Fehlen von Fenstern aufgefallen ist. Das Verhör war nicht schlimm gewesen, aber ziemlich hinterhältig. Er hatte erst in seinem Gefängnis gesessen, dann Marias Stimme gehört, die sich, nach ihren Rufen zu urteilen, zu ihm durchgekämpft hatte. Er hatte Hoffnung geschöpft, sie war immer näher gekommen. Auf einmal schrie sie nur noch, voller Entsetzen hatte er versucht, die massive Tür einzutreten, es jedoch nicht geschafft. Ihr Schrei hatte ihn verfolgt, doch irgendwann fiel ihm ein, dass es Venus gewesen sein musste, um ihn psychisch anzugreifen. Er hatte seine Sinne noch soweit beisammen, dass er denen, die ihn befragten, nichts sagte. Sie hatten versucht, ihn zu hypnotisieren, zu vergiften, um ihn gefügig zu machen, und ihm viele verschiedene Arten Schmerz zugefügt. Er rief sich Marias Bild ins Gedächtnis und ertrug all das. In seinem Kopf saß sie neben ihm, hielt seine Hand und sah ihm in die Augen. „Lee?“, Tais Stimme. Schwach, kraftlos. „Ja?“ – „Hast du denen was gesagt?“ – „Nein.“ – „Ich auch nicht. Aber an mir scheinen die nicht so interessiert zu sein. Wollten nur wissen, wo ich herkomme.“ – „Das war nur der Anfang, verlass dich drauf.“ – „Was wollten sie von dir?“ – „Alles. Schwachstellen der Teammitglieder, unsere Pläne, Aufenthaltsort von Maria und sowas. Hab ihnen gesagt, Pay hat eine Schwäche für Schokolade, leider fanden die das nicht so witzig wie ich.“, Lee hustet, der Arbokbiss in seinem Oberschenkel brennt wie Feuer. Tai lacht gequält. „In solchen Situationen ist es auch nicht gerade schlau, Witzchen zu machen.“ – „Ich hasse diese Feiglinge.“, der Blonde kneift die Augen zusammen. „Ich könnte sie im Alleingang auseinandernehmen, wenn ich meine Pokémon hätte.“ – „Sind die eigentlich noch in Ewigenau?“ – „Nein, Venus hat sie an sich genommen. Als kleines Souvenir, wie sie sagte. Wenn ich die erwische…“ – „Sie hat dieselbe Stimme, oder?“, fragt Tai leise. „Ja.“ – „Wieso?“ – „Das weiß ich nicht. Kennst du die Theorie, dass es von jedem Menschen irgendwo auf der Welt einen Doppelgänger gibt? Vielleicht zählt das für Stimmen genauso.“ – „Das ist absolut fies. Ich war mit euch unterwegs, weiß also genau, wie Maria so ist. Und dann diese Dinge aus ihrem Mund zu hören…“ – „Es ist nicht ihr Mund.“, knurrt Lee. „Es ist diese Venus, nicht Maria.“, Tai sieht ihn kurz an. „Tut mir Leid. Aber wie kommen wir hier jetzt raus?“ – „Ich fürchte, gar nicht. Die denken an alles. Meine Hoffnung war, dass sie einen Fehler machen, wenn sie die Tür öffnen, aber mich fesselt dieses Kadabra immer. Null Chance.“
    Der Kampftrainer nickt. „Bei mir genauso. Kaum ist die Tür offen, kann ich mich nicht mehr bewegen. Nichts zu machen.“ – „Also müssen wir auf Maria vertrauen.“ – „Ich denke, sie packt das. Als sie mich in diesen Laster gezerrt haben, war der ganze Laden in Aufruhr. Die haben irgendwas von Kameras und einer getöteten Wächterin gefaselt.“ – „Was, glaubst du, war da los?“ – „Maria war an uns dran. Und zwar sehr, sehr nah.“ – „Und ich konnte nichts tun, um ihr zu helfen.“, Lee hätte sich am liebsten selbst geschlagen. Aber mit gefesselten Händen und Füßen kann er sich nicht einmal richtig hinsetzen. Dann fällt ihm etwas ein. „War sie allein?“ – „Naja, die haben irgendwas von zwei jungen Frauen gesagt.“ – „Junge Frau…Hagane ist zu jung, um so genannt zu werden. Lucia ist bei ihr, stimmt. Aber wo ist Hagane dann?“, er merkt, dass Tai nun ein wenig aufmerksamer zu sein scheint. Lee zieht eine Braue hoch. „Sie ist doch entkommen, oder?“ – „Ja, ich habe noch gesehen, wie sie weggelaufen ist. Team Galaktik hat sie mit Sicherheit nicht in die Finger gekriegt.“ – „Gut. Aber wo ist sie dann?“ – „Weiß ich auch nicht. Irgendwer muss sie beschützen. Warte, woher weißt du das mit Lucia? Wer ist das?“ – „Eine gute Freundin von Maria. Ich habs in einem Traum erfahren.“ – „In einem Traum?!“ – „Glaubst du nicht an Visionen?“ – „Ich glaub eher, du und Maria, ihr seid nicht ganz normal.“, antwortet der Braunhaarige. Lee lacht kurz, muss dann auf einmal an die gemeinsamen Mahlzeiten denken, in welchen Tai Hagane jedes Mal als Göttin bezeichnete. ‚Sekunde Mal.‘, sein sonst analytisch denkender Verstand versucht, sich vorzustellen, dass die Gefühle, die er für Maria empfindet, auch in anderen herrschen könnten. ‚Wieso fällt mir das erst jetzt auf?', fragt er sich. Aber vielleicht bildet er sich das auch nur ein. Tai ist 15, Hagane 14. Eine aufkommende Romanze wäre zumindest nicht unmöglich. ‚Wenn sie nicht schon lange aufgekommen ist, ohne dass ich es bemerkte.‘, verbessert sich Lee. Seine Wunden pochen und brennen, doch es lässt sich aushalten. Er schließt die Augen. Für die kommenden Stunden oder Tage braucht er seine ganze Kraft. „Lee? Alles klar bei dir?“ – „Es geht. Kann sein, dass die ein bisschen Gift vergessen haben. Ich komm klar. Danke, Tai.“ – „Hoffentlich halten wir durch, bis sie uns findet.“. Lee summt eine Melodie, die er selbst nicht kennt. Ein leiser Gesang erklingt in seinem Kopf. “We are here, we´re all alone in our own universe. We are free, where everything´s allowed and love comes first.”
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    Autobahn Ewigenau-Blizzach
    Rocky wacht schlagartig auf. Schnee fällt auf die Windschutzscheibe. Ihre Polizeiinstinkte haben sie geweckt, dessen ist sie sich absolut sicher. In einigen Stunden erreichen Hagane und sie Blizzach, momentan stehen sie auf einem kleinen Rastplatz neben der Autobahn. Das Mädchen schläft tief und fest, kleine Atemwölkchen bilden sich vor ihrem Mund, Rocky wollte eigentlich wach bleiben, doch der Schlaf hat auch sie übermannt. Sie greift hinter sich, auf dem Rücksitz liegt eine kleine Nackenrolle. Vorsichtig legt sie die um Haganes Hals, damit ihr Kopf nicht zur Seite wegrutscht. Die Stärke dieses Mädchens hat sie überrascht, nach nur ein paar Tagen an der Seite des Eisbrechers ist sie innerlich immens gewachsen. Die Polizistin sieht an sich herunter; statt der Uniform trägt sie ein weißes Top und einen Pullover in Kombination mit einer Jeanshose. Ihre Pokébälle hat sie am Gürtel befestigt. Sie lässt den Blick schweifen, ein paar Bäume stehen auf dem Streifen zwischen Autobahn und Rastplatz. Wie immer herrscht hektischer Betrieb auf den Straßen. Dann reißt sie fassungslos die Augen auf. Ein schwarzer Lieferwagen fährt gerade mit Höchstgeschwindigkeit am Rastplatz vorbei. An der Seite ist ein gelbes „G“ aufgedruckt. „Wie lange habe ich geschlafen…“, murmelt sie, es ist Spätnachmittag, schätzt Rocky. In diesem Teil Sinnohs fällt immer Schnee, auch im Sommer. Sie tut mehrere Dinge auf einmal. Mit links reißt sie das Handy hervor und steckt es in die Station, wählt die Nummer ihrer Halbschwester aus Blizzach, schnallt sich mit rechts an und legt den Gang ein. Keine 10 Sekunden später rast sie dem Lieferwagen hinterher. „Polizeipräsidium Blizzach, was kann ich…“, eine Frauenstimme meldet sich, Rocky fährt dazwischen. „Rocky aus Herzhofen hier! Ich hoffe, eure Grenzen da oben sind gut überwacht, ein schwarzer Lieferwagen fährt mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Blizzach. Merkmale sind zwei gelbe „G“-Markierungen an den Seiten. Vermutlich werden Geiseln transportiert. Sobald ihr ihn seht, schickt die Eulen los.“, „Eule“ ist ein Begriff aus dem Slang der Zivilpolizei, die grün-weißen Einsatzwagen sind gemeint. Rocky steckt das Handy weg, bevor sie eine Antwort erhält, die Rocky aus Blizzach hat ein fotographisches Gedächtnis. Alles, was sie sieht oder hört, ganz egal, wie kurz, bleibt in ihrem Kopf. ‚Schritt zwei: Maria sagen, dass sie nach Blizzach kommen soll. So schnell wie möglich.‘, denkt sie. Also drückt sie auf einen Knopf an ihrem Armaturenbrett, stellt die Verbindung zu Kurés Handy her. Es tutet. „…sicher, dass es an ist? Ich dachte, das rote Tel…“, Marias Stimme wird unterbrochen, sie redet hastig mit irgendjemandem. Dann meldet sie sich. „Maria am Apparat. Rocky, ist was passiert?“ – „Ich verfolge den Transporter. Er ist in Richtung Blizzach unterwegs.“ – „Danke. Ich komme, so schnell es geht, nach.“ – „Pass auf dich auf.“ – „Mach ich.“, sie legt auf und drückt das Gas bis zum Anschlag durch.
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    Ewigenau
    Ich stecke das Handy in die Tragetasche und blicke nach Norden. Also ist Blizzach ihr Ziel. Das dürfte nicht leicht werden, wir müssen durch Schnee und Eis, wenn wir in Sinnohs nördlichste Stadt gelangen wollen. „Du hast sie gehört. Wenn ich Lee retten will, muss ich nach Blizzach. Wirst du…mich trotzdem weiterhin begleiten?“, frage ich. Lucia sieht mich ungläubig an. „Du denkst, ich würde dich jetzt noch im Stich lassen? Fehlanzeige, mich wirst du nicht so leicht los!“, lacht sie dann. Als ich sie dafür umarme, lächelt sie leicht verlegen. „Aber erst brauchen wir warme Kleider, SO willst du sicher nicht durch den Schnee laufen.“, Lucia deutet auf meine Aufmachung. Ich betrachte meine Beine. Ich weiß, dass sie auf viele anziehend wirken, und ich bin zufrieden mit meinem Äußeren, darum ziehe ich mich so an. Aber die Koordinatorin hat Recht, es wäre dumm, in den kälteren Regionen Sinnohs in Hotpants und dünner Bluse rumzulaufen. „Gut. Wie viel Geld haben wir noch?“ – „Genug. Aber das brauchen wir für Proviant und sowas. Ich habs! Vom Pokémoncenter aus rufe ich einfach meine Mum an, sie schickt uns sicher was.“ – „Dann nehme ich an, bei dir zuhause steht ein Paketporter?“ – „Ja, das neuste Modell. Komm!“, sie schwingt sich von der Mauer, ich folge ihr, und wir schlagen erneut den Weg Richtung Pokémoncenter ein. Es wird langsam Abend, der heutige Tag war wirklich ereignisreich. Enttäuschend allerdings auch. Uns begegnen nur einige Männer mit orangefarbenen Bauarbeiteranzügen, die in Richtung Ewigwald laufen. Ansonsten ist die Stadt wie leer gefegt. Im Pokémoncenter jedoch herrscht mittlerweile Betrieb, wir müssen eine halbe Stunde lang warten, bis wir an der Reihe sind. Sie bittet die nachfolgenden Trainer und Trainerinnen um Geduld, anschließend führt sie uns zu den Visophonen. Ich lege die Hände im Schoß zusammen und verneige mich kurz. „Danke, Schwester Joy. Hier könnte übrigens bald ein Paket für uns ankommen, wo können wir das abholen?“ – „Im Empfangsraum, am Ende des Gangs die Tür rechts.“, informiert sie mich freundlich. Lucia wählt derweil schon die Nummer ihrer Mutter. Sie dreht sich halb zu mir um. „Du bist ein Stück größer als Mum und ich, ich weiß nicht, ob wir was Passendes für dich haben. Aber es muss ja nicht gleich perfekt sitzen, oder?“ – „Nein. Danke für die Mühe, ich könnte sonst wirklich noch etwas nachkaufen.“ – „Mach ich doch gern! Oh, hi, Mum!“, sie lächelt den Bildschirm an, der soeben zum Leben erwacht ist. Eine schlanke Frau mit kürzeren, aber ebenso tiefschwarzen, blau schimmernden Haaren wie meine Freundin, erscheint darauf. Sie legt den Kopf schief und erinnert mich dabei tierisch an ihre Tochter. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Hallo, Lucia. Ich dachte schon, du lässt dich gar nicht mehr blicken! Wie geht es dir?“ – „Prima, danke, Mum. Schau mal, das ist Maria, ich hab dir ja viel von ihr erzählt!“, ich winke der Frau unsicher zu, frage mich dabei, WAS Lucia ihr erzählt hat. „Guten Tag. Äh…“, mit der Situation bin ich ein wenig überfordert. Erwartet sie, dass ich irgendwas Bestimmtes sage? Zu meiner Erleichterung lacht sie mich an. „Freut mich, dich zu sehen, Maria. Da ist ja jemand erwachsen geworden! Es stimmt, meine Tochter schwärmt andauernd von dir. Naja, zumindest, wenn die Dame sich mal bequemt, nachhause zu kommen.“ – „Ich komme im nächsten Monat wieder nach Sandgemme, versprochen! Aber wir sind gerade dabei, nach Blizzach aufzubrechen, könntest du mir meine Wintersachen schicken? Wir sind im Pokémoncenter von Ewigenau, die haben hier einen Empfänger.“. Ihre Mutter sieht mich an. „Hast du gehört? Genau dasselbe sagte sie mir letzten Monat schon. Die Jugend von heute! Aber zum Punkt. Welche Jacke möchtest du denn, die rote oder die blaue?“ – „Hmm, am liebsten rot! Und könntest du Maria den schwarzen Mantel und sowas leihen? Sie hat auch nichts hier.“ – „Klar. Ich brauche den momentan sowieso nicht, hier schneit es so selten. Versprichst du, dass du von Blizzach aus anrufst, wenn ihr dort seid?“ – „Klar, Mum. Danke nochmal!“ – „Gerne, mein Schatz. Pass auf dich auf.“ – „Jaha! Bis dann!“, lacht die Koordinatorin, bevor sie auflegt.
    „Deine Mum ist wahnsinnig nett.“, sage ich, Lucia lächelt mich an. Danach laufen wir den Gang runter, die Tür, zu der uns Joy geführt hat, ist zum Glück nicht verschlossen. Eine Reihe Plexiglassäulen steht vor uns, welche unten eine Öffnung haben, und unter dieser Öffnung befindet sich jeweils eine schwach glimmende, grüne Platte, auf der sich die Gegenstände materialisieren werden, die Lucias Mutter gleich versendet. Ich ziehe meine Sandalen aus und stecke sie in die Tasche. Eine halbe Stunde später erscheinen in zwei der Röhren unverschnürte Pakete, Lucias Mutter weiß, dass sie uns das Auspacken ersparen kann. Auf dem einen Karton ist mit schwarzem Filzstift ein „L“ gemalt, auf dem anderen ein „M“. Ich nehme meinen Karton und öffne ihn. Ein schwarzer Steppmantel mit Kapuze kommt zum Vorschein, dazu ein weißer Rollkragenpullover und ebenfalls schwarze Schnürstiefel. Und Ersatzunterwäsche für gefühlte 100 Jahre. „Und…vorsichtig ist sie auch.“, füge ich hinzu. Lucia fasst sich gequält an den Kopf. Neben der roten Jacke und einem schwarzen Pulli befindet sich auch in ihrem Karton viel zu viel Kleidung. „Das werden wir zurückschicken müssen.“, grinst sie. „Stimmt.“, ich husche zur Tür, schaue kurz raus, ob jemand kommt, schließe sie dann und schiebe einen Stuhl davor. „Was ist?“, fragt Lucia. Ich sehe sie an. „Es ist besser, sich direkt an die neuen Kleider zu gewöhnen. Darum ziehe ich mich schnell um.“, antworte ich und streife die Hotpants ab, ziehe dann die Jeans an, welche eng an meinen Beinen anliegt. Anschließend teste ich, ob die Stiefel passen, bemerke, dass sie vorn ein bisschen drücken, aber damit dürfte ich keine Probleme bekommen. Als ich sie zuschnüre, fällt mir auf, dass ich schon ewig keine Schuhe hatte, die man zubinden muss. „Hey, guck mal!“, ich blicke auf. Die Blauhaarige reicht mir eine weiße Pelzmütze. „Danke.“, erwidere ich überrascht, damit sehe ich beinahe aus wie ein Wintermodel. Meine Bluse ersetze ich durch den Rollkragenpullover. Wenn ich, bis wir den Berg erreicht haben, nicht an der Hitze sterbe, können wir es schaffen. Meine Freundin packt die überschüssigen Kleider in den „L“-Karton und drückt auf einen der vielen Knöpfe, die sich auf dem Armaturenbrett befinden. Ich würde damit nie klarkommen. „So, wir können los!“, sagt Lucia, als das Paket verschwunden ist. Auf dem Weg nach draußen bedanken wir uns bei Joy, welche momentan eine Trainerin mit Ballonmütze versorgt, welches mir vage bekannt vorkommt. Ich schüttele kurz den Kopf und verlasse an der Seite der Koordinatorin das Gebäude. Über uns blitzt und donnert es, ihr Plinfa versteckt sich in Lucias Rucksack. „Ist ja gut, Plinfa! Das Wetter tut dir nichts.“, versucht sie, es zu beruhigen, doch vergebens: der kleine Pinguin bleibt, wo er ist. Ich rufe mein Plinfa ebenfalls aus seinem Ball, vielleicht hilft seine Anwesenheit ja, dass dein Artgenosse weniger Angst hat. Sein Lieblingsplatz ist mein Arm, also halte ich es fest. Ein frischer Wind weht uns im die Ohren, ich bin sicher, es wird bald wieder anfangen zu regnen. Noch trage ich den Mantel offen, die Hitze der letzten Tage hat nachgelassen, darum kann ich mir das erlauben. Aber spätestens morgen werde ich ihn schließen müssen. Wir verlassen die Stadt, diesmal gibt es keine lange Abschiedsszene. Die ersten Tropfen fallen auf mein Gesicht, als wir die Stadtgrenze passiert haben. „Warte mal.“, murmele ich und richte meine Augen in die Wolken. Lucia bleibt stehen und sieht mich an. Langsam atme ich aus, schließe dann die Augen, und konzentriere mich auf Lee. Nur auf Lee, auf nichts anderes. Die Art, wie er lächelt. Sein Gesicht, die meerblauen Augen. Trauer vermag meine Kräfte leicht zu aktivieren, aber ich hatte schon lange das Gefühl, als würden positive Gefühle noch viel mehr bewirken.
    Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, es geht nicht anders. Die Erinnerungen, die ich heraufbeschwöre, sind zu schön. Ich setze Plinfa kurz ab. Meine Arme wandern nach oben, die Handflächen auf den Himmel gerichtet. Dann strecke ich sie zu beiden Seiten hin aus. Wie seidene Schwingen streichen Liedzeilen durch meinen Geist. ‚An everlasting piece of art. A beating love within my heart.‘. Das Mädchen neben mir keucht erstaunt, daraufhin öffne ich die Augen und sehe, was meine Kraft bewirkt hat: die Wolkendecke mehrere Kilometer über uns ist aufgerissen, Sonnenlicht dringt hindurch. Kraft strömt aus meinem Körper, erschöpft sinke ich auf ein Knie. Lucia sieht immer noch mit offenem Mund nach oben. „Du kannst sogar das WETTER beeinflussen?!“, entfährt es ihr dann. Ich schüttele lachend den Kopf. „Herrje, wie…“ – „Okay, kein Herrje mehr! Kann es weitergehen?“ – „Jep.“. Meine Laune bessert sich merklich. Sie hat Recht; ich darf mich nicht zu lange auf die negativen Seiten konzentrieren. „Ich hätte nicht erwartet, dass es klappt.“ – „Maria, diese Kräfte sind atemberaubend. Kennst du die Mythen der Hoenn-Region? Dort gibt es ein Pokémon, welches Dürre hervorruft, und eines, das es regnen lässt. Du vereinst beides in dir, und kannst noch viel mehr!“ – „Ja, von denen habe ich gehört.“. Ewigenau liegt nun südlich von uns, die Route, die wir nehmen, führt um einige kleine Ausläufer des Kraterbergs herum. Das erste Stück führt durch den Ewigwald. Lediglich ein wenig Grasland trennt ihn von der Stadt. Mir fällt etwas ein. „Glaubst du, es gibt irgendwo jemanden wie mich, der die Kraft des Feuers hat, so wie ich das Wasser kontrolliere?“, Lucia scheint kurz nachzudenken. „Ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Aber wäre nicht Pay der erste Kandidat dafür?“ – „Stimmt. Der Gedanke ist wirklich interessant, Lucia.“, äußerlich bleibe ich ruhig, innerlich entflammt meine Neugier. Wenn es tatsächlich noch Menschen wie mich gibt, könnten sie mir eventuell helfen. Was soll ich mit diesen Kräften tun? Bin ich verpflichtet, sie für das Gute einzusetzen? Im Grunde tue ich das ja eh schon…und ich habe in den letzten Monaten keinerlei Hinweise auf so jemanden entdecken können, weder in den Medien, noch in irgendwelchen Büchern. In der Bibel, einem Buch aus einem weit entfernten Land, von welchem ich mal gehört habe, gibt es Geschichten von Männern, die ebenfalls Heilungskräfte besaßen, einer hat sogar mal ein Meer geteilt. Aber das ist tausende von Jahren her. Unwillig schüttele ich den Kopf; es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich darüber Gedanken zu machen. Dann lasse ich den Blick schweifen, links und rechts vom befestigten Erdweg erstrecken sich große Wiesen, auf denen vereinzelt Sträucher und Büsche stehen, weit vor uns ist schon die grüne Baummauer des Ewigwalds zu sehen. „Warum grinst du?“ – „Ach, ich habe gerade die Umgebung bewundert und gedanklich einen Reim gemacht. Mir ist das erst später aufgefallen.“ – „Welchen? Ich liebe Reime!“ – „Naja, nur sowas wie ‚vereinzelt Sträucher und Büsche stehen, vor uns ist der Ewigwald zu sehen‘, oder so. Keine große Sache.“ – „Das klingt aber gar nicht schlecht. Du kennst sicher Professor Eich, oder? Ich bin ein Riesenfan von ihm! Niemand sonst weiß so viel und kann dazu noch Poesie schreiben.“ – „Klar kenn ich den. Er ist der Professor, der Ash bei seinen Anfängen geholfen hat, oder?“ – „Genau. Er verwahrt von allen Trainern Kantos die Pokémon, die sich ausruhen sollen.“ – „Wow. Das sind sicher nicht eben wenige.“, sie legt den Kopf schief, genau wie ihre Mutter vorhin. „Ich habe mich oft gefragt, wie er das hinkriegt.“
    Wir kommen ins Plaudern, merken dabei fast gar nicht, wie es um uns herum dunkel wird. Der Ewigwald lässt nur wenig Licht durch das dichte Laubwerk seiner Baumriesen. Lucias Plinfa streckt den Kopf aus ihrem Rucksack und unterhält sich angeregt mit meinem kleinen Pinguin. Ich kriege das Lied von vorhin nicht mehr aus meinem Kopf, dabei weiß ich nicht mal, was es für eines ist. Ganz in Gedanken versunken, merke ich nicht, dass ich es mitsinge. „Den Song kenn ich gar nicht.“, merkt die Blauhaarige an, woraufhin ich grinsen muss. „Ich auch nicht.“ – „Was? Und wie kannst du ihn dann mitsingen?“ – „Da fragst du mich zu viel. Es ist, als müsste ich nur mitsingen, die Zeilen entstehen in meinem Kopf.“. Sie blickt in die Baumwipfel. „Als würden sie dir von irgendwoher zufliegen. Du bist echt was Besonderes.“ – „Das denke ich von dir auch.“ – „Aber du kannst dieses ganze coole…“, sie geht ein wenig in die Knie und macht eine der Bewegungen nach, mit denen ich das Wasser kontrolliere. Dann geht sie normal weiter und lächelt leicht verlegen. „Und jetzt flüstert dir das Universum auch noch Songs zu.“ – „Ich habe diese Kräfte nur durch Zufall. Ein Freund von mir, der weit weg wohnt, sagte mir einst, er würde sich ebenfalls diese Macht wünschen. Aber was würde er damit machen? Sie benutzen, um andere zu manipulieren? Wasser als Waffe einsetzen? Er war sich nicht sicher, ob er dabei noch er selbst bleiben könnte. Daher ist er im Grunde froh, sie nicht zu besitzen. Du hast mich gesehen, ich meine, vorhin. Es fiel mir so leicht, ihr Leben zu beenden. Macht bringt Verantwortung. Sie verändert auch mich.“, den letzten Teil sage ich mit fast unhörbarer Stimme. Eigentlich will ich es nicht wahrhaben. Lucia sieht mich an. „Du hast Recht. Ich bin eben nicht dafür auserkoren worden. Mein Spezialgebiet sind Wettbewerbe, das willst du damit sagen, oder?“ – „Im Grunde…ja. Jeder Mensch sollte das Beste aus seinem Leben machen, mit dem, was er kriegt. Ich bin noch jung, darum kann ich mehr oder weniger tun und lassen, was ich will. Aber sobald meine Kraft bekannt wird, glaub mir, dann ist es damit vorbei. Hier einen Verbrecher jagen, dort einen Eispalast bauen, was weiß ich. Ich werde nie wissen, wie es ist, ein normales Mädchen zu sein. Darum beneide ich dich.“ – „Mich?“, sie schweigt eine Weile. „Ja. Wie ich dir sagte, ich habe keine Eltern. Und von Normalität habe ich auch keine Ahnung.“ – „Aber du hast mich, kleine Schwester!“, sie versucht, abzulenken. „Und Lee ebenfalls. Aber sag mal, dieser Freund, von dem du eben gesprochen hast, ist das derselbe, der letztes Jahr dein Tagebuch haben wollte?“ – „Genau der.“, sie legt einen Zeigefinger an die Lippen und erinnert sich scheinbar an irgendwas. „Wieso wollte er denn das?“ – „Ach, um eine Geschichte aus meinen Erlebnissen zu schreiben.“ – „Ah, jetzt erinnere ich mich. Der mit den komischen Witzen.“ – „Hmm…ich würde sagen, er hat einen eigentümlichen Humor, aber sonst ganz nett. Manchmal wundere ich mich, wieso er in totaler Stille auf einmal anfängt, zu lachen. Meistens denkt er dann an irgendetwas Lustiges, doch sobald man nachfragt, rückt er nicht damit raus. Es kann einen wahnsinnig machen.“ – „Klingt amüsant.“, ihr Tonfall entspricht in etwa dem einer hochnäsigen Adeligen aus dem 16. Jahrhundert. „Lucia!“, lache ich.
    Die Blätter der Bäume um uns herum rascheln im aufkommenden Wind. Waldpokémon huschen im Unterholz umher, man kann sie zwar nicht immer sehen, aber hören dafür umso besser. Wir setzen unseren Weg ungestört fort. Abwechselnd versuchen wir, bestimme Tonlagen zu imitieren, Lucias Meinung nach passt zu mir eine leicht singende Sprechweise am besten, die ich ausprobiere. „Du klingst damit beinahe wie so eine Profi-Rapperin!“, findet die Blauhaarige. Sie hingegen kann das „Herrje“-Getue am besten, wenn sie sich dabei noch die flache Hand auf die Brust legt, als sei sie empört, und die Brauen hebt, ist es bei mir immer vorbei mit der Selbstbeherrschung. Es wird kühler, ich setze mir die Pelzmütze auf. Die Abendsonne scheint durch die Blätter und taucht den Waldboden stellenweise in orangefarbenes Licht. „Euphoria. So heißt das Lied.“, ich merke erst gar nicht, dass diese Worte aus meinem Mund kommen. „Klingt schön, finde ich.“ – „Irgendwie…mystisch. Aber es ist nicht unsere Sprache.“ – „Sprache…woher kommt das eigentlich?“ – „Hat sich sicher über Jahrmillionen entwickelt. In vielen Sprachen gibt es Worte mit demselben Ursprung.“ – „Weißt du, wo Kuré herkommt?“ – „Naja, aus Einall.“ – „Nein, glaube ich nicht. In Einall reden die Menschen genau wie wir, hat Ash mir erzählt. Kein Einheimischer dort hat solch einen Akzent.“ – „Hm. Ich habe sie noch nicht gefragt. Aber jetzt, wo du es erwähnst…“ – „Bist du eigentlich in Sinnoh zur Welt gekommen?“, ihre Stimme hört sich merkwürdig an, so, als würde sie sich nicht wirklich trauen, das Thema zu vertiefen. „Ich weiß es nicht. Warum fragst du?“ – „Deine Augen, Maria. Ich habe nie zuvor solche Augen gesehen.“ – „Früher waren sie heller, das weißt du doch. Nach der Tempelgeschichte damals sind sie dunkler geworden.“ – „Nein, ich meine…“ – „Ach, das.“, erwidere ich, als sie auf ihre eigenen Augenwinkel zeigt. Meine Augen stehen leicht schräg, wirklich nicht viel, aber ihr als aufmerksamer Beobachterin ist das nicht entgangen. Ich sehe mich fast jeden Tag im Spiegel, darum denke ich mir nichts dabei. Sie scheinbar schon. „Und wenn schon. Ich habe eh kein Interesse daran, meine Eltern kennen zu lernen.“, ich wiederhole im Grunde das, was ich ihr heute Morgen schon gesagt habe. Ich brauche niemanden außer ihr und Lee. Wie von selbst finden sich unsere Hände. Mir kommt ein Gedanke. „Wenn ich Lee gerettet habe, werde ich gegen Frida kämpfen. Ihr Orden fehlt mir noch.“ – „Und ich feuere dich an! Vor einiger Zeit hat Ash dort gekämpft, ich kann mich gut daran erinnern. Ihr Rexblisar ist wirklich kein leichter Gegner.“ – „Aber sie hat den Nachteil, dass ich mit Wasser kämpfe. Ihre Eisattacken werden nichts ausrichten… außer aber, ihr Rexblisar beherrscht Pflanzenattacken. Für den Fall werde ich Garados bemühen müssen.“ – „Aber deine Wassertechniken wirken doch gegen Eispokémon auch nicht.“ – „Stimmt, aber Garados kann Erdbeben einsetzen, und das dürfte für die meisten schon hart genug sein.“ – „Ich freue mich jetzt schon auf den Kampf. Frida ist eine der besten Arenaleiterinnen der Welt.“ – „Ja, ich auch.“, lache ich und schaue in den Himmel. Er scheint in Flammen zu stehen, die tief hängenden Wolken werden in feuriges Licht getaucht.
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    Unbekannter Ort
    Saturn steht wie fast jeden Tag allein im Konferenzzimmer des obersten Stocks. Niemand in der Stadt hier würde vermuten, dass der Wolkenkratzer das neue Zentrum von Team Galaktik ist. Auf dem blankgeputzten Tisch steht eine Apparatur, sie besteht aus schwarzem Metall und ist geformt wie eine Halbkugel, aus der oben blaues Licht kommt. Mehrere Hologramme werden auf den Tisch projiziert. Jupiter, Venus und Uranus sowie das Phantom sehen ihn an. Die Grünhaarige ergreift das Wort. „Der Hinterhalt vor Ewigenau war eine Katastrophe. Sie hat mehrere unserer Mitglieder an den Rand des Todes gebracht, das hätten Sie sehen sollen…der ganze See war eingefroren. Diejenigen, die noch knapp bei Bewusstsein waren, konnten uns erzählen, was passiert ist. Ihre Kräfte sind größer, als wir angenommen haben. Ich habe den Eisbrecher und die andere Geisel momentan in Gewahrsam, wir sind auf dem Weg nach Blizzach. Unser Ewigenau-Versteck ist ebenfalls verloren, Cécile ist tot, und Johnny der Zweite liegt im Krankenhaus.“ – „WAS?“, mischt sich das Phantom ein. „Cécile ist…was soll das heißen, sie ist tot?! Das ist unmöglich!“ – „Nein. Wir hatten sie als Wächterin eingesetzt, doch sie war Maria nicht gewachsen.“ – „Sie und Johnny sind von Yussuf trainiert worden, es kann einfach nicht sein, dass…“ – „Phantom, Ruhe.“, Saturn reißt anscheinend langsam der Geduldsfaden. Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht. „Wie sie eben sagte, ist Jou weitaus stärker, als wir dachten. Außerdem hat sie Verstärkung von einem uns bisher unbekannten Mädchen, dessen Pokémon uns, bis auf Togekiss und Plinfa, ebenfalls unbekannt sind. Außerdem haben wir in Blizzach einen Funkspruch von Rocky aufgefangen, sie verfolgt euch, Venus. Sei besonders vorsichtig. Phantom, berichte bitte Giovanni, dass wir, sollte nochmal ein Commander erfolgreich angegriffen werden, Hilfe benötigen.“ – „Nicht nur das. Ihr habt Cécile geopfert, stimmt das?“, knurrt der Angesprochene. Uranus hebt eine Hand. „Wenn wir, ich, ich meine, mich!-Wenn ich was dazu sagen soll, darf, Maria muss aufgehalten werden, sie und den, Eisschmelzer, nein, Eisbrecher auszuschalten, hat niederste, oberste. Priorität! Mit Verschleiß müssen, sollen wir rechnen.“ – „Das ist nicht dein Ernst. Giovanni wird nicht erfreut sein, dass ihr einfach unsere Leute opfert.“ – „Es war notwendig. Johnny und Cécile waren eins der besten Teams, jemand anders hätte Jou unmöglich so lange hinhalten können.“, antwortet Saturn. Dann wendet er sich Venus zu. „In Blizzach haben wir die letzten Reserven des Giftmischers freischalten lassen. Falls der Eisbrecher sich weiterhin nicht kooperativ zeigt, darfst du alles benutzen, was du dort findest.“ – „Danke.“, das Bild der Grünhaarigen flimmert und erlischt. Der Galaktik-Boss verschränkt die Arme. „Ziehen wir die Samthandschuhe aus.“


    so, bin momentan im stress weil ich gedrängt werde mit zum fussball zu kommen xD, darum wäre es möglich, dass hier noch einige fehlerchen drin sind, naja, wie dem auch sei, bis zum nächsten mal :D ich freue mich aber auf kommis und das alles,
    mfg
    Kori

  • guten morgen, werte leserchen, hier ist das neue kapitel :)


    Kapitel 27
    Blizzard


    5.7.2009


    Irgendwie ist mein Rücken total steif. Wahrscheinlich habe ich falsch gelegen. Ich befinde mich in einem Zelt, das merke ich direkt im Anschluss. Neben mir höre ich leise Atemzüge, Lucia schläft noch tief und fest. Außerhalb unserer kleinen, orangefarbenen Zuflucht stürmt es, ich höre, wie Zweige an der Plane entlangschaben. Wir haben unser Lager mitten im Wald aufgebaut, als es gestern Abend zu dunkel zum Weiterreisen geworden ist. Zu dunkel heißt in meinem Fall: Maria stößt überdurchschnittlich oft gegen irgendwelche tiefhängenden Äste, die sie aufgrund des Sturms nicht deutlich sieht. Das war mir zwar ein wenig peinlich, aber ich konnte wirklich nichts dafür. Wie dem auch sei, der Morgen dämmert herauf, ich sehe es am diffusen Schimmer über dem Blätterdach, als ich den Kopf aus dem Zelt stecke. Unsere beiden Plinfas sind schon wach und baden in einem kleinen Teich, welcher ein paar Schritte weiter vor sich hin plätschert. Ich sehe ihnen eine Weile zu, dann beschließe ich, uns Frühstück zu machen. Bevor wir Ewigenau verließen, haben wir noch Proviant eingekauft, ich nehme einige Brote, Wurst und Käse aus meiner Tasche, aus diesen Zutaten plus Soße sind einige Minuten später 4 dreieckige Sandwiches entstanden. Mein Blick fällt zufällig auf ein paar Sinelbeeren, die ich in der Tasche mittransportiere. ‚Ob die wohl auch gut schmecken?‘, frage ich mich. Kurz entschlossen krame ich 4 Stück aus der kleinen Plastikbox, zerschneide sie und schichte sie mit auf mein Sandwich. Dann gehe ich zum Teich herüber, entkleide mich und lasse mich ins Wasser gleiten. Es ist kalt, doch ich kann es aushalten. Ich halte mir die Nase zu und tauche ganz unter, kann durch die klaren Fluten unsere beiden Plinfas sehen, die mich links liegen lassen und weiterplantschen. Ich weiß nicht genau, wie lange ich im kalten Nass liege, irgendwann knurrt mein Magen und ich entscheide mich dazu, das Bad zu beenden. Heute noch werden wir kältere Gefilde erreichen, ich bin froh, dass Lucias Mum uns die Winterkleidung geschickt hat. Geschmeidig erhebe ich mich, steige nackt aus dem Wasser und ziehe mich an. „Aufstehen, Lucia, Frühstück ist fertig.“, raune ich in ihr Ohr, nachdem ich mich im Zelt über sie gebeugt habe. „Guten Morgen!“, gähnt sie. „Hier, eine Version ohne Sinelbeeren, guten Appetit.“ – „Was soll denn das heißen?“, fragt sie, während der erste Bissen in meinem Mund verschwindet. Ich ziehe die Brauen hoch. „Weißt du, ich wollte das mal ausprobieren. Zufällig habe ich immer ein paar Beeren dabei, und wenn es den Pokémon schmeckt, muss es uns doch auch schmecken, oder?“, in meinem Mund wird es angenehm kühl, die Sinelbeeren wirken erfrischend auf mich. „Aber die haben auf menschliche Zungen eine andere Wirkung als auf die von Pokémon. Das weiß doch jedes Kind!“, meint die Koordinatorin. „Welche denn?“ – „Deine Zunge wird blau.“ – „WAS?“, ich verschlucke mich und kriege den Bissen gerade noch so runter, danach krame ich einen Spiegel aus der Tasche und strecke mir selbst die Zunge heraus. Sie hat sich tatsächlich dunkelblau verfärbt. „Verdammt, das wusste ich nicht.“, murmele ich. Lucia kriegt sich kaum ein vor Lachen. „Ich muss schon sagen, das steht dir gut.“, kichert sie. „Danke schön. Auch einen Happen?“ – „Auf keinen Fall, meine liebe Sachiko. Ich finde, blau passt nicht zu mir.“ – „Du gibst den Namen nicht so schnell auf, oder?“ – „Nö!“. Seufzend esse ich das Sandwich auf, meine Zunge ist sowieso blau, daher kann ich auch meinen Hunger stillen. Danach bauen wir das Zelt ab und warten, bis auch unsere Teams ihr Frühstück hatten. Uns steht ein weiter Marsch bevor.
    Eine halbe Stunde später passieren wir eine kleine Brücke, welche über einen Bach führt. Ich habe mit allen möglichen Methoden versucht, meine Zunge wieder zu entfärben, aber nichts hat gewirkt. Lucia kann mir da leider auch nicht helfen, und wie lange die Wirkung der Sinelbeeren anhält, weiß sie auch nicht. Scheinbar haben sich auch meine Geschmacksnerven davon beeinflussen lassen, bei allem, was ich in den Mund nehme, schmecke ich die fruchtigen Beeren heraus. Wir folgen einem schmalen Waldweg, er führt uns immer weiter nach Norden…wo Lee auf mich wartet. ‚Halt durch. Ich schaffe das.‘, denke ich, und ich schwöre, ich habe das Gefühl, dass er mich hören kann. Die Laubbäume werden, je weiter wir nach Norden kommen, von robusteren Nadelbäumen abgelöst, welche der Kälte besser standhalten. Ich muss grinsen, es ist wirklich paradox, dass ich im Hochsommer gezwungen bin, den Mantel und Winterstiefel zu tragen. Mein Blick schweift umher, der Ewigwald ist ein Behüter uralter Geheimnisse, die nur darauf warten, gelüftet zu werden. Unter jedem Baum könnte ein größerer Schatz versteckt sein, das habe ich mal irgendwo gelesen. Dann schüttele ich den Kopf. ‚Konzentrier dich.‘
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    Herzhofen
    Pay und Lilith liegen eng beieinander, sie geben keinen Laut von sich, als die Kiste, in der sie sich versteckt haben, hochgehoben und aus dem Wagen gehoben wird. Irgendjemand beschwert sich fluchend über das Gewicht der Box, doch geöffnet wird sie nicht. Bestimmt eine Viertelstunde lang werden die beiden in ihrem Versteck umhergetragen, dann endlich haben sie ihr Ziel erreicht. Die Kiste wird unsanft zu Boden gelassen, schwere Schritte entfernen sich. „Denkst du, wir können raus?“, zischt Lilith. Pay zuckt die Schultern. „Weiß nich. Versuch ma.“, vorsichtig stützt sich Lilith ab und drückt sich langsam hoch. Schnell steigt sie aus der Kiste und sieht sich um. Der Feuertrainer rappelt sich ebenfalls hoch. Die beiden stehen an der Rückwand einer gigantischen Lagerhalle, in welcher hunderte von diesen Kisten herumstehen. „Was zum Geier…“, Lilith fasst sich an die Stirn. „Was wollen die mit den ganzen Pokébällen?!“, fragt sie sich. Pay hat sich währenddessen ans Fenster gestellt. „Wir sind schätzungsweise im zweiten Stock. Und das hier…das ist Herzhofen!“, entfährt es ihm. Lilith prüft, ob die geklaute Uniform richtig sitzt, prüft ihre blonden Haare und scheint dann zufrieden zu sein. „Gut. Und jetzt tun wir so, als wären wir Galaktiker. Wir müssen so viel rauskriegen, wie es nur geht.“, sie stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt dem Rothaarigen einen langen, leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen, sie weiß, dass es wohl vorerst das letzte Mal war. Während der Observationszeit ist es besser, sich unauffällig zu verhalten. Dann richtet sie die schwarze Perücke auf Pays Kopf noch ein wenig zu Recht. „Dann mal los.“, meint der Trainer und geht voran. Die beiden durchqueren die Halle, sämtliche Kisten hier sehen gleich aus. Eine stählerne Doppeltür befindet sich am anderen Ende. Sie öffnet sich zischend, als Pay einen kleinen Knopf an der Konsole neben der Tür drückt. Lilith biegt nach rechts ab, die Gänge sind schwarz gefliest, die Wände bestehen aus ebenso schwarzem Stein. In regelmäßigen Abständen erleuchten Neonröhren den Weg. Ihre Wege trennen sich. „Stirb nicht.“ – „Du auch nich.“
    Das Mädchen atmet tief durch. Ab und zu kommt sie an einer Tür vorbei, die sie lieber nicht öffnet, für den Fall, dass jemand innen nicht gestört werden will. Nach einigen Minuten kommen ihr zwei Galaktiker entgegen. Sie haben dieselbe Uniform an wie sie, die Haare sind Türkis gefärbt. Der Eine starrt sie an. „Kannste Laser ausn Augn ballern?!“ – „Nein. Was macht ihr hier?“, fragt sie herrisch. „Äh, wir wollen zur Besprechung, wie jeden Tag. Ich hoffe, damit haben Sie kein Problem!“, erwidert der Andere, seine Miene verrät Unsicherheit. Lilith fragt sich, wieso, doch auch die Erde kann ihr keine Antworten liefern, weil sie ausnahmsweise Stiefel trägt. „Gut. Sehr gut. Ich komme mit.“ – „Sicher? Ich meine, Ihnen ist natürlich freigestellt, wohin Sie gehen, aber…“ – „Ja, ich bin sicher.“, die Trainerin vermutet, dass ihre Uniform sie auf irgendeine Art als höhergestelltes Mitglied ausweist. Beide Galaktiker gehen weiter, Lilith folgt ihnen in dieselbe Richtung, aus der sie gekommen ist. Nach einigen Metern öffnet einer der Beiden die Tür zu ihrer Rechten, ein weiterer Flur kommt dahinter zum Vorschein. Wiederum ein wenig später verschwindet die rechte Wand einfach, Lilith blickt durch eine Glasscheibe in eine riesige Halle herunter. Ihr stockt der Atem. Ein gigantisches Labor voller Wissenschaftler befindet sich dort. Ein Fließband zieht sich in gewundenen Bahnen durch die Halle, Tische mit seltsamen Apparaturen und Glaskolben stehen herum. An der Wand stehen dicht an dicht mit Blättern und Kladden gefüllte Regale. ‚Wie kann ich diese Typen dazu bringen, mir zu sagen, was hier abgeht, ohne dass sie misstrauisch werden? Vielleicht schneide ich ihnen einen Arm oder ein Bein ab…‘, sie schüttelt erschrocken den Kopf. Pays Abwesenheit macht sich bereits bemerkbar. ‚Du musst klar bleiben.‘ ,sagt Lilith sich. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie groß diese Halle ist.“, murmelt sie. „Muss sie auch, hier werden viele spezielle Waffen auf einmal entwickelt.“ – „Ich hab gehört, die Materialien dafür sind so schwer zu beschaffen, dass die Top-Leute von uns losgeschickt werden, um sie zu stehlen! Die können alle Laser ausn Augen ballern, das wette ich.“ – „Du immer mit deinen Lasern. Wo hast du das eigentlich her?“, lacht der zweite Galaktiker. „Mein Großonkel dritten Grades, Dr. Octo…“ – „Lass gut sein. Hab genug gehört.“ – „Ich hab noch nicht ma angefangen!“ – „Ruhe, ihr beiden. Es stimmt, die Führungsetage ist dafür verantwortlich, dass wir nicht dem Ressourcenmangel erliegen.“ – „Wissen Sie…wissen Sie ein wenig mehr darüber?“, erwartungsvoll sieht der Zweite Lilith an. Sie schüttelt bedauernd den Kopf. „Nein, meine Geheimhaltungsstufe liegt niedriger.“ – „Schade. Aber auf jeden Fall sind diese Dinger gefährlich, die hier gebaut werden. Pokébälle, die Menschen einfangen können, stellt euch nur mal vor…alles in Ordnung mit Ihnen?“, Lilith hat einen undefinierbaren Laut ausgestoßen, eine Art entsetztes Keuchen, was sie gerade noch so zu einem Husten werden lassen konnte. ‚Unmöglich!‘, fährt es ihr durch den Kopf. „Ja, danke. Meine Luftröhre macht mir manchmal Probleme.“, der Galaktiker nickt erleichtert. „Ich weiß selbst nicht allzu viel über die Funktionsweise dieser Dinger, aber das werden wir gleich in der Besprechung erfahren.“, die Glasscheibe endet, stattdessen ist erneut eine Steinwand zu sehen.
    Der Gang endet vor einer großen Zedernholztür, beide Galaktiker bleiben stehen und lassen Lilith zuerst eintreten. Sie bemerkt einen schmalen, roten Streifen an ihrer Uniform, der sich einmal um ihre Taille zieht. Vermutlich ist das eine Art Merkmal für die höhergestellten Mitglieder. Nachdem sie durch die Tür getreten ist, findet Lilith sich in einem weiteren Saal wieder, in welchem hunderte von Galaktikern herumstehen. Sie hält kurz inne. ‚Verdammt. Wenn sie mich enttarnen…‘, sie kommt nicht dazu, den Gedanken zu beenden, zwei Hände legen sich auf ihre Schultern und schieben sie sanft vorwärts. „Sie sind sicher neu hier. Folgen Sie mir.“, als sie nach hinten schaut, macht ihr Herz einen Sprung. Eiskalte Augen aus einem hart wirkenden Antlitz starren ihr ins Gesicht. ‚Saturn! Wenn ich ihn ausschalten kann, ist alles vorbei. Perfekt.‘, sie lässt zu, dass er sie überholt. Der Galaktik-Boss führt sie nach vorne, wo ein gigantischer Bildschirm an der Wand hängt. Er zeigt nichts außer einem gelben „G“, welches durch eine Animation zu glänzen scheint. Er stellt sich vor einige seiner Untergebenen, welche ebenfalls einen roten Streifen aufweisen. Zwei haben sogar einen schwarzen Streifen an der Taille, Lilith schätzt, dass sie wohl noch höher gestellt sind. Außer Saturn erkennt sie jedoch niemanden, Commander sind also nicht anwesend. Lilith reiht sich einfach neben denen ein. ‚Diese blöden Stiefel! So kann ich nicht fühlen, wenn was nicht stimmt.‘. Ab und zu blitzen Bilder in ihrem Geist auf, in welchen die Galaktiker zerstückelt vor ihr liegen, sie drängt die Gedanken mit aller Macht zurück. ‚Pay, wo bist du?‘, die Anwesenheit des Rothaarigen würde ihr helfen. Das ganze letzte Jahr über war sie stabil, aber das ist nur Pay zu verdanken. Doch sie richtet ihre Aufmerksamkeit lieber auf die Versammlung vor ihr. „Meine sehr geehrten Damen und Herren.“, beginnt Saturn. Seine Stimme ist ruhig, wird von einem Mikro an seinem Mund jedoch auf Boxen übertragen, die in den 4 Ecken der Halle stehen. Ruhe kehrt ein, die Gespräche der Galaktiker, die noch im Gange waren, verstummen. „Team Galaktik ist neu auferstanden, stärker, als wir uns es je hätten erträumen lassen. Zyrus hat sich nicht umsonst geopfert! In wenigen Wochen wird Sinnoh uns gehören, der große Plan läuft bisher absolut perfekt. Wir haben einen unserer größten Widersacher in unserer Gewalt.“, Applaus brandet auf. ‚Er meint Marias Freund.‘, durchfährt es Lilith. „Die Agenten der internationalen Polizei haben keinen Schimmer, was überhaupt in diesem Moment hier vorgeht. Wir können unser Vorhaben in absoluter Geheimhaltung ausführen.“, fährt der Galaktik-Boss fort, als der Applaus verebbt ist. Er senkt den Blick. „Eine der Rocky-Schwestern jedoch will unser Vorhaben behindern.“, es blitzt kurz im Raum, das gelbe „G“ auf dem Schirm hinter Lilith verschwindet, stattdessen sieht man sie und Pay, wie sie gerade aus der Kiste im Lager steigen. Freude kommt in ihr auf. ‚Okay, sie haben mich. Dann eben volle Kraft voraus.‘, mit einem Ruck zückt sie 2 ihrer Pokébälle. Alle Augen im Saal sehen sie an. Ein weiteres Bild blitzt in ihrem Geist auf. Saturn, ohne Augen, an der Decke aufgeknüpft. ‚Nicht jetzt! Nein! Bleib klar!‘. „Oh, ihr habt die kleine Lilith entdeckt.“, kichert sie. Saturn zieht eine Braue hoch. „Ja, dich und deinen Freund, der hier irgendwo rumspioniert. Ich schätze, du hast das Labor schon gesehen, daher kann ich dich auf keinen Fall gehen lassen. Bevor wir dich ausschalten, wärst du so nett, mir eine Frage zu beantworten?“ – „MICH ausschalten? Hahaha… klar, gern, ich spiele gern solche Spielchen.“ – „Du gehörst nicht zu Rockys Team. Bist du nur wegen dem roten Riesen dabei?“ – „Ich tue, was ich will, ich lasse, was ich will. Niemand gibt mir Befehle.“, antwortet sie.
    Er wiederum nickt nur knapp. „Halt.“, einige Galaktiker, die sich auf Lilith stürzen wollten, halten inne. „Ich weiß genau, wer du bist. Lilith, die Nachtigall. 3 Jahre lang unsere Gefangene, bis wir dich auf Maria Jou angesetzt haben…doch du bist rückfällig und schwach geworden. Wir brauchen dich nicht mehr.“ – „Lohgock, Hundemon, los.“, die beiden Pokémon erscheinen vor ihr, kampfbereit wie immer. „Ich habe gesagt, Halt. Es bringt nichts, wenn hier ein Kampf entbrennt. Dieses Mädchen kann das ganze Gebäude in die Luft jagen. Lilith, wärst du so nett, deine Pokémon zurückzurufen?“ – „Aber sicher doch. Und gleich danach stürze ich mich vom Dach.“, auf ihre Worte hin seufzt Saturn nur. Dann nimmt er einen Pokéball aus seiner Tasche und betrachtet ihn eine Weile. Lilith verschränkt die Arme vor der Brust. Was soll dieser Kerl ihr schon antun können? Er hat es richtig erkannt, sie ist viel stärker als jeder hier. Als er den Ball jedoch auf Lilith richtet, kommt ihr das Labor von vorhin in den Sinn. ‚Nein!‘, sie reißt den Arm vor. „Hundemon, los! Flammenst…“, weiter kommt sie nicht, der Ball trifft ihren Oberschenkel und öffnet sich. Ihre Zellen werden in reine Energie aufgelöst, ein roter Blitz leuchtet auf, und Lilith spürt, wie sie in den kleinen Ball gezogen wird. Die Uniform fällt leer zu Boden. Hundemon jault laut, dann verschwindet es, zusammen mit Lohgock. Saturn steckt den Ball wieder weg, wendet sich danach seinem Publikum zu. Ein kaltes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Wo war ich?“, die Galaktiker vor ihm jubeln ihm zu. Mit nur einer Bewegung hat er Lilith außer Gefecht gesetzt.
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    Blizzach
    Rocky verfolgt den Transporter schon seit zwei Stunden, er scheint andauernd Umwege und Irrwege zu benutzen. Sie hält sich unauffällig immer ein paar Autos hinter dem Wagen. Um Blizzach herum befindet sich eine Art Autobahnring, an dessen Fahrbahnrändern ewig Schnee liegt. Der Transporter biegt ein weiteres Mal ab, und fährt in einen Tunnel. Rocky wirft einen kurzen Blick zu Hagane, sie sagt kein Wort sondern verfolgt nur das Geschehen. Ihr Wagen rast hinterher, überholt ein Motorrad und taucht in die Schwärze des Tunnels ein. Er ist nur spärlich beleuchtet. Weit vor sich sieht die Polizistin ihr Zielobjekt, tritt ein wenig mehr aufs Gas. Das Mädchen neben ihr hebt eine Hand, Rockys Blick flackert zu ihr herüber. Dabei seht sie unwillkürlich aus dem rechten Fenster, wo ein gelbes G vorbeirast. ‚Die haben mich bemerkt, einen zweiten Transporter als Substitution benutzt und warten, bis ich vorbei bin.‘, sagt eine neutrale Stimme in ihrem Kopf, in derselben Millisekunde, als sie ihren Fehler bemerkt. Fluchend fährt sie weiter. ‚Hat Hagane es gemerkt? Wollte sie mich darauf aufmerksam machen, damit ich nicht den Lockvogel da von verfolge?‘, fragt sie sich. „Danke, Hagane.“ – „Umdrehen können Sie hier nicht, oder?“ – „Nein. Sie haben mich ausgetrickst.“ – „Dann müssen wir auf eine andere Weise herauskriegen, wo sie Lee verstecken wollen.“, Rocky betätigt einen kleinen Schalter an ihrem Armaturenbrett und leitet einen weiteren Konferenzanruf ein. „Lee“, „Tai“ und „Maria“ sperrt sie sofort aus. Kuré und Chief melden sich zuerst, die anderen folgen nach und nach. „Guten Tag.“, Marias kühle Stimme dringt aus dem Lautsprecher. „Guten Morgen, Leute. Ich rufe früher an, weil wir gezwungen sind, zu handeln. Ich bitte euch, alle nach Blizzach zu kommen, und zwar so schnell es euch möglich ist. Team Galaktik hat Lee und Tai in seiner Gewalt, ich wurde bei der Verfolgung des Transporters, in welchem sie sich befinden, ausgetrickst. Die Polizei hier oben weiß schon Bescheid, und LeBelle von der IP ist auch auf dem Weg hierher. „Rocky?“ – „Was ist, Pay?“ – „Wir habn n Problem. Lilith, Chief und ich sind in Herzhofen, hier befindet sich das Kontrollzentrum von Team Galaktik.“ – „WAS?!“ – „Naja, dacht ich auch, und wir wolltn uns halt umsehn. Aber der Typ mit dem eiskalten Blick, dieser Saturn, der hat Lilith mitm Pokéball eingefangn. Sie wurde enttarnt.“ – „Woher weißt du das? Sag mir alles, was du weißt!“, drängt die Polizistin. ‚In Herzhofen? So dreist ist doch nicht mal Team Galaktik! Und wie kann ein Mensch…ich werde mir erst anhören, was er zu sagen hat.‘, denkt sie. „Also, wir habn uns als Galaktiker verkleidet, um uns den Laden mal anzusehen. Momentan hab ich mich in einem Abstellraum versteckt, so wies aussieht. Also, Lilith war bei so ner Konferenz von denen, da hat Saturn son Video abgespielt, wo wir grad aus so ner Kiste kamen, mit der wir uns eingeschlichen haben.“ – „Wie war das? Du und Lilith, zusammen in einer kleinen Kiste?“, Maria lacht leise, wird dann jedoch wieder ernst. „Das heißt, wenn Lilith enttarnt wurde, muss ihr Gesicht in Richtung Kamera gezeigt haben. Und deins?“ – „Naja, meins war ihr gegenüber.“ – „Wie nah gegenüber?“ – „Is doch egal! Auf jedn Fall wissen die nich genau, wie ich ausseh. Und Chief is hier auch noch irgndwo.“ – „Ja, Frau, ich habs auch alles gesehen. Rocky, die haben hier ein Labor, in dem sie Pokébälle fabrizieren, mit denen man Menschen einfangen kann.“. Auf seine Worte hin herrscht langes Schweigen.
    Dann reden alle auf einmal los. „Unmögliesch!“ – „Miau ist das zu kompliziert, wie soll denn das gehen?!“ – „Verdammt. Damit haben sie Lilith geschnappt, sagst du?“ – „Ja. Ich versuch jetz, sie wieder da rauszuholn.“ – „Nein, warte!“, Rocky atmet tief durch und fährt rechts ran, legt sich dann eine Hand an die Stirn. „Tu nichts Unüberlegtes. Wenn du auch gefangen wirst, haben wir ein Problem. Chief, du musst Pay finden, zusammen schafft ihr das, da bin ich sicher. Danach zieht ihr euch sofort zurück, es ist zu gefährlich.“ – „Gut. Chief, wo biste grad?“ – „Noch auf dieser Versammlung, die labern hier dermaßen durcheinander, Frau, da kann ich ungestört telefonieren. Ich leg aber jetz auf, der Boss will noch was von uns.“ – „Gut. Viel Erfolg, ihr beiden!“ – „Danke, Frau.“ – „Jo, wir sehn uns!“. Die Symbole von Pay und dem Chief erlöschen. „Pokébälle, die Menschen fangen…das ist gruselig.“, murmelt Maria dann. „Stiemmt. Iesch möschtä niescht wissän, wie es der armän Lilith gäht.“ – „Dieses Team Galaktik hat mehr drauf, als ich dachte. Officer, wir sind in zwei Tagen in Blizzach, wenn alles gutgeht. Ihr anderen habt Rocky gehört, wir müssen das Nest hier oben ausheben, und ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Wenn ihr näher an Herzhofen dran seid, helft Pay und Chief, okay? Für den Fall, dass…es sie auch erwischt, brauchen wir Verstärkung. Ich zähle auf euch.“, die Braunhaarige legt ebenfalls auf. Alfred meldet sich zu Wort. „Hm. Wir sind momentan in Erzelingen, ich schätze, wir werden in Herzhofen gebraucht.“ – „Und wir werden nicht zulassen, dass Lilith in den Fängen dieser Verbrecher bleibt.“, fügt Eva hinzu. „Dann nieschts wie los, non?“
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    Ein paar Kilometer weiter, am Hafen von Blizzach, legt der Frachter an, auf welchem sich Cat, Manon und Joana sich befinden. Sie tragen, genau wie Maria und Lucia, alle ihre Winterkleidung, um in den arktischen Winden nicht zu Eis zu erstarren. Die Seeleute führen die letzten Kommandos der Fahrt aus, die drei Trainerinnen stehen an der Reling und sehen auf die Stadt hinunter. Kleine Eisbrocken treiben im Hafenbecken. „Miau haben es wirklich geschafft.“ – „Ja. Hat aber auch gedauert…so eine lange Schiffsfahrt hatte ich ewig nicht mehr.“, stimmt ihr Manon zu. Joana steht neben ihnen und hört den beiden Frauen zu. Sie selbst fühlt sich auf dem Festland ganz klar wohler, aber an Seekrankheit leidet sie dank ihren Fähigkeiten nicht lang. Der Mann mit dem goldenen Anker an der Mütze hatte auch an Übelkeit gelitten, doch sie hat herausgefunden, dass man ihm nur den Rücken zu massieren braucht, danach ging es ihm besser. Nun kommt er gerade an die Reling. Joana betrachtet seine Gesichtsfarbe und zieht die Luft ein. Es riecht nicht nach Krankheiten. Er ist gesund. Zufriedenheit breitet sich in ihr aus. „Da sind Sie ja. Ich wollte mich noch einmal persönlich bei Ihnen bedanken. Die Fracht ist wegen Ihnen sicher in Blizzach angekommen.“ – „Miau haben das gern gemacht!“, beteuert Cat, ihr Katzenschweif peitscht durch die Luft. Die Rothaarige gibt dem Kapitän die Hand. „Wenn Sie Hilfe brauchen: wir sind noch eine Weile in der Stadt. Viel Erfolg auf Ihrer Weiterreise!“, laut dem Kapitän nimmt der Frachter nach dem Stopp in Blizzach Kurs auf Einall. „Danke. Euch auch, meine Damen. Ach ja, Catherine, die Crew hat für dich noch ein kleines Geschenk besorgt.“, er nimmt den linken Arm, den er hinter dem Rücken versteckt hatte, nach vorn. Eine Tüte Schokomauzis kommt zum Vorschein. An den Abenden auf dem Schiff hat Cat die Mannschaft erheitert, indem sie kleinere Zirkustricks in der Mensa vorgeführt hat, die Agilität und Artistik des Mädchens hatte sogar Manon beeindruckt. „Wow! Vielen Dank! Richten Sie der Crew bitte viele Grüße von miau aus, ja?“ – „Sehr gern. Auf Wiedersehen, Matrosen!“, der Kapitän steht stramm und salutiert; Cat, Manon und Joana machen es ihm nach. Das Katzenmädchen muss lachen. „Ich war noch nie Matrosin! Miau gefällts.“. Auf diese Weise verabschiedet verlassen die drei das Schiff. „Rocky wartet im Pokémoncenter auf uns.“, sagt Manon und wendet, als sie den Niedergang verlässt, nach links. „Miaaaau! Endlich weg vom Wasser!“, maunzt Cat und streckt sich ausgiebig. Manon hebt eine Braue. „Ich dachte, in den letzten Tagen hättest du dich daran gewöhnt.“ – „Daran gewöhne ich mich nie. Katzen gehören nicht auf den Ozean.“, grinst die Braunhaarige zurück. „Da entgeht dir aber was.“, Manon zündet sich eine Zigarette an.
    //


    Nördlich von Ewigenau
    Der Ewigwald liegt hinter uns. Dafür allerdings führt unser Weg direkt über die schneeverwehten Berge der ersten Kaltroute Sinnohs, nicht selten gehen hier Trainer in den täglichen Schneestürmen verloren. Zum Glück haben wir Lucias Zelt dabei, es hält Stürmen ohne Weiteres stand. Ich frage mich, wie ihre Mutter voraussehen konnte, dass sie nach Blizzach gehen würde. Der Schnee prasselt mir, von den entfesselten Elementen aufgepeitscht, ins Gesicht und an die Beine. Es fühlt sich an, als würden tausend kleine, eisige Nadeln in meine Haut stechen. Meine Kräfte könnten ausreichen, um den Sturm zu besänftigen, doch im Moment bringe ich die nötige Konzentration nicht auf. Lucia geht neben mir her, obwohl ich ihr geraten habe, hinter mir zu bleiben, damit der Windschatten sie schützt. Nichts als weiß…überall. Auf einmal macht Lucia eine ruckartige Bewegung, in meinem Kopf blitzt das Bild eines tiefen Lochs auf, welches von Schnee getarnt wird. Blitzschnell packe ich ihre Hand, sie sackt tatsächlich einen Meter in die Tiefe. Mit den Beinen balanciere ich mich aus und halte das Gleichgewicht, dann ziehe ich meine Freundin aus dem Loch, zitternd presst sie sich an mich. Ihr blieb nicht einmal Zeit, zu schreien, so schnell war es wieder vorüber. „Alles okay?“, will ich wissen, es kann ja sein, dass sie sich irgendwas geprellt hat. Zu meiner Erleichterung nickt Lucia. „Ja. Danke, Maria.“ – „Endlich hast du mit dem Sachiko aufgehört.“, sie lacht und sieht mir in die Augen. Als ihr auffällt, dass ihre Kapuze bei dem Sturz nach hinten gerutscht ist, setzt Lucia sie wieder auf. Ich bin froh, dass mir Lucias Mum die Pelzmütze mitgegeben hat, sie ist ausgesprochen warm und sieht noch dazu gut aus. „Zum Glück habe ich Plinfa in seinen Ball zurückgerufen, den Sturm hier will ich ihm nicht zumuten!“, sagt meine Freundin, als ihr mal wieder ein Schauer über den Rücken läuft, ausgelöst von der Kälte. „Naja, es fühlt sich in kalten Gegenden sicher wohl, ich meine, es ist ein Pinguin-Pokémon.“ – „Aber wir waren ewig nicht mehr hier oben, und so viele Gelegenheiten, mit Schnee in Kontakt zu kommen, hat es nicht.“ – „Da hast du Recht.“. Es kommt mir vor, als würden wir unendlich lange durch diese weiße Einöde laufen, ohne dass sich die Landschaft auch nur geringfügig verändert. Ich habe mir schon lange einen Schal ums Gesicht gewickelt, nur meine Augen liegen frei. Der Sturm wird stärker. Mir fällt auf, dass der Wind dreht, statt von vorn weht er jetzt, nicht minder stark, aus Richtung Westen… die kalte Luft vom Kraterberg. „Komm, hier lang!“, schreie ich gegen das Heulen des Sturms an. Ich führe Lucia, meinen Berechnungen nach, ins Auge des Sturms, wo es windstill sein müsste. Eine weitere Ewigkeit später wird es wirklich ruhiger, der Schnee glitzert vor uns im senkrecht einfallenden Sonnenschein. Um uns herum rast der Sturm. Mir kommt ein Gedanke, schnell bücke ich mich, hebe ein wenig Schnee auf und forme ihn zu einem Ball. Lucia steht ein paar Meter weit weg und bestaunt dieses Schauspiel der Natur. „Wie schön…einfach herrlich.“, murmelt sie, dann trifft der Ball sie am Rücken. „Aua! Was…hey!“, sie dreht sich um. Grinsend mache ich noch einen Schneeball, sie rennt auf mich zu und will mich zu Boden schubsen, ich weiche aus.
    „Das verlangt eine Bestrafung!“ – „Eine Bestrafung?“, ich tue so, als wäre ich verängstigt. „Bitte nicht!“, dabei kriege ich mich kaum mehr ein und gehe ein wenig in die Hocke, damit sie mich bestrafen kann. Lucia wirft ihrerseits einen Schneeball, er trifft mich am Hintern. Ich zucke kurz zusammen. „Härter, verdammt! Ich war böse!“, das ist zu viel für die Blauhaarige, sie fällt lachend in den Schnee und bleibt liegen, das Gesicht zum Himmel gerichtet. Eine Sekunde später tue ich es ihr nach. „Kannst du Schneeengel machen? Geht ganz leicht, schau mal.“, ich hebe die Arme und spreize die Beine ab, die Spuren, die ich im Schnee mache, erinnern an die Flügel eines Engels. „Ja, klar kenn ich die. Herrje, wie…“ – „Nein! Sprich es nicht aus.“ – „Ist gut!“, flötet sie. Kichernd sehe ich nach oben, der Himmel ist außerhalb des Sturmauges grau und düster, direkt über uns jedoch befindet sich ein strahlend blaues Loch. Ich werde wieder ruhiger. „Gott, das tut gut, ab und zu herumzualbern.“ – „Wem sagst du das.“ – „Aber wir sollten weiter, der Sturm hat nachgelassen. Bis zum Abend wollte ich noch ein paar Kilometer schaffen.“ – „Gut.“, wir stehen auf und setzen unseren Weg fort. Es bleibt bewölkt, doch der Wind hat wirklich stark nachgelassen. Ich krame in meinem Gedächtnis nach Übernachtungsmöglichkeiten hier oben. Das Zelt wollte ich nur ungern auf blankem Schnee aufstellen. „Sag mal, Lucia?“ – „Lucia!“ – „Nein! Ich wollte dich was fragen.“ – „Klar doch, Maria. Was gibt’s?“ – „Kann man hier in der Umgebung irgendwo übernachten? Wie habt ihr das damals gemacht? Ich weiß, dass ihr auch schon in Blizzach wart.“ – „Öhm…Rocko hat damals eine Skischule erwähnt. Dort haben wir zwar nicht übernachtet, aber es ist ohne Weiteres möglich. Ich glaube, die ist nicht weit weg von hier. Bis zum Abend erreichen wir sie auf jeden Fall.“ – „Gut.“. Theoretisch könnte ich auch im Zelt hier in der eisigen Kälte schlafen, doch eine Erkältung fängt man sich allzu leicht ein, und wir werden für die kommenden Kämpfe unsere Kraft brauchen. Eine Krankheit will ich Lucia nicht zumuten. Ich lasse den Blick schweifen, fixiere dann das Gesicht meiner Freundin. Sie hat sich gegen die Kälte den Kragen hochgeschlagen, ihre Wangen sind gerötet. Unter ihrer Kapuze schaut ihr Pony hervor. Ihr ist trotz der dicken Kleidung kalt, das spüre ich. „Na, komm.“, ich lege Lucia den Arm um die Schultern und drücke sie an mich, damit sie es wärmer hat. „Besser so?“ – „Ja. Aber…vergiss es. Danke.“, sagt sie. Dicke Flocken schneien auf uns herab.
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    Ewigenau
    Johnny der Zweite liegt im Krankenhaus. Alle möglichen medizinischen Geräte piepen vor sich hin, doch er kriegt kaum etwas davon mit. Seine Gedanken gelten Cécile. Cécile, die keinen Modegeschmack hatte, aber sich um jeden Preis wie eine echte Frau verhalten wollte und darum immer diese Magazine las. Cécile, die mit ihm zusammen so viele Aufträge erfolgreich abgeschlossen hatte, die mit ihm zusammen das Spezialtraining von Yussuf durchgemacht hatte. Der Galaktiker knirscht mit den Zähnen. Die Schürfwunden in seinem Gesicht und an den Händen verheilen gut, es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis die Schäden in seinem Inneren geheilt sind. Es ist einfach nicht fair, denkt er. Sie haben so viel getan, immer ihre Befehle ausgeführt, nur um dann in wenigen Minuten einfach auseinander genommen zu werden. Was hat der Boss sich dabei gedacht? Maria aufhalten? Seine Partnerin und er sind geopfert worden, da ist er sich mittlerweile sicher. Dieses Mädchen mit den blauen Haaren hatte Recht gehabt. Maria Jou kann man nicht einfach aufhalten. ‚Céci, wieso hast du das mit der Bombe gesagt? Du könntest noch leben.‘, dieser Gedanke lässt ihn nicht los. In Herzhofen ist nicht einmal jemand zu Schaden gekommen, wieso war Maria auf einmal so wütend? Ist es nur wegen dem Eisbrecher? Dieses Mädchen ist gefährlich, denkt Johnny. Und warum hatte sie nur einen Bikini getragen? Um ihn, Johnny, und Cécile zu verwirren? Sie hatte natürlich nicht wissen können, dass Cécile Frauen zugetan war und er selbst sein Leben dem Kampf gewidmet und darum nie Zeit für eine Frau hatte. Aber gewirkt hatte es dennoch, seine Angriffe waren nicht so stark gewesen wie sonst. Ein Schauder läuft Johnny den Rücken herunter. Solch einen Körper konnte nur eine Göttin haben. ‚Was zur Hölle ist sie? Ein normales Mädchen sollte nicht in der Lage sein, selbst das Wasser in anderen Menschen zu kontrollieren! Wir hatten keine Ahnung, womit wir uns anlegen.‘
    Eine Krankenschwester betritt sein Zimmer. Sie gießt die Zierblumen auf der Fensterbank. Johnny schließt die Augen. Sie hält inne. „Der Chefarzt lässt noch einmal fragen, woher Sie diese Verletzungen hatten. Ein Autounfall kann so etwas nicht verursachen.“ – „Die im Gesicht?“ – „Nein, Ihre inneren Organe waren teilweise gequetscht. Sowas passiert nicht, ohne dass die Bauchdecke unbeschädigt bleibt.“ – „Vielleicht lag ich komisch. Oder…hm. Oder ich hab einfach eine Magenverstimmung.“. Auf seine Worte hin seufzt die Schwester nur. „Wenn Sie es nicht sagen wollen, dränge ich Sie nicht. Aber die Klinik ist daran interessiert, an neuen Verletzungen zu lernen und zu erfahren, wie oder was einem Menschen alles zustoßen kann. Sie sollten jetzt schlafen.“, mit einem Kopfschütteln verlässt sie den Raum. Johnny beißt die Zähne zusammen. Klar, sie wollen an Verletzungen lernen. Er sieht es schon genau vor sich. ‚Hey, Schwester, ein wütendes Mädchen mit Superkräften hat mich innerlich zerquetscht. Ach ja, und meine Kollegin ist tot wegen ihr. Falls sowas nochmal passiert, sind Sie gewappnet. Viel Erfolg bei der Behandlung!‘.
    Lächerlich. Gegen Jou ist jeder absolut machtlos. ‚Boss, wenn du ihr gegenüberstehst, vergiss deinen Stolz und lauf.‘
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    See der Stärke
    Eine riesige, dunkle Halle. Nichts befindet sich darin. Nur in der Mitte steht eine Art elektronischer Sarkophag, durch eine dicke Panzerglasscheibe kann man ins Innere sehen. Das Pokémon, welches in seinem Innern gefangen ist, scheint wütend über seine Gefangenschaft zu sein. Seine Augen glühen in bedrohlichem Rot. Vor dem Sarkophag steht ein Mann im schwarzen Anzug, sein Haar ist glatt nach hinten gekämmt. Mit einem leisen Lächeln legt er eine Hand auf die Glasscheibe. „Sieht aus, als würden wir dich bald befreien. Schließlich wollen wir unseren Gästen einen angemessenen Empfang bereiten.“. Der violette Schweif des Pokémons zuckt. Vor Vorfreude? Oder vor Wut?


    so, wie immer freue ich mich auf kommis, verbesserungsvorschläge und das alles, ich hoffe ihr hattet spaß beim lesen :)
    mfg
    Kori

  • und da bin ich auch schon xD
    es sind wieder manche kapitel ins land gegangen, was soll ich da sagen mir gefällts :D aus den vielen kleinen teams werden jetzt in der gruppe einige größere, wenn ich das richtig mitbekam. alfred, kure und eva kommen zu pay, lilith und dem chief dazu, und joana geht mit cat und manon nach blizzach, wo sie wahrscheinlich lucia und maria treffen- ich schätze mal die werden lee und tai da ruckzuck rausgeholt haben xDD
    hoffe ich zumindest :D achja, hier im letzten kapitel haben wir schöne comedy-einlagen die mir auch sehr gut gefielen! warum zur hölle isst maria sinelbeeren xDD
    miltanks sind viel kuhler..BÄÄM. xDDDD
    was mich schockiert hat: SATURN HATS ECHT GESCHAFFT!! O___O OMG NEIN! um nicht zu spoilern sag ich nix genaues aber das müssen meine favoriten wieder geradebügeln O:
    vermutlich werden die galaktis im nächsten kapitel voll zerfetzt *-*
    die besten sätze poste ich gleich noch, aber dass uns bald ein alter bekannter erwartet das hat mir auch schwer zu denken gegeben... ich mein wir kennen den nun fast 15 jahre lang und HOLY SHIT DER IST BÖSE


    Zitat

    „Deine Zunge wird blau.“ – „WAS?“

    Sachiko hat mist gebaut :D


    Zitat

    „Kannste Laser ausn Augn ballern?!“

    JAA ICH HAB GEWUSST DER KOMMT NOCHMAL WIEDER! xDDDD


    Zitat

    „Härter, verdammt! Ich war böse!“

    .. lieber leser-vos commentaires xD


    Zitat

    ‚Hey, Schwester, ein wütendes Mädchen mit Superkräften hat mich innerlich zerquetscht.

    krass, wie man johnny nochmal kennenlernt O:


    Zitat

    Seine Augen glühen in bedrohlichem Rot.

    <- Q.Q


    bis bald xDD

    "I said: Ryan, Jedi don´t give up. Then again, I´m thinking oldschool. This is a new generation."

  • hallo und herzlich willkommen zu einem weiteren kapitel :D doch zuerst muss ich auf deinen kommentar eingehen, pay, und das mach ich mal sofort.
    klar ists wichtig, einige lustige parts einzubringen, und zum glück sind da der fantasie des autors keine grenzen gesetzt :D es ist nur so: ich habe 2008 dermaßen viele beeren auf meiner perl-edition gezüchtet, dass ich mich fragte, ob man in sinnoh mit den dingern nicht sogar hungersnöte bekämpfen könnte. ergo: man muss rausfinden, ob beeren auch für menschen verträglich sind. antwort: ja, sind sie, aber mit eben diesen lustigen nebenwirkungen xD

    viel kuhler


    ._.
    um auf deine frage zurückzukommen: ja, deine favoriten regeln so einiges, aber lies selbst ;D was den alten bekannten angeht, da verrat ich mal noch nicht so viel, aber er wird maria schwierigkeiten machen. und zwar extreme o:
    bevor ich jetzt aber das kapitel poste: sie heißt nicht sachiko! xD


    Kapitel 28
    Kälteschock


    5.7.2009


    Das ist der längste Schneesturm in dem ich je gefangen war. Gegen Mittag nehmen die Schneemassen erneut zu, erschweren uns die Sicht und das Weiterkommen. Lucia hält sich tapfer, auch wenn ich spüren kann, dass es ihr in der Kälte nicht wirklich gut geht. Wenn besonders starke Böen uns treffen, verflüssige ich den Schnee meistens, die entstehenden Tröpfchen sind so mikroskopisch klein, dass sie ihr nichts anhaben können. Ich könnte die Wolken verschwinden lassen, doch dafür müsste ich sie weit aus diesem Gebiet wegschieben. Was das für Auswirkungen auf die Hoch- und Tiefdruckgebiete hier hat, will ich mir nicht vorstellen. Also: keine gute Idee. Ich werfe einen Blick über die Schulter und zucke zusammen. Die schwärzeste Wolkenfront, die ich je in meinem Leben gesehen habe, wälzt sich von Süden her auf uns zu. „Lucia?“ – „Ja?“, wir schreien gegen den heulenden Wind an. „Wir müssen dringend diese Skischule erreichen, schau mal da hinten!“ – „Oh, verdammt!“, flucht die Koordinatorin, als sie in die Richtung schaut, in die ich zeige. „Wenn wir es nicht schaffen, müssen wir dein Zelt aufbauen!“ – „Nein, wir kriegen das hin! Mein Zelt hält zwar Stürmen stand, aber nicht ausgewachsenen Blizzards! Schneller!“. Gesagt, getan. Wir beschleunigen unser Tempo, doch sich gleichzeitig durch hohe Schneewehen zu kämpfen und nicht vom Weg abzukommen, ist wirklich nicht leicht. Ich frage mich, was die anderen wohl so tun und wie es Lee geht. Wenn sie ihm etwas antun, werde ich ihnen das Zwanzigfache zurückzahlen. Das würde lustig werden. Mal sehen, wer sich gegen die entfesselten Kräfte von Wasser und Eis zur Wehr setzen kann. ‚Halt dich zurück, Maria. Lass nicht zu, dass du vor Macht verrückt wirst.‘, sage ich mir. Dann schüttele ich den Kopf. Als ob ich die Kontrolle über mich verlieren könnte. ‚Du hast es schon einmal getan.‘. Unwillkürlich drücke ich Lucia fester an mich.
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    Herzhofen
    Pay und Chief sitzen in einem kleinen Nebenraum ganz in der Nähe der Versammlungshalle. Lilith ist mit einem speziellen Pokéball gefangen worden, und das Ziel der Beiden ist es, sie daraus wieder zu befreien. Chief rollt soeben ein Blatt Papier zusammen, auf welchem die Grundrisse des Gebäudes verzeichnet sind. „So, Frau. Der Typ hat sein Büro total abgesichert, da kann man absolut nichts machen. Wir müssen ihn irgendwie zum Kampf provozieren.“ – „Oder aber warten, bis er draußen is und dann den Ball klauen.“ – „So leicht wird er es uns nicht machen, glaube ich.“ – „Aber wir müssen sie befreien! Ich will gar nich dran denken, wie es sich anfühlen muss, in so einem kleinen Ball drin zu steckn.“ – „Du hast doch gesagt, sie ist in einem roten Lichtblitz verschwunden. Ich nehme an, ihr Körper wurde in seine Moleküle zerlegt.“ – „Das klingt irgndwie eklig.“ – „Physik, Frau, Physik. Aber lassen wir das. Am ehesten kommen wir rein, indem wir unsere Kraft nutzen. Rameidon wird seine Tür einballern.“ – „Und dann verbrennen wir alles, was drin ist!“ – „Schlechte Idee. Liliths Ball könnte auch geröstet werden.“ – „Mist.“ – „Also müssen wir uns schnell einen Überblick davon verschaffen, was uns da drinnen erwartet.“ – „Klar. Wie? Wenn die noch mehr von diesen gruseligen Pokébällen haben, dann…“ – „Nein, haben sie nicht. Das ist der Prototyp, die Massenproduktion ist noch nicht im Gange. Das ist gut, denn wir haben noch eine Chance, sie zu verhindern.“ – „Okay. Also los?“ – „Keine Hektik, Frau. Wir müssen in den obersten Stock, und am Ende des Gangs hier istn Fahrstuhl. Wir treffen uns oben, ich werde einen anderen Weg suchen.“ – „Gut, bis dann. Viel Erfolg!“ – „Dir auch. Frau.“ – „Kannst du mit dem „Frau“ vielleicht mal aufhören?!“
    Die beiden erheben sich, Pay öffnet die Tür und wirft einen Blick auf den Korridor. Er ist verlassen, also setzt sich der Feuertrainer in Bewegung. Nach einer Minute ist er am Fahrstuhl angekommen, welcher ihn nach einigen weiteren Minuten nach oben bringt. Laut der von Chief gestohlenen Karte müsste das Büro von Saturn die gesamte obere Etage einnehmen, und da gelangt man nur hin, wenn man die Treppe benutzt, die vom am höchsten gelegenen, mit dem Fahrstuhl erreichbaren Stockwerk ausgeht. „Wieso müssn alle diese schwarzen Gänge gleich aussehen? Is doch langweilig!“, beschwert er sich leise. Ab und zu kommen ihm andere Galaktiker entgegen, er grüßt sie fröhlich und lässt sie meistens links liegen. Irgendwas an der Uniform, die er trägt, scheint denen Respekt einzuflößen, er kriegt aber nicht raus, was es sein könnte. Pay geht die letzte Treppe hinauf und sieht sich um. Niemand zu sehen. Ein weiterer, leerer Gang führt geradeaus, und an dessen Ende kann der Feuertrainer eine dunkle Stahltür erkennen. Entschlossen macht er sich auf den Weg. Als er vor der Tür steht, hört er Schritte, die sich ihm von hinten nähern. Bevor er reagieren kann, packt eine Hand seinen Arm. „BOSS!“, brüllt jemand, die Tür öffnet sich. Pay grinst. Zeit zum Zerlegen.
    Ein weitläufiges Büro kommt zum Vorschein. Es ist nur spärlich eingerichtet, ein großer Tisch in der Mitte des Raums macht den Hauptteil des Mobiliars aus. Ein paar Dutzend Stühle stehen drum herum. Saturn und einige andere Galaktiker sitzen am Kopfende dieses Tischs. Er wirkt alarmiert, als Pay in den Raum gestoßen wird. „Ich habe den zweiten Eindringling, Frau! Es ist Pay, el gigante roja!“, teilt der, wer auch immer Pay gefasst hat, atemlos seinem Boss mit. Die eiskalten Augen Saturns verengen sich. „Ah. Der Liebhaber meiner neusten Errungenschaft.“, sein Blick zuckt zu einem Regal links von ihm, in jeder Regalreihe liegen mindestens 40 Pokébälle. Pay zuckt zusammen. ‚Da soll Lilith irgendwo drin sein? Wie soll ich sie finden? Egal, erst mach ich diese Witzfiguren platt.‘. Dann späht er hinter sich. Wie er sich dachte: Chief tut so, als wäre er ein echter Galaktiker, der seinem „Boss“ den „Eindringling“ bringt. Natürlich verrät er nicht, dass auch er dazugehört. ‚Gut, dann spiele ich mal mit.‘. Mit einem Ruck befreit er sich, greift in die Tasche und zückt Knakracks Ball. „BWAHAHA! Gut, ihr habt mich, dann zeigt mir mal, was ihr könnt! Los, Knakrack!“, mit einem ohrenbetäubenden Brüllen erscheint das Drachenwesen, zerschlägt in einem Anfall seiner nie endenden Wut den Holztisch. Unter der Wucht seiner Klauen zerbricht das schwere Möbelstück als wäre es eine Art Keks. Saturn sieht mit unbewegter Miene zu. Dann hebt er die Hand. Sofort treten die beiden Galaktiker hinter ihm vor, Chief stellt sich neben sie und greift ebenfalls in die Tasche. ‚Wenn ich nich wissen würd, dass er zu mir gehört, hätt ichn Problem.‘, denkt Pay. Er verschränkt die Arme vor der Brust. „Ihr habt keine Chance gegen mein Knakrack, also gebt mir Lilith und ich verschon euch…vielleicht.“ – „Lilith bleibt bei mir.“, Saturn tritt zum Regal herüber und holt einen der vielen Bälle heraus. „Los. Vernichtet den roten Riesen.“, weist er seine Untergebenen an. Im nächsten Moment stehen Pay ein Luxtra und ein Rossana gegenüber. Der Chief ruft sein Rameidon, welches im ersten Moment ein wenig verwirrt zu sein scheint. „So, Kumpel, dann rück ma Liliths Ball wieder raus.“, fordert Pay und nimmt die Perücke ab.
    Statt einer Antwort greifen seine Gegner an, Knakrack schnellt vor. Die erste Drachenklaue trifft Rossana, die zweite erwischt Luxtra. Beide gehen zu Boden, bevor sie auch nur eine Attacke einsetzen konnten. Die Galaktiker rufen sie wortlos zurück. Knakracks Brüllen erfüllt den Raum. Eines der Fenster zersplittert. „Du auch.“, befiehlt Saturn dem Chief. Dieser schüttelt den Kopf. „Vergiss es, Frau. Der ist zu gut für euch. Rameidon, zerballere die Tür.“, mit einer schnellen Bewegung rast das Pokémon los, die massive Stahltür wird einfach zerstört, und bevor irgendjemand wirklich realisieren kann, was passiert, hat sich der Chief den Ball geschnappt, welchen Saturn in der Hand hielt. „Pay! Ablenkung, Frau!“, brüllt er dann, der Rothaarige ruft ein weiteres Pokémon. Saturn seufzt entnervt und zückt einen weiteren Ball. „Ihr nehmt mir mein Spielzeug nicht weg.“, raunt er. Pays Ramoth erscheint inmitten der kämpfenden Trainer und Galaktiker, schlägt einmal mit den Flügeln und entfacht einen Brand, der es unmöglich macht, noch ordentlich zu sehen. Chief gibt Pay den Ball, in welchem sich Lilith befindet, und rennt seinem Rameidon hinterher. „Quäk!“, ruft Pay, bevor er Chief folgt. Das alles spielt sich in wenigen Sekunden ab, und als sich die Sprinkleranlage aktiviert und den Brand löscht, sind nur die Galaktiker noch im Raum. „Was zum Teufel war das?“, fragt Saturn ruhig. Einer seiner Untergebenen zuckt die Schultern, worauf der Boss eine Braue hebt. „Schön, zu sehen, dass ihr zumindest noch lebt. Keine große Sache, und ich belaste euch wirklich nicht gern damit, aber… sie kommen davon, ihr unfähigen Cretins!“, er wirkt relativ ungehalten. Die beiden Galaktiker beeilen sich, Pay und Chief zu verfolgen.
    Saturn betrachtet das Chaos. Lilith ist befreit worden, er hätte den Ball nicht aus dem Regal nehmen dürfen. Aber das spielt keine Rolle, der Zweck seiner kleinen Demonstration ist erfüllt: Rocky und ihrem Team Angst vor den technischen Waffen Team Galaktiks einzujagen, was mit Sicherheit geklappt hat. Die beiden Flüchtigen würden es höchstens bis ins dritte Geschoss schaffen, spätestens dann sollten sie aufgehalten werden.
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    „Quäk, Mann?“, will der Chief wissen, als er neben Pay her rennt, den Flur herunter, dann die Treppe, und sie durch den nächsten Stock hetzen. „Dachte, das wär ganz lustig, erinnert an son Enton.“ – „Achso.“ – „Du sagst wieder „Mann“, wieso das?“ – „Weil meine Verstellung ihren Zweck erfüllt hat, darum, Mann.“ – „Stimmt!“, Pay reißt den linken Arm zurück, rammt seine Faust einem Angreifer in den Magen, der ihn stoppen wollte. Der Kerl keucht und geht zu Boden. Rameidon senkt den Kopf und stößt einige gegnerische Giftpokémon zur Seite. Sein Knakrack hat Pay schon zurückgerufen. Im nächsten Stockwerk, durch das sie kommen, versperren ihnen immer mehr Galaktiker den Weg. „Da mussn Nest sein!“ – „Klar, wir sind doch grad mitten drin.“, ohne weiter zu fragen wendet Pay sich nach links, durchbricht eine der Wände und springt hindurch. Mehrere Mitglieder von Team Galaktik verfolgen die beiden nun, mit jedem Raum, den sie durchqueren, werden es mehr. „Wir müssen aufhören, durch diese Zimmer zu rennen, da sehn die uns alle!“ – „Wie denn, Mann, wir müssen weiter!“, hektisch sucht Pay immer weitere Fluchtwege, muss manchmal ausweichen und einige der Angreifer niederschlagen. Rameidon tut ebenfalls sein Bestes, kaum ein Pokémon widersteht seiner Kraft. Jene, die nach den Kopfstößen noch stehen, sind zu schwach, um weiter zu kämpfen. Pays Handy klingelt. Als er es abnimmt, hört er Evas Stimme. „Eva! Na, alles fit?“ – „Sicher. Wir hörten, Er ist gerade in der Nähe, und wollten Ihm seine Hilfe anbieten.“ – „Mir? Genial! Bin nur leider gerade ein wenig beschäftigt, und ich glaube nicht, dass deine Hilfe hier ausreicht!“ – „Wir sind nicht erfreut. Normalerweise reagiert man anders auf unser Hilfsangebot.“ – „Naja, wie soll ich sagn, es lässt sich wirklich schlecht reden, so ganz umzingelt von Galaktikern überall!“ – „Springe Er aus dem Fenster.“ – „Was?!“ – „Er hat uns schon verstanden.“, Chief mischt sich ein. „Was möchte sie?“ – „Dass wir ausm Fenster springn!“ – „Wenns weiter nichts ist…“, rasch gibt der Trainer seinem Rameidon einen Befehl, es schwenkt knapp vor einigen Golbat um und rammt eine weitere Mauer. „BIST DU IRRE?“, brüllt Pay, als Chief seinem Pokémon hinterher springt, frische Luft erfüllt die überfüllten Korridore. „Sie sind wahnsinnig!“ – „Selbstmord!“ – "Skandal!" - „Los, Krawumms!“, die Galaktiker sind ebenso ratlos wie Pay, doch sie rufen unentwegt neue Pokémon. Er zückt Panfernos Ball. „Gut, wir verabschieden uns mit nem Knall, wenns sein muss! HIKEN!“, kreischend ballt der Affe seine Fäuste und lässt einen flammenden Schlaghagel auf die Angreifer niedergehen, Pay klammert sich an die Bruchstelle in der Wand und blickt sich um. Hinter ihm: belebtes Stadtpanorama in der Mittagssonne, vor ihm ein verdammter Haufen Galaktiker. „Da fällt die Wahl nicht schwer. Ihr seid wirklich clevere Kerlchen, muss ich sagen, und ich schätze eure Bemühungen. Sicherlich werdet ihr den Tag nie vergessen, an dem ihr das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team FAST besiegt hättet!“, der Korridor explodiert, und der Rothaarige lässt sich rückwärts fallen. Es ist zu spät, drüber nachzudenken, ob das eine schlaue Idee war. Voller Hohn spult sein Verstand die Fakten ab. Das Gebäude ist mindestens 20 Stöcke hoch, unten befindet sich nichts außer einer stark befahrenen Straße. Wenn nicht gerade ein Lastwagen voller aufgeblasener Luftmatratzen vorüberfährt sind seine Überlebenschancen verschwindend gering. Wie in Zeitlupe sieht er neben sich das Handy in die Tiefe stürzen. Das brennende Loch über ihm erstrahlt kurz in hellem Licht. „BLARGH!“, und ein gleißender Lichtstrahl schießt diagonal in den Himmel. „Ich glaub, den Hyperstrahl sollten die nochma übn.“, kichert Pay.
    Eine Sekunde später wird ihm die Luft aus den Lungen gepresst, irgendwas hält ihn in der Luft fest. Erschrocken blickt er über die Schulter. „Wäh!“, entfährt es ihm, einen Meter unter ihm befindet sich die Straße. Ein Auto nähert sich, das laute Hupen hört er nicht mehr. Pay kneift die Augen zusammen.
    „Er kann aufhören, so zu zittern wie ein kleines Mädchen. Das gehört sich nicht.“, und als Evas leise Stimme neben ihm ertönt, öffnet der Rothaarige sie wieder. „Eva! Was zum…achso.“, als er das Simsala der Blonden neben sich stehen sieht, wird ihm einiges klar. Darum ist er nicht vom Auto zermalmt worden, sondern liegt auf dem Gehsteig neben der Straße. „Puh! Danke, dass du und dein Simsala hier zufällig…warte. Woher wusstet ihr, wo wir rausspringen würden?“, will er wissen. Die Blonde sieht in den Himmel, wo schwarze Rauchfahnen aus dem Gebäude emporsteigen. Hier unten hat kaum jemand etwas davon gemerkt, nur als einige Trümmer herabfielen, gab es eine kurze Panik von einigen Menschen, die beinahe getroffen wurden. „Wir haben uns entschlossen, die Südseite zu bewachen.“, antwortet sie dann. Der Feuertrainer nickt, dann bemerkt er, dass auch Chief schon hier ist. Er ruft soeben sein Rameidon zurück. „Und woher wusstet ihr, in welchem Gebäude…“, weiter kommt er nicht, Eva zückt ihr Handy. „Officer Rocky hat kleine Peilsender in die Handys eingebaut. Daher konnten wir zumindest den Ort bestimmen. Als wir ihm sagten, er sollte springen, war von vornherein klar, dass entweder wir, Alfred oder Kuré ihn auffangen würden.“ – „Also habt ihr alle so ein starkes Psychopokémon?“ – „Wir haben unser Simsala, das steht fest. Kuré besitzt ein äußerst starkes Guardevoir.“ – „Und Alfred?“ – „Nun, sagen wir so, die Überlebenschancen nach dem Sprung standen bei 50%.“ – „DAS SOLLN WITZ SEIN!“ – „Wir belieben nicht zu scherzen.“, Evas Stimme klingt wirklich nicht danach. Pay fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Dann grinst Eva ihn an. „Alfred hat ein Hypno.“ – „Naja, es ist alles gut gegangen. Danke nochmal fürs Auffangen.“ – „Immer gern.“, die Blonde zieht eine Braue hoch. „Irgendetwas haben wir vergessen. Aber was…?“, vor sich hin murmelnd drückt sie einen weiteren Knopf auf dem Handy und sagt Alfred Bescheid, dass er Kuré mitnehmen und vor das Gebäude kommen sollte. Als Pays Blick auf den Ball in seiner Hand fällt, wird er nachdenklich. Wie es Lilith wohl geht? ‚Finden wir es heraus. Du warst lang genug eingesperrt.‘. „Zeit, Lilith freizulassen.“, Pay wirft den Ball in die Luft, erneut blitzt es rot, und eine Gestalt materialisiert sich auf dem Gehsteig. Im selben Moment fällt dem Rothaarigen ein, dass er einen riesigen Fehler gemacht hat. Er beißt die Zähne zusammen.
    „Oh-oh.“ – „Hups. Wo hat die kleine Lilith nur ihre Kleider gelassen? Hihihi…“
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    Nördlich von Ewigenau
    Lucia hatte richtig gelegen, wir schaffen es. Der Sturm kommt zwar immer näher, außerdem müssen wir uns nun einen Berg hinauf kämpfen. Doch die Skischule, von der sie erzählt hatte, ist bereits in Sicht. Knapp zwei Kilometer über uns kann ich das Gebäude am Hang stehend erkennen. Momentan befinden wir uns in der „Ruhe vor dem Sturm“, der Himmel über uns ist blau, die Landschaft erstrahlt in reinstem Weiß. Wenn ich runter auf meine Füße sehe, die mit jedem Schritt im Schnee einsinken, sehe ich die Eiskristalle, aus denen Schneeflocken bestehen, glitzern. Vor uns tollen unsere Plinfas her, meines war auf einmal aus dem Ball gekommen und hatte sich auf der Stelle in die Umgebung verliebt. Meine Freundin hatte ihren kleinen Pinguin auch gerufen, die Kälte macht den beiden nichts aus. Während des beschwerlichen Weges übe ich, den Schnee zu kontrollieren, was erstaunlich gut klappt. Ich frage mich, wieso es bei Nebel so schwer war und beim Schnee jetzt nicht. Wie dem auch sei, nach einigen Stunden der Übung bin ich in der Lage, kleine Schneemänner zu bauen, ohne mich groß anzustrengen, was Lucia äußerst amüsant findet. Auch größere Skulpturen kann ich kreieren, doch je größer sowas werden soll, umso mehr Konzentration brauche ich dafür. Auf dem letzten Kilometer liefern wir uns ein Wettrennen mit dem Sturm. Ich kann meinen Atem in der kalten Luft sehen, der Schnee knirscht unter meinen Stiefeln. Als ich den Blick hebe und die Hand als Sonnenschutz über meine Augen halte, kann ich erkennen, dass sich an der Skischule auch ein Lift befindet, welcher noch weiter nach oben führt. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. „Lucia?“ – „Ja?“ – „Dieses Gebäude sieht verlassen aus.“ – „Kann nicht sein! Als wir damals nach Norden wollten, hat Rocko ohne Unterlass geschwärmt, wie nett die Bedienungen sind und wie gemütlich…“ – „Nein, schau mal.“, unterbreche ich sie. Dabei zeige ich nach oben, einige der Fenster im zweiten Stock sind zerbrochen, das sehe ich schon aus dieser Entfernung. Und Reparaturteams oder Ähnliches kann ich weit und breit nicht entdecken. Wirklich merkwürdig. Wir steigen den Berg weiter hinauf, eine Viertelstunde später stehen wir auf einer mittelgroßen Terrasse vor dem Haupteingang. Ich lege die Hände auf das Geländer und sehe ins Tal herunter. Lucia stellt sich neben mich. Eine kühle Böe trifft mein Gesicht. Tiefe Wälder und schneebedeckte Gipfel liegen unter uns. Das ganze Stück haben wir in den letzten beiden Tagen geschafft. Ein paar ramponierte Bänke stehen neben uns. „Lass uns reingehen.“ – „Ja.“.
    Von innen macht das Gebäude einen noch tristeren Eindruck, die Eingangshalle wird in kaltes Neonlicht getaucht, als ich auf den Schalter neben der Tür drücke. Die Rezeption ist verlassen. Niemand befindet sich hier. An einer Wand hängt eine Art Fotogalerie, neugierig trete ich näher. ‚Skipass 1990‘, steht über dem Bild ganz rechts, 20 Jungen und Mädchen lachen in die Kamera. Sie sitzen auf derselben Terrasse, auf der wir eben standen. Ein Mädchen in der vorderen Reihe reckt die Faust im Jubel nach oben. Lächelnd gehe ich ein wenig näher ran, sie erinnert mich an jemanden. „Die sind nach Jahr sortiert.“, bemerke ich, als ich neben dem ersten Bild ein weiteres mit der Aufschrift ‚Skipass 1991‘ sehe. In jedem Jahr ist die erste Skiklasse fotografiert worden, so wie es aussieht. „Maria?“ – „Ja?“ – „Komm mal her.“, meine Freundin steht ganz rechts, ich nehme meine Mütze ab und gehe zu ihr hinüber. ‚Skipass 2009‘ steht auf dem letzten Bild. Mir läuft ein Schauer über den Rücken: es zeigt uns beide, auf der Veranda außen stehend. „Draußen war aber niemand.“ – „Das hätten wir doch bemerkt, wenn uns jemand fotografiert hätte! Was geht hier vor sich?“, will sie wissen. Meine Gedanken rasen. Dieses Gebäude hat schon seit Langem keinen menschlichen Besuch mehr gehabt, soviel steht fest. Wäre es möglich, dass es sich in eine Art Geisterhaus verwandelt hat? „Komm mit.“, mir kommt eine Idee. Hastig ergreife ich Lucias Hand und eile mit ihr durch die doppelten Glastüren. Raus aus der Skischule, auf der Terrasse nach rechts. Ich werfe einen Blick auf das Dach. „Schau mal.“, sage ich, als wir einen guten Blick auf das dritte Stockwerk haben. Eine Lawine hat es getroffen, große Teile sind eingebrochen. „Lawinen sind ein schönes, aber auch schreckliches Naturschauspiel. Sie muss der Grund gewesen sein, dass die Schule geschlossen wurde.“ – „Was tun wir jetzt? Bauen wir doch mein Zelt auf?“ – „Nein, das nicht. Ich bin sicher, es gibt Räume, die wir noch nutzen können. Die Küche zum Beispiel.“. Es behagt mir zwar nicht, in einem Geisterhaus zu übernachten, doch uns bleibt keine Wahl. Der Sturm hat uns beinahe eingeholt. Es wird dunkler am Himmel. Also gehen wir zurück in die Eingangshalle, weiter hinten führt zwischen zwei quadratischen Säulen eine Treppe weiter hinauf. „Du suchst oben, ich sehe hier unten nach. Wir suchen nach Räumen, die erstens noch dicht sind und zweitens noch funktionstüchtige Heizungen haben.“ – „Gut. Bis gleich!“, Lucia verabschiedet sich von mir, nimmt dann ihr Plinfa auf den Arm und macht sich auf den Weg. Mein Plinfa folgt mir, als ich nach links abbiege, einen schmalen Korridor entlang. Der Boden ist dunkel gefliest, die Wände weiß getüncht. Und trotz des Umstands, dass hier wohl schon seit Ewigkeiten keine Putzkolonne durchgefegt ist, befindet sich alles in tadellosem Zustand. Ich öffne die erste Tür und betrete einen Abstellraum. Pappkartons stehen herum, womöglich mit Nahrungsmitteln oder sowas. Darum würde ich mich später kümmern. Die zweite Tür führt zur Damentoilette. Es riecht nach abgestandenem Wasser und feuchtem Papier. Als ich mich innen genauer umsehen will, stößt mein Fuß gegen etwas Weiches. Überrascht senke ich den Blick. Eine Staralili-Puppe liegt auf dem Boden. Ich hebe sie auf und betrachte sie genauer; eines der Augen fehlt und verleiht ihr ein gruseliges Aussehen. „Bah.“, außerdem ist sie ganz nass. Angeekelt lege ich sie auf den Rand des Waschbeckens im kleinen Vorraum und verlasse die Toilette.
    Es ist still um mich herum. Nur das Geräusch meiner Stiefel auf den Fliesen und ist zu hören. Plinfa ist ebenfalls ruhig, als würde es spüren, dass etwas hier nicht stimmt. „Ich hasse Geister.“, flüstere ich. Gegen sie kann ich mit all meinen Kräften nichts ausrichten. Hilflosigkeit ist das, was ich am meisten fürchte. In den nächsten 10 Minuten durchsuche ich weitere Räume, darunter mehrere Besenkammern ohne interessanten Inhalt. Doch der Essenssaal am Ende des Gangs ist vielversprechend. Tische und Stühle sind sorgfältig aneinandergerückt, was mich vermuten lässt, dass die Lawine entweder in der Nacht oder früh morgens kam. An der hinteren Wand hängt ein großer Bildschirm. Ich suche die Küche, die muss hier auch irgendwo sein. „Autsch!“, beim Durchqueren des Raums stoße ich mich an einem der Holzstühle. Mir wird warm, die Heizung hier scheint noch zu laufen. Ich öffne die Jacke. Links von mir steht eine lange Glasvitrine, ich schätze, dort waren morgens immer die Kuchen, Brote, Marmeladen und Muffins gelagert, die es zum Frühstück gegeben hatte. Der Essenssaal ist ziemlich luftig eingerichtet, durch die vielen Fenster strahlt an schönen Tagen sicher viel Licht. Doch momentan prasselt Schnee an die Scheiben. Der Sturm hat uns endlich erreicht. Ich öffne gerade eine stählerne Doppeltür, als die ersten Blitze niederzucken. Gleißendes Licht erhellt den Raum für einige Sekunden. Beunruhigt drücke ich eine der Türen auf und betrete die Küche. Armaturen aus Edelstahl, weiße Fliesen und jede Menge Glas herrschen hier vor. „Wo ist der Kühlschrank?“, murmele ich. „Hinten rechts an der Wand…“ – „Ah, danke, Lucia.“. Sekunde. Woher weiß Lucia das? Irritiert drehe ich mich um. Dann erschrecke ich und stoße einen Schrei aus.
    Ein kleines Mädchen steht genau vor mir, sie trägt ein weißes Nachthemd, ihr Pony hängt ihr in die Stirn, sodass tiefe Schatten ihr Gesicht verdecken. Ich hebe die Hände. „Was willst du?“, frage ich, bemüht, mich wieder in den Griff zu kriegen. Sie regt sich nicht. Okay, unheimlich. ‚Maria, beruhig dich, sie ist sicher nur von ihren Eltern getrennt worden oder so…‘, rede ich mir selbst ein. Unsinn! Wir haben niemand gesehen, seit wir hier sind. Und nur ein kleines Mädchen bleibt übrig? Mich soll auf der Stelle ein Blitz treffen, wenn sie nicht zu diesem Geisterhaus gehört. „Ich will spielen.“, flüstert sie und erinnert mich dabei erschreckend an Lilith. Langsam balle ich die linke Faust, doch ich kann kein Wasser in ihrem Körper spüren, was ich kontrollieren könnte. Das ist mir Beweis genug. „Spielen? Was denn?“, frage ich nervös und lecke mir über die Lippen. „Ich will mit dir spielen.“ – „Ich habe leider keine Zeit. Muss nur schnell an den Kühlschrank da.“ – „Du schuldest mir was…ich habe dir verraten, wo er steht.“ – „Und dafür bin ich dir auch dankbar, aber…“ – „Bis wir gespielt haben, wirst du hier bleiben…“ – „Was?“, in meinem Hinterkopf schrillen die Alarmglocken. Was tue ich hier eigentlich? Mit kleinen, unheimlichen Geisterkindern diskutiert man nicht! Ich sollte den Kühlschrank checken und so schnell hier verschwinden, wie ich kann. Mit einer Erscheinung, gegen die meine Kräfte nichts ausrichten, lege ich mich nicht an. „Ich versprechs.“, sie hebt den Kopf, weiße, leere Augen starren mich an. Ich schrecke zurück und stoße gegen einen Herd. Aus irgendeinem Grund spüre ich in meinem Gesicht stechenden Schmerz. Unwillkürlich blinzele ich, doch als ich die Augen wieder öffne, sind Mädchen und Schmerzen weg. Schwer atmend sehe ich mich um. Dann umarme ich mein Plinfa ein wenig fester. „Nur Einbildung. Nur Einbildung. Nur…ach, verdammt, was zur Hölle geht hier vor sich?“. Mit einem schlechten Gefühl trete ich zum Kühlschrank herüber, einem Monstrum von einer Maschine. Eiskalter Dampf zischt mir entgegen, als ich ihn öffne. In mehreren Schubfächern lagern kiloweise eingefrorene Lebensmittel. „Das dürfte doch für eine Nacht reichen.“, sage ich. Behutsam nehme ich einige Fertigmahlzeiten heraus und schließe die Kühlschranktür. Dann reiße ich sie wieder auf. „Was!“, entfährt es mir. 4 Flaschen Sprite liegen im obersten Fach. Wäre dies hier ein Cartoon, so würden meine Augen sich in diesem Moment in kleine, funkelnde Sternchen verwandeln, fährt es mir durch den Kopf. Hastig befreie ich die Flaschen aus ihrer Gefangenschaft. „Kommt schön zu Maria.“. Dergestalt ausgestattet verlasse ich die Küche, stoße im Essenssaal fast mit Lucia zusammen. Sie hat irgendwas in der Hand. „Stimmt was nicht?“, will sie wissen, als ich einen kurzen Blick über die Schulter werfe. „Nein. Hör mal.“, in Kurzfassung erzähle ich ihr von dem Mädchen aus der Küche. Wir setzen uns an einen der Tische. Meine Freundin legt das, was sie in der Hand hält, auf die Tischplatte. Es ist ein alter Skiausweis.
    „Ist sie das?“ – „Nein.“, murmele ich, als ich mir das Bild angesehen habe. „Ein Name steht nicht dabei, ich nehme an, dass man, als die Anlage hier noch in Betrieb war, solch einen Ausweis brauchte, um den Lift zu benutzen oder so.“, meint Lucia. „Wo hast du das gefunden?“ – „Am Treppenabsatz oben. Der zweite Stock ist fast komplett zerstört, statt einer Decke kann man dort viel Eis besichtigen. Wahrscheinlich hast du mit deiner Lawinen-Theorie Recht. Im ersten Stock sind Gästezimmer, dort ist kein Eis. Da könnten wir schlafen. Aber irgendwie macht mir das Gebäude Angst, Maria.“ – „Ist dir auch ein Geist begegnet?“ – „Nein, aber ich könnte schwören, Schritte gehört zu haben. Ich war aber allein oben, da bin ich sicher.“ – „Gut. Wollen wir dann hier bleiben? Dann können wir besser abhauen wenn…irgendetwas schief geht. Meine Kräfte sind gegen Geister absolut nutzlos.“, sage ich leise. Die Blauhaarige nickt. „Gut, bleiben wir hier.“ – „Aber ich brauche dringend eine Dusche. Die Toiletten habe ich gefunden, aber die Duschen noch nicht. Bin gleich wieder da.“, mit diesen Worten setze ich meinen Rucksack und Plinfa auf dem Tisch ab, ziehe meine Jacke aus und mache mich auf den Weg. Es blitzt erneut. Mittlerweile ist es sicher schon Abend, der immer tiefer werdenden Dunkelheit nach zu urteilen. In der Eingangshalle biege ich nach rechts ab, steige die Treppe hinauf und finde mich in einem mit Teppich ausgelegten Korridor wieder. Es ist gespenstisch still hier, genau wie im restlichen Haus. Wieder öffne ich systematisch Türen, die dritte führt mich in einen weitläufigen, gefliesten Raum, auf der einen Seite befinden sich Waschbecken und Spiegel, auf der anderen Duschkabinen. Bingo. Erleichtert lege ich Pulli, Jeans und Unterwäsche ab, fröstele leicht, und steige unter die erstbeste Dusche. Als ich das Wasser aufdrehe, zucke ich zusammen. Es ist eiskalt. Mit zusammengebissenen Zähnen shampooniere ich mir die Haare. Mein Körper gewöhnt sich an die Kälte. Irgendwie fühle ich mich nach einigen Minuten des Duschens merkwürdig. Ich kann nicht genau beschreiben, was es ist, doch… meine Haut fühlt sich komisch an. Es kribbelt an manchen Stellen, doch ich kann keine Ursache finden. Wiederum ein wenig später fällt mir etwas Ungewöhnliches auf. Um mir das Shampoo aus den Haaren zu waschen, muss ich die Arme heben und anwinkeln, und an meinem Ellbogen erregt ein schwarzer Faden meine Aufmerksamkeit. „Huch?“, entfährt es mir, langsam nehme ich die linke Hand hoch, um ihn zu entfernen. Ein kurzer Schmerz durchzuckt den Arm. Es ist, als würde der Faden in meiner Haut stecken. Nervös zupfe ich weiter, doch der Faden wird nur länger. Ich bekomme Angst. Was zur Hölle geschieht mit mir?
    /


    Ein Stockwerk tiefer streift Lucia durch die Räume, sie hat die beiden Mahlzeiten in der Mikrowelle aufgewärmt, die sie an der Theke fand. Nun muss sie nur noch warten, bis Maria fertig geduscht hat. Ein Blick auf die Uhr zeigt ihr an, dass es schon nach 20 Uhr ist. Die Braunhaarige hatte gesagt, dass es hier mehrere Abstellkammern gibt, vielleicht findet sich dort ja auch Bettzeug oder so. Vorsichtig öffnet Lucia eine Tür zu ihrer Linken. Die Kammer ist dunkel, in Regalen und auf dem Boden stehen Pappkartons, eine verstaubte Videokamera liegt auf einem der Kartons. Neugierig geworden nimmt Lucia das Gerät in die Hand, klappt den Schirm auf und startet die letzte Wiedergabe. Eine Gruppe junger Menschen steht auf der Terrasse vor der alten Schule, die Kamera wird umgeschwenkt, sodass man sehen kann, wer filmt. Ein Mädchen mit Skimütze und schwarzen Haaren grinst Lucia entgegen. Sie filmt ihre Freunde, wie sie die Skischule betreten. Scheinbar wissen sie, was hier passiert ist, und wollen eine Art Mutprobe durchführen, denkt die Koordinatorin. Doch je weiter sie das Band verfolgt, umso mulmiger wird es ihr. Die Jungen und Mädchen wählen ein Zimmer im oberen Stock als Schlafzimmer, ab und zu springt das Band zu einer späteren Szene. Scheinbar hat das Mädchen nicht alles gefilmt. „Das ist mir zu dunkel.“, murmelt Lucia, wendet sich zum Gang um und sucht den Lichtschalter. Nachdem sie ihn betätigt hat, nimmt sie aus dem Augenwinkel etwas wahr, was ihr Angst einjagt. Zitternd blickt sie über die Schulter. Am Ende der Kammer sitzt ein Mädchen und starrt sie an. Sie schreit, stolpert rückwärts, und fällt auf den Hintern. „Wa…“, keucht sie, doch dann beruhigt sie sich. Es ist nur eine lebensgroße Puppe, die jemand auf einen der Kartons gesetzt hat. Eine ziemlich ramponierte dazu, einer der Knöpfe, die als Augen dienen, fehlt. Überall an Armen und Beinen sind Stellen geflickt. „Sekunde.“, murmelt Lucia. Als sie näher rangeht, hält sie die Kamera vor sich, und vergleicht das Bild des grinsenden Mädchens mit der Puppe. Ein Schauer rieselt ihr den Rücken herunter. „Das kann doch nicht wahr sein.“, sie merkt, dass ihre Stimme zittert. Energisch richtet sie sich auf und schüttelt den Kopf. „Nein. Das muss ein sehr makaberer Scherz…“, doch dann fällt ihr Blick wieder auf das aufgenähte Auge. Dann auf das grüne T-Shirt, welches die Puppe trägt. Irgendwas in Lucias Hals wird zugeschnürt, sie schluckt mehrmals heftig. Dann hört sie einen lauten, durchdringenden Schrei aus dem oberen Stockwerk. „Maria!“, hastig stürmt sie aus dem Zimmer, wirft einen letzten Blick auf die Puppe. Am Treppenabsatz im ersten Geschoss rennt Maria sie beinahe über den Haufen, so aufgelöst hat sie noch nie ausgesehen. Krampfhaft hält sie ihre Hände vors Gesicht, ihr Haar ist noch nass, und am Leib trägt sie nichts als ein Handtuch, welches vorn zusammengeknotet ist. Die Koordinatorin schließt Maria in die Arme. „Was ist denn? Alles ist gut, ich bin ja da. Alles in Ordnung? Sag schon!“, doch die Braunhaarige ist außerstande, zu antworten. Alles, was über ihre Lippen kommt ist verzweifeltes Weinen.
    In Lucias Eingeweiden gefriert etwas, wenn es etwas in diesem Haus gibt, was selbst Maria so aus der Fassung bringt, ist es gefährlich. Sie bekommt es mit der Angst zu tun. Als ihre Freundin die Hände vom Gesicht nimmt, stockt ihr das Herz.


    so, geisterstunde part 1 ist damit vorbei :P ich freue mich auf kommis und sowas, bis zum nächsten mal.
    mfg
    Kori

  • so, wie versprochen ist hier das neue kapitel ;D ist meine die einzige story wo dauernd sachen gelöscht werden?! wie dem auch sei, viel spaß.



    Kapitel 29
    Drama um Kara


    5.7.-6.7.2009


    So hatte sich Eva ihren Herzhofenaufenthalt eigentlich nicht vorgestellt. Dass sie Pay und Chief retten sollte, hatte sie gewusst. Dass Lilith dabei sein würde ebenfalls. Doch dass Dutzende Galaktiker aus dem Wolkenkratzer stürmen würden, nachdem sie Pay aufgefangen hatte, hatte sie nicht vorhersagen können. Sie zieht ihren langen Mantel aus, der eigentlich nur zu Dekorationszwecken existiert, und legt ihn Lilith um, damit sie ihre Blöße bedecken kann. Im Anschluss gibt sie Kuré und Alfred ein Signal. „Was ist denn hier los, Mann?“, will Chief wissen. Auf der Straße wimmelt es auf einmal nur so von Galaktikern. Ein paar Passanten schauen sich den Auflauf an, als wäre das eine Art Kostümparty. Lilith nimmt Pays Hand. „Ich glaube, die wollen kämpfen.“, haucht sie, danach entringt sich ein irres Kichern ihrer Kehle. „Lasst mich. Lasst sie mir. Ich will sie alle auseinandernehmen.“, gluckst sie. Pay wirft ihr einen unsicheren Blick zu. „Alles klar bei dir?“ – „Oh. Ja. Alles bestens. Die kleine Lilith will spielen.“, haucht die Schwarzhaarige. Eva läuft ein Schauer über den Rücken. ‚Das ist nicht gut.‘, denkt sie. Alarmiert winkt sie Kuré und Alfred zu, die durch das Getümmel auf sie zukommen. „Wir haben ein Problem. Und damit meinen wir uns alle. Lilith ist rückfällig geworden, wahrscheinlich wegen der kurzen Gefangenschaft.“, erklärt sie. Alfred hebt eine Braue. „Was soll das heißen?“ – „Sehe er sie sich an.“ – „Hm. Was tun wir jetzt?“ – „Wir müssen hier weg, sonst wird sie noch unschuldige Menschen verletzen. Kommt.“, entscheidet Eva. Doch dann dringt Saturns Stimme durch die Massen. ‚Lautsprecher.‘, schießt es Eva durch den Kopf. „Sehr verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, werte Trainer. Im Namen von Zyrus, dem ersten Anführer Team Galaktiks, und all seinen Anhängern nehme ich hiermit die Kontrolle über Herzhofen an mich. Bitte bewahren Sie Ruhe und unternehmen Sie nichts…Dummes. Ich…“, er redet weiter, doch seine Stimme geht im Tumult unter, den die Galaktiker vor dem Gebäude auslösen. „Angriff!“, brüllt jemand. Evas Gehirn läuft auf Hochtouren. „Simsala, Golden Star!“, ruft Eva, es ist besser, eine große Attacke zu starten und dann zu verschwinden, sagt sie sich. Ihr Simsala setzt zu einer Kombinationsattacke aus 4 verschiedenen Angriffen an, die im letzten Jahr durch hartes Training noch verfeinert wurde. Ein gigantischer, golden glänzender Schild legt sich über Pay, Lilith, Eva, Alfred, Kuré und den Chief. Team Galaktik reagiert umgehend. Eine wahre Armee aus Pokémon erscheint auf der Straße. Autos halten mit quietschenden Bremsen an, Passanten schreien und nehmen Reißaus. Pay ruft sein Ramoth zu Hilfe, der Chief verlässt sich mal wieder auf Rameidon. Lilith will sich ebenfalls in den Kampf stürzen, doch Eva hält sie zurück. „Nicht! Sie muss sich abkühlen.“ – „Lass mich los, Eva! Wenns nötig sein muss, bist du die Erste, die ihre Kraft verliert! Ich will Rache!“, schreit Lilith. Die Blonde seufzt. „Sieh mich an. Sieh mir in die Augen.“, und als Lilith nur eine Millisekunde Evas Blick begegnet, wird sie auf der Stelle ruhig. Ihr Körper entspannt sich. „Ja.“ – „Komm mit. Wir müssen verschwinden.“ – „Alles, was du willst.“, während die anderen beiden Team Galaktik ablenken, macht sich Evas Team auf den Weg. Hinter ihnen lodern Flammensäulen empor. Pay dreht mal wieder auf. Rameidon rennt durch einen der Feuerstöße hindurch, sein Körper beginnt, zu glühen. Wie eine Magmabombe durchbricht er die erste Reihe der gegnerischen Pokémon. „´Abt ihr das gesä´en?!“; ruft Kuré, nachdem sie über die Schulter geblickt hat. „Ein wirklich interessantes Team, wirklich.“, stimmt Alfred zu. Dann deutet er nach vorn. „Die Zweite links, dort steht mein Wagen. Wir müssen Rocky benachrichtigen.“. Alfreds „Wagen“ stellt sich als Limousine heraus, welche über eine Fahrerkabine und einen großen Sitzbereich im hinteren Teil verfügt. Ein permanent lächelnder Chauffeur hält seinem Arbeitgeber die Tür auf. Wenig später erschüttert eine gewaltige Explosion die Straßen, kurz darauf rennen Pay und Chief die Straße entlang. Eva winkt ihnen zu. „Hierher! Schnell!“, ruft sie, als sie sieht, wer den beiden auf dem Fersen ist. Noch viel mehr Galaktiker.
    „Das sind zu viele! Schnell, fahrt los!“, brüllt Pay, springt in den Wagen und quetscht sich zwischen Lilith und Kuré. Chief wirft einen weiteren Pokéball. „Sandwirbel!“, ruft er dabei. Sein Pokémon wirbelt eine Staubwolke auf, die den zahlreichen Galaktikern, die hinter den beiden her waren, die Sicht nimmt. Mit quietschenden Reifen fährt die Limousine davon. Pay hat keine Zeit, die edle Inneneinrichtung zu bewundern oder sich über die Minibar zu freuen. Er sitzt auf der mit weißem Leder bezogenen Rückbank und sieht Lilith an, die gerade wieder zu sich zu kommen scheint. „Alles okay bei dir?“, fragt er mit leiser Stimme. Sie nickt schwach. „Wo sind meine Pokémon?“ – „Hier. Als du gefangen wurdest, hab ich die mitgehen lassen.“ – „Danke. Eva?“ – „Was will sie?“ – „Es tut mir leid. Ich war…bin nur so wütend. Niemand sperrt mich ungestraft ein.“ – „Verständlich. Doch in ihrem…anderen Zustand neigt sie dazu, wenig nachzudenken.“ – „Weiß ich. Weiß auch Maria davon?“ – „Ja. Sie hätte sie selbst befreit, wenn wir nicht schneller gewesen wären.“ – „Was tun wir jetzt?“ – „Wir fahren nach Blizzach. Maria braucht uns, und wir brauchen sie. Gegen all diese Galaktiker können wir nichts tun, wir sind zu wenige. Selbst Pays brutale Kraft besiegt sie nicht alle auf einmal.“, Eva blickt aus dem Fenster. ‚Herzhofen gehört nun Team Galaktik. Nun, nicht sehr lange, verlasst euch drauf.‘, denkt sie. Alfred gibt seinem Chauffeur ein Zeichen. Ihr Weg führt nach Norden. Die Abendsonne fällt durch die Fenster und taucht die Gesichter Kurés und Alfreds in orangefarbenes Licht.
    /


    Riley scannt die Umgebung. Links von ihm: eine Straßenlaterne. Vor ihm: eine Straße, die meist dicht befahren ist. Das Fenster, welches den Keller eines Künstlers zeigt, der jeden Tag malt. „Mei…der kleene Käfer doa vor mia?“, fragt Anderson gerade. Er hat „Ich sehe was, was du nicht siehst“ noch immer nicht erraten. „Nein, Mister Anderson.“, in diesem Moment fährt eine schwarze Limousine an den beiden vorbei, durch das Fenster glaubt Riley ein bekanntes Gesicht zu sehen. Einen Mann mit silbrigem Haar. Doch woher kennt er ihn? Unwichtig, er wartet hier, bis Madame Eva ihn abholt. „Mei, Riley?“ – „Was gibt’s, Mister Anderson?“ – „Woa das net grad Madame Eva?“ – „Wo?“ – „In dem Auto doa, hinter dem Typn mit den silbernen Haaren.“ – „Sind Sie sicher, Mister Anderson?“ – „Mei…“ – „Madame Eva hat uns befohlen, zu warten, also warten wir.“ – „Jawoal, Riley.“, sein Partner verstummt. Die beiden strahlen Effizienz aus, das weiß Riley. Der schwarze Anzug, seine Sonnenbrille, und die eiserne Disziplin bleiben niemandem verborgen.
    In dem Haus, welches gegenüber der zerstörten Polizeistation steht, wohnt eine junge Frau, welche jedes Mal, wenn sie duschen will, einen Typen mit schwarzem Anzug sieht, der in ihr Fenster starrt. Seit Tagen steht er da, niemals kann man sehen, ob er selbst duscht oder isst, dennoch sieht er tadellos gepflegt und kräftig aus. Sie hat ihn eine Nacht lang beobachtet, er rührt sich kein Stück vom Fleck. Ab und zu fragt er seinen Kollegen, der einige Meter weiter steht, irgendwas, dann schüttelt sein Kollege nur den Kopf und die beiden stehen genauso unbeweglich da wie immer. Vor einigen Tagen kam der erste Tourist, der sich mit einem der beiden hat fotografieren lassen. Mittlerweile stört es sie nicht mehr, dass er sie beim Duschen beobachtet, insgeheim ist sie sich sicher, dass er absolut nichts von dem wahrnimmt, was um ihn herum passiert. Viele haben schon versucht, ihn irgendwie aus der Ruhe zu bringen, doch vergebens. „Der Typ hat ja Ausdauer. Unfassbar.“, murmelt sie, als sie ihn mal wieder durch das Fenster hindurch sieht. Selbst der Räumungsdienst, der die Trümmer und den Schutt aus dem zerstörten Gebäude abgetragen hat, konnte diese beiden Männer nicht zum Gehen bewegen. Es sieht fast so aus, als würden sie auf jemanden warten. „Mami? Wir müssen los! Maisie hat doch gleich Geburtstag!“, ihre Tochter ruft nach ihr. Emma dreht sich um und lächelt. „Sie hat den ganzen Tag schon Geburtstag. Gut, ich bin soweit.“
    Elisa ist ihre kleine Tochter, und heute Abend ist sie zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. In der Jugend hat man es so gut, denkt Emma, und erinnert sich sehnsüchtig an ihre eigene Kindheit. Als sie mit ihrer Tochter die Wohnung verlässt, bemerkt sie, dass eine schwarze Limousine vor den beiden schwarz gekleideten Männern gehalten hat. Sie überlegt, wer das sein könnte. Ein blondes und wunderschönes Mädchen steigt aus dem Wagen und blickt sich um. Ihr Auftreten erinnert Emma an eine Prinzessin, wer auch immer dieses Mädchen ist, sie weiß, dass ihr nichts und niemand etwas anhaben kann. Und außerdem blickt sie auf ihre Mitmenschen herab. Als Emma und Elisa an ihr vorübergehen würdigt die Blonde die beiden keines Blickes. Sie schnappt einige Gesprächsfetzen auf, obwohl die typische Truppe aus Schaulustigen wieder da ist, welche die beiden Anzugträger bewundert. Fotoapparate verursachen ein Blitzgewitter, als das blonde Mädchen näher tritt. „Da sind sie ja. Wir haben uns schon gefragt, wo sie stecken mögen.“ – „Mei, mia hoabn den Befehl ausgführt und gwartet!“ – „Sehr schön, Anderson. Wir sind erfreut über so viel Loyalität. Doch nun ist es Zeit. Wenn sie sich bequemen mögen, einzusteigen…“ – „Sehr wohl, Madame Eva.“, erwidert der zweite. „Mei, Riley, moagst mir net endli soagn, woas…“ – „Meine Sonnenbrille, Mister Anderson.“ – „Du bist so guat, Riley! Da wär i nie drauf gekommen!“, Emma blickt nach vorn und geht weiter. Sie entfernen sich von der Prinzessin und ihren Bodyguards. ‚Bodyguards…das müssen sie sein.‘, denkt Emma. „Mami?“ – „Ja, mein Schatz?“ – „War das eine echte Prinzessin? Hast du ihr Kleid gesehen? Und ihre Haare? Sie ist so hübsch!“ – „Ich glaube schon, dass es eine war. Sie hat ihre Beschützer abgeholt.“, antwortet sie. Allerdings gibt es in Sinnoh keine Prinzessinnen, daher liegt es nah, dass es nur ein sehr reiches Mädchen gewesen sein muss. Emma seufzt. Um sich so eine Limousine leisten zu können, müsste sie ihr Leben lang sparen. Sie und ihre Tochter biegen an einer Kreuzung ab. In Gedanken ist Emma schon beim Geburtstagsfest.
    /


    Im Inneren des Wagens werden Evas Leibwachen von den anderen Trainern begrüßt. Als Pay erfährt, dass Anderson all die Zeit an „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gerätselt hat, lacht er eine geschlagene Viertelstunde lang. „Die Typn sind ja der Hammer! Ey, Anderson! Ich sehe was, was du nicht siehst, und…“ – „Genug.“, fährt ihm Eva dazwischen. „Wir haben ernstere Themen zu besprechen. Anderson und Riley sind exzellente Nahkämpfer, doch Pokémon haben sie keine, das heißt, gegen Team Galaktik können sie vergleichsweise wenig anstellen. Wir werden sie beide einsetzen, sobald wir Saturn in greifbarer Nähe haben. Verstanden?“ – „Laut und deutlich, Madame Eva.“ – „Jawoal!“
    //


    Skischule, südlich von Blizzach
    Die Koordinatorin starrt mich an und weicht hastig zurück. Ihr Blick verrät Unsicherheit, große Angst, sogar Schock. Das ist zu viel für mich. Meine Tränen brechen sich Bahn. Ich frage mich, ob mit mir irgendetwas nicht stimmt. Also, geistig gesehen, meine ich. In vielen Momenten, in denen andere ausrasten würden, bleibe ich ruhig, selbst wenn dazu keinerlei Grund mehr besteht. Klar, ich vertraue auf meine Fähigkeiten und auf meine Kraft, doch jetzt, in diesem Moment, kann mir gar nichts helfen. So hilflos wie jetzt jedoch habe ich mich das letzte Mal in diesem Traum gefühlt. Als ich aus der Dusche kam, und in den Spiegel geschaut habe, dachte ich, mein Herz versagt mir den Dienst. Wie es genau passiert ist, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich hat dieses Geisterkind etwas damit zu tun. Mein Gesicht ist komplett entstellt, dort, wo meine tiefblauen Augen sein sollten, befinden sich zwei große Knöpfe. Vom linken Mundwinkel bis zur Mitte des Mundes sind meine Lippen zusammengenäht, was mir ein Aussehen verleiht, vor dem ich mich selbst grusele. Ich sehe aus wie eine verfluchte Puppe. Mit meiner Selbstbeherrschung ist es vorbei, so sehr wie jetzt habe ich lange nicht mehr geweint. ‚Hilflos. Gegen Geister wirkt dein Wasser nicht.‘. Lucia fasst sich ein Herz und hockt sich neben mich. „Wie ist das passiert?“, als ich keine ordentliche Antwort rausbringe, legt sie die Arme um mich. Ihre Umarmung spendet mir ein wenig Trost, ich bin nicht allein, das signalisiert sie mir damit. „Siehst du am ganzen Körper so aus?“, will sie wissen, als sie ihr Kinn auf meine Schulter und eine Hand an den Hinterkopf legt. Ich kann nur abgehackt nicken. Das Sprechen fällt mir schwer. „Ja. Als ich a-aus der D-Dusche kam, dachte ich, m-mich trifft der Schlag.“, schluchze ich mehr, als dass ich rede. Ich wünschte, es wäre nur ein böser Traum. „Überall diese N-Nähte, und ich werde es nicht los!“ – „Beruhige dich, ich bin da. Ich bin da.“, sie spricht, als wäre sie eine Mutter, die ein kleines Mädchen trösten muss. Wärme geht von ihrem Körper aus. Wie lange sie mich so hält, kann ich im Nachhinein nicht sagen, aber irgendwann habe ich mich einigermaßen beruhigt. Ich drücke sie ein wenig fester. „Du bist die beste Freundin, die man sich vorstellen kann, weißt du das schon?“ – „Als ich Nachts Angst hatte, hat mich meine Mum immer so umarmt. Wir finden eine Lösung, da bin ich sicher.“ – „Wie denn?“, ich versuche, die Verzweiflung aus meiner Stimme zu verbannen. „Das ist die erste Nacht, in der du so aussiehst, das steht fest. Die veränderten Faktoren müssen also aus diesem Gebäude kommen.“, mir gelingt es nicht, das Grinsen zu unterdrücken. Normalerweise bin ich diejenige, die eine Situation zu analysieren versucht, um dann Gegenmaßnahmen einzuleiten. Doch nun, wo ich nicht in der Lage bin, klare Gedanken zu fassen, will Lucia das übernehmen. Wir sitzen nun nebeneinander auf der obersten Treppenstufe. Sie lächelt mich aufmunternd an. Ich erwidere ihr Lächeln, so gut es geht, was ihr aber ein wenig Angst zu machen scheint. Sofort werde ich ernst. Kein Lächeln, solange mein Mund nicht ordentlich funktioniert, sage ich mir. Dann denke ich nach. Lucia hat Recht, diese Veränderung muss aus diesem Haus kommen. Hat mich das kleine Mädchen verflucht, weil ich nicht mit ihr spielen wollte? Wenn das so ist, dann kann sie mich auch…
    Sekunde.
    „Es muss hier ein Geist- oder Psychopokémon geben, welches ihrer Erscheinung mehr Kraft gibt.“, überlege ich. Es ist komisch, nur mit der rechten Mundhälfte zu sprechen. „Oder es ist wirklich ein echter Geist.“ – „Oder es ist ein echter Geist.“, stimme ich ihr zu und erhebe mich. „Ist es schlimm für dich?“, frage ich dann leise. Lucias Meinung ist mir wichtig. Zu meiner Erleichterung schüttelt sie den Kopf. „Ich weiß, wie du in Wahrheit aussiehst. Das schaffen wir schon, mach dir keine Sorgen. Betrifft dieser…Fluch deinen gesamten Körper?“, statt einer Antwort nehme ich das Handtuch weg. Peinlich ist mir das nicht, die Koordinatorin ist mir wie eine Schwester und kennt mich. Über meinem linken Bein, an meinem rechten Ellbogen und quer über meinem Bauch sind Nähte zu sehen, als wäre ich mehr schlecht als recht obduziert worden. Nachdenklich sieht Lucia sich die betreffenden Stellen an. „Weißt du, ich habe unten eine Puppe gefunden. Und diese Kamera hier. Ich glaube, es gibt noch jemanden, der verflucht ist.“ – „Wirklich?“, ich bin überrascht. Eigentlich dachte ich, ich hätte alle Räume durchsucht. „Ja, komm mit. Wenn meine Vermutung stimmt, bleibt uns aber nicht viel Zeit.“ – „Wie meinst du das? Nicht viel Zeit wofür?“ – „Für deine Rückverwandlung.“. Ich wickele mir das Handtuch wieder um den Körper. „Das klingt schlecht, Lucia.“ – „Ist es auch. Komm mit.“, sie führt mich, nachdem ich mich wieder angekleidet habe, runter ins Erdgeschoss. In einer der Abstellräume, in denen ich vorher war, knipst sie das Licht an. Dann schmerzt mein einer Ringfinger. Als ich hinsehe, sehe ich, wie ein weiterer Faden erscheint, der von Geisterhand in den Finger genäht wird. Ich muss schlucken. „Da.“, ich schrecke zurück. Lucia zeigt auf eine lebensgroße Puppe mit schwarzem Haar, die ziemlich demoliert aussieht. Sie starrt uns mit ihren Knopfaugen an. „Passiert…DAS auch mit mir?“, frage ich mit bebender Stimme. Die Koordinatorin nimmt meine Hand. „Nicht, wenn wir es verhindern. Auf der Kamera befinden sich Aufnahmen von ihrer Zeit hier. Sie heißt Kara, ist mit ihren Freunden hergekommen, um eine Mutprobe durchzuführen. Hier.“, sie hält mir die Kamera hin, ich besehe mir das Band. Julia und ihre Freunde finden ebenfalls ein Foto von sich, obwohl sie niemanden bemerkt haben. Bei Sonnenuntergang des ersten Tages sah Kara genauso aus wie ich, und mit jedem weiteren Tag sind die Veränderungen schlimmer geworden. Bis…
    „Sie so aussah.“, flüstere ich. Lucia nickt bedächtig. „Was tun sie jetzt gerade?“ – „Sie schauen sich ihre Fotos an und sind aufgeregt wegen irgendwas. Wollen wir nachsehen?“ – „Ja.“, wir verlassen die Kammer, ich werfe Kara einen Blick über die Schulter zu, bevor ich die Tür schließe. In der Eingangshalle erwartet uns eine weitere üble Überraschung. Unser Bild hat sich drastisch verändert. Zwischen mir und Lucia steht nun ein kleines Mädchen, und zwar das, was auch auf dem Pass abgebildet ist, den Lucia gefunden hat. „Unheimlich. Sie hält meine Hand.“, murmelt meine Freundin. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Auf dem Bild sehe ich auch aus wie eine Puppe. „Zeig mir deine Hand. Schnell.“ – „Was…“, Lucia gehorcht mir und dreht die Hand nach oben. Dann keucht sie auf. Ein schwarzer, kleinerer Handabdruck ist auf der Handfläche erschienen. „Wie kommt das dahin? Ich habe kein Geistermädchen getroffen!“ – „Der Pass. Der Skipass ist schuld.“ – „Aber…“ – „Kein Zweifel. Sie ist dieselbe.“, sage ich. Wir sind also beide Opfer der Geister dieses Hauses. Doch wie werden wir unsere Flüche los? „Wenn das Mädchen nicht der Auslöser ist, was dann?“, frage ich mich. Wie ein Blitz durchzuckt mich die Erkenntnis. „Lucia, zeig mir nochmal das Video.“, sie schaut mich verängstigt an. „Okay.“ – „Da!“, an einer Stelle, als Kara und einer ihrer Freunde die Treppe hochsteigen, liegt diese Staralili-Puppe am Treppenabsatz. Ich spule ein bisschen weiter. Am nächsten Morgen liegt sie in der Kantine auf einem der Tische, ohne dass jemand sie angefasst hat. Und mit jedem Tag, an dem Kara in Puppengestalt immer mehr demoliert wird, scheint das Staralili in besserem Zustand zu sein. „Das Ding ist der Schlüssel.“ – „Maria?“ – „Ja?“ – „Wieso ist Kara noch immer hier? Wieso ist die Kamera noch hier? Wo sind ihre Freunde?“, will sie mit zitternder Stimme wissen. Ich schüttele den Kopf. „Das weiß ich nicht. Aber ich habe nicht die Absicht, länger als nötig in diesem verdammten Haus zu bleiben.“.
    Zurück in der Kantine bemerke ich, dass Plinfa scheinbar keine Angst vor mir hat, es zuckt nicht einmal zurück, als ich mich an den Tisch setze. „Es spürt, wer du wirklich bist.“, meint Lucia, als ich sie darauf anspreche. Lucia besorgt zwei Teller, während ich in Gedanken versunken die aufgewärmten Mahlzeiten auspacke. „Na toll.“, seufze ich. Zum Glück gelingt es mir irgendwie, ein paar Bissen runter zu kriegen, auch wenn mein Mund nicht so funktioniert, wie ich es gewohnt bin. Die ganze Zeit lang rasen meine Gedanken. Das Mädchen in der Küche hat mich verflucht, das steht mittlerweile fest. Sie wollte spielen, ich habe ihr den Wunsch ausgeschlagen, und zur Strafe verwandelt sie mich in eine Puppe. Aber das erfüllt ihren Wunsch nach einem Spiel nicht, es sei denn, sie findet es lustig, mich leiden zu sehen. Lustlos stochere ich in den Nudeln. Immer neue Fragen tun sich auf. Wieso ist dieses Geistermädchen hier? Ist sie ein echter Geist oder eine Illusion, geschaffen von einem Pokémon? Wenn ja, was hat dieses Pokémon gegen uns? Wieso wohnt es hier? Was ist hier passiert? Wem gehört die Staralili-Puppe? Und warum hat sich unser Foto verändert? Ich spüre leichte Kopfschmerzen, genervt stütze ich das Kinn auf die Hände. So komme ich nicht weiter. So eine Scheiße. Ich will nicht für immer so bleiben. „Was tun wir jetzt?“, fragt Lucia nach dem Essen. „Ich weiß es wirklich nicht. Auf dem Video ist nichts zu finden, Kara und ihre Freunde sind ebenso ratlos gewesen, wie wir es jetzt sind. Alles, was wir wissen, ist, dass diese Puppe…“, ich stocke. Das Geistermädchen will spielen. Eine Staralili-Puppe liegt im Badezimmer. Was, wenn sie damit spielen will?
    „Okay, ich habe eine Idee. Aber wundert es dich nicht, dass es hier überhaupt spukt? Oben diese Schritte, und hier…“, ich sehe mich unbehaglich um. Überall Schatten. Man kann nicht wirklich gut sehen, was unter den Tischen vorgeht. Hunderte von bösen Geistern könnten sich dort verstecken, ohne dass wir es überhaupt mitkriegen. Eine kleine Tischlampe, die Lucia irgendwo gefunden hat, ist unsere einzige Lichtquelle. „…und hier ist es auch unheimlich.“, beendet sie meinen Satz. Ich nicke. „Ja. Mit mir als Krönung.“ – „Lass den Kopf nicht hängen. Wir kriegen dich wieder hin. Sag mal, wie kannst du eigentlich sehen?“ – „Normal. Wieso?“ – „Nur so.“ – „Wegen der Knöpfe?“ – „Ja. Egal, wie gesagt, du wirst nicht ewig so aussehen.“ – „Ich sehe mich mal im Obergeschoss um, ja? Wir müssen herausfinden, was hier eigentlich los ist.“, in diesem Moment greift Lucia zur Gabel, mit einem splitternden Geräusch zerplatzt sie. „Was zur Hölle…“, entfährt es der Koordinatorin. „Die Gabel ist total verrostet.“ – „Aber als ich sie eben noch in der Hand hatte, war sie wie neu!“, ich nehme ihre Hand und drehe sie um. „Da.“, die kleinere, schwarze Handfläche zeigt nun nach oben. „Ich wette, dein Fluch ist Schuld. Das Mädchen auf dem Bild ist dafür verantwortlich. Sie muss es sein.“ – „Ich will das nicht!“, ihre Stimme klingt unnatürlich hoch, Lucia muss große Angst haben. Verständlich. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengrube aus. „Lass uns die oberen Stockwerke durchsuchen. Wir müssen eine Lösung finden.“ – „Bist du sicher?“ – „Ja.“, mein Blick fällt auf die beiden Türen, hinter denen die Küche liegt. In der Nähe dieses Geists will ich nicht bleiben. „Ich werde mal diese Staralili-Puppe suchen.“, entscheide ich. Lucia steht ebenfalls auf. „Ich komme mit.“, als sie sich am Stuhl abstützt, vermodert das Holz in Sekundenbruchteilen. Das Möbelstück bricht zusammen. Lucia erstarrt. „Was ist denn los, es ist, als würde meine Hand diese Dinge zerstören!“ – „Das ist eine Möglichkeit. Nimm mal… das hier.“. Ich reiche meiner Freundin einen Teller. Als sie ihn berührt, passiert jedoch nichts. „Komisch. Das hier.“, als nächstes versucht sie es mit einem weiteren Stuhl, er vermodert ebenfalls. „Oh mein Gott.“ – „Das kannst du laut sagen. Aber nicht jede deiner Berührungen scheint dieselbe Wirkung zu haben.“ – „AAHH!“, Lucia stößt einen Schrei aus. Ich folge ihrem Blick.
    „Verdammt. Das ist sie.“
    Durch die kleinen, runden Fenster der Küchentüren sieht man ein weißes Gesicht, welches zu uns herüber starrt. Ich packe Lucias Arm. „Komm! Weg hier.“, wir rufen unsere Plinfas zurück und verlassen den Raum, der Blick des Geistermädchens verfolgt mich. Wenn sie diejenige ist, die mich in eine Puppe verwandelt hat, will ich lieber nicht wissen, wie sie „spielen“ definiert, und ob ich dafür jetzt ihrer Meinung nach bereit bin. Unsere Pokémon sollen nicht auch noch verflucht werden, darum ist es sicherer, sie in ihren Bällen zu lassen. Aber wie sollen wir uns ab jetzt verteidigen? Meine Kräfte versagen hier, und meine Nahkampffähigkeiten kann ich gegen Geister auch vergessen. Unsere einzige Chance ist, die Flüche zu brechen. In den Damentoiletten jedoch kann ich das Staralili nirgends finden, dabei war ich absolut sicher, ich hätte es hier gesehen. Flackerndes Licht erhellt uns. „Hm. Komisch.“ – „Vielleicht war es doch in den Duschen?“ – „Nein. Es will nicht gefunden werden.“ – „Das klingt unheimlich.“ – „Ist es auch. Das ganze verfluchte Haus ist unheimlich. Hörst du das?“, meine Freundin spitzt die Ohren, es ist still um uns herum. Im nächsten Moment keucht mir jemand ins Ohr, doch als ich herumfahre, ist niemand da. Mein Atem geht schneller. ‚Gegner, die du nicht besiegen kannst, weil sie keinen verletzbaren Körper haben.‘. Eine Sekunde später kommt das Keuchen von links, doch wieder ist der Raum außer Lucia und mir leer. „Maria, ich habe Angst!“, flüstert die Koordinatorin. „Ich auch.“, gebe ich zu, und wir verlassen das Badezimmer. Im Flur bilde ich mir ein, weiter vorn einen Schatten über den Gang huschen zu sehen. Ich bekomme eine Gänsehaut. Als würde mir das Haus meine Schwäche immer und immer wieder vor Augen führen wollen. Zu allem Überfluss beginnt mein linker Arm, langsam taub zu werden, das Bild Karas blitzt vor meinem inneren Auge auf. Puppen bewegen sich nicht. Die Panik droht mir den Hals zuzuschnüren. ‚Beruhig dich, Maria.‘. Aber die Vorstellung, bald so auszusehen wie das arme Mädchen ein paar Türen weiter bringt mich beinahe um den Verstand. Wir müssen dieses blöde Staralili finden. Und zwar so schnell wie es geht. Gemeinsam mit Lucia steige ich die Treppe zum ersten Stock hinauf. Das Licht funktioniert auch nicht richtig. Teile der Decke sind eingedrückt, als würde im zweiten Stock ein gewaltiges Gewicht auf ihr lasten. Sicherlich blockieren die Schneemassen dort den Flur. „Wollen wir in die zweite Etage gehen?“ – „Okay.“ – „Hier lang.“, wir überqueren den Flur und finden uns in einem weiteren Treppenhaus wieder, es wird spürbar kälter. Der Flur, den wir nun betreten, sieht fast genauso aus wie der unter uns, doch der rote Teppich ist fleckig und sieht ungepflegt aus. An den Wänden hängen einige Bilder von den umliegenden Bergen, Momentaufnahmen der Schönheit. Die dem Berg zugewandte Seite des Hauses ist stark demoliert; als wir einige Zimmer öffnen und hineinschauen, sind etliche zerstört. Schnee und Eis machen es unmöglich, darin zu wohnen. „Halt.“, im dritten Zimmer halte ich inne. Lucia schlägt sich die Hände vor den Mund. Ein kleiner Junge liegt in dem Bett vor uns und schläft. Die Wand hinter ihm ist eingebrochen, bis kurz vor das Bett türmt sich der Schnee auf. Doch er scheint nicht zu frieren. „Alles okay, Kleiner?“, ruft Lucia, ich halte mich ein wenig hinter ihr. Wenn er erwacht, sollte mein Gesicht besser nicht das Erste sein, was er sieht.
    Anscheinend hört er meine Freundin nicht, auch nicht, als sie an sein Bett tritt und in sacht rüttelt. Auf einmal erschüttert ein heftiges Rumpeln die gesamte Umgebung. Lucia schreit auf und hält sich an mir fest, der Boden schaukelt als wären wir auf einem alten Schiff anstatt in einer Skischule. Erschrocken wacht der kleine Junge auf und blickt sich panisch um. „Hier, Kleiner! Wir müssen abhauen!“, brülle ich, als das Rumpeln noch lauter wird. Er springt aus dem Bett und rennt zu einem Schneehaufen hinüber, der neben seinem Bett liegt. Im nächsten Moment stolpert er und fällt in den Schnee. Es wird schlagartig still. „Was…“, die Koordinatorin blickt sich verstört um. „Keine Lawine? Ich dachte…“ – „Das war keine Lawine. Das war sein Todesecho.“, als Lucia zum Schneehügel hinübertreten will, packe ich ihren Arm. Sie sieht mich an. Ich schüttele traurig den Kopf. „Schau da nicht rein.“, mein Blick streift das Bett, es wirkt komplett unberührt, die Decke liegt noch genauso da, wie der Kleine sie zurückgelassen hat. „Todes…echo?“ – „Ja, ich habe sowas schon mal gesehen, weit weg. Er ist gestorben, ohne zur Ruhe zu kommen, darum wird sein Tod wieder und wieder…abgespult, wenn du so willst. Das kleine Mädchen, das mich verflucht hat, gehört sicher zu den letzten Gästen, bevor…“, ja, bevor was? Hat die Lawine, deren Echo wir eben hörten, auch das Mädchen getötet? Eine andere Erklärung habe ich fürs Erste nicht. „…bevor die Lawine kam.“, beende ich meinen Satz. „Das heißt, um unsere Flüche zu brechen, müssen wir ihren Geist besänftigen?“ – „Ja. Aber das hatte ich schon geahnt. Außerdem...AU!“, voller Schmerz zucke ich zurück, mein Arm brennt wie Feuer. Lucia nimmt ihre Hand weg. „Oh nein! Tut mir Leid, das wollte ich nicht!“, mit schreckgeweiteten Augen sieht sie zu, wie mein Arm schwarz wird und anfängt zu verrotten. „Scheiße. Ich brauche Wasser.“, murmele ich und richte die freie Hand auf den Schneehügel hinter dem Bett des Jungen. Ein Teil des Schnees schwebt in die Luft, verflüssigt sich und umschließt den verletzten Arm. Ich schließe die Augen. Nach einigen Momenten lässt das Brennen nach. „Tut mir Leid. Ich wollte das nicht. Ich…“ – „Ist schon gut. Es ist ja nichts passiert.“, sie sieht immer noch aus, als würde sie sich Selbstvorwürfe machen, also lächele ich aufmunternd. Zumindest hoffe ich, dass es so rüberkommt. „Komm schon. Wir suchen weiter.“.
    In den nächsten Zimmern finden wir zwei weitere Todesechos, eine junge Frau wird beim Zähneputzen ebenfalls von der Lawine erwischt, und ein älterer Mann liest gerade ein Buch, als sie kommt. Beide haben es geschafft, die ersten Erschütterungen zu überstehen, doch herabfallender Schnee, der durch das zerstörte Dach des Hotels eindringt, erwischt sie. Es ist nicht leicht, diese Menschen in ihren letzten Momenten zu sehen. Erst wirken sie noch so voller Leben, und im nächsten Moment…ist es einfach vorbei. Ich wünschte, ich hätte ihnen helfen können. Doch die Lawine ist sicher schon vor langer Zeit gekommen. „Verdammt.“, ich wende mich um, um nicht zu sehen, wie ein kleines Geschwisterpaar getroffen wird. Wir müssen den Auslöser des Fluchs finden und erlösen. Wo ist dieses Staralili? Im nächsten Moment wünschte ich, ich wäre nicht hier in dieser Skischule. Die Schreie des kleinen Mädchens verstummen abrupt. „Das ist einfach nicht fair. Es waren Kinder, Lucia.“ – „Ich weiß, was du meinst. Sie hatten ihr ganzes Leben noch vor sich.“ – „Und nur durch eine Laune der Natur werden sie nie erfahren, wie es ist, erwachsen zu werden. Sie werden nicht einmal in die Oberschule kommen, Auto fahren lernen oder selbst Kinder kriegen.“. Wieso berührt mich das Schicksal dieser beiden so sehr? Ich kenne sie nicht einmal. Haltet mich gern für gefühlskalt, das habe ich mir während meiner Zeit auf der Straße angewöhnt. Doch irgendwas an dieser ganzen, verfluchten Situation bringt einen Teil von mir zum Erzittern, von dem ich nicht wusste, dass es ihn gibt. Eine geschlagene Viertelstunde bin ich außerstande, dieses Zimmer zu verlassen. Lucia neben mir ist ebenfalls still geworden. Sie spürt, dass etwas nicht stimmt. Irgendwann erscheinen die beiden wieder in ihren Betten, wie beim letzten Mal. Sollen sie wirklich dazu verdammt sein, immer und immer wieder dasselbe zu durchleiden? Einem Impuls folgend knie ich mich vor das Bett des Mädchens. Sie sieht friedlich aus, als würde sie am nächsten Morgen aufwachen und ihren Bruder begrüßen. Die Worte verlassen meinen Mund einfach so, ich denke nicht einmal nach. „Hey. Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber selbst wenn ich hier wie eine komplette Idiotin wirke…ich will es zumindest versuchen. Was du hier durchmachst, ist nicht real. Du musst das nicht tun.“, sie reagiert nicht, ich stoße einen Seufzer aus. „Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“, ungeduldig wische ich eine Träne von meiner Wange. Unfair. Einfach nur unfair. Mit einer langsamen Bewegung lege ich meine Hand auf die Ihre. Ein Blitz erleuchtet das Zimmer. Das Mädchen schlägt die Augen auf. Ihr Blick bleibt an meinem Mund hängen, wandert dann zu meinen Augen hinauf. „Wer bist du?“, mir bleibt der Atem weg. Das kann nicht sein. Hilflos blicke ich Lucia an. Sie zuckt die Schultern. Die Kleine vor mir setzt sich auf. „Stimmt was nicht?“, fragt sie. Ich schlucke hart. „Du…siehst mich?“ – „Ja. Was ist mit deinem Gesicht passiert?“ – „Lange Geschichte. Weißt du, was du hier tust? Du durchlebst deine letzten Momente, wieder und wieder! Lass diese Welt los, Kleine. Du gehörst nicht mehr hierher.“, sage ich leise.


    6.7.2009


    Nachdem sie lange ihren Bruder angesehen hat, wendet sie sich wieder mir zu. „Aber du musst auch das Mädchen aus dem Erdgeschoss retten. Sie ist nicht sie selbst.“, während sie spricht, verändert sich ihre Stimme. Es klingt, als wäre sie weit weg und doch direkt neben mir. Ihre Gestalt flimmert. „Versprich es mir, ja?“ – „Sicher.“, eine weitere Träne. Ich wische sie weg. „Warum weinst du?“, will sie wissen. „Weil ich sicher war, dich nicht befreien zu können. Wie ich das geschafft habe, kann ich dir nicht sagen.“ – „Ich bin dir sehr dankbar dafür. Wenn wir uns wiedersehen, dann an einem anderen Ort, weit entfernt…“, ihre Lippen verziehen sich zu einem glücklichen Lächeln. „Endlich sehe ich Mami und Papi wieder.“, es blitzt erneut. „Mach´s gut, Kleine.“. Sie nimmt ihren Bruder bei der Hand. Die beiden verschwinden. Mit einem merkwürdigen Gefühl in der Brust erhebe ich mich. Die Koordinatorin schüttelt den Kopf. „Unglaublich.“


    so, ich hoffe, ihr kriegt jetzt keine albträume oder sowas, in einem geisterhaus geht es manchmal eben ein wenig merkwürdig zu ;D ich freue mich auf kommentare, anregungen, beschwerden oder gar kritik, bis zum nächsten mal.
    mfg
    DoD

  • und wieder eine neue woche :o wird wohl eines der letzten kapitel sein, die ich so regelmäßig poste, weil bald das studium losgeht. aber schreiben werde ich dennoch :D naja, viel spaß mit:



    Kapitel 30
    Fluchbrechen leicht gemacht


    7.7.2009


    Mittlerweile ist es 2 Uhr morgens. Was haben wir bisher? In Gedanken gehe ich eine kleine Liste durch. Lucia und ich sind verflucht, Auslöser sind böse Geister der Skischule, die entstanden, als unschuldige Kinder bei einem Lawinenunfall gestorben sind. Warum das automatisch böse Geister aus ihnen macht, kann ich höchstens erraten. Ich bin schon einmal einem Geist begegnet, einem Mädchen namens Alyssa. Sie wurde von einem Rotom am "Leben" erhalten, damit es nicht so allein war. Waren wir nun Opfer der „Fluch“-Attacke eines Geisterpokémons? Sind die Geistererscheinungen ebenfalls Auswirkungen der Kräfte eines Pokémon? Möglich. Dann müssten wir es nur finden und beruhigen. Im oberen Stockwerk halte ich es kaum mehr aus, überall habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. In jeder Nische könnte das kleine Geistermädchen lauern. Zu allem Überfluss kann ich meine Hände kaum noch benutzen, das Gefühl der Taubheit breitet sich langsam aus. Ich will keine Puppe werden. Ich will einfach nicht. Ich will und ich darf nicht. Lee wartet doch auf mich. Über Lucias Fluch habe ich schon einiges herausgefunden; nicht alles, was sie berührt, wird zerstört. Nur etwa jede dritte oder vierte Berührung ihrer Hände löst den Verfall des Gegenstands aus, den sie anfasst. Als sie in einen Schneehaufen getreten ist, der im oberen Stockwerk lag, haben wir in ihren Stiefelspuren noch Abdrücke von kleineren, nackten Füßen gefunden, es sieht so aus, als würde sie den Geist, der sie verflucht hat, auf irgendeine Weise im Körper tragen. Darum auch die Abdrücke auf ihren Handflächen. Meiner ersten Theorie, dass ein Geisterpokémon uns übel mitspielt, will ich zuerst auf den Grund gehen. Das Pokémon muss irgendwo in der Nähe sein, deswegen durchsuchen wir das gesamte Haus ein weiteres Mal. Doch in keinem der Gästezimmer, Küchen- und Abstellräumen oder im Keller finden wir etwas. Als ich mit Lucia die Eingangshalle betrete, fallen mir die Worte des Mädchens wieder ein. Sagte sie nicht, ich könne das Haus nicht verlassen? Entschlossen gehe ich auf die Tür zu und strecke den Arm aus. Als meine Hand die Klinke berührt, schießt das Taubheitsgefühl schlagartig den ganzen Arm hinauf. Im nächsten Moment hängt er nutzlos an meiner Seite herab. „Verdammt.“ – „Was ist passiert?“, Lucia stellt sich neben mich. „Ich kann da wirklich nicht raus. Versuch du es mal.“. Die Koordinatorin nickt, stößt die Tür auf… und wird von einer unsichtbaren Kraft durch den Raum geschleudert. Mit einem Aufschrei prallt sie gegen eine der beiden Säulen vor dem Treppenhaus. „Lucia!“, atemlos eile ich ihr zur Hilfe. Als ich ihr hochhelfe, steht das kleine Mädchen aus der Küche vor uns.
    „Ich habe dir doch gesagt, du bleibst hier, bis du mit mir gespielt hast.“, haucht sie. Ich richte die Handfläche des brauchbaren Arms auf sie. Sofort manifestiert sich eine Wasserkugel aus der reinen Luftfeuchtigkeit, verfestigt sich zu einem Eiszapfen und schießt auf ihr Gesicht zu. „Hab ich dich.“, raune ich. Doch als das Eis einmal glatt durch ihren Kopf fährt, ohne etwas auszurichten, beiße ich die Zähne zusammen. Meine Angst kehrt zurück. Was soll ich tun? Sie wendet sich um, der Blick ihrer weißen Augen trifft mich. Mit schmerzhaftem Ziehen erscheinen weitere Nähte in meinen Lippen, Sprechen ist nun unmöglich für mich. Lucia rappelt sich hoch. „Lass Maria in Ruhe! Sie hat dir nichts getan. Ihretwegen steckst du nicht hier fest. Hör mal, wir wollen dir nur helfen!“ – „Niemand kann mir helfen.“ – „Das weißt du doch gar nicht. Sag mir, was passiert ist.“ – „Nein. Ich will spielen.“, sie richtet lächelnd den Finger auf meine Brust. Stechender Schmerz durchzuckt mich. Der Schrei, den ich ausstoßen will, verkommt zu einem Stöhnen. „Hör auf! Bitte!“, Lucia kniet sich neben mich hin und weiß nicht, was sie tun soll. „Spielen, spielen.“, singt der Geist, meine Schmerzen werden stärker. Irgendwas knackt in meinem Bauch, mein Körper verkrampft sich. Verdammt, das ist nicht gut. Hat sich so diese Frau von Team Rocket gefühlt? „Los, Mamutel!“, ich höre Lucias Stimme, als ich hochblicke, steht sie neben einem großen, braunen Pokémon mit Stoßzähnen aus Eis. Glitzernde Spuren laufen ihre Wangen herab. Sorgt sie sich so sehr um mich? „Steinkante!“, der Boden der Eingangshalle wird zerstört. Die sich aus dem Staub erhebenden Felsbrocken jagen auf das Mädchen zu, welches verblasst, nachdem die Steine durch die Glastür rasen und sie in tausende Splitter zerschlagen. Danach ist für einige Sekunden alles still, meine Schmerzen lassen langsam nach. Dann fegt der Sturm durch die Öffnung in der Wand, Schnee peitscht in unsere Gesichter. Ich verziehe das Gesicht und hebe die Hand, eine Wand aus Eis verschließt den Eingang. Lucia ruft ihr Mamutel zurück. „Ich habe mich nicht mehr im Griff gehabt. Es war dumm, oder?“, sagt sie. Statt einer Antwort schüttele ich den Kopf. Dann lege ich die Hand an meinen Mund, erschaffe eine Klinge aus Eis, die nur wenige Nanometer dick ist, und zerschneide vorsichtig die Fäden, die meinen Mund verschließen. „Bah. Komisches Gefühl. Macht nichts, Lucia, wir müssen uns aber beeilen…ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Und außerdem wissen wir noch nicht mal, wo der Geist ist, der dich verflucht hat.“ – „Mach dir keine Sorgen, bisher haben wir alles geschafft. Zusammen sind wir unschlagbar!“, ich lasse mich von ihrem Lächeln anstecken, auch wenn mich die Fäden dabei nerven.
    Langsam macht mir auch die Müdigkeit zu schaffen, ich habe seit Stunden nicht geschlafen. Als ich Lucia frage, ob wir uns eine Weile ausruhen sollten, nickt sie nur. Bestimmt ist sie auch nicht mehr so besonders fit. Wir machen uns auf den Weg in die Küche, der Raum, der noch am überschaubarsten ist. Sollten wir angegriffen werden, könnte ich von hier am ehesten zurückschlagen. Nun…jedenfalls solange es nicht das Geistermädchen ist. Ich setze mich auf einen der Holzstühle, Lucia packt ihren Schlafsack aus und legt sich damit auf den Boden. Nach nur wenigen Sekunden versinke ich in unruhigen Träumen. Schattenwesen greifen nach mir, ich bin völlig allein und weiß nicht einmal, wo oben und unten ist. Es ist dunkel. Rot glühende Augen starren mich an, nur um im nächsten Moment bedrohlich näher zu kommen und dann zu verschwinden. Meine Schreie bleiben ungehört, niemand ist in der Nähe, um mir zu helfen. Ich finde kein Wasser, um mich zu verteidigen. Als ich erwache, habe ich immer noch das unheimliche Lachen eines kleinen Kindes im Ohr. Totenstille. Ich sehe mich langsam um. Neben mir schläft Lucia, ich bin irgendwie auf den Boden gerutscht, ohne es zu merken. „Mist.“, ächze ich, als mein Arm mein Gewicht nicht trägt. Dank dem Geist ist er komplett unbrauchbar, der Arm jedoch, in der Nacht von Lucia beinahe vernichtet worden wäre, funktioniert prima. Die ersten Sonnenstrahlen fallen durch die großen Fenster, vom Sturm ist nichts mehr zu sehen. Sofort kehren meine Gedanken zu den Flüchen zurück. Wo kann der Geist nur stecken, dem wir das alles verdanken? Er muss in der Nähe sein, da bin ich sicher. Aber wir haben das ganze Gebäude durchsucht, sogar mehrmals. Also…
    „Auf dem Dach.“, murmele ich, als es mir blitzartig einfällt. Natürlich! Die Lawine ist dafür verantwortlich, dass hier Menschen gestorben sind. Mit absoluter Sicherheit war jemand dabei, der dem Geist wichtig war, also ist er geblieben, um sich zu rächen. Und zwar an allen, die sich je hierher verirren mögen. Auf dem Dach hatte die Katastrophe ihren Ursprung. Er muss dort sein. Aufgeregt rüttele ich Lucia wach. „Buahh…noch nicht, Mum. Lass mich noch ein wenig schlafen…“, gähnt sie. In gespielter Entrüstung will ich die Hände in die Hüften stemmen, was leider nur einseitig klappt. „Ich bin nicht deine Mum. Wach auf, Lucia.“, sie öffnet ein Auge, dann das zweite, blickt sich kurz um, gähnt noch einmal und erhebt sich endlich. „Oh. Guten Morgen. Alles in Ordnung? Du siehst irgendwie aufgedreht aus.“ – „Bin ich auch. Ich glaube, ich weiß, wo der Geist sich versteckt.“. Mit einem Mal ist sie wach. „Was? Echt? Wo denn?“ – „Da, wo die Lawine die Skischule getroffen hat. Auf dem Dach.“ – „Klingt logisch. Wollen wir?“ – „Halt! Fass nicht den Tisch an. Ich helfe dir.“, damit sie nicht noch mehr Möbelstücke zerstört, packe ich ihren Arm und ziehe sie hoch. Als dabei ein Sonnenstrahl mein Gesicht streift, spüre ich ein heftiges Ziehen am ganzen Körper. Die Fäden lösen sich aus meiner Haut, und zum ersten Mal seit Stunden kann ich wieder blinzeln. Der rechte Arm kribbelt wie verrückt, als das Blut wieder zirkuliert. Die beiden Knöpfe fallen zu Boden. Ich reibe mir die Augen. „Ah! Das tut gut.“, ich bin mehr als nur erstaunt. Wirkt der Fluch nur nachts? Es scheint fast so, denn direkt nachdem ich den Sonnenstrahl abbekommen hatte, verwandelte sich mein Körper zurück. Dort, wo sich weitere Fäden gelöst haben, kribbelt meine Haut. Ich hüpfe einige Male auf und ab, damit sie aus meiner Kleidung fallen. „Ab heute hasse ich Fäden. Echt jetzt.“ – „Echt jetzt? Du klingst wie dieser Typ, den ich mal getroffen habe.“ – „Welcher Typ?“ – „Ach, nicht so wichtig, der lief mir mal über den Weg und hielt sich für den Allertollsten.“ – „Achso.“, ich ergreife ihre Hand. Lucia zuckt zusammen. „Nicht! Du wirst…“ – „Nein, alles bestens. Schau mal.“, als sie die Handfläche nach oben dreht, ist der kleinere, schwarze Abdruck verschwunden. Ihr Fluch hält dem Sonnenlicht scheinbar ebenfalls nicht stand. Sie atmet erleichtert aus. „Puh.“ – „Kann es losgehen? Ich habe kein Interesse daran, in der nächsten Nacht wieder zur Puppe zu werden.“, sage ich und stecke meine Pokébälle ein. Die Blauhaarige tut es mir gleich. „Darauf kannst du wetten. Dem Geist zeigen wirs, meine liebe Sachiko.“ – „Ich dachte du vergisst den Namen endlich mal.“ – „Nie im Leben.“, grinst sie. Ich muss lachen. Wie ich das vermisst habe, als es nicht mehr ging… man vermisst etwas erst dann wirklich, wenn man es verliert. Mein Körper ist ein Geschenk, ich sollte froh sein, ihn so benutzen zu können, wie ich es gewohnt bin. Probeweise dehne ich den rechten Arm. Die Taubheit ist weg. Als ich wieder ernster geworden bin, sehe ich aus dem Fenster. „Halt dich an mir fest.“ – „Was hast du vor?“ – „Festhalten, schnell!“, es bleibt keine Zeit für Erklärungen, ich warte, bis Lucia meine linke Hand genommen hat. Mit der Rechten vollführe ich eine halbkreisförmige Bewegung, richte die Hand dann auf das Fenster. Draußen erhebt sich eine Fontäne aus Schnee in die Lüfte, glitzernd bricht sich das Sonnenlicht auf Abermillionen von kleinen Eiskristallen. Das Glas zerbricht unter der Wucht des Schnees, ich gehe in die Knie, springe ab und lande auf einer Eisscherbe, die ich oben auf der Schneefontäne erschaffen habe. Die Koordinatorin ruft mir etwas zu, ich verstehe es jedoch nicht richtig. Mit einer weiteren Handbewegung befehle ich dem Schnee, die Küche wieder zu verlassen. Der Schnee ist wie ein riesiger Arm, der uns nach draußen trägt. Während wir aufs Dach transportiert werden, ziehe ich den schwarzen Mantel wieder an. Der Schneearm ragt drei Stockwerke hoch, als er uns oben absetzt. Es ist komplett eingeschneit, eine weiße, ebene Fläche. Doch mehrere Dinge stimmen hier nicht.
    Erstens: am rückwärtigen Teil des Dachs befindet sich eine gigantische Einsturzstelle, der Schnee, der dort ins Gebäude gedrungen ist, türmt sich sogar noch hier mehrere Meter auf. Die Skischule schließt direkt an den Berg an.
    Zweitens: ein mir unbekanntes Pokémon schwebt genau über der Mitte des Dachs. Es ist komplett schwarz, sondert permanent eine Art düsteren Rauch aus und starrt mir mit roten Augen ins Gesicht. Sein Körper erinnert mich an einen Golem, der Kopf scheint zu klein für die breiten Schultern und den dicken Hals. Arme und Beine sind muskulös, doch man sieht keine Dreidimensionalität. Das Sonnenlicht wird quasi von der Finsternis, die das Pokémon umgibt, verschluckt. Mir läuft ein Schauer den Rücken herunter. „Was ist das?“, fragt Lucia, sie lässt meine Hand los und zückt ihren Pokédex. „Dieses Pokémon ist bis dato unbekannt. Version 1.5.V.2009. Vermutlich „Geist“-Typ. Affinität zu Banette. Keine weiteren Daten.“, die mechanische Stimme verstummt. „Affinität? Was soll denn das heißen?“ – „Das heißt, die DNS ähnelt sich. Vermutlich eine nicht bekannte Weiterentwicklung. Halt den Pokédex drauf, der Prof wird sich freuen.“, antworte ich. Am Hals des Pokémons bemerke ich eine Art geöffneten Reißverschluss, der sich einmal um den Hals herumzieht. Eine Weiterentwicklung von Banette…ich glaube, das macht Sinn. Der Reißverschluss am Mund seines Vorgängers hat sich geöffnet, daraus ist der Kopf entstanden. „Ruf mal bitte Banettes Infos ab, ja?“ – „Okay. Warte.“, sie drückt ein paar Knöpfe an ihrem Pokédex. „Banette. Das Marionetten-Pokémon. Dieses PKMN war eine Puppe, die weggeworfen wurde. Es sucht nun das Kind, das dies getan hat.“. Ich denke nach. Öffnet es seinen Mund, kann die ganze verfluchte Energie hinaus. Scheinbar ist diese verfluchte Energie dafür verantwortlich, dass es sich entwickelt hat. Nicht gut. „Wir besiegen dich.“, verspreche ich dem Pokémon und rufe Milotic zur Hilfe. „Los, Tsuname! Ich brauche dich.“ – „Miiii…“, wie immer fängt Tsuname an zu singen, betörende Klänge erfüllen die kalte Luft. Dann wollen wir mal sehen, mit was wir dieses Ding besiegen. „Tsuname, sei vorsichtig.“ – „Miiiii!“ – „Es ist so wunderschön!“, Lucia schaut mein Milotic bewundernd an. Dann zückt sie ihrerseits einen Pokéball. „Los, Togekiss! Wir zeigen es diesem Geist!“, ihre Wahl ist schlau, ein Geistwesen kann Togekiss nicht mit Attacken des eigenen Typs treffen. Das Wesen vor uns hebt einen Arm, dabei flüstert es Beschwörungen, soweit ich das beurteilen kann. Im Radius von etwa 4 Metern um unseren Gegner verdampft der Schnee. „Malegoche.“, mit diesem Wort beendet es das Geflüster. Ich halte mich bereit. „Pass auf. Nach seinem Angriff müssen wir losschlagen.“ – „Klar.“, Lucia ruft ihrem Togekiss einen Befehl zu, es fliegt mehrere Meter über uns in der Luft und weicht einem schwarzen Ball aus dunkler Energie aus, der es nur knapp verfehlt. „Moment Mal. Ist das sein Name? Malegoche? Hör mal, das sagt es immer wieder, wenn es eine Attacke abfeuert!“, rufe ich, nachdem Tsuname und Togekiss mehreren weiteren Attacken ausgewichen sind. Den nächsten Spukball lässt Lucia einfach an ihrem Partner abprallen, der Normaltyp annulliert den Angriff. „Tsuname, Eisstrahl!“, weißes Licht sammelt sich vor Milotics Stirn. Ein kalter Strahl schießt auf Malegoche zu, es kann im letzten Moment ausweichen. Doch Lucias Togekiss rast von der anderen Seite heran und benutzt Donnerwelle. Gelbe Blitze schießen über den Körper unseres Gegners. „Ha! Jetzt kann er nicht mehr so leicht…“ – „Ausweichen?“ – „Danke. Ich wollte ein englisches Wort suchen, aber ich kenne es nicht.“ – „Dodge, meinst du?“ – „Genau!“ – „Wieso ist dir das so wichtig?“ – „Weil es cooler klingt. Egal. Togekiss, weiter! Luftschnitt!“ – „Würdest du lispeln, hätte ich vermutet, du befiehlst Lustschnitt.“, lache ich, doch die Situation wird sofort wieder ernster. Malegoche hebt beide Arme, ein großer Nagel erscheint vor seiner Brust. Was hat es vor? Das sieht aus wie…
    „Tsuname! Ausweichen, schnell!“, rufe ich, als Malegoche den linken Arm nach meinem Milotic und den rechten nach Togekiss ausstreckt. Lucias Partner sucht sofort das Weite, doch ein schwarzer Energieblitz schießt aus den Händen unseres Gegners und trifft unsere beiden Pokémon. Dann springt der Blitz, der Tsuname getroffen hat, auf mich über, der andere erwischt Lucia. Es sieht aus, als würden die Blitze unsere Pokémon nur als Zwischenstation nehmen, nur um zu uns zu gelangen. Vor Tsuname, Togekiss, Lucia und mir erscheinen nun ebenfalls Nägel. Ich merke, dass sich unsere Pokémon nicht mehr bewegen und scheinbar Schmerzen leiden. Die Nägel kommen näher, als der von Malegoche sich langsam in seine Brust bohrt. ‚Eine noch stärkere „Fluch“-Attacke!‘, schießt es mir durch den Kopf. „Tsuname, Erholung!“, die Wasserschlange fällt in tiefen Schlaf, der Blitz, der Tsuname und mich verband, knistert laut und löst sich in Luft auf. „Lucia! Es paralysiert unsere Pokémon, während es seine Attacke vorbereitet! Tu irgendwas! Togekiss muss einschlafen oder so!“ – „Ich habe ihm aber nie Erholung beigebracht! Hilf mir!“, sie klingt verängstigt, der Nagel vor Togekiss dringt in den Körper des Flugpokémons ein. Als der andere Lucia trifft, keucht sie vor Schmerz auf. Ich kann nicht zulassen, dass ihr etwas passiert. „Schlafrede, Tsuname!“, innerlich bete ich, dass Schlafrede die richtige Technik kopiert. Es ist eine seltsame Technik, das Pokémon registriert den Befehl nur unterbewusst und setzt eine zufällige Attacke ein, die es beherrscht. Eisstrahl hilft nicht. Erholung auch nicht. Also muss ich darauf vertrauen, dass Tsuname seinen stärksten Angriff wählt. Die Lufttemperatur sinkt weiter. Hinter mir rauscht es leise. Als das Rauschen immer lauter wird, drehe ich mich um. „Perfekt.“, flüstere ich. Eine gigantische Welle manifestiert sich auf dem Dach. Durch die kalte Luft und den Schnee sind Teile des entfesselten Wassers gefroren. „HILFE!“, Lucias Schrei lässt mein Blut gefrieren, mein Kopf zuckt herum. Der Nagel ist beinahe in ihrer Brust verschwunden, sie sinkt auf die Knie. Ihre Schmerzen müssen unerträglich sein, und ein Blick zu Togekiss verrät mir, dass es genauso fühlt. Der schwarze Blitz verfärbt sich rot. „Tsuname, los!“, ich zeige mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Malegoche, die Eiswelle setzt sich in Bewegung. Sie ist so lang wie das Dach selbst, doch ich sorge mit meinen Kräften dafür, dass sie Lucia und mich sowie unsere Pokémon nicht trifft. Malegoche ringt mit seiner Lähmung, doch die Donnerwelle ist zu stark. Es wird frontal erwischt, mit einer geschmeidigen Bewegung springe ich vor, richte die Arme auf das Wesen und bringe das Wasser zum Kochen. Erst eisige Kälte, dann brennende Hitze…die Kombination gibt ihm den Rest. Malegoche sackt in sich zusammen, ich balle die Fäuste. Die Welle verdampft. In wenigen Minuten wird sie eins sein mit dem Kreislauf des Schnees. Der rote Blitz, der Lucia und Togekiss gefangen hielt, verschwindet. Ihre Schreie verstummen. Schnell renne ich zu ihr herüber, öffne die Jacke und schiebe ihr Shirt hoch. Ich kann jedoch keine Verletzungen finden, also schließe ich die Jacke wieder. „Lucia, beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Du hast keine Wunden.“ – „Es tat so schrecklich w-weh.“, stammelt sie. Ihre Lippen haben sich blau verfärbt vor Kälte. Ich rufe Tsuname zurück, welches gerade erwacht ist. Danach befehle ich dem Wasser in der Umgebung, sich zu verflüssigen. Eine ungefähr anderthalb Meter große Sphäre aus Wasser löst sich aus dem Schnee des Dachs, umschließt Togekiss und beginnt, zu leuchten. Seine Verletzungen heilen in Sekundenschnelle.
    „Du kannst Togekiss zurückrufen. Ihr wart super.“, sage ich und umarme sie. Ihr wird wieder wärmer. Ich helfe der Koordinatorin hoch, gemeinsam überqueren wir das Dach und stellen Malegoche zur Rede. „Haben wir dich. Was willst du von uns?“, es antwortet erst nicht, doch dann erscheint das kleine Geistermädchen wieder, es steht barfuß im Schnee und starrt ins Tal hinab. „Ihr seid die ersten, die sich fragen, wieso ich das tue. Die anderen hatten alle nur Angst und wollten nicht spielen. Ich danke euch.“ – „DAS war dein Spiel? Ernsthaft?“ – „Ja. Ich habe seit Monaten nicht mehr trainiert. Das Mädchen, was du hier siehst, ist lange tot. Sie war meine Trainerin.“, ich begreife, dass Malegoche mit uns kommuniziert, indem es das Mädchen nachbildet. „Wieso hast du uns nicht einfach gefragt? Wieso hast du uns verflucht?“ – „Weil ich wütend bin. So unglaublich wütend. Meine Trainerin hat nie etwas getan, doch die Natur hat sich entschlossen, ausgerechnet an jenem Abend eine Lawine zu entfesseln. Ich wollte mich rächen, an allen, die es wagen, das Andenken meiner Trainerin zu beschmutzen. Dieses Haus ist ihr Grab.“, während sie spricht, wird es spürbar kälter. Die Augen des Mädchens erstrahlen in düsterem Rot. „Wie passt das zusammen? Du bist wütend und willst dennoch spielen?“ – „Sie spielt nicht mehr mit mir, weil sie tot ist. Ihr aber habt mit mir gespielt. Ich danke euch.“, als der Geist den Satz ausgesprochen hat, merke ich, dass Malegoche vor Einsamkeit wahrscheinlich psychisch stark angeschlagen ist. Ich empfinde Mitleid. „Kannst du den Fluch aufheben? Oder verwandele ich mich bei Nacht erneut?“ – „Du bist stark. So stark, und du merkst es nicht einmal. Dein Fluch hat keinen Bestand mehr, das versichere ich dir.“, Malegoche hebt die Arme, aus meiner Brust lösen sich schwarze Energiefetzen und lösen sich in Luft auf. Doch bei Lucia sehe ich nichts dergleichen. Fragend hebe ich die Brauen. „Und ihr Fluch?“ – „Sie ist nicht von mir verflucht. Es sind in jener Nacht viele Seelen umgekommen, ich glaube, eine von ihnen zapft meine Energie an, um selbst einen Fluch zu wirken. Nachdem ihr mich besiegt habt, brach meine Kraft jedoch für einen Moment zusammen, wahrscheinlich ist die Verbindung damit unterbrochen.“ – „Wahrscheinlich?!“, Lucia holt tief Luft und setzt zu einer Tirade an. Ich schüttele den Kopf. „Solange wir nicht sicher sind, können wir hier aber nicht weg.“ – „Ihr könnt aber sicher sein. Mein Todesfluch hat sie eben getroffen, sie war von einer Menge Fluchenergie erfüllt. Meine Todesflüche zerstören jede Art von übersinnlicher Kraft im Körper des Opfers. Seid unbesorgt.“ – „Okay. Wir glauben dir.“, meint Lucia dann. Sie verzieht das Gesicht. „Und falls nicht, lasse ich eben immer wieder Dinge verrotten. Was macht das schon.“ – „Jetzt sei nicht so pessimistisch. Malegoche, das ist doch dein Name, oder? Wir werden dich jetzt in Frieden lassen. Danke, dass du uns von den Flüchen erlöst hast.“ – „NEIN!“, das Mädchen wirbelt herum und starrt mir in die Augen. Ich spüre, wie mir die Kälte in die Beine kriecht.
    „Nein?“ – „Ich will nicht mehr allein sein. Ihr habt mich besiegt, das heißt, ihr seid stärker als ich. Ich kann nur lernen, wenn ich bei euch bleibe. Ihr seid Trainerinnen, oder? Nehmt mich mit. Ich halte das nicht aus.“. Meine Gedanken rasen. Dieses Pokémon ist offensichtlich selbst nur ein Opfer der Lawine, wenn auch bloß psychisch. Mein Mitleid nimmt zu. „Bist du sicher?“, fragt Lucia. Malegoche und ich nicken im Einklang. „Gut. Wenn das dein Wunsch ist, wirst du mein fünfter Partner.“, ich zücke einen Hyperball, den ich vor einigen Wochen noch in Schleiede gekauft habe. Das Rache-Pokémon Malegoche…Bestandteil meines Teams. Das klingt eigentlich nicht schlecht. „Aber es wird niemand verflucht, solange ich es nicht befehle, das ist dir klar.“, sage ich leise. Die Kleine nickt nur still. Ich beuge mich über Malegoches schwarzen Körper und stupse ihn mit dem Ball an. Malegoche löst sich in roter Energie auf und verschwindet, das kleine Mädchen tut es ihm gleich. Nur ohne den roten Blitz. Lucia hebt den Pokédex auf, den sie bei einem Angriff hat fallen lassen. Ich trete zu ihr herüber. „Drück mal… den Knopf da.“ – „Okay.“ – „Malegoche. Das Rache-Pokémon. Die angestaute, böse Energie aus Banettes Mund hat eine Weiterentwicklung bewirkt. Malegoche kann extrem starke Flüche einsetzen.“, teile ich dem Gerät mit. Die Lampe beginnt, schnell zu blinken. „So wird also ein Pokédexeintrag gemacht, ja?“ – „Genau.“. Einige Sekunden vergehen. Dann erlischt die Lampe. „Jetzt solltest du Malegoches Eintrag abrufen können.“, auf meine Worte hin drückt Lucia dieselben Knöpfe wie vorhin, wenn ich das richtig sehe. Der Pokédex ist die einzige Maschine, die ich mehr oder weniger gut bedienen kann. „Malegoche. Das Rache-Pokémon. Die angestaute…“, der Pokédex hat meine Informationen abgespeichert. Lucia schaut den Ball in meiner Hand an. „Traurig… es hat seine Trainerin damals verloren.“ – „Ja. Hast du gemerkt, wie es sich andauernd selbst widerspricht?“ – „Ich schätze, zu viel Einsamkeit bekommt einem nicht gut.“. Wir verlassen das Dach, ich repariere den Schaden im Glas mit noch mehr Eis. Mir fällt etwas ein. „Die Puppe im Abstellraum.“ – „Kara.“ – „Genau. Meinst du, ihr Fluch ist auch weg?“ – „Schauen wir nach?“ – „Okay.“.
    In der Abstellkammer angekommen bemerke ich zuerst die schlafende Kara, die ihren richtigen Körper wiederhat. Sie ist ein wenig kleiner als die Koordinatorin, ihr rabenschwarzes Haar erinnert mich an die Frisur Liliths. Ich lege den Kopf schief. „Sie schläft.“ – „Dann weck sie auf! Es ist schon 8 Uhr.“ – „Soll ich? Ich meine, nachdem sie so lange Zeit hier saß…“ – „Gut, ich machs.“, kurzerhand beugt sich Lucia vor und schüttelt das Mädchen. „Schlafenszeit ist zu Ende! Aufwachen, Dornröschen!“ – „Ich dachte, das wär ein Märchen.“ –„ Meine Mutter hat das oft zu mir gesagt. Ah, sie wacht auf.“, entgegnet sie. Kara starrt uns an. Dann tastet sie in ihrem Gesicht nach den Fäden und weiteren Auswirkungen des Fluchs, könnte ich wetten. Ihr Blick wandert an ihrem Körper herunter. „Ich…“ – „Du…?“, hilft Lucia nach, als sie einige Momente lang geschwiegen hat. Ich halte mich zurück, mit Fremden rede ich nicht gern. Noch immer nicht. „Habt ihr mich gerettet?“ – „Besser gesagt: vom Fluch befreit. Ja, das haben wir. Mein Name ist Lucia!“ – „Ich bin Kara…“ – „Weiß ich. Wir haben deine Kamera gefunden.“ – „Jens´ Kamera? Da wird er sicher böse, er hat nur mich da rangelassen. Habt ihr meine Freunde gesehen?“, ich wechsele einen Blick mit Lucia. Kara sieht mich an. „Du! Dich kenn ich doch! Du bist dieses Mädchen was letzte Woche in der Zeitung war!“ – „Gestern?“, ich denke kurz nach. Kann es sein, dass sie nur ein paar Tage hier war? Dann hat sie mein Bild gesehen, auf welchem ich Lee die Botschaft schicken wollte. „Ja, du hast angeblich Team Galaktik besiegt, auf einer Insel im Norden…“ – „Halt.“. Das klingt gar nicht gut. „Was ist?“, fragt sie mich. „Jens hat die Zeitung hierher mitgebracht.“, sie rappelt sich hoch. „Welches Datum haben wir?“, frage ich sie. Kara schaut mich fragend an. „Weiß ich nicht genau, Juli 2008, irgendein Tag eben.“ – „Nein. Wir haben 2009.“. Die nächsten Momente müssen sehr schwer für sie sein, glaube ich. „Unmöglich. Ich habe diese Zeitung gestern noch in der Hand gehabt.“ – „Erzähl mir, was passiert ist. Gestern, heute, egal. Okay?“, ich lege ihr eine Hand auf die Schulter. Sie hebt ihrerseits die Hand und stößt meine weg. „Wollt ihr mich verarschen? Es ist niemals ein Jahr vergangen! Ich…wir…wir wollten eine Mutprobe machen. Jens, Kyle, Ramy und ich.“ – „Und weiter?“ – „In der ersten Nacht…haben wir Angst bekommen. Das Haus ist nicht normal. Also haben wir uns gesagt, wir verschwinden, sobald es geht. Aber am nächsten Morgen haben…die Türen geklemmt.“ – „Geklemmt.“, wiederhole ich. Sie weicht meinem Blick aus. „Ja. Also haben die anderen einen Weg gesucht, zu verschwinden. Ich war müde, also hab ich mich hingelegt…“ – „In eine Besenkammer.“ – „Nein!“. Ich versuche, mir die Dinge, die sie verraten hat, zusammenzufügen. In der ersten Nacht hat sie ebenfalls diese Veränderungen an sich festgestellt, die auch ich durchgemacht habe. Die Türen wurden vom Geist blockiert. Aus lauter Angst sind ihre Freunde getürmt und haben sie zurückgelassen, als sie sich komplett in eine Puppe verwandelte. Ich reiße mich zusammen. Es ist nur ein Mädchen, es gibt keinen Grund, schüchtern zu sein.
    Nachdem ich von meiner Theorie erzählt habe, ist Kara still. Dann sieht sie mich an. „Und…mit dir ist das auch passiert? Ihr haltet mich nicht für verrückt?“ – „Ja. Dank Malegoche sind unsere Flüche gelöst.“ – „Und ich sitze hier wirklich schon ein ganzes Jahr herum? Wieso hat niemand nach mir gesucht? Wo sind meine Freunde?“ – „Ich weiß es nicht. Vermutlich haben sie erzählt, du seist tot, um nicht dafür verurteilt zu werden, dich im Stich gelassen zu haben.“ – „Das ist so…surreal!“ – „Genauso habe ich auch gedacht. Aber du solltest uns jetzt begleiten, zumindest bis nach Blizzach. Wir haben dort einen Auftrag zu erledigen.“ – „Ich wohne dort.“ – „Perfekt. Aber erst gibt es Frühstück.“. Zurück im Speisesaal lasse ich alle meine Partner aus ihren Bällen. Das ist ein guter Zeitpunkt, mein Team mit Malegoche bekannt zu machen. „Garados, Tsuname, Plinfa, Zorro und Malegoche, raus mit euch.“ – „Ihr auch. Los, Plinfa, Haspiror, Pachirisu, Mamutel und Togekiss!“, Kara scheint keine Trainerin zu sein, und nun bewundert sie unsere bunt zusammengewürfelte Truppe. Lucia verschwindet in der Küche, im Kochen ist sie einsame Spitze. Ich kenne nur wenige Menschen, die sie in dieser Kunst übertreffen. Der eine ist ein Gestein-Pokémontrainer aus Kanto, und dann ist da noch Hagane. Wir hatten genug Proviant dabei, um für mehrere Tage zu sorgen, vermutlich nimmt sie die Zutaten für unsere Pokémon aus dem Kühlschrank. Während ich Malegoche vorstelle, welches von Kara und Zorro misstrauisch beäugt wird, nehme ich auf einem der Stühle Platz. „Sagt brav „hallo“ zu Malegoche. Es wird uns von heute an begleiten.“, sage ich. Plinfa scheint sich über einen neuen Freund zu freuen, Tsuname und Garados haben mal wieder nur Augen füreinander, und Zorro blickt Malegoche unverwandt in die Augen. Das dürfte schwierig werden. Aber bisher hat sich jedes neue Teammitglied integrieren können…zugegeben, Zorro und Tsuname haben mich nicht mit einem bösartigen Fluch belegt, bevor ich sie fing. Was solls. Nach dem Essen würden wir nach Blizzach aufbrechen. Wir haben hier schon zu viel Zeit vergeudet. Malegoche war verantwortlich dafür, dass die Geister keine Ruhe fanden. Nun können die rastlosen Seelen der Skischule in Frieden ruhen. Während des Essens erfahre ich so einiges über Kara, und sie im Gegenzug auch über uns. Natürlich kennt sie mich, wie sie sagte, aus der Zeitung. Damals wurden auch meine Fähigkeiten lang und breit in den Medien diskutiert, woher ich sie hätte und sowas. Für mich war das keine angenehme Zeit, ich mag es nicht, überall erkannt zu werden. Im nächsten Moment klingelt das Handy. Ich drücke auf den roten Telefonknopf. Dann erstarre ich. „Verdammt.“ – „Grün, Maria.“ – „Ja.“ – „Weißt du nicht, wie man telefoniert?!“, will Kara wissen. Lucia grinst sie an. „Das ist die Schwäche von Maria. Sie kann kaum mit elektronischen Geräten umgehen.“ – „Oh.“, ich drücke auf den Wahlwiederholungsknopf, den meine Freundin mir zeigt. Rocky ist dran. „Maria? Hörst du mich?“ – „Ja. Laut und deutlich.“ – „Gut.“
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    Blizzach
    Rocky und Hagane sitzen im Wagen, den die Polizistin vor dem Pokémoncenter geparkt hat. Per Konferenzschaltung informiert Rocky sich über die neusten Entwicklungen. Team Galaktik hat unter Saturns Führung Herzhofen besetzt, überall schwärmen Galaktiker aus, wurde ihr berichtet. Pay, Alfred, Lilith, Eva und Kuré sind in diesem Moment auf dem Weg nach Blizzach. Oder sollten sie versuchen, Herzhofen wieder zu befreien? Mithilfe von Lamina und den ansässigen Trainern sollte das klappen. „Pay?“ – „Ja?“ – „Ihr bleibt in Herzhofen und bittet Lamina um Hilfe. Okay? Wir müssen dafür sorgen, dass die Stadt wieder frei von Galaktikern wird. Es ist Sinnohs Herz, wenn du so willst. Und wir könnten es uns nicht leisten, dass Sinnohs Herz kontrolliert wird.“ – „Gut. Ich sags den andern.“ – „Mon Dieu! Wie gann ain einssälnäs Tiem aus Verbräschern eine ganssä Stadt übernehmän?!“ – „Du hast es doch selbst erlebt. Mir wurde gesagt, dass der Bürgermeister vertrieben wurde. Sämtliche wichtigen Ämter sind infiltriert. Wir haben leider versagt, unsere Verteidigung aufrecht zu erhalten.“ – „Das dürfte eine schwierige Aufgabe werden, finden wir.“ – „Ich weiß, Eva. Aber jemand anderen kann ich gerade nicht entbehren. LeBelle, ein paar seiner Agenten, Hagane und ich werden Maria helfen. Die Internationale Polizei lieferte mir Informationen, die besagen, dass Team Galaktik eine starke Präsenz hier oben aufgebaut hat.“ – „Hm. Wie sollen wir vorgehen?“ – „Maria, hast du eine Idee? Du hast doch sicher mitbekommen, was in Herzhofen passiert ist.“, will Rocky wissen. Die ruhige Stimme der Braunhaarigen dringt aus dem Lautsprecher. „Nein, ich hatte das Vergnügen, in einem Geisterhaus zu übernachten. Dass Team Galaktik so weit gehen würde, wäre mir nie in den Sinn gekommen…sie stehen unter Zeitdruck. Warum, weiß ich nicht. Rockys Idee ist aber sehr gut, mit Laminas Hilfe und der von Herzhofens Trainern sollte Team Galaktik kein Problem darstellen. Aber…“ – „Du denkst daran, dass Saturn das auch sehen muss. Er weiß, dass sie von allen Seiten angegriffen werden können.“ – „Genau. Also wieso tut er das? Er muss sich sicher sein, dass er nicht besiegt werden kann. Eva? Ist Lilith bei euch?“ – „Ja, es hat sich herausgestellt, dass der rote Riese kein so großer Schwachkopf ist, wie wir bisher dachten.“ – „HEY!“ – „Beruhig dich, Pay. Eva meint es nicht so. Lilith, ich bin froh, dass es dir gutgeht. Seid auf jeden Fall vorsichtig da unten. Geht keine Risiken ein, ich werde versuchen, Lee so schnell wie möglich zu retten, danach kommen wir euch zu Hilfe.“ – „Gut.“ – „Bis dahin seht zu, dass ihr nicht gefangen genommen, getötet, infiltriert oder sonst was werdet, ja?“ – „Aye aye, Sergeant Maria.“ – „Pay, das ist nicht lustig.“ – „Doch! Hihihi!“, Rocky muss lachen, als sie Marias entnervtes Stöhnen nach dem Gekicher des Rothaarigen hört. Mit dem Feuertrainer kann man nur selten vernünftig reden. „Okay, Leute. Damit wär alles besprochen. Manon, wo seid ihr gerade?“ – „Auf dem Weg zur Arena. Es wäre möglich, dass Frida uns ebenfalls hilft, wir fragen nach.“ – „Guter Einfall. Danach treffe ich euch am Pokémoncenter, ist das in Ordnung?“ – „Klaro. Miau sind bald da!“ – „Perfekt. Bis heute Abend dann, Trainer!“ – „Bis dann, Rocky.“.
    Die Polizistin legt auf und sieht Hagane an. Das Mädchen ist die ganze Zeit über still gewesen, doch in den letzten Stunden hat sie sogar öfters mal im Gespräch mit Rocky gelächelt. Sie spürt, dass ihr Bruder näher ist.
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    Arena von Blizzach
    Manon, Cat und Joana betreten das Eisfeld. Entgegen ihrer Erwartungen, sie würden dem allgegenwärtigen Schnee im Inneren entkommen, ist die Arena komplett gefroren. Der Boden besteht größtenteils aus Eis, nur die Zuschauerränge und die beiden Streifen, auf denen die Trainer stehen, sind davon befreit. Joana schüttelt sich. Sie mag es nicht, wenn es zu kalt ist. Die Frau mit den roten Haaren hat ihr vorausschauend eine dicke Winterjacke gegeben, die sie warm halten soll. Nach dem Gespräch mit der Polizistin waren das Katzenmädchen und die Frau ruhig gewesen, Joana spürt, dass etwas Wichtiges bevorsteht. In dieser gigantischen Kühltruhe soll Frida leben? Es ist für Joana unvorstellbar, dass man es hier länger aushalten kann. Diese Arenaleiterin muss extrem hart sein. „Manon? Denkst du, die andern kriegen das hin in Herzhofen?“ – „Sie werden es müssen. Wir kommen hier ohne den Eisbrecher nicht weg. Unser Training ist mehr als ausreichend gewesen, diese Amateure besiegen wir mit Leichtigkeit.“. Vor Vorfreude peitscht Cats Schweif durch die Luft. Joana hat noch immer nicht rausgefunden, ob Cat eigentlich ein richtiger Mensch ist. Sie scheint über weitaus bessere Sinnesfähigkeiten zu verfügen als normal. Außerdem bewegt sie sich anders, jeder ihrer Schritte wirkt vorsichtig, als würde sie jederzeit einen Angriff erwarten. Nach dem, was sie weiß, könnte das Mädchen genauso gut eine halbe Katze sein. Sie folgt den beiden jungen Frauen leise, als sie über die Eisfläche der verlassenen Arena gehen. Am anderen Ende steht ein Rexblisar auf dem Eis, es scheint zu trainieren. Glitzernde Eissplitter lösen sich aus seinen Armen und schießen quer durch die Arena. Die Person, die ihm die Anweisungen gibt, bemerkt jetzt erst, dass sie Besucher hat. „Beiseite! Schnell!“, ruft sie. Einer der Splitter rast auf Joanas Gesicht zu. Cat duckt sich, stützt die Hände auf den Boden und stemmt sich hoch. Mit dem linken Bein holt sie zum Tritt aus. Sie erwischt das Eis im Flug, der Splitter wird in viele kleine Einzelteile zertrümmert. Interessiert schaut Joana dabei zu, dann geht ihr auf, dass dieses Eis sie hätte verletzen können. Dankbar lächelt sie die Braunhaarige an. Cat hockt auf allen Vieren und starrt zu dem Verursacher dieses kleinen Unfalls herüber. „Hey!“, ein Mädchen mit unangemessen dünner Kleidung und dunklen Haaren rennt auf die drei Trainerinnen zu.
    Im Gegensatz zu Cat, Joana und Manon, die sich alle mit Winterkleidung ausgestattet haben, trägt Frida bloß ein weißes Hemd mit blauer Schleife, einen knappen Rock, der lange, gerade Beine freigibt und Turnschuhe. Dennoch scheint sie kein bisschen zu frieren. „Das war knapp. Ich erwarte eigentlich keinen Besuch mehr. Wie kann Frida euch helfen?“ – „Miau sind hier, um dich um Hilfe zu bitten.“, maunzt Cat und erhebt sich. Dann streift sie einen Handschuh ab und hält Frida die Hand hin. „Mein Name ist Catherine, doch du kannst mich Cat nennen.“ – „Angenehm. Meinen Namen dürftest du kennen, wenn du hier bist.“, ein wenig irritiert sieht die Eistrainerin ihr Gegenüber an. Den sonst weißen Haarreif hat Cat durch einen schwarzen ersetzt, Fridas Augen verfolgen einen Moment die Bewegungen von Cats Katzenschweif. Dann stellt Manon sich vor. „Ich bin Manon. Die Kleine hier neben mir heißt Joana. Wir sind hier, um dich um einen Gefallen zu bitten.“. Frida schüttelt Manons Hand, nickt dem Mädchen mit dem rosafarbenen Haar freundlich zu und ruft dann ihr Rexblisar zurück. „Einen Gefallen? Worum geht es denn?“, fragt sie dann. „Wir gehören zu einer Gruppe von Trainern, die Team Galaktik den Kampf angesagt hat.“. Auf Manons Worte hin verschränkt Frida die Arme vor der Brust. „Ich habe das im Radio gehört. Eigentlich dachte ich, Team Galaktik sei schon zweimal zerstört worden. Einmal im letzten Sommer, und dann endgültig durch den Vorfall an der Speersäule. Und dennoch sind sie wieder da?“ – „Ja. Mit neuer Führungsetage.“, fügt Cat hinzu. „Gut. Wenn es um Sinnohs Wohlergehen geht, kneife ich natürlich nicht die Augen zu. Was soll ich tun?“ – „Wir haben einen Angriff auf den Galaktik-Stützpunkt in der Umgebung vor. Natürlich müssen wir dazu erst einmal wissen, wo der sich befindet.“ – „Und dabei soll ich helfen. Alles klar. Ich könnt auf mich zählen.“, grinst sie und reckt einen Daumen in die Luft. Cat umarmt sie stürmisch. „Jippie! Miau haben eine Arenaleiterin im Team!“, Frida erwidert die Umarmung unsicher und sieht dann in die Runde. „Womit fangen wir an?“


    sich ein neues pokémon auszudenken ist schwerer, als ich dachte. hoffe, es wirkt dennoch nicht zu unrealistisch, und ihr hattet spaß beim lesen. bis dann :)
    mfg
    DoD

  • Kapitel 31
    Das Böse schläft nicht


    7.7.2009


    Wir hatten Glück, dass wir in der alten Skischule noch eine Winterjacke für Kara auftreiben konnten. Außerdem hat sich das Bild von Lucia und mir erneut verändert, welches dort im Erdgeschoss hängt. Statt des kleinen Mädchens steht nun Kara zwischen uns, hat jeder von uns einen Arm um die Schulter gelegt und lacht in die Kamera. Eine Reminiszenz an unser gemeinsam überstandenes Abenteuer. Mittlerweile sind wir wieder auf dem Weg nach Blizzach, der Großteil des Weges liegt bereits hinter uns. Gegen Abend sollten wir die Stadt erreichen. Immer, wenn wir einen der vielen zugeschneiten Hügel oder Berge herablaufen, schummele ich, indem ich einen Schlitten aus Eis baue, mit dem wir dann ins Tal fahren. Es macht Spaß, zudem ist diese Art zu reisen wahnsinnig schnell. Meistens sitze ich hinten, um zu lenken, Kara macht es sich dann in der Mitte bequem, und Lucia bildet sozusagen die Vorhut. In diesen Momenten, wenn mir der Wind um die Nase weht und ich die Freiheit der Berge spüre, vergesse ich beinahe, weswegen wir hier überhaupt sind. Kara hat sich schnell damit abgefunden, dass nicht alles, was in der Zeitung stand, der Wahrheit entspricht. Dank einigen Boulevardblättern bin ich zu einer Art Ikone herauf stilisiert worden, und unsere neue Begleiterin war wohl der Ansicht, sie hätte eine Heldin vor sich. Dass ich ein mehr oder weniger normales Mädchen bin entsprach nicht ihren Erwartungen. Doch wir kommen gut miteinander aus, Kara ist freundlich und sehr umgänglich. Sie hat ein ganzes Jahr verpasst, aber das scheint ihr weniger auszumachen, als ich erst dachte. Wahrscheinlich sperrt sich ihr Geist noch dagegen, sodass eine Art Leugnungsprozess eingetreten ist, zumindest glaube ich das. Dicke Flocken schneien auf uns herab. „So, das hier ist der letzte Berg.“, sage ich, als wir eine fast 26 prozentige Steigung erklimmen. Lucia atmet schwer. „Danach…wieder…eine…Schlittenfahrt…bitte!“, stößt sie hervor. Ich schüttele den Kopf. „Nein. Besser. Wer von euch kann Snowboarden?“ – „Au ja!“, Kara scheint sich zu freuen. „Liebend gern.“ – „Von…mir…aus!“, die Koordinatorin stimmt ebenfalls zu. „Und morgen bekämpft ihr Team Galaktik, ja?“ – „Genau. In Blizzach werden zwei meiner Teammitglieder gefangen gehalten.“ – „Ich hätte nie gedacht, dass diese Gauner nochmal wiederkommen.“ – „Ich auch nicht, glaub mir.“ – „Aber du schlägst sie, du hast es schon einmal getan.“ – „Auf jeden Fall.“, mit düsterem Lächeln stelle ich mir vor, wie ich Saturn büßen lassen werde. Und dieses grünhaarige Miststück genauso. Lucia merkt, dass ich wieder kurz davor bin, in meinen eigenen Abgrund zu treten, und legt mir eine Hand an die Wange. Ich schrecke zusammen, sehe sie an. Sie schüttelt nur stumm den Kopf, was mich dazu bringt, mich zusammenzureißen. Die Koordinatorin nimmt ihre Hand wieder weg. Ich muss Team Galaktik besiegen, klar, aber ohne weitere Grausamkeit. Dankbar lächele ich sie an. „So, da wären wir.“, bemerke ich einige Minuten später. Wir stehen am Gipfel des Berges, unter uns im Tal befindet sich Blizzach, umschlossen von einem gigantischen Wald links, und dem Meer rechts. Den See der Stärke kann ich von hier aus nicht sehen, er liegt tiefer im Wald verborgen. Ich richte die Hände auf den Schnee vor uns. Drei große Wasserkugeln lösen sich aus der Schneedecke. Ich balle die Hände zu Fäusten, das Wasser gefriert und nimmt die Form von drei grob gestalteten Snowboards an. „Ich kenne mich mit der Halterungsmechanik nicht aus, darum muss ich mir was ausdenken. Stellt euch auf eure Bretter.“ – „Okay.“ – „Weißt du, dass deine Zauberei hier der absolute Hammer ist?“, fragt Kara. Ich nicke. Nachdem wir auf unseren Brettern stehen, gehe ich halb in die Knie und spreize die Arme vom Körper ab. Dann richte ich mich ruckartig auf und nehme die Arme hoch, die Stellen, an denen unsere Füße auf den Brettern stehen, verflüssigen sich, das entstehende Wasser umschließt unsere Stiefel und gefriert erneut.
    „So. Jetzt verliert keiner mehr den Halt. Aber seht zu, dass ihr gut in Bewegung bleibt, damit ihr keine kalten Füße bekommt.“ – „Geht klar!“, Lucia reckt fröhlich einen Daumen in die Luft, ich tue es ihr gleich. „Alle bereit?“ – „Immer.“ – „Auf drei. Eins…zwei…vier!“, mit einem Ruck stoße ich mich ab, rase durch den Schnee den Berg hinunter. Hinter mir höre ich Lucias Protest, sie und Kara legen einen Spätstart hin. Ich weiß, die Idee war kindisch, doch ich konnte es mir nicht verkneifen. Der Schnee wird von meinem Board aufgewirbelt, hohe Schneekaskaden branden dort auf, wo ich eine der vielen Kurven beschreibe, die für meinen Stil notwendig sind. Ich lehne mich weit vor, manchmal kann ich mit den Handschuhen sogar die Schneedecke berühren, bevor ich mein Gewicht verlagere und eine weitere Kurve fahre. Ich weiche einem kleinen Baum aus, der mitten im Schnee vor mir aufragt, blicke dann kurz hinter mich. Lucia holt auf, Kara fährt ein bisschen weiter rechts. „Du bist richtig gut!“, rufe ich. Die Koordinatorin lacht mich an. „Du auch! Kannst du das hier?“, sie geht tief in die Knie, fährt zwei gefährlich schnelle Schlenker, vor ihr taucht ein kleiner Schneehügel auf. Mit voller Absicht fährt sie hinüber, fliegt durch die Luft, hält den vorderen Rand des Boards fest, und dreht sich mehrmals um ihre eigene Achse, bevor sie wieder auf dem Schnee aufkommt und weiterfährt. Mir bleibt der Mund offen stehen. „Wo hast du das gelernt?!“ – „Von meiner Mum! Wir waren früher oft in der Jubelstadt-Skihalle.“ – „Das sah toll aus! Jetzt ich.“, in meinem Hirn rasen die Ideen, welchen Trick könnte ich versuchen? Ich bin schnell, klar, aber ich habe sowas noch nie gemacht, also ist mein Repertoire an solchen Stunts eher dürftig. Meine Wasserkräfte könnten mir helfen. Ich schüttele den Kopf, hier wird nicht geschummelt. Also gehe ich, genau wie Lucia eben, in die Knie und denke nach. Mir kommt eine Idee. Ich beschleunige mein Tempo, suche eine kleine Erhebung, und fahre genau darauf zu, als ich eine finde. Mit viel Schwung rase ich über diese kleine Rampe, will in der Luft eine Drehung machen, die meinen Stunt einleiten soll. Doch irgendwie verschätze ich mich und merke, dass ich die Balance verliere. Wenn ich bloß die Füße frei bewegen könnte… Moment. Was hält mich denn davon ab? Blitzschnell richte ich eine Hand auf mein Board, es teilt sich in der Mitte auf, die beiden Bruchteile verlängern sich und verwandeln sich in Skier. Noch in der Drehung beuge ich mich nach hinten, vollführe eine Rückwärtsrolle und lande auf den Skiern. „Elegant gelöst, Sachiko!“, grinst Lucia mich an. „Das war knapp.“ – „Ich habs gesehen. Skifahren kannst du auch?“ – „Eigentlich nicht. Wieso?“, statt einer Antwort deutet sie auf meine Körperhaltung, ich habe die Beine angewinkelt und halte den Oberkörper fast parallel zum Boden. Mein Tempo steigt weiter. „Oh, verdammt.“, murmele ich. „Bremsen kannst du aber, oder?“, ich drehe den Kopf und sehe Lucia in die Augen. „Äh, klar!“ – ‚Verdammt, lass dir was einfallen!‘, denke ich dabei. Kara ruft mir von rechts Anweisungen zu. „Wenn du anhalten willst, stell die Skier quer! Du kennst doch diese Eisenbahnen mit dem Taurosfänger vorne, du musst ein V bilden!“ – „Leichter gesagt als getan.“
    Da ich einige Szenarios durchdenke, die alle damit enden, dass mehrere meiner Knochen gebrochen sind, entscheide ich mich lieber dafür, aus den Skiern wieder ein Snowboard zu machen. Mit einem weiten Sprung sollte ich mir genug Zeit erkaufen können, um das Eis zu verflüssigen, umzuformen und wieder gefrieren zu lassen. „Da vorn, schaut mal!“, ich deute auf einen riesigen Felsen, der wie eine Nase aus dem Abhang ragt und eine natürliche Sprungschanze bildet. „Vergiss es! Ich fahre außen rum.“, erwidert Kara und fährt weiter nach rechts. Lucia bleibt neben mir. „Angsthäsin.“ – „Ich steh nicht auf Schmerzen!“, ich muss grinsen. Die Rampe kommt näher. Mein Magen kribbelt. Volle Konzentration. Die Skier gerade halten. Im Sprung die Beine durchdrücken. Als wir nebeneinander über den Abhang fahren, setzt meine Atmung aus. Unter uns befindet sich nicht die Skipiste, die ich erwartet hatte, sondern ein dichter Nadelwald. „Was zur Hölle!“, schreie ich, gleichzeitig sehe ich, wie Kara zwischen den Bäumen Slalom fährt. „Lucia, wir müssen zwischen zwei Bäumen landen!“ – „Ja, wäre besser!“, ich kann die Angst in ihren Augen erkennen. Aufgespießt zu werden ist keine besonders schöne Option. „Was denkst du, wann würde man unsere aufgespießten Körper finden? Vor der Schneeschmelze?“ – „Beschrei es nicht!“, im Sprung verwandele ich meine Skier wieder in das Board. Dann fixiere ich eine kleine Lichtung, die Kara gleich durchqueren wird. Einen Arm richte ich auf Lucias Board, es folgt meinen Kräften und zieht sie näher zu mir heran. Ich packe ihre Hand. „Pass auf!“ – „Klar!“, ich erkenne mich Schrecken, dass unsere Flugbahn uns unweigerlich genau gegen eine der größeren Tannen krachen lässt. Mit jeder Faser meines Körpers stemme ich mich gegen den heulenden Wind, der an uns reißt. Dann der Fall. Stille. Meine Ohren werden taub. Ich sehe nichts mehr außer der kleinen Lichtung, die wir erreichen müssen. Ich höre nichts mehr außer meinen hektischen Atemzügen. Ich schmecke nichts mehr, nur den Schnee, der auf meine Lippen fällt und dort schmilzt. Und dann weiß ich, dass wir es schaffen. Mit einem Schlag kehren meine Sinne zurück, wir kommen exakt nebeneinander auf dem Schnee auf. Die ersten paar Meter fahren wir noch unsicher, darum kämpfend, die Balance nicht zu verlieren. Durch unser Tempo sehe ich die Bäume nur als grünen Schleier links und rechts.
    Dann passiert es. Lucia taumelt, droht hinzufallen. So schnell ich kann verflüssige ich unsere Boards, im Sturz wären sie nur hinderlich. Wir rasen durch die Luft. Ich schlinge die Arme um sie, reiße sie dabei zurück, sodass ich einen lebenden Schild für sie biete. Mein Atem wird mir aus den Lungen gepresst, als ich gegen einen Baumstamm krache. Millionen feuriger Stacheln malträtieren meine Brust. Reflexartig schließen sich meine Augen. Nach einer Ewigkeit lässt der Schmerz nach, ich kann wieder atmen. Meine Freundin bewegt sich nicht. Ich lockere meine Umarmung. „Wir haben es geschafft.“, murmele ich. Sie dreht sich halb um. „Ja.“, sagt sie nur, sie wirkt erstaunt, als könnte sie nicht fassen, dass wir das überstanden haben. Ich spüre, dass mir etwas Warmes die Stirn hinunterläuft. Außerdem schmecke ich Metall auf meinen Lippen. Blut rinnt mein Kinn herab und fällt mir auf die Brust. „Ihr zwei seid echt der Hammer.“, Kara kommt neben uns zum Stehen und legt sich eine Hand an die Stirn. „Wahnsinn. Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn!“, wiederholt sie. Ich lächele schwach. Sie reicht mir eine Hand und will mich hochziehen. Stechender Schmerz rast durch meine Schulter. „Nicht.“, ächze ich. Mein Atem geht schwerer. Das Mädchen mit den blauen Haaren zieht die Beine an, dreht sich um und kniet vor mir. „Du hast mich schon wieder gerettet.“ – „Ich habs versprochen, Schwester.“. Sie umarmt mich. Über uns raschelt etwas. Der Baum entlädt die Schneemassen in seinem Wipfel, sie fallen auf uns herab. Nur unsere Köpfe gucken oben heraus. „Das war klar.“, stoße ich hervor. Die Koordinatorin lacht, dabei merke ich, dass sie Tränen in den Augen hat. „Dein Arm, Maria.“, mit der freien Hand befreie ich uns vom Schnee, er verdunstet. „Mein…Arm?“, Kara schlägt die Hände vor den Mund. Ich beiße die Zähne zusammen, als ich den Blick senke. Ein spitzer Ast hat sich von hinten durch meinen Oberarm gebohrt. Das blutverschmierte Ende ragt daraus empor. Aber es fühlt sich so unbeschreiblich gut an, jemanden zu beschützen, der mir wichtig ist. Auf der Straße hatte ich dieses Gefühl nie. „Oh. Helft mir.“, ich strecke den anderen Arm aus, bereite mich innerlich auf den Schmerz vor, und denke an Lee. Er würde sowas locker wegstecken. „Sicher?“, will Lucia wissen. Ich nicke. „Ja. Schnell.“. Auf meine Worte hin erhebt sie sich, nimmt meine Hand und zieht mich hoch. Die Schmerzen sind beinahe unerträglich. Als ich vor meinen Begleiterinnen stehe, ziehe ich die Jacke aus. Danach löse ich eine weitere Wasserkugel aus dem Schnee, die meinen Arm umschließt. Das Wasser beginnt, bläulich zu leuchten. „Sag bloß, du kannst…“, Kara verstummt, als das Loch in meinem Arm wie von Geisterhand zuwächst. „Wasser bringt Leben.“, antworte ich. „Was du in der Zeitung über meine Kräfte gelesen hast, mag zwar nicht alles stimmen, aber ich habe trotzdem eine Macht, die es wohl auf dieser Erde kein zweites Mal gibt.“, antworte ich und ziehe meinen schwarzen Mantel wieder an.
    Nachdem ich den Schreck überwunden habe, geht unsere Abfahrt weiter, Wir haben gerade mal die Hälfte des Berges hinter uns. Es schneit noch immer. Ich habe fürs Erste genug von Stunteinlagen, darum fahre ich ruhig neben Lucia her. Sie und die Schwarzhaarige unterhalten sich über die Wettbewerbsszene des letzten Jahrs, Kara hat eine Menge verpasst, als sie eine Puppe war. „Du hast doch keine Pokémon, wieso interessierst du dich für Wettbewerbe?“ – „Naja, ich will Koordinatorin werden. Dafür ist es nie zu spät, oder?“ – „Nein.“ – „Die Idee ist super!“, findet Lucia. „Wettbewerbe sind spannend, wirklich.“ – „Lucia ist eine extrem gute Koordinatorin. Ihre Kombinationen sind wunderschön.“, sage ich. Das Mädchen grinst verlegen. „Man tut, was man kann.“. Wir fahren zwischen den Nadelbäumen hindurch, ich kopiere Karas Slalomstil. Die Wolken brechen gegen Nachmittag auf und offenbaren einen strahlend blauen Himmel. Am Fuße des Berges lasse ich unsere Boards wieder zu Schnee werden. „Es dauert nicht mehr lange. Wir müssen nur noch ein Stück durch diesen Wald laufen.“, erkläre ich. Es ist dunkel hier unten, die Bäume lassen nicht viel Sonnenlicht durch. Mein Arm ist, wie immer nachdem ich ihn geheilt habe, wieder voll funktionstüchtig. „Seid ihr eigentlich verwandt?“, will Kara wissen, als wir eine Weile so gelaufen sind. Ich sehe sie an. „Nein, wieso?“ – „Weil du sie vorhin „Schwester“ genannt hast.“ – „Achso. Ich fühle mich mit ihr verbunden, wir haben schon so einiges zusammen durchgemacht. Daher sehe ich eben eine Schwester in ihr.“ – „Das klingt schön.“ – „Ist es auch!“, bekräftigt Lucia. „Und ohne mich würde Sachiko das alles nicht hinkriegen.“, scherzt sie. Als Retour strecke ich ihr die Zunge raus, was sie nur zum Lachen bringt. Karas Blick verrät Irritation. „Sachiko? Ich dachte, du heißt Maria.“ – „Tue ich auch. Loosie hier…aua!“, meine Freundin knufft mich in die Rippen. „…Lucia hat mir diesen Spitznamen verpasst, weil ich noch keinen hatte.“ – „Ist der japanisch?“ – „Ja.“ – „Interessant.“ – „Maria darfst du mich aber auch nennen.“, Kara nickt nachdenklich, als müsse sie darüber ernsthaft überlegen, welchen Namen sie mir nun geben sollte. Ich seufze.
    Wir wandern eine halbe Stunde durch diesen Wald, das Gelände steigt erneut an. Eine Straße führt genau auf die Stadt zu, die vor uns liegt. „Richtung Norden liegt das Stärkeufer. Wir müssen nur noch über diesen Hügel!“, sagt Kara. Auf der Hügelkuppe bleiben wir stehen. Vor uns liegt Blizzach, eine Stadt im ewigen Eis, die Heimat des Schnees, wie sie auch genannt wird. Einige Wolken schieben sich vor die Sonne und werfen ihren Schatten auf uns. Im Westen kann ich den Hafen sehen, beim Anblick der vielen Schiffe, die von hier aus winzig wirken, bleibt mir quasi der Atem weg. Blizzach wird von den vielen, alten Häusern geprägt, die sich vom Stadtrand bis tief in die Innenstadt ziehen. Modernere Gebäude gibt es dagegen in den Innenbezirken sehr häufig. Außerhalb der Stadt befinden sich Industrieviertel. Am nördlichsten Punkt erhebt sich der Blizzach-Tempel, nur die Pokémonarena im Stadtkern kommt seiner Größe gleich. Ursprünglich war Blizzach einer der ersten besiedelten Orte in Sinnoh, durch seine Lage am Meer wurde ihm große Wichtigkeit in Sachen Handel und sowas zuteil. „Ach, da werden Erinnerungen wach!“, seufzt Lucia. Ich sehe sie an. „Ihr wart letztes Jahr hier, stimmts?“ – „Genau. Ash hatte hier seinen Arenakampf. Und wir mussten eine Pokémon-Jägerin aufhalten, wie das Geheimnis des Tempels entweihen wollte.“ – „Jägerin J.“ – „Ja.“ – „Mit der hatte ich auch schon das Vergnügen.“ – „Aber mit Brians Hilfe haben wir letztendlich gewonnen, und…“, ich unterbreche sie. „Was? Brian? Der Pyramidenmeister aus der Hoennregion?“ – „Er hat uns dabei geholfen, er uns seine drei Golempokémon.“, beeindruckt blicke ich auf die Stadt herunter. Der Pyramidenmeister war also auch schon hier. Kara hebt die Brauen. „Davon wusste ich ja noch gar nichts. Aber der Tempel war komplett zerstört, ist aber mittlerweile wieder aufgebaut worden. Seine Hüterin, Maria…“ – „Ja?“ – „Nicht du. So heißt die Hüterin des Tempels.“ – „Oh!“ – „Ja, sie wacht über den Stolz unserer Stadt, wenn ich das so sagen kann.“ – „Cool.“. Ich schweige eine Weile. Sieht ganz so aus, als wäre Blizzach schon Zeuge von äußerst interessanten Begebenheiten gewesen. Bisher wurden alle Gefahren jedoch wieder abgewendet, hoffentlich gelingt mir das jetzt auch. „Maria, die Retterin Sinnohs“ klingt in meinen Ohren wirklich nicht schlecht. Nach diesem Gedanken rufe ich mich innerlich zur Ordnung, die anderen haben genauso Anteil daran wie ich. Ich zucke zusammen. „Stimmt was nicht, Maria?“, will Lucia wissen. „Nein. Es ist nichts.“. Das Gefühl in meinem Magen ist wirklich nicht schön, es fühlt sich an wie ein eiskalter Schauer. Doch ich will die beiden nicht beunruhigen, bloß weil ich ein komisches Gefühl habe. Ein kalter Wind bläst uns um die Ohren, als wir den Hügel verlassen und in die Stadt hinuntergehen. Der Wald liegt nun hinter uns, zuerst durchqueren wir ein kleines Neubaugebiet am Stadtrand. Kara führt uns in eine kleine, belebte Spielstraße, mehrere Kinder spielen hier und bewerfen sich mit Schneebällen. Der Schnee macht auch hier nicht Halt, nur ein schmaler Streifen wurde für die Autos freigeschaufelt. Kein Haus ist von ihm verschont. Sie alle tragen die weiße Pracht auf ihren Dächern. Meine Stiefel verursachen bei jedem Schritt ein knirschendes Geräusch. „Nummer 82, sagtest du?“ – „Ja. Da wohne ich.“ – „Lass mich vorgehen. Denk dran, offiziell bist du vermutlich tot. Ich bereite deine Eltern vor. Wie heißt du mit Nachnamen?“ – „Oak.“ – „Karaoke?“, lache ich. Sie verzieht das Gesicht. „Den Witz macht jeder.“ – „Sumimasen. Also, ich gehe vor. Haltet euch ein wenig im Hintergrund, ja?“, bitte ich meine Begleiterinnen. Ein Schneeball trifft Lucia am Hinterkopf. „Hey!“, sie dreht sich um. Die Kinder halten inne und sehen uns mit großen Augen an. „Du hast sie getroffen!“, zischt eines der kleinen Mädchen. „Du musst dich entschuldigen!“ – „Aber das war keine Absicht.“, flüstert der Junge neben ihr in genauso leisem Ton, den kleine Kinder anschlagen, wenn sie nicht gehört werden wollen, und damit genau das Gegenteil erreichen.
    „Also, ich gebe dir ein Zeichen, wenn sie bereit sind.“, sage ich zu Kara. Sie nickt. Die Koordinatorin kniet sich vor dem Jungen nieder und gibt ihm eine Lektion in Sachen Schneeballformen. Sieht so aus, als hätte sie ein Händchen für Kinder. Als ich mich umdrehe, lachen die Kleinen übermütig. Ich überquere die Straße. Bei der Nummer 82 öffne ich die Gartenpforte, überquere einen kleinen Kiesweg und schaue über die Schulter. Kara und Lucia fangen an, mit den kleinen Kindern einen Schneemann zu bauen. Gut, die Eltern dürften keinen Verdacht schöpfen, solange ich mit ihnen rede. Da es keine Klingel gibt, muss ich an der weißen Holztür klopfen. Einige Momente später öffnet sie sich, und ich stehe einer schwarzhaarigen Frau mittleren Alters gegenüber, die eine Drahtgestellbrille trägt und mich damit an Hagane erinnert. Sie ist sehr schlank, wirkt nahezu zerbrechlich. „Ja? Was kann ich für Sie tun?“, innerlich knirsche ich mit den Zähnen. Sie. Sie. Sie. Sehe ich so alt aus? „Guten Tag. Miss Oak?“ – „Richtig.“ – „Also. Ähm, es ist mir unangenehm, Ihnen diese Nachricht überbringen zu müssen, aber…“ – „Ja?“, ermutigt sie mich, als ich einige Momente geschwiegen habe, um mir eine Formulierung auszudenken. „Sie haben eine Tochter namens Kara, nicht wahr?“ – „Ich hatte. Sie ist letztes Jahr bei einem Skiunfall ums Leben gekommen.“, in ihren Augen, die exakt so aussehen wie die Karas, schimmert es verräterisch. Verdammt. „Nun, das stimmt nicht.“, ihr Gesichtsausdruck verändert sich nach meinen Worten. Sie wirkt erst hoffnungsvoll, dann resigniert, schließlich zornig. „Ich trauere immer noch. Ihre Freunde haben mir haargenau erzählt, was passiert ist. Kara ist beim Skifahren umgekommen. Wie können Sie es wagen, mich so auf den Arm zu nehmen…“ – „Nein, warten Sie.“, unterbreche ich Karas Mutter. „Es ist etwas passiert, etwas, was sie so schnell wie möglich vergessen wollten. Kara lebt, sie lag bis heute Morgen im Koma. Dieser…Unfall ist daran schuld.“ – „Ich glaube Ihnen nicht. Wie kann ein Mensch so lange im Koma liegen und überleben? Das ist ein sehr, sehr schlechter Scherz.“, ihre Stimme wird lauter, ich höre Schritte, die eine Treppe hinuntersteigen. Ihr Mann, Karas Vater, kommt hinzu und stellt sich neben sie. „Was ist los, Liebling?“, fragt er. Ich muss hochsehen, um ihm ins Gesicht zu schauen. So einen großen Mann habe ich noch nie gesehen. Es gibt nicht viele, die mich überragen, und dann sogar um einen ganzen Kopf…das ist heftig. Er legt die Stirn in Falten, genau in der Art, wie ich es von Kara kenne. „Hey. Sie sind die Frau aus der Zeitung von letzter Woche.“ – „Sie sagt, dass Kara noch lebt.“ – „Wenn Sie mir nicht glauben wollen, muss ich es Ihnen beweisen.“, erwidere ich. Dann drehe ich mich um und winke Lucia zu, die in diesem Moment zu mir rüber sieht. Kara und sie erheben sich und kommen näher. Ihre Mutter schlägt die Hände vor den Mund. „Das…“ – „Unmöglich!“, entfährt es dem Vater. Schnell komme ich den beiden Mädchen entgegen. „Unsere Wege trennen sich hier. Pass gut auf dich auf, ja?“, sage ich zu Kara. Sie nickt dankbar. „Das war echt nett von euch. Danke vielmals.“ – „Wenn du irgendwann Hilfe brauchst, ruf einfach an. Meine Nummer steht auf den Zettel hier.“, mit diesen Worten reiche ich ihr ein kleines Stück Papier. „Viel Spaß bei deiner Pokémonreise, wenn du sie endlich beginnst.“, fügt Lucia hinzu. „Wir sehen uns sicher mal wieder.“ – „Danke. Danke, ihr zwei. Wer weiß, wie lange ich da noch rumgesessen hätte, wenn ihr nicht gewesen wärt…“ – „Denk darüber lieber nicht nach. Wir haben gern geholfen. Jetzt geh schon, deine Eltern warten.“, lächele ich.
    Sie umarmt uns nacheinander, atmet dann tief durch und durchquert den Garten. Von der Straße aus sehe ich, wie ihre Eltern sie in die Arme schließen. Ein Sonnenstrahl, der sich irgendwie seinen Weg durch die Wolkendecke gebahnt hat, trifft die drei. Unwillkürlich muss ich blinzeln. Das ist nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um auf diese nun wieder vereinte Familie neidisch zu sein. Ich habe Wichtigeres zu tun. „So. Jetzt müssen wir zur Arena.“, murmele ich. Rocky dürfte mittlerweile auch dort sein. Wir winken Kara und ihren Eltern zum Abschied zu, machen uns dann auf den Weg in den Stadtkern. Fridas Arena ist riesig, manchmal wird sie sogar für Kämpfe der Top Vier genutzt. Die Top Vier unter Cynthias Leitung sind die stärksten Trainer der Region, niemand in Sinnoh kommt ihrer Kraft gleich. Momentan sind Ignaz, Lucian, Herbaro und Teresa diese Trainer. Ich trainiere schon seit vielen Jahren, um einem von ihnen die Stirn bieten zu können. Doch erst muss Team Galaktik zerschlagen werden. Diesmal endgültig. Als ich merke, dass meine Gedanken schon wieder abschweifen, blicke ich in den Himmel. Es ist zu früh, sich darum zu sorgen. Wir durchqueren viele verschneite Straßen, bevor die Arena in Sicht kommt. Das Gebäude überragt alle im näheren Umkreis. Sie steht in einem großen Park, umringt von Bäumen. Ich habe keine Zeit, den Bau zu bewundern, vor der Tür halte ich kurz inne. Dann stoße ich sie auf.
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    Über den Rängen der Blizzach-Arena befindet sich ein Restaurant, welches ringförmig aufgebaut ist und denen, die der Kälte für eine Weile entfliehen möchten, heiße Drinks und Mahlzeiten anbietet. Sämtliche Fenster gewähren Blick auf die Geschehnisse unten auf dem Eisfeld. 4 der quadratischen Tische sind zusammengeschoben worden, um eine Art Konferenztisch zu bilden. Manon, Cat, Joana, Rocky, Hagane und Frida haben es sich hier bequem gemacht. Links hinter dem Tresen putzt der Barkeeper ein paar Gläser ab. Cat zieht mit dem Fuß die schwarzen Linien zwischen den hellgelben Fliesen nach. „Es ist schon nach sieben! Wo bleibt sie nur?“ – „Sie kommt sicher bald. Wir haben vorhin erst telefoniert.“, entgegnet Rocky. In diesem Moment öffnet sich die Glastür hinter Manon. Alle Augen wenden sich den Neuankömmlingen zu. Zuerst tritt ein Mädchen mit braunem Haar ein, welches in seidigen Kaskaden ihre Schultern herabfällt. Zwei Strähnen umrahmen ihr Gesicht. Auf ihrem Kopf sitzt eine weiße Pelzmütze, die sie gerade absetzt. Der Blick ihrer tiefblauen Augen trifft Rocky. Ihr ebenmäßiges Gesicht verrät nichts über ihre Gefühle. Mit großen Schritten kommt das Mädchen näher und zieht sich dabei den schwarzen Mantel aus, den sie über einen der Stühle hängt. Darunter trägt sie einen Rollkragenpullover, der knapp über ihrem Hosenbund einen Streifen Haut freilässt. Rocky merkt, dass der Barkeeper die Augen nicht von Marias Hintern abwenden kann, und muss grinsen. Mit wie selbstverständlich wirkender Eleganz setzt sie sich neben Hagane auf einen der beiden freien Plätze. Der letzte freie Platz wird direkt danach von ihrer Begleiterin besetzt, welche bis eben noch eine rote Jacke trug und ihre Haare richtet, die dunkelblau schimmern. Ihre Bewegungen sind schnell, aber auch präzise, mit einem Handgriff sorgt sie dafür, dass ihre Jacke nicht von der Lehne rutscht und rückt gleichzeitig ihren Stuhl zu Recht. ‚Das ist also diese Lucia.‘, denkt Rocky. Die beiden müssen blendend miteinander auskommen. Die Polizistin fragt sich, wie sie sich wohl das erste Mal getroffen haben. Lucia scheint keine Probleme damit zu haben, direkt so vielen fremden Personen ausgesetzt zu sein. ‚Sie ist Koordinatorin, sagte Maria doch. Mit Publikum kommt sie klar.‘. Rocky legt die Hände auf der Tischplatte zusammen. Maria öffnet den Mund. „Guten Tag, Leute.“, sie fixiert Hagane, die wieder ihr Lin-Fu auf dem Arm hält, für einige Momente, wendet sich dann wieder Rocky zu. „Hey!“, freut sich Cat. „Endlich sehen wir dich mal wieder.“, merkt Manon an. Joana sagt- wie immer- nichts. Frida streckt ihre Hand aus, die Braunhaarige schlägt ein. „Du bist also die berühmte Maria, freut mich. Eigentlich hatte ich mir, also, bei deinem Ruf und so, jemanden vorgestellt, der...nun ja, ein wenig furchteinflößender wirkt.“, gibt die Leiterin zu. „Du musst Frida sein. Die stärkste Eistrainerin Sinnohs. Ist dir nicht kalt?“, ein kühles Lächeln umspielt Marias Lippen. Frida verneint und lächelt ebenfalls. „Nicht im Geringsten. Ich trainiere das ganze Jahr über in der Kälte. Und dir?“ – „Auch nicht. Ich könnte dieses Shirt genauso gut ausziehen. Unserem Dean dahinten würde das gefallen. Nicht wahr, Dean?“, die letzten Worte sagt sie mit erhobener Stimme, der Barkeeper schreckt hoch. Wasser und Eis scheint nicht immer die perfekte Kombination zu sein. „Ja, wieso nicht?“, meint er dann und fährt sich verlegen durch die kurzen, braunen Haare. Maria erhebt sich, doch Lucia nimmt ihre Hand und zieht sie wieder runter. „Maria!“ – „Tut mir Leid. Nur Spaß.“. Cat und Frida kichern verhalten. Dean scheint ein wenig enttäuscht zu sein.
    Dann stützt die Leiterin das Kinn auf die Hände und grinst Maria an. „Ich weiß bereits darüber Bescheid, was ihr vorhabt. Unser Kampf muss warten.“ – „Unser K…“ – „Es spricht sich eben in der Runde der Arenaleiter schnell herum, wenn jemand stark ist. Es war nur eine Frage der Zeit, bis du kommst. Volkner freut sich schon auf dich.“. Die Braunhaarige verschränkt die Arme vor der Brust. Volkner ist ein purer Elektropokémon-Arenaleiter. „Wird nicht leicht. Aber darum sind wir nicht hier. Ich schlage vor, wir hören uns an, was Officer Rocky vorhat.“, schließt Maria. Rocky räuspert sich kurz. „Also, dank der Hilfe von LeBelles Agenten habe ich den Radius eingegrenzt, in dem Lee und Tai gefangen gehalten werden könnten. Hier.“, sie legt einen Stadtplan Blizzachs auf den Tisch. Ein Gebiet ist mit rotem Stift umkreist worden. „Das sind mehrere Kilometer. Industriegebiet. In jedem Lagerhaus könnten sie versteckt sein!“, sagt Maria, die Polizistin nickt knapp. „Dachte ich auch. Aber dann habe ich einen Anruf meiner Cousine erhalten, der Transporter wurde von einem Officer zufällig beobachtet, wie er in diese Straße hier einbog.“, sie hält den Finger darauf. Manon denkt nach. „Sekunde. Diese Straße…“ – „Ganz Recht.“, unterbricht Rocky. „Sie führt genau aus der Stadt heraus.“ – „Und zwar in westlicher Richtung.“, fügt Maria hinzu. „Dort befindet sich der See der Stärke.“, Frida lässt die Knöchel knacken. „Also, wer hat Lust auf einen kleinen Kampf mit Team Galaktik?“ – „Na immer! Miau sind bereit!“ – „Gut.“, Rocky erläutert ihren Plan. Die Trainerinnen hören ihr angespannt zu, nur Joana scheint sich nicht von der Aufregung anstecken zu lassen. Seelenruhig trinkt sie einen heißen Kakao aus ihrem Becher. Schließlich lehnt die Polizistin sich zurück. „Und genauso dürfte das klappen. LeBelles Agenten sichern alle weiteren Lieferungen, die per Schiff versandt werden. Außerdem…“, sie verstummt, als ihr Blick auf einen der Fernsehmonitore fällt, die in regelmäßigen Abständen im Raum hängen. „Können Sie das lauter stellen?“, fragt sie den Mann am Tresen. Er nickt und zückt eine Fernbedienung. Maria hält kurz den Atem an. Man sieht Herzhofen von oben, scheinbar befindet sich die Kamera in einem Helikopter. Eine Explosion zerschmettert gerade die Straße, auf die ran gezoomt wird. Ein Nachrichtensprecher wird eingeblendet. Mit ernstem Blick holt er Luft. „In Herzhofen hat sich die Lage seit heute Morgen drastisch geändert. Team Galaktik hat die Kontrolle über die Zentralbank, das Pokémoncenter, das Rathaus und andere wichtige Institutionen. In den Straßen entbrennen immer wieder Kämpfe zwischen Trainern und Mitgliedern des Team Galaktik. Die Trainer Herzhofens schließen sich zu immer größeren Gruppen zusammen, bisher konnte jedoch noch kein nennenswerter Sieg errungen werden. Die Polizei ist nach wie vor machtlos, doch den Medien wurde versichert, dass Gegenmaßnahmen bereits in Gang sind.“. Danach erscheint wieder die Stadt auf dem Schirm, Feuersäulen schießen zwischen mehreren Gebäuden hervor. Die Kamera schwenkt hektisch herum, doch als ein Feuerball genau auf den Kameramann zufliegt, bricht die Verbindung schlagartig ab. Maria erhebt sich. „Morgen früh geht’s los.“
    Der Barkeeper pfeift munter vor sich hin, als Rocky und die anderen das Restaurant verlassen. „Wow. In Natura ist die schon angsteinflößend.“, murmelt er, nachdem Maria ihn erneut beim Blick auf ihre Kehrseite erwischt und dafür verächtlich angelächelt hat. Ihre dunkelblauen Augen versprachen ihm Qualen und Verdammnis, zumindest hat er sich das eingebildet, und Kopfkinos sorgsam vermieden, auch, als die Trainerinnen schon weg sind. ‚Womöglich kann die auch noch Gedanken lesen oder sowas. Ich gehe kein Risiko ein.‘, sagt er sich. Woher sie seinen Namen kennt, malt er sich lieber nicht aus. Dean möchte allerdings nur zu gern wissen, welcher Glückliche die Kleine abbekommen hat. Wie kriegt man so jemanden rum? Aber das Mädchen mit dem Katzenfetisch sah auch extrem gut aus, denkt er. Vielleicht hätte er ihr einen Drink spendieren sollen. Schließlich ist nicht jeder Kerl Barkeeper in Sinnohs zweitgrößter Arena. Vielleicht hätte sie Gefallen an ihm gefunden. Sie wirkte wie eine, die gern feiert. Dann wandern seine Gedanken weiter zu der Frau mit den müden Augen und den türkisfarbenen Haaren. Kein Zweifel, das war eine Rocky. Im nächsten Moment geht ihm ein Licht auf: Eine Polizistin. Das Mädchen aus der Zeitung. Dazu diese ganze Truppe voller Trainerinnen… das könnte das Team sein, von dem sein Bruder erzählt hat, der bei der Polizei arbeitet. Hastig greift er zum Handy und wählt eine Nummer. Es tutet. „Blizzach Boulevard, was kann ich für Sie…“ – „Pia? Bist du das? Hör mal, ich hab da ne Story für dich. Du erwähntest doch mal diese Zusatzgage für freie Reporter…“
    //


    Herzhofen
    Orangefarbenes Licht erhellt die Wiese, auf der Sally und ihre Freunde jeden Tag Fußball spielen. Doch Herzhofen ist nicht mehr die Stadt, die sie gestern noch war, praktisch über Nacht haben sich die Galaktiker überall eingenistet. Sally und ihr Bruder sind heute allein. Sie streckt die Beine aus und lässt sich rückwärts ins Gras sinken. „Was machen wir nur? Ich wünschte, ich hätte auch ein Pokémon.“ – „Wir können gar nichts tun. Am besten halten wir uns zurück, bis das alles vorbei ist.“, antwortet der Keeper. Er trägt seine Torwartkleidung, obwohl er nicht spielt. Seine Schwester hingegen belässt es bei einer Stoffshorts und einem ihrer leichten Tops. Ihre Haare sind mittlerweile auf Kinnlänge abgeschnitten. Von ihrem Haarreif hat sie sich jedoch nicht getrennt. „Hey, ihr da!“, eine Gruppe junger Männer kommt über den Fußballplatz gelaufen, sie tragen silberne Uniformen. „Was macht ihr auf unserem Sportplatz?“, will der Typ wissen, der ganz vorn läuft. Sally spürt ihre Wut hochkochen. „EUER? Euer Sportplatz? Das soll wohl…“ – „Ruhig.“, ihr Bruder hält ihren Arm fest, als sie aufspringt. „Nein, ich bin nicht ruhig! Die haben kein Recht dazu, unsere Stadt zu entehren!“ – „Oh, strenge Worte für so ein kleines Mädchen.“, höhnt der Anführer der Galaktiker, als er genau vor Sally stehen bleibt. „Aber wie du sicher weißt, haben wir jetzt die Kontrolle hier. Also mach keine Mätzchen und verzieh dich.“. Sally antwortet nicht. Stattdessen reißt sie das linke Bein zurück und tritt dem Galaktiker genau zwischen die Beine. „Verschwinde DU DOCH!“, brüllt sie. Seine Kollegen reden hastig durcheinander. „Clive!“ – „Alles klar bei dir?“ – „Sie hat ihn getreten!“ – „Das bereut dieses Biest!“, keucht Clive und zückt einen Pokéball. Doch bevor er sein Pokémon rufen kann, prallt ein Fußball gegen seinen Kopf, regungslos bleibt der Mann liegen. Sally wendet sich um. „Guter Schuss!“, lobt sie ihren Bruder. Der Keeper nickt nur stumm. „Meine Schwester hat Recht. Dieser Sportplatz ist für alle da!“, er fängt seinen Ball auf, schießt erneut, als der nächste Galaktiker ein Pokémon holen will. Sally grinst. Dann rennt sie um den vierten herum, tritt ihm von hinten die Beine unterm Körper weg. Der Fünfte jedoch schafft es, ein Magnayen aus seinem Ball zu rufen, es knurrt die Geschwister an. Vier von fünf Galaktikern wälzen sich unter Schmerzen am Boden. „Ihr minderwertigen Plagen. Das bereut ihr.“, knurrt der Mann. „Genieß deinen Aufenthalt in der Hölle!“, ruft die Stimme eines Mädchens herüber, kurz darauf wird das Magnayen von einem Flammenstrahl getroffen und geht winselnd zu Boden. Der zweite Feuerstoß schlägt genau hinter dem Galaktiker in den Boden ein. Er schreckt zusammen, wirft einen hasserfüllten Blick auf jemanden, den Sally nicht sehen kann, weil er oder sie hinter ihr steht, und rennt weg. Sie dreht sich um. Drei Trainer kommen auf sie zu: ein Mädchen und zwei Jungs. „Was meinst du, ob ich die Typen da Knakrack verfüttern darf?“ – „Es heißt: an Knakrack verfüttern, mein Liebling. Und ich bezweifle, dass du das darfst.“ – „Ey, die beiden da, die haben 4 Galaktiker zerballert.“ – „Nett. BWAHAHA! Und für mich blieb nur einer übrig. Da ist man mal zufällig unterwegs und trifft Galaktiker, schon werden sie einem vor der Nase weg besiegt! Ungerechtigkeit!“, sagt der Rothaarige in der Mitte. Sally lächelt den Neuankömmlingen zu. „Danke, dass ihr uns geholfen habt. Das war knapp.“. Das Mädchen sieht sich kurz um. „Ihr beide habt ganz allein, ohne Pokémon, 4 von denen besiegt? Nicht schlecht.“, flüstert sie dann. „Lilith ist beeindruckt.“


    ich werde mir den einleitungssatz mal in zukunft sparen, damit der lesefluss nicht unterbrochen wird. hoffe, ihr hattet spaß beim lesen :)
    mfg
    DoD

  • Kapitel 32
    La Mère


    7.7.-8.7.2009


    Bis jetzt habe ich es nicht über mich gebracht, mit Hagane zu reden. Sicher ist sie enttäuscht, dass ich Lee und Tai in Ewigenau nicht retten konnte. Das hat bis Morgen Zeit. Lucia und ich teilen uns mal wieder ein Zimmer im Pokémoncenter, hier werden wir die Nacht verbringen, bevor wir morgen früh um 7 unseren Plan durchziehen. „Was hältst du von Frida?“, will meine Freundin wissen, als wir in unseren Betten liegen und das Mondlicht auf uns herab strahlt. „Ich weiß nicht. Sie scheint gut zu sein. Aber sie ist, wie so viele andere, anscheinend der Meinung, mein Wasser hätte keine Chance gegen Elektropokémon. Und sowas mag ich nicht.“ – „Klingt, als hättest du schon eine Strategie gegen Volkner entwickelt.“ – „Kann man so sagen. Mein Garados beherrscht Erdbeben.“ – „Denk dran, dass wir jetzt ein Team sind. Egal, ob du sie bald bekämpfen musst, fürs Erste ist es besser, zusammenzuarbeiten.“ – „Ja. Weiß ich.“. Mein Blick fällt auf den weißen Vollmond vor meinem Fenster. Ich fühle ein Kribbeln im Bauch. Das Blut in meinen Adern scheint aus irgendeinem Grund schneller zu fließen als sonst. Ich merke gar nicht, wie ich mich aufsetze. Erst, als Lucia ebenfalls aufsteht, wird mir klar, dass ich schon eine Weile lang den Mond anstarre. „Stimmt etwas nicht?“ – „Nein, alles bestens. Sieht er nicht wundervoll aus?“ – „Äh, klar.“, stimmt sie zu. Ich sehe sie an. Nur eine Sekunde lang erinnere ich mich daran, wie sie und ich gegen die Galaktiker am See gekämpft haben, wie sie durch meine Kräfte stärkere Muskeln erhalten hatte. Sie stößt erschrocken die Luft aus. „Hey! Wir sind allein. Hier ist kein Gegner.“, sagt Lucia, nachdem sie ihren Arm befühlt hat. „Was ist denn?“ – „Du hast meine Muskeln gestärkt.“ – „Nein, habe ich nicht.“ – „Doch!“, sie spannt den Bizeps an, die Muskeln treten deutlich hervor. „Aber ich habe nur eine Sekunde an den Vorfall gedacht…“, ich unterbreche mich. Mein Kopf ruckt zum Mond. Wie Ebbe und Flut vom Mond befehligt werden, scheint meine Macht ebenfalls mit den Mondphasen zu wachsen. „Wieso merke ich das erst jetzt?“, frage ich mich. Lucia zuckt die Schultern. Ich richte eine Hand auf die Arme meiner Freundin, ihre Muskeln nehmen wieder ihre normale Größe an. „Danke.“ – „Keine Ursache.“, und erneut zieht der Vollmond meinen Blick magisch an. Lächelnd sage ich: „Mein alter Spitzname passt besser denn je zu mir.“ – „Früher wurdest du „Der schwarze Mond“ genannt, nicht wahr?“ – „Ja. Wegen Galagladis schwarzer Psychoklinge. Und wegen meines… Verhaltens.“. Ich füge nicht hinzu, was für ein Verhalten das war.
    Probeweise schließe ich die Augen, in meinem Geist sehe ich den Mond genau vor mir. Ich denke an den Schnee um uns herum, und daran, was passieren soll. Draußen erhebt sich ein leises Rauschen. Nach einigen Momenten kehrt wieder Stille ein. Als ich meine Augen wieder öffne, kann ich für einige Momente klar und deutlich sehen, obwohl es im Zimmer nahezu dunkel ist. Der Mond wird durch eine gigantische Mauer aus Schnee verdeckt, die ich erschaffen habe. Mit nur einem Gedankenimpuls. Und das in weniger als 10 Sekunden. Mir bleibt der Atem weg; ich hätte nie im Leben erwartet, dass meine Kräfte so gewaltig werden würden. Nachdenklich hebe ich die linke Hand, die Schneemauer löst sich auf und verschmilzt wieder mit dem weißen Tuch, welches über Blizzach liegt. Ich schlage die Decke zurück und stelle mich ans Fenster. Der Mond beleuchtet meinen Oberkörper und mein Gesicht. „Ich wusste es! Du schläfst doch nur in Unterwäsche.“, ich hebe nach Lucias Worten die Arme über den Kopf und drehe mich einmal um die eigene Achse. „Ich finde, schwarz steht dir gut.“, sagt die Koordinatorin mit kritischem Blick. „Du hast so schöne Haut, da werde ich ja neidisch. Ist dir wirklich nicht kalt?“, grinst sie dann, sie bezieht sich auf Fridas Frage von vorhin. „Nein. Das Zimmer ist gut beheizt.“, lache ich Lucia an, als ich mich wieder ins Bett lege. Wir haben einen anstrengenden Tag vor uns. „Du?“, fragt die Koordinatorin einige Minuten später. Ich drehe den Kopf in ihre Richtung, kann im diffusen Licht ihr Gesicht erkennen. „Ja?“ – „Du und Lee, habt ihr eigentlich…naja, habt ihr schon über Heirat und Kinder nachgedacht?“ – „Einige Male schon. Aber wir legen uns noch nicht fest. Wieso?“ – „Wie beginnt man denn so ein Gespräch? Ich denke manchmal, wenn ich darüber reden will, dass Ash nur seine Kämpfe im Kopf hat.“ – „Das ergibt sich schon irgendwie. Eine Generalantwort kann ich dir leider nicht geben.“ – „Ich kann mir dich gar nicht als Mutter vorstellen!“, kichert Lucia, woraufhin ich die Brauen hebe. Die Wirkung dieser Geste geht leider im Zwielicht verloren. „Warum?“ – „Naja, du bist eben Maria. Und nicht Mum Maria.“ – „Klingt logisch. Nur mit der unbefleckten Empfängnis wird’s nichts.“ – „Nein, tut es nicht.“. Wir müssen beide lachen, als uns bewusst wird, wie dieser Dialog klingt. Dann werde ich wieder ernst. „Ich würde meine erste Tochter Lucia nennen.“, murmele ich dann. Es ist eine Weile lang still im Raum. „Wirklich?“ – „Nur, wenn du nichts dagegen hast.“ – „Nein, natürlich nicht.“ – „Naja.“, ich werde ein wenig verlegen, ohne dass ich sagen kann, wieso. „Dein Name gefällt mir. Und wenn meine Tochter nach einer berühmten und wunderschönen Koordinatorin benannt ist, dürfte das ihr Schicksal doch positiv beeinflussen, oder?“ – „Danke.“. Sie streckt ihre Hand aus, ich tue es ihr gleich und drücke sie sanft. „Wir sollten schlafen. Das wird nicht leicht nachher.“ – „Ja.“


    8.6.2009


    Herzhofen
    Die schwarzhaarige Frau sitzt an einem Laptop in der Eingangshalle des Pokémoncenters. Das blaue Licht des Bildschirms scheint ihr ins Gesicht. Die Sonne geht gerade auf, trotzdem ist es dank der Hochhäuser im Umkreis noch dunkel hier. Sie lehnt sich im Sessel zurück. Momentan kann sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Nicht mal 2 Kilometer entfernt befindet sich eine Fabrik, in welcher für Menschen gefährliche Pokébälle hergestellt werden, und die Polizei kann nichts dagegen tun. Es ist zum Verrücktwerden. „Wie sieht der nächste Schritt aus?“, meistens hilft es ihr, sich diese Frage zu stellen. Die Fabrik muss weg. Dafür brauchen sie mehr Kraft, ergo: mehr Trainer mit ihren Pokémon. Als sich die automatischen Glastüren des Pokémoncenters öffnen, dreht sich Sophie um. „Bien iesch ´ier rieschtisch?“, fragt eine hochgewachsene Frau mit violetten Haaren, die zu aufwändigen Zöpfen geflochten sind. Ein gleichfarbiges Kleid ziert ihren schlanken Körper. Die Polizistin erhebt sich schnell. „Lamina! Es freut mich, dass Sie hier sind. Wir haben versucht, Sie zu erreichen…“ – „Oui, das weiß iesch. Iesch war leidär gestärn niescht in der Stadt. Da´er ´abä iesch ihre Nachriescht ärst ´eutä Morgen er´altän.“ – „Gut. Wir brauchen wirklich dringen Ihre Hilfe. Es geht um die Besatzung Herzhofens.“ – „Auch davon waiss iesch bereits. Iesch bin dabei.“. Auf Laminas Worte hin nickt Sophie erfreut. „Gut. Ich sage sofort den Trainern Bescheid, mit denen Sie zusammenarbeiten.“ – „Bon.“. Gerade nachdem Sophie in Richtung Treppe verschwunden ist, löst sich die Gestalt eines Mädchens aus dem Schatten hinter der Rezeption. Lamina holt Luft. „Wär iest da?“ – „M…Maman?!“
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    Ein wenig später sitzen Kuré, Alfred, Eva und Lamina auf der Bank, auf der Sophie noch gearbeitet hatte. Für alle war es eine Überraschung gewesen, dass die Arenaleiterin von Herzhofen verheiratet ist und sogar eine Tochter hat. „Wir hätten uns nie träumen lassen, dass wir die Tochter einer Leiterin im Team haben.“, sagt Eva. Alfred nickt schweigend. „Nun, äs ist gainäsfalls so, dass jäde Aränaleiterin ihr Privatlebän veröffentlischen muss, nischt wahr?“, antwortet Lamina. Kuré legt ihre Hand auf Laminas Arm. „Maman, isch wusste nischt, dass du schon diese Woche ssurückkommst!“ – „Das solltä auch eine Überraschung sein, ma Chère.“, lächelt ihre Mutter. „Mainä Tochter war schon immer sähr eigen, was Pokémon angäht, darum hat sie sisch meinem Wunsch widersetzt, ebenfalls Geisterpokémon ssu trainierän, und sisch den Psyschotypän gewidmät.“ – „Interessant. Kommen Sie demnach ebenfalls aus Einall?“, fragt der Silberhaarige. „Non, mainä ´Aimat ist sehr weit weg. Weiter als Einall. Abär das iest nischt der rischtige Sseitpunkt für Familiengäschischten, non?“ – „Natürlisch nischt, Maman. Wie gäht es deinem Gengar?“ – „Ausgässaischnet, wie immär. Isch ´örte, du ´ast schon einen Galaktik-Unterschlupf sserstört, ma Chère?“ – „Oui, Mademoiselle Eva, Monsieur Alfred und isch bilden eines von Rockys Teams.“ – „Interessant. Wo ist denn Mademoiselle Rocky momentan?“ – „In Blizzach. Sie stößt zu uns, sobald die Krise oben überwunden ist. Zwei unserer Teamkameraden sind in Gefangenschaft.“, antwortet Eva. „Ah. Und jätzt befreiön wier diesä schönä Stadt, non?“, Lamina erhebt sich. In diesem Moment treten Pay, Lilith und der Chief in den Hauptraum des Pokémoncenters. „Yo! Guten Morgen, Leut…äähh?!“ – „Schönes Wort, Mann.“ – „Ne, guck ma, das ist doch…“, beim Anblick Laminas bleibt Pay der Mund offen stehen. „SIE ist deine Mutter?!“ – „Wie hast du das so schnell rausgekriegt?“, fragt Lilith. „Naja, unsere kleine Lebensmitteltransporterin hält nicht jeden Tag den Arm einer unbekannten Frau, darum.“ – „Ach so. Kuré, stimmt das?“ – „Oui. Meinä Muttär ´at siesch dem ´Andwerk des Trainieräns schon vor langär Ssait gäwidmät, und iest offensischtlisch très forte, wenn iesch das so sagän kann.“ – „Und jetzt hilft sie uns, die Galaktiker aus der Stadt zu ballern?“ – „Schön ausgedrückt, Mann.“ – „Isch gänne diesäs Wort nischt, aber isch glaube: ja.“ – „Puuuurfect.“, gibt Lilith ihren Senf dazu. „Wir schlagen vor, wir bereiten eine Strategie vor.“ – „Gute Idee, Eva.“, murmelt die Schwarzhaarige. Die Trainer setzen sich um den Tisch herum, Pay breitet einen Stadtplan auf der Tischplatte aus. „So. Feuer frei, oder?“ – „Nicht so voreilig, junger Mann.“, Alfred zeigt auf mehrere Gebäude im Stadtkern. „Das hier ist das Rathaus. Team Galaktik unterbindet die Rebellion der Trainer von hier aus, im Fernsehen wurde mehrfach gesagt, es bestünde kein Grund zur Sorge. Die Medien aus den anderen Teilen Sinnohs wissen selbstverständlich, dass das gelogen ist, und führen Maßnahmen gegen eine Infiltration ihrer eigenen Stadträte ein.“
    „Aber mit der Hilfe der Trainer hier…“, beginnt Lilith, da treten zwei weiter Personen ins Pokémoncenter. Sie lächelt. „Ah, ihr seid da.“ – „Na klar.“, antwortet Sally. „Wir wollen Herzhofen beschützen, auch wenn wir keine Trainer sind!“, fügt ihr Bruder hinzu. Er hat, wie immer, seinen Ball dabei. „…mit Hilfe von Herzhofens Bürgern werden wir die Stadt retten.“, schließt die Feuertrainerin. Pay reibt sich die Hände. „Und wenn Maria hier runterkommt wird’s lustig.“ – „Wir haben lange nicht mehr mit ihr zusammen gekämpft.“ – „Vor einem Jahr das letzte Mal, oder, Eva?“ – „Exakt.“. Das Mädchen mit den goldenen Haaren blickt aus dem Fenster. Die Sonne strahlt ihr ins Gesicht. Eine Gruppe Trainer und zwei Fußballspieler gegen Team Galaktik. Schöne Aussichten.


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    Blizzach
    Lucia schaut auf ihre schlafende Freundin herunter. „So. Jetzt folgt Teil zwei von Lucias kleinen Racheakten. Das kalte Wasser hab ich noch nicht vergessen, meine Liebe.“, murmelt sie grinsend. Aus ihrer Tasche holt sie eine Flasche Sprühsahne, zieht dann Marias Decke runter. Marias Schlafstil ist für den Streich der Koordinatorin prädestiniert, sie schläft auf der Seite, die Arme angewinkelt, die Hände benutzt sie als eine Art zweites Kissen. Lucia zieht Marias Hände vorsichtig unter ihrem Kopf hervor und legt sie auf die Matratze. Anschließend verteilt sie auf den Handflächen der Braunhaarigen ein wenig Sahne. ‚Wenn ich sie jetzt kitzele, sollte sie versuchen, mit den Händen den Juckreiz abzuwehren. Also verteilt sie sich selbst die Sahne auf der Haut.‘, fährt es Lucia durch den Kopf. ‚Das wird ein Spaß.‘. Langsam streckt sie die Hand aus und legt sie auf Marias Bauch. Maria verzieht das Gesicht. „Huch?“, macht Lucia. Wieso reagiert die Braunhaarige nicht so, wie sie es geplant hat? „So leicht gebe ich nicht auf.“. Mit einer Hand streicht Lucia sacht über die Nase ihrer Freundin, mit der anderen über ihren Bauch. Endlich regt Maria sich, grummelt im Schlaf und schlägt nach der juckenden Stelle. Im selben Moment juckt ihre Nase, die zweite Portion Sahne landet in Marias Gesicht. Wahrscheinlich ein Reflex gegen Insekten. Die Sahne klatscht auf ihren Bauch, erschrocken fährt die Trainerin hoch und blickt sich genauso verschlafen wie irritiert um, bevor sie die Sahne auf ihrer Haut bemerkt. „Was…“ – „Erwischt!“, lacht Lucia. „Lucias kleiner Racheakt: Erfolgreich!“ – „Racheakt? Wokommdie Sahne her…“, nuschelt Maria und will sich eine Strähne aus dem Gesicht streichen, merkt jedoch vorher, dass die Sahne an ihren Händen klebt. Im nächsten Moment wirkt sie sehr viel ausgeschlafener. „Hey!“ – „Tut mir leid, aber die Gelegenheit wollte ich nicht verstreichen lassen.“, freut sich Lucia. Seufzend steigt ihre Freundin aus dem Bett. „Was würde Lee dazu sagen?“ – „Er würde dich zuckersüß finden, was sonst?“, die Koordinatorin kann nicht aufhören, zu kichern. Maria hebt eine Braue. „Ich glaube, er würde die Sahne mit Freuden entfernen. Und jetzt gehe ich duschen.“ – „Entfernen? Wie denn?“ – „Das bleibt mein Geheimnis.“ – „Das ist gemein! Ich bin doch so neugierig.“ – „Kann ich mir denken. Ich gebe dir einen Tipp: Zunge.“, mit diesen Worten lächelt Maria die Blauhaarige an und verschwindet im Badezimmer. Lucia nagt an ihrer Unterlippe. War das ernst gemeint? Tun die beiden sowas? „Vielleicht sollte ich das wiederholen, wenn wir Lee gerettet haben. Nur mit Schokosoße oder sowas.“, überlegt sie laut. Dann zuckt sie zusammen. „Ich wollte zuerst unter die Dusche!“ – „Oh nein, oh nein! Stattdessen hat die junge Dame mir Sahne auf den Bauch geschmiert! So ein Pech.“, tönt es durch die verschlossene Holztür. Lucia bläst die Wangen auf. „Dann warte ich eben.“.
    Anderthalb Stunden später sitzen die beiden Mädchen nebeneinander auf Lucias Bett und unterhalten sich. Marias Haare sind zu einem gezackten Mittelscheitel frisiert, sie trägt nun wieder ein weißes Rollkragenshirt sowie ihre Jeanshose. Wahrscheinlich ist das Shirt ein wenig eingelaufen, denn obwohl die Ärmel noch ihre normale Länge aufweisen, bleibt ein Streifen Haut über Marias Hosenbund unbedeckt. Die Koordinatorin hat sich für einen Pferdeschwanz entschieden, ihr Haar ist lang genug dafür geworden. Das Outfit gefällt ihr heute jedoch noch nicht. „Dann…wie wäre es mit dem roten Pullover? Wir müssen wirklich bald los.“ – „Du kannst den Tag nicht angehen, wenn du nicht geduscht oder gebadet hast, und ich brauch halt ein passendes Outfit. So läuft das bei uns. Ich nehm das schwarze Top.“ – „Gut.“ - "Oder Blau?" - "Lucia!" - "Nur Spaß!", nachdem sich Lucia ebenfalls angekleidet hat, verlassen die beiden ihr Zimmer. Auf dem Gang stoßen sie beinahe mit Hagane und Joana zusammen, welche sich ebenfalls ein Zimmer geteilt haben. Maria sieht das Mädchen mit den stahlblauen Haaren an. Dann legt sie ihr die Hände auf die Schultern. „Ich verspreche dir, wir befreien die beiden.“, murmelt die Trainerin. Hagane nickt nur stumm. „Ich habe in den letzten Tagen viel gelesen und meditiert, wie Lee es mir beibrachte. Und ich glaube, ich weiß, was damals am Fluss mit mir passiert ist. Diesmal bekomme ich meinen Bruder wieder.“, mit diesen Worten macht sie kehrt und geht die Treppe hinunter. Lucia wirft der Braunhaarigen einen Blick zu. ‚Wahrscheinlich gibt sich Maria die Schuld daran. Jetzt wollte sie testen, ob Hagane das auch so sieht.‘, denkt sie. ‚Aber was meinte sie mit „was am Fluss passiert ist“?‘. Unten im Pokémoncenter warten Cat und Manon schon auf die Neuankömmlinge, Lucia hat sich die Namen sofort gemerkt. Cat=Katze, daher ist es leicht, auf ihren Namen zu schließen. Manon trägt praktischerweise andauernd eine Art Bandana, auf welchem in großen Lettern „Manon“ geschrieben steht. Nur das Mädchen, was nie ein Wort sagt, wirkt geheimnisvoll auf die Koordinatorin. Johanna…Joan…Jeanne? Janna? Nein, Joana. Das war ihr Name. Laut Maria ist das kleine Mädchen eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Heilung. Alle ihre Pokémon sind auf die Heilung und Gesundung des Teams ausgelegt. Interessanter Stil, denkt Lucia. Maria lehnt sich an die Wand und verschränkt die Arme vor der Brust, Lucia stellt sich neben sie. Manon und Cat unterhalten sich über die Nachrichten. „Ein wenig aufgeregt bin ich schon.“, gibt Maria zu. „Ist doch logisch. Rocky sagte, der See der Stärke ist super bewacht, aber diesmal sind wir nicht allein.“ – „Ja.“ – „Außerdem liegt hier überall Schnee, das heißt, du bist im Vorteil. Und dazu kommt noch der See der Stärke selbst, und vom Vollmond ganz zu schweigen. Du sagtest ja, er macht dich stärker, stimmts? So viel Macht hattest du noch nie.“ – „Du hast ja Recht.“ – „Natürlich habe ich das, Sachiko!“
    Maria sieht sich um und tritt dann an den Tresen herüber. „Schwester Joy?“ – „Ja?“ – „Ich würde gern mit den ST-Towers in Alamos Town telefonieren. Geht das?“ – „Aber sicher doch. Folgen Sie mir.“, als Lucia diese Anrede hört, muss sie kichern. Sie weiß, dass Maria es hasst, gesiezt zu werden. Aber bei ihrem Aussehen kommt sie nicht drum herum, sie wirkt eben schon sehr erwachsen, obwohl sie erst 19 ist. Was hat sie nur vor? Alamos Town?


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    Ich folge Joy in den Ferngesprächsraum, in Reih und Glied sind die Visophone hier aufgestellt. „Box 1 direkt, bitte.“ – „Danke, Schwester Joy.“ – „Ist mir ein Vergnügen.“, lächelnd verabschiedet die Krankenschwester sich, ich setze mich auf den Stuhl vor dem Visophon und wähle die Nummer von Alamos‘ Forschungszentrale. Das Bild flackert. Einen Moment später erscheint ein junger Mann am anderen Ende der Leitung, er hat silbernes Haar, trägt eine Brille und scheint zerstreut zu sein. „Guten Tag, Technologiezentrum Alamo…Maria!“ – „Interessanter Name für ein Gebäude, findest du nicht, Tonio?“, grinse ich. Er lacht kurz. „Ich bin überrascht. Wirklich. Soll ich Alice holen?“ – „Nein, ich wette, sie steckt gerade mitten in einer Führung. Dabei störe ich nur ungern. Ich habe eine Frage an dich.“ – „Und die wäre?“ – „Naja… du hast sicher von Herzhofen gehört.“ – „Ja.“, sein Blick wird ernster. Ich atme ein. „Und ich helfe dabei, Team Galaktik zu bekämpfen.“ – „Ah. Das habe ich mir gedacht, weil du nicht mehr anriefst. Irgendwas ist da los, habe ich zu Alice gesagt.“ – „Genau. Nun, ich brauche meinen alten Freund womöglich bald. Es kann sein, dass ich euch besuchen komme.“. Nun wirkt Tonio wirklich besorgt. „Ist Team Galaktik so stark?“ – „Leider ja. Ich würde nicht anrufen, wenn es nicht absolut wichtig wäre.“ – „Verstehe. Hm…“. Der Forscher legt eine Hand an sein Kinn und denkt nach. „Also, die Stadt ist soweit sicher. Wir haben hier keine Probleme mit Team Galaktik. Ich werde ihn fragen.“ – „Danke. Das bedeutet mir viel. Er soll sich bereit halten.“ – „Gut. Wir sehen uns. Halt die Ohren steif, ja?“ – „Immer doch. Ihr auch, ja? Grüß Alice von mir.“ – „Mach ich.“, mit einem letzten Lächeln legt Tonio auf. Schwester Joy klopft an der Tür. Ich drehe mich um. SIe lächelt unsicher. „Ähm…ein Anruf aus Stratos City geht gerade in Box 2 ein. Er ist an eine deiner Freundinnen gerichtet, aber ich will sie nicht stören, weil sie offenbar gerade etwas besprechen…“ – „Schon gut. Ich geh ran.“ – „Danke.“, ich frage mich erneut, wie Schwester Joy es schafft, chronisch freundlich zu sein. Die Anzahl Schwester Joys, die nicht automatisch glücklich sind, wenn ich sie sehe, beträgt nahezu null. Ich erhebe mich und lasse mich dann in Box 2 auf den Hocker sinken. Der Schirm wird erst weiß, dann erscheint ein mir wohlbekanntes Gesicht. Stratos City…ich hätte es wissen müssen. „Hey, Ash. Freut mich, dich zu sehen.“. Der Trainer ist enttäuscht, er hat seine Freundin an meiner Stelle erwartet. Hinter ihm stehen zwei mir unbekannte Trainer; ein schwarzhaariges Mädchen mit dunkler Haut und ein junger Typ mit grünem Haar und Kellneroutfit. Und auf Ashs Schulter sitzt sein Pikachu, welches nie von seiner Seite weicht.
    „Tag, Maria. Lucia ist grad nicht im Pokémoncenter, oder?“ – „Doch, aber wir greifen gleich den See der Stärke an, der von Team Galaktik besetzt ist. Rocky bespricht gerade die letzten Einzelheiten mit den anderen.“ – „Ah. Und du bist nicht dabei?“ – „Nein. Ich weiß, was ich zu tun habe.“ – „Team Galaktik. Ich dachte, von denen höre ich nie wieder etwas.“, murmelt Ash. „Dachte ich auch. Woher wusstest du eigentlich, wo wir sind?“ – „War nicht schwer. Ich habe Lucias Mum angerufen, sie meinte, dass ihr auf dem Weg nach Blizzach seid.“ – „Ah. Du bist erwachsen geworden, Kleiner.“, ich spiele auf unser Treffen vor einem Jahr an, wo ich ihn um einen halben Kopf überragt hatte. Er grinst verlegen. „Kann ich ja nichts für. Das hier sind übrigens Lilia und Benny, sie begleiten mich in Einall. Leute, mit diesem Mädchen habe ich letztes Jahr einen Teil der Führungsetage von Team Galaktik besiegt.“. Benny winkt mir höflich zu, Lilia grinst in die Kamera. „Hey du. Ich kenn dich! Mein Name ist Lilia.“ – „Freut mich. Maria Jou.“, okay, Maria, sie hat von dir gehört. Jetzt mach keine Fehler. Peinliches Schweigen. „Und, äh…wie ist Einall so?“ – „Die Landschaft hier ist der Hammer. Du solltest diese riesigen Brücken mal sehen.“, antwortet Ash. „Aber davon kann ich dir ein andermal erzählen. Ich hatte auf Lucia gewartet.“ – „Tut mir leid.“ – „Ach, wieso denn? Ich rufe nachher noch einmal an, sagst du ihr das?“ – „Gern. Ich bin sicher, sie würde sich wünschen, dass ich dich herzlich grüße, und das tue ich hiermit.“. Er lächelt mir zu. „Danke. Und ich muss dir ein Versprechen abnehmen.“ – „Was für eins?“ – „Bitte, es ist wichtig.“. Ich seufze. „Okay.“ – „Danke nochmals. Kannst du…“, Ash wird rot. Ich bekomme ein ungutes Gefühl. „Kannst du ihr einen Kuss übermitteln?“, ich ignoriere Lilias „Süüüüß“-Gequietsche und nicke. Pikachu schließt resigniert die Augen, es wirkt oft richtig menschlich, was mich zum Grinsen bringt. Versprochen ist versprochen. Dann zucke ich zusammen. „Warte mal, wie soll ich einem Mädchen…“, weiter komme ich nicht, der Trainer unterbricht mich. „Du bist die Beste! Bis nachher dann, ich muss leider los!“, und er legt auf. Dann schüttele ich den Kopf. „Er ist wirklich erwachsener geworden.“, murmele ich.
    Ich habe kein Problem damit, seinem Wunsch nachzukommen, Lucia wird es verstehen. Dennoch werde ich mir eine schöne Revanche für den Trainer aus Alabastia ausdenken. Oh ja, eine richtig schöne. Im Vorzimmer beendet Rocky gerade ihre Ausführungen. Manons Team steht schon mit gepackten Taschen neben ihr, Hagane sitzt still auf einer der lederbezogenen Bänke. Ich tippe Lucia auf die Schulter, welche neben dem Sofa steht. „Oh, da bist du ja wieder! Hast du mit Alice geredet?“ – „Nein, mit Tonio. Nur zur Sicherheit. Und mit Ash auch, er ruft nachher noch einmal an.“, ihre Augen weiten sich. Ich erkenne Vorfreude darin. „Er lässt etwas ausrichten.“ – „Was denn?“, will sie wissen. Die Gefühle, die ich habe, als ich ihr näher komme, sind, wenn ich hoffnungslos untertreiben soll, mit „stark zwiespältig“ auszudrücken. Ich bin auf der Straße aufgewachsen, wo ich nur wenige Freunde hatte, und schon in frühen Jahren reifer sein musste als es für mein Alter angemessen war. Danach folgte eine eher ruhige Phase, weil ich durch ein Schlüsselereignis, welches ich nicht näher erläutern werde, mein Selbstvertrauen verlor, also haben sich Reife und Zurückhaltung vermischt. Einerseits bin ich aufgeregt. Nicht, weil ich ein Mädchen küssen werde, denn ich finde, wenn man sich so gut kennt und einander so viel bedeutet, darf man seine Gefühle ausdrücken. Nein, weil es Lucia ist, und ich nicht weiß, wie sie reagieren wird, obwohl es ein Versprechen ist, welches ich ihrem Freund gab. Und außerdem sind die anderen hier alle dabei. ‚Versprochen ist versprochen.‘. Ich lege Lucia die Hände an die Wangen, ziehe ihr Gesicht näher an meines. Sie sieht zuerst irritiert aus, dann entspannt sie sich, wahrscheinlich merkt sie, dass dies Ashs Gruß sein muss. Es wird stiller im Raum. Unsere Lippen berühren sich, ich muss gleichzeitig dran denken, dass Lucias Mund viel sanfter ist als Lees, und dass Lee im Gegenzug viel mehr Kraft ausstrahlt. Die Koordinatorin legt mir die Arme um die Taille und erwidert den Kuss so leidenschaftlich, dass ich einen Moment eifersüchtig auf die beiden werde. Ich schließe die Augen. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für sowas. Aber ich hätte Lucia nie so ein Feuer zugetraut, es ist, als würde ihr Körper geradezu erglühen. Bei Lee ist es anders, bei ihm fühle ich mich immer sicher. Lucia hingegen muss selbst beschützt werden, ich fühle mich mehr denn je wie eine große Schwester. Im nächsten Moment fällt mir ein, dass ich Lee früher wiedersehen werde als sie mit Ash vereint sein wird. Wir lösen uns voneinander, ich bemerke, dass ihre Wangen gerötet sind, als ich meine Hände wegnehme. Dann lächele ich sie an. „Er vermisst dich.“. Sie nickt. „Ja. Ich ihn auch.“, flüstert die Blauhaarige. Nun doch ein wenig verlegen drehe ich mich zur Seite, stoße dabei fast mit Joana zusammen, welche mir eine kleine Digitalkamera hinhält. Auf dem Schirm sieht man die Koordinatorin und mich mitten im Kuss. „Oh.“, mache ich. Rocky, die neben mir steht, scheint peinlich berührt zu sein. Joana lächelt mich glücklich an. In meinem Kopf ertönen Worte. ‚Liebe ist wichtig für unser aller Leben. Ich freue mich, dass ich Zeugin eines solchen Moments werden durfte.‘. Wie macht sie das nur? Es ist, als würde alles, was sie sagen will, per Telepathie an mein Gehirn gesendet werden. „Hast du das auch gehört?“ – „Ja.“, antwortet Lucia. Sie kniet sich vor dem Mädchen mit den pinkfarbenen Haaren auf den Boden. „Darf ich das Bild haben?“, woraufhin die Kleine nickt. „Danke.“.
    Ein wenig später machen wir uns auf den Weg. Rocky packt meinen Arm, als ich neben Lucia hergehen will. „Maria?“ – „Ja?“ – „Was für eine Beziehung habt ihr eigentlich zueinander?“ – „Wegen dem Kuss?“ – „Auch.“, die Polizistin wirft Lucia einen Blick hinterher, als diese das Pokémoncenter verlässt. „Sie ist wie eine Schwester für mich. Und zugleich die beste Freundin, die ich je hatte. Ihr Freund aus Einall hat ihr seine Grüße auf eine etwas unkonventionelle Art übermitteln lassen. Durch mich.“ – „Also kann man ihr trauen, nehme ich an.“ – „Ja. Ohne wenn und aber.“, Rocky nickt, dann folgen wir den anderen. Ich hoffe wirklich, dass ich nicht nach Alamos reisen muss, denn es hieße, die letzte Reserve zu nutzen. Aber mein ungutes Gefühl ist noch nicht verschwunden, irgendwas lauert da auf uns. Ich hole Lucia ein, welche gerade Cat beruhigt, was den Kuss angeht. Verwundert hebe ich eine Braue. Dass es so einen Wirbel darum geben würde hätte ich nicht gedacht. Hinter der Arena teilen wir uns in mehrere Gruppen auf, um getrennt zum See vorzudringen. Rocky meint, das senkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir entdeckt werden. Frida, Lucia und ich bilden eine dieser Gruppen, Hagane, Rocky und Cat die nächste. Manon und Joana fungieren als Nachhut. Joana darf unter keinen Umständen ins Kampfgeschehen gezogen werden, da ihr Potenzial in der Heilung angeschlagener Partner liegt. Manon passt auf sie auf. Die rothaarige Frau hat einen starken Charakter, irgendwas an ihr bringt mich dazu, darauf zu vertrauen, dass Joana nichts passiert. Desweiteren bin ich beruhigt, dass unsere Polizistin Hagane begleitet. „Passt bloß auf euch auf.“, murmele ich, als wir uns trennen. „Du auf dich auch, ja? Miau würde es gefallen, dir einige Fragen zu stellen, wenn das hier vorbei ist.“ – „Ist gut.“ - "Leute!", Rocky erhebt kurz die Stimme. "Wir müssen unser Bestes geben. 200% im Bestfall. Wir schaffen das, okay? Sinnoh zählt auf uns.".
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    See der Stärke
    „Yussuf wartet nicht gern.“ – „Gedulde dich noch eine Weile. Die tauchen schon auf.“. Das Phantom und sein erster Offizier sitzen in einem kleinen Lagerhaus am Rande des Sees. Ein kalter Wind kräuselt die Wasseroberfläche, einige Enton stehen zusammengekuschelt am Ufer, um nicht zu erfrieren. Statt auf Stühlen haben sich Yussuf und das Phantom auf Pappkartons niedergelassen. „Rocky hat den Transport verfolgt, daher können wir sicher sein, dass sie sich in Blizzach aufhält. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat sie Maria Jou herbeordert, und diese drei Biester, die Uranus auf dem Schiff besiegt haben, sind ebenfalls hier. Macht also schon 5 Trainerinnen, die uns an den Kragen wollen.“ – „Plus die Kleine, die Venus nicht einfangen konnte.“ – „Ich weiß nicht, ob man die als Trainerin werten kann, aber ich weiß, was du meinst.“. Phantom beißt in den Apfel, den er einer kleinen, hölzernen Schatztruhe entnommen hat. „Ich nehme an, der Kampf wird die Damen davon abhalten, Polizei zu spielen.“, fügt er hinzu. „Gegen Giovannis Geheimwaffe haben sie keine Chance. Außerdem sind Uranus und Venus hier, wir können gar nicht verlieren.“ – „Diese Rothaarige nimmt Yussuf sich vor.“, verspricht der Mann in der schwarzen Kutte. Phantom lacht einmal laut. „Ja, kein Problem! Die hats dir angetan, was?“ – „Niemand widersteht dem Yussuf-Sprint ungestraft.“ – „Dann lass mir Jou. Sie soll für Cécile und Johnny II büßen.“ – „Klar, Boss.“. Als der Laptop, der hinter dem Phantom steht, einige Pieptöne ausstößt, wendet sich der Pirat um. „Uranus fragt, ob wir schon etwas Ungewöhnliches gesehen haben.“ – „Bisher nicht.“, erwidert Yussuf nach einem Blick aus den schmalen Fenstern. Das Phantom tippt eine Antwort. „Wo sind eigentlich die Typen, die uns helfen sollten?“ – „Die werden noch im Hauptquartier gebraucht, mehrere Dutzend sind auf dem Weg nach Herzhofen. Ich glaube, wir haben hier noch in etwa 100 Mitglieder von Team Galaktik übrig. Die Commander und Officer ausgeschlossen.“ – „Die kann man bestenfalls als Kanonenfutter gebrauchen.“, zischt Yussuf. Phantom runzelt die Stirn. „Nun komm, einige sind nicht schlecht. Aber die haben uns nicht zu kümmern. Wir sollen Rockys Team besiegen, und wenn mir dabei einer von diesen Typen im Weg rumsteht, wird der ebenfalls platt gemacht.“ – „Yussuf brennt auf einen Kampf.“ – „Geduld. Denk dran.“ – „Ja.“
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    Das Lagerhaus, in welchem die beiden sitzen, ist nur der Anfang eines gigantischen Komplexes, der sich einmal um den See herumzieht. Seit langer Zeit ist der Zugang zum See offiziell verboten, niemand von der Bevölkerung weiß, wieso. Lagerhallen, Bürogebäude und hohe Stacheldrahtzäune dominieren die Ufer. Das Haupttor steht momentan offen, vermutlich sind die Psychokräfte der Enton daran schuld, die das Wasser gesucht haben. Ein entnervter Galaktiker schließt es gerade wieder. Hinter den Mauern dieser Gebäude herrscht Hochbetrieb. Das größte Labor, das Team Galaktik je besessen hat, befindet sich hier. Im obersten Stock des höchsten Gebäudes befinden sich mehrere Zimmer, die nur durch Sicherheitsschlüssel geöffnet werden können. Die Türen dieser Räume sind aus Stahl, sämtliche Fenster sorgfältig vergittert. Und an einem dieser Fenster steht Lee und blickt auf den See hinaus. Sein rechtes Bein gehorcht ihm nicht mehr, daher stützt er sich komplett auf das linke. Die Foltermethoden Team Galaktiks waren hart, doch es ist ihm gelungen, den Mund zu halten. Er hat keine einzige Schwachstelle verraten, die Team Galaktik ausnutzen könnte. Doch der Preis ist hoch, überall an seinem Körper finden sich Spuren der letzten Tage. Ausschließlich das Bild Marias vor seinem inneren Auge hat ihn vor Wahnsinn und Leid bewahrt. ‚So viel Gift hatte ich seit 2006 nicht mehr im Blut. Heftig.‘, überlegt er. Das Schema seiner Folterknechte war immer dasselbe gewesen. Vergiften, Schmerzen zufügen, dann heilen. Vergiften, hier und da mal eine Illusion seiner schlimmsten Albträume, dann Ruhe. Und dann das ganze Spiel von vorn. Manchmal, als er in diesem Zimmer allein war, hat er sich sogar eingebildet, Maria stünde neben ihm und würde mit ihm sprechen, ihn umarmen. Er hat sie schon viel zu lange nicht gesehen, denkt Lee. Aber ihr Rat hat ihm geholfen, diese Zeit zu überstehen, er hat immer geduldig auf einen guten Moment gewartet. Gestern Mittag war ihm der Zufall zu Hilfe gekommen, einer der Typen, die ihn folterten, hatte seine Fesseln zu locker angelegt. Mit einigen Tritten hatte Lee ihm die Arme gebrochen, bevor er betäubt wurde. Der Blonde stößt den Atem aus und lässt sich aufs Bett sinken. Dann schließt er die Augen. Wie es Tai wohl geht? War er ebenso standhaft geblieben? Und was ist aus Hagane geworden? Beim Gedanken an seine Schwester beißt Lee die Zähne zusammen. Er hätte sich nie darauf einlassen dürfen, sie mitzunehmen. „Es wird alles gut.“, blinzelnd dreht Lee den Kopf. Maria steht vor ihm, eine Art weißer Schleier umhüllt ihren Körper. Der Trainer grinst. „Oh, noch eine Halluzination. Und eine so schöne dazu.“ – „Danke.“, sie lächelt und setzt sich neben ihn. Ihr Gesichtsausdruck wird ernst. „Wir sind auf dem Weg zu dir. Wo sind deine Pokémon?“ – „Venus hat sie. Dieses grünhaarige Biest und ihre Kumpane sind die meiste Zeit unten in den Labors, nachdem, was ich von den Wachen so belauscht habe. Ich weiß nicht, was die da treiben. Was soll das heißen, ihr seid auf dem Weg?“ – „Wie ich es sagte. In wenigen Stunden bist du frei.“, sie sieht Lee in die Augen. „Das ist keine Halluzination, oder?“ – „Wieso nicht? Ich kann mich nicht teleportieren, das weißt du genau.“ – „So meinte ich es nicht. Du sagst mir Dinge, die nur du wissen kannst. Ich habe keine Ahnung, wo du sein könntest. Also entweder fantasiere ich, oder wir kommunizieren telepathisch.“. Die junge Frau legt den Kopf schief. „Telepathisch? Wäre doch möglich, oder?“ – „Aber wann haben wir das gelernt?“ – „Weiß ich auch nicht. Aber ich wollte dir nur sagen: Halt durch.“. Marias Lächeln ist das Letzte, was Lee sieht, bevor er erneut einschläft. Der Schmerz in seinem Bein ist zu groß geworden. Scheinbar hat die Heilung nicht so gut funktioniert wie sonst. Ein Lächeln legt sich auf die Lippen des Trainers. ‚Maria, ich warte auf dich.‘.


    ich hoffe, euch hat das kapitel gefallen, und freue mich auf feedback :D
    mfg
    DoD

  • Kapitel 33
    Das Mädchen des Wassers


    8.7.2009


    Der Wald rauscht, ich kann überall um mich herum den Wind hören, der die Wipfel erfasst und den Schnee aus den Bäumen fegt. Lucia und Frida sagen kein Wort, wir laufen einen schmalen Erdweg entlang, welcher einer von dreien ist, die zum See führen. Schließlich versperrt ein Drahtzaun den Weg. Auf halber Höhe ist ein weißes Schild angebracht, und auf diesem Schild ist mit schwarzer Farbe ein großer Totenschädel gemalt worden. Ein ausreichender Hinweis für Wanderer, keinen Schritt weiter zu tun. Ohne nennenswerte Hast richte ich die Hand darauf und lasse meine Kräfte durch die Handfläche strömen. Vor mir verflüssigt sich ein wenig Schnee, wabert dann glitzernd in der Luft herum. Die Sphäre zieht sich zusammen, bis sie ein extrem scharfes Schwert aus Eis bildet. Danach senke ich den Arm wieder, die Klinge zerschneidet den Draht wie Butter. Frida zieht scharf die Luft ein. „Davon habe ich schon gehört. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es wahr ist.“ – „Das war noch gar nichts.“, erwidere ich. Ich weiß nicht wieso, aber mich stört dieses Mädchen. Ihre Art geht mir gegen den Strich. Scheinbar wirke ich auf sie genauso, die Leiterin steigt durch den Zaun. „Stimmt. Mit Eis einen Zaun zerstören kann ich auch.“. Lucia wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich zucke die Schultern und folge Frida. In Gedanken gehe ich ein letztes Mal unseren Plan durch. Letzte Nacht habe ich außerdem andauernd die Kampffähigkeiten unseres Teams neu analysiert, für meinen ersten Angriff sind diese Informationen essenziell. Vor dem See würden unsere kleinen Gruppen sich eventuell treffen. Der Weg führt bergauf, ich beobachte unsere Umgebung. Bisher kann ich nirgends verräterische Spuren sehen, seien es Fußabdrücke im Schnee oder schneefreie Äste, auf denen jemand gesessen hat. Außer dem Knarren der Äste, unserem Atem und Geräuschen von kleinen Waldpokémon höre ich auch nichts. Eine halbe Stunde später kommen wir auf einem natürlichen Felsplateau an, in dessen Mitte der See liegt. Und als hätte ich es nicht geahnt… Ein noch größerer Zaun umschließt die Terrasse.
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    Yussuf erhebt sich. „Sie sind da, Captain.“ – „Yarr! Dann bereiten wir ihnen einen angenehmen Empfang.“, das Phantom steht ebenfalls auf und zieht einen dunkelblauen Kapitänsmantel über seine Piratenkluft. Yussuf senkt den Kopf, sein Gesicht verschwindet im Schatten der Kapuze. Mit einem harten Kick öffnet er die Tür, tritt hindurch und ruft ein Starmie aus seinem Ball. „Oh. Schau mal, wer da ist.“, eine spöttische Frauenstimme begrüßt ihn. Er blickt hoch. ‚Die Rothaarige vom Schiff!‘, denkt er. Manon. So war ihr Name. Das ganze Team steht vor ihm und dem Phantom, zumindest die Frauen, von denen Phantom vorhin noch geredet hatte. Der Zaun hinter ihnen ist von einem Stützpfosten zum nächsten eingerissen. Sein Captain hatte wie immer Recht behalten. „Hm. Zwei gegen acht? Irgendwie unfair.“, meint das Phantom. Er zückt eine kleine Fernbedienung und drückt darauf. „Verstärkung ist auf dem Weg.“, sagt der Pirat gelassen. Danach wirft er einen Pokéball in die Luft, mit lautem Knirschen erscheint ein Krebutack im Schnee. „Starmie, Donnerblitz!“, befiehlt Yussuf. Dann macht er sich laufbereit. Das linke Bein setzt er vor, das andere zurück, beugt sich ein wenig nach vorn. „Yussuf.“, zischt der Offizier, bevor er lossprintet. Sein Ziel ist Manon. Die anderen werden ihn nicht stören, er vertraut dem Captain. Und es bewahrheitet sich: Phantom befiehlt Krebutack die Weißnebel-Attacke. Kalter Dunst bricht aus dem Schnee hervor, und bevor es unmöglich wird, etwas zu sehen, kann Yussuf erkennen, wie die Trainerinnen näher zusammenrücken. Manon rennt nun ihrerseits auf Yussuf zu, sie hat gemerkt, worauf er aus ist. Ein Togekiss folgt ihr. „Togekiss, weich aus!“, ruft sie, der Donnerblitz geht ins Leere. Yussuf reißt das Bein hoch, Manon blockt den Tritt mit ihrem Ellbogen. „Du hast den Yussuf-Sprint schon wieder ausgebremst!“, raunt er. Sie grinst ihn an, bevor sie ihm ihre Faust in den Magen rammt. „Klar. Von mir aus auch gern ein drittes Mal. Ruheort, Togekiss!“ – „Du willst den Flugtyp ausschalten, um Donnerblitz wirkungslos zu machen? Schlaues Biest. Aber Yussuf ist nicht dumm. Starmie, setz Eisstrahl ein“. Er duckt sich, reißt beide Arme zum Schutz hoch. Ihr Schlag trifft einen Unterarm. „Deine Schläge sind zu weich.“ – „Könnte daran liegen, dass ich mich noch zurückhalte.“ – „Solltest du nicht.“, blitzschnell dreht sich Yussuf um die eigene Achse, führt mit dem rechten Bein einen Tritt gegen ihre Körpermitte. Manon reißt die Augen auf, als die Wucht des Tritts sie zu Boden schleudert. Gleichzeitig trifft der Eisstrahl ihr Togekiss. „Yussuf!“ – „Was ist, Captain?“ – „Komm her, schnell! Rückzug!“ – „Was?!“. Der Nebel lichtet sich. Der Rest von Rockys Team ist verschwunden. Fassungslos blickt Yussuf auf Manon herab. Ihr Körper verformt sich, wird langsam durchsichtig. Ihre Glieder verwandeln sich in Wasser, als ihr Kopf sich ebenfalls auflöst, meint Yussuf, ihr spöttisches Lachen zu hören. „Aber…“, er sucht nach einer Erklärung, findet keine. Die falsche Manon versickert im Schnee und lässt nur eine Pfütze zurück. „Was ist das? Yussuf ist sicher, gekämpft zu haben.“ – „Hast du auch. Aber nicht gegen die Echte. Nicht mal das Togekiss war echt, schau mal.“, Phantom zeigt auf eine kleinere Pfütze schräg hinter der ersten. Der Offizier beißt die Zähne zusammen und ruft Starmie zurück. „Ich habe gleich gewusst, dass da etwas nicht stimmt. Maria Jou ist nicht der Typ für solche offensichtlichen „Frontal drauf“- Angriffe. Wir haben sie unterschätzt, und jetzt kennt sie unsere Kampftechnik. Wir haben keine Wahl, als uns zurückzuziehen und auf die Verstärkung zu warten.“ – „Yussuf…gedemütigt.“ – „Nein. Wir kriegen das hin.“. Mit einem letzten Blick auf die Pfütze wendet Yussuf sich um und folgt dem Phantom hinter den eigentlichen Zaun, welcher als Absicherung dient, falls der Sicherungszaun durchbrochen werden sollte, was nun der Fall ist. Knapp 20 Galaktiker kommen auf die beiden zugerannt. „Sir! Erwarten Ihre Befehle!“, ruft der Mann, der vorneweg läuft. „Gut. Haltet euch bereit. Es kann jeden Moment…“, weiter kommt Phantom nicht. Yussuf, der bis eben noch überlegt hat, wie es möglich ist, aus Wasser eine derart detailgetreue Kopie eines Menschen zu erschaffen, packt seinen Arm. Phantom dreht sich um. Sein Gesicht erblasst schlagartig. „Beim Klabautermann aller Höllen der Tiefe! Was ist DAS?“
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    Ich spähe über die Hügelkuppe. Die beiden ziehen sich wirklich zurück, und ein Haufen Galaktiker steht ihnen nun bei. Mein Atem geht schwer, Lucia sieht besorgt aus. „Ist mit dir wirklich alles klar?“ – „Es geht schon, danke.“. Langsam beruhigt sich mein Körper von der Anstrengung. Dank des Vollmonds habe ich größere Kraft als zuvor, und es war kaum ein Problem, den Schnee in Abbilder unseres Teams zu verwandeln. Farben entstehen, indem sich das Licht bricht, und da ich einiges über das Farbspektrum weiß, konnte ich den Wasserdoppelgängern die richtigen Eigenschaften geben, um ihnen das Aussehen von echten Menschen in Winterkleidung zu verpassen. Wenn man sie jedoch berührt, merkt man sofort, dass es eigentlich Wasser ist, was man da anfasst. Zu meinem Glück trägt Yussuf Handschuhe, darum konnte er auch nach dem Kampf mit Manon den Unterschied nicht feststellen. Aber selbst Manons Stimmbänder und die Bewegungen ihrer Haare zu übernehmen, das war hart gewesen. Selbst mit diesen gigantischen Kräften hatte es mich eine Menge Energie gekostet. Aber dafür hatten wir eine wichtige Information erhalten, und zwar, dass Yussuf scheinbar der angreifende Faktor der beiden ist, während das Phantom dafür sorgt, dass ihn niemand dabei belangt. „So. Es ist Zeit für den richtigen Angriff.“, murmele ich. Frida hebt nur ungläubig die Brauen. Mit einer behutsamen Bewegung richte ich mich auf, strecke die Arme zu beiden Seiten aus. Ich schließe die Augen, um meine Konzentration zu verstärken. Dann rufe ich mir das Bild es Vollmonds ins Gedächtnis, balle beide Hände zu Fäusten. Ein anschwellendes Rauschen erklingt ringsum im Wald. Der Schnee wird von den unsichtbaren Kräften in meinem Körper in die Luft getragen, immer größere Mengen sammeln sich zu einer riesigen Welle. Ein Muskel in meinem rechten Bein beginnt, zu zucken. „Noch…nicht…“, die Welle sollte mindestens die Hälfte des Sees umschließen, bevor ich sie freigebe. Als sie eine für mich angemessene Größe erreicht hat, stoße ich beide Arme nach vorn. Der Eistsunami setzt sich in Bewegung. Schnell drehe ich mich um und nehme das Handy, was Lucia bereit gehalten hat. „Kann losgehen, meine Damen.“, ich versuche, dabei möglichst nicht erschöpft zu klingen. Wir hatten uns anders entschieden, mir erschien es klüger, mehrere Stellen zugleich anzugreifen. Frida, Lucia und ich sollten diese Stelle übernehmen, Rocky, Cat und Joana eine Halle weiter nordöstlich. Hagane würde Manon dabei helfen, ein Bürogebäude zu stürmen, welches ich von hier aus jedoch nicht sehen kann. Die Welle wird den Pfad klären, den wir gehen wollen. Gegenwehr von der Seite der Galaktiker dürfte dann schon wesentlich geringer ausfallen. Mit lautem Rauschen rast sie auf den Innenzaun zu. Panisch schreiend wollen die Galaktiker flüchten, doch das Phantom brüllt einige knappe Befehle, welche die Ordnung wieder herstellen. Jeder unserer Gegner ruft ein Pokémon, ich lege den Kopf schief. Was soll das werden, wollen sie meine Welle angreifen? Das dürfte interessant werden. Aber darauf würde ich nicht warten. Ich renne los. „Kommt! Schnell!“, rufe ich meinen beiden Mitkämpferinnen zu.
    Wir laufen die Anhöhe hinauf, rufen gleichzeitig drei Pokémon. Garados, Mamutel und Snibunna sollen uns helfen, Lee und Tai zu befreien. Im nächsten Moment kracht die Eiswelle gegen den Zaun, reißt ihn auf gut hundert Metern der Länge nach ein und trifft die Galaktiker, welche eben noch ihrerseits Pokémon gerufen haben. Das Wasser dringt durch splitternde Fensterscheiben in die Räume des Bürokomplexes vor uns ein. Stimmen werden laut, die in Angst und Schrecken durcheinanderschreien. „Garados, schnell, Drachentanz, bevor er seinen Nebel freisetzen kann!“, befehle ich, als sich das Wasser auf dem Fels und in den Gebäuden verteilt. Die Galaktiker sind in alle möglichen Richtungen davon gespült worden. Ich sehe rechts von uns in der Ferne Rocky und Cat auf den zerstörten Zaun zujagen, Joana folgt ihnen gemessenen Schrittes in sicherer Entfernung. Links nähern sich Manon und Hagane ebenfalls ihrem Ziel. „Snibunna, Fußkick-Attacke! Greif Krebutack an!“ – „Mamutel, benutz Steinkante, schnell!“, Lucia und Frida legen nun ebenfalls los. Eine Leiterin und eine Koordinatorin im Team. Sowas sieht man auch nicht alle Tage. Mein Garados führt seine Technik mit der ihm eigenen Geschmeidigkeit aus, Angriffskraft und Geschwindigkeit werden durch die Lockerung seiner Muskeln gestärkt. Yussuf hat sich schnell wieder erholt, als ihn die Welle traf, ist es seinem Starmie gelungen, sie mit Surfer an einer Stelle ein wenig zu schwächen. Er sieht sich um, bemerkt dann unseren Angriff. Phantom und ein paar Galaktiker stellen sich ebenfalls dem Kampf. Einige der Neuankömmlinge sind jedoch schon von meiner Eiswelle außer Gefecht gesetzt worden. Die erste Phase des großen Kampfes vom Stärkesee beginnt. Mal schauen, was Phantom und sein Erster im Nahkampf draufhaben. „Frida, bleib zurück!“ – „Brauchst du mir nicht sagen, ich bin kein Fan von Straßenkämpfen.“. Die Leiterin ist auf ihrem Gebiet Profi, doch die Arena- und Ligakämpfe haben strenge Richtlinien, die besagen, dass man nur mit Pokémon kämpft. Auf der Straße allerdings ist es nicht nur ein Kampf Pokémon gegen Pokémon, sondern auch Trainer gegen Trainer. Das heißt, nicht nur mein Garados ist hier gefragt, sondern auch ich. Während Frida ein wenig zurückbleibt, verstärke ich die Muskeln der Koordinatorin, damit sie ebenfalls kämpfen kann. Die Rüpel von Team Galaktik ziehen sich ebenfalls ein wenig zurück und rufen ihre Pokémon, Phantom und Yussuf kommen auf uns zu. Letzterer hat ein fast unvorhersehbares Angriffsmuster, kurze Sprints lassen es unmöglich werden, herauszufinden, von wo er angreifen wird. Im ersten Moment steht er noch vor uns, im nächsten 10 Meter weiter rechts. Der Typ ist schnell. „Nimm du den Piraten!“, rufe ich meiner Freundin zu, als ich mich Yussuf stelle. Meiner Einschätzung nach ist der Offizier offensiv besser als sein Boss. Er schnellt auf mich zu. Wie immer in einem Kampf fängt mein Hirn an, auf Hochtouren zu laufen, ich sehe, wie Frida drei Pokémon der Rüpel auf einmal ausschaltet, gleichzeitig schießen mir Erinnerungen an den Kampf mit Cécile und den anderen Kerl durch den Kopf. Sie hatten durch gezielte Schläge mein Inneres angegriffen und dafür gesorgt, dass meine Glieder taub wurden. Yussuf, als ihr Lehrer, kann mit Sicherheit eine ähnliche, wenn nicht sogar stärkere Technik.
    Lösung: statt einfach zu blocken sollte ich ausweichen. Sein erster Schlag geht ins Leere, ich drehe den Oberkörper geschickt an seiner Faust vorbei. Im nächsten Moment reiße ich das Bein hoch und will ihm den Ellbogen brechen. Er winkelt den Arm jedoch an, ich nutze meinen Schwung und drehe mich in die entgegengesetzte Richtung, als mein Bein zurückprallt. Mit einer Hand stütze ich mich am Boden ab und verstärke die Drehwirkung. Mein Tritt kommt zu schnell, er hat nicht mit so einem Richtungswechsel gerechnet. Als mein Stiefel seine Schulter trifft, ächzt er hörbar. „Du bist gut für ein Mädchen.“ – „Training.“ – „Aber Yussuf hat noch nicht ernst gemacht.“ – „Schön zu hören. Ich auch nicht. Garados, Kaskade!“. Ich weiß, gegen sein Starmie wird die Kaskade nicht viel ausrichten, aber durch Drachentanz dürfte die Kraft ausreichen, um dem Stern viel Schaden zuzufügen. Erdbeben kann ich nicht einsetzen, solange Frida und Lucia noch hier sind. „Starmie, Turbodreher und dann Donnerblitz.“, befiehlt Yussuf, während er sich ein Stück zurückzieht und dann erneut zum Sprint ansetzt. Ich tue zweierlei: erstens, mich wieder aufzurichten und meine Kampfposition einzunehmen, dazu strecke ich eine Hand vor und winkele den anderen Arm seitlich an, richte dann meine Kräfte gegen den Schnee zu seinen Füßen. In dem Moment, in welchem er sich mit aller Kraft abstößt, lasse ich den Schnee zu Wasser werden, das seinen linken Fuß umschließt und wieder festfriert. Die Kaskade trifft auf Starmies Donnerblitz. Yussuf schlägt mit voller Wucht auf den Boden, sein Versuch, sich rechtzeitig abzustützen, kam zu spät. Mein Angriff war zu überraschend gekommen. „Was…“, keucht er, dann sieht er, wie Starmie durch die Luft geschleudert wird.
    Ich werfe einen Blick zu Lucia, sie kämpft mit einem für sie typischen, eleganten Stil. Mamutel setzt sich gegen Krebutack relativ gut durch, trotz seiner Schwäche gegen Wassertypen. Phantom will Lucia mit einem Schlaghagel in die Enge treiben, doch die Koordinatorin ist zu schnell. Mit geschmeidigen Bewegungen entgeht sie seinen Angriffen. Ein leichtes Lächeln liegt auf ihren Lippen, als würde ihr der Kampf richtigen Spaß machen. Typisch Lucia. „Mamutel, Eiszahn.“, befiehlt sie, doch das Pokémon zielt nicht auf Krebutack, sondern auf die Felsen, die wegen ihrer Steinkante von vorhin noch im Boden stecken. Eiszahn trifft einen dieser Felsen, zerschmettert ihn und lässt Stein- und Eissplitter auf Krebutack zuschießen. Phantom ballt die Faust. „Yarr! Zerstör diese Felsen mit Krabbhammer.“. Eine Sekunde danach will er Lucia mit einem Kinnhaken treffen, doch sie bringt sich mit einer Rückwärtsrolle in Sicherheit. „Ich dachte früher, Piraten wären stolze Kämpfer der Meere! Du kämpfst nicht besser als ein Schulkind.“, lacht die Koordinatorin. „Ach, wirklich? Krebutack, noch einmal Krabbhammer! Dieser kleinen Landratte zeigen wir es!“. Als Yussuf wieder angreift, reiße ich mich von Lucias Kampf los. Ich muss selbst höchste Konzentration walten lassen. „Frida, kommst du klar?“ – „Sicher.“, das Snibunna von Blizzachs stärkster Trainerin wütet wie ein Taifun unter den Gegnern. ‚Konzentration!‘, sage ich mir noch einmal. Ich springe in die Luft, spreize die Beine ab, sodass ich im Spagat über den Piraten hinweg fliege, der doppelte Schlag, der mich treffen sollte, geht daneben. Yussuf flucht leise. Fast lautlos komme ich hinter ihm auf, stütze erneut die Hände auf den Boden. Das rechte Bein strecke ich nach rechts aus, parallel zum Boden. Dann spanne ich die Bauchmuskeln an und will ihm die Beine unter dem Körper wegfegen, doch er lässt sich flach auf den Boden fallen. Mein Bein verfehlt seine Nase um Haaresbreite. Mit unglaublicher Geschwindigkeit katapultiert er sich wieder in die Höhe und setzt zum Schlag an. Ich warte nicht lang, ziehe die Beine an, verharre für den Bruchteil einer Sekunde in Hockstellung und stoße mich ab. Im Flug strecke ich die Arme zu beiden Seiten aus, lasse die Beine fast zur Gänze gestreckt. Am höchsten Punkt des Rückwärtssaltos packe ich die Schulter meines Gegners, für die anderen muss es aussehen, als würde ich auf Yussuf Handstand üben. „Yussuf ist kein Turngerät.“, zischt der Pirat, befiehlt seinem Starmie einen Eisstrahl und langt mit dem Arm nach oben. Das alles spielt sich in wenigen Sekunden ab. Ich beuge die Arme, strecke sie wieder und fliege in die Luft. „Stimmt. Du bist zu unbequem.“, gebe ich zurück und muss grinsen. Er hat nicht gemerkt, dass Garados, als es vom Donnerblitz getroffen wurde, eine spezielle Beere gefressen hat, welche die Kraft von Elektroattacken um einen erheblichen Teil verringert. Jetzt denkt er sicher, Garados würde eine Immunität gegen Donnertechniken besitzen. „Yussuf!“, ich weiß nicht, wieso, aber hinter diesem Wort scheint eine Menge seiner Kraft zu liegen. Er beugt sich weit runter, sammelt Energie, wirft seine Kutte zu Boden und springt ab. „Und zu langsam!“, doch im nächsten Moment bin ich es, die vor Schreck die Augen aufreißt. Er ist in weniger als einer Sekunde zu mir hochgeschossen, ich kann nicht schnell genug blocken. Yussuf reißt beide Arme hoch, die ganze Kraft seines Sprungs liegt in dem doppelt ausgeführten Schlag. Seine Fäuste krachen gegen meine Brust. In einem einzigen Moment wird mir die Luft aus den Lungen gepresst.
    Als ich durch die Luft fliege, höre ich Frida etwas rufen, doch das Rauschen meines Bluts ist lauter. Reflexartig drehe ich mich um, lande mehr schlecht als recht auf allen Vieren. Hustend will ich mich hochrappeln, doch der Pirat verhindert es, indem er natürlich genau auf meinem Rücken landet. Ich werde zu Boden gepresst. Den linken Fuß stellt er auf meinen oberen Rücken, zwischen die Schulterblätter. Mit den Armen will ich mich hochstemmen, doch der Druck ist zu stark. „Kannst du vergessen. Wenn man Druck auf das Gleichgewichtszentrum eines Menschen ausübt, ist es unmöglich, dass er sich befreit.“ – „Ich dachte, das wäre die Körpermitte.“ – „Bei dir scheinbar nicht.“ – „Geh mir nicht auf die Eierstöcke!“, langsam werde ich wütend. Wie kann er auch nur daran denken, mich davon abhalten zu wollen, mich zu erheben? Ich sollte auf IHN herabschauen und ihn verhöhnen, nicht andersrum! Die Schmerzen schwinden, ich liege immer noch im Schnee. Schnee ist Wasser. Und wo Wasser ist, kann ich nicht auf Dauer verletzt werden. Flüssigkeit dringt durch meine Kleidung und kühlt meine Brust. Das wohltuende Frischegefühl vertreibt die Schmerzen restlos. Mit einer Hand vollführe ich eine blitzartige Bewegung, neben meinem Arm formt sich von Geisterhand ein Schneeball, wird zu einer Murmel aus Eis komprimiert und schießt auf Yussuf zu. Er bemerkt den Angriff und springt zwei Meter rückwärts. „Mist. Aber ich kriege dich schon noch klein.“, sagt er. Ich stehe auf und ziehe das Wasser aus meiner Kleidung. „Was war das?“ – „Nichts.“, entgegne ich. Seine Kutte scheint ihn langsamer zu machen. Als er sie eben auszog, ist seine Geschwindigkeit radikal gestiegen. „Eiszahn.“, befehle ich nebenbei, mein Garados hält super durch, auch, wenn es gegen einen Wassertyp kämpft, der Elektroattacken benutzt. Den meisten Blitzen konnte es ausweichen. Yussuf tänzelt mit kleinen Schritten auf der Stelle, er erinnert mich dabei an einen Boxer. Die Arme hat er angewinkelt, um jederzeit damit blocken zu können. Gut, er ist in Wahrheit schneller, als ich dachte. Aber damit sollte ich auch mithalten können. Er trägt nun nur noch eine leichte, schwarze Hose und ein grünes Shirt, auf welchem ein Piratenschädel aufgedruckt ist.
    Ich öffne nun auch die Jacke. Sie hält zwar Kälte und Schnee ab, aber gegen Yussufs Schläge ist sie kein guter Schutz. Und meine Beweglichkeit würde auch steigen, wenn ich den schwarzen Mantel ablege. Mit einer herablassenden Bewegung lasse ich ihn von meinen Schultern gleiten und stehe im Rollkragenpullover vor meinem Gegner. Dann nehme ich wieder meine Kampfhaltung ein. „Gut. Du willst es nicht anders.“, murmele ich und erhebe die Stimme. „Kakatte Koi!“, ich sammele mich innerlich, stürme dann auf Yussuf zu. Er fletscht die Zähne und schnellt los.
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    „Yarr! Ich hätte nicht gedacht, dass ein so zierliches Mädchen so gut kämpfen kann. Beeindruckt bin ich, meine Kleine! Aber gegen mich, das Phantom, hast du keinerrrrlei Chance.“, knurrt Lucias Gegner. Die Koordinatorin nickt knapp, ruft ihrem Mamutel einen schnellen Befehl zu und duckt sich unter einem einfallslosen Hieb hinweg. Dem direkt darauf folgenden Tritt entgeht sie zwar nur knapp, aber immerhin. Mamutel blockt den Krabbhammer von Krebutack, indem es mit den Stoßzähnen einen weiteren Felsen in die Sprungbahn des Krabbenpokémons wirft. Glitzernde Eismoleküle umhüllen das große Pokémon wie Diamantstaub. Maria und Yussuf kämpfen ein Stück weiter weg, Frida steht näher an den Gebäuden, um die Galaktiker aufzuhalten, die den beiden Piraten zu Hilfe kommen wollen. Lucia holt nun ihrerseits zum Schlag aus, bewundert innerlich ihre neu gewonnene Stärke und fängt die Faust des Phantoms mit bloßer Hand auf. Er reißt sich los, hechtet ein Stück zurück, bückt sich, sammelt ein bisschen Schnee und wirft ihn Lucia ins Gesicht. Sie kneift im Reflex die Augen zusammen. „Hey!“. Sein nächster Schlag trifft sie an der Schulter und lässt die Blauhaarige zurücktaumeln. „Das ist unfair!“ – „Pirrrrat!“, entgegnet Phantom. „Hm. Gut, dann eben auf die harte Tour.“, murmelt Lucia und ruft ihr Pachirisu aus dem Ball. „Das kann ich auch! Pachirisu, hilf Mamutel, Ladungsstoß!“, das kleine Energiebündel legt den Kopf schief. Phantom starrt es an. „WAS? DAS DA soll gegen mich kämpfen? Da lachen ja die Enterhaken! Arrr, Krebutack, Nachthie…“, er verstummt. „Maria hätte gesagt: Enterhaken besitzen aufgrund fehlender Hirnkapazität keinerlei Humor, von den Stimmorganen ganz zu schweigen.“, entgegnet das Mädchen mit dem blauen Haar. „Witzig! Und wo ist deine Plüschratte jetzt?“. Wo eben noch Pachirisu stand, ist nun nichts mehr außer einer kleinen Staubwolke und etwas aufgewirbeltem Schnee. „Was zum Geier ist hier los?“ – „Pass auf, Phantom! Wir werden dir zeigen, zu was eine Koordinatorin und ihr Team fähig sind!“
    Pachirisu erscheint über Krebutack, doch der Nachthieb geht ins Leere, weil es sofort wieder verschwindet. Mit der Geschwindigkeit kann Krebutack einfach nicht mithalten. Mamutel stampft wie eine unaufhaltbare Walze drauflos, das kleine Elektropokémon steht auf einmal hinter seinem Gegner, grinst ihn böse an und lädt seine Wangen auf. Phantom hebt die Arme. „STOP! Ich weiß, wo eure Freunde sind. Ich gebe auf.“ – „Stop, ihr beiden!“, befiehlt Lucia. Dann stemmt sie die Hände in die Hüften. „Wirklich? Du siehst ein, dass du gegen mich keine Chance hast?“ – „Nein. Krabbhammer!“, brüllt der Pirat, Krebutack erwischt Mamutel frontal. Unter Mamutel bröckelt der Boden, es trompetet seine Wut hinaus. Der Boden bricht ein, Lucias Pokémon fällt in eine knapp 4 Meter tiefe Grube. „Ha! War es also doch richtig, Fallen aufzustellen.“, Phantom schüttelt den Kopf, seine Kleider und Haare sind immer noch von Marias Welle durchnässt. „Das gibt sicher n Schnupfen. Solangs kein Skorbut ist, komm ich klar! So, kleines Mädchen, wo waren wir?“ – „Mamutel, zurück. Du warst großartig.“, murmelt Lucia. Dann sieht sie hoch. Ihre Augen funkeln. „Wir waren bei deiner Niederlage. Pachirisu, Superzahn!“. In dem Moment, als Krebutack auf dem Boden aufkommt, saust ein gelber Blitz unter ihm hinweg. Die Krabbe bricht halb zusammen, als ihr mit nur einem Biss immenser Schaden zugefügt wird. „Ha! Super!“, freut sich Lucia und reckt siegessicher die Faust. Der Kampf ist ausgeglichen, aber sie ist selbstbewusst, was den Ausgang angeht. Phantom guckt sich schnell um und greift erneut an. Die linke Hand schiebt er in eine Tasche seines Mantels und scheint etwas zu suchen. Blitzartig zieht er sie wieder hervor und wirft irgendwas nach Lucia. Sie dreht sich halb weg, schließt dabei die Augen, in der Bewegung überlegt sie, ob das ein neuer Trick ist, und geht auf Nummer sicher: das rechte Bein winkelt sie an, hebt es gleichzeitig, sodass sie leichter zutreten kann, sollte der Pirat ihr zu nahe kommen. Einen Moment später wird ihr Fuß zurückgeschleudert, sie kämpft mit der Balance. „Argh!“, Phantom war nach seinem Wurf losgerannt, genau in Lucias ausgestrecktes Bein hinein. Er hält sich den Bauch. „Verdammt, sie hat den Trick 15 erraten. Aber ich bin nicht umsonst das Phantom! Ich kenne hundert Tricks und tausend Waffen, niemand kann sich mit meiner List messen!“ – „Und ich bin Lucia aus Sandgemme. Ich kann keine Tricks, aber ich kann das hier!“. Die Koordinatorin geht in die Knie und springt mit aller Kraft ab, schnellt einige Meter in die Höhe. „Pachirisu, spring!“, ruft sie, ihr Elektropokémon gehorcht und verschwindet erneut. Seine Geschwindigkeit macht es beinahe unsichtbar.
    Lucias Wahrnehmung beschleunigt sich. Wie in Zeitlupe sieht sie Pachirisu heranrasen, Krebutack hat keine Möglichkeit, es weiter anzugreifen. Im Flug zieht sie das Bein zurück, zielt in etwa auf Pachirisus Füße. Das kleine Wesen dreht sich um, sodass sein Schweif zu Lucia zeigt, und spannt sämtliche seiner total energieüberfüllten Muskeln an. Das Schienbein der Koordinatorin rast heran, für den Bruchteil einer Sekunde sitzt Pachirisu auf Lucias Bein. „Ladungsstoß.“, flüstert sie, dann zieht sie das Bein durch. Aus der Sicht des Phantoms ist eigentlich nichts passiert, außer dass dieses Mädchen extrem hoch gesprungen ist. Der Kampfplatz explodiert, Blitze schießen aus dem sich auftuenden Krater und setzen Krebutack außer Gefecht. Schnee, Staub und Steine fliegen durch die Luft. Lucia landet auf den Zehenspitzen und streckt wie eine Turnerin die Arme in die Luft. „Pachipachipachipachi!!!“, quiekt ihr Pokémon und rast im Kreis um sie herum. „Yeah! So macht man das! Super, Pachirisu!“ – „Tausend tobende Höllenhunde! Zurück, Krebutack.“. Das Phantom streicht sich übers Kinn, ein Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. „Du bist besser als ein Großteil der Landratten, die ich bisher ausgebeutet habe. Yarr! Das wird noch lustig.“
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    Frida verschränkt die Arme vor der Brust. Ungefähr zwanzig Galaktiker stellen sich ihr in den Weg, und sie alle halten Pokébälle in der Hand. Peanuts. „Lasst mich euch zeigen, wieso ich die zweitstärkste Arenaleiterin Sinnohs bin. Snibunna, Nachthieb.“, mit einem Schlag besiegt ihr Pokémon ein gegnerisches Entoron. Danach hechtet es nach links, um zwei weiteren Gegnern auszuweichen. Iksbat und Bollterus verfehlen ihr Ziel. „Lasst euch was Besseres einfallen. Fußkick gegen Bollterus!“, das schwere Stahlpokémon wird ebenfalls sofort besiegt. „Verdammt! Sie ist zu stark!“, ruft einer der Galaktiker. „Lasst nicht nach. Das Phantom und Yussuf halten uns die beiden anderen vom Hals. Wir können das schaffen.“, erwidert sein Nebenmann. Einige Frauen rufen ebenfalls neue Pokémon, es scheint kein Ende in Sicht zu sein. „Aber ich habe auch gerade erst angefangen.“, sagt die Leiterin zu sich selbst. „Für euch gibt es aus der eisigen Hölle kein Entrinnen! Eishieb, Snibunna!“, mit lautem Fauchen rennt Snibunna los, springt über ein Skuntank hinweg und trifft das Iksbat, welches Bollterus´ Schutz verloren hat. „Eis ist effektiv gegen Flugtypen. Macht eure Hausaufgaben, bevor ihr euch mir stellt.“ – „Dieses Mädchen hat gegen jedes Pokémon die richtige Attacke! Wie kann das sein?“ – „Weiß ich nicht, aber haltet euch jetzt nicht zurück!“, mit neuem Elan greifen Fridas Widersacher sie an. Doch jede neue Technik wird von Snibunna unterlaufen oder gekontert, es ist fast, als wüsste das Pokémon, wo seine Gegner als nächstes zuschlagen würden. Im Gegenzug landet es immer wieder effektive Treffer gegen seine Feinde. Ein wahrer Schlaghagel geht auf Team Galaktiks Pokémon nieder.
    Schneller als ein Blitz rast Snibunna durch die Reihen der Gegner. Ab und zu muss es kleinen Blizzards ausweichen, die Maria entfesselt, oder Stromstößen von Lucias Pachirisu. Doch die drei Kämpfe sind relativ weit verteilt, nur manchmal saust ein Querschläger über das Feld. Frida ist insgeheim beeindruckt von den beiden Kämpferinnen an ihrer Seite, so schnelle Reaktionen und so perfekte Reflexe hat sie noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen. Beide kämpfen im Einklang mit ihren Pokémon. Das Phantom, wie sich der Pirat genannt hat, der mit Lucia kämpft, benutzt offenbar einen Haufen fieser Tricks, sein erster Offizier hingegen verlässt sich komplett auf Geschwindigkeit. Momentan sieht es so aus, als würden beide Kampfpaare in etwa gleichauf liegen, beide Seiten stecken gleichermaßen ein und teilen aus. Maria muss öfters ein bisschen Schnee verflüssigen, um sich von Verletzungen zu heilen, die Yussuf ihr zufügt. Ihre Kräfte sind beinahe ein wenig unheimlich. Für Yussuf muss es sich anfühlen, als würde er versuchen, Wasser mit dem Sieb zu fangen. Die Leiterin richtet ihre Aufmerksamkeit auf den Kampf vor ihr. Manche der Galaktiker haben sich zwischen die Gebäude zurückgezogen, um sich eine neue Strategie einfallen zu lassen. Dank des eingerissenen Zauns ist es für sie aber schwer, das Kampffeld erneut zu betreten, während sie durch die groben Maschen laufen bieten sie ein leichtes Ziel für Snibunna. Ab und zu wirft Frida einen Blick zwischen den Gebäudefassaden hindurch, wo der See liegt. „Konzentration.“, murmelt sie. Ihr Snibunna wird von Geowaz, Kapilz und Sumpex zugleich angegriffen. Dem Felswurf kann es ohne Probleme ausweichen, dann stützt es sich auf Kapilz‘ Arm ab, als der Power-Punch ins Leere geht, und springt ab. Der Hammerarm von Sumpex reißt ein kleines Loch in den Boden. Dann setzt es Nachthieb und Fußkick zugleich ein, trifft Geowaz am Kopf und Kapilz‘ Beine. Wieder werden beide Gegner mit einem Hieb besiegt. Auf einmal legen sich zwei Arme um ihren Oberkörper und drücken zu. Hat sie einen der Gegner außer Acht gelassen, der sich nun von hinten an sie herangeschlichen hat? Scheinbar ja. „Ich hab sie! Jetzt los!“, doch wieder einen Moment später trifft ihn eine Kugel aus purem Eis an der Schläfe und er kippt bewusstlos um. Frida schaut zu Maria herüber, als sich der Griff des Mannes gelockert hat. Die Braunhaarige lächelt kurz. Anschließend wirbelt sie herum und fängt einen von Yussufs Tritten ab. „Danke.“, ruft Frida herüber und wendet sich wieder um. Sie würde sich keine weitere Blöße geben, was den Vergleich zu Maria angeht. Niemand soll glauben, dass er mit Frida ein leichtes Spiel hätte. „So, du arrogante Ziege. Hier ist dein Untergang! Vorwärts, Spinner-Kommando!“, Frida glaubt, ihren Ohren nicht trauen zu können. Spinner-Kommando? In Erwartung eines Angriffs mehrerer Verrückter befiehlt sie ihrem Snibunna, vorsichtig zu sein. Doch was dann kommt, hätte sie nicht gedacht: vier der Galaktiker vor ihr rufen dasselbe Pokémon, und zwar Ariados. ‚Sie haben geschnallt, dass Snibunna nur wegen seiner Fähigkeit, genau zu treffen und seiner Geschwindigkeit so stark ist, und wollen ihm seine Agilität nehmen!‘, fährt es ihr durch den Kopf. „Spinnennetz!“, rufen die vier im Chor. Blizzachs Leiterin zuckt zusammen. „Snibunna, raus da! Schnell!“, doch es ist zu spät. Snibunna springt und entkommt den ersten beiden Netzen, doch das dritte trifft seine Beine, hält es am Boden fest. Das vierte Netz erwischt es an der Brust, wirft es rücklings in den Schnee und fesselt es ndgültig. Frida zückt ihren Pokéball. „Snibunna, Zu…“, sie will es zurückrufen, und wieder ist Team Galaktik ihr einen Schritt voraus. Sämtliche Ariados feuern ihre Ampelleuchte- Attacke auf das Unlichtpokémon ab. „Nein!“, keucht Frida, ihr Partner wird nun doch noch besiegt.
    Die Netze lösen sich in Luft auf, als Snibunna in einem roten Blitz verschwindet. „Danke, mein Freund. Du hast dir die Pause mehr als redlich verdient.“, sagt die Schwarzhaarige. Dann starrt sie die Galaktiker finster an. „So, ihr Spinner. Ihr wolltet es nicht anders. Frida zeigt euch, wie viel Konzentration man in der Kälte braucht! An die Arbeit, Frosdedje!“. Mit einem leisen Summen erscheint ein weißes Wesen, welches kalten Dunst abzusondern scheint. Sein ganzer Körper ist von Eis bedeckt. „Eiseskälte!“, befiehlt Frida mit lauter Stimme. Frosdedje holt tief Luft und atmet tief aus. Eine eiskalte Wolke fliegt auf die Galaktiker zu. „Weg hier!“ – „Aus dem Weg!“, erneut branden panische Rufe auf, doch es hat keinen Zweck: es sind zu viele gegnerische Pokémon, sie blockieren sich gegenseitig den Fluchtweg. Eines wird auf jeden Fall getroffen. Das Opfer ist das Ariados, welches das vierte Netz gesponnen hatte. Die Wolke trifft seinen Körper und friert ihn auf der Stelle ein. Die Spinne hatte nicht den Hauch einer Chance. „Das war gut zum Aufwärmen. Doch wir fangen gerade erst an.“, grinst Frida.


    und hoffentlich hattet ihr wieder viel spaß beim lesen, ich freue mich auf feedback :)
    mfg
    DoD

  • Kapitel 34
    Engel und Teufel


    8.7.2009


    Das Stärkeufer ist von Kampfgeräuschen erfüllt. Hagane und Manon hatten mehrere Galaktik-Rüpel besiegt, bevor sich ihnen ein neuer Gegner in den Weg stellte: Commander Venus. Die Grünhaarige geht hoch erhobenen Hauptes zwischen zwei Lagerhallen hindurch, überwindet den zerstörten Zaun und blickt hochmütig auf Hagane herab. Manon sieht sich um. Auch hier ist der Zaun von Maria eingerissen worden, zwischen dem Ring aus Gebäuden und dem Waldrand ist ein Streifen frei, der als Kampffläche dient. „Sowas. Yussuf und Phantom kriegen Jou, und ich muss mich mit euch rumschlagen.“ – „Soll das heißen, wir sind nicht gut genug für dich?“, fragt Manon. Venus tut, als müsse sie überlegen. Dann gähnt sie hinter vorgehaltener Hand. „Exakt. Schau, ich kenne euch ja nicht einmal. Und wenn ich jemanden nicht kenne, ist er es nicht wert, von mir bekämpft zu werden.“. Die Rothaarige langt auf den Rücken und hat im nächsten Moment einen unterarmlangen Dolch in der Hand. Leicht geduckt nähert sie sich ihrer Gegnerin. „Dann wird es Zeit, dass du mich kennen lernst.“, knurrt Manon. Venus hebt die Brauen. „Oh? Wie ich sehe, kämpfst du mit einer Waffe. Dann erlaube mir, dir die meinen vorzustellen.“, bevor Manon Zeit hat, sich über die Pluralform zu wundern, holt Venus zwei kleine Stäbe aus ihrer Tasche, die sie zu einem großen zusammensteckt. Mit beiden Händen wirbelt sie ihn um seinen Mittelpunkt, richtet dann das eine Ende auf Manon. „Ich hatte bisher nur eine Schülerin, und sie wurde von Jou getötet. Glaub mir, ich kriege meine Rache schon noch. Aber wenn du drauf bestehst, bist du eben die Erste, die das Zeitliche segnet.“, raunt Venus. Manon denkt kurz nach. Maria würde nie einfach so einen Menschen töten, vielleicht ist die Rocket-Agentin gemeint, welche sich der Braunhaarigen in Ewigenau in den Weg gestellt hat. Aber sagte Rocky nicht, dass aus Marias Bericht hervorging, dass es eine Schülerin von Yussuf gewesen sei? Ist es möglich, dass zwei hochrangige Mitglieder der gegnerischen Teams diese eine Frau ausgebildet hatten? Nun, das spielt nun sowieso keine Rolle mehr. Sie hält einen Arm schräg abgespreizt, hält das Messer vertikal vor sich. Dann wirft Manon Hagane einen Blick zu. Das Mädchen scheint nervös zu sein, doch sie verbirgt ihre Gefühle recht gut. „Alles klar bei dir?“ – „Ja. Es ist nur…das ist die Frau, die Lee und Tai entführt hat.“, murmelt Hagane. Manon lächelt grimmig. „Gut. Hör zu, du bleibst ein wenig zurück, ja? Wir kriegen deinen Bruder wieder.“ – „Ist gut.“, antwortet sie, doch das Zittern in ihrer Stimme straft sie Lügen. Venus lacht kurz. „Ach, du bist die Kleine, die mir entwischt ist! Jetzt erkenne ich dein Gesicht. Wie hast du das angestellt? Im Grunde ist mir das ja egal, weil ich dich und deine Mama hier gleich eingefangen haben werde.“ – „Ich bin nicht ihre Mutter.“ – „Und wenn schon. Los, Skuntank!“. Manon wirft ihrerseits einen Ball, Lees Schwester tut es ihr gleich. Tentantel und Panzaeron sollen den Kampf bestreiten. „Ihr seid ja schlau. Stahltypen sind Giftangriffe egal. Aber damit kommt ihr nicht weit. Los, Flammenwurf!“, ruft die Galaktikerin, stürmt dann los, den Stab in beiden Händen haltend. Manon macht sich bereit. Als der Stab auf sie herabfährt, befiehlt sie ihrem Panzaeron, auszuweichen, und hebt ihren Dolch. Haganes Tentantel beschießt Skuntank mit der Egelsamen-Attacke, welcher es jedoch seinerseits ausweicht. Der Stab trifft die Klinge des Dolchs, beide Waffen halten der Wucht stand. Es kracht laut.
    Manon dreht sich blitzschnell um die eigene Achse, packt den Stab am freien Ende, stößt dann einen Schrei aus. Dort, wo sie das schwarze Holz berührt hat, ragen lange Stacheln aus der Waffe hervor. Ihre Hand blutet. „Verdammt.“ – „Tja, mein kleiner Stab hier mag es nicht, von jemand anderem als von mir angefasst zu werden! Skuntank, nach rechts!“. Der Sturzflug von Panzaeron geht daneben. Mit lautem Krächzen rast der stählerne Vogel über den Köpfen der Kombattantinnen hinweg und erhebt sich wieder in die Lüfte. „Noch einmal Egelsamen!“, befiehlt Hagane, als Skuntank erneut Angriffsziel von Manons Panzaeron wird. Das Giftwesen kann nicht rechtzeitig reagieren und wird getroffen. „Flammenwurf!“ – „Schutzschild!“, Hagane springt beiseite, als das Feuer links und rechts an Tentantel vorbeigeleitet wird. „So leicht kriegst du mich nicht klein, auch, wenn ich jünger bin.“ – „Das werden wir in wenigen Minuten wissen. Skuntank, Dunkelnebel!“, Skuntank dreht sich um und macht sich bereit. Eine große Menge schwarzen Gases erfüllt die Luft und behindert die Sicht. „Panzaeron, Aero-Ass!“. ‚Wenn ich genug Luft verdränge, müsste das Gas verschwinden.‘, denkt Manon. Wie eine Sense fegt Panzaeron durch den Dunst, die ihm folgende Druckwelle lässt Skuntanks Dunkelnebel fast restlos verschwinden. Doch von Skuntank keine Spur. Venus grinst selbstsicher. „Wo ist es?“, fragt Hagane. Die Rothaarige sieht sich um. ‚Hinter mir. Vor mir. Neben mir. Über mir. Nichts.‘, fährt es Manon durch den Kopf. ‚Da bleibt nur…‘ – „Panzaeron, freier Fall, los! Greif Tentantel an!“, bevor Hagane etwas erwidern kann, hat sich der Stahlvogel Tentantel geschnappt und entschwindet in luftige Höhen. Venus hebt die Brauen. „Was…“, im nächsten Moment bricht Skuntank aus der Erde hervor, genau da, wo eben noch Haganes Kaktus-Pokémon gestanden hatte, und feuert einen Flammenwurf in die Höhe. Hätte Manon nicht so schnell reagiert, wäre Tentantel aufgrund seiner enormen Anfälligkeit gegen Feuerattacken stark in Bedrängnis geraten. „Danke.“, das Mädchen mit den stahlblauen Haaren sieht in den Himmel. Manon holt Luft. „Lass Tentantel langsam wieder runter.“ – „Und du erwartest sie mit einem Flammenwurf!“ – „Schütz dich und Panzaeron, Tentantel!“, nachdem die Befehle ausgerufen sind, stürzt sich Manon auf Venus. Eine schnelle Serie aus Dolchstößen leitet ihren Angriff ein. Venus ist mir ihrem Stab leider besser, als Manon erwartet hat. Sie kommt nur relativ langsam ins Schwitzen, aber es erfordert viel Anstrengung, die Bewegungsmuster zu erkennen, mit welchen die Grünhaarige angreifen wird. Außerdem kann sie die Schläge nicht mit ihren Armen oder Beinen abwehren, weil die Stacheln noch immer gefährlich sind.
    So schnell sie kann, weicht die Trainerin aus, springt über Tiefschläge hinweg, duckt sich unter höher geführten Schlägen. Doch auch ihre Angriffe gehen meist ins Leere oder werden abgelenkt, sie hat eine würdige Gegnerin gefunden. Skuntank wird dank Haganes Tentantel immer schwächer und schwächer, der Egelsamen fordert seinen Tribut. Im Gegenzug wird der Kaktus immer wieder von kleineren Verletzungen geheilt, die er einsteckt. Manon verliert langsam das Zeitgefühl, es ist, als würden nur sie und die Frau vor ihr noch existieren. Ab und zu ruft sie Panzaeron einen Befehl zu, versinkt dann wieder in dem makabren Tanz, den sie und Venus aufführen. ‚Und die Bühne ist das Stärkeufer, oder wie? Ich sollte mit diesen Fantasien aufhören.‘, sagt sie sich. Rechts blocken, Klinge vorstrecken, den Fuß nachsetzen, zustechen. Mist, Stab war im Weg. Neuer Versuch. „Es ist nichts Falsches daran, zu fantasieren.“, sagt die Engelmanon, die neben der Echten in der Luft schwebt. „Wo kommst du denn her?“, knurrt die Rothaarige. „Ich bin immer bei dir.“, erwidert der Engel, zugleich erscheint jedoch auch ihr kleines Teufel-Ich. Manon beißt die Zähne zusammen und wehrt einen erneuten Stoß ab, den Venus in ihre Magengrube landen will. „Fantasie, Pah! Du brauchst sowas nicht, du gewinnst durch List, Tücke und deine Fertigkeiten. Es ist kein Platz für Fantasie, wenn du siegen willst! Und du willst siegen, das weiß ich!“ – „Ja. Ich muss diese Galaktiker aus dem Weg räumen und Hagane beschützen.“ – „Richtig so! Zerschmettere sie. Du hast die nötige Kraft.“, feuert die Teufelin Manon an. Engel-Manon seufzt leise und verschwindet. Diesmal geht der Sieg an die böse Seite. Mit leisem Knurren zieht Manon an Venus‘ Abwehr vorbei und fügt ihr einen Schnitt in der Wange zu. Venus verstummt, sieht jetzt ernster aus als vorher. „Nicht schlecht.“, murmelt sie. „Danke. Das war noch längst nicht alles.“, erwidert Manon, und einen Moment später ist sie es, die getroffen wird. Venus hebelt ihren Arm zur Seite, es knackt im Schultergelenk. Die Rothaarige duckt sich und will sich umdrehen, doch der Stab steckt zwischen ihrem Arm und ihrer Brust, wenn sie sich versuchen würde, zu befreien, würde sie nur wieder die Stacheln aktivieren. Das hölzerne Ende trifft ihre Schläfe, benommen taumelt sie zur Seite. Blut läuft ihr Gesicht herab. Wütend starrt sie ihre Gegnerin an. „Ich glaube, ich beende das Spielchen mal.“, lacht Venus. ‚Ihre Stimme klingt wirklich exakt wie die von Maria.‘, schießt es Manon durch den Kopf. Wie kann das sein? Sie reißt sich zusammen, es bringt nichts, darüber nachzudenken. Um nicht ernsthaft verletzt zu werden, springt Manon einige Schritte rückwärts und sieht sich um. Venus lässt den Stock gekonnt um ihre Hand wirbeln. Skuntank macht langsam schlapp, aber es reicht noch nicht. ‚Ich brauche mehr Zeit. Und ein Opening. Dringend. So kann ich auf lange Zeit nicht…‘, ihre Gedanken werden unterbrochen. Die Teufelin erscheint auf ihrer Schulter. „Was ist? Du hast gewonnen, ich tue ja, was ich kann.“ – „Oh, nein, das tust du nicht. Das wissen wir beide.“
    Hastig weicht Manon dem Stab aus, als Venus wieder angreift. Die Teufelin wird größer. Ein paar Momente später ist sie von der Größe einer Hand auf die Größe von Manons Unterarm gewachsen. Sie weiß, was gerade passiert. „Ich schaffe das.“, murmelt sie, und blockt einen geraden Stoß mit der Klinge ihres Dolchs. „Das glaube ich nicht. Lass mich dir helfen.“ – „Nein!“, einem weiteren Schlag weicht Manon mit einem Hechtsprung aus. Doch sie verschätzt sich, rutscht im Schnee aus und fällt auf ein Knie. „Nein!“, entfährt es ihr, der Stab rammt ihren Oberarm. Sofort schießen die Stacheln aus dem Holz und durchtrennen Muskeln und Sehnen, Manon spürt, wie die Verbindung zu ihrer Hand gekappt wird. Das Messer fällt aus den taub werdenden Fingern. Schmerz durchzuckt ihren Arm wie Feuer. Sie kneift die Augen zusammen. Die Schwärze in ihrer Brust wächst, sie kann es spüren. Normalerweise sind 50% weiß und 50% schwarz, manchmal verschiebt sich die Grenze ein wenig, je nachdem, ob Engel oder Teufel eine ihrer Debatten gewonnen haben. Doch die Grenze kann sich auch unendlich weit nach links oder rechts verschieben. Und genau das passiert gerade. Manon springt nach links, weg von diesem Stab mit den gefährlichen Stacheln. Sie prallt auf ihre Schulter und zuckt zusammen. Der Schmerz nimmt sogar noch zu. Doch die Trainerin in ihr erkennt die Chance, auf die sie gewartet hat. Venus geht langsamen Schrittes auf Manon zu, vergisst jedoch, auf ihr Skuntank zu achten. „Sturzflug.“, presst die Rothaarige zwischen den Zähnen hervor, kreischend fährt ein stahlgrauer Blitz aus den Wolken und trifft Skuntank. Doch Venus verzieht keine Miene. Manon will sich hochrappeln. Eine Hand erscheint von oben in ihrem Sichtfeld. Dankbar packt sie zu, eine andere Hand reicht ihr den Dolch. Als sie hochsieht, erstarrt sie. Die Hand gehört einer erwachsenen Frau, doch außer ihr und Venus ist hier eigentlich nur noch Hagane anwesend. Zitternd blickt sie hoch… und starrt sich selbst ins Gesicht. Eine schwarzhaarige Manon mit zwei roten Hörnern, die ihr aus der Stirn wachsen, steht vor ihr. Ein ebenfalls schwarzes Lederoutfit bedeckt ihren Körper, statt Füßen besitzt sie zwei Hufe an ihren Beinen. Die Teufelin ist erwacht. „Nein. Bitte.“, ist das letzte, was Manon rausbringt, bevor es dunkel wird. Ihr teuflisches Ich lächelt nur und setzt ein Bein vor. Es verschmilzt mit Manons echtem Bein. „Wir schaffen das. Jetzt übernehme ich.“. Die Schwärze wächst rapide an, als die dunkle Seele sich Manons Körper bemächtigt, in Sekundenschnelle ist der weiße Anteil in ihrer Brust auf 1% geschrumpft. Eigenschaften wie das Empfinden von Liebe, Freude, Warmherzigkeit und dergleichen sind fast restlos ausgelöscht. Nur Hass, Wut und Rachsucht bleiben übrig. Und natürlich eine höllische Kraft, die durch ihre Glieder fährt. „Oh, Baby. Tut das gut, wieder frei zu sein.“, haucht die neue Manon. Sie dreht sich zu Venus um, legt den Kopf schief wie eine neugierige Raubkatze. Eine neugierige Raubkatze kurz vor dem Angriff.
    /
    Hagane atmet tief aus, als Skuntank endlich besiegt ist. Die Galaktikerin beendet einen Angriff gegen Manon, zu Haganes Schrecken sieht sie Blut an beiden Ärmeln der rothaarigen Frau. Manons Augen scheinen rot zu glühen, ein Arm hängt an ihrer Seite herab. „Mit einem Arm bin ich keine Gegnerin mehr, oder?“, lächelt sie und nimmt ihren Dolch in die noch bewegliche Hand. Venus ruft ihr Skuntank zurück, schaut sich kurz Panzaeron und Tentantel an. „Gut. Dann eben auf die Tour. Los, Bronzong!“, ihr neuer Partner ist ebenfalls ein Stahltyp, leider muss Hagane zugeben dass ihre Wahl extrem gut ist. Alle Angriffe von Panzaeron und Tentantel sind physischer Natur, und Bronzong hat eine hohe Verteidigung aufgrund seiner stählernen Ummantelung. „Ich benutze wieder Egelsamen.“, murmelt Lees Schwester. Sie hält inne. Mit offenem Mund sieht sie zu, wie Manons Geschwindigkeit scheinbar um das Dreifache steigt, als die Frau angreift. Der Dolch ist nur ein blitzender, silbriger Schleier, der von allen Seiten auf Venus herabfährt. Die Grünhaarige hat große Probleme damit, den Stab richtig zu positionieren, um die Angriffe abzuwehren. „Wie macht sie das? Ihr Arm ist verletzt…“, Hagane kann sich nicht erklären, was hier los ist. Dann jedoch fällt ihr etwas ein, was Lee ihr erzählt hat. ‚Was sagte er über Manon? Sie hat im Grunde drei Seelen, eine liebenswerte, eine böse und ihre normale. Kann es sein, dass die Böse jetzt die Kontrolle hat?‘, fragt sich das Mädchen. Die vorhin noch so nette Frau ist kaum wiederzuerkennen. Mit einem düsteren Lächeln auf den Lippen unterläuft sie jeden neuen Hieb, weicht blitzschnell aus und sticht dann wieder zu. Der unbrauchbare Arm scheint ihr völlig egal zu sein. 'Ich muss aber Bronzong ausschalten, während sie Venus hinhält!', denkt Hagane. „Los, Egelsamen, schnell!“, befiehlt sie ihrem Tentantel. Doch Bronzong schafft es in letzter Sekunde, auszuweichen. „Verdammt. Egal, noch einma…oh.“, sie hält kurz inne, als circa 15 Galaktiker zwischen den Gebäuden hervorkommen und ihrem Commander helfen wollen. Venus schreit Befehle über die Schulter. „Kümmert euch um das Mädchen! Ich komme zurecht. Wartet, wo ist der Rest von euch?“ – „Kommt gleich, Commander Venus!“. Nicht mal 20 Sekunden später steht eine Armee aus 15 Pokémon Lees Schwester gegenüber. „Das ist sowas von gar nicht gut.“, murmelt diese. „Tentantel, setz Egelsamen auf Bronzong, Schluckwech und Sniebel ein, ja?“, befiehlt das Mädchen. Blitzschnell richtet Tentantel seine Tentakeln auf die drei Pokémon und schießt die Attacke ab. Diesmal kommt der Angriff zu schnell, alle Egelsamen treffen ihr Ziel. Danach beginnt der große Angriff. Dank Tentantels stacheligem Körper verletzt jede physische Attacke den Angreifer, das Sniebel ist das erste Opfer der Stacheln. Außerdem trägt Haganes Partner einen Beulenhelm aus der Einallregion, der zusätzlichen Schaden verursacht. Vier weitere Angriffe prallen am Panzer des Wesens ab. „Stop! Merkt ihr nicht, dass ihr der Kleinen in die Hände spielt? Was ist das?!“, auf Seiten ihrer Gegner ist man scheinbar ratlos, mit welchem Gegner sie es zu tun haben. „Und ihr wollt das Universum unterjochen? Ihr kennt ja nicht einmal Pokémon aus anderen Regionen. Tentantel, los, Erholung!“, 5 der angreifenden Pokémon rennen in Tentantels stachelige Defensivhaltung, schlagen mit Klauen und Fäusten zu, doch alles, was sie erhalten, sind Stichverletzungen. „Ursaring, zurück! Mist!“ – „Du auch, Nockchan.“ – „Wir brauchen einen Plan! Alles, was wir gegen dieses Ding einsetzen, kommt doppelt zu uns zurück.“, sagt eine der Frauen unter den Galaktikern. Hagane denkt an Lee. „Gegen mich habt ihr keine Chance.“, ‚Dank dir, Bruder.‘, fügt sie in Gedanken hinzu. „Feuersturm, Arkani!“ – „Schutzschild.“, sagt das Mädchen mit den stahlblauen Haaren gelassen. Das Feuer strömt in heißen Bahnen an Tentantel vorbei und schmilzt Spuren in den Schnee. Schreiend packt sich der Galaktiker, dem Arkani gehört, an den Kopf, und fällt zu Boden. „Was ist denn mit dem los?“ – „Das hat dich nicht zu interessieren, Kleine! Los, Machomei, Wuchtschlag!“ – „Noch einmal Erholung.“. Ein weiteres Pokémon scheitert an der unglaublichen Verteidigung, die Hagane aufgebaut hat. „Halt! Greift auf keinen Fall weiter mit physischen Attacken an!“
    Venus hält kurz inne, stolpert einige Schritte zurück, als Manon ihr nachsetzt und dabei dieses unheimliche Grinsen nicht verliert. „Das ist ein Tentantel, ihr Idioten! Ihr müsst Feuer oder Kampfattacken benutzen. Aber sie müssen spezielle Angriffe sein! Hat einer von euch ein Luc…AH!“, sie schreit kurz auf, als Manon ihr einen langen Schnitt im Bein zufügt. Er scheint jedoch nicht sehr tief zu sein. Mittlerweile blutet der Commander allerdings schon aus etlichen kleinen Schnitten überall an ihrem Körper. „Ein Lucario, Commander?“ – „Ja! Setzt Aurasphäre oder sowas ein.“, weist sie ihre Untergebenen zurecht. Zwischen den Lagerhallen sieht Hagane noch mehr Galaktiker auf sie zulaufen. „Manon!“, ruft sie. Die Rothaarige reagiert jedoch nicht, stattdessen zerschneidet sie die Jacke ihrer Gegnerin auf Höhe des Bauchnabels. Mit reißendem Geräusch entsteht ein weiterer Schnitt. Als sie sieht, dass Venus sich immer weiter zurückzieht, lacht sie laut. „Du bist ein Galaktik-Commander? Wirklich amüsant. Was muss man tun, um bei euch so hoch aufzusteigen?“. Mit rot glühendem Blick springt Manon hinterher, Venus reißt den Stab hoch. „Hast du vielleicht im Lotto gewonnen?“, sie dreht sich blitzschnell nach links und lässt den Dolch herab sausen. „Oder nur mit den richtigen Leuten geschlafen?“ – „Sei still!“, schreit Venus, blockt den Dolch hastig ab, springt erneut rückwärts und hält dann einige Galaktiker zurück, die ihr helfen wolle. „Wenn du wirklich mehr drauf haben solltest, nur zu! Zeigs mir.“, Manon wirft ihr langes Haar zurück und lächelt überheblich. Venus versteht offenbar kein bisschen, was hier gerade passiert. „Vor einigen Minuten warst du sogar im Nachteil! Wie machst du…“, dann scheint ihr ein Licht aufzugehen. „Wie hat die Kleine da dich eben genannt? Manon?“ – „Welche Kleine?“, nachdem Manon die Frage ausgesprochen hat, wird Venus klar, dass dies nicht mehr die Frau ist, gegen die sie den Kampf begonnen hatte. Vor ihr steht eine Art Dämon, der nichts außer dem Kampf kennt und wahrscheinlich das pure Böse ist, welches sich an die Oberfläche gekämpft hat. Sie senkt schicksalsergeben den Kopf. „Es kann nicht anders sein. Auf deinem Bandana steht „Manon“. Du bist die Frau mit den drei Seelen, oder? Wir haben schon von dir gehört, doch niemand aus Team Galaktik hätte gedacht, dass du noch kämpfst. Und ausgerechnet ich kriege dich als Gegnerin. Sieht aus, als müsste ich wirklich ernst machen.“ – „Wäre wirklich süß von dir. Ich langweile mich hier nämlich zu Tode.“, gähnt die Angesprochene. Venus beißt die Zähne zusammen. Sie sollte diejenige sein, die so spricht. Hinter ihr kämpfen die anderen Mitglieder gegen das Tentantel des Mädchens, gewinnen langsam die Oberhand. Spezialattacken schaden dem Kaktus viel mehr als physische. Sie hält ihren Stab waagrecht vor sich und drückt einen Knopf am unteren Ende. Der Stab teilt sich in zwei Hälften auf, die mit einer Kette verbunden sind. „Und damit bist du jetzt stärker als ich?“, will Manon sichtlich desinteressiert wissen. „Das werden wir gleich erfahren.“, erwidert Venus und lässt das obere Ende vertikal rotieren. Mit scharfem Sirren fahren sich die Stacheln wieder aus. „Bereit für ein Spielchen?“, fragt die Galaktikerin. „Immer doch.“, lächelt Manon. Das rote Flackern in ihren Augen nimmt zu.
    Ansatzlos sprintet Venus auf Manon zu und lässt das stachelbewehrte Ende des Stabs vorschnellen. Mit einer geschickten Drehung des Handgelenks befördert die Rothaarige den Dolch zwischen sich und die Stacheln. Klirrend springt der Stab zurück, Venus lässt ihn erneut rotieren und greift dann von der anderen Seite an. Wieder kann Manon abblocken, doch das obere Stabende springt nur umso schneller zurück. Der dritte Angriff trifft. Einer der Stacheln schlitzt Manons linkes Auge auf, sie flucht, springt ein Stück zurück. Dann befühlt sie die Verletzung. „Pah. Das ist nur ein Kratzer.“, doch das Auge hält sie geschlossen. Blut läuft nun auch ihre linke Wange herab. Sofort springt sie wieder vor, Manons Arm ist kaum mehr zu sehen, so schnell greift sie mit ihrem Dolch an. Allerdings muss sie zugeben, dass die neue Waffe der Grünhaarigen ungleich effizienter ist als eben noch. Dank der Kettenverbindung ist es unmöglich, vorherzusehen, in welche Richtung sie zurückspringt. Und dank Venus´ guten Reflexen fällt ihr immer ein neuer Angriff ein, ganz egal aus welcher Richtung. „Wie kannst du immer noch kämpfen? Dein Auge und dein Arm sind verletzt!“, ruft Venus. Die Rothaarige lacht nur. „Mein schwächeres Ich würde keuchend am Boden liegen. Ich bin jedoch nicht so weinerlich wie sie. Du hast mich Dreiseelen-Manon genannt, also müsstest du wissen, was mit mir passiert!“ – „Dein neues Ich ignoriert den Schmerz, nehme ich an.“ – „Fast richtig. Für mich ist da nur kein Schmerz, den ich ignorieren könnte. Leid und Folter gehören zum menschlichen Wesen, jeder hat Dämonen in sich. Wenn du mich besiegen willst, musst du mehr tun, als mir Schmerz zuzufügen. Ich kann dir zeigen, wie das geht.“, lachend springt sie von Venus weg, schleudert ihren Dolch nach ihrer Gegnerin. Die Grünhaarige blockt die heranrasende Klinge hastig ab, reißt dann überrascht die Augen auf. Manon hechtet fast ebenso schnell wie ihr Dolch auf Venus zu, fängt ihren Dolch aus der Luft, dreht sich einmal um ihre Achse und reißt das Bein hoch. Zur Abwehr hebt Venus ihren Stab, doch bevor sich die Stacheln in Manons Unterschenkel bohren, bleibt das Bein ruckartig stehen. Mit gewaltiger Anstrengung verlagert die Frau mit den rot glühenden Augen ihr gesamtes Gewicht, dreht sich dann in die entgegengesetzte Richtung, der Tritt erfolgt viel zu schnell. Der Galaktik-Commander hatte keine Chance auszuweichen. Sie keucht, als sie getroffen wird, fliegt durch die Luft und schlägt auf dem gefrorenen Boden auf. Erbarmungslos setzt Manon nach, setzt ihrer Gegnerin den Fuß auf die Brust. „Du hast verloren.“ – „Das würde ich anders sehen. Bronzong, Psychokinese!“, Manon spürt, wie unsichtbare Hände nach ihr greifen und sie in die Luft schleudern. „Das büßt du mir.“, knurrt sie. „Panzaeron, los, freier Fall!“ – „Und du, Tentantel, warte, bis…nein!“, Hagane war einen Moment zu lange abgelenkt. Die Gegner hatten ein weiteres Skuntank gerufen, welches einen vernichtenden Feuerstrahl gegen Tentantel abfeuert. Zu spät kam ihr Befehl, Lees Schwester ballt wütend die Fäuste. Dann starrt sie Manon an, die eben elegant auf einem Fuß und einem Knie gelandet ist. ‚Wieso hilft sie nicht mehr? Was ist hier los?‘, denkt sie.
    Dann ruft sie ihr Tentantel zurück und denkt nach. Welches Pokémon kann sie einsetzen, um Manons Schwächen auszugleichen? Zweimal Stahl wäre gefährlich, weil ihre Gegner einfach Feuertechniken einsetzen würden. Ihr kleines Lin-Fu wollte sie nicht einsetzen. Vielleicht… ihre Miene erhellt sich. Es gibt ein Pokémon in ihrem Team, was keine Feuerschwäche hat. „Los, Impoleon!“, ruft sie. Panzaeron schnappt sich Bronzong und geht in den Steigflug. Venus rappelt sich ebenfalls hoch und macht sich für einen erneuten Angriff bereit. Bevor sie ihrem Bronzong jedoch einen weiteren Befehl geben kann, fängt Hagane an, leises Gemurmel auszustoßen. Sie starrt die Sterne an. Erstaunt blickt Venus sich um. „Was tut sie da, Commander?“, will einer der noch unbesiegten Galaktiker wissen, deren Zahl im Kampf gegen Hagane immer weiter gesunken ist. „Weiß ich nicht. Greift an.“, befiehlt die Grünhaarige. „Aber sie behext uns! Ich wette es.“ – „Unsinn! Sie ist ein nicht einmal 14 Jähriges Mädchen.“ – „12. 12 einhalb.“, schlägt ein weiterer Galaktiker vor. Venus legt sich die Hand vors Gesicht. „Und wenn schon! Greift endlich…“, weiter kommt sie nicht. Hagane richtet eine Hand auf Bronzong, und im selben Moment beginnt der Himmel, zu brennen. Eine 5 Meter große Kugel aus brennendem Gestein schießt vom Himmel herab, trifft Bronzong sowie etliche der umstehenden Pokémon. Die Explosion, gefolgt von der Druckwelle, wirft die Kontrahenten in den Staub. Venus starrt mit offenem Mund den Krater an, in dem die nun besiegten Pokémon liegen. „HEXENWERK!“, kreischt derselbe Galaktiker, der vorhin seinem Arkani befohlen hatte, Tentantel anzugreifen, und rennt, so schnell er kann, zwischen den Gebäuden hindurch, auf den See zu. Irgendwas scheint mit ihm nicht zu stimmen, überlegt seine Vorgesetzte. „Hier geblieben.“, zischt Venus, doch er ist bereits verschwunden. Manon dreht sich erstaunt um. „Warst du das?“, fragt sie, man hört deutlich, wie überrascht sie ist. Hagane antwortet jedoch nicht, sondern murmelt nur weiter unhörbare Worte vor sich hin, während sie auf ihre Feinde zugeht. Venus krabbelt hastig rückwärts. „Bleib weg von mir!“ – „Ich weiß nicht, wie oder was die Kleine da gerade getan hat, aber es sieht aus, als würdet ihr verlieren.“, grinst Manon. Venus bekommt es mehr und mehr mit der Angst zu tun. Die Galaktiker rufen ihre besiegten Pokémon zurück, eine Kaskade roter Blitze erfüllt den Kampfplatz. Mehrere der Rüpel, die keine Pokémon mehr übrig haben, ziehen sich zurück. Hagane macht noch einen Schritt auf Venus zu, plötzlich jedoch schießen Ranken aus der Erde und schlingen sich um ihre Beine. Sie kommt wieder zu sich. „Was…“ – „Keinen Schritt weiter. Ha!“, befiehlt die Stimme einer jungen Frau. Die Grünhaarige dreht sich um. „Da seid ihr ja endlich!“ – „Tut uns Leid, Commander. Wir wurden aufgehalten.“, erwidert eine ältere Dame, welche neben ihrer jüngeren Kollegin hergeht. Sie hebt gelassen die Brauen. „Hatten Sie etwa Probleme hier?“ – „Es geht. Mit Verstärkung dürften diese beiden keine Schwierigkeiten mehr darstellen. Luna, Galaxy, sorgt dafür, dass sich diese Plagen nicht mehr in die Belange von Team Galaktik einmischen! Ich muss mich um Jou kümmern. Yussuf und das Phantom brauchen schon viel zu lange.“. Mit einem letzten Blick auf Manon wendet sich Venus zum Gehen.
    Doch nach nicht mal 10 Schritten steht die Rothaarige genau vor ihr. „Wir sind noch nicht fertig miteinander.“, flüstert sie und holt mit dem Dolch aus. „Tangoloss, halt sie fest!“, ruft Galaxy, das dunkelblaue Rankenwesen lässt ein Dickicht aus Tentakeln auf Manon zurasen. Sie hebt ihre Waffe und macht sich bereit, die Ranken durchzuschneiden. Kurz bevor sie getroffen wird, bleibt ihr Arm plötzlich in der Luft stehen. Manon flucht und will sich losmachen, ihr Körper gehorcht ihr nicht mehr. „Vergiss es. Mein Hypno hat dich fest in seinem Griff.“, lacht die Jüngere. Die Ranken treffen ihr Ziel, umschlingen Manons Beine, ihre Körpermitte und ihre Brust. Mit erschöpftem Keuchen springt ein Hypno von einem der Gebäudedächer und bleibt vor Galaxy und Luna stehen. Tangoloss strengt sich an, um Manon gefangen zu halten. Die Kraft der Rothaarigen scheint kein Ende zu kennen. Unter leisem Getuschel reißen sich auch die Galaktiker ringsum wieder zusammen und rufen neue Pokémon. Manon fletscht die Zähne. „Ihr wollt es wohl nicht anders.“ – „Impoleon, los, Agilität!“, ruft Hagane, ihr Pokémon beugt sich vor und scharrt mit den Flossen im Schnee. Ihre Strategie sollte in wenigen Minuten greifen; dank der Agilität steigert sich Impoleons Geschwindigkeit. Anschließend muss es so schwach werden, dass es die Beere frisst, die ihm Hagane gab. Diese Beere wiederum stärkt seine Angriffskraft, und es wird leicht, die Gegner zu besiegen. Außerdem ist Manons Panzaeron noch immer ungeschlagen, im Team dürften sie auch gegen die beiden Neuankömmlinge gute Chancen haben.
    /
    Schwärze. Nichts als Schwärze. Manon treibt durch einen finsteren Ozean, sie sieht nichts, hört nichts, fühlt nichts. Sieht so der Ort aus, an dem ihre teuflische Seite eingesperrt ist? Jedenfalls normalerweise. Sie erinnert sich, dass die Teufelin ihren Körper genommen hat. Vor Schreck zuckt die Rothaarige zusammen. Die Teufelin kennt keine Rücksicht, weder auf sich selbst, noch auf andere. In diesem Zustand wäre es ihr sogar egal, wenn sie sich sämtliche Knochen bräche. Ab und zu flackert ein kleines Bild in der Schwärze auf wie ein kleiner Fernseher, der an und wieder ausgestellt wird. Passagen des Kampfes sind zu sehen, Manon erkennt, dass sie aus ihrer eigenen Sicht mit verfolgen kann, was die Teufelin mit ihrem Körper anstellt. Wie sie sich dachte, fühlt ihr dunkles Ich den Schmerz kein Bisschen. Ihr Arm und ihr Auge sind bereits verletzt. „Ich muss die Kontrolle zurückkriegen, bevor es zu spät ist!“, stöhnt Manon. Aber wie kann sie das anstellen? In der Vergangenheit hat ihr der Engel immer geholfen, wenn die Teufelin zu stark wurde. Aber in diesem Nichts ist keine Spur von der weiße Lichtgestalt zu sehen. „Angel? Wo bist du?“, ruft Manon, ihre Stimme hallt laut von unsichtbaren Wänden wieder. Doch auf eine Antwort wartet sie vergeblich. Sie schließt die Augen und horcht in sich hinein. Ganz egal, wer von den drei Manons gerade die Kontrolle hat, es sind immer noch ihre Seelen. Und als solche sollte es der echten Manon gelingen, sie nach Belieben auszutauschen. „Ich muss hier raus, bevor sie sich umbringt.“, flüstert die Rothaarige. Aber um das Böse auszugleichen braucht sie ihre gute Seite. Ein Bild von Hagane blitzt vor ihr auf, welche mit schreckgeweiteten Augen in Richtung des Kampffeldes sieht. Ihr Impoleon wurde von einer Elektroattacke besiegt. „Hagane.“, murmelt Manon. Richtig, sie wurde mit dem Mädchen einem Team zugeteilt, damit sie ein Auge auf sie werfen kann und um sie zu beschützen. Die weiße Seite in ihr wächst. „Lass mich raus.“, sagt sie leise. „Ich will kämpfen, und ich will es auf meine Weise tun.“. Als eine Weile lang nichts passiert, erhebt sie die Stimme. „LASS MICH RAUS!“, brüllt sie, so laut sie kann, und hält erschöpft inne. „Schrei hier nicht so rum.“, befiehlt eine entnervte Stimme hinter ihr. Als sie sich umdreht, erblickt Manon die Teufelin vor sich, welche sich gelangweilt die Hand vor den Mund hält und gähnt. Nihilistin. „Dir ist gar nichts wichtig, oder?“ – „Doch. Mein Vergnügen.“ – „Lass mich kämpfen. Du achtest nicht auf meinen Körper.“ – „Was!“, in gespielter Empörung reißt die Teufelin ihre Augen auf. „Natürlich tue ich das. Ich gewinne gerade.“ – „Nein, du gewinnst nicht. Du beschützt das Mädchen nicht. Und du kannst nicht allein gegen so viele gewinnen. Du musst ihr helfen!“ – „Die Kleine ist nur ein Klotz am Bein. Wozu willst du sie beschützen?“ – „Falls du es nicht gemerkt hast, sie hat irgendeine merkwürdige Fähigkeit, die sich aktiviert, wenn sie zu bestimmten Zeitpunkten in den Himmel sieht. Ich weiß nicht, wie genau das klappt, aber diese Fähigkeit kann in diesem Kampf äußerst nützlich sein! Beschütze sie, oder lass mich es tun.“
    Ihr Gegenüber massiert kurz eines ihrer Hörner. Dann schwebt sie gefährlich nahe an Manon heran und holt dann mit der Faust aus. Viel zu schnell für das menschliche Auge rast die Faust auf das Gesicht der Frau zu, bleibt nur wenige Millimeter davor stehen. Manon versucht, nicht zurückzuzucken. „ICH bin die Stärkste von uns Dreien. Ich erscheine, wenn es mir passt. Vergiss das nie. Ich kämpfe nur zum Spaß. Und wenn es mir Spaß macht, bleibe ich, so lange, bis es mir keinen Spaß mehr macht. Es macht erst dann keinen Spaß mehr, wenn entweder meine Gegner tot sind oder ich mich nicht mehr rühren kann. Geht das in dein kleines, hübsches Hirn rein?“, zischt sie. Manon spürt den kalten Schweiß ausbrechen. Diese Frau ist das pure Böse. Von einer Sekunde auf die nächste kann ihre Laune ins genaue Gegenteil schwanken. „Und außerdem…“, sie wird unterbrochen. Die Stimme, die sich nun meldet, ist voller Sanftmut und duldet dennoch keinen Widerspruch. „Keinen Streit. Ein gespaltenes Haus kann nicht bestehen.“, beide Frauen fahren herum. Manon stößt erleichtert die Luft aus. „Angel!“. Lächelnd kommt Angel näher, die pure Schwärze verwandelt sich in eine gigantische Halle. Man kann in keiner Richtung das Ende erkennen. Der Boden ist weiß-schwarz gefliest, kleine Vitrinen aus Glas stehen herum, in welcher kleine Statuen aufbewahrt werden. Unendlich viele davon sind in der Halle verteilt, jede von ihnen symbolisiert eine von Manons Erinnerungen. „Misch dich nicht ein.“, knurrt die Teufelin. Als Angel sich umdreht, raschelt ihr langes, weißes Gewand auf den Fliesen. „Ich kann nicht anders. Wir drei mögen grundverschieden sein, und doch sind wir ein und dieselbe. Solange ihr beiden das nicht versteht, werden wir nie wirklich eins sein. Und das Resultat ist der Ausbruch einer Seele, wenn sie sich unterdrückt fühlt oder die richtige Emotion sie herauslockt. Manon, du bist vorhin unsagbar wütend gewesen, oder? Anders hätte unsere liebe Teufelin nicht freikommen können.“, lächelt Angel. „Ja.“, gibt Manon widerwillig zu. „Und wenn du Liebe spürst, machst du es damit mir leichter, ans Tageslicht zu kommen.“, die blonde Manon nimmt die rechte Hand der echten und die linke Hand der Teufelin. Letztere zuckt unter der Berührung zusammen. „VERSCHWINDE! Ich habe die Kontrolle, und damit basta! Ich kann sie schlagen!“, in diesem Moment blitzt ein kleines Bild auf, es zeigt aus Manons Sicht, wie Commander Venus und ihre beiden Officer eine große Kombinationsattacke starten, Hypno und Tangoloss fesseln mit ihren Kräften Panzaeron und ein riesenhaftes Stahlos, welches wohl Hagane gehört. Ansatzlos drückt Angel die beiden Hände fester. „Nein. DU gewinnst nicht. WIR gewinnen. Lasst uns gemeinsam kämpfen.“. Aus ihrem Rücken wachsen große, weiß gefiederte Schwingen, während dem Rücken der Teufelin dunkle, ledrige Flügel entsprießen. Manon fühlt, wie sich eine extreme Menge reiner Energie in ihrem Körper sammelt. „Ich glaub, ich weiß, was du meinst.“, sagt sie. Angel zwinkert ihr zu. „Geh raus und besiege dieses Team.“, flüstert sie noch, dann verschwindet die Halle, gleißendes Licht erfüllt ihr Sichtfeld.
    /
    Venus kann später nicht sagen, was auf dem Kampffeld passiert ist. Gerade, als sie denken, beide Pokémon ihrer Gegner gleichzeitig ausschalten zu können, reißt Manon die Augen weit auf, das rote Glimmen verschwindet aus dem rechten Auge. Ein Lichtblitz erfüllt den Kampfplatz. Von irgendwoher läutet eine Kirchturmglocke, oder bildet sie sich das nur ein? Der Galaktik-Commander schüttelt wie benommen den Kopf. Als sich das Licht verzieht, schrecken sämtliche Galaktiker vor Manon zurück, als wäre sie eine Erscheinung. Die linke Hälfte ihres Haars ist weiß, die rechte schwarz. Ihr linkes Auge glüht in düsterem Rot, das rechte schimmert silbern. Sie hebt eine Hand. Venus spürt, wie ihr die Kälte in den Nacken kriecht. ‚Wo sind ihre Verletzungen? Ist sie überhaupt ein Mensch?‘, fährt es ihr durch den Kopf. Nur die Narbe über dem Auge, an dem sie verletzt wurde, ist stumme Zeugin ihrer Blessuren. Weiß-schwarzer Nebel umgibt den Körper Manons, verzieht sich jedoch einige Momente später. „Commander? Mit Verlaub, ich habe Angst.“, gibt eine Galaktikerin zu, die neben Venus steht. Panzaeron und Stahlos werden augenblicklich von den Kräften befreit, welche sie fesseln. Lächelnd faltet Manon die Hände. „Bereit für einen echten Kampf?“, fragt sie sanft. Ihr Blick ist unmissverständlich.


    wie immer freue ich mich auf feedback, kommentare und anregungen :)
    mfg
    DoD

  • Kapitel 35
    Doppelkampf am Stärkeufer


    8.7.2009


    „Mir. Nein! Mir scheint, als. Wären hier einige junge Damen angereist, um! Uns an, aufzuhalten. Aber das kann, darf, und will ich nicht durchgehen lassen!“ – „Was hat der denn für ein Problem?“, maunzt Cat. Rocky und ihre beiden Mitstreiterinnen stehen näher an der Hügelkante, während Uranus ihnen ein Stück entgegen gekommen ist. Der zerstörte Zaun liegt hinter ihm. „Das ist einer der neuen Commander.“ – „Ja, und er hat uns auf dem Schiff angegriffen!“ – „Uranus.“, murmelt Rocky. Die Polizistin hat schon einige Informationen über diesen Kerl gesammelt, doch bisher war er immer gut darin, zu verschwinden, sobald ihm die Polizei auf den Fersen war. „Cat, halt dich bereit. Wir kennen seine Strategie nicht.“, warnt die Polizistin. „Okay! Los, Luxtra.“, vorsorglich ruft das Katzenmädchen ihr Elektropokémon. Rocky zückt ihrerseits einen Ball. „Arkani, ich brauche deine Hilfe.“. Brüllend erscheint ein großes, feurig loderndes Pokémon, es blickt sich blitzschnell um, sondiert die Umgebung, und nimmt Uranus ins Visier. Cat dehnt sich mittlerweile ein wenig, knickt seitlich ein, legt eine Hand auf ihr gestrecktes Bein. Dann geht sie so weit runter, dass es fast aussieht, als würde sie einen Spagat ausführen, nur eben mit einem angewinkelten Knie. Anschließend stellt sie sich gerade hin, achtet darauf, dass ihre Füße genau nebeneinander stehen, und beugt den Oberkörper runter. Ihre Fingerspitzen berühren ihre Füße. „Dehnung muss sein, bevor ich kämpfe. Sonst tut miau hinterher alles weh!“, erklärt sie. Der Galaktik-Commander öffnet den Mund. „Benach, bevor, du kämpfst? Bist du eine von. Denen, die mit ihrem Pokémon! Zugleich kämpfen?“ – „Das hast du genau richtig erraten. Bist du bereit?“ – „Nein! Ich meine, doch. Oder eigentlich, nicht. Ich muss! Einen Plan aufstellen. Gestattet mir, eine Minute! Pause.“ – „Rocky? Irgendwas stimmt mit dem nicht!“, meint Cat. Die Polizistin legt einen Finger an ihr Kinn. „Er hat ein merkwürdiges Sprachmuster, das stimmt. Aber ich glaube, das macht er absichtlich, um über seine eigentlichen Fähigkeiten hinwegzutäuschen. Sei am besten auf alles gefasst, ich muss erst sehen, wie er kämpft, bevor ich ein Urteil fällen kann.“ – „Wenn! Ich richtig, liege, seid ihr drei Officer Rocky, Hündin, nein, die Katze! Catherine Thompson, und die Naturheilerin Joana! Und, liege ich falsch? Richtig, wollte ich sagen. Richtig! Liege ich richtig?“ – „Was, wenn ich nein sage?“, gibt Rocky zurück. „Dann! Muss ich Sie leider der Lüge bezichtigen, ich. Habe sämtliche Informationen! Über ihr Team. Als Stärkster! Über, unter den Galaktik-Commandern, muss! Ich euch beweisen, dass mit mir nicht zu scherzen, zu spaßen, ist! Los, Honweisel.“ – „Das ist ja eine Qual, dem überhaupt zuzuhören.“, stöhnt Cat. Rocky wirft einen Blick zu den Gebäuden hinter dem zerstörten Zaun. Zwischen zweien kann sie den See funkeln sehen, eine Gruppe Galaktiker kommt in der Ferne auf den Kampfplatz zu. „Ich glaube, der kriegt bald Verstärkung. Wir sollten uns beeilen.“ – „Miau solls recht sein. Luxtra, Doppelteam!“, ruft das Mädchen. „Arkani, Feuersturm, greif Honweisel an.“. Während die beiden ihre Attacken ausrufen, beobachtet Uranus sie genau, scheint sich dabei jedes Detail ihrer Angriffe zu merken. Cat sprintet auf ihn zu, ihren Katzenschweif hat sie sich um die Taille geschlungen.
    Joana beobachtet ihre beiden Mitstreiterinnen. Die Frau mit den türkisfarbenen Haaren steht ein Stück weiter links von ihr, das Mädchen rennt gerade auf einen Mann mit silberner Uniform zu. Dieses Gefunkel in seinem Haar findet Joana hübsch, es ist, als würden kleine Sterne dort leuchten. Sie weiß nicht genau, ob der Kampf hier hätte umgangen werden können, doch sie spürt, dass es wichtig ist, ihn zu gewinnen. Leichter Schneefall hat eingesetzt, sie muss sich zusammenreißen, um das herabfallende Weiß nicht zu bewundern. Es ist besser, sich zu konzentrieren. Als vor einigen Minuten eine Welle aus Eis über das kurze Stück unbebautes Gelände gerast ist, hatte sie ein wenig Angst, die Welle könnte die Gebäude zerstören, aber es sind lediglich die Fenster im untersten Stock zu Bruch gegangen. Joana hasst es, wenn Gebäude zerstört werden. Menschenleben enden. Und ein beendetes Menschenleben kann selbst sie nicht retten. Als der Kampf zwischen dem Katzenmädchen und dem Mann mit den Sternen im Haar beginnt, ist Joana erstaunt, wie schnell sich das Mädchen bewegen kann. Aus einer Position geht sie elegant in die nächste über, beugt den Oberkörper so weit nach hinten, dass sie einem Schlag ausweicht, stützt die Hände auf den Boden hinter ihr, federt rückwärts in den Handstand und lässt die Beine hochschnellen, denen ihr Gegner seinerseits ausweicht und nun selbst angreift. Ob sie das irgendwo geübt haben? Es sieht aus, als wüssten sie genau, wo ihr Gegenüber eine Faust, einen Ellbogen oder ein Knie als nächstes hin rasen lassen würde. Dasselbe hat sie schon auf dem Schiff gesehen. Auf dem Schiff auf dem Wasser. Die Frau, die sich so sehr um Joana gekümmert hat, kann auch so kämpfen. Manon, so hat sie gesagt, ist ihr Name. Momentan ist Manon auf der anderen Seite des Sees und bekämpft wahrscheinlich auch solch einen Gegner. Vorsichtig holt Joana einen ihrer Pokébälle aus der Tasche ihrer Winterjacke. Als sie mit dem Ärmel am Reißverschluss hängen bleibt, erinnert sie sich kurz daran, warum Rocky ihr eine pinkfarbene Jacke gegeben hat. Es passe zu ihrem Haar, hatte die Polizistin gesagt. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf Joanas Lippen. Es ist schön, wenn sich jemand um sie sorgt. Sie lässt ihr Heiteira aus dem Ball. Falls eines der Pokémon verletzt wird, kann Heiteira es sofort wieder gesund machen. Heiteira braucht dafür nicht einmal Befehle, immer, wenn Joana sich etwas wünscht, wissen ihre Pokémon, was es ist. Sie kann selbst nicht kämpfen, aber sie hat sich fest vorgenommen, dass sie ihr Team unterstützen würde, sollte es sie brauchen. Also sieht sie sich genau um, dabei bleibt ihr Blick an den Gebäuden hängen, um die der nun kaputte Zaun gespannt war. Sie sind ziemlich hoch, in den oberen Stockwerken stehen an einigen Fenstern Menschen, die, soweit Joana es beurteilen kann, ebenfalls silbrig glänzende Uniformen tragen. Sie fragt sich, wieso hier alle gleich angezogen sind. Ob es eine Art Kostümparty ist, von der ihr Schwester Joy daheim in Flori manchmal erzählt hat? Oder müssen die Mitglieder dieses „Team Galaktik“ sich so anziehen? Sie kennt sich mit derartigen Organisationen nicht aus, aber es wäre zumindest möglich. Vielleicht hätte sie bei den Treffen mit Officer Rocky besser zuhören sollen, aber in ihrem Büro hatten so hübsche Pflanzen geblüht, und sie war in deren Betrachtung versunken. Auf jeden Fall scheinen die in den oberen Stockwerken nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, sich am Kampf zu beteiligen. Joana grübelt, woran das liegen kann. Fühlen sie sich nicht dem Team angehörig? Vielleicht haben auch diese Kugeln aus Wasser oder Eis damit etwas zu tun, die manchmal von Marias Kampfplatz her über das Stärkeufer gesaust kommen. Sie sehen eigentlich ganz schön aus, wenn ein Loch in den Wolken aufgeht, und Sonne hindurch strahlt, glitzern sie in ihrem Licht.
    Als Rockys Arkani von einer Salve Juwelensplitter getroffen wird, welche das gegnerische Honweisel entfesselt, faltet Joana kurz die Hände und sendet eine stumme Bitte an Heiteira. Das Pokémon nimmt das Ei aus seinem Beutel, läuft zu dem am Boden liegenden Arkani herüber und lässt es davon fressen. Einen Moment später springt das Feuerwesen brüllend auf. Honweisel ist ziemlich stark, denkt Joana. Es ruft immer wieder Schwärme kleiner Wadribie, sobald eine Attacke von Luxtra oder Arkani ausgeführt wird. Diese Wadribie schließen sich dann zu einer kleinen Mauer zusammen, an der diese Angriffe abprallen. Gleichzeitig kämpft Cat gegen Uranus, Rocky wendet sich nach einigen Minuten einem Haufen weiterer Galaktiker zu. Die neuen Gegner haben den See endlich umrundet und stellen sich in zwei Reihen hinter Uranus auf, welcher gerade eine unglaublich schnelle Trittkombination Cats abwehrt. Cat ist übermenschlich schnell, besitzt darüber hinaus eine sagenhafte Körperkontrolle. Ihren Katzenschwanz benutzt sie teilweise, um Schläge abzufangen, die sie nicht mehr rechtzeitig mit den Händen erwischt. Es ist Joana ein Rätsel, wie Uranus mit dem Mädchen mithalten kann. Irgendwas muss an ihm ebenfalls besonders sein. Joana beschließt, ihn genau im Auge zu behalten, um sein Geheimnis zu ergründen. Rockys Arkani wendet sich mehreren Pokémon zu, die von den Galaktikern gerufen wurden. Vorsorglich nimmt Joana ihren Rucksack ab, falls das Katzenmädchen oder die Polizistin verletzt werden, will sie bereit sein, ihnen zu helfen. Sie fördert einen kleinen Notfallkasten zutage. Verbände, Medikamente, Spritzen und vieles mehr ist darin zu finden. Wie immer betet Joana, dass sie ihn nicht benutzen muss. Wenn sie ihn benutzen muss, bedeutet das, jemand ist nicht gesund. Joana hasst es, wenn jemand nicht gesund ist. Sie riecht den Schmerz. Momentan riecht sie den Schnee, Wasser, Rockys Parfum, welches sie aus Routine benutzt hat, von Cat und Uranus weht außerdem ein starker Adrenalinduft herüber. Als Arkani eben getroffen wurde, hat sie die Nase verzogen. Schmerz stinkt widerlich. Darum gefällt es ihr, den Geruch von Heilung einzuatmen. Heilung riecht wie die Wiesen von Flori, wenn der Frühling beginnt. Joana sieht, dass aus den oberen Fenstern immer mehr Gesichter verschwinden. Wo sind sie hin? Haben sie ihren Teamgeist wieder entdeckt? Es ist besser, Rocky und Cat zu warnen, denkt das Mädchen mit den rosafarbenen Haaren. Also geht sie vorsichtig zu Rocky hinüber, um nicht zu stören, falls sie etwas Wichtiges vorhat und dafür Konzentration braucht. „Arkani, spring! Setz Feuersturm ein.“, befiehlt die Frau gerade. Joana zupft an ihrem Ärmel. „Joana? Alles okay?“, fragt sie. Statt einer Antwort sieht Joana die Polizistin ruhig an und deutet zu den Fenstern hinauf. Rocky fasst sich an die Stirn. „Wie machst du das bloß. Sind da Galaktiker verschwunden, die ihren Kumpanen helfen wollen? Danke.“, Rocky lächelt ihr kurz zu, wendet sich dann um. Ihr Kampf geht weiter. „Cat, pass auf! Es kommen vielleicht neue Gegner.“ – „Ist geritzt! Miau wird schon nicht langweilig, der Kerl hier ist gut!“, ruft Cat, als sie sich kurz von Uranus zurückgezogen hat. Dann stürmt sie wieder los. Joana nimmt ihren Platz hinter Heiteira ein und passt weiterhin auf die Umgebung auf. Sie ist kein bisschen aufgeregt, es ist der Glaube an ihr Team, der sie ruhig bleiben lässt. Rocky, Cat und die anderen werden das schon schaffen. Und außerdem haben sie diese Braunhaarige, die das andere Mädchen geküsst hat. Beim Gedanken daran erfüllt sich Joanas Herz mit Freude. Solange es Liebe in der Welt gibt, kann das Böse nicht siegen. Solange Maria weiterkämpft, siegt das Gute. Da ist sich Joana sicher.
    „Du! Bist, wenn ich so rufen, nein, sagen kann: nicht schlecht.“, meint Uranus, als es Cat gelingt, ihm einen Tritt gegen den Oberschenkel zu verpassen. Doch direkt im Anschluss steckt sie ihrerseits einen Schlag ein, der ihr für einige Momente den Atem raubt. Hinter der unscheinbaren Gestalt des Commanders liegt viel mehr Kraft, als man zuerst denkt. ‚Er sieht eigentlich ganz normal aus. Ich verstehe das nicht.‘, fährt es der Braunhaarigen durch den Kopf. „Luxtra, Donnerzahn, Beeilung!“, ruft sie, doch Honweisel setzt schon wieder Blockbefehl ein. „Wenn das so weiter geht, wird das Ding unbesiegbar.“, murmelt Cat. Mit einer geschmeidigen Drehung weicht sie Uranus aus, duckt sich in der Bewegung und geht in die Hocke. Dann stützt sie die Hände auf den Boden und reibt sich mit dem Handrücken die Nase. Mit einem weiten Sprung bringt sie sich in Position, direkt nach ihrer Landung fliegt sie knapp über dem Boden auf Uranus‘ Knie zu. ‚Wenn ich ihn zu Fall bringe, wird es leichter, zu gewinnen.‘, schießt es ihr durch den Kopf. Sie reißt das Bein zurück und spannt ihre Muskeln. Doch Uranus ist wieder zu schnell, während sie unter ihm hinweg rast, packt er ihren Katzenschwanz, unwillkürlich winkelt sie Arme und Beine an, bevor er sie mit voller Wucht auf den Boden schlägt. „Lass michhh los!“, faucht sie, als sie wieder Luft kriegt. „Es scheint, als! Wärst du kein normaler Mensch. Was, wer, bist du wirklich?“, will der Schwarzhaarige wissen, doch als das Katzenmädchen ihn fauchend anspringt, lässt er ihren Schweif lieber los und bringt sich durch einen hastigen Sprung in Sicherheit. „Fass mich nicht nochmal an.“, warnt sie ihn. „Sonst, was, meinst du, passiert dann? Du machst mich alt, will sagen: neugierig!“ – „Wer die Bestie erweckt, bekommt ihre Krallen zu spüren.“, ansatzlos stößt Cat sich ab, hebt im Sprung die Hand, passt den Moment ab, in dem Uranus die Arme zur Verteidigung kreuzt, und zerkratzt ihm den Handrücken der rechten Hand. Irritiert zieht sich Uranus einen Handschuh an, den er aus der Tasche zieht. „Das dürfte eine kurze, lange! Weile brennen. Haben dir deine Eltern keine Manieren- beigebracht, hm?“ – „Meine Eltern interessieren sich für andere Dinge. Wirtschaft und sowas.“ – „Das! Tut mir außerordentlich Weh, nein, Leid. Ein vernachlässigtes Kind. Herrje.“, er stürmt vor und lässt einen Schlaghagel auf Cat niedergehen. Genauso schnell blockt sie jeden seiner Hiebe. Uranus zückt ein kleines Büchlein und notiert einige Dinge. Cat bückt sich leicht und leckt sich kurz über die Hand. „Was machst du da?“ – „Ich! Notiere.“ – „Das sehe ich. Was notierst du?“, erwidert das Katzenmädchen genervt. „Informationen. Unter, nein, über dich, natürlich. Jede Information ist wichtig.“. ‚Das macht ihn sozusagen zum Kopf dieser Typen. Die beiden, gegen die Maria kämpft, verlassen sich auf ihre Kampfkraft. Der hier ist anders.‘, überlegt Cat. Dann beißt sie die Zähne zusammen.
    Wenn er spitzkriegt, was ihre Schwäche ist, wars das. Was wiederum bedeutet, dass sie den Kampf beenden muss, bevor das passiert. Sie blickt sich schnell um, es schneit momentan leicht. Rocky kümmert sich um die neuen Galaktiker, Joanas Heiteira heilt Arkani gerade von einer Toxin-Attacke. „Hast du schon einmal einen Kampf mit einer Raubkatze geführt?“ – „Kann man nicht, nun, doch, so sagen! Diese Venus erweist sich häufig als arge Kratzzahn, nein, Kratzbürste.“ – „Also…ja oder nein?“ – „Zweideutig!“ – „Ich gebs auf. Luxtra, setz Ladevorgang ein.“, seufzt Cat. Ihr Pokémon springt von Honweisel zurück, spannt die Muskeln an und beginnt, statische Energie zu sammeln. Die Braunhaarige geht wieder auf alle Viere runter und beobachtet Uranus‘ Bewegungen. Ihr Schweif zuckt nervös. In Cats Augen juckt es, sie weiß, dass sich ihre Pupillen zu Schlitzen verengen. Nein, ein gewöhnliches Mädchen ist sie nicht, und allzu oft kommt ihre animalische Seite zum Vorschein, vor der ihr Vater immer Angst hatte. Sie verdrängt den Gedanken an ihr Zuhause. „Das wird miau zu bunt. Jetzt mache ich Ernst.“, verspricht sie. Ihr Gegner nimmt seine Kampfhaltung ein. Doch er sagt nichts mehr, sein Blick verrät seine immense Konzentration. Ein weiterer Schlagabtausch folgt. Mehrere Krater zieren Uranus‘ Arm, als Cat in die Defensive geht. Prasselnd rast ein Dornenschauer vorbei, mit einem kleinen Sprung nach hinten rettet Cat sich. „Rocky, alles klar?“, ruft sie. „Ja, tut mir Leid, das Insekt hier hat sich vorbeigeschlichen.“, mit „Insekt“ meint Rocky ein Bibor, welches an ihrem Arkani vorbei kam und sich in den Kampf des Katzenmädchens einmischen wollte. Im Lauf bückt Cat sich, reißt einige Dornen aus dem Schnee, wo sie stecken blieben, und wirft sie wie Dartpfeile in Uranus‘ Richtung. Er weicht aus und befiehlt seinem Honweisel eine Juwelenkraft-Attacke. „Luxtra, fertig? Los!“, die Trainerin will ihren Partner durch den Angriff aus der Schusslinie bringen, zum Glück war er genau im richtigen Moment mit der Aufladung fertig. Gelbe Blitze durchzucken das sonst schwarze Fell des Wesens. Lächelnd streichelt Cat ihr Luxtra. „Donnerzahn.“, schnurrt sie dann. Mit einem gewaltigen Sprung überbrückt Luxtra die Distanz zwischen sich und seinem Ziel. Dank des Ladevorgangs ist die Attacke doppelt so stark, fauchend durchbricht das Elektropokémon die Wand aus Wadribies und fügt Honweisel erheblichen Schaden zu. „Nein! Mir war bewusst, nicht bewusst, dass. Eine einzelne Technik die Verteidigung meines Honweisels so schwer, so leicht! Niederreißen kann. Toxin, los.“, Uranus reagiert umgehend. So schnell sie kann, rennt Cat los, ihre Kampftechnik beruht darauf, wichtige Punkte im Körper des Feindes zu treffen und so seine Muskeln lahmzulegen. Sie muss es schaffen.
    Im Lauf lehnt sie sich weit nach links, dreht den rechten Fuß so, dass sie seitlich zu Uranus steht, und stößt sich ab, schlägt ein Rad, und umschlingt den Arm, mit dem Uranus ihren Tritt abwehren will, mit ihrem Katzenschwanz. Als sie auf einem Knie und einem Fuß aufkommt, grinst sie ihn an. „Hab ich dich.“, sie sieht, wie er überrascht seinen Arm anstarrt, doch aus Cats Griff kann er sich nicht befreien, egal, wie stark er zerrt. Den anderen Arm reißt er nun ebenfalls vor, doch bevor er sich damit verteidigen kann, streckt das Mädchen den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand aus und stößt ihn damit genau vors Brustbein. Der Commander stolpert, doch er fällt nicht. Die Braunhaarige setzt zu einer Kombinationsattacke an. Mit einer Faust trifft sie den Solarplexus, eine Niere und sein linkes Ohr. Er hustet, Cat löst ihren Schwanz von seinem Handgelenk. Uranus bricht zusammen. „Unfair, was?“, grinst sie. „Das! War, um genau zu sein, anregend! Wir, nein, du, nein, ich habe nur selten Schmerzen. Es fühlt sich nicht direkt schlecht! Gut an, meine ich, aber immerhin merke ich, dass ich am Leben bin. Interessant!“, keucht der Commander, nachdem er knapp eine Minute schwer atmend im Schnee gelegen hat. „Wenn das so endet, weiter! Geht, verliere ich diesen Kampf. Als schwächster, stärkster, Commander, kann ich das unmöglich zulassen.“, er rappelt sich hoch. „Halt!“, Rocky sieht herüber, ihr Arkani hält gerade ein Golbat und zwei Geowaz in Schach. „Im Namen der Polizei von Herzhofen in Kooperation mit der Internationalen Polizei: Sie sind wegen krimineller Aktivitäten und Gefährdung des Friedens von Sinnoh festgenommen. Cat, fang!“, mit schnellen Bewegungen zieht Rocky ein Paar Handschellen aus ihrer Jackentasche und wirft sie Cat herüber. Das Katzenmädchen fängt sie mühelos und tritt auf Uranus zu. „Nicht so schnell. Honweisel, Blockbefehl.“, Luxtra, welches vom Toxin vergiftet wurde, steht mittlerweile wieder, weil Joana ein weiteres Pokémon gerufen hat: ihr Roserade, dessen Spezialität eine besondere Aromakur ist, welche sämtliche Vergiftungen sofort heilen kann. Nun knurrt Cats Pokémon die Wadribiewand an, die Uranus schützen soll. Die Braunhaarige bleibt unsicher stehen. „Dieses Biest ist wirklich persistent, miau. Luxtra, bist du bereit?“ – „LUX!“, knurrt ihr Partner als Antwort. Cat grinst. „Klingt gut.“. Abermals rennt sie auf Uranus zu.
    Rocky kämpft schon seit einiger Zeit gegen die Galaktiker, welche Uranus beschützen sollten. Besonders stark sind die nicht, doch ihre Masse bereitet der Polizistin Kopfzerbrechen. Besiegt sie ein Pokémon, kommen zwei weitere, um die Plätze ihrer Kameraden einzunehmen. Es scheint einfach kein Ende zu nehmen. Arkani wird nur sehr langsam müde, das stundenlange Polizeitraining zahlt sich endlich aus. In Herzhofen ist das ganze letzte Jahr über wenig passiert, die Kriminalitätsrate hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Darum hatte Rocky befürchtet, aus der Übung zu kommen, doch ihre Sorge war unbegründet. Ihr Feuerpokémon ist so stark wie nie zuvor. Von der gesamten Polizeibelegschaft Sinnohs ist sie die stärkste Kämpferin. Es gilt, einen Ruf zu verlieren. „Woher haben Sie eigentlich die ganzen Informationen über mein Team?“, Rocky stellt diese Frage nicht ohne Grund; wenn dieser Kerl alle Daten über ihre Kämpferinnen einfach so runter rattern kann, gibt es ein gravierendes Sicherheitsleck innerhalb der Polizei. „Oh! Das, ist, wenn ich so sagen kann, sehr, nein. Nicht schwer gewesen. Wir haben euer Hauptquartier verfloht, verwanzt! Daher konnte ich jedes Wort von eurer so genannten „geheimen“ Besprechung ab, mithören.“ – „Und dann habt ihr es in die Luft gejagt.“ – „Natürlich!“, Uranus sieht irritiert aus, dass Rocky diesen Fakt infrage stellt. Für ihn scheint dieser Gewaltakt logisch zu sein. „Wir konnten euch nicht einfach so gewähren lassen, daher musstet ihr aus dem Weg geräumt werden. Doch! Leider, so leuchtet, scheint es, hat das nicht geklappt.“. ‚Diese Kerle müssen um jeden Preis gestoppt werden. Menschliche Leben scheinen ihnen nichts zu bedeuten.‘, denkt Rocky. Uranus breitet die Arme aus. „Ich! Weiß genau, was Sie denken. Es ist richtig, falsch, Menschen zu töten, doch! Sehen Sie es so. Wir bauen die Welt neu auf! Alles, was uns dabei im Weg steht. Muss beseitigt werden. Die Menschen in 10 Jahren werden es Ihnen danken, dass Sie dabei behilflich sind, waren. Die Welt neu zu erschaffen.“ – „Was habt ihr denn genau vor? Wie wollt ihr die Welt neu erschaffen? Ist sie nicht gut, so, wie sie jetzt ist?“. Der Commander schüttelt nur den Kopf. „Sie begreifen es nicht. Unseren Plan werde ich Ihnen nicht verraten, das. Darf ich nicht. Aber! Sie stehen immer noch im Weg, und Sie wollen mich ablenken. Honweisel, los, Schlagbefehl!“ – „Arkani, spring! Feuersturm.“ – „Luxtra, halt dich ran, wir mischen ihn mit Donnerzahn auf!“, alle Kontrahenten rufen neue Attacken aus, die Galaktiker hinter Uranus klammern sich verängstigt aneinander, wo diese gewaltigen Kräfte aufeinander treffen, haben sie nichts verloren. Ihre Moral ist im Kampf gegen Rocky immer weiter gesenkt worden, kein Angriff, den sie gestartet haben, konnte sein Ziel treffen. Immer schien ihr Arkani einen Schritt schneller zu sein als seine Gegner. Und nun haben sie komplett den Mut verloren, weiter gegen sie zu kämpfen. „Lasst uns abhauen.“, murmelt einer der Männer. Eine Frau neben ihm nickt leise. „Wenn sie Uranus besiegt und einsperrt, sind wir die nächsten.“ – „Er ist unser stärkster Mann! Er wird nicht verlieren.“, entgegnet ein weiterer Mann in silberner Uniform. Honweisel beschwört eine weitere Mauer aus Wadribies herbei, diesmal 4 Schichten dick. Die Wand ist riesig, dehnt sich 20 Meter in jede Richtung aus und ragt hoch in den Himmel. Luxtra erreicht sie zuerst, der Donnerzahn schlägt ein qualmendes Loch in das Hindernis. Danach folgt Arkani, das Feuer rauscht mit gewaltigem Brausen heran und besiegt Dutzende Wadribie auf einmal. Doch es konnte nicht durch die Wand brechen. Hinter seiner Barrikade zückt Uranus einen weiteren Ball. „Kapilz, es ist Zeit.“, murmelt er. Zeit, dass Team Galaktik zurückschlägt. Mit der Rechten hebt er ein Mikrofon. „Officer Gemini.“ – „Zu BEFEHL!“, brüllt es ihm entgegen. „Kommen Sie bitte hoch, runter. Es gibt! Arbeit.“. Nachdem er die Worte ausgesprochen hat, legt Uranus wieder auf. Nach und nach verschwinden die Wadribie vor ihm. Die Mauer bröckelt. Er ist bereit für die nächste Runde.
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    Mehrere Stockwerke über ihm hört Gemini damit auf, die Galaktiker runter zu scheuchen, die ihrem Commander helfen sollen. Sie ist 22 Jahre alt, ihr Haar ist hellblond, seidig glatt und momentan fällt es ihr frei über die Schultern. Ihr Körper wird nicht von der typischen Galaktik-Uniform bedeckt, stattdessen trägt sie eine dunkelgrüne Lederjacke, die kurz über ihren Hüften endet. Sie findet, das passt am besten zu ihrer schwarzen Lederhose und den Stiefeln. Hastig streift sie sich noch einen Mantel über, prüft im Spiegel ihr Gesicht, ist wie immer zufrieden mit Mascara und dem roten Lippenstift, öffnet das Fenster des kleinen Raums, in dem sie sich befindet. Weit unter sich sieht sie ihren Commander, der hinter einer großen Wand aus irgendwelchen gelben Dingern steht, die sich als Wadribie herausstellen. Das Zimmer ist nur spärlich möbliert, einige Tische stehen herum, an der Rückwand befindet sich ein Blackboard mit einigen Notizzetteln darauf. Ohne lange zu überlegen, springt Gemini aus dem Fenster, streckt im Flug die Arme nach oben aus, um Stromlinienform zu erhalten. Unten kommt sie mit einem Fuß auf, rollt sich ab, steht auf und klopft sich ein bisschen Schnee vom Hintern. „Was steht an, COMMANDER!“, das letzte Wort brüllt sie ihm quasi ins Ohr, Uranus verzieht keine Miene. Er kennt sie mittlerweile. „Diese drei Damen da liegen! Stehen an, will ich sagen. Das kleine Mädchen neutralisiert jedes meiner Toxine, heilt jede Verletzung, die ich den Trainerinnen oder ihren Pokémon zufüge. Und unsere Rüpel dahinten scheinen ein wenig den Mut verloren zu haben.“ – „Gut. Krieg ich hin.“, selbstbewusst inspiziert Gemini ihre Gegnerinnen. Ein Mädchen mit weißer Jacke, Haarreif und Katzenschwanz, vermutlich eine Art ausgefallene Deko. Dazu die Polizistin, die Team Galaktik die ganze Zeit in die Suppe spuckt. Das wird ein Vergnügen, sie auszuschalten. Und ganz hinten eine kleine Göre mit pinkfarbenem Haar. Super. Kinderspiel. „So, ihr HUNDE! HÖRT ZU! Wir sind Team Galaktik. Kein verdammter Kindergarten! Ihr könnt alle kämpfen, das weiß ich! Jetzt steht da nicht so rum, und KÄMPFT, Hölle nochmal!“, brüllt die junge Frau. Nun hält sich Uranus doch ein Ohr zu. Das Stimmorgan von Gemini ist nicht normal, denkt er. „Briefing?“, fragt Gemini. Ihre Erscheinung erinnert zwar ein wenig an eine Barbiepuppe, aber sie ist professionell. Der Commander nickt. „Wie ich rief, sagte! Das Mädchen ist Joana Hall, die Heilerin aus Flori.“ – „Ah.“ – „Officer Rocky kämpft mit ihrem Arkani, es hat eine unglaubliche Ausdauer, sie setzt bevorzugt Feuersturm ein. Das Mädchen mit den Katzenohren da vorn, dahinten, ist etwas Besonderes. Sie kann ihren Schwanz vollständig kontrollieren, im Kampf ist das eine nicht ungefährliche Waffe! Sei vorsichtig.“ – „Haben Sie das Zeug schon genommen?“ – „Ja. Nein. Ich habe zwar einiges eingesteckt, aber das war noch nicht vonnöten! Glaube, ich.“ – „Gut. Sumpex, du bist dran.“, raunt Gemini. Nun steht es drei gegen zwei, plus die verängstigten Galaktiker, welche allerdings durch Geminis Worte neuen Mut schöpfen.
    Cat und Gemini sehen sich einige Momente abschätzig an. ‚Miau gefällt diese Frau nicht. Die sieht effizient aus.‘, denkt Cat. Sie wirft ihr Haar zurück und greift an. Im Lauf lässt sie sich auf alle Viere runter, spannt sämtliche Muskeln an und springt. Ihr Luxtra begleitet sie, die beiden rennen auf die Mauer zu, die sich immer weiter zersetzt. Arkani schleudert unermüdlich Feuerbälle gegen die Wadribiewand und beschädigt sie auf diese Weise zusätzlich. Luxtra bemerkt ein Loch, welches groß genug ist, um durch zu springen, und nutzt seine Chance: mit blitzenden Fangzähnen attackiert es Honweisel. Die Braunhaarige kommt nach ihrem Sprung auf beiden Beinen auf, schlägt nach Gemini. Doch die Galaktikerin fängt den Schlag ab, duckt sich, und rennt einfach an Cat vorbei. Ihr Sumpex wirft sich Luxtra in den Weg, der Donnerzahn prallt an seinem Bodentyp ab. „Rocky! Sie will zu Joana!“, schreit Cat, die Polizistin hechtet zur Seite und stellt sich Gemini in den Weg. „Geh mir aus der BAHN!“ – „Nie im Leben.“, mit einer Hand packt Rocky den Arm der Blonden, mit dem anderen will sie ihr einen Schlag in den Nacken verpassen. Doch Gemini duckt sich und schafft es, Rockys Hand abzuschütteln. „Sumpex, Aquawelle!“, brüllt sie über die Schulter, rennt weiter. Nur noch ein paar Schritte trennen sie von Joana. Das Mädchen wirkt irgendwie abwesend, es starrt in die Wolken, anstatt sich auf den Kampf zu konzentrieren. Gemini überlegt blitzschnell, woran das liegen kann. Auf einer Seite ist der Pony der Kleinen länger als auf der anderen. Träumt sie? Oder ist das eine Falle? Sie zögert einen Moment zu lang, die Polizistin wirft sich auf sie und reißt Gemini zu Boden. Hinter ihr brüllt Arkani laut, als es von der Aquawelle getroffen wird. „Dein Arkani ist schnell, aber nicht schnell GENUG!“, rasch rollt sich Gemini zur Seite, rappelt sich hoch. Rocky verzieht das Gesicht. „Ein bisschen leiser, bitte.“ – „Schmink dir das ab. SUMPEX! Erdbeben!“ – „Arkani, Solarstrahl!“, Joanas Heiteira setzt sich in Bewegung, es will Arkani heilen. Gemini ruft ihrem Sumpex hastig einen Befehl zu. „Halte das Heiteira auf! LOS!“ – „Honweisel, Blockbefehl.“, Uranus mischt sich wieder ein, die neue Wadribiewand blockiert Heiteiras Weg. Auf der einen Seite stehen nun Joana, Heiteira, Rocky und Gemini, auf der anderen Uranus, Honweisel, Kapilz, Luxtra, Sumpex, Cat und Arkani. Cat faucht frustriert. „Er hat eine defensive Technik benutzt, um uns zu stören. Nicht doof, der Typ. Luxtra, zerstöre die Wand!“ – „Nicht so hastig! SUMPEX!“, brüllt Gemini von der anderen Seite. Der Solarstrahl braucht einen Moment zum Aufladen, doch beide Pokémon, Arkani und Luxtra, sind anfällig gegen das Erdelement von Sumpex. Cat beißt sich auf die Unterlippe und greift in ihre Jackentasche. „Luxtra, zurück! Du hast miau gute Dienste geleistet.“, das Pokémon verschwindet in einem roten Lichtblitz.
    „Und jetzt du. Snobilikat, miau brauchen dich.“, ein weiteres Katzenpokémon erscheint auf dem Kampfplatz, Snobilikat sprintet sofort auf die Wand aus Wadribie zu. Arkani versucht, Sumpex mit dem Solarstrahl zu treffen, doch es rollt sich einfach ein paar Meter nach rechts und feuert die nächste Aquawelle ab. Arkani springt in die Luft, das Wasser rauscht unter ihm hinweg. Uranus zückt ein Notizheft. „Snobilikat. Das! Muss ich, sofort, nachtragen.“, murmelt er. Sein Kapilz stellt sich kampfbereit vor Honweisel, um es zu schützen. „Cat!“ – „Ja?“ – „Ich kann Arkani von hier aus weder sehen noch zurückrufen. Übernimm du bitte den Kampf! Arkani, hör auf das, was Cat sagt, okay?“, als Antwort bellt Arkani zweimal, Rocky widmet sich erneut dem Kampf gegen Gemini. Die Blonde ist scheinbar ebenfalls eine gute Nahkämpferin, ihre Geschwindigkeit ist sogar ein bisschen höher als die ihres Commanders, doch dafür ist sie nicht so stark, schätzt die Polizistin. ‚Ich muss schnell diese Mauer zerstören, sonst kann ich den Kampf vergessen.‘, denkt Rocky.
    Auf der anderen Seite der Mauer, näher an den Gebäuden und dem eingerissenen Zaun, kämpft Cat nun ein zwei-gegen-zwei-Match. Arkani und Snobilikat stehen Sumpex und Kapilz gegenüber, Honweisel verbraucht zu viel Kraft, um die Mauer aufrecht zu erhalten, und kann daher nicht aktiv angreifen. „Wenn Joana doch nur kämpfen könnte.“, murmelt Cat, und wirft einen Blick über die Schulter. Snobilikat hat auf die Schnelle nichts ausgerichtet, es war wichtiger, Uranus daran zu hindern, dieser Blonden zu helfen. Sie schlingt ihren Katzenschwanz um ihre Taille und streckt den Zeigefinger in Richtung Uranus aus. „Los, greift an! Arkani, Feuersturm, und Snobilikat, setz Samenbomben ein!“ – „Oh! Nein, ich meine, Ja! Sumpex, ich bin sicher, Gemini würde wollen, dass du. Nicht, doch, ausweichst! Kapilz, Power-Punch!“ – „Gemini? Ist das deine kleine Freundin?“ – „Nein, eine Über, Untergebene!“ – „Ah.“, ohne ein weiteres Wort läuft Cat los, leckt sich im Lauf über die Lippen und formt ihre Hände zu Klauen. Ihr Pokémon senkt den Kopf, aus dem roten Juwel an seiner Stirn schießen dutzende grüner Energiekugeln auf Sumpex zu, welches wiederum ausweichen will, doch von links rast Arkanis Feuersturm heran. Den Samenbomben kann Sumpex entkommen, doch das Feuer trifft sein Ziel. Im Anschluss springt Arkani ab, um sich in Kapilz‘ Flugbahn zu katapultieren. Snobilikat faucht erschrocken, es hat nicht bemerkt, wie sich das Pflanzenpokémon herangeschlichen hat. Mit einem Sprung will es die letzten Meter überbrücken, doch seine leuchtende Faust trifft statt dem Normaltyp das offene Maul von Rockys Partner. In seinem Rachen glimmt es. Einen Moment später kracht es laut, Kapilz wird in ein Meer aus Flammen gehüllt. Zischend verdampft der Schnee in großem Umkreis und lässt angesengtes Gras zurück. „Nein! Kapilz. So war es, nicht! Geplant. Zurück.“, Uranus ruft sein besiegtes Pokémon zurück und scheint nachzudenken. „Das ist, wenn ich so sagen kann, nicht gut. Die Daten, die ich habe! Sind alle korrekt. Dennoch verliere, ich. Dieser Kampf beinhaltet leider zu viele Faktoren, die ich nicht zer, berechnen kann, es ist besser, fürs Erste den Rückzug anzutreten, glaube ich.“, bevor er weiter nachdenken kann, hat Cat ihn erreicht. Ihre linke Faust fängt er mit seiner rechten ab, ihren Schwanz packt er mit der linken. „Derselbe Trick. Wie, ungehobelt, beleidigst du meine Intelligenz?“, fragt er. Cat fletscht die Zähne. „Lass los!“ – „Hättest du. Wohl, gern.“, Uranus greift nun seinerseits an, sein Knie landet in Cats Hüfte. Das Mädchen stößt einen Schrei aus, taumelt, doch fallen kann sie nicht. Ihr Rücken ist ungeschützt, der Bauch dem Erdboden zugewandt. „Lass los! Ich warne dich!“, faucht sie. „Ist dein Katzenschwanz eigentlich festgewachsen? Sowas. Habe ich noch nie gesehen.“, er verstummt, Cat biegt den Rücken durch, stützt die Hände auf den Boden und verpasst ihm zwei schnelle Tritte unter das Kinn. Vor Schreck lässt er sie los, die Braunhaarige rollt sich rückwärts von ihm weg, springt mit dem rechten Fuß voran auf ihn zu. Sie trifft seine Brust, er kann jedoch ihren Fuß festhalten und hustet. Der Kombinationsangriff von vorhin hat ihm schon Probleme bereitet, sein Sichtfeld verengt sich. Uranus‘ Atem geht schwerer. Cat ist eine ernstzunehmende Gegnerin.
    Wie ihre Trainer kämpfen auch Sumpex und Snobilikat noch gegeneinander, Stakkatos aus Samenbomben rauschen über das Feld und treffen sowohl die übrig gebliebenen Galaktiker, ihre Pokémon, und teilweise auch Sumpex. Das Wasserwesen hat eine ähnliche Ausdauer wie Arkani, doch Arkani traut sich nicht so recht heran, weil beide Typen Sumpex‘ ihm überlegen sind. Solarstrahl ist eine zu statische Attacke, es ist zu leicht, ihr zu entgehen. Darum hat sich Arkani darauf verlegt, Snobilikat Rückendeckung zu geben, und feuert ein ums andere Mal Feuerstürme auf die Mauer ab, welche Honweisel noch immer aufrechterhält. Langsam aber sicher zerfällt sie, doch es reicht noch nicht. Auf der Seeseite kämpfen Cat und Uranus, auf der Waldseite Gemini und Rocky, die beiden Frauen stecken gleichermaßen ein, wie sie austeilen. Rocky schafft es, ihrer Gegnerin die Beine unter dem Körper wegzufegen, doch als sie nachsetzen will, ist Gemini schon wieder aufgestanden, schlägt Rocky gegen die Schulter, danach ins Gesicht. Wie viele blaue Flecken sie schon hat, will die Polizistin gar nicht erst wissen. Ob der Kampf von Maria wohl gerade gut laufen mag? Yussuf ist ein äußerst fähiger Nahkämpfer, der extrem starke Techniken beherrscht, sowohl im Pokémon- als auch im Straßenkampf. Vom Phantom weiß sie nicht allzu viel, doch der Kerl kämpft auf keinen Fall fair. Rocky fragt sich, ob Lucia und Frida mit ihm zurechtkommen. In der Besprechung gestern hatten sie alle möglichen Szenarios durchgespielt, und entschieden, dass es am besten wäre, wenn Cat oder Maria gegen Yussuf kämpfen, und zum Glück hat die Braunhaarige diesen Gegner erwischt. Sie selbst, Rocky, Manon oder Lucia hätten kaum eine Chance gegen ihn. Manon ist zwar ebenfalls bestens vertraut mit allen möglichen Kampfkünsten, doch die unglaubliche Schnelligkeit Marias fehlt ihr. Das alles schießt ihr in der Sekunde durch den Kopf, die ihr Arm braucht, die Distanz zu Geminis Unterarm zu überbrücken, diesen aus seiner Bahn zu drängen, welche Geminis Faust unweigerlich in Rockys Magengrube getrieben hätte, und ihn zu überdehnen. Rocky erkennt ihre Chance. Den rechten Arm hält Gemini angewinkelt, doch durch die Hebelwirkung, welche die Polizistin ausübt, ist der linke weit abgespreizt. Rocky setzt nach, steht mit einem Schritt hinter der Blonden, stellt ein Bein in die Lücke zwischen Geminis Füßen und drückt den Arm unerbittlich weiter nach hinten. Es knackt laut, Geminis Gebrüll erfüllt den Kampfplatz, einen Moment später hängt ihr Arm schlaff an ihrer Schulter. Aus dem Augenwinkel sieht Rocky, wie Joana die Hände vor die Nase schlägt. „Tut mir leid.“, flüstert sie, und will Gemini Handschellen anlegen. „ARGH! Das tut scheiße WEH!“ – „Ruhe. Sie sind festgenommen.“, Rocky zuckt zurück, als Gemini tief Luft holt und sie anbrüllt. Dann schlägt sie die Hände an die Ohren. ‚Was für eine Stimme!‘, fährt es ihr durch den Kopf. Als es wieder still ist, packt Gemini ihren Arm, beißt die Zähne zusammen. Rocky hebt eine Hand. „Hey, Sie wollen doch nicht…“, doch zu spät; die Blonde drückt zu, vor Schmerz kommen ihr die Tränen. Sie renkt den Arm wieder ein, steht schwer atmend vor ihrer Kontrahentin. Schweiß läuft ihr in kleinen Perlen über das Gesicht, Rocky muss zugeben, dass Gemini wirklich gut aussieht, auch nachdem sie all diese kleineren und größeren Verletzungen eingesteckt hat. Diese wirft einen Blick zu Joana, das Mädchen kniet am Boden und kann scheinbar kaum noch atmen. „Das wird ein langer Kampf.“, seufzt Rocky.
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    Ein frischer Wind kommt auf. Wie lange kämpfen wir schon? Eine Stunde? Zwei? Ich kann es nicht sagen. Doch ich muss mich beeilen, Lee wartet auf mich, keine drei Kilometer von mir entfernt. Ohne Jacke kann ich wesentlich besser kämpfen. Ich atme aus und stoße mich mit aller Kraft ab, fliege förmlich über den Schnee. Yussuf sieht mich kommen, duckt sich seitlich weg, mein Bein trifft ihn nicht richtig. Leider habe ich zu viel Schwung, stemme die Füße in den Schnee, sobald es geht, und hinterlasse eine eisige Kaskade, die aufbrandet, als ich durch das Weiß pflüge. Keine Zeit, Lucia oder Frida zu helfen. Die kommen sicher ohne mich klar. Yussuf verschwindet, taucht einen Moment später schräg hinter mir auf. So schnell ich kann, springe ich ab, überschlage mich in der Luft, lande hinter ihm. Für Außenstehende sind unsere Bewegungen kaum mehr zu sehen, so schnell greifen wir uns gegenseitig an und weichen aus. In der Luft holt er mich ein, seine beiden Tritte, die 5 Schläge und den Dropkick kann ich abwehren, bevor der Erdboden zu nahe kommt und wir uns auf die Landung konzentrieren. Ein paar Mal hat er mich schon getroffen, durch einige Attacken seines Starmie bin ich auch in Mitleidenschaft gezogen worden. Taubheit breitet sich in meinem linken Arm aus, Yussuf setzt seine unheimliche Technik beinahe perfekt gegen mich ein. Aber noch kann ich weitermachen. Er blutet aus einem Schnitt an der Oberlippe, die ich ihm mit einer meiner Eisklingen zufügen konnte. An seinem rechten Bein befindet sich eine weitere Wunde, mein Wasser hat ihn auch dort erwischt. Meine Kleidung sieht ähnlich mitgenommen aus, den Rollkragenpullover musste ich ausziehen, weil er sonst vollständig demoliert worden wäre. Mehrmals bin ich hart auf den Boden geschlagen, und immer hat der Brust- Bauchbereich des Pullis, den mir Lucias Mum geliehen hat, gelitten. Nun stehe ich im T-Shirt vor meinem Gegner. Die Jeans ist an mehreren Stellen eingerissen. Damit komme ich klar. Kälte macht mir nichts. Ich balle die Fäuste, strecke denn den linken Arm nach vorn aus und senke ihn ein wenig. Die rechte Hand drehe ich mit der Hand nach vorn, stelle mich leicht schräg versetzt zu Yussuf. „Lucia?“ – „Ja? Argh!“, ich höre, wie die Blauhaarige eine Rückwärtsrolle vollführt. „Ich brauche unseren kleinen Stein. Es wird Zeit, ernst zu machen.“ – „Gut. Wir schaffen das!“, ich fange den weißen Stein, den Lucia mir zuwirft, Leichtigkeit breitet sich in meinem Körper aus. Ich verziehe die Lippen zu einem gefährlichen Lächeln. Es ist, als würde Luft durch meine Adern strömen. „So. Mal schauen, wer jetzt die Schnellere ist.“ – „Es kann nur einen geben.“ – „Oder einE.“ – „Nein. Yussuf!“.


    hoffentlich hat das lesen spaß gemacht, ich würde mich echt mal über ein paar kommis freuen :) bis nächste woche dann,
    mfg
    DoD

  • Kapitel 36
    Feuer und Flamme


    8.7.2009


    Wir rennen beide los. Die Erinnerung an eine alte Freundin, die mich ihre spezielle Art der Kampfkunst gelehrt hat, rast durch meinen Geist. Ich verdränge sie. Konzentrier dich, Maria, sage ich mir. Im Lauf nehme ich beide Hände zurück und bereite mich auf den Sprung vor. Zeit für den Spezialangriff, den ich mit Lucia geübt habe. Kurz bevor wir uns treffen, springe ich hoch in die Luft, breite die Arme aus, und beschreibe je einen Halbkreis. Yussuf rennt unter mir hinweg und bleibt dann hastig stehen, er wirbelt herum und sucht mich, sein Kopf ruckt hoch. Mein Körper wiegt beinahe nichts mehr, ich fühle, wie ich vom Wind erfasst werde. Ich muss handeln. Meine Kräfte suchen den Kontakt zum Wasser in der Umgebung. Eine riesige Wassersphäre löst sich aus dem Schnee am Boden, formt sich zu hunderten Fäden, die sich wie ein Netz um meinen Körper legen und sich dann zu einer Kugel formen, welche im Radius von 10 Metern um meine Achse rotiert. Nichts kommt hinein, nichts kommt hinaus. Glitzernd bricht sich das einfallende Sonnenlicht in den Wasserfäden. Yussuf reißt die Augen auf. Das Netz kommt ihm immer näher, je weiter die Kugel wächst. Als der Tiefpunkt der Kugel den Boden trifft, verdampft der Schnee, Nebel schießt vom Auftreffpunkt in alle Richtungen. Die Erde wird aufgerissen. „Was ist das!?“, entfährt es Yussuf. Er reißt die Arme hoch um sich zu verteidigen. ‚Kaiten mizu kyou!‘, ich konzentriere mich dabei völlig auf die Kugelform. Wenn ich den Namen der Technik in Gedanken wiederhole, ist es leichter, sich nur auf ebendiese zu fixieren und die Konzentration aufrechtzuerhalten. Die Rotation entsteht, weil immer neue Fäden an den Platz von jeweils anderen drängen. Eine unfassbar starke Attacke, es besteht kaum eine Möglichkeit zur Flucht. Das Wassergefängnis kann ich nur mithilfe des Leichtsteins ausführen, weil ich nicht anders so lange in der Luft bleiben kann. Kaiten mizu kyou ist ein Name, den ich aus dem Japanischen habe, es bedeutet so viel wie „rotierender Wasserkäfig“. Während ich in der Luft ‚schwebe‘ und durch die Kraft der Rotation selbst langsam in Yussufs Richtung gedreht werde, blicke ich mich aufmerksam um. Lucia sieht, was ich vorhabe, und ist gerade dabei, so schnell sie kann, nach Osten zu laufen, wo in der Ferne Rocky und Cat kämpfen. Ich sehe die beiden zwar nur undeutlich, wegen des Schneefalls und des Nebels, der vom See kommt, aber immerhin. Yussuf rennt ebenfalls weg, die Kraft des Wassers fordert er lieber nicht heraus. Die äußeren Schichten des Käfigs gefrieren, als meine Kräfte sie treffen, und bilden Milliarden rasiermesserscharfer Klingen, die alles zerstören würden, was ihnen in den Weg kommt. Rocky hat mir zwar gesagt, es ist besser, einen aus Team Galaktiks Führungsetage gefangen zu nehmen und ihn zu verhören, aber Yussuf ist nicht der Typ, der sich gefangen nehmen lassen wird. Das Phantom kriegt nicht schnell genug mit, was passiert, erst, als er bemerkt, wieso Lucia wegläuft, wird ihm klar, dass es zu spät ist. Mit einem splitternden Geräusch reißt der Käfig tiefe Narben ins Gestein, die Wand aus Wasser rast immer schneller auf das Phantom zu. Entweder er handelt, oder er stirbt.
    Doch bevor ich seinen Körper mit meiner Technik zerstöre, lasse ich das Wasser los, der Käfig zerstäubt, Wassertropfen fliegen durch die Luft. Ein riesiger Krater bleibt im felsigen Boden des Stärkeufers zurück. Ich lande leichtfüßig mitten im Zentrum. Dann wende ich mich zu Frida um, deren linker Fuß genau am Rand des Kraters steht. Sie stolpert und bricht zusammen. „Beim nächsten Mal läufst du schneller.“, es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Nur ihretwegen habe ich die Attacke abgebrochen. Sie ist ebenfalls losgerannt, als sie merkte, was ich entfessele, aber wie auch das Phantom reagierte sie zu langsam. Wütend krabbelt sie einige Schritte weit weg, versucht, möglichst würdevoll aufzustehen und sieht auf mich hinab. „Wolltest du mich umbringen? Sag besser vorher Bescheid, wenn du sowas machst!“. Ich seufze nur. Es hat keinen Sinn, sich zu streiten. Noch einmal würde ich diese Technik nicht gegen Yussuf und das Phantom einsetzen, das weiß ich jetzt schon. Beide haben gesehen, dass sie nur weiter zu laufen brauchen als Frida oder Lucia, dann wären sie in Sicherheit. Was die Koordinatorin angeht mache ich mir keine Sorgen, ihre Muskeln sind weitaus stärker als sonst, doch Frida ist Arenaleiterin und keine Straßenkämpferin. Sie ist zwar schlank, fast dünn, und gut gebaut, aber sportlich ist sie nicht. Phantom und Yussuf hätten kein Problem damit, weiter vom Kaiten mizu kyou wegzukommen als die Eistrainerin. Meine Gedanken rasen. Es wäre ein Leichtes, Yussuf mithilfe meiner Kräfte zu besiegen, aber ich wollte nicht ein zweites Mal dieselben Gefühle leiden wie damals, als ich Cécile umbrachte. Also muss ich mir was Neues ausdenken. Ich würde ihn im Nahkampf bekämpfen, mithilfe des Leichtsteins. Trifft er mich, würde ich nicht so viel spüren, weil mein Körper viel leichter ist als sonst und somit leichter nachgibt. Und meine Sprünge sind momentan sehr viel stärker als sonst. Außerdem kann ich besser ausweichen, und das ist bei diesem Typen wichtig. Wenn er mich an den richtigen Stellen trifft, dann wars das für mich. Er kann mein Nervensystem angreifen, dagegen helfen auch meine Kräfte nicht. Ich muss schlucken, als ein eiskalter Schauer meinen Rücken runter läuft. Kann er vielleicht sogar meinen Körper derart beschädigen, dass ich nicht mehr in der Lage bin, das Wasser zu manipulieren? Möglich wäre es. Und ich bin nicht sehr scharf drauf, das auszuprobieren.
    Irgendwas stört mich an dieser Situation. Am Kampf. Daran, was hier los ist. Wieso kämpfen die gegen uns? Denken sie echt, sie könnten gegen meine Kraft gewinnen? Gegen Rocky, Manon, Hagane, all diese Trainerinnen, die hier versammelt sind? Bauen sie auf ihren Zahlvorteil? Leider kann ich nicht genau sagen, was mich stört, es ist wie ein Kribbeln im Bauch, das ich nicht loswerde. Ich steige langsam aus dem Krater, weiß dabei genau, dass ich auf Yussuf und das Phantom eine starke Wirkung haben muss, es sind immer noch Männer. Ohne mich selbst loben zu wollen, mein Aussehen hat nicht jede. Die beiden scheinen ihren Schock noch zu verdauen. Es kommt nicht oft vor, dass man beinahe von Eis- und Wasserklingen getötet wird. Mit einer lässigen Bewegung streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Yussuf lässt sich auf ein Knie nieder und atmet schwer. Seine dauernden Sprints müssen anstrengend sein. Mehrere der Galaktiker, gegen die Frida gekämpft hat, haben es nicht rechtzeitig außer Reichweite des Käfigs geschafft. Sie belasten mich erstaunlicherweise nicht, ich hatte sie nicht direkt angegriffen, sie waren einfach zu langsam gewesen. Aber die kleine Stimme in meinem Hinterkopf, die mir zuflüstert, dass ich wieder 5 Menschen getötet habe, kann ich trotzdem nicht ausblenden. Obwohl es meine Gegner sind. Frida, Lucia und ich machen uns bereit für die nächste Runde des Kampfes. „Yussuf, es ist Zeit.“, sagt das Phantom. Irritiert drehe ich mich um, am anderen Ende des großen Kraters sitzt der Offizier des Phantoms und legt nun auch sein T-Shirt ab. Er wirft es einfach achtlos auf die Erde, ein muskulöser Oberkörper kommt zum Vorschein. Dann halte ich inne. Als das Shirt die Erde trifft, kracht es laut, eine Staubwolke erhebt sich vor meinem Gegner. „Wie schwer war das Ding?!“, entfährt es mir. Eigentlich kann das nicht sein. Ein T-Shirt sollte leicht zu Boden flattern und sanft aufkommen, nicht in die Erde krachen wie ein Sack Steine. Es würde heißen, dass Yussuf noch schneller werden kann, als er eben schon war. Ich nehme meine Kampfhaltung ein. Der Leichtstein macht auch mich schneller. Ich schaffe das.
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    Herzhofen
    Lilith und Pay laufen durch Herzhofens Straßen. Eigentlich wollte Sophie ihnen gerade den neuen Plan erklären, doch der Feuertrainer hatte Hunger bekommen und war auf der Suche nach einem Bäcker einfach aus dem Pokémoncenter gerannt. Den Bäcker hatte er schnell gefunden, doch die 10 Galaktiker, die sich dort mit frischen Brötchen niedergelassen hatten, ebenfalls. Für einige Momente war in der Bäckerei Totenstille, die Galaktiker starrten den Rothaarigen an, dann zog Lilith ihn rückwärts zur Tür raus und lief los. Nun haben die beiden 4 Blocks hinter sich gebracht, von ihren Verfolgern ist nichts mehr zu sehen. „Du kannst nicht einfach durch die Straßen laufen, als wäre nichts. Team Galaktik ist überall.“, zischt Lilith, als sie um eine Hausecke späht. Pay hält sich den Bauch. „Sag das meinem Magen! Wieso machen wir die nich einfach platt und essen was?“ – „Weil wir nicht wissen, wo sie genau sind. In wenigen Sekunden könnte eine ganze Horde von denen anrücken.“ – „Umso bes…“ – „Nein, eben nicht. Wir sind stark, ja, aber die haben mindestens einen Commander und ihre Officer hier, und von denen wissen wir so gut wie nichts.“ – „Diese Jupiter? Die ham wir schonma erledigt.“ – „Ja, aber nur, weil sie nicht vorbereitet war. Jetzt sind sie alle vorbereitet und haben nahezu unbegrenzt Verstärkung.“ – „Feiglinge.“ – „Stimmt.“, pflichtet sie ihm bei, dann geht sie vorsichtig weiter. Eine Mutter mit Kind kommt an ihnen vorbei. Sie sieht nervös aus. Die Bewohner Herzhofens haben mit Angst reagiert, nachdem Saturn in den Medien verbreitet hatte, die Stadt gehöre Team Galaktik. Viele trauen sich nicht mehr auf die Straßen, schicken ihre Verwandten zum Einkaufen und vermeiden Aktivitäten in der Stadt. Wettbewerbe sind fürs Erste vom Komitee ausgesetzt worden. Genau wie vor einigen Tagen in Ewigenau fangen auch in Herzhofen die Entführungen an. Trainer und ihre Pokémon verschwinden ohne jede Spur. Nur die kleine Gruppe um Pay und Sophie weiß, was vor sich geht. „Wir sollten in deren Quartier rein spazieren und sie alle plattmachn.“ – „Die Zeit wird kommen, mein Liebster.“, haucht Lilith. Für einen Moment blitzt wieder ihr altes Ich auf, gefährlich, schreckenerregend. Doch dann hat sie sich wieder unter Kontrolle. „Tut mir leid.“ – „Werd bloß nich normal, sowas find ich langweilig.“ – „Ich gebe mein Bestes.“, verspricht sie leise. Pay lacht kurz. „Aber wenn die dich angreifen, tick nich gleich aus, wir brauchen deine Kampkraft.“ – „Zu Befehl, mein Gebieter.“ – „Gut. Was machen wir zuerst?“ – „Wir suchen uns einen Bäcker ohne Galaktikerbesuch.“ – „Klingt gut. Ich riech da schon was. Komm!“, der Rothaarige führt Lilith in eine weitere Querstraße. Ein junger Mann in T-Shirt und Shorts überholt sie, er trägt Einkaufstüten in den Armen. Neben einem Elektronikgeschäft bleibt Lilith stehen. „Merkwürdig. Alle Geschäfte laufen noch, obwohl die Stadt im Notstand ist.“ – „Naja, denke die brauchen halt ihre Kohle irgendwoher.“ – „Stimmt.“, die Schwarzhaarige verstummt. Ihre Augen suchen wachsam die Umgebung ab. „Stimmt was nich?“, fragt Pay. Lilith sieht auf ihre nackten Füße, wie immer trägt sie keine Schuhe. „Ich weiß nicht. Ist es komisch, wenn ich sage, ein Mann aus Stein nähert sich?“ – „Geht so.“.
    Der Feuertrainer sieht sich um. „Wo denn?“ – „Hier.“, die Stimme, die erklingt, erinnert an Felsbrocken, die von einem Hang herabrollen. Pay hebt die Fäuste. Lilith greift nach ihrer Handtasche. Beide machen sich bereit. Diesen Typen kennen sie, es ist derselbe, der Officer Apis aus dem Krankenhaus geholt hat. Sein weiter Mantel verdeckt den Großteil des Körpers, ein schwarzer Hut sitzt auf seinem Kopf. „Wer bist du?“, will Lilith mit drohendem Unterton in der Stimme wissen. Statt einer Antwort reißt der Typ den Arm hoch und schlägt mit voller Kraft auf den Bürgersteig, mit einem lauten Krachen entsteht ein Riss, der auf Lilith zurast. Schreiend läuft der Passant von eben weg, auf der anderen Straßenseite drücken sich zwei kleine Mädchen in den Schatten eines Hauseingangs. Lilith will ausweichen, ist ein bisschen zu langsam, ihr linker Fuß knickt in der Spalte ein. Sie springt rückwärts und beißt die Zähne zusammen. „Ahh…“, stöhnt sie. Pay wirbelt herum. „Alles klar?“ – „Ich hab mir den Knöchel verstaucht.“ – „Dann geh! Lauf zu Sophie, ich halte diesen Typen auf. Die Polizei muss wissen, dass der Kerl hier ist.“ – „Nein. Ich lasse dich nicht allein.“ – „Ich habe nichts dagegen, wenn ihr hier rumturtelt.“, grollt der Galaktiker. Dann erhebt er sich aus seiner knienden Position. „Aber ignoriert mich besser nicht.“ – „Lilith! Mach hinne!“ – „Nein! Das kann ich nicht!“ – „Verdammt. Stimmt ja.“, dem Feuertrainer fällt Liliths Labilität wieder ein. Entfernt sie sich zu weit von ihm, verliert sie die Kontrolle. „Dann versteck dich in der Nähe. Los, Ramoth!“, der Feuerfalter erscheint brummend neben Pay, im selben Moment sprintet sein Trainer los. „Du kannst mich Argo nennen.“ – „Und du kannst mich Pay nennen, oder besser: Herrscher des Feuers! HIKEN!“, das letzte Wort brüllt er seinem Gegner ins Gesicht, Ramoths Feuerreigen trifft zeitgleich mit Pays Faust. Flammen lodern empor. Argo taumelt einige Schritte zurück, doch die Attacke scheint ihm nichts ausgemacht zu haben. „Denkst du, ich würde mich dir ohne feuerfesten Mantel nähern?“, grollt er dann. Pay springt einige Meter zurück und starrt Argo an. „Feuerfest? Werden wir sehn.“ – „Turtok, ich brauche deine Hilfe.“, schwerfällig zückt der Mann einen Pokéball, kurze Zeit später steht ein großes Turtok vor Pays Ramoth. Eine junge Frau biegt hinter Argo um die Ecke, sieht, dass gekämpft wird, und macht hastig kehrt. „Mal schauen. Der Kerl sieht stark aus, aber nicht besonders schnell. Ich bin auch stark, das weiß ich. Aber ich bin mit Sicherheit schneller als dieses Bollwerk da. Der Mantel schützt ihn. Das heißt, wenn ich den Mantel gegen ihn benutze…ach, scheiß drauf, ich baller den einfach um.“ – „Nichts überhasten!“, rät ihm Lilith. Das Mädchen hat sich auf eine Bank in sicherer Entfernung gesetzt, massiert ihren Knöchel und sieht zu. Pay grinst. „Ramoth, Falterreigen.“, während sein Pokémon den Befehl ausführt und zugleich seine Kraft, Geschwindigkeit und Widerstandsfähigkeit durch einen komplexen Tanz steigert, den nur wenige Käfertypen draufhaben, läuft Pay auf Argo zu. Kurz vor ihm springt er ab, reißt die rechte Faust zurück, legt seine gesamte Kraft in die Attacke. Funken von Ramoths Flügeln springen auf Pays rotes Hemd über, setzen es in Brand und scheinen den Rothaarigen noch mehr anzutreiben. Das Feuer verschlingt den Trainer nicht, es hüllt ihn ein. Am höchsten Punkt seines Sprungs brüllt Pay laut. Seine Faust trifft die beiden Unterarme Argos, die er zur Verteidigung hochgerissen hat. Erneut erschüttert ein Krachen die Straße. Eins der beiden Mädchen von der anderen Straßenseite rennt weg. Argo wird durch die brutale Kraft einen halben Meter in die Straße gerammt, Stein splittert unter seinen Stiefeln.
    Nach dem Angriff sieht er unter seinem Hut hervor. Pay kann aufgrund des hohen Stehkragens das Gesicht seines Widersachers kaum erkennen. „Du bist stark, Kleiner.“, ächzt er dann. Der Feuertrainer zieht sich erneut zurück. ‚Maria würde erst auf niederem Niveau kämpfen, um die Schwachstellen ihres Gegners auszukundschaften.‘, fährt es Pay durch den Kopf. Aber sein Stil ist anders. Immer wieder angreifen, so stark es geht, und darauf bauen, dass der Gegner zermalmt wird. Und Argo hält Pays Schläge nicht lange aus, schätzt der Rothaarige. Ramoth weicht einer Hydropumpe aus, die Turtok aus den beiden Hochdruckstrahlern in seinem Panzer abfeuert. „Knapp! Aber nicht gut genug gezielt!“, lacht Pay. Argo hebt den Finger. „Doch.“ – „Wa…Lilith!“, erschrocken dreht Pay sich um, der Wasserstrahl rast auf das Mädchen im grünen Kleid zu. Bevor Pay etwas tun kann, wird sie getroffen, doch sie schreit nicht. Das Wasser spritzt meterhoch in die Luft, dann wird aus dem dicken Strahl ein kleines Rinnsal. Die Straße wird nass. Als die Fontäne sich verzieht, sitzt Lilith ruhig auf ihrer Bank, die rechte Hand hat sie in Richtung Argo erhoben. ‚Sie muss die Kraft aus dem Wasser gezogen haben, bevor es sie traf.‘, Pay grinst noch breiter. „Du hast keine Chance, Alter!“. Liliths Fähigkeit, allem und jedem, was sie berührt, die Kraft zu rauben, macht sie ziemlich gefährlich, denkt Pay. Für ihre Gegner. Er selbst ist einer der wenigen, die gegen sie dennoch gewinnen können, weil er schlicht und ergreifend viel zu viel Kraft hat. Sie kann Pay so viel davon nehmen, wie sie will, es sind genug Reserven da. Sie hatten allerdings erst einmal gegeneinander gekämpft, seitdem nie wieder. Pay kommt eine Idee. ‚Wenn ich sie an diesen Typen da nah genug ran bringe, macht sie ihn fertig. Aber sie kann ihren Fuß nicht bewegen. Wäre doch bloß diese kleine Heilerin hier! Verdammt, ich muss mir was ausdenkn.‘. Er befiehlt Ramoth einen weiteren Falterreigen, stürmt dann los. Immer weiter angreifen, das ist sein Stil. Ein linker Haken, ein rechter, dann mit beiden Fäusten gleichzeitig versuchen, Argo am Kopf zu erwischen. Doch dieser Schrank von einem Mann steckt alles weg oder wehrt es ab, immer sind seine Unterarme im Weg, die aus Stahlbeton zu bestehen scheinen. ‚Es ist, als würde ich auf Stahl einschlagen wollen. Was zum Henker ist mit diesem Typen los?‘. Argo lacht leise. „Begreifst du es nicht? Du hast nicht den Hauch einer Chance. Turtok, Schädelwumme.“, der Officer hat sich auf physische Attacken verlegt, da Ramoth seine spezielle Verteidigung immer weiter steigert, je länger sein Falterreigen andauert. Nach einem wahren Schlaghagel, der keinerlei Erfolg hatte, stellt sich Pay wieder neben das Elektrogeschäft. Im Inneren sind die Mitarbeiter zu sehen, sie beobachten die Kontrahenten durch die großen Glasfenster. In anderen Geschäften sieht man dasselbe; überall Publikum. Der Verkehr ist zum erliegen gekommen; in den Autos, die an der Ampel 20 Meter weiter stehen geblieben sind sitzen verängstigt aussehende Männer und Frauen. Sie fürchten, in den Kampf hereingezogen und damit der zerstörerischen Kraft preisgegeben zu werden, die Pay entfesselt. Die Glut auf Ramoths Flügeln erhellt die Straßenschlucht.
    „Ich würd ja gern 100% geben, aber ich hab wenig Lust, Herzhofen plattzumachen.“, meint Pay. „Wie großzügig von dir, dass du dich um unsere Stadt sorgst.“, poltert sein Gegner. „Eure Stadt? Witzig, ich werf euch hier nämlich mit dem Kopp voran raus!“ – „Versuchs doch.“ – „Wie du willst. Spätestens, wenn Maria hier auftaucht, ist für euch Schluss mit lustig.“, der Rothaarige setzt sich auf den Bürgersteig und krempelt die Ärmel seines Hemds hoch. Als er seine Oberarme zur Gänze entblößt, bleibt Argo die Luft weg. Dicke Stahlklammern umschließen die Arme des Feuertrainers. Pay zückt einen kleinen, kompakt aussehenden Schlüssel und schließt die Klammer am rechten Arm auf. Sein Armumfang wächst um bestimmt 7 Zentimeter, als er die Muskeln ein wenig anspannt. „Oh, yeah, jetzt wird’s ernst.“ – „Du schaffst das, mein Liebling.“, flüstert ihm Lilith zu. Pay reckt einen Daumen in die Luft und dreht sich halb um. „Und danach muss Sophie dir helfen, denk dran!“ – „Wie du wünschst.“ – „Aber erst…“, ansatzlos springt er hoch, die Klammer fällt scheppernd auf den Asphalt. Den rechten Arm nimmt Pay zurück, bevor er mit Argo zusammenprallt. Als er die Faust nach vorn reißt und sie auf den Unterarm krachen lässt, den Argo hochnimmt, um sich zu verteidigen, erfüllt ein ekelerregendes Knacken die Luft. Argo, drittstärkster Officer Team Galaktiks und ein Schrank von einem Mann, fliegt durch die Luft, als wäre er nicht schwerer als eine Stoffpuppe. „Mach ich dich platt, Alter!“, beendet er seinen Satz. Der Galaktiker schlägt einige Meter weiter auf, rutscht auf dem Rücken 5 Meter weiter, bleibt liegen, atmet schwer. Dann rappelt er sich hoch. „Du hast Glück, dass ich mich zurückhalte! Yeah!“, tönt Pay. „Niemand hat dich darum gebeten.“ – „Aber ich sagte doch schon, ich will nich die Stadt kaputtmachn. Also bist nur du fällig, Freundchen.“ – „Turtok, setz Knirscher ein.“ – „Ramoth, ausweichen! Ha! Zu lahm.“, mit diesen Worten setzt Pay nach, greift immer und immer wieder mit heftigen Faustschlägen an. ‚Genau wie ich dachte. Wenn ich einfach nur raufhaue, kann er nichts weiter tun als abzuwehren. Und keine Panzerung der Welt hält mich aus! Erst recht nicht, wenn Lilith dabei is. Hähä, das würd ich aber Maria gegenüber nie zugeben, sonst säuselt die mich noch mit irgendwelchem „Die Liebe gibt dir Kraft“-Schwachsinn voll. Von Lee ganz zu schweigen.‘. Pay versinkt kurz in Gedanken, reißt sich dann wieder zusammen. Seine Faust steckt zwischen den Unterarmen von Argo fest, der Officer hat abgewartet, bis einer der Schläge unachtsam kam, um ihn dann abzufangen. „Ey!“ – „Du solltest besser aufpassen.“, knurrt Argo. Mit einem Ruck breitet er die Arme aus, Pay wird zurückgeschleudert und prallt mit dem Rücken voran in die Schaufenster des Elektronikgeschäfts. Das Glas geht mit lautem Bersten zu Bruch, Pay findet sich zwischen einigen Kameras und zwei aufgeschreckten Mitarbeiterinnen wieder. Eine der beiden schlägt die Hände vor den Mund. „Oh Gott! Ist er tot?“ – „Ich glaube nicht.“, mit zitternder Hand streicht sich die andere eine Strähne ihres schwarzen Haars hinter ihr Ohr. „Wie geht es dir? Alles okay?“, will sie dann von Pay wissen. Grummelnd rappelt sich der Trainer hoch. „Klar doch. So leicht geht mir nich die Puste aus.“
    Er starrt zu Argo herüber, welcher mit knirschenden Stiefeln durch die Glassplitter stapft und einen großen Schritt durch die zerbrochene Scheibe machen will, doch bevor er den Laden betritt, wirft sich Pay auf ihn. Der Kampf geht weiter. „Was ist nur mit diesem Kerl los?“, flüstert die Angestellte, die Pay eben nach seinem Wohlbefinden gefragt hat. Ihre Kollegin kann den Rothaarigen nur bewundern anstarren. „Weiß ich nicht. Aber es ist mir egal. Sieh mal, er beschützt das Mädchen dahinten. Wie romantisch!“ – „Ich wünschte, sowas würde auch für mich mal jemand tun.“, stimmt die Erste zu. „Hach!“, seufzt die Zweite, merkt dann, dass sie in der gegebenen Situation vielleicht ein wenig angespannter sein sollte. Aber sie kann nicht umhin, sich sicher zu fühlen, irgendwie spürt sie, dass der Typ mit den Feuerfäusten viel stärker ist als sein Gegner. Sie lächelt kurz. „Lass uns die Auslagen fotografieren, für die Versicherung.“ – „Was geben wir an? Ein muskulöser Kämpfer wurde durch unsere Scheibe geschossen?“, die Braunhaarige überlegt kurz. „Naja…Vandalismus.“ – „Gut. Ich hol meine Kamera.“ – „Beeil dich!“ – „Wo hab ich die nur hingelegt…“ – „Steph, du bist so verplant manchmal.“. Statt einer Antwort streckt Steph ihrer Kollegin die Zunge raus und verschwindet im hinteren Teil des Ladens. „Diese Frau bringt mich noch um den Verstand.“.
    Lilith schließt die Augen und erträgt den Schmerz. Sie hat schon Schlimmeres miterlebt, soviel steht fest. Aber in der Verfassung, zu kämpfen, ist sie leider gerade nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen tastet sie nach ihren Pokébällen. Wenn sie Pay schon nicht im Nahkampf zur Seite stehen kann, will sie zumindest helfen, das Turtok zu besiegen, welches aufgrund des Wassertyps einen Vorteil gegenüber Ramoth hat. Allerdings trainiert sie selbst ebenfalls größtenteils Feuerpokémon, das heißt, auch sie ist nicht die erste Wahl, wenn es darum geht, gegen Wasser zu bestehen. Ihr erster Partner fällt ihr ein. „Los, Machomei!“, ruft sie. ‚Wenn ich grobe Kraft mit noch größerer Kraft bekämpfe, gewinne ich sicher. Mein Machomei ist so stark wie niemand sonst.‘, denkt sie. Das Kampfpokémon schlägt die beiden Faustpaare zusammen und sieht sich um. Sein Blick fällt auf Turtok. „Los, Machomei! Wuchtschlag.“, befiehlt die Schwarzhaarige. Lilith schlägt die Beine übereinander und sieht genüsslich zu. Argo hat seinen neuen Gegner bemerkt. „Ist das nicht unfair? Einer gegen zwei?“ – „Du hast angefangn!“, meint Pay. „Eigentlich wollte ich zum Bäcker.“ – „Da wärst du uns doch auch begegnet!“ – „Turtok, Eisenabwehr.“, er verlegt sich auf eine defensive Strategie. Pay landet zwei weitere Treffer gegen die stählernen Unterarme Argos. Beide scheinen nicht zu ermüden. Doch der Feuertrainer weiß, was für eine gigantische Ausdauer er durch sein Training hat. Nicht einmal Lee kann so lange durchhalten wie er. Gut, wie das mit Maria ist, weiß er nicht, gegen sie hat er noch nie gekämpft. ‚Und darauf bin ich eigntlich auch nich sonderlich scharf.‘, überlegt er. Einem Tritt von Argo entgeht er nur knapp. ‚Wenn ich nur wüsste, wieso der so starke Unterarme hat. Irgendwie sind die immer im Weg, wenn ich dem eine verpassen will. Heißt das, der Rest seines Körper ist schwächer? Aber wie komm ich dann da ran? Der verteidigt sich irre gut.‘, im Kopf des Feuertrainers sind heute ungewöhnlich viele Gedankengänge entstanden, eigentlich gefällt ihm seine „Einfach drauf“ - Taktik ziemlich gut. Aber bei diesem Typen, Argo, scheint das nicht zu klappen. Einige harte Treffer konnte Pay zwar landen, mehr jedoch nicht. „Ich bin der stärkste Nahkämpfer Team Galaktiks. Darum kann ich mich nicht von einem zweitklassigen Trainer kleinkriegen lassen. Ich muss Saturn beweisen, dass ich würdig bin.“, auf die Worte Argos hin nimmt der Rothaarige seine Kampfhaltung ein. „Du hast echt ne große Klappe, was? Du sprichst von deiner Stärke und deinem Team Galaktik und euren großen Plänen und deiner Loyalität, aber im Angesicht Pays versinkt das alles in Bedeutungslosigkeit! Dich mach ich platt!“, während er Argo angreift, fällt ihm ein, dass er noch gar nicht weiß, was Lilith vom Bäcker eigentlich haben möchte, zu dem sie gehen, nachdem er hier gewonnen hat. „Ey, Lilith!“ – „Ja?“ – „Was willste eigentlich gleich essn?“ – „Ach, ein Brötchen.“ – „Mehr nich?“ – „Nein.“, Pay wehrt einen Schlag Argos mit der Hand ab, nur um danach seinerseits eine Attacke auszuführen. „Mädchen sind komisch. Ihr esst so wenig.“ – „Wir achten eben gern auf die schlanke Linie.“ – „Pff. Wer braucht denn sowas, ich mein, ich ess und ess, und siehst du mich etwa zunehmen?“ – „Dein Stoffwechsel macht mich neidisch.“ – „Maria isst auch mega viel, hab ich mal so mitgekriegt, und die ist dünn wie ne Bohnenstange!“, Lilith seufzt. „Sie macht auch viel Sport, da muss sie umso mehr essen.“ – „IGNORIERT MICH NICHT!“, brüllt Argo, als ihm die Unterhaltung zu viel wird. Wie eine Planierraupe stampft er auf Pay zu. Dieser kneift die Augen halb zusammen. „Da.“, murmelt er, als ihm eine kleine Lücke in der Verteidigung Argos auffällt. Er hat die Unterarme vor seinem Oberkörper, aber zwischen den beiden ist zu viel Platz. Pay springt vor und rammt die Faust genau zwischen den beiden Armen hindurch. ‚Auch Stahl?‘, ihm bleibt nicht viel Zeit, um erstaunt zu sein, denn auch, wenn Argo sogar an der Brust gepanzert ist, schleudert ihn der Schlag in eine Hauswand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es kracht. Ein Loch im Gebäude zeigt an, wo Argo gelandet ist. Pay verschränkt die Arme vor der Brust.
    „BWAHAHA! Hats wehgetan?“ – „Nein. Mir geht es blendend.“, Argos gepresste Stimme tönt aus der Dunkelheit hervor. „Blendend?“ – „Ja. Ich habe Eiscreme und Kaugummi hier drin.“ – „Oh, echt? Kann ich mit reinkommen?“, kurze Stille. Pay überlegt, wieso sich Eiscreme im Erdgeschoss eines…was ist das? Ein Bürogebäude? Ja, eines Bürogebäudes befindet. „Ich bin umgeben von Idioten.“ – „Ich dachte, du wärst umgeben von Eiscreme und Kaugummi!“, erneut folgt eine kurze Pause. Dann brüllt Argo laut, kämpft sich auf die Beine und stampft aus dem Loch heraus, zertritt dabei die Trümmer, die um die Bruchstelle verteilt sind. „Ich werde das nicht zulassen! Ich werde nicht von einem minderwertigen Pokémon-Trainer besiegt werden!“ – „Da hat jemand Gehirnfrost.“ – „ICH VERNICHTE EUCH ALLE! Turtok, los!“ – „Uh, gibt’s Schildkrötensuppe?“ – „MOAAAHHH!“, Argo macht seiner Wut mit einem weiteren Schrei Luft. Sein Pokémon bewegt sich auf Ramoth zu, welches mittlerweile von einem Funkenregen aus kleinen Flammen umgeben ist. Der Galaktik-Officer nimmt seinen Hut ab. Zum ersten Mal sieht Pay das Gesicht seines Gegners. Mehrere Narben ziehen sich quer über seine rechte Wange. Kalt blickende, schwarze Augen starren ihn an. Argo ist glatzköpfig, bindet sich gerade ein schwarzes Kopftuch, welches den Hut ersetzt. Danach kreuzt er die Arme vor der Brust und konzentriert sich. „Zeit für Plan B. Ich zerstöre den ganzen Block. Mir reichts.“, knurrt er. „Das is nich sehr nett!“, findet Pay. „Natürlich nicht! Ich bin verdammt nochmal böse!“, wird er angebrüllt. Er macht sich ebenfalls für die nächste Attacke bereit. ‚Keine Ahnung, was dieses Tuch soll, aber der Typ sieht gestresst aus. Denke, es ist besser, volle Power zu gebn!‘, überlegt er. Nun nimmt er auch die Schnalle am anderen Oberarm ab, spannt die Muskeln an. „Pay.“ – „Lilith?“ – „Sei vorsichtig.“ – „Immer doch.“, grinst der Trainer. Seine Oberarmmuskeln sind am besten trainiert, jeden Tag stemmt er Gewichte. Wen ein Schlag seiner ganzen Kraft trifft, der hat eigentlich schon verloren. Nur dieses komische, menschliche Bollwerk setzt sich relativ lange zur Wehr. Aber auch Argo wird in die endlose Liste eingehen, auf der Pays Gegner aufgereiht sind, die verloren haben. „Ich muss sagen, du bist gut. Ich musste diese Schnallen schon ewig nicht mehr abnehmen. Aber ich werde nicht der einzige sein, der gegen einen von euch Typen versagt! Maria und Lee würden mich auslachn, das steht fest.“. Als Pay die Fäuste zusammenschlägt, knackt es laut. Probeweise streckt er beide Arme zu den Seiten aus. Zufrieden nickend fixiert er Argo. „Gut. Dann lass ma sehn, was du kannst.“
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    See der Stärke
    Der Leichtstein ist extrem praktisch, aber es nervt, ihn die ganze Zeit in der Hand halten zu müssen. Ich kann dank ihm weiter und höher springen als sonst, schneller ausweichen und zuschlagen. Normalerweise ist meine Schnelligkeit limitiert, denn egal, wie schnell ich denke, mein Körper ist langsamer als meine Gedanken. Das ist nur natürlich, jeder Mensch hat diese Einschränkung. Aber das Geschenk Altarias vermindert mein Gewicht drastisch, sodass die physikalische Trägheit meines Körpers um einen hohen Prozentsatz sinkt. Kurz gesagt: Yussuf sollte keine Chance mehr haben. Ich überlege seit einigen Minuten, in denen ich etlichen von Yussufs Angriffen ausgewichen bin und nur wenige eigene Treffer landen konnte, wo ich den Stein verstecken kann, ohne ihn in der Hand behalten zu müssen. Schließlich entscheide ich mir für eine Stelle. Mein Gegner springt mit hoher Geschwindigkeit auf mich zu, ich drehe mich genauso schnell nach links, lasse mich rückwärts fallen, strecke die Arme aus, biege den Rücken durch. Ich komme auf den Händen auf, stoße mich dann ab, das Resultat ist ein Handstand, aus dem ich rückwärts wieder auf die Beine gelange. Das dürfte mir die nötige Zeit erkaufen. Hastig schiebe ich den Stein in meinen Ausschnitt. Es ist wichtig, dass er die Haut berührt, sonst wirkt sein Effekt nicht. Yussuf sieht nicht schlecht aus, muss ich gestehen, er hat einen durchtrainierten Körper, ein offenes Gesicht, doch er steht mir im Weg. Darum muss ich ihn ausschalten. Ich habe gelernt, mich nicht von Äußerlichkeiten ablenken zu lassen. Allerdings ist es wohl nicht verwunderlich, wenn man einen solchen Bizeps als Mädchen bewundert. Im nächsten Moment beiße ich mir heftig auf die Unterlippe. ‚Wie kannst du sowas denken! Das ist der Kerl, dem du die Trennung von Lee verdankst.‘. Meine Wut steigert sich. Nicht gut, ich muss mich konzentrieren. Macht Yussuf das mit Absicht? Will er dieselbe Wirkung, die ich auf Cécile hatte, gegen mich benutzen? Nein, das Hemd hat ihn behindert. All diese Gedanken rasen mir in Sekundenschnelle durch den Kopf, gleichzeitig muss ich ausweichen, die Muskeln anspannen, angreifen und wieder blocken. Jeder Kampf hat einen eigenen Charakter, der gegen Locksey zum Beispiel war schwach. Locksey hatte keine wirkliche Chance gegen mich gehabt. Er war nur ein Motorradrowdy, der anderen auflauert und sie ausrauben will. Doch gegen Yussuf ist es etwas vollkommen anderes, der erste Offizier des Phantoms kann mit meiner Geschwindigkeit für meinen Geschmack zu gut mithalten. Dieser Kampf hat einen extrem schnellen Charakter. So sehr musste ich mich seit langem nicht anstrengen. Schweiß läuft meine Stirn und meinen Rücken herab, obwohl es so kalt ist und ich nur ein T-Shirt und Jeans trage. „Ah!“, entfährt es mir, als Yussuf meine Schulter mit einer Finte trifft. Ich werde herumgewirbelt, fliege einige Meter durch die Luft, drehe mich im Flug um, lande auf einem Fuß, einem Knie und stütze mich mit der Rechten ab, bis ich die Balance wiederfinde. Das ist der Nachteil des Leichtsteins. Wenn ich getroffen werde fliege ich davon wie eine Feder. Dafür allerdings spüre ich kaum Schmerz, da meine Schulter dem Schlag kaum Widerstand leistet.
    In nicht mal einer Sekunde berechne ich die Situation neu, stoße mich vom Boden ab. Mein Sprung sollte eigentlich knapp vor Yussuf enden, wegen des Leichtsteins schnelle ich über ihn hinweg. Er packt mein Fußgelenk und will mich zurückschleudern, woraufhin ich die Bauchmuskeln anspanne und mich im Flug nach vorn beuge. Mit der linken Hand halte ich seinen Arm fest und winkele das rechte Bein an. Mit dem gesamten Schwung meines Sprungs will er mich, den Rücken voran, auf den Boden krachen lassen, doch ich wende seine Kraft gegen ihn. Er hat nicht einmal Zeit, erstaunt zu gucken. Ich reiße den Arm hoch, Yussuf verliert den Boden unter den Füßen. Eine Sekunde später habe ich ihn mehrere Meter hoch in die Luft geschleudert. Leider habe ich mich verschätzt, ich dachte, er lässt mich dabei los, doch er reißt mich mit, sodass wir nun beide hoch über dem Schnee des Stärkeufers in der Luft kämpfen. Er startet eine Serie aus verschiedenen Schlägen, die ich alle mit Müh und Not abwehre. Danach drehe ich mich um die eigene Achse, reiße das rechte Bein hoch, treffe seine Schulter, doch er hat die Arme hochgenommen, um sich zu verteidigen. Er schlägt, ich wehre ab. Ich trete zu, er weicht aus. Es gelingt keinem von uns, die Überhand zu gewinnen. Nach einigen Momenten des Kampfes landen wir wieder auf der Erde. Lucia und das Phantom kämpfen am Rande des Kraters, den meine Kraft erschaffen hat. Langsam lasse ich den Atem entweichen und suche nach einer Schwachstelle meines Gegners. Kleine Wölkchen bilden sich vor meinem Mund.


    so, ich hoffe, es kommt vielleicht doch mal ein kommi :P und es hat euch spaß gemacht zu lesen.
    mfg
    DoD

  • Kapitel 37
    Die zweite Runde


    8.7.2009


    Manon sieht sich langsam um. Die Sonne steigt immer höher, über dem Stärkeufer klart der Himmel auf. Sonnenstrahlen fallen ihr ins Gesicht. In diesem Zustand hat sie sich noch nie befunden; alle drei Seelen haben ihren Körper zu gleichen Teilen übernommen. Hagane hat sich ein Stück zurückgezogen. Interessiert hebt Manon die Hand und lässt eine ihrer Strähnen durch die Finger gleiten. Ihre Winterkleidung hat sich nicht verändert, nur einige Merkmale in ihrem Gesicht. Das rote Auge glüht bedrohlich, das silberne schimmert jedoch sanft. „Ich habe mich immer gefragt, wie es ist, Engel und Teufel zugleich zu sein.“, sagt sie, ihre Stimme klingt dabei so ruhig, als würde sie sich beim Kaffee in einem Restaurant befinden, und nicht in einem Kampf. Venus steckt ihren Stab wieder zusammen und stellt sich zwischen ihre Officer. „Galaxy, du hilfst mir mit dieser Frau. Das ist Dreiseelen-Manon, also mach dich auf einiges gefasst. Luna, du übernimmst das Mädchen.“ – „Ha! Natürlich.“, die jüngere der beiden Frauen tritt einen Schritt vor. „Briefing?“, fragt sie, genau wie Uranus‘ Officer Gemini ist auch sie professionelle Agentin des Team Galaktik. Die Grünhaarige seufzt genervt. „Gut. Unsere erste Gegnerin ist Manon, sie ist äußerst versiert im Nahkampf, auch ohne Pokémon. Kommt ihr zu nah, und ihr könnt einpacken. Ich übernehme den Nahkampf gegen sie. Ihre Pokémon können allesamt fliegen, daher werde ich meine Geheimwaffe auspacken müssen. Das kleine Mädchen da scheint nicht wirklich zu Rockys Team zu gehören, doch ihre Stahlpokémon halten extrem viel aus. Sie wird versuchen, Luna, dich in einen längeren Kampf zu verwickeln, den du dann langsam, aber sicher verlierst, wenn du nichts dagegen tust. Außerdem…WEG!“, schreit Venus, als Panzaeron und Stahlos gemeinsam angreifen. „Hyperstrahl, Stahlos!“ – „Und du greifst mit Stahlflügel an. Hypno zuerst.“, die beiden Trainerinnen lassen Team Galaktik keine Zeit für weitere Besprechungen. Tangoloss, Hypno und die drei Frauen bringen sich hastig in Sicherheit, doch die Galaktiker werden durch die Schneise, die der Hyperstrahl in den Boden reißt, von ihnen getrennt. In Panik rennen die meisten von ihnen in den Schutz der Gebäude am See. Das Kräfteverhältnis hat sich in wenigen Momenten drastisch verschoben. Erst waren die Galaktiker deutlich in der Mehrzahl, jetzt allerdings sieht es schlecht für sie aus. Venus ist stark angeschlagen, blutet aus zahllosen kleinen Verletzungen. Ihre Officer decken sie, und außerdem haben sie noch Hilfe von einigen, wenigen Galaktik-Mitgliedern. Luna zückt ein Mikrofon und spricht schnell einige Worte hinein, klappt es dann wieder zu. Stahlos richtet sich zu seiner vollen Größe auf. Die Frau mit den drei Seelen postiert sich vor Hagane. Dann läuft sie los, ihr Tempo ist gewaltig gestiegen. Luna stellt sich ihr in den Weg. „Ha! Nichts für ungut, Commander, aber sehen Sie sich mal an. In dem Zustand können Sie nicht weiterkämpfen.“ – „Wag es nicht…“, weiter kommt Venus nicht, ihre Stimme bricht. Ihre Augen werden glasig, die Anstrengung der letzten Stunden fordert ihren Tribut. Sie bricht im Schnee zusammen. „Ihr da! Bringt sie in den Krankentrakt, sofort!“, befiehlt Galaxy den letzten verbliebenen Galaktikern. Sie beeilen sich, den Befehl auszuführen. Mit einem Rückwärtssalto landet Manon wieder neben Hagane.
    Damit steht es zwei gegen zwei, denkt Hagane. Sie schüttelt den Kopf, als ein kurzer Schmerz durch ihre Augen zieht. Irgendwas stimmt wieder nicht mit ihr, schon zweimal hatte sie heute einen kurzen Aussetzer. Kleine Zeitabschnitte, von denen sie nicht genau sagen kann, was sie getan hat. Beim zweiten Mal war auf einmal ein großer Krater im Gestein erschienen. Dabei sah der Kampfplatz davor noch relativ normal aus. Wie kam der Krater dahin? Irgendeiner hatte etwas von „Hexenwerk“ geschrien. Was war passiert? „Alles klar, meine Liebe?“, fragt Manon. Sie hat sich komplett verändert. „Ja. Danke. Bei Ihnen auch?“, ein warmherziges Lächeln überzieht das Gesicht der einstmals Rothaarigen. Lees Schwester ist fasziniert. So eine Frau hat sie noch nie zuvor gesehen. „Du kannst mich duzen, das hatten wir doch abgemacht.“ – „Ja, aber Sie…du siehst so anders aus.“, murmelt Hagane. „Ja, aber ich bin auf deiner Seite. Wir schaffen das, okay? Wir greifen gemeinsam an.“ – „Ist gut.“, voller Zuversicht wendet sich Hagane wieder dem Kampf zu. Ihr Stahlos könnte Probleme mit Tangoloss kriegen. Pflanzenattacken sind effektiv gegen seinen Bodenanteil. „Zuerst werden wir Hypno besiegen. Es hält weniger aus als Tangoloss.“, weist Manon sie an. „Gut.“ – „Und ich halte dir diese Frau vom Hals.“, Manon faltet kurz die Hände, ihre Lippen bewegen sich, doch man hört keinen Laut. Dann schlägt sie die Augen wieder auf, die sie zum Gebet geschlossen hatte, und stürmt los. Luna steht mit kerzengeradem Rücken seitlich vor ihr, hebt die linke Hand, die auf Manon zeigt, und richtet die Handfläche auf sie. Den anderen Arm winkelt sie an und ballt die Faust. ‚So eine Kampfhaltung habe ich noch nie gesehen. Wie kämpft sie?‘, fragt sich Angel. ‚Vorsicht! Teste erst, mit welcher Technik sie angreift.‘, flüstert Manons Stimme in ihrem Kopf. ‚Ach was. Einfach angreifen. Vernichte sie!‘, schlägt die Teufelin vor. ‚Nein. Wir müssen zusammenhalten. Folgt meinen Bewegungen.‘, antwortet Angel. Teufel-Manon verschränkt mental die Arme vor der Brust. ‚Wie ihr wollt. Hauptsache, wir gewinnen.‘ – ‚Danke.‘. Als Luna sich blitzschnell duckt, und den Tritt abwehren will, zu dem Manon angesetzt hat, verlagert sie ihr Gewicht. Eine Sekunde später hat sie sich in die Waagerechte katapultiert, fliegt knapp 10 Zentimeter über Lunas Rücken hinweg, die Beine angewinkelt, den das Gesicht weist in Richtung Himmel. Ohne hinzusehen greift sie nach Lunas Kragen, kommt auf der anderen Seite der Galaktikerin wieder auf dem Boden auf, zieht ihr die Kapuze über das Gesicht. „Hey!“, protestiert die Blonde. Lächelnd erhebt sich Manon wieder. Luna versucht hektisch, ihre Kapuze wieder wegzunehmen. „Du bist keine Gegnerin für mich. Ich wünsche keinen Kampf gegen jemanden, der keine Chance hat.“, sagt Manon sanft. „Wir sind noch nicht fertig!“, zischt Luna, springt blind einige Schritte rückwärts und schafft es, sich von der Kapuze zu befreien. Gleichzeitig befiehlt Galaxy einen Angriff ihres Hypnos. Hagane kontert umgehend mit einem Eisenschädel. Mit einem reißenden Geräusch öffnet Luna ihre Jacke, der Reißverschluss geht kaputt. Ohne darauf zu achten, greift sie in eine kleine Tasche, die in der Innenseite der Jacke befestigt ist. Eine kleine Ampulle kommt ans Licht. „Luna.“ – „Ha! Lass mich in Ruhe, Galaxy! Ich muss das tun.“, den Ansatz eines Tadels der älteren Frau erstickt sie sofort. Im nächsten Moment rammt sie sich die Ampulle in den nun freigelegten Oberarm. Unter der Jacke trägt sie ein enges, schwarzes Top.
    „Was ist das?“, will Manon wissen. „Das wirst du gleich erleben, Abschaum. Wir lassen nicht zu, dass Meister Saturns Wünsche vom Gewürm der Polizei durchkreuzt werden.“, keuchend lässt Luna die Ampulle fallen. „Das letzte Geschenk des legendären Giftmischers an Team Galaktik. Ich werde dich vernichten!“, Luna bricht in die Knie, hustet laut, Speichel läuft ihr aus dem rechten Mundwinkel. Ihre Lippen verziehen sich zu einem unheimlichen Grinsen. In ihren Oberarmen zucken die Muskeln. „Manon!“ – „Bleib ruhig, Hagane. Ich beschütze dich.“ – „Nein! Ihre Oberarme…sie werden ganz blau!“ – „Das sieht aus…“ – „Als hätte sie dort jemand geschlagen. Wie ein blauer Fleck! Was passiert mit ihr?“ – „Ihr solltet fliehen.“, Galaxy sieht bedauernd zu ihrer Kollegin herüber. „Das ist keine Droge. Das ist ein Virus. Sie hat sich selbst mit dem letzten Projekt von Simon, dem Giftmischer infiziert, der einst für Team Galaktik gearbeitet hat. Ihre Muskeln werden durch das Virus an vielen Stellen gekappt und verbinden sich neu. Ihre Körperkraft steigt ins Unermessliche. Ihr könnt nicht mehr gewinnen.“ – „Erzähl keinen Blödsinn, sowas geht gar nicht, wie soll ein Mensch das überleben? Stahlos, greif Hypno an! Eisenschweif!“, auf Haganes Frage antwortet Galaxy nicht. Sie wirft Luna einen langen Blick zu, schüttelt den Kopf. Dann wendet sie sich ab, ruft ihr Hypno zurück und zieht sich zurück. Lees Schwester will ihr hinterher, doch Manon streckt den Arm zur Seite hin aus. „Hey!“ – „Lass gut sein. Das ist ein Vorteil für uns. Eine weniger.“ – „Okay.“, Galaxy zeigt auf Luna. „Sie wird gegen euch kämpfen. Wenn ihr den heutigen Tag überlebt, sehen wir uns wieder.“, sagt die alte Frau noch. Dann schlägt sie den pelzbesetzten Kragen ihres Mantels hoch und verschwindet auf demselben Weg, auf dem die Galaktiker ihren Commander weggetragen haben. Manon sieht fasziniert zu, wie Luna wieder aufsteht, äußerlich hat sie sich nicht verändert, außer dass ihre Oberarme blau angelaufen sind und ein wenig mehr Umfang haben. „Das kann nicht sein. Sowas ist unnatürlich.“, sagt Hagane. „Ich weiß. Und wahrscheinlich muss sie dafür einen hohen Preis zahlen. Viren gehen mit ihren Wirtskörpern nicht gerade zimperlich um.“, Manon unterbricht sich und reißt das Knie hoch, wehrt so den Tritt Lunas ab. ‚Ihre Beine sind auch stärker!‘, fährt es ihr durch den Kopf. Ihre Widersacherin springt zurück, woraufhin die Frau mit den drei Seelen ihre Chance nutzt und die Hände faltet. Einen Moment später ist sie es, die angreift. Luna will den Schlag Manons mit einer Hand abwehren, doch das Bein der Frau saust zeitgleich heran, also muss sie sich fallen lassen. Sie kommt auf dem Boden auf, bemerkt, dass Manon weiterhin angreift, rollt sich zur Seite und springt wieder hoch. Manons Faust schlägt ein kleines Loch in den Schnee und den Boden darunter. Währenddessen drängt Hagane das Hypno immer weiter zurück, Luna ruft ihm ab und zu neue Befehle zu, allerdings scheint sie sich mehr auf ihren Kampf zu konzentrieren als auf ihr Pokémon. Lees Schwester überlegt, wieso Manon auf einmal so irre stark ist. ‚Hat sie wirklich eine andere Seele, die ihr diese Kraft ermöglicht? Muss sie darum immer kurz beten, bevor sie nach einer Pause weiterkämpft? Sie ist so geheimnisvoll, ich wette, ich kenne nicht einmal die Hälfte ihrer Eigenschaften.‘. Als Hypno zu einer Konfusion ansetzt, lässt sie ihr Stahlos erneut Eisenschädel benutzen. Der tonnenschwere Schädel der Stahlschlange erschüttert den Boden. ‚Das ist genau wie im Kampf gegen Lee. Ich muss Hypnos physische Schwäche ausnutzen und zuschlagen!‘.
    In Manons Kopf ist es nun relativ ruhig geworden, Angel, sie selbst und ihr teuflisches Ich halten Waffenstillstand. Damit Angel die Stärke der Teufelin einsetzen kann, muss sie die bösen Energien, die durch ihren Körper fließen, durch Gebete ausgleichen. Licht und Finsternis halten perfekte Balance. Der Kampf dauert weiter an, es ist schwerer, gegen Luna zu bestehen, als Manon erst dachte. Was für eine Wirkung haben diese Viren noch auf den Körper der jungen Frau? Nichts Gutes, soviel steht fest. „Manon!“ – „Ja?“ – „Schau mal da!“. Die Frau mit den schwarzweißen Haaren wendet den Kopf in die Richtung, in die Hagane zeigt. Eine schillernde Kugel ist dort erschienen, wo Maria und Frida kämpfen, sie dehnt sich weiter aus. „Was ist das?“ – „Weiß ich nicht.“ – „Es sieht aus wie Wasser, also muss Maria das erschaffen haben.“ – „Gut.“, Manon faltet die Hände und fixiert Luna, welche leise kichert. ‚Sie sieht angeschlagen aus. Die Viren rauben ihr die Lebenskraft.‘, überlegt die Trainerin. ‚Sollten wir das ausnutzen und sie hinhalten, bis sie von selbst keine Kraft mehr hat?‘ – ‚Wäre eine Möglichkeit. Aber wir kennen dieses Virus nicht. Kann genauso gut sein, dass sie nach Ablauf einer bestimmten Frist nochmal um ein Vielfaches stärker wird.‘ – ‚Stimmt. Das ist ein Problem. Also wie geplant?‘ – ‚Ja. Wir besiegen sie.‘. Der stumme Dialog zwischen Manon und Angel kommt zum Erliegen, alle drei Seelen Manons wissen, worauf es ankommt. Eine Niederlage kommt nicht infrage. Ihr silbernes Auge strahlt ein wenig stärker, als die Energie in ihrem Körper weiter ansteigt. Vor ihr fällt eine einsame Schneeflocke auf die Erde, wahrscheinlich die letzte heute. Der Himmel leuchtet blau, sämtliche Wolken sind verschwunden. Luna stürmt los. Manon duckt sich und nimmt eine Verteidigungshaltung ein. Ihre Gegnerin springt ab und reißt das Bein vor, welches Manon aus der Luft fängt und festhält. Dann lehnt sie sich ein Stück zurück, dreht sich einmal um die eigene Achse, und befördert Luna in die Lüfte. Nach einigen Metern Fall prallt die Galaktikerin auf den Boden, hustet einmal, springt auf und greift wieder an. Ein Tritt mit dem rechten Bein. Ein Schlag mit der rechten Hand. Danach ein Schlag mit der linken Hand, Drehung, ducken, über das flach über dem Boden ausgestreckte Bein hinweg springen. Manons Körper reagiert wie von selbst. Sie kann aber nicht ewig nur abblocken, es ist an der Zeit, zurückzuschlagen.
    /


    Im Kampf kommt es oft auf eine einzige Entscheidung an, die den Sieg bringt. Doch meist sind Kämpfer in einem Rausch aus Aktion und Reaktion versunken. Groß nachdenken kann man dann nicht mehr. Ich jedoch habe das Glück, schneller denken zu können als viele andere. Yussuf ist ein extrem flexibler Kämpfer, doch mit mir kann er auf Dauer nicht mithalten, hoffe ich zumindest. Jeder hat eine begrenzte Ausdauer. Yussuf rast mit ausgestrecktem Bein unter mir weg, ich habe den ganzen Kampf über schon wenig Zeit, meine Entscheidungen zu fällen. Hastig spanne ich die Muskeln an und springe, im Flug sehe ich, wie Yussuf die Entfernungen zwischen unseren Körpern abschätzt. Mein Körper wiegt zu wenig, ich fliege hoch in die Luft, ohne es beabsichtigt zu haben. Ich sollte öfter mit dem Leichtstein trainieren. Eine weitere Schneise erscheint im Schnee. Als wir vorhin ankamen, war die weiße Decke so gut wie unberührt, mittlerweile sieht es hier aus wie auf dem Schlachtfeld. Mein Gegner sprintet auf mich zu, schneller als der Wind komme ich auf dem Boden auf, ducke mich, lege die Hände als Stütze auf den Boden und reiße das linke Bein hoch. Der Yussuf-Sprint war diesmal hilfreich, durch die hohe Geschwindigkeit kann er nicht ausweichen und rennt in meinen Kick hinein. Er taumelt zurück. Ich gehe vom Angriff in eine Vorwärtsrolle über und setze nach. Im Hechtsprung konzentriere ich mich auf den Schnee unter mir, lasse ihn durch meine Kräfte flüssig werden. Das Wasser legt sich um Yussufs Beine. Als ich dann die Hände zu Fäusten balle, gefriert das Wasser. Mein Gegner sitzt fest. Mit einem kleinen Lächeln verschränke ich die Arme vor der Brust. Er versucht, sich zu befreien, doch er schafft es nicht. „Wieso bist du so schnell? Niemand hält mit Yussuf mit.“ – „Das bleibt mein Geheimnis.“, ich muss kurz an den Stein in meinem Ausschnitt denken. „Aber es sieht schlecht für dich aus, Yussuf.“, ich trete näher an ihn heran. Er beugt den Oberkörper vor und versetzt mir einen Schlag unter das Kinn, der mich meterweit zurückschleudert. „Du wiegst nichts mehr. Yussuf kennt dein Geheimnis.“, zischt er. Benommen rappele ich mich hoch. Er hat noch einmal an Tempo zugelegt. Ich muss diesen Kampf beenden. Also friere ich auch seine Arme fest, eine Klammer aus Eis legt sich um seinen Körper. Yussuf kann sich nicht mehr bewegen. Mit großen Schritten komme ich auf ihn zu, unsere Gesichter sind Zentimeter voneinander entfernt. Yussuf starrt mich wütend an. Etwas Warmes läuft meine Stirn herab, ich lecke mir über die Lippen. Metallisch. „Du bist wahnsinnig gut. Wer hat dir das beigebracht?“, frage ich leise. „Fahr zur Hölle, du Miststück!“ – „Mit deinen Fähigkeiten hättest du viel Gutes tun können.“, ich wende mich ab und sehe mich um. Dann schüttele ich den Kopf. „Lucia, Frida!“ – „Ja?“, die Koordinatorin hält kurz inne, macht einen Salto rückwärts, um den Phantom zu entgehen. Der Pirat sieht kurz zu uns herüber. Als er sieht, dass sein erster Offizier gefangen ist, fällt ihm die Kinnlade herunter. „Yussuf!“ – „Captain. Yussuf hat versagt.“, gibt sein Untergebener zu. „TUT WAS!“, brüllt das Phantom den Galaktikern zu, die Frida bekämpfen. Doch die Eistrainerin ist zu gut, keiner ihrer Gegner kann an ihr vorbei.
    Das Phantom will Yussuf nun selbst helfen, wird von Lucia aufgehalten. Ich spanne meine Muskeln an. „Irgendwelche letzten Worte?“, will ich von Yussuf wissen. Er bleibt stumm. Sein Blick ist leer, der Mann starrt an mir vorbei ins Nichts. „Dann nicht.“. Meine Kräfte suchen den Kontakt zum Wasser in seinem Körper. Doch sie finden… nichts? Ich versuche es noch einmal, richte die Hände auf meinen Gegner. Im Training mit Lucia hat es immer geklappt, es fühlt sich meist so an, als würden meine Hände sie selbst berühren, dabei ist es die Kraft, die in mir steckt. Bei Yussuf allerdings ist gar nichts. Als wäre er aus Luft. Sein Körper verändert sich. Ich reiße die Augen auf. Er wird ein wenig größer, sei Brustumfang wächst, die Beine verlängern sich, Nebel steigt um uns herum auf. Lucia, Frida und ihre Gegner verschwinden aus meinem Sichtfeld. Yussuf verwandelt sich… in mich?! Fassungslos sehe ich zu, wie sich das Mädchen reckt, was nun vor mir steht. Ich blicke einem exakten Ebenbild meiner selbst ins Gesicht, als die Verwandlung abgeschlossen ist. Es sieht genauso aus wie ich, von der eingerissenen Jeans bis hin zum T-Shirt und der Wunde an meiner Stirn. Unwillkürlich hebe ich die Hand und taste an meiner Stirn nach der Verletzung. Es brennt heftig, aber es tut nicht so weh, wie es aussieht. „Was ist hier los?“, frage ich, meine Stimme zittert. Die andere Maria sieht mich lächelnd an. Dann sieht sie auf das Eis hinunter, was ihren Körper einschließt. Es verflüssigt sich und rast nun auf mich zu. Erschrocken stoppe ich es mit einer Hand, lasse die Wassersphäre verdampfen. Diffuses Sonnenlicht strahlt durch die Nebelschwaden. „Wie hast du das gemacht?“, rufe ich. „Was gemacht?“, fragt Maria leise. „Wie kannst du dich in mich verwandeln?“ – „Das bleibt MEIN Geheimnis.“, antwortet sie. Ich beiße die Zähne zusammen. ‚Yussuf…Was ist das für ein Typ? Muss man sich selbst besiegen, um zu gewinnen? Verdammt!‘. Mein Ebenbild rennt auf mich zu, ich halte mich bereit. Den ersten Schlag wehre ich mit Mühe ab, winkele das Bein an, sodass ihre Faust mein Knie trifft. Die Wucht schleudert mich zurück. ‚Hat sie auch einen Leichtstein? Wie kann sie so schnell rennen?‘. Maria springt, fliegt dann auf mich zu, streckt das rechte Bein aus, um mich im Magen zu treffen. Als ihr Fuß nur wenige Zentimeter von meinem Bauch entfernt ist, lasse ich den Schnee zu Wasser werden und friere ihr Bein in der Luft fest. Doch im selben Moment verflüssigt sie das Eis wieder. Der Tritt erwischt mich, die Luft wird mir aus den Lungen gepresst, als ich rückwärts durch die Luft fliege. Ich muss husten und sehe rote Tröpfchen im Schnee glitzern. Meine Gegnerin denkt nicht daran, aufzuhören. Als ich noch am Boden liege setzt sie nach, läuft auf mich zu und lässt sich auf mich fallen. Ich kriege keine Luft mehr, ihr ganzes Gewicht lastet auf meinem Bauch. ‚Nein. Sie hat keinen Leichtstein.‘, rast es mir durch den Kopf. Maria setzt sich auf meine Brust, stellt die Füße zu beiden Seiten von mir in den Schnee und sieht auf mich herunter. „Du bist gar nicht so stark, wie ich dachte.“, murmelt sie. Ich blicke in meine eigenen, dunkelblauen Augen. Eine Strähne fällt ihr ins Gesicht, so, wie es mir auch oft passiert. Mein Versuch, sie von mir runter zu stoßen, misslingt. Yussuf hat meinen linken Arm einmal zu oft getroffen; er ist taub und reagiert nicht mehr auf die Befehle meines Gehirns. „Garados!“, rufe ich, doch es antwortet nicht. „Lass gut sein. Hier sind nur du und ich.“ – „Runter von mir.“ – „Vergiss es.“, haucht sie und legt die Hände auf meine Brust. Ich spüre, wie sie ihre…nein, MEINE Kräfte gegen mich benutzt. Schmerzen breiten sich in meinem Körper aus. Große Schmerzen. „Nein…“, sie bringt ihren Mund genau neben mein Ohr. „Doch.“.
    /


    Yussuf versucht, sich aus der kleinen Eissäule zu befreien, die Maria erschaffen hat. Das Mädchen ist eben vor ihm zusammengebrochen, so, wie er es geplant hat. Nun liegt sie einige Meter entfernt am Boden, ihre Augen erinnern an Glasmurmeln. Sie starren, ohne etwas zu sehen. Marias Mund ist leicht geöffnet, doch ihre Lunge steht still. Arme und Beine sind leicht abgespreizt. Sie regt sich nicht. In Yussufs Ohren rauscht es. Er bildet sich schon ein, das Eisgefängnis würde immer enger werden. Den Schrei der Blauhaarigen eben hat er wie durch Watte gehört. Dabei war dieser Schrei extrem laut gewesen, sie hatte ihn ausgestoßen, als Maria zusammenbrach. Sie scheint ihr viel zu bedeuten. ‚Bedeutet zu haben.‘, verbessert Yussuf sich in Gedanken. Seine Illusionen sind nicht oft tödlich, doch die, welche er Maria ins Hirn gepflanzt hat, ist mehr als nur eine Illusion gewesen. Sie hat sich einbilden müssen, sich selbst zu bekämpfen, und da sie Feinden gegenüber keine Gnade zeigt, war auch ihr keine gewährt worden. Aber es war interessant gewesen, zu sehen, wie sie sich selbst bekämpft hat, natürlich war die andere Maria für niemanden sonst sichtbar. Sie hatte keine Chance. „Niemand besiegt Yussuf.“, knurrt der erste Offizier des Phantoms. „Arrr! Gute Arbeit!“, brüllt sein Kapitän zu ihm herüber. Danach weicht er einem rechten Haken Lucias aus, die Koordinatorin gibt nicht auf. Glitzernde Spuren ziehen sich über ihre Wangen. Ihr Gesicht ist total emotionslos. ‚Ich muss dem Kapitän helfen. Aber dazu muss ich zuerst hier raus! Ich dachte, wenn sie tot ist, verschwindet dieses Zeug!‘, er flucht innerlich. Im nächsten Moment streift sein Blick das Mädchen vor ihm, und er erstarrt. Die Luft gefriert. Im großen Umkreis um sie herum verflüssigt sich das Wasser. Ihr Körper wird durchsichtig und glitzernd, die Kleidung fällt zu Boden. Eine Gestalt aus Wasser erhebt sich. ‚Nicht möglich. Nicht möglich. Nicht möglich. Nicht…‘, Yussuf hat nur noch diesen einen Gedanken. Das Wasser verformt sich, bildet Marias normalen Körper nach. Sie blickt ihren Kontrahenten kurz an, sieht dann an sich herunter und schreckt zusammen. „Oh.“, entfährt es ihr. Maria scheint sich zu konzentrieren. Dann bückt sie sich nach ihrer Kleidung und zieht sich an. Als ihre Unterwäsche jedoch durch den Wasserkörper hindurch wieder auf den Boden fällt, lacht ihre Freundin laut auf. „Maria, er kann dir schon nichts abgucken, du bist aus Wasser!“ – „Aber…“ – „Kein aber, jetzt gewinn endlich!“ – „Du bist nicht überrascht?“ – „Warum?“, Lucia duckt sich, ruft ihrem Pachirisu einen Befehl zu und kämpft weiter. „Ich habe gemerkt, dass du nicht tot sein kannst, als meine Kraft erhalten geblieben ist!“ – „Ah. Das macht Sinn.“ – „Und…sagen wir mal so: bei dir überrascht mich gar nichts mehr.“, grinst die Blauhaarige und wischt sich die Tränen von den Wangen. „Aber im ersten Moment war ich wirklich geschockt, tu so etwas nie wieder!“ – „Verstanden.“, ein wenig kleinlaut wendet sich das Wassermädchen Yussuf zu. Er spannt alle Muskeln an und will das Eis zerbrechen, doch er schafft es nicht. Ihn verlässt der Mut, als das Mädchen auf ihn zu kommt. „WAS BIST DU?!“, brüllt er. „Yussuf ist unbesiegbar! Niemand widersteht meinen Illusionen! Scheiße!“ – „Hey, hey. Nicht so laut.“, mit ruhiger Stimme weist Maria ihn zurecht, sofort wird Yussuf still. ‚Vielleicht verschont sie mich, wenn ich ihr gehorche!‘, denkt er. Vom stärksten Kämpfer des Phantoms ist nicht viel geblieben, er hat absolut alles gegeben, was er hatte, und diesem Mädchen hat das nichts ausgemacht. Wie soll er da noch weiterkämpfen?
    Interessiert betrachte ich mich. Alle meine Wunden sind geheilt. Ich kann nun also auch meine eigenen Zellen manipulieren und verflüssigen… das ist mehr als nur praktisch. Ein Gefühl der Macht berauscht meine Sinne. Unbesiegbarkeit. Fühlt sich so Unbesiegbarkeit an? Wie eine Göttin komme ich mir vor. Keiner kann mir etwas anhaben. Keiner! Es ist, als wäre ich mit all dem Wasser verbunden, was hier an diesem Ufer vorhanden ist. Ich spüre Lucias Körper, als wäre es mein eigener, Phantom und Frida wirken auf mich wie meine Arme und Beine. Gleichzeitig merke ich, wie zerbrechlich jedes Leben ist, wenn man nicht sorgsam damit umgeht. Entschlossen, nicht denselben Fehler wie im Kampf gegen Cécile zu machen, hebe ich die Arme. Eissäulen schießen aus dem Boden. Eine umschließt das Phantom, Lucia reißt die Arme vor ihr Gesicht und springt einige Meter rückwärts. Ihr Pachirisu ist im letzten Moment von einem Magnayen besiegt worden, welches das Phantom gerufen hat. Weitere Eissäulen setzen die Galaktiker fest, deren Teams von Frida dezimiert wurden. Die Leiterin dreht sich erstaunt zu mir um. „Was war das eben?“, ruft sie dann herüber. „Eine Illusion, die mich umbringen sollte.“, erwidere ich lächelnd. „Wie bist du aus meiner Technik rausgekommen?“, ächzt mein Gegner. „Das war verdammt knapp. Du bist wirklich stark. Deine Pokémon helfen dir dabei, stimmt´s? Dieses Starmie da hat mich in diese Traumwelt versetzt. Ich habe wirklich geglaubt, mich selbst zu bekämpfen. Doch als mir klar war, dass mein anderes Ich keinen Leichtstein hatte, kam mir in den Sinn, dass es schlichtweg nicht weiß, dass ich einen habe. Und die einzige Möglichkeit war die, dass DU es nicht wusstest und darum die Illusion nur unvollständig erschaffen konntest.“ – „Du hast…einen Leichtstein?“ – „Exakt. Aber die Erkenntnis kommt zu spät. Rocky kann dich hier nachher abholen.“. Ich brauche nur einen Gedankenimpuls, um die Eissäule, in der Yussuf eingefangen ist, wachsen zu lassen, bis er zur Gänze drinsteckt. Die Luft da drin sollte für eine halbe Stunde reichen.
    Ich winke Lucia und Frida zu, dass ich mich auf den Weg machen will. Lee hat lange genug auf mich gewartet. Es wird Zeit. „Bisaflor, Rankenhieb!“. Der Befehl schallt einsam und verlassen über unseren nun komplett verwüsteten Kampfplatz. Von rechts rast die Ranke heran, fährt genau durch meinen Bauch, und tritt auf der anderen Seite wieder aus. Die Schnittstelle schließt sich wieder. Langsam wende ich mich um. Ein verängstigter Galaktiker kauert zwischen den Eissäulen, die seine Kameraden umschließen. Sein Bisaflor verschwindet in einem roten Blitz. „Gnade!“, wimmert er, als ich näherkomme. Ich weiß, dass er versucht, mich zu fixieren, doch mein Körper reflektiert das einfallende Sonnenlicht. Für ihn muss es so aussehen, als wäre ich aus Glas. Genau vor ihm bleibe ich stehen. Er erwidert den Blick meiner Augen für einige Sekunden, schaut dann jedoch runter. Als er merkt, wo genau er hinschaut, wird er rot und kneift die Augen zu. Eine Sekunde später umschließt das Eis auch ihn. Danach trete ich zu Lucia und Frida, die ihre Pokémon wieder zurückgerufen haben, und ziehe mich an. Mein Körper verfestigt sich wieder, die ganzen Gefühle, die ich habe, normalisieren sich. Ich muss mich zusammenreißen, um den Verlust der Macht nicht allzu sehr zu bedauern. Am liebsten würde ich mich sofort wieder verwandeln, nur um diese Macht in mir zu spüren. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Danach begutachte ich meine Mitstreiterinnen. Frida sieht genauso aus wie am Anfang des Kampfs, nur ihre Pokémon haben gekämpft. Lucia allerdings hat- genau wie ich- viele kleine Schnitte am ganzen Körper, ebenso wie Prellungen und blaue Flecken. Das Phantom war kein leichter Gegner. „Dann erzähl mal, was da eben genau passiert ist.“, bittet meine Freundin, als ich mir gerade das T-Shirt über den Kopf ziehe. Ich streiche es glatt und stelle fest, dass meine Kleidung ziemlich mitgenommen aussieht. „Da gibt’s nicht viel.“, ich zucke die Schultern. „Yussuf und sein Starmie können scheinbar jede Art von Illusion hervorrufen, in der ihr Gegner dann gesperrt wird. In dieser Illusion habe ich gegen mich selbst gekämpft und verloren. Mein anderes Ich hat mich umgebracht.“, Lucia schlägt die Hände vor den Mund. Ich lächele sie an. „Es war doch nur eine Illusion, Baka. Glücklicherweise habe ich das rechtzeitig gemerkt und meine Hirnströme angehalten.“ – „Deine…“, mitten im Satz unterbreche ich Frida. „Dank meiner Kräfte ist das problemlos möglich, es reicht nur eine Millisekunde. Die Illusion ist zerbrochen. Doch mein eigener Tod, den ich hautnah erlebt habe, löste in meinem Körper diese Kettenreaktion aus, in kürzester Zeit bin ich selbst zu Wasser geworden. Ich kann Eis verflüssigen und Wasser verdampfen lassen, doch das eben war mir neu. Vielleicht geht das auch nur bei Vollmond, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist das bisher meine stärkste Fähigkeit. Ich glaube, sie verdient einen schönen Namen.“, sinnierend blicke ich in die Luft. ‚Ekitai shojou. Der Name passt.‘, denke ich.
    Dann renne ich auf die Gebäude zu, die den See umschließen. Lee befindet sich auf der anderen Seite vom See der Stärke. Zum Glück kann ich das Wasser gefrieren lassen. Umwege gestatte ich mir keine mehr. Frida und Lucia laufen links und rechts neben mir her und sehen sich aufmerksam um. Weiteren Gegnern würde ich keine Gnade mehr gewähren. Kurz schießt die Erinnerung an den Kampf gegen mich selbst durch meinen Kopf. Es war nur eine Illusion, aber sie war so verdammt echt gewesen… im Lauf sehe ich über die Schulter. Yussuf, das Phantom und die Galaktiker stecken alle in ihren Eissäulen fest. ‚Ich muss noch stärker werden. Nein, das reicht nicht…ich muss mich selbst übertrumpfen.‘. Mein Tempo beschleunigt sich. Wir passieren den zerstörten Zaun und die Gebäude dahinter. Dahinter befinden sich nur ein kleines, felsiges Ufer und der riesige See der Stärke. Ich richte beide Hände auf das Wasser. Knackend gefriert eine Schicht. Ein eisiger Pfad bildet sich auf der Wasseroberfläche. Bisher läuft alles nach Plan. Unsere Gegner besiegen und festsetzen, dann Lee und Tai retten. So war es von Anfang an abgesprochen gewesen. Frida bleibt stehen, bevor ihre Füße das Eis berühren. Sie sieht unsicher aus. „Stimmt was nicht?“, ich drehe mich um und ziehe die Brauen hoch. „Nein. Ich meine, doch. Ist das stabil?“ – „Denkst du, ich pfusche? Klar ist das stabil.“ – „Wow. Ein Weg aus Eis! Sowas habe ich noch nie gesehen.“, bewundernd tritt Lucia an die Wasserschwelle und setzt einen Fuß auf das Eis. Ich lächele sie an. „Wir müssen uns beeilen. In wenigen Minuten kann Verstärkung hier sein.“ – „Gut.“, Frida seufzt und folgt uns. Die Koordinatorin rennt los. Nach fünf Schritten passiert es: das Eis ist zu dünn, bricht unter ihrem Gewicht und sie fällt in den See. Ich bin nur knapp hinter ihr, als es passiert, und kann nur noch erstaunt zusehen, wie der Weg auf ganzer Länger einbricht. „KYA!“, vor Überraschung schreie ich auf, falle ins Wasser und werde nass. Die Leiterin hat sich hastig ans Ufer zurückgezogen, als sie gesehen hat, was mit Lucia passiert. Keuchend schwimmen die Blauhaarige und ich zurück an Land. „Tut…mir…Leid!“, pruste ich, als wir nebeneinander auf den Steinen am Ufer sitzen. „Meine Konzentration hat nachgelassen.“ – „Du pfuschst nicht. Niemals.“, höhnt Frida. Ich werfe ihr einen unmissverständlichen Blick zu. Dann sehe ich aufs Wasser hinaus. „Ich kann nicht mehr. Leider habe ich im Kampf gegen Yussuf zu viel Kraft verbraucht.“, mein T-Shirt klebt mir nass am Körper, ich ziehe mit einer Handbewegung die Feuchtigkeit aus unseren Kleidern. Mir kommt eine Idee.
    „Ich habs. Ich kann die Oberflächenspannung aufrechterhalten. Das verbraucht weniger Kraft als das Gefrieren.“ – „Was meinst du?“ – „Schau her.“, ich rappele mich hoch und schließe die Augen. Meine Kraft manipuliert die Wasseroberfläche. Ruhig setze ich einen Fuß vor den anderen, immer weiter. „Woa!“, entfährt es Lucia. Als ich die Augen öffne, stehe ich schon einige Meter vom Ufer entfernt auf dem Wasser. „Kommt.“, sage ich nur und renne los. Als ich leises Plätschern hinter mir höre und einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich, dass Lucia und Frida mir folgen. Ein besonders hohes Gebäude auf der anderen Seite des Sees erregt meine Aufmerksamkeit, außerdem der Fakt, dass die oberen Fensterreihen allesamt vergittert sind. Wie ein Blitz durchzuckt mich die Erkenntnis, dass ich Lee so nahe bin wie seit langem nicht mehr. Angespornt werde ich schneller, die Wellen rasen nur so unter mir dahin. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Vogel am Horizont entlang fliegen. Kaum mehr als ein schwarzer Punkt am blauen Himmel, der sich schnell bewegt und dann stehen bleibt. Ich stutze, werde unwillkürlich langsamer. Seit wann bleiben Vögel in der Luft stehen? Wie in Zeitlupe drehe ich den Kopf, sehe statt eines Vogels ein Pokémon immer näher kommen. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen. Das Wesen hat eine ziemlich blasse, violette Haut, einen langen, lilafarbenen Schweif und ist im Groben gebaut wie ein Mensch. Allerdings ist die Taille sehr viel breiter als bei Menschen, die Beine sind viel muskulöser und der Blick lässt jegliche Gefühle vermissen. Innerhalb einer Sekunde registriere ich jede Einzelheit dieses Wesens. Als ich meine Lippen öffne, läuft die Zeit normal weiter. „Achtung!“, brülle ich. Kein Zweifel: es ist ein Mewtu. Es streckt den Arm vor. Ein Windstoß scheint über mich hinweg zu fegen. Dann sehe ich auf einmal den Himmel unter mir, das Ufer, auf das ich zulaufe, rast mir kopfüber entgegen. ‚Nicht das Ufer steht auf dem Kopf, sondern ich.‘, kann ich noch denken, bevor mein Körper von den Psychokräften meines neuen Gegners in die Betonwand geschleudert wird. Krachend bricht die Wand ein, mir wird kurze Zeit schwarz vor Augen. Stöhnend richte ich mich auf, sehe mich schnell um. Ein kleines Büro. Zwei Galaktiker starren mich angstvoll an. Mir fehlt die Kraft, sie einzufrieren. Ich fluche leise und steige zwischen den Trümmern hindurch nach draußen. Meine beiden Mitstreiterinnen schwimmen durch das eisige Wasser auf mich zu, ich mobilisiere meine letzten Reserven, damit sie wieder auf dem See laufen können, und lehne mich gegen die Hauswand. Mein ganzer Körper schmerzt. Die Beine, die Arme, mein Rücken, mein Hals… ich muss husten. Doch als ich wieder hochsehe, merke ich, dass Mewtu mit mir noch nicht fertig ist. „Schei…ße.“. ich taste nach meinen Pokébällen.
    /


    „Halt!“, Frida merkt, dass die Oberflächenspannung wieder auf künstliche Weise von Maria aufrechterhalten wird, zieht Lucia mit hoch, als sie sich hinstellt. „Wir müssen ihr helfen!“, ruft die Koordinatorin. „Warte doch! Das Ding da ist zu stark für uns. Was wir tun müssen, ist, eure Freunde zu befreien. Wir brauchen Hilfe.“ – „Los, Togekiss!“, Lucia hört ihr nicht zu. Die Blauhaarige ist sichtlich in Sorge um Maria. Zitternd ob der Kälte sieht Frida in den Himmel. Mewtu schwebt langsam auf Maria zu. ‚Die Ärmste. Wenn das mal gutgeht. Ich muss mir was einfallen lassen.‘.


    so, wie immer freue ich mich auf kritik und anregungen :)
    mfg DoD

  • Anneyonghaseyo! Heute gibts mal kein Kapi von DoD, sondern von mir.
    Wie ihr vllt. (nicht) wisst, zieht er momentan um und hat deshalb kein Internet. Da momentan keiner von uns nen Plan hat, wie lange, hab ich heute früh noch den momentanen Stand der Dinge bekommen, mit der Bitte, das hier zu posten, bevor er fährt (BB war zu der Zeit iwie nich erreichbar, sonst hätt ers selbst gemacht) Naja, jetzt genug des rumgelaberes und los gehts.


    Kapitel 38 - Teil 1

    Ein neues Leben
    8.6.2009



    In diesem Moment könnte ich Ekitai Shojou wirklich gut gebrauchen, aber meine Kraft reicht einfach nicht mehr. Frida und Lucia müssen in Sicherheit gebracht werden, das steht für mich ganz oben auf der Liste. Aber wir sind Lee so nahe! Das darf einfach nicht wahr sein. Team Galaktik darf es nicht gelingen, und jetzt noch zu stoppen. Bevor ich an meine Pokébälle komme, trifft mich Mewtus Macht. Mein Körper wird komplett taub, ich kann mich kein Stück mehr rühren. Mit einer wegwerfenden Handbewegung reißt es mich auf den See hinaus. Das Wasser kommt rasend schnell auf mich zu, dann wird alles kalt um mich herum. Ich kriege keine Luft, merke, dass ich mich unter Wasser befinde. Meine Erschöpfung wird langsam von Wut abgelöst. Das hier ist MEIN Element, niemand kann mich besiegen, solange ich Wasser um mich herum habe. Meine Wunden beginnen, zu heilen. Die erfrischende Kühle umhüllt mich. Doch bevor ich große Linderung verspüre, greift mich mein Gegner wieder mit seinen unheimlichen Psychokräften an. Als wäre er ein Angler und ich ein Fisch zieht er mich aus dem Wasser, schwenkt den Arm nach links und schmettert mich erneut in eine Hauswand. Der Arm, den ich reflexartig zum Schutz nach vorne reiße, bricht wie ein trockener Zweig. „MARIA!“ - ‚Das war sogar noch schneller als gerade eben.‘, fährt es mir durch den Kopf, als ich in den Trümmern liege und mich hochrappele. Ich höre, wie Lucia etwas ruft. Als ich mich umdrehe sehe ich den Grund. Ihr Togekiss fliegt mit voller
    Geschwindigkeit auf Mewtu zu und will scheinbar eine Turbotempo - Technik durchführen. Aber das Psychowesen ist viel zu stark, genau wie es mich eben durch die Luft geschleudert hat, wehrt es Lucias Pokémon ab. „Nein.“, murmele ich bestürzt, als ich sehe, dass sich Mewtu zu Lucia und Frida umdreht. Es hebt einen Arm. Ich tue es ihm gleich, mit lautem Krachen entsteht eine Mauer aus Eis vor den beiden Mädchen und schirmt sie vor dem Feind ab. Die Psychokraft zertrümmert meine Mauer, doch Mewtus Aufmerksamkeit wird abgelenkt. Und zwar von mir. ‚Ekitai Shojou! Komm schon! Verdammt!‘, ich konzentriere mich auf meine neu entdeckte Fähigkeit, doch nur ein schwacher Widerhall von dem, was ich vorhin vermochte, ist in mir zu finden. Meine Gedanken rasen. Ich will mit einem Kopfsprung ins Wasser springen, doch bevor ich auch nur aufstehen kann, hat Mewtu mich wieder im Griff. Seine rot glühenden Augen sprühen nur so vor Wut, ich werde langsam in die Luft gehoben. Mein Arm schmerzt unerträglich. Mir läuft ein schmales Blutrinnsal in den Mund. Ich strampele einmal wild mit den Beinen, um freizukommen, doch es hilft nichts. „Was…willst du… von mir?“, stoße ich hervor. Was erwarte ich? Dass eine Stimme in meinem Kopf eine wissenschaftliche und logische Erklärung abgibt? Es ist so frustrierend, ich muss die ersten Tränen zurückhalten. Ich habe keine Chance gegen dieses Ding, und Lee ist nur einige Dutzend Meter weit entfernt. Wie soll ich ihn jetzt noch retten? ‚Du hast die Verantwortung. Du bist momentan die stärkste Trainerin des Teams. Du musst sie alle beschützen.‘, sage ich mir. Gleichzeitig mischt sich jedoch noch ein anderer Gedanke in diese drei Sätze. ‚Du hast versagt.‘. Ein Schlag trifft meine Schläfe. Ich öffne schwach die Lider. ‚Erde an meiner Wange. Blut im Mund. Ich liege auf dem Boden.‘.



    Lucia fühlt, wie ihr die Augen feucht werden. Mewtu greift Maria jetzt schon zum dritten Mal brutal an, das Mädchen kann sich nicht einmal wehren. Wie vorhin schon liegt sie auf dem Boden, als Mewtu sich zur Leiterin und der Koordinatorin umdreht. Togekiss musste sie schon zurückrufen, es war dem Psychowesen einfach nicht gewachsen gewesen. Frida dreht sich um und will
    losrennen. „Komm! Wir können nichts tun!“, ruft sie. Doch die Blauhaarige schüttelt stumm den Kopf. „Ich lasse sie hier nicht zurück. Nicht so.“, flüstert sie dann. „Bist du irre? Siehst du nicht, wie stark es ist?!“ – „Sie würde mich auch nicht im Stich lassen.“, weiter kommt Lucia nicht, Mewtus Augen leuchten auf. Sie fühlt, wie sie in die Luft gerissen wird. Der Schrei bleibt ihr in der Kehle stecken. Sie rast aufs Ufer zu. Doch dann bleibt sie abrupt in der Luft hängen, die Arme abgespreizt, ihre Beine baumeln knapp über dem Wasser. Sie atmet schwer. „Was…“, sie, Frida und Mewtu drehen fast gleichzeitig den Kopf in Richtung des Nordufers, wo Maria sich gerade noch so auf den Beinen hält. Mit Rechts hält sie sich den linken Arm, der wohl schwer verletzt ist.
    Ihre tiefblauen Augen sind auf die Koordinatorin gerichtet und scheinen wach zu glimmen. ‚Sie hat mich gerettet! Maria kämpft gegen Mewtus Kräfte!‘, denkt Lucia. Marias Beine zittern stark, es scheint sie Unmengen Energie abzuverlangen, überhaupt zu stehen. Mit unsicheren Schritten läuft sie aufs Ufer zu, Lucia wird sanft runtergelassen und kniet sich aufs Wasser. Frida eilt zu ihr herüber. „Das ist Wahnsinn!“, faucht sie. „Siehst du es jetzt ein? Maria kann ja kaum noch stehen!“ – „Gerade deswegen werde ich sie nicht allein lassen.“, antwortet das Mädchen. Maria ist stehen geblieben, das Gesicht entspannt, sie legt den Kopf in den Nacken und öffnet ihre Lippen. Lucia sieht, dass ihre Stirnwunde aufgehört hat, zu bluten, doch eine rote Spur zieht sich über Marias Wange, über den Mund bis hin zu ihrem Kinn. „Was hat sie vor?“ – „Weiß ich nicht.“, Lucia und Frida flüstern nur noch, um Mewtu nicht durch laute Geräusche auf sie zu lenken. Eine gigantische Fontäne bricht aus dem See hervor, auf einer Länge von bestimmt einhundert Metern ragt eine Wand aus Wasser in den Himmel, bis es gefriert und eine fast durchsichtige Eismauer bildet, welche die beiden schützt. „Was…“ – „NEIN!“, Lucia springt auf und hämmert mit den Fäusten gegen das Eis. Es ist extrem hart und kalt. Sie beißt die Zähne zusammen. „Tu mir das nicht an.“. Die Koordinatorin legt die Hände vor der Brust zusammen. „Sie hat uns hier eingesperrt, weil sie weiß, dass sie uns nicht mehr weiter helfen kann.“ – „Soll das heißen…soll das heißen, sie
    opfert sich?“, Frida blickt geschockt zum Ufer herüber. Dann blinzelt sie und packt Lucias Hand. „Dann lass es nicht umsonst gewesen sein. Wir müssen verschwinden.“


    /


    Lee sitzt in demselben Raum, in welchem er vor einigen Stunden die Vision von Maria hatte. Er ist danach ein weiteres Mal verhört worden, dabei hatte er von einigen Wachen aufgeschnappt, dass er wohl wieder woanders hingebracht werden sollte, da sich anscheinend ein ganzes Team aus Trainerinnen auf den Weg gemacht hatte, um ihn und Tai zu retten. Mit Sicherheit ist Maria dabei. So hatte sie es ihm vorhin gesagt. Als er ein lautes Krachen von draußen hört, öffnet er die Augen. Was hat sich Team Galaktik nun wieder ausgedacht, um ihn kleinzukriegen? In den letzten Tagen hat er dreimal Marias Tod miterlebt, einer davon schlimmer als der andere. Doch seine Lippen sind versiegelt geblieben. „Dieses Zimmer ist der reinste Hohn. Sie tun so, als würden sie mich gut behandeln, nur um mir dann noch übler zuzusetzen.“, sagt er leise. Lee steht auf und tritt zum Fenster hinüber. Im nächsten Moment springt er rückwärts, lässt sich fallen und schützt sich mit beiden Armen: ein Speer aus Eis lässt das Fenster splittern, durchschlägt die Gitterstäbe, als wären sie aus Zucker. Ein Gefühl der Freude steigt in seinem Bauch auf. Das muss sie sein. Er kann das Grinsen nicht unterdrücken. Wie sehr hat er Maria vermisst, wie oft hat er von ihr geträumt? Und jetzt, endlich, ist sie in greifbarer Nähe. Überall im Raum liegen Eissplitter herum. Lee sieht sich aufmerksam um, horcht, ob irgendwelche Galaktiker angerannt kommen. Erneut sieht er aus dem Fenster, diesmal nach unten. Der See liegt vor ihm. Viele Stockwerke unter ihm sieht das Mädchen zu ihm herauf, was ihn so gut kennt wie niemand sonst, seine Seelenverwandte und seine Freundin. Als Lee jedoch sieht, in welchem Zustand sie sich befindet, rollt eine Welle von Sorgen über ihn hinweg. ‚Was ist da passiert? Wer ist so stark, dass er sie so zurichten kann?‘, fragt er sich. Ein Blick über den See gibt ihm die Antwort. Mewtu starrt ebenfalls in Marias Richtung. Und es hebt den Arm. Lee beugt sich nach vorn, durch das Loch in der Wand. „Maria! Mach, dass du wegkommst! LOS!“, brüllt er. Gleichzeitig schätzt er den Abstand zur Wasseroberfläche ein. 20-30 Meter? Lee überlegt nicht lange, er muss zu Maria, und zwar sofort. Hastig tritt er einige Schritte zurück und rennt dann, so schnell er kann, auf das Loch zu. Die Muskeln seines rechten Beins angespannt, springt er ab. Einige Sekunden, die ihm wie eine halbe Ewigkeit vorkommen, rauscht der Blonde durch die Luft.


    Maria erschafft einen zweiten Speer, der einige Stockwerke unter dem Fenster einschlägt, aus welchem Lee gesprungen ist. Er legt die Arme seitlich an den Körper, streckt die Beine gerade aus und durchbricht die Wasseroberfläche. Mit schnellen Zügen schwimmt Lee wieder an die Oberfläche. Keine 20 Meter vor ihm steht Maria am Ufer. Sie dreht sich um. Ihre Augen treffen sich. Die Lippen des Mädchens verziehen sich zu einem sanften Lächeln. Als sie den Mund öffnet, bleibt die Zeit für Lee kurz stehen. Sein Gehirn registriert, was passiert, doch er will es nicht wahrhaben. Maria wird in die Luft geschleudert, höher und höher, bis sie weit über den Dächern der Gebäudekomplexe schwebt. Mewtu ballt die drei Finger seiner Hand zu einer Faust, lenkt seine Kräfte in neue Bahnen. Das braunhaarige Mädchen wird in Richtung Westen in den Wald geschleudert. Lees Verstand setzt aus. Ist das wieder nur eine Halluzination? Bitte kein viertes Mal.



    So, das wars auch schon wieder ^^ Kommis wären wie gesagt cool, auch wenn hier iwie keiner was schreibt... naja, part 2 von dem kapi kommt, wenn DoD wieder Internet hat. Also, byebye ^.^
    LG's
    Sunny~

  • Kapitel 38 - Teil 2
    Ein neues Leben


    Unmöglich. Sie war so nahe gekommen, sie hatten sich angelächelt! Er würde sie jetzt auf keinen Fall aufgeben. Seine gesamte Wut richtet sich gegen Mewtu, er will dieses Wesen dafür leiden sehen. Aber bevor er angreifen kann, landet Tai neben ihm im Wasser, welcher auch sichtlich mitgenommen ist. Striemen ziehen sich über seine rechte Wange, das Auge ist geschwollen. „Lee! War das Maria? Wir müssen weg!“ – „LEE!“, eine Mädchenstimme ruft nach dem Blonden. Als er sich umsieht, erblickt er Lucia. Stimmt, sie begleitet Maria, fährt es ihm durch den Kopf. „Lucia!“ – „Schnell!“, sie ruft, und gleichzeitig weint sie, Tränen glitzern auf ihren Wangen. Diesmal wird Maria nicht von Ekitai Shojou gerettet, ihre Kraft reichte vorne und hinten nicht mehr. Eine Welle der Hoffnungslosigkeit überrollt die Koordinatorin. ‚Sie überlebt. Sie überlebt!‘, sagt sie sich immer und immer wieder, als sie neben Lee her rennt, weg von Mewtu, auf das Ufer zu. Sie zieht unter Tränen ein Handy hervor, welches dem von Lee ähnelt. „Rocky am Apparat! Ist grad schlecht, ist es wichtig?“, Kampfgeräusche dringen aus dem Hörer, Lucia holt tief Luft. „Lee und Tai sind frei.“ – „Das ist eine gute Nachricht. Ich werde sofort allen Bescheid geben, dass die Kämpfe unnötig sind. Haben sie ihre Pokémon?“, die Blauhaarige sieht sich kurz zu Lee und Tai um, schreit dann auf, als die Eismauer, welche sie von Mewtu abschirmte, zerbricht. „Marias Kraft…“ – „Weiter.“, knurrt Lee, erschrocken bemerkt Lucia auf seinem Gesicht ebenfalls Tränen. Er muss wirklich verzweifelt sein.„Nein. Und, und…wir haben Maria verloren.“, antwortet sie dann auf Rockys Frage. Die Verbindung bricht ab, Lucia meint, noch das Wort „Manon“ verstanden zu haben. Genau in dem Augenblick, als Lucias linker Fuß das Ufer berührt, verschwindet ihre Fähigkeit, auf dem Wasser zu laufen. Die Kräfte Marias reichen nicht mehr aus. Tai sieht sich um, bemerkt dabei Frida. „Die Leiterin! Wow.“, entfährt es ihm. „Wo ist dieses…Ding von eben?“ – „Das war ein Mewtu.“, Lee legt den Kopf zurück und schließt die Augen. "Womit haben wir das verdient?"
    /


    Rocky steckt ihr Handy weg und springt rückwärts, sodass Gemini sie verfehlt. Dann geht sie keuchend in die Defensive. „Cat!“ – „Ja?“ – „Wir sind hier fertig!“ – „Was?!“ – „Rückzug! Unser Auftrag ist fürs Erste erledigt!“, ruft die Polizistin. In Gedanken geht sie die nächsten Schritte durch. „Maria verloren“, hat Lucia gesagt. Das durfte nicht wahr sein, ihre oberste Priorität besteht nun darin, das Team zusammenzuführen und zu schauen, wie die nächsten Schritte aussehen können. Mit einem Rückwärtssalto landet Cat neben ihr, Uranus und sie sind beide mittelschwer verletzt. Sie haben sich nichts geschenkt. Da Gemini und Rocky in Joanas Nähe gekämpft hatten, konnte das Mädchen Cat nicht heilen. Gemini hat immer einen Weg gefunden, sie aufzuhalten, doch sie hatte die Heilerin aus Flori nicht angegriffen. Uranus stützt sich auf ein Knie und atmet schwer, Gemini hängen die Haare nass ins Gesicht, ihr Gesicht ist gerötet und sie steht kurz vor dem Zusammenbruch. Rocky geht es selbst kaum besser. Jeder hier ist an seine Grenzen gelangt. „Miau sehen uns wieder!“, verspricht das Katzenmädchen. Die drei Trainerinnen ziehen sich zurück, wobei die Polizistin den Arm um Cats Taille legt und ihr so ein wenig Halt bietet. Gemini und Uranus bleiben, wo sie sind. „Geht’s?“, fragt sie. „Ja, ich bin nicht großartig verletzt…aber danke, Rocky. Was ist passiert?“ – „Es ist Maria, Frida und Lucia gelungen, Tai und Lee zu befreien. Dabei ist allerdings Maria besiegt worden, glaube ich. Ich weiß nichts Näheres, aber Lucia schien ziemlich fertig zu sein. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.“, gibt die Frau mit den türkisfarbenen Haaren düster zurück. „Maria ist ziemlich stark, oder? Ich glaube, ich will gar nicht wissen, gegen was die gekämpft haben!“
    /


    Als Manon und Hagane Rockys Anruf kriegen, befinden sie sich gerade in einer typischen Ruhephase eines Kampfs. Beide Seiten belauern sich und versuchen, eine Schwachstelle zu finden. Haganes Stahlos konnte einige Treffer gegen Hypno landen. Manon hat in dieser Luna eine würdige Gegnerin gefunden. Trotz des Fakts, dass sie ein Virus benutzt hat, um stärker zu werden, ist deutlich, dass sie eine Ausnahmekämpferin sein muss. Sofort greift Manon Haganes Hand und rennt mit ihr auf den Waldrand zu, Luna verfolgt sie, doch als sie merkt, dass die beiden nicht vorhaben, den Kampf weiterzuführen, gibt sie es auf. „Manon? Was ist?“, will Hagane wissen. Vom abrupten Fluchtplan hat sie nichts mitbekommen, das Verhalten der Frau macht ihr Angst. „Wir haben die beiden gerettet. Es gibt keinen Grund mehr zum Kämpfen.“, sagt Manon leise. Einige Momente später sinkt sie auf dem Waldboden zusammen. „Geht es dir nicht gut?“, besorgt beugt sich Hagane über Manon. Die Haare der Frau verändern sich, aus den schwarzen und weißen Strähnen werden erneut rote Locken. Als sie hochsieht, sind ihre Augen ebenfalls wieder normal. „Ich kann nicht ewig so bleiben, das verbraucht auch Kraft.“, erklärt sie. Nachdem Gut und Böse so lange die Kontrolle über ihren Körper hatten, müssen sich Angel und die Teufelin nun ausruhen. Manons Kampf ist vorbei.
    /


    „Officer!“, Lee rennt auf Rocky zu, kaum dass er sie erblickt hat. Er, Tai, Frida und Lucia sind schweigend an den eingefrorenen Gegnern Marias vorbeigekommen, hatten den zerstörten Zaun passiert und das verwüstete Kampffeld dahinter. Nun kommt wieder Leben in den Trainer. „Wo ist Maria?“, will die Polizistin wissen. „Da lang, sie wurde von einem Mewtu angegriffen, und…“ – „Ein MEWTU?“ – „Ja.“, Lee versteht nicht, wieso Rocky nicht auch anfängt, zu laufen. Es ist wichtig, Maria so schnell wie möglich zu finden. „Kommen Sie! Wir müssen sie suchen!“ – „Wo ist dieses Mewtu jetzt?“ – „Keine Ahnung, es ist verschwunden, nachdem wir die Eismauer hinter uns hatten, die Maria erschaffen hat, um uns zu schützen.“, Frida erhebt die Stimme. „Ich gehe davon aus, dass es hier irgendwo im Wald versteckt ist, und auf uns wartet. Lee, wir können das nicht riskieren! Wenn Maria besiegt wurde, haben wir keine Chance gegen solch einen Gegner.“ – „Dann suche ich sie allein.“ – „Halt.“ – „Lee!“, Hagane und Manon treffen ein, Manon hält den Eistrainer zurück, greift in ihren nun zerschlissenen Mantel und reicht ihm seine Pokébälle. „Wo hast du…“ – „Venus war nicht vorsichtig genug.“, erwidert die Trainerin. „Danke.“. Lee wendet sich ab und läuft ins Unterholz. Hagane bleibt enttäuscht stehen. „Er wollte nicht mal mit mir reden.“ – „Sorge dich nicht. Er kommt wieder. Ich habe nicht vor, Maria zurückzulassen.“, Rocky redet nun mit den restlichen Trainern. „Aber ein Mewtu…ich weiß nicht, was ich tun soll.“, sie sieht so hilflos aus, dass Joana auf sie zugeht und ihre Hand nimmt. Erstaunt sieht Rocky herunter. Dann entspannt sie sich sichtlich. „Du hast Recht, ich sollte das Naheliegendste tun. Meine Damen, wir lassen niemanden zurück.“, auf ihre Worte hin macht sie kehrt und folgt Lee. Die anderen Trainerinnen folgen ihr. Lucia wischt sich verstohlen die Tränen von den Wangen. In der Hand hält sie Marias Pullover und die Jacke.
    Die Sonne durchschreitet den Zenit. Die Kämpfe am Stärkesee haben lange Stunden angedauert, doch nun herrscht wieder tiefe Stille über dem kalten, klaren Wasser. Eisschollen, Erinnerungen an Marias Macht, treiben auf dem See umher. Yussuf, das Phantom und die wenigen Galaktiker, die, zur Eissäule erstarrt, auf dem Kampffeld stehen, tauen langsam auf. Doch im Wald westlich des Stärkesees durchkämmen Lees Pokémon die Gegend. Sie waren glücklich, ihn gesund wiederzusehen. Nun wollten sie, dass auch er glücklich ist, und suchten das braunhaarige Mädchen, was mit Lee in einem Haus wohnt. Dieses Mädchen bedeutet ihm alles, das wissen sie. Kicklees Beine werden, wie es so von Natur aus vorgesehen ist, immer länger, je weiter es läuft. Der Eistrainer selbst ruft sich die Szene noch einmal in Erinnerung. Grauen überkommt ihn, als er sich vorstellt, welche Verletzungen seine Maria ertragen muss. ‚Ruhig. Du brauchst die Flugbahn.‘, sagt er sich und denkt noch einmal genau nach. Den Gedanken, dass niemand, der mit dem Tempo auf gefrorenem Boden aufprallt, überleben kann, unterdrückt er. Im Anschluss wendet er sich nach links und rennt weiter. Kicklee läuft ihm voraus. Nach einer Weile bemerkt er über sich einige Äste, an denen der Schnee fehlt. Sein Blick sucht die kleine Lichtung ab, auf der Lee sich befindet. Als er Maria erblickt, zuckt er zusammen. Sie liegt zwischen zwei eingefrorenen Sträuchern, ihr T-Shirt ist kurz unter der Brust eingerissen, ihr Bauchnabel liegt frei. Schnee rieselt auf ihren Kopf. Die Augen des Mädchens sind geschlossen. „Maria.“, flüstert Lee und geht langsam auf sie zu. Tausend Gedanken rasen hinter seiner Stirn, so lange hat er sich auf ein Wiedersehen gefreut. Und jetzt ist es ruiniert. Er reißt sich zusammen und untersucht sie. Der linke Arm ist gebrochen, an der Brust hat sie Kratzspuren und Prellungen. An ihrer Wange ist ein langer Schnitt zu sehen, der erst beim Sturz entstanden sein muss. Beim Gedanken daran, wer sie so zugerichtet hat, wird ihm übel vor Wut. War das alles Mewtu? Doch dann hört er Schritte im Unterholz hinter sich. „Oh.“, es ist Rockys Stimme. Sie, Lucia und Hagane kommen hinzu. Lucia erschrickt sichtlich, als sie ihre Freundin so sieht. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst sowas nicht mehr tun.“, murmelt sie mit tränenerstickter Stimme. „Wie sieht es aus?“, fragt Rocky, damit meint sie im Grunde „Lebt sie noch?“, denkt Lee. Er legt ein Ohr an Marias Brust. Die Angst um sie wird immer größer, als er nichts hört. 'Bitte. Ein Ton. Nur ein Ton!'. Mehrere Sekunden beugt er sich so über seine Freundin. Das Pochen ihres Herzens, so schwach es auch ist, klingt so erlösend wie ein Paukenschlag. Lee stößt die Luft aus. „Wo ist Joana? Sie kann Maria heilen.“, drängt er. Rocky hebt ihr Handy. Doch als sie gerade wählen will, raschelt es erneut. Diesmal sind es Manon, Cat und Joana, die die Lichtung betreten. Sofort rennt das Mädchen mit den pinkfarbenen Haaren los, wie immer verdeckt eine Strähne ihr Auge. Sie kniet sich auf Marias andere Seite und zieht einen kleinen Verbandskasten aus ihrer Tasche. Lee fällt auf, dass die Kleine ziemlich heftig ihr Gesicht verzieht, als würde ihr ein übler Geruch in die Nase steigen.
    Mit schnellen Hangriffen verbindet sie Marias offene Wunden, wischt ihr das Gesicht sauber. Dann zieht sie der Braunhaarigen das T-Shirt aus und legt einen Druckverband um ihre Brust. Joana findet es merkwürdig, wie ein Mädchen obenrum so viel haben kann, oder ist das in dem Alter normal? Ziemlich unpraktisch, oder vielleicht doch nicht? Sie beschließt, später darüber nachzudenken. Zum Glück ist der Verband lang genug. Am schlimmsten ist der gebrochene Arm, den kann sie nur schwer heilen. Erst muss er in die richtige Position gebracht werden. Ein Handgriff, es knackt. Joana nickt zufrieden. Der ekelhafte Geruch lässt ein wenig nach. Sie hebt den Arm ein wenig an und streicht ihre kostbarste Salbe, die sie hat, auf die Bruchstelle. Nur wenige Menschen wissen, wie diese Salbe hergestellt wird. Joana selbst hat das Rezept von einer geheimnisvollen Frau gelernt, die einst durch Sinnoh reiste und in Flori einen Tag verblieben ist. Diese Frau hatte ebenso rote Haare gehabt wie Manon. Das Mädchen schüttelt leicht den Kopf. Es ist nicht gut, sich ablenken zu lassen, erst recht nicht, wenn es nur Erinnerungen sind. Die Salbe entfaltet ihre Wirkung innerhalb von einem Tag. Als sie mit ihrer improvisierten Behandlung fertig ist, nickt sie Lee zu. Der Trainer zieht Maria ihren Pulli und die Jacke an. In diesem Moment schlägt das Wassermädchen die Augen auf. Joana nimmt ihre Hand und hilft ihr, sich aufzusetzen. Lee stützt ihre Schulter. Ihm hat es den Atem verschlagen. Joana findet es schön, wenn sich zwei Menschen lieben, und die Liebe dieser beiden ist fast mit Händen greifbar. Ein betörender Duft steigt ihr in die Nase und vertreibt den Gestank, den Marias Verletzungen absondern. „Lee.“ – „Maria.“, mehr sagen die beiden nicht. Der Duft verstärkt sich und wirkt wie eine Art Aphrodisiakum auf Joanas Gehirn. Sie lächelt. Lucia hält einen Arm vor die Augen, um ihre Tränen zu verbergen, die ihr gekommen sind. Diesmal allerdings vor Glück.
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    Ich kann nicht fassen, dass ich diesen Sturz überlebt habe. Als ich auf dieser verschneiten Lichtung die Augen aufschlage, denke ich, ich durchlebe eine Art Halluzination, die mir das Sterben leichter gestalten soll. Doch die Schmerzen in meinem Arm sind echt, das Brennen in meiner Brust ebenso. Und doch verblasst all das, als ich Lee endlich wieder in die Augen sehe. Sogar in meinem jetzigen Zustand begehrt er mich, ich erkenne es am Leuchten seiner Augen. Glück durchflutet mich. Endlich kann ich mich wieder ganz fühlen. „Danke. An euch alle.“, sage ich, als ich die Trainerinnen erkenne, die hinter Lee und Joana stehen. „Und danke auch an dich, kleine Heilerin.“, lächele ich sie an. In kurzer Zeit stand ich nun 2 Mal am Rand des Todes. Es ist nur meinen Freunden zu verdanken, dass ich das alles überlebe. Sie legt mir sanft eine Hand auf die Brust, dann führt sie dieselbe Hand an ihr Herz. „Du fühlst dich auch glücklich? Das freut mich:“. Sie nickt. „Scheinbar sind wir damit vollzählig.“, meint Rocky. Sie wirkt sehr erleichtert, nun, da es mir besser geht. Ich versuche, aufzustehen, doch meine Muskeln gehorchen nicht. Lee scheint das zu merken, er legt meine Beine über seinen rechten Arm, schiebt den linken Arm unter meine Schultern und hebt mich hoch. „Hier kommt die Braut.“, grinst Tai, sein Gesicht allerdings lässt mich darüber nachgrübeln, ob Spaß in seiner Situation angebracht ist. Doch scheinbar will er sich auf diese Weise davon ablenken, was ihm selbst passiert ist. Er ist nach alldem immer noch ein Kämpfer. An seinem Gürtel sehe ich sechs Pokébälle, wahrscheinlich hat eine der Trainerinnen denjenigen Officer besiegt, der die Pokémon der beiden Gefangenen bewacht hat. Hagane steht am Rand der Lichtung, Lee hält auf sie zu, beugt sich mit mir im Arm vor, und küsst sie leicht auf die Stirn. „Du bist stark geworden, ich kann es fühlen.“, sagt er. Seine Schwester sieht ihn nur ernst an, als ob sie prüfen wolle, dass dieser Lee noch ihr Bruder ist. Ich kann die Wärme seines Körpers spüren. Einige Momente vergehen, in denen die Geschwister sich still ansehen. Dann lächelt Hagane Lee an, das Eis ist gebrochen. „Klar bin ich das.“ – „Den ersten Teil unseres Plans haben wir ausgeführt. Auf nach Blizzach!“, kommandiert Rocky.
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    Hinter den Büschen im Unterholz des Waldes warten Pia und Oliver darauf, dass die Trainerinnen und die beiden Jungs verschwinden. „Hast du alles im Kasten, Oliver?“ – „Jawoll. Allesauftape.“ – „Rede nicht so schnell, klaro?“ – „Verstandnmadame.“ – „Puh. So einen Kampf habe ich noch nie gesehen! Das wird die Story des Jahres!“, begeistert sich die junge Frau. Oliver verstaut die Filmkamera in seinem Rucksack, der extra dafür umgebaut wurde. Ein Metallgestell im Inneren verhindert, dass die Kamera unnötig hin und her geschleudert wird und somit vielleicht Kleinteile verliert. „Verdammgutertipp vom Dean, mussichsagn. Harterkampf, diesebraunhaarigeda gehtabwiederwind, hautemtypnainroan dassim hörnunsehn vergeht, springtmalockerdreimeter und…“ – „Ja, da hast du Recht. Der Barkeeper hat was gut bei mir.“, ‚Mal ganz abgesehen davon, dass er verteufelt gut aussieht‘, fügt Pia in Gedanken hinzu. Als sie merkt, dass Oliver sie anstarrt, wird sie rot. „Keinen Ton, sonst setzt es was.“, warnt sie ihn. „Yessircaptn.“. Seufzend schlägt Pia einen Schleichweg nach Blizzach ein. Ihr Kameramann folgt ihr. ‚So, wie der redet, kommt der entweder aus dem Weltraum oder aus Mexiko. Ich habe Glück, dass ich ein so schnelles Gehör habe.‘, denkt sie.
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    Einen halben Kilometer entfernt ist Yussuf wieder aufgetaut und will das Ausmaß der Zerstörung überprüfen, welche die Trainerinnen am geheimen Versteck angerichtet haben. Das Phantom geht neben ihm her. „Arrr, Yussuf, so hart musste ich lange nicht kämpfen.“ – „Yussuf…gedemütigt.“ – „Nein, mach dir keinen Vorwurf. Dieses Mädchen ist nicht normal, dagegen kann man nichts ausrichten. Sie hat ihren Körper in Wasser verwandelt, Hölle und Verdammnis! Wir müssen sofort Saturn benachrichtigen. Die ist brandgefährlich.“ – „Wir haben Glück, dass wir davongekommen sind. Ihre Kräfte haben aus irgendeinem Grund aufgehört, zu wirken.“ – „Arrr. Ich frage mich, wieso.“, der Pirat sieht sich aufmerksam um; überall sind Spuren des Kampfes zu sehen. Von Luna, welche nun im Krankenhaus liegt, Galaxy und Uranus waren schon die ersten Berichte reingekommen. Scheinbar hatte Maria den Kampf gegen Phantom und Yussuf geplant, denn gegen die anderen Trainerinnen hätte Yussuf mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen. Außer gegen Manon. Die hatte gegen Luna bestanden, obwohl die Galaktikerin ihren Körper mit dem „Simons last wish“ infiziert hatte. Plötzlich bleibt Yussuf stehen und bückt sich. „Hast du was entdeckt?“ – „Ja.“, der Offizier hält einen kleinen, weißen Stein in der Hand, welcher ihm eine ungewohnte Leichtigkeit durch den Körper jagt. Als würde Luft durch seine Adern fließen. „Yussuf gefällts.“, zischt er. Dann duckt er sich, stößt sich vom Boden ab und fliegt ein Dutzend Meter in die Höhe. Phantom sieht mit offenem Mund zu. „Was ist das für ein Ding?“ – „Ein Leichtstein. Sie hat ihn verloren.“. Yussuf führt probeweise einige blitzschnelle Kicks aus, steckt den Fund in seine Hosentasche, merkt dabei, dass die Leichtigkeit schwindet. ‚Sie muss ihn eng am Körper getragen haben, damit er ihre Haut berühren konnte.‘, überlegt er. Dann erinnert er sich an die letzten paar Minuten des Kampfs. Er war wirklich erbärmlich gewesen. Scham droht ihn zu überwältigen. „Das zahle ich dir heim. Niemand besiegt Yussuf.“, knurrt er. Mit diesem kleinen Stein kann er seine Grenzen überschreiten. Er folgt seinem Kapitän, als dieser sich anschickt, den See zu umrunden. Es muss festgestellt werden, wie die Gefangenen fliehen konnten.
    //


    Blizzach
    Wir kommen nur langsam voran, die ganze Gruppe ist sichtlich geschwächt. Nur Joana nicht, dafür hatte sie uns anderen sehr geholfen. Lee trägt mich noch immer, ich kriege langsam das Gefühl in den Beinen zurück. Er und Tai erzählen Rocky haargenau, was ihnen passiert ist und welche Informationen Team Galaktik wollte. Doch die Entführer hatten sich die falschen Opfer ausgesucht; Tai hat jahrelanges Training hinter sich und ist in der Lage, Schmerzen zu ignorieren, jedenfalls bis zu einem sehr hohen Grad. Lee ist nicht so robust wie der Kampftrainer oder gar Pay, doch dafür hat er einen eisernen Willen, der ihm half, keines unserer Geheimnisse preiszugeben. Bei der Beschreibungen der Foltermethoden kriecht mir ein kaltes Gefühl in den Nacken. Was Lee da so nüchtern und sachlich erzählt, klingt für mich nach brachialer Gewalt. Gift, Schmerzen, Halluzinationen, das alles und noch viel mehr hatten sie gegen ihn und Tai benutzt. Ich weiß nicht, ob ich dem standgehalten hätte. Mein langes Haar wird vom Wind erfasst, als wir die Stadtgrenze überqueren, und weht mir für einige Sekunden ins Gesicht. Lee lächelt mich an. „Wie sehr habe ich darauf gewartet.“ – „Und doch rettest du mich am Ende.“ – „Sieht so aus.“, meint er, zieht dann eine Braue hoch und hebt mich ein Stückchen höher, damit er meine Wange küssen kann. Sofort verlangt mein Körper nach mehr. Aber noch muss ich mich gedulden. Wir passieren ein kleines Wohngebiet, dann eine mittelmäßig belebte Einkaufsstraße und schließlich kommen wir im Stadtkern an. Das Pokémoncenter erhebt sich vor uns. Rocky hat sich die Ausführungen von Tai und Lee eingeprägt, danach war sie auffallend still. Lucia läuft neben Lee her und scheint ihren zweiten Schrecken noch nicht überwunden zu haben. Sie tut mir leid, ich will nicht, dass sie sich meinetwegen immer so große Sorgen macht.
    Die Polizistin hebt den Kopf, ihre Gedankengänge scheinen sie zu einem Entschluss geführt zu haben. „Wir haben jetzt mehrere Möglichkeiten.“, sie unterbricht sich, um einem Schneehaufen auszuweichen, der vor ihr den Gehsteig blockiert. „Eine davon ist, Verstärkung anzufordern und den See der Stärke noch einmal anzugreifen.“ – „Nein. Das wird nicht reichen. Wir haben kein Pokémon, was es mit einem Mewtu aufnehmen könnte.“, widerspricht Manon. Ich denke kurz nach. „Stimmt nicht so ganz. Rocky, ich muss dein Team leider für eine Weile im Stich lassen.“ – „Was?!“, die Frau starrt mich an. Fassungslosigkeit breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Es ist nicht, wie du denkst. Ich habe einen Plan. Dazu muss ich nach Alamos Town.“ – „Alamos?“, Lucia scheint zu verstehen. „Das Telefonat…hast du das alles geplant?“ – „Geplant nicht, nur vorgesorgt.“ – „Worüber redet ihr?“, mischt sich Lee ein. „Hast du Alice angerufen?“ – „Tonio war dran.“ – „Leute!“, Rocky hebt die Hände. „Was meinst du mit „Ich muss das Team im Stich lassen“?“ – „Die Verstärkung kann in Herzhofen bleiben. Ich regle das.“, sage ich. Ein alter Freund von mir lebt dort und beschützt die Stadt. Doch Sinnoh ist in großer Gefahr, und er wird sicher dabei helfen, es zu schützen. Vor einigen Jahren hatte er schon einmal gegen übermächtige Gegner gekämpft und sogar eine gute Figur dabei gemacht. „In Alamos Town stehen die Space-Time-Towers. Mehr weiß ich über diese Stadt nicht.“ – „Das ist kein Wunder.“, unterbreche ich Cat. „Diese Geschichte wurde unter Verschluss gehalten, damit kein Chaos ausbricht.“. Der Polizistin geht ein Licht auf. „Der schwarze Wächter? Ich dachte, das wäre nur ein Mythos...“ – „Genau der.“. Ich versuche, meine Beine zu bewegen. Das linke gehorcht, das rechte nicht. „Ich habe vor, ihn aus Alamos Town zu holen, denn mir ist kein Pokémon bekannt, was es sonst mit Mewtu aufnehmen könnte.“ – „Gut.“. Rocky schweigt eine Weile. „Ich werde dich begleiten.“, entscheidet Lee. Lucia nickt heftig. „Ich auch!“ – „Leute! Es ist schwer genug, Maria gehen zu lassen. Wir brauchen hier alle, die wir kriegen können.“ – „Miau gefällt das nicht. Ohne Maria haben miau doch noch weniger Chancen.“ – „Rocky, sie hat nicht Unrecht, aber auch Team Galaktik ist geschwächt. Sie werden sich wohl kaum etwas erlauben, solange sie in der Regenerationsphase sind.“, beruhigt der Blonde sie. „Darum können wir es uns, so glaube ich, leisten, einen kleinen Abstecher nach Alamos zu machen.“ – „Hm. Ich lasse euch trotzdem nur ungern gehen.“ – „Wir besprechen das alles im Pokémoncenter.“, unterbricht Manon die Diskussion und geht voraus.
    Im Inneren ist es rappelvoll, ein Haufen Trainer steht herum. Jeder wartet darauf, an die Reihe zu kommen. „Das ist schlecht.“, murmele ich. Einige Mädchen, die in einer Sitzgruppe beisammen hocken, sehen mich und Lee. Die eine legt faltet die Hände und säuselt ihren Freundinnen zu: „Seht mal, ist das nicht romantisch?“ – „Ich wünschte, meiner wäre auch so.“ – „Hach!“, seufzend blickt die Dritte Lee an. Ich bemühe mich, einen hilfsbedürftigen Eindruck zu machen, damit Lee noch heroischer wirkt. „Notfall, können wir mal durch?“, mein Freund bahnt sich einen Weg durch die zurückweichenden Trainer, Lucia und die anderem folgen ihm. Schwester Joy sieht bestürzt auf meine Verletzungen, doch um mich geht es hier nicht. „Unsere Pokémon müssen sich dringend ausruhen, und einige brauchen medizinische Hilfe.“, ergreift Rocky das Wort, als sie sich neben Lee stellt. „Natürlich. Sofort. Folgt mir!“, ein wenig nervös eilt Joy in den Gang zu ihrer Linken, er führt tiefer in das Gebäude hinein. Ich kenne den Aufbau der Pokémoncenter, der Gang führt zum Behandlungstrakt. Garados und Tsuname sind von mir die beiden, die am meisten eingesteckt haben. Als wir im Behandlungssaal stehen, sehe ich, wie alle Trainerinnen außer Joana mehrere Pokémon auf die dafür vorgesehenen Stationen legen. Von Hagane sind es sogar drei. Ihr halbes Team ist besiegt worden. „Es wird eine Weile dauern. Ich muss für jedes Pokémon ein Profil erstellen, um zu prüfen, in welchem Zustand es sich befindet. Bleibt bitte in der Nähe des Pokémoncenters, es kann sein, dass ich Fragen an euch habe.“ – „Ist gut.“, bestätigen wir, nachdem die Krankenschwester geendet hat. „Wir brauchen einen Raum, wo wir uns ungestört unterhalten können.“, murmelt Rocky. „Das Café über Fridas Arena?“, schlägt Hagane vor. Frida nickt. „Momentan haben wir geschlossen, aber das müsste klappen. Ich habe einen Schlüssel.“. Ich sehe kurz zu Lee hoch. Meine Beine funktionieren wieder, aber es fühlt sich so gut an, getragen zu werden. Ich wünschte beinahe, er würde die linke Hand ein wenig weiter unten platzieren. Kaum habe ich diesen Gedanken gedacht, kommt er meinem Wunsch unbewusst nach. Als wir erneut in den Gang hinaustreten, muss er mich kurz anheben und greift dafür um. Ich zucke zusammen. Energiewellen rasen durch meinen Körper. „Stimmt was nicht?“, fragt er leise, als er sieht, was mein Gesicht für eine Farbe annimmt. „Nein. Alles Bestens.“ – „Auch so?“, er drückt für eine Sekunde fester zu. „Ja… und jetzt hör auf, wir holen das später nach.“, ich lege viel Verlangen in meine Stimme, und ich weiß, dass er genauso fühlt. Doch fürs Erste gibt es mehr als genug zu besprechen. Denn wir müssen zurück in den Süden, wo der schwarze Wächter auf mich wartet.


    das war der zweite teil, ich habe mir jetzt einen kleinen internetstick zugelegt, damit ich auch weiter posten kann :D ich freue mich auf kommis und sowas, bis dann.
    mfg
    DoD

  • lang lang ists her, und hier geb ich auch mal wieder meinen senf dazu :D:D
    also, erstens bin ich beeindruckt von den langen kampfszenen, wir haben hier wieviel? 4-5 schauplätze wenn ich das richtig sehe xD fies natürlich dass die kleine joana abgetrennt wurde, die muss doch helfen O:
    du hast nen hang zu sehr interessanten spezialattacken stimmts xDDD erstmal die vernichterplase von maria, dann gibts den yussuf sprint, manon hat gleich drei seelen O__O(damit würd ich voll nicht klarkommen, da will doch jede seele was andres essen xDDDD)
    wie der kampf ausunfert und immer stärkere kombinationen fodert, ich find das echt cool 8-) find marias fähigkeiten auch langsam eeecht unfair xD die wird zu wasser und kontrolliert ALLES (auch deine hausaufgaben :D:D) meine favoriten sind trotzdem manon und pay xDD wer hätts gedacht wa?
    ich kann mir formlich vorstellen wie argo und pay sich gegenseitig wegballern, dass die erde bebt O: jeah! das macht laune xD am ende hat mein namensvetter ja ne echt gute idee gehabt, wie er argo ausschaltet o:
    ooohhhh bevor ichs vergess, die eine szene ist ja ultra melodramatisch O__O da findet sich unsre 2 herzchen ENDLICH wieder, und gerade als sie sich in die augen sehn kommt das mewtu wieder raus -.- giovanni ich hasse dich D:
    aber UI maria wird sich sooo böse rächen :essen: jetzt kommt nämlich daaarkrai xDD oh der geht töten men
    hier noch meine lieblingsstellen :D


    Zitat

    „Nein. Und, und…wir haben Maria verloren.“

    <- Holyshit das ist übel


    Zitat

    „Hier kommt die Braut.“, grinst Tai

    <- okay, wir haben gerade die romantischste stelle des kapis hinter uns, und tai verstaut sie mit nur 4 worten. U ME MATE :D


    Zitat

    „Yessircaptn.“. Seufzend schlägt Pia einen Schleichweg nach Blizzach ein. Ihr Kameramann folgt ihr. ‚So, wie der redet, kommt der entweder aus dem Weltraum oder aus Mexiko.

    <- lets hope, this isnst about to go any further south :D irgendwie hätt ich wissen müssen, dass der barkeeper noch einen raushaut O:


    Zitat

    „Yussuf gefällts.“, zischt er

    <- OMG neiiiiiiiin! D:


    Zitat

    muss er mich kurz anheben und greift dafür um. Ich zucke zusammen.

    <- O DU BÖSER BUB GHIHIHIHIHIHHIIIHIHIHIHIHI nein ersthaft, wie war das mit der telepathie? :D


    Zitat

    „Ich habe vor, ihn aus Alamos Town zu holen,

    <- watch out, weve got a real gangsta over there xDDD


    grüße aus dem norden :D

    "I said: Ryan, Jedi don´t give up. Then again, I´m thinking oldschool. This is a new generation."

  • und da bin ich wieder. erstmal danke, pay, für den kommentar :D
    ja, das mewtu musste leider sein, um eine art gegengewicht einzubauen, du verstehst... wir wollen ja nicht dass es ein allzu leichtes ende nimmt. dafür aber rüstet maria jetzt ebenfalls auf, wenn ich das so sagen kann, und das resultat seht ihr im nächsten kapitel. jetzt aber zuerst:


    Kapitel 39
    Ein Mädchen namens Lilith


    8.7.2009


    Wie jeden Vormittag steht die junge, blonde Frau an der Balustrade des gigantischen Gartens, der sich unter ihr erstreckt. Steinerne Säulen tragen ein Holzgitter, von welchem Ranken hinunter wachsen. Eine davon kitzelt die Frau im Nacken, als sie sich umdreht. Sie blinzelt nicht einmal. Wozu auch? Hier besteht keinerlei Gefahr, der Garten ist sicher. Dieser Garten ist für alle da. Unter ihr tollen ein Luxio und ein Bamelin umher, sie sind in ihr Spiel versunken. Glücklich lauscht Alice den Geräuschen der beiden und hebt ein Blatt an ihre Lippen. Das Lied, welches ertönt, als sie leicht bläst, hat eine langsame, traurige Melodie, doch jeder in Alamos Town hört sie gern. Oracion, das Gebet der Gefühle, mächtig genug, um selbst die hitzigsten Kämpfer auf der Stelle zu beruhigen. So heißt ihr Lied. Ein Schatten verdunkelt den kleinen, sandigen Platz Erde vor ihr. Sie blickt nicht in den Himmel, um zu prüfen, ob es sich bewölkt. Alice kennt diesen Schatten sehr gut. „Darkrai. Hast du mit Tonio gesprochen?“, fragt sie, nachdem sie ihr Blatt von den Lippen genommen hat. Eine tiefe Stimme ertönt in ihrem Kopf. ‚Habe ich. Und ich halte mich bereit.‘ – „Also wirst du Alamos verlassen, wenn sie kommt?“ – ‚Die Raum-Zeit-Krise mag vorbei sein, doch das bedeutet nicht, dass Sinnoh- und damit auch diese Stadt- sicher ist. Ich werde tun, was immer von mir verlangt wird, wenn es dabei hilft, Alamos zu beschützen.‘. Alice schließt lächelnd die Augen und nickt. „Das dachte ich mir. Du hast der Stadt so viel Gutes getan. Danke für alles.“ – ‚Noch bin ich nicht weg. Wir wissen nicht, ob Maria kommt.‘ – „Du hast Recht. Aber ich spüre, dass dich Großes erwartet.“ – ‚Dich auch.‘, der Schatten verdichtet sich. Ein Pokémon scheint dem Boden zu entwachsen, es ist nahezu komplett schwarz. Nur der rote Kragen, der an Raubtierfänge erinnert, ein weißer, geisterhafter Nebel auf seinem Haupt sowie das leuchtend blaue Auge besitzen eine andere Farbe. Eine Strähne von Darkrais weißem Haar verdeckt das linke Auge. „Stimmt.“, lacht Alice. Sie weiß, worauf der schwarze Wächter anspielt. Ruhig legt sie eine Hand auf ihren noch flachen Bauch. „Tonio und ich sind aber sehr glücklich darüber.“, murmelt sie. Darkrai wendet sich ab und starrt in den Himmel. Derartige Dinge sind nicht sein Spezialgebiet. ‚Habt ihr schon einen Namen?‘ – „Ja. Wenn es ein Junge wird, wollen wir ihn Ash nennen.“ – ‚Das scheint mir eine gute Wahl zu sein.‘, erwidert das Albtraum-Pokémon. „Ich habe übrigens gehört, dass eine der Trainerinnen in Marias Team ein Cresselia besitzt.“ – ‚Ich habe lange kein Cresselia mehr gesehen.‘. Als Darkrai sich nicht weiter dazu äußert, hebt Alice die Brauen. „Macht dir das nichts aus?“ – ‚Warum sollte es? Ich glaube nicht, dass wir kämpfen werden. Bisher hat kein Cresselia gegen mich gewonnen.‘ – „Achso.“, lacht die Blonde.
    Die beiden sehen gemeinsam in den Garten hinunter. Viele Jahre lang hat Darkrai nun über Alamos Town, seine Stadt, gewacht, einst war es von den Pokémon gehasst worden. Erst Alicia, Alice‘ Großmutter, hat eine mitfühlende Saite in seinem schwarzen Körper geweckt, die seither nie wieder verklungen ist. Das Verhältnis zu den Pokémon hat sich auch geändert. Darkrai hat zwar nicht gern Gesellschaft, meist sieht man es lediglich mit Alice zusammen, da sie ihn an seine einstige Wohltäterin erinnert. Zu Maria Jou allerdings hat er eine ganz spezielle Beziehung. Mit dem Mädchen ist Darkrai nicht oft zusammen gewesen, aber sie befindet sich auf einer Wellenlänge mit dem Pokémon. Als Darkrai wieder im Boden versinkt und zu einem Schemen wird, blickt Alice ihm kurz hinterher. Dann legt sie erneut ihr Blatt an den Mund und spielt Oracion. Zu Ehren ihres Kindes. Eine Erinnerung flackert in ihrem Geist auf. Tonio geht nachdenklich in seiner Kammer unter den Raum-Zeit-Türmen auf und ab, kurz nachdem sie von ihrem Glück erfahren haben. „Aber wenn es ein Mädchen wird?“, fragte Tonio. Alice legte ihm eine Hand auf den Arm. „Mach dir keine allzu großen Sorgen. Es gibt viele schöne Mädchennamen da draußen. Wie wäre es mit Lucia?“. Lächelnd öffnet die junge Frau ihre Augen. ‚Ich freue mich darauf, dir Oracion beizubringen, Lucia.‘, fährt es ihr durch den Kopf, nicht wissend, dass auch Maria im Falle einer Familiengründung diesen Namen in Erwägung gezogen hat. Dann macht sie langsam kehrt und läuft, immer noch spielend, eine der vielen Steintreppen hinab, die in den Garten hinunterführen. Um vier hat sie eine Stadtführung vorzubereiten, bis dahin möchte sie sich entspannen. Ein Schallelos sitzt neben ihr in einem kleinen Fluss und sieht der jungen Frau nach, während es sich im Takt von Alice‘ Lied wiegt.
    //


    Herzhofen
    „Der Typ kann nich mehr, ich riech das!“ tönt Pay. Lilith sitzt immer noch auf ihrer Bank und sieht zu, wie ihr Liebster gegen Officer Argo kämpft. Zwei Stunden dauert der Kampf schon, mindestens. Keiner von beiden gibt nach, die Erde wird ab und zu von der Gewalt erschüttert, welche die beiden Kämpfer entfesseln. Argo scheint mit seinen Schlägen eine Art seismische Schockwelle in den Boden jagen zu können, woraufhin ab und zu Risse in der Straße auftauchen, die auf Pay zu jagen. Doch der Feuertrainer ist wendiger als man auf den ersten Blick denkt. Seine Armmuskeln sind wirklich extrem trainiert, doch wer sich zu der Überlegung hinreißen lässt, diese Muskeln würden ihn in irgendeiner Weise einschränken, der irrt gewaltig. Pay wiederum greift fast nur mit brachialen Faustschlägen an. Sein Ramoth liefert sich einen Kampf mit Turtok, der seinesgleichen sucht; jede Attacke der Panzerkröte wurde bisher von den glühenden Flügeln Ramoths abgewehrt oder zum Verdampfen gebracht. Leider zeigen auch Ramoths Angriffe kaum Wirkung, der Wassertyp seines Gegners lässt die meisten Feuertechniken ins Leere laufen. Die Straße ist weiträumig leer, in einigen Dutzend Metern beginnt die Autoschlange, die sich noch kilometerweit hinzieht. Eine der größten Kreuzungen Herzhofens ist durch den Kampf blockiert. In sämtlichen Geschäften stehen Schaulustige, Kunden ebenso wie Verkäufer und andere Mitarbeiter. „Du hast nur in einem Punkt Recht. Du riechst.“, grollt Argo, als er sich vor einem Haken Pays in Sicherheit bringt. „Uh, da hatter mich erwischt, was? Bleib doch ma stehn, damit ich dich treff!“, doch als Argo dem Folge leistet, scheitert der Angriff des Rothaarigen einmal mehr an den eisernen Unterarmen seines Gegners. Einige Male hat er diese Verteidigung schon geknackt, doch der Riese vor ihm scheint unendlich Ausdauer zu besitzen. ‚Ich bleib dabei. Wenn ich diesen Typen an Lilith ran kriege, is der Kampf gelaufn.‘, überlegt Pay. Doch wie bugsiert man einen so monströsen Typen einfach irgendwo hin? Pay zuckt zusammen und bleibt ruckartig stehen. Dann dreht er um und rennt vor Argo weg. Dieser starrt ihm erst hinterher, um zu sehen, was mit Pay los ist, stapft ihm dann jedoch erstaunlich schnell hinterher. „LILITH! Steh auf! Wir hauen ab!“, brüllt der Rothaarige. In allen Schaufenstern beginnen die Schaulustigen, ungläubig miteinander zu reden. „Was hat der denn? Der war doch besser als dieser Galaktik-Typ!“ – „Versteh ich nicht.“ – „Ich dachte, der kann Laser ausn Augn ballern!“, so oder zumindest so ähnlich macht sich Verwunderung breit. Als Pay an seinem Ramoth vorbeiläuft, folgt das Pokémon seinem Trainer.
    Aber nachdem Pay auch Lilith passiert hat, ohne Tempo abzubauen, wird Argo misstrauisch. Wieso hilft er dem Mädchen nicht? ‚Ist auch egal. Hauptsache, ich hol den ein. Seine Reserven scheinen verbraucht zu sein.‘. Der Galaktiker macht trotzdem einen kleinen Bogen um Lilith. Im nächsten Moment duckt sich der Rothaarige, ändert abrupt die Richtung und rast nun wieder auf Argo zu. Völlig überrumpelt bleibt dieser stehen. „Turtok…“ – „Zu langsam! WAHAHA!“, Pay lacht seinen Gegner aus, während er ihn, so fest er kann, in die Körpermitte schlägt. Der Unterarm Argos blockt den Angriff, doch die Wucht schleudert ihn zwei Meter von Pay weg…genau vor Liliths Bank. Kalt lächelnd beugt sich das Mädchen vor und legt ihre Hand an Argos Wange. Beinahe schon zärtlich streichelt sie ihn. „Du warst ein böser, böser Galaktiker.“, haucht sie. Argos Gegenwehr erlahmt schnell, seine Arme sinken kraftlos zu Boden. Liliths Berührung saugt ihm seine gesamte Kraft aus dem Körper. „Nein…ich…bin…der Stärkste…“, röchelt Argo. Liliths kaltes Lächeln ist das Letzte, was er sieht, bevor er ohnmächtig wird. Staunend kommen die ersten Angestellten aus ihren Läden. „Habt ihr das gesehen!“ – „Dieses Mädchen…“ – „Unfassbar.“ – „Warn das jetz Laser?!“ – „Maul mit deinen Lasern! Sie hat den Officer fertig gemacht! Auf sie!“, drei Galaktik-Rüpel stürmen auf Lilith zu, doch bevor sie das Mädchen erreichen, stellt sich Pay ihnen in den Weg. „Euer Boss hier kommt ma schön mit aufs Revier! Wer is der Nächste?“, grinst er. Dabei fällt sein Blick auf den mittleren der Galaktiker. „Äh…hähähä!“, doch dieser stößt nur ein ziemlich hohes Lachen aus. Eine Millisekunde später ist von den dreien nur noch Staub übrig. „Oh, die sind schnell.“, bemerkt Lilith. „BWAHAHA! Jawoll, mit Pay legt man sich nich ungestraft an! Merkt euch das!“, das grölende Gelächter des Feuertrainers erfüllt die Kreuzung und umliegenden Häuserschluchten. Einige Minuten später fährt schon wieder das erste Auto über die Ampelanlage. Einige junge Verkäuferinnen in weißen Blusen gratulieren Pay zu seinem Sieg. „Das sah sowas von cool aus!“, findet die erste. „Was für Muskeln!“ – „Darf ich mal fühlen?“ – „Ich zuerst!“ – „Nein, ich hab gefragt.“ – „Ihr seid witzig!“; lacht Pay, bevor er sich zu Lilith umdreht. „So, und jetzt zu deinem Brötchen, was?“ – „Oh, sie ist…“ – „Seine Freundin.“, zischt die größte der Verkäuferinnen ihren Kolleginnen zu. Zwei von ihnen werden rot. „Oh.“ – „Fein erkannt.“, Lilith lässt den vieren einen eiskalten Blick zukommen, bevor Pay ihr hochhilft und sie stützt. „Tut uns…leid, oh mein Gott, das ist jetzt peinlich!“, doch die Entschuldigungen der jungen Frauen hört Pay schon nicht mehr. Sein Gehirn ist auf „Essen“ eingestellt, und für Konversation ist da kein Platz mehr. Jedenfalls nicht viel.
    „Dem hab ichs gegeben, Yeah!“ – „Du warst großartig, mein Lieber.“ – „Wem sagst du das! BWAHAHA!“, Lilith weiß, dass Pay nicht vergessen hat, dass sie auch ihren Teil beigetragen hat. Es ist eben so seine Art, sich selbst anzufeuern. Während die beiden durch die Straßen laufen und dabei einen Bäcker suchen, erhebt Lilith die Stimme und beginnt, zu singen. Ihre Stimme ist so klar und so rein, wie Pay es noch bei keinem anderen Mädchen gehört hat. In ihrem Lied geht es um trauernde Weiden, die den Fortschritt der Zeit und damit das Absterben ihrer Artgenossen bedauern. Pay weiß, dass Lilith dieses Lied von ihrer Mutter gelernt hat. ‚Sie kann wirklich normal sein. Naja, erstens muss ich dabei in ihrer Nähe bleiben und zweitens muss sie da Bock drauf haben.‘. er schnuppert. „Riechst du das?“, Lilith unterbricht ihren Gesang. Zwei kleine Mädchen hinter ihr maulen enttäuscht. „Singen Sie weiter, Fräulein?“ – „Ja, bitte!“ – „Was soll ich riechen?“ – „Backwaren. Hmm… 60% Teig, 20% Marmelade, 20% Vanillepudding. Gute Aufteilung! Los!“, er beschleunigt sein Tempo, während Lilith sinniert, wieso derartige kognitive Fähigkeiten bei Pay ausschließlich dann auftauchen, wenn es ums Essen geht. Aber er behält Recht; kurz darauf betreten sie eine kleine Bäckerei mit hellgelben Fliesen und Glastresen an der Wand. Mehrere kleine Tische stehen links vom Eingang, damit sich Frühaufsteher dort zum Essen hinsetzen können. Eine etwas ältere Angestellte steht hinter dem Tresen und sortiert gerade verschiedene Brote in die dafür vorgesehenen Fächer ihrer Auslage. „Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“, begrüßt die Frau ihre neuen Besucher, nachdem sie bemerkt hat, dass sie nicht mehr allein ist. Als sie sieht, dass Lilith von Pay gestützt werden muss, zieht sie beinahe unmerklich eine Braue hoch. „Mir geht es gut. Wirklich.“, beruhigt Lilith die Bäckerin. „Öhm…mal schaun. 10 von denen da und n Brötchen.“, bestellt Pay. Sein Finger zeigt auf eine Art Kuchenstück, was zu 40% aus Pudding zu bestehen scheint. „Augenblick.“, lächelt die Verkäuferin und zieht eine große Tüte aus einer Rolle neben der Kasse. „10? Hast du keinen Hunger?“ – „Hm…vorm Kampf hatte ich mehr.“ – „Das sollte ein Spaß sein.“ – „Oh!“ – „Vergiss es.“, kopfschüttelnd sieht Lilith zu, wie Pay bezahlt, sich direkt eins von den Kuchendingern in den Mund schiebt und anfängt, zu kauen. „Ich versteh nicht, wie du so viel essen kannst.“, meint sie, als die beiden wieder auf dem Weg zum Pokémoncenter sind. Mittlerweile dürfte der Streifenwagen, den sie nach dem Kampf eben gerufen hatten, Argo abgeholt haben.
    „Landet alles hier.“, der Rothaarige spannt die Oberarmmuskeln an, deren Umfang sofort um einiges zunimmt. Er trägt die Stahlklammern inzwischen wieder. „Bei Maria landet das woanders, bei mir in den stärksten Muskeln Sinnohs, Yeah!“ – „Das würde Sinn machen.“ – „BWAHAHA! Ja, aber schau sie dir doch mal an! Anders kann ich mir das nich erklären, ich mein, die is ja sonst dünn die so ne Bohne…“ – „Das stimmt wiederum nicht.“ – „Naja, ich hätt da immer Angst um die, wenn sie kämpft. Nicht dass da was abbricht oder so.“ – „Was sollte abbrechen?“ – „Ihre Beine zum Beispiel.“ – „Hast du mal gegen sie gekämpft?“, Pay schluckt und starrt auf Lilith runter. „Nää, bisher nich, wieso?“ – „Ihre Beine brechen nicht so leicht, das wüsstest du, wenn du es getan hättest.“ – „Oh. Naja, kann man ja nachholn.“. Er kaut weiter. Lilith denkt kurz an die Zeit zurück, in der sie noch normal war, in der sie keine spezielle Kraft besaß. Sie war einfach nur…ein Mädchen. Eines von Millionen anderen Mädchen auf der Welt. Bis sie Maria traf. „Aber ich will nicht, dass ihr kämpft, sonst würde einer von euch beiden sich grob verletzen.“, haucht Lilith dann. „Wieso „Einer“? Eher doch wohl Maria, ich will ja nich angebn, aber guck mich an! Das sind kiloweise Muskeln, BABEY!“. Statt einer Antwort lehnt Lilith ihren Kopf an Pays Schulter und lächelt. Nach wenigen Sekunden ist bereits das zweite von Pays kleinen Kuchenstücken in den Untiefen seines Magens verschwunden. Rekordtempo, denkt die Schwarzhaarige. Die beiden schlagen den gleichen Weg ein, den sie gekommen sind, um zum Pokémoncenter zurückzulaufen. Das Mädchen an Pays Seite versinkt in Gedanken. Irgendwas stört sie. Aber was genau es ist, kann sie nicht sagen. Diese ganze Masche, die Stadt zu übernehmen, passt vorne und hinten nicht zu Team Galaktik. Klar, sie haben starke Kämpfer und ihre Commander sind nicht von schlechten Eltern, doch gegen die Arenaleiter haben sie kaum eine Chance. Allein Veit, der sich in Arenakämpfen meist zurückhält, könnte mit seinem Rameidon verheerende Lücken in die Abwehr der Galaktiker schlagen. Wahrscheinlich hatte Maria schon ähnliche Gedanken, so verschieden die beiden Mädchen auch sind, strategisch denken sie fast genau gleich. Mit dem Unterschied, dass Maria immer eine Spur schneller mit dem Denken ist. Ohne ein Ergebnis zuckt sie die Schultern; mit Pay zusammen würde sie jeden Gegner, den es zu besiegen gilt, fertig machen, den Rest überlässt sie den anderen.
    Am Pokémoncenter angekommen wartet Sophie bereits auf die beiden Trainer. „Das war unverantwortlich! Ihr hättet leicht in einen Hinterhalt geraten können.“, sie hat die Arme verschränkt. „Ey, als ob MICH irgend so ein Galaktiker mitm Hinterhalt…“ – „Doch, das wäre mögliesch gewäsön.“, Kuré und ihre Mutter erscheinen in der Glastür, welche sich zischend hinter den beiden schließt. „Auf keinsten. Aber hört ma, Lilith braucht Hilfe, sie…“ – „Ist in ainän ´Inter´alt geratän?“, unterbricht die Französin Pay. Er stößt die Luft aus. „Nich ganz. Officer Argo ist uns übern Weg gelaufn. Wir haben ihn zerlegt und dann ne Streife gerufen.“ – „Jaques hat ihn abgeholt.“, nickt Sophie. Rockys rechte Hand hat scheinbar momentan die Organisationsgewalt in Herzhofen. „Und dafür bin ich euch auch wirklich dankbar. Aber bitte, geht keine unnötigen Risiken mehr ein!“, mit einem eindringlichen Blick verschwindet sie wieder im Inneren des Gebäudes. „Sind eusch Madame Äva und Monsieur Alfred begägnöt?“, will Lamina dann von Pay wissen. „Nö. Kein Plan, wieso?“ – „Die sind auch värschwundän.“, ergänzt Kuré. „Sophie scheint nicht glücklich damit zu sein.“, haucht Lilith. „Denen geht’s gut, ich mein, Alfred schmeißt denen n Hunderter vor falls die von Galaktikern belästigt wern.“ – „Glaubst du, das reicht?“ – „Das weiß Alfred nich. Mit so kleinen Beträgen kennt der sich nich aus.“. Die beiden Feuertrainer folgen Sophie ins Pokémoncenter. Lamina und Kuré sehen sich kurz an, dann machen sie sich auf den Weg zu einer exklusiven Boutique. Die Arenaleiterin trägt momentan eine lockere Freizeitkleidung. Eine weiße Bluse, dazu eine dünne, rosafarbene Jacke und enge Jeans. Ihre Tochter ist ähnlich gekleidet, nur sieht man ihr die Künstlerin an. Eine Reihe kleiner, roter Farbflecken zieht sich über ihr linkes Hosenbein.
    Lilith sieht den Beiden hinterher, als sie die Straße hinuntergehen. Eine Mutter zu haben muss schön sein. Doch genau wie Maria auch ist Lilith als Waise aufgewachsen, hatte ihre Kindheit größtenteils im Kinderheim verbracht, wo nicht alles schlecht, doch vieles nicht gut war. Das Einzige, was sie von der Masse abgehoben hatte, war schon immer ihre Stimme gewesen. Niemand sonst, den sie kennt, kann derart rein und klanggenau singen wie sie. Die Betreuer im Kinderheim hatten das ausgenutzt und sie ab und zu singen lassen, wenn kinderlose Paare zu Besuch waren, manchmal sprang ein bisschen Geld ab. Doch sie selbst hat davon nie etwas gesehen. Mit 12 Jahren hat sie es nicht länger im Heim ausgehalten. Die ewigen Besuchszeiten, bei denen jedes Kind außer ihr irgendwann adoptiert wurde, gingen ihr seelisch zu nah. Später sollte sie erfahren, dass ihre Akte gefälscht wurde. „Psychisch labil“ wurde darin vermerkt, ohne dass es stimmte. Niemand wollte sie haben. Während das Mädchen auf Rockys Untersuchungstisch liegt, driften ihre Gedanken in die Vergangenheit.
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    6 Monate zuvor, Vertania-Wald
    Pay stochert im Feuer herum, welches ihnen Wärme spendet. Langsam blickt er zu Lilith hoch. „Ey, sag ma.“ – „Ja?“ – „Du kennst Eva und Maria ja ziemlich gut, erzähl doch ma n bisschen was von dir. Will nich, dass mir eine Fremde wie ne Klette an den Backen hängt.“ – „Das hast du süß gesagt.“ – „Hab ich nich!“, Pay lehnt sich gegen einen hohen Baumstamm und blickt in den schwarzen Nachthimmel, der zwischen den vom Feuer beleuchteten Blättern zu sehen ist. „Ach, vergiss es.“, eine Weile lang ist es still auf der Lichtung. Nur das Knacken der splitternden Holzscheite ertönt manchmal. Ab und zu hört man auch ein Waldpokémon im Unterholz umher huschen. Dann erhebt Lilith ihre Stimme. „Ich bin Maria zuerst begegnet. Sie ist in Kanto umhergereist, ganz hier in der Nähe. Ich glaube, es war kurz vor Azuria.“ – „Hm.“, Pay sieht interessiert in ihr Gesicht, er hat noch nie etwas aus Liliths Vergangenheit gehört. „Sie war auf Pokémonreise, und ich war quasi nicht vorhanden.“ – „Weißt du auch, wo sie herkommt?“ – „Ja. Aber das soll sie dir selber sagen. Eine Zeit lang war sie bei einem Meister der Kampfkünste im Training, darum kann sie so gut kämpfen. Von ihm hat sie ihr Plinfa.“ – „Oh!“ – „Und wir sind uns eben begegnet, als sie ihre ersten 4 Orden beisammen hatte. Ich war beeindruckt von ihr, ein Mädchen, was sich so ungerührt durchs Leben boxt, wie konnte sowas sein? Ich musste mit ihr zusammen reisen, ein innerer Drang brachte mich dazu. Als hätte mir Maria gezeigt, dass auch ein Mädchen ganz allein der Welt die Stirn bieten kann. Sie war…faszinierend. Ich kam nicht los von ihr. Also fragte ich einen Pokémonprofessor, ob er mir auch ein Pokémon geben könnte. Leider war ich schon zu alt, aber für Maria war das kein Problem. Als wir eine Weile zusammen unterwegs waren, und mein Wunsch nach einem Pokémon immer dringender wurde, ging sie einfach ins Kampf-Dojo von Saffronia City und besiegte alle, die sich ihr dort in den Weg stellten. Als Siegpreis über den Dojomeister hat sie ein Machollo bekommen, welches sie mir gab.“, Liliths Blick streift die Pokébälle an ihrem Gürtel. Machomei schlummert in einem von ihnen.
    „Du hast dein Startpokémon von Maria? Interessant.“, murmelt Pay. „Ja, sie hat mir in dieser Zeit unglaublich oft bewiesen, dass sie alles kann, was sie sich nur vornimmt. Ihr Selbstvertrauen war gigantisch. Es war nicht zu glauben. Jede Hürde, die uns in den Weg kam, wurde von ihrem Ego weggesprengt, und sie wurde immer stärker. Ich habe mich regelrecht in sie verliebt.“ – „Zum Glück hattet ihr…was?“ – „Naja, im Heim gab es nur Mädchen, und ich war sehr unerfahren in diesen Dingen.“ – „WAS?!“ – „Ich habe mich von meinen Gefühlen leiten lassen, das ist alles. Das ist Vergangenheit.“ – „Okay.“, der Rothaarige schiebt einen weiteren Ast in das Feuer, welches kurz auflodert. Lilith leckt sich kurz die Lippen, bildet sich ein, einen Hauch Erdbeere zu schmecken. Sie schließt die Augen. „Es war eine schöne Zeit auf den Straßen Kantos. Wir waren frei, jung und schön…“ – „Naja, so lange is das jetz nich her, oder?“ – „Okay, sind wir immer noch. Aber es sind schöne Erinnerungen.“. Lilith liebt es, mit Pay zusammen zu sitzen, sie fühlt sich beinahe wieder wie ein normales Mädchen. So wie damals. „Eva stieß in der Hoenn-Region zu uns, ihre Eltern hatten ihr alles gekauft, was sie für solch eine Reise brauchte. Damals fuhr sie immer mit ihrem Chauffeur durch die Gegend, lebte immer nur im allerhöchsten Standard. Doch trotz des Simsalas, welches ihr Vater ihr geschenkt hatte, verlor sie gegen die Macht von Wassili, der die Arena von Xeneroville geleitet hat. Sie hat eine Woche lang mit Maria trainiert, bevor sie erneut gegen ihn kämpfte- und gewann.“, Lilith macht eine kurze Pause und bewegt ihren rechten Fuß, damit das Blut wieder normal zirkulieren kann. Sie streckt das Bein aus. „Eva war nicht so beeindruckt von Maria wie ich es war, wie auch, sie hatte ja immer alles, was sie brauchte. Aber ihr war völlig neu, dass man etwas auch ohne Geld erreichen kann, wenn man es nur versucht. Auch ein Genie kann besiegt werden, wenn man hart genug arbeitet. Sie entschied sich, mit uns zu kommen, und so waren wir dann zu dritt. An das ewige Training kann ich mich noch gut erinnern. Maria wollte nicht, dass wir hilflos waren, wenn wir uns irgendwann trennen sollten, und so musste es natürlich irgendwann kommen, auch, wenn wir das alle nicht wollten. Tag für Tag trainierte sie also mit uns, wann immer wir eine Pause hatten. Zu dieser Zeit haben wir gemerkt, dass mit Eva etwas nicht stimmt, ihre Fähigkeit ist dir bekannt, nehme ich an.“ – „Ja, wer ihr in die Augen sieht, verliebt sich in sie.“ – „Genau. Ich habe keine Ahnung, wie oft sie diese Fähigkeit an uns ausprobierte, doch Maria war nie Opfer davon. Wenn sie stark unter Stress gerät, verändern sich ihre Augen und sie hört auf zu denken. Das heißt, Verliebtheit ist ihr völlig egal.“ – „Moment. Das hat sie länger nich mehr gemacht, oder?“ – „Weiß ich nicht. Auf jeden Fall war sie sehr wütend, als sie herausgefunden hat, wozu Eva imstande ist“.
    Lilith schweigt eine Weile. Ein Schatten fällt über ihr anmutiges Gesicht, als sie weiter in der Vergangenheit schwelgt. „Naja, natürlich nur, weil Eva uns nie etwas davon erzählt hat. Wir waren nicht mal sicher, ob ihr Chauffeur bezahlt war oder ob auch er nur einer ihrer Sklaven war. Oder wie es um ihre Eltern bestellt war. Aber genug davon, letztendlich sind wir doch zusammengeblieben. Gemeinsam wurden wir stärker, als ich es je vermutet hätte. Meinen ersten Orden bekam ich in Viola City, wo mein Machomei sich trotz des Nachteils gegen Falks Flugpokémon durchsetzte.“ – „Krass. Mit wem haste getauscht?“ – „Mit Maria. Sie hat in Lavandia ein Nebulak gefangen, bevor wir uns trafen.“ – „Ah.“ – „Wir hielten uns für unbesiegbar, jede von uns entwickelte ihren eigenen Kampfstil und eine eigene Spezialattacke. Die rote Sonne, der schwarze Mond, der goldene Stern. Synonyme für die Feuerschlag-Kreuzhieb-Kombo meines Machomeis…“ – „Außerdem der Spukball-Nachtmahr Angriff von Marias Halloween, oder?“ – „Ja, das ist ihr Gengar. Und letztendlich der vierfache Schutzschild mit Psychokinese von Evas Simsala. Als wir ein Jahr lang nur Siege hinter uns hatten, wurde auch ich so arrogant, dass ich mit dem Spitznamen „Das Dreigestirn“ ankam. Niemand konnte uns besiegen.“ – „Und dann?“, hakt Pay nach, als Lilith erneut schweigt. „Dann ist ein Vorläufer von Team Galaktik auf uns aufmerksam geworden.“, flüstert das Mädchen. „Sie haben uns aufgelauert, bestimmt drei Dutzend Kämpfer. 36 Mann gegen drei junge Mädchen. Wir haben viele besiegt, aber es waren immer mehr, die auf uns einstürmten. Schließlich kam Maria in folgende Situation: sie hatte die Wahl, entweder mich oder Eva zu retten. Du musst wissen, wir kämpften in einer Art Fabrik, auf schmalen Brücken aus Metall. Sie entschied sich für Eva, damit hatte sie mich aus meiner Sicht verraten. Wir kannten uns länger. Ich weiß, dass ihr die Entscheidung, die sie traf, ihr gesamtes Selbstvertrauen geraubt hat. Eva wandte sich von ihr ab, ich wurde gefangen genommen. Und so war es eine ganze Weile vorbei mit dem Dreigestirn.“.
    Es wird ruhig auf der Lichtung. Lilith schweigt. Es ist zu früh, Pay zu erzählen, wie Team Galaktik an ihr experimentierte und damit ihre spezielle Kraft erschuf, die sie heute perfektioniert einsetzen kann. Oder wie ihr Verstand im Laufe der Zeit in immer kleinere Teilchen geschlagen wurde, bis es schließlich soweit war, dass sie ohne Bezugspersonen wirklich psychisch labil wurde. Oder wie sie freigelassen wurde, um Maria zu zerstören, sich aber letztendlich mit ihr ausgesöhnt hat. Das hat Zeit.
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    Herzhofen, 2009
    „Aua.“, Lilith zuckt kurz zusammen und wacht auf. Ihr Fuß hat für einen Moment fürchterlich wehgetan. „Tut mir leid!“, entschuldigt sich Joy und strafft den Verband wieder, der Liliths Fußgelenk stützt. Die Trainerin stößt die Luft aus und sieht sich um. Schränke mit medizinischen Utensilien stehen links von ihr, rechts sitzt Pay auf einem Stuhl und beobachtet sie. „Macht nichts. Es kam nur überraschend.“ – „Du hast dir ziemlich übel den Fuß verstaucht.“, murmelt Joy. „Die kleine Lilith war unachtsam.“, flüstert das Mädchen. „Naja, bald geht’s dir besser, Joy hat da son Verband drum gemacht!“ – „Ja, das sehe ich.“ – „Schätze, ich muss dich doch noch ne Weile rumtragen wenn du raus willst.“ – „Dagegen habe ich rein gar nichts.“ – „Hätt ich mir denkn können.“. Auf die Worte des Rothaarigen hin muss Lilith lachen. Dann denkt sie wieder kurz an früher. Maria hat sich wieder im Griff, Lilith weiß, dass es nicht leicht für sie gewesen sein muss, mit der Gewissheit zu leben, eine Freundin verraten zu haben. Aber als Gefangene selbst war es ebenfalls kein Zuckerschlecken. Doch immerhin hatte sie im Laufe der Versuche ihre Kraft erhalten, mit deren Hilfe sie letztlich wieder freikam. „Wie lange wird es dauern bis ich wieder normal laufen kann?“ – „Hmm, schwer zu sagen. Aber mit einer Woche musst du leider rechnen.“ – „Eine Woche? So kann ich keine große Hilfe sein.“ – „Tut mir leid.“, wiederholt Joy, ihr Gesichtsausdruck macht deutlich, dass sie wohl bald aufgrund ihrer eigenen Inkompetenz in Tränen ausbrechen könnte. Pay fährt hoch. „Äh, ne, Sie machen n guten Job, wirklich, nur sind wir beide momentan ein wenig…wie soll ich sagn…“ – „Wir arbeiten für Officer Rocky und die Rettung der Sinnoh-Region.“, Lilith unterbricht ihren Freund. „Joa. So kann mans sehn.“ – „Wirklich?“, Joy tupft sich mit einem Taschentuch über die Augen und starrt die beiden beinahe ehrfürchtig an. „Ihr…jetzt verstehe ich! Ihr kämpft gegen Team Galaktik, ihr gehört zu dieser Gruppe…“ – „Ganz genau.“, Pay vermutet, dass Joy schon die eine oder andere Information besitzt, nur Genaueres weiß sie eben nicht. „Lilith?“ – „Ja, Schatzi?“, nach dieser Anrede seufzt Pay kurz, strafft dann jedoch die Schultern. „Du musst nur wartn, bis Maria herkommt. Die heilt alles mit ihrem Wasser da.“ – „Hm…aber kommt sie denn?“ – „Weiß nich. Wir können ihr ja Bescheid sagn.“ – „Ja, das könnten wir.“. Die Schwarzhaarige sieht Pay eine Weile lang an, bis dieser begreift, dass er sofort anrufen könnte. „Hey, ich könnte…“ – „Ja.“ – „Das heißt, du…“ – „Richtig.“ – „Und dann…“ – „Stimmt.“ – „Gut, bis gleich.“. Der Trainer verlässt das kleine Krankenzimmer. Lilith dreht den Kopf und sieht an die Decke. Maria, Eva, Lilith…diesmal sind sie stärker als sie es vor all diesen Jahren gewesen waren. „Diesmal kriegen wir euch.“, verspricht Lilith. Dann fühlt sie ein leises Zupfen hinter der Stirn, als würde da etwas fehlen, und stellt sich vor, was sie mit Argo angestellt hätte, wenn ihr Fuß nicht verletzt wäre. Die Vorstellung bringt sie leise zum Kichern. „Rot, so schön rot, noch mehr roter Wein…“, singt sie. Schwester Joy beugt sich besorgt über das Mädchen. „Stimmt etwas nicht?“ – „Alles bessssstens.“ – „Wirklich?“ – „Nein.“.
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    Ich hasse Knochenbrüche. Sie tun verdammt weh, wenn man nicht aufpasst, und ich kriege die nötige Konzentration nicht zusammen, um mich zu heilen. Joy hat sich von Rocky überreden lassen, mich gesund zu schreiben, denn es ist dringend, dass ich sofort aufbreche. „Ich könnte dich doch fahren, das geht viel schneller!“, hatte Rocky angeboten. Ich wiederum habe das Angebot ausgeschlagen, weil sie hier gebraucht wird. Momentan stehen Lee, Lucia, Hagane, Tai und ich in der Eingangshalle des Pokémoncenters Blizzach, drei von uns sind so gut wie abreisefertig. Tai und Hagane haben sich entschieden hier zu bleiben. Sie wollen Rocky helfen, wo es nur geht. Rocky tritt aus dem Schatten des Gangs hinter uns und wirft einen kurzen Blick an die Decke. Das Deckenlicht hat die merkwürdige Macke, alle paar Sekunden einmal zu flackern. Bisher hat sich kein Elektriker diesem Schlamassel angenommen, wie Joy heute Morgen noch berichtet hatte. „Maria?“ – „Ja, Rocky?“ – „Wir haben einen Termin. Bist du soweit?“, fragt mich die Polizistin. Ich schließe kurz die Augen. Verdammt. Eine Frau vom Blizzach-TV hat uns angerufen, angeblich, weil sie in einer „dringenden Angelegenheit“ mit mir reden wollte, und Rocky hatte schnell geschaltet. Ich sollte nun eine Erklärung an Sinnohs Bewohner abgeben, in der deutlich gemacht wird, was die Polizei-was wir Trainer-gerade tun, um die Region aus dem Würgegriff der Galaktiker zu befreien. In den meisten Krimis, die im Fernsehen kursieren, machen die Protagonisten den Fehler, niemandem anzuvertrauen, woran sie arbeiteten, hat mir Rocky erzählt. Wenn wir uns an alle Trainer der Region wenden, wird sich bestimmt ein großer Teil von ihnen ebenfalls gegen Team Galaktik stellen. Und gegen alle Trainer Sinnohs hat niemand eine Chance. Seufzend folge ich ihr in die Kälte, ziehe gewohnheitsmäßig meinen Mantel und diesmal hellbraune Stiefel an, die ziemlich teuer aussehen. Lee und Lucia gehen neben mir her, sie sind die beiden Menschen, die mir am nächsten stehen. Dicht gefolgt von Eva und Lilith. Ich frage mich, wie es den beiden wohl geht. Bestimmt bekämpft Eva ihre Langeweile mit exzessivem Shopping, während Lilith Pay anschmachtet. Naja, so ist sie nicht, aber sie schmachtet eben auf ihre ganz spezielle Weise. Ich unterdrücke ein Kichern. Pay kann einem schon fast leidtun. Doch Lilith hat auch sehr gute Seiten, man muss sie nur richtig…anpacken. Müde verscheuche ich einige Erinnerungen, die ich nicht brauchen kann.
    „Was genau willst du denen sagen?“, fragt Lee. Er weiß genauso gut wie ich, dass ich Aufmerksamkeit jedweder Art hasse, erst recht, wenn ich sie in derartigem Stil bekomme. „Die Wahrheit. Wir haben jede Hilfe nötig, die wir kriegen können. Team Galaktik wird ebenfalls handeln, wenn sie die Ausstrahlung sehen.“. Wir durchqueren belebte Einkaufsstraßen, manche Leute drehen sich nach mir um, weil es nicht häufig zu sehen ist, wie jemand mit einem gebrochenen Arm durch die Gegend läuft. Lucia versucht, unsere Situation einigermaßen zu normalieiseren, und plaudert mit Lee. „…und als Ash mir vorhin einen Gruß ausrichten wollte, hat sie ihm versprochen, ihn zu überbringen, und er hat sie überlistet. Also musste sie mich küssen, denn unsere liebe Maria bricht nie ein Versprechen, nicht wahr, Maria?“. Ich schweige. Die liebe Maria würde der lieben Lucia gleich den hübschen Hintern versohlen, wenn sie weitere Details zutage fördern sollte. Lee jedoch grinst nur, als er sieht, dass ich rot werde. „Herrje. Und ich dachte, da müsste schon mehr passieren als nur eine kleine Entführung, damit sie mich mit einem Mädchen betrügt.“ – „Hey.“ – „War doch nur Spaß, Sachiko!“, lacht Lucia. Lee hebt die Brauen. „Sachiko? Bist du jetzt komplett Japanerin?“ – „Das ist ein Spitzname. Sie vergisst ihn einfach nicht.“ – „Ah.“. Ich muss nun doch grinsen. Lucia merkt es und lächelt ebenfalls. Ganz egal was passiert, ihr gelingt es, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Die Koordinatorin ist echt eine Klasse für sich. Auf diese Weise scherzend gelangen wir zum Mediadome BliZZ, wie in eindrucksvollen Leuchtbuchstaben an dem Wolkenkratzer geschrieben steht, der sich mitten in der Innenstadt befindet. Früher war Blizzach ein Kaff. Der Hauch uralter Zeiten umgibt den Tempel, und die Bewohner waren stolz auf ihre Geschichte. Doch seit sich hier mehr und mehr Unternehmen ansiedeln und der Hafen immer weiter wächst, gedeiht auch die Infrastruktur- und natürlich mussten sich Fernsehsender und dergleichen hier ansiedeln. Trostu und Ewigenau sind anders, zwar auch Städte, aber nicht so überladen. Ein besserer Begriff fällt mir beim besten Willen nicht ein. Eine sich ewig drehende, dicke Glastür aus 4 Bestandteilen lässt uns ins Innere des Gebäudes. Schwarzes Parkett überzieht den Boden. Ich frage mich, was mit einem armen Baum gemacht werden muss, damit sein Holz am Ende so aussieht. In regelmäßigen Abständen sind Topfpflanzen aufgestellt worden, um dem Besucher zu suggerieren, er hätte ein Stück Natur um sich herum. Rocky führt uns zielstrebig zur Rezeption herüber, wo eine hektisch wirkende, kleine Frau damit beschäftigt ist, Anrufe, die bei ihr nichts verloren haben, in die oberen Stockwerke durchzustellen.
    „Guten Tag.“, ruhig begrüßt Rocky die Frau. Diese fährt zusammen, richtet sich ihr hellblondes Haar, streicht ihre knallrote Bluse zurecht und sieht uns an. Eine winzige Brille sitzt auf ihrer Nase, die ihren Sinn in dem Augenblick zu verlieren scheint, als die Frau über die Gläser hinwegsieht. „Ja, bitte?“ – „Maria Jou.“, ich trete vor, überrage sie um Haupteslänge und sehe auf die kleine Angestellte herab. „Ich habe einen Termin hier. Und ich habe nicht viel Zeit.“, manchmal muss man Prioritäten setzen.


    soo, da ich endlich mal wieder n kommi bekommen hab werd ich diesmal nicht drum betteln, aber anregungen und vorschläge sind immer gern gesehen :D
    mfg
    DoD