Sinnoh's Kinder [V]

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • [Blockierte Grafik: http://25.media.tumblr.com/tum…ltpbYjg1rt8sdho1_1280.jpg]


    Sinnoh's Kinder


    Auch Du hast Dich gefragt, wie viel in Deinem Leben von Dir abhängt
    "- Was, wenn ich Dir sage, dass ich diese Welt auf den Kopf stellen will?
    - "...Wie stellt man das an?"
    - "How should I of all the people know? Daher bin ich ständig am Versuchen."


    - L.M. Libertine.


    Die Region Sinnoh liegt in ihrer Blütezeit, die besten Jahre noch vor sich. Doch sämtliche Gegebenheiten treffen auf eine Konterreaktion, über die einzig das Schicksal Macht zu haben scheint. Ein talentierter junger Mann, dem gänzlich die Gabe fehlt, die Folgen seiner Taten einzuschätzen, wächst nicht über das Unglück eines Anschlags auf seine Familie hinaus und erklärt sämtliche Moral als Hindernis zum Erreichen seiner Ziele - und das eigene Wertsystem droht, zu seinem Verderben zu werden. Die ambitiöse nächste Generation tut alles daran, ihre Helden in den Schatten zu stellen, doch für einen bestialischen Irren an der Spitze einer organisierten Verbrecherorganisation bedeuten fremde Träume und Leben kaum mehr, als... seine eigenen. Das gesamte Land erlebt einen Aufschwung durch die aggressive Außenpolitik des jungen Präsidenten und seiner Regierung, zeitgleich ist eine Geheimgesellschaft am Werken, die in ihren Maßstäben sämtliche Tagträume paranoider Verschwörungstheoretiker übertrifft und den Lebensweg der Protagnonisten seit jeder beeinflusst.


    Jeder sucht sein Glück auf eigenem Wege in einem nur auf den ersten Blick harmonierenden System und übersieht dabei wichtige Zusammenhänge. Es wird die Geschichte unzähliger Persönlichkeiten, ihrer Beziehungen, ihrer Begleiter und einer Welt erzählt... Bis Letztere schließlich nicht mehr still zusieht.


    Eine weitreichende und tiefgründige Geschichte, die vorüberwiegend ältere Leser mit zu viel Freizeit anspricht. Der Startpost dient eher der enzyklopädischen Faktenansammlung, als er zum lückenlosen Textverständnis nötig ist und kann somit überflogen werden.
    Der Aufbau der Handlung nach Arcs erinnert etwas an Animes, soll aber nicht für Verwirrung sorgen und sollte mit der Zeit verständlich werden. Viel Spaß beim Lesen.


    [Tabmenu]
    [tab=Sachliches Vorwort]Was vorerst gesagt werden müsste
    Guten Tag.


    Genre?
    Sehr viele, doch die Kategorieneinteilung in Unterforen im Fanfiction-Bereich trifft es ziemlich genau. Ja, Reise. Ja, Romanze. Aber auch ja Freundschaft, ja Drama, ja Kampf und sogar ja Philiosophie. Es geht hier nicht um Pokémon. Es geht um Menschen unter Menschen, Menschen unter Pokémon, Pokémon unter Pokémon und Pokémon unter Menschen. Und um das Schicksal einer Region. Klingt nach Mainstream? Na weil es welcher ist, mehr aber in einem anderen Fach des Tabs. Und Tabs sind übrigens ebenfalls Mainstream.


    Altersempfehlung?
    Ich würde die Fanfiction ab 16 Jahren uneingeschränkt empfehlen, da die Charaktere, sollte ich schlechte Laune haben, physische und geistliche Pein ertragen, so dass diverse Körperflüssigkeiten in beachtlichen Mengen fließen könnten. Besonders der vermeintliche Protagonist ist hier nicht besonders zimperlich und betreibt mitunter auch einmal Gewaltverherrlichung. Auch Charaktertode können als verzweifeltes Mittel, die Fanfiction interessanter zu gestalten, vorkommen, ebenso, wie Inhalte mit erotischem Kontext. Beides sollte aber nie das Hauptargument sein, zu lesen und wird nicht im Mittelpunkt der Handlung stehen.


    Der Hauptgrund aber, wieso man das Lesen im zarten Alter unterlassen sollte, ist der teilweise sehr (ich wiederhole, sehr) frivole Humor des Hauptdarstellers und dessen Vaters, sowie die Art, wie sie überhaupt miteinander kommunizieren. Beides könnte für jüngere Leser komplett unverständlich oder schlechthin zu hart erscheinen. Ich meine es ernst.


    Urheberrecht?
    Ich muss euch gestehen, das Pokémon-Universum nicht selbst erfunden zu haben und werde nicht auf dessen Besitz bestehen. Das war ein Typ namens Nintendo. Gewisses intellektuelles Eigentum gehört auch dem inoffiziellen Manga Pokémon Adventures an.


    Kopieren des Textes oder bestimmter Storyelemente ohne Quellenangabe würde mich nicht besonders glücklich stimmen.


    ...Wo? Wann? Wer? Wieso? Worüber hinaus?
    Der Reihe nach.

    • Region Sinnoh, Handlungsort der IV.-Pokémon-Generation.
    • Ab dem 12. Januar 2013. Vor jedem Kapitel wird ein Datum gegeben sein, welches ermöglicht, den Zeitstrahl an Ereignissen besser im Überblick zu behalten.
    • So gut wie alle Charaktere der IV.-Pokémon-Generation werden vertreten sein. Vorraussichtlich vertreten sein werden zwei Anime-Koordinatoren der III.-Pokémon-Generation. Der Hauptprotagonist ist vollständig selbsterfunden und basiert auf keiner bereits vorhandenen Persönlichkeit. Ein Löwenanteil der Namensgebung und Charakterzüge weiterer primärer Charaktere basiert auf dem in Spielen und dem Manga vorhandenen Gegenstück.
    • Das könnt ihr selbst erfahren, einige der Handlungsstränge basieren auf denen im Spiel, viele jedoch nicht. Die Bewegungsgründe des Protagonisten stimmen im Allgemeinen nicht mit dem Gegenstück im Spiel überein.
    • Ich werde die Grenzen des bekannten Pokémon-Universums erst gegen Ende der Fanfiction sprengen und im Laufe der Fanfiction einige Elemente der bekannten Pokémon-Welt ersetzen und erweitern.


    [tab=Persönliches Vorwort]
    Was vorerst gesagt werden könnte
    Nun, vor allem, dass ich die Farbe grün nicht wirklich leiden kann. Entschuldigung, Bisaboard. Ich mag sie nicht und dabei bleibt es. Zum Glück ist das nicht der Grund, wieso ich den Thread geöffnet habe, sonst würde das Vorwort zu ihm sehr trivial ausfallen - aber dennoch weniger trivial, als der Inhalt. Ich versuche jedoch, nun das Gegenteil zu erreichen. Ein Vorwort zu erstellen, dass interessant genug ist, um für den noch interessanteren Inhalt zu werben.


    Es wäre wohl angebracht, dass ich mich persönlich vorstelle, bevor ich zu dem Grund übergehe, wieso ich mich angemeldet habe. Meiner Fanfiction. Die Mitglieder des Bisaboards pflegen nämlich meist eine warme Beziehung miteinander - das ist mir neben der mir unangenehmen grünen Farbe noch aufgefallen. Ich werde vorraussichtlich in keinem anderen Bereich aktiv sein, als diesem, und falls es Leute gibt, die auch nur irgendwie an meiner Persönlichkeit interessiert sind, werde ich ihre Fragen beantworten. Mehrere gleichzeitig, nämlich...


    ...wer bin ich und wieso schreibe ich?
    Nein, das wird keine Autobiografie. Ich teile euch alles mit, was ihr wissen solltet, um meine Motivationsgründe zu verstehen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin derzeit lebhaft in Russland, Moskau, meine Sommerferien verbringe ich in Deutschland - dem Land, in dem ich meine Kindheit verbracht habe. Mein mit bisher siebzehn Jahren recht kurzes Leben ist recht widersprüchlich. Ich habe, was von all meinen Bekannten anerkannt ist, das Potenzial, erfolgreich zu sein und etwas im Leben zu erreichen. Gleichzeitig hindern mich meine Selbstzweifel und gewisse Wiedersprüche in mir selbst daran, weshalb ich vor kurzer Zeit aus eigener Initiative fast all meine sozialen Beziehungen unter "populären" Leuten aufgegeben habe.
    Nächstes Jahr werde ich bereits mein Studium in Deutschland beginnen. Bis dahin werde ich noch ein Jahr in Russland verbringen, als Elftklässler. In einer Gesellschaft, in der ich einerseits viel erreicht habe, mit der ich andererseits nichts mehr anfangen kann - und sie, ehrlich gesagt, mit mir. Ich werde mich wohl eher meiner physischen und geistlichen Weiterentwicklung widmen. Dennoch bleibt überflüssige Kreative und Geistliche Energie in mir. Und - ja, da wären wir. Ich wollte einen Traum erfüllen, den wohl jeder Zweite Spieler diverser Pokémon-Editionen wohl hegte, für den die vorgegebene Geschichte nicht genug war: eine eigene Geschichte schreiben. Und in gewisser Weise auch mit Gleichgesinnten teilen, ja. Ich möchte, ich möchte sehr, dass das Lesen euch inspiriert und Freude bereitet. Jegliches Feedback wird natürlich mit Freuden angenommen, obwohl ich hauptsächlich für mich selbst schreibe.
    Ach ja, vielleicht habe ich auch nur Größenwahn, aber für den Fall, dass jemand auf den Gedanken kommt: ja, bei mir und dem Moderatoren eines euch vielleicht bekannten Naruto-Forums handelt es sich um ein und dieselbe Person.


    ...von was habe ich mich inspirieren lassen?
    Vom Anime, vom Manga und von schlechten Fanfictions. Aber jetzt musst ihr mich richtig verstehen. Erstens bin ich der Ansicht, dass jeder guter Fanfiction-Autor den Pokémon-Anime hassen sollte, aus tiefstem Herzen. Dafür, wie viel Potenzial er vergeudet hat, um stattdessen eine Reklamebroschüre für Kinder zu sein mit trivialer Handlung und eindimensionalen Charakteren. Dabei hat man sich mit jeder Spielegeneration von Pokémon mehr und mehr bemüht, um eben diese Kernaspekte eines Spieles zu verbessern. Die Handlung und Ideologie hinter Schwarz/Weiß wäre mit etwas Feinschliff absolut animewürdig, doch der Anime schafft es wirklich, dass jede Episode, jede Saison der anderen gleicht, wie ein Wassertropfen dem anderen. Kämpfe widersprechen selbst dem Spiel, in Beziehungen fehlt jeglicher Tiefgang. Aus genau dem gleichen Grund lasse ich mich von wirklich schlechten Fanfictions inspirieren. Ich sehe vergeudetes Potenzial - solches riecht geradezu danach, um es zu nutzen. Und vom Manga, der vieles besser macht - einiges überraschenderweise aber sogar schlechter.


    ...irgendein Hintergedanke als Vorwort?
    Ja, ich erlaube mir, einen zu haben. Und sogar irgendwie stolz auf ihn zu sein. Pokémon-Reisenfanfictions laufen meist nach demselben Prinzip ab. Das ist absolut richtig so. Als talentierter Autor oder jemand, der sich dafür hält, versucht man demnach dem Leser sofort zu zeigen, dass man "Nicht so wie alle ist". Diesen Effekt erreicht man am besten mit im Prolog detailliert beschriebenen rollenden Köpfen sämtlicher Verwandter des Protagonisten, der für sein Leben lang danach homosexuell und/oder verkrüppelt und/oder traumatisiert und/oder homosexuell und/oder introvertiert und/oder hässlich bleibt. Der Protagonist wird demnach fünf Kapitel lang gefoltert, bis er ein blindes Sleima fängt, mit dem er dann zusammen gefoltert wird. Eine solche Fanfiction sollte diese nie werden.
    Es wird eine Mainstream-Fanfiction sein, mit viel Drama, Kampf, Ästhetik, Liebe, Kitsch und satten, sowohl dunklen, als auch hellen Farben. Der Mainstream lebt, hoch lebe der Mainstream. Weil es eben Gründe dafür gibt, dass er Mainstream ist. Ich bin ein Anhänger und Verteidiger des Mainstreams. Erkennt man an meinem Avatar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Fanfiction eindimensional und offensichtlich sein wird. Zu platte Charaktere sollen Pep bekommen, zu banale Handlungsstränge ausgebaut und dramatisiert. Ich will die weiß... Leider grüne Leinwand, die vor mir steht, im Laufe der Fanfiction in hellste Farben taufen. Und das, wohlgemerkt, in einem schwarz-weiß-rot (und grün...) gehaltenen Layout.


    Viel Spaß, mich dabei zu beobachten und vielleicht ein Feedback zu geben.


    [Tab=Primäre Charaktere]
    [Subtab=L.M. Libertine]
    Der Hauptdarsteller

    L A N C E L O T MARIAN LIBERTINE
    (Realer Geburtsname und Hintergründe in "Kismetbrecher" veröffentlicht.)



    - "Mach' keine Dummheiten, Lancelot."
    - "Keine Sorge. Nur sorgfältig durchdachte Attentate."
    - "Soll das ein Scherz sein?"
    - "...Mal sehen."


    GESPRÄCH MIT SEINER MUTTER


    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 4/5
    • Sozialkompetenz: 5/5
    • Wissen: 2/5
    • Charakterstärke: 4/5
    • Potenzial: 5/5


    Geschlecht: Männlich.
    Herkunft: Zweiblattdorf, Sinnoh-Region.
    Familie: ??? Libertine (leiblicher Vater); Michelle Libertine (Mutter); Sina Libertine (jüngere Schwester)
    Geburtstag; Alter: 1. Oktober 1995; 17 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,769 m; 69,3 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Schwarz, Dunkelblau, Weiß.
    Lieblingsküche(n): Europäisch, Französisch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie...: Engländer.
    Themesong(s): Radiohead - Karma Police; Nirvana - Smells Like Teen Spirit; System Of A Down - Radio/Video; Serj Tankian - Sky Is Over; The Killers - Sam's Town.


    In Bearbeitung.


    [Subtab=M.P. Berlitz]
    Die Titelperson

    LADYM. PLATINUMB E R L I T Z



    - "[...]übrigens. Als Freund unserer Familie kannst Du uns ruhig duzen. Solltest Du einen solchen Wunsch verspüren, natürlich."
    - "Mich aber nicht."


    AUSSCHNITT KAPITEL DREI, SIE...


    "In die Atmosphäre des Kabinetts, des Hauses fügt sie sich konvergenter ein als ihr Vater, man sieht an, dass sie in diesen edlen Wänden aufgewachsen ist. Der Platz in der hinteren Ecke der Couch, den sie sich ausgesucht hat, komplimentiert sie wie kaum ein anderer. Ihr Teint ist blass, doch im Gegensatz zum Hausherren strahlt dieser Vitalität und Herzblut aus, vervollkommnet das satte, glänzende Schwarz der untadelig wellenlosen Haare eher, als besorgniserregend mit ihm zu kontrastieren. Zwei goldene Haarclips setzen nebst auffällig langen, ebenso tiefschwarzen Wimpern an und bilden dichte zwei Haarsträhnen, die ein weiblich oval geformtes Gesicht umrahmen, der Rest der Frisur fällt ihr in den Rücken, jede Haarspitze endet in einer samtigen Locke. Ihre Gesichtszüge wirken zart und kennzeichnend zugleich, an keinem einzigen Hautfleck sieht man Spuren von unnatürlicher Auswirkung an. Der fesselnd anmutende Kopf aber ist nur die Krönung von aufblühender, ebenmäßiger Grazie, die bestehenden Schönheitsklischees eher Feinstrich verpasst, als ihnen zu entsprechen. Ihre Kleidung mutet ebenso vornehm an wie das des Hausherren, aber deutlich auffälliger in Details, als in der simplen Quintessenz. Ein mattschwarzes, knöchellanges Kleid mit langen Ärmeln, das die Silhouette geschmeidig umspielt, Seiten und Hüfte eine angedeutete geschwungene Sanduhr. Vornehme schwarze Stöckelschuhe auf niedrigen dünnen Absätzen und Beine... Die wohlgeformteste Symbiose aus Knochen, Fleisch und Blut, die je zu Gesicht bekommen habe. Vermittels ihrer ebenso perfekten Körperhaltung sieht nie mehr, als man soll - bestenfalls bis zum Knieansatz ihres über dem rechten Gegenstück zaghaft baumelnden Gegenstücks - noch nie war ich bedrückter über ein Stück seidener Materie. Die sechs Sekunden (!), die mein anstößiger Verstand sich gönnt, um die junge Frau unbekümmert zu beaugapfeln, verbringe ich zum guten Drittel auf den Ansatz ihres Kleides fixiert. Den letzten Augenblick nutze ich, um das Bild zu vervollständigen. Paradox hinsichtlich der Wärme im Zimmer wirken weiße Handschuhe und ein Schal um ihren Hals, der die gewählten Kleidungstöne ultimativ auf mattes Schwarz und schneeweiß beschränkt, bis auf ein Element, das wiederkehrend meine Aufmerksamkeit auf sich zieht: die goldenen Haarclips. Die Stupsnase, die großen Augen hinter geschlossenen Lidern, der dezente Mund, zu einem hauchdünnen Lächeln entspannt - zweifellos bildschöne Züge, die man ein Mal unter Tausenden in perfektem Zusammenspiel sieht. Dabei sind nach wie vor die wolligen Haarsträhnen um ihre Schultern für sich alleine bereits ein Augenschmaus. Und ihre Wimpern. Und ihre Finger. Und ihre Körperhaltung.


    ...ihre Schönheit ist klar zutage liegend, en détail, aufregend, wohltuend und vielschichtig. Makellos. In der Tat, eine Zehn. Innerlich verfluche ich gereizt mich und die junge Frau für diesen langatmigen Moment, denn mein konstantes Schauspiel gibt Angesicht zu Angesicht mit ihrem Erscheinungsbild signifikant mehr Makel preis, fällt gar vollkommen für einen halben Atemzug."

    AUSZUG KAPITEL DREI, SIE... . ERSCHEINUNGSBILD AUS SICHT LANCELOTS.


    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 5/5
    • Sozialkompetenz: 2/5
    • Wissen: 5/5
    • Charakterstärke: 4/5
    • Potenzial: 4/5


    Geschlecht: Weiblich.
    Herkunft: Jubelstadt; Sinnoh.
    Familie: Adeliges Haus Berlitz; Juan-Bernard Berlitz (Vater); Yanase Berlitz (Mutter)
    Geburtstag; Alter: 7. April 1996; 16 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,671 m; 1,699 m (mit Mütze); 49,5 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Weiß, Magenta/Weinrot, Wasserblau.
    Lieblingsküche(n): Japanisch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie... ...Französin.
    Themesong(s) ...The Cranberries - Ode To My Family; Brainstorm - Colder; Oasis - Wonderwall; The Killers - Can You Read My Mind?; Jet - Look What You'Ve Done; The Cranberries - Kiss Me; Two Door Cinema Club - What You Know.


    Lady Berlitz ist zweifelsohne eine verwöhnte und anmaßende junge Dame, was sie aber auch keinen Augenblick zu leugnen versucht. Sie ist eine adelige Diva, die in Wirklichkeit weit über ihren Kritikern steht. Einer der ältesten und für Verdienste vor der Region wertgeschätztesten Familien der Region Sinnoh entstammend, ist sie physisch und rechtlich nahezu unantastbar, da der Clan Berlitz so gut wie jeden unpriviligierten Einwohner mit sofortiger Wirkung aus seinem Blickfeld verschwinden lassen kann. Gekoppelt mit ihrer außerordentlichen Intelligenz, kompletten Gleichgültigkeit für ihr unsympathische Personen im Umfeld und einem Pokémon-Team, das sich eindeutig über dem Niveau der meisten Arenaleiter befindet, ist es eine seriöse Herausforderung, auch nur eine ihrer langen Wimpern zucken zu lassen.


    Wenngleich Lady Berlitz als oberflächlich und auf materiellen Privilegien versessen erscheinen kann, täuscht der Eindruck. In Wirklichkeit basieren viele ihrer Bewegungsgründe auf ihrer Liebe für die Region und deren Pokémon. Der Grund für ihre trotz zahlreicher Interessenten fast fehlenden freundschaftlichen und romantischen Bindungen liegt darin, dass sie so gut wie all ihre kostbaren physischen und geistigen Kräfte zum Wohle der Region und der wenigen, die ihr tatsächlich wichtig sind, einsetzt. Ebenso viel Mühe gibt sie sich, ungeachtet der Umstände äußerlich wie innerlich vollständig makellos zu erscheinen, weshalb man nur raten kann, was bei ihr in Kopf und Herz eigentlich vorgeht. Obwohl sie dafür bekannt ist, so gut wie nie Augen oder Mund zu öffnen, braucht sie nie mehr, als zwei Blicke, um selbst schwierige Persönlichkeiten zu durchschauen und ihre eigentlichen Ziele dennoch zu erreichen. Zu ihren Pokémon pflegt sie ein sehr inniges Verhältnis. Menschenkenntnis hingegen ist ihre Schwäche. Lancelot sucht bei ihr konstant nach Makeln, bisher erfolglos.


    [Subtab=B. Young]
    Der Vorkämpfer

    B A R R Y YOUNG



    - "[...]was hältst Du davon, Lancelot?"
    - "Ganz ehrlich?"
    - "Aber klar!"
    - "Du bist'n Idiot, Barry."


    TYPISCHES ENDE EINER KONVERSATION


    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 2/5
    • Sozialkompetenz: 3/5
    • Wissen: 4/5
    • Charakterstärke: 5/5
    • Potenzial: 4/5


    Geschlecht: Männlich.
    Herkunft: Zweiblattdorf, Sinnoh-Region.
    Familie: Viktor Young (Vater); Sabine Young (Mutter)
    Geburtstag; Alter: 25. März 1997; 15 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,747 cm; 59,5 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Ockergelb, Orange, Olivgrün.
    Lieblingsküche(n): Nichts besonderes; Deutsch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie... ...Schwede/Norweger.
    Themesong(s) ...Rascal Flatts - Life Is A Highway; Bruno Mars - You Can Count On Me; Reamonn - Trough The Eyes Of A Child; The Red Hot Chili Peppers - Can't Stop; Oasis - Live Forever.


    Barry steht im krassen Kontrast zu seinem besten Freund - fast schon mehr durch sein sehr simpel gestricktes Gemüt, als seinen unermüdlichen Enthusiasmus und ungeachtet der Umstände gute Laune. Er ist jemand, der der Welt schon dafür dankbar ist, in sie geboren sein zu dürfen und erfreut sich jeglichen Augenblickes in ihr. Er hegte von Kind an - ebenfalls im Gegensatz zu seinem Freund - einen Traum, den er mit vielen anderen Jugendlichen seiner Region gemeinsam hatte. Pokémon-Trainer zu werden und sich aller Welt zu beweisen. Aus diesem Grund studiert er, seit er flüssig lesen kann - seinem dreizehnten Lebensjahr - jeden Tag ausgiebig Pokémon-Magazine in der Hoffnung, dass er das Wissen irgendwann in der Praxis gebrauchen kann. Doch dabei geht es ihm nicht einmal um Orden oder Ruhm, sondern einzig und allein um Spaß an der Sache.


    Dabei erscheint Barry nicht nur auf den ersten Blick simpel gestrickt, sondern ist es auch. Vermutet man irgendwelche tieferen Gedanken hinter in seinem blonden, meist strahlenden Antlitz, irrt man. Dem jungen Mann geht es tatsächlich nur um das Wohl all seiner Bekannten und den Erfolg seines Pokémon-Teams. Er ist ein äußerst ergebener Freund, dem jedes Mittel Recht ist, um zu helfen. Gemeinsam mit seinem unerschöpflichen Elan, Mut und großem Herz, offenbart es großes Potenzial zu einem erfolgreichen Trainer in ihm. Mit Lancelot's schwierigen Gedankengängen kann er meistens nichts anfangen und wirkt ihm in vielen Belangen unterlegen, doch dieser erkennt im Inneren selbst an, dass Barry eigentlich die stärkere Persönlichkeit besitzt.

    [tab=Sekundäre Charaktere]
    [subtab=J.-B. Berlitz]
    Schwarzes Schaf eines Familienimperiums (?)


    SIRJ U A N BERNARD B E R L I T Z
    - "Ihr könnt mich als altmodisch bezeichnen. Als zurückgeblieben sogar. Als jemanden, der nicht mehr mit eurer Generation mithalten kann... Und werdet sogar Recht behalten. Aber... Sie ist meine einzige Tochter und ich... Ich kann so nicht anfangen."


    EINSTELLUNG ZU SICH SELBST


    "- "Juan Bernard. Berlitz."
    Das Oberhaupt des einflussreichsten Clans in ganz Sinnoh ist ein Mann von durchschnittlicher Höhe und überraschend gefühligen Gesichtszügen. Seine dunklen Augen von geschwungenen dichten Brauen umrahmt, seine Oberlippe ziert ein gepflegter zweiteiliger Schnurrbart. Alles an seinem Antlitz ist betont und markant, doch bereits sichtbare Altersfalten und kleine Tränensäcke geben in ihm einen Mann in ihm preis, dem sein vergleichsweise langes Leben nicht viel geschenkt hat. Seine Haltung ist deutlich bescheidener, als man hätte bei der mehrmaligen Differenz zwischen unser beiden Sozialstatus erwarten können, er wirkt leicht nervös und gar selbstunsicher. Auffällig ist auch sein umständlich zurückgekämmtes Haar, das trotz anderer Altersanzeichen wenig von intensiver Schwärze und Glanz verloren hat und zwei hoch und zur Seite gekämmte ergraute Strähnen im Kontrast dazu. Seine Kleidung hingegen entspricht vollkommen dem, was man hätte von einem Adeligen seiner Klasse vermuten können: ein sorgsam durchdachter Anzug in den Farben meerblau und schwarz mit weißem gekräuseltem Kragen, zahlreiche Broschen und Verzierungen. Die Finger der Hand, die er mir reicht, sind markant lang, nichtsdestotrotz aber kräftig, und, wie ich im nächsten Augenblick bemerke, recht rau. Gemeinsam mit dem recht stämmigen, leicht zur Fülligkeit neigenden Körperbau verringern sie den Eindruck, dass der blaublütige blasse Mann sein gesamtes Leben gekrümmt im Büro verbracht hat.


    Die Geste, mit der ich mich eines Handschuhs entledige und ihm die Hand reiche, fällt verblüffend routiniert aus dafür, wem ich im Moment gegenüberstehe. Meine Aufregung läßt nur langsam nach, aber mein Körper behält erfreulich viel Kontrolle über die Situation."

    AUSZUG KAPITEL DREI, SIE... . ERSCHEINUNGSBILD AUS SICHT LANCELOTS.


    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 4/5
    • Sozialkompetenz: 2/5
    • Wissen: 5/5
    • Charakterstärke: ???/5
    • Potenzial: 3/5


    Herkunft: Jubelstadt; Sinnoh-Region.
    Familie: Adeliges Haus Berlitz; M. Platinum Berlitz (Tochter); Yanase Berlitz (Ehefrau)
    Alter: 49 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,75 m; 78 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Wasserblau.
    Lieblingsküche(n): Englisch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie... ...Franzose.
    Themesong(s) ... R.E.M. - Losing My Religion.


    Der neunte und somit aktuelle Patriarch des unvorstellbar finanzmächtigen und einflussreichen Hauses Berlitz, dessen Macht aber langsam entweicht an andere Häuser übergeht. Der Adel Sinnohs sieht in Juan-Bernard aufgrund seiner mäßigen Persönlichkeit nur einen Schatten des Hausgründers Artus Benedict Berlitz und somit den Ursache dafür, dass der Clan seine besten Jahre hinter sich hat. Oberhäupter von Zweigfamilien sehen sich bereits an seiner Stelle.


    Obwohl der allgemeinen Auffassung nach selbst Juan's gerade erst volljährige Tochter ein besseres Oberhaupt abgeben würde, wird voraussichtlich kein anderes Haus Sinnoh die nächsten zehn Jahre so prägen, wie der Clan Berlitz. Juan ist zum Zeitpunkt der Geschichte aus einer Geschäftsreise aus der Hoenn-Region zurückgekehrt, wo er seinen einzigen nennenswerten Lebenserfolg - seine eigene Pokémon-Arena in Xeneroville - wieder seinem Schüler Wassili überlassen hat. Er verlässt kaum noch sein Kabinett in der alten Berlitz-Residenz in Jubelstadt, all seine Sorgen gelten den Finanzen und seiner einzigen Erbin, die er über alles liebt.


    [subtab=??? Libertine]
    (K)Ein so großes Rätsel

    ??? L I B E R T I N E


    - "Ich hasse Dich."
    - "Ich hab' Dich auch ganz doll lieb. Sieh' zu, dass Du Dir keine Erkältung holst und mach' genau das, was Mama dir sagt. Und sag mir Bescheid, wenn Du glaubst, eine ansehnliche junge Frau gefunden zu haben."
    - "Für so einen Unfug werde ich keine Zeit haben."
    - "Du findest sowieso keine. [...]
    Na weil Du ein Versager bist, Lancelot."
    VIDEOTELEFONAT MIT SEINEM SOHN


    "Juvenil-freudig sprang Michelle auf, um ihren Mann zu begrüßen, indessen der Zwölfjährige sich in seinem Nachtlager sich eng an die Dachwand presste, um aus Winkel des Türrahmens unerkenntlich zu verharren. Sie musste sich auf Zehenspitzen stellen, um die trotz ihrer Schlankheit belastbar und verlässlich wirkende Gestalt zu umarmen. Routiniert beantwortete er ihre rührende Geste mit einem kaltgelassenen Hüftkniff und besah das spärlich beleuchtete Zimmer.
    Auch er war dreißig, wirkte seit fünfundzwanzig aber unverändert. Akribische Sorgfalt legte er in sein Aussehen, dem Frauen unabhängig ihrer Schönheit hoffnungslos verfielen.
    Weißblond und silbergrauäugig, mit betont edlen und scharfen virilen Gesichtszügen, erstarrt-kühler Mimik, mit in seiner schwarzen Hose verscharrten Händen zum Ausdruck gebrachter Gleichgültigkeit zu allem, was ihm nicht gefiel. Das hautenge weiße Hemd unter der marineblauen offenen Knopfweste mit gelben Elementen deutete eine sehnig-athletische Figur an, die von breiten knochigen Schultern untermalt wurde; obgleich die schmalen Knochen des auf das Gegenteil schließen lassen könnte.
    Einen Teil seiner stattlichen Höhe durch resolut-gebückte Gangweise ein, zum Stehen kam er aber kerzengerade. Im Kontrast zu seinem blassen, misstrauisch wirkenden Sohn strahlte er gepflegte Männlichkeit und Souveränität aus. Man merkte ihm seinen Status als Vorbild und Autoritätsperson des Landes an."

    AUSZUG KAPITEL FÜNF, DER KISMETBRECHER.

    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 5/5
    • Sozialkompetenz: 4/5
    • Wissen: 4/5
    • Charakterstärke: 5/5
    • Potenzial: 5/5


    Herkunft: Elyses, Sinnoh-Region.
    Familie: L.M. Libertine (biologischer Sohn); Michelle Libertine (Ehefrau); Sina Libertine (Tochter); ??? Libertine (jüngere Schwester)
    Alter: 35 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,82 m; 74 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Schwarz, Blau, Weiß.
    Lieblingsküche(n): Japanisch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie... ...Deutscher/Engländer.
    Themesong(s) ... The Libertines - Good Old Days.


    Lancelots Vater, der von dem jungen Mann selbst nie anerkannt oder als Autoritätsperson akzeptiert wurde. Einige zweifelhafte Lebensentscheidungen und die schwierige Persönlichkeit seines Sohnes führten in einem noch verworreneren Zusammenhang schließlich dazu, dass man im Verhältnis der zwei Menschen kaum noch eine wirkliche Beziehung zwischen Vater und Sohn erkennen kann.


    Man kennt ihn als äußerst beherrschten und gelassenen Menschen, der jegliche Vorwürfe abprallen läßt und stets eine sehr bestimmte Lebensposition einnimmt. Gerüchten nach soll er insgeheim ein großer Lüstling sein.
    Er führt ein erfolgreiches Leben in einer Großstadt am anderen Ende der Region, umgeben von Medienaufmerksamkeit, Anbeter(innen), Freunden und ebenso starken Pokémon-Trainern wie er selbst und genießt ein Ansehen, das mit dem der Familie Berlitz vergleichbar ist.


    [subtab=Válentine Fate]
    Schicksalsritter


    VALENTINEF A T E
    - "Danke Ihnen."
    - "Wofür denn?"
    - "Dafür, dass Sie als einzige Person bei Vernunft geblieben sind."
    - "Nun... Darin besteht meine Profession, nicht wahr?"
    ZU LADY M. PLATINUM BERLITZ


    "Wir verbleiben zu dritt am Tisch. Lady Berlitz mir hundertzwanzig Grad gegenüber, er direkt. Stille im Speisesaal und der eindringliche Blick seiner blauen Augen. Erstmals eröffnet sich mir die Opportunität, ihm standzuhalten und ihn zu beäugen. Nichts an seinem Erscheinungsbild sticht gravierend ins Auge... Weil dieses eine vollendete Gesamtheit bildet, die über Zweifeln erhaben ist. Seine ästhetische Ausstrahlungskraft ist gleichzusetzen mit der von Lady Berlitz, nur, dass im Gegensatz zu ihrer erdrückenden, faszinierenden Grazie seine Erlesenheit eher schweigsam und zurückhaltend wirkt. Kein Detail läßt aufhorchen, alles an seiner Kleidung, seiner Statur und seinen Gesichtszügen wirkt klassisch, gepflegt simpel wie aus einem Guss. Um seine leicht überdurchschnittlich breiten Schultern, wie auf den Millimeter zugeschnitten sitzt ein schwarzer Gesellschaftsanzug ohne Verzierungen, kontrastierend mit einem blütenweißen Smokinghemd, welches durch winzige Schleife und Stehkragen identischer Farbe wie Hemd und Anzug ergänzt wird. Ein zugespitztes Kinn, dunkelblaue pointierte Sehwerkzeuge, auf die hohe Stirn fallen ihm dünne Strähnen hellblonden Haars, das zeitgleich in Kinnlänge sein Gesicht umrahmt. Die Frisur mutet leicht willkürlich an, ist in facto aber definitiv das Ergebnis von zeitintensiver Pflege. Wende ich meinen Blick leicht ab und luge zu Lady Berlitz, stellt sich mir die Frage, wie sich zwei derart brillante Personen in einem Sichtfeld befinden können... Wie eine idiosynkratische Spezies..."
    AUSZUG KAPITEL VIER, HINTERWÄLDLER. BESCHREIBUNG AUS SICHT LANCELOTS


    • Eigenschaften:
    • Intelligenz: 5/5
    • Sozialkompetenz: 5/5
    • Wissen: 5/5
    • Charakterstärke: 3/5
    • Potenzial: 5/5


    Herkunft: Unbekannt, mutmaßlich Überlebensareal.
    Alter: 20 Jahre.
    Höhe, Gewicht: 1,78 m; 70 kg.
    Lieblingsfarbe(n): Silber; Gold; Platin.
    Lieblingsküche(n): Japanisch.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie... ...Engländer.
    Themesong(s) ... Red Hot Chili Peppers - Californication.


    Válentine Fate (engl. Aussprache) der siebte und somit amtierende Präsident der Region Sinnoh, infolgedessen gleichauf mit dem Champ der bevollmächtigst verehrte Mann des Landes, dessen Geltung einzig durch das Parlament eingeschränkt wird.
    Unterstellen Kritiker dem jungen Mann, bei seiner beispiellosen Karriere über Leichen gegangen zu sein, notieren wahre Kenner seiner Prozedere nur schicksalsergeben "Er hat andere Methoden." Aus dem Nichts hatte er sich als unbedeutender Botschafter in Fleetburg durch sein exzeptionelles Talent einen Namen gemacht und stieg mit unvorstellbarer Performanz die Berufslaufbahn hinauf. Mit achtzehn unlängst Außenminister, wurde er im zwanzigsten Lebensjahr mit evidentem Vorsprung vor sämtlichen Mitbewerbern zum Regierungsvorsitzenden gewählt. Der vielzitierte Leitspruch seines Wahlprogramms lautete Have faith in Sinnoh's Fate.


    "Fate" ist ein politisches Pseudonym, Válentines realer Familienname fand nie öffentliche Verbreitung, weshalb die Version einer proletarischen Herkunft publik als gängig gilt. Bereits zu seiner Zeit als Außenminister war er für rigorose Diplomatie gegen Okkupationsgebiete wohl bekannt, die zahlreiche Stiefelwürfe seitens ausländischer Reporter zur Folge hatten. Seine Ausweichquote ist gegenwärtig identisch seiner Wahlquote - 88%. Fernerhin verzichtet er vollständig auf Leibwache, um "Budgetkosten einzusparen wie Panoramas störungsfreier genießen zu können" und läßt das "Schicksal über sein Schicksal entscheiden". Das Parlament ist daher gegenwärtig gewohnt, wenn Fate morgens routiniert eher tot als lebendig ins Regierungsgebäude schwankt. Seine beunruhigten Wähler beschwichtigt er mit der Aussage, "über eine Leibgarde nachzudenken, sollte er einmal nicht überleben."


    [tab=Tertiäre Charaktere]
    [subtab=Michelle Libertine]

    M I C H E L L E LIBERTINE


    Geschlecht: Weiblich.
    Beruf: Schauspielerin; Hausfrau.
    Familie: L.M. Libertine (Sohn); ??? Libertine (Ehemann); Sina Libertine (Tochter)
    Alter: 35 Jahre.
    Wohnort: Zweiblattdorf; Klinikum Erholungsgebiet.
    "Eine auffallend schöne Frau, deren Alter man nicht genau bestimmen kann: sie war dreißig, könnte aber auch fünfundzwanzig oder jünger gewesen sein. Sie sah leicht zerbrechlich aus, mittelhoch, mit liebevollen, feinen und etwas willensschwachen Zügen. Rotbraunes Haar fiel ihr in überaus sanftem Fluss in den schlanken Rücken. Sie behielt stets ein sorgfältig gepflegtes, leicht übertrieben-theatralisches Aussehen, denn selbst Zuhause trug sie stets kirschroten Lippenstift, und stets knielange Kleider über bloßen Füßen. Eine hohe Stirn, blasse Haut und lange dunkle Wimpern über smaragdgrünen Augen könnten auf eine hohe Herkunft schließen lassen, in Wirklichkeit aber war sie einer gewöhnlichen Familie aus der Mittelschicht entsprungen.
    Sie wirkte wie eine Frau, die stets beschützt und behütet werden musst. Für sich alleine fühlte sie sich unvollständig."

    AUSZUG KAPITEL FÜNF, KISMETBRECHER.


    Lancelot's Mutter, mit der er stets ein sehr warmes Verhältnis pflegt. Im Gegensatz zu ihm fühlt sie sich nicht von ihrem Ehemann betrogen und liebt diesen weiterhin, was auf Gegenseitigkeit beruht. Dennoch bleibt ihr Verhältnis angespannt, wenngleich Michelle auf dem Recht ihres Mannes besteht, an der Erziehung seiner Kinder teilnehmen und Entscheidungen treffen zu können.


    Sie wird Opfer eines Brandanschlages, den sie mit mittelschweren Verletzungen überlebt. Da ihr Wissen bezüglich Pokémon und der Terrororganisation "Galaktik" sich in Grenzen hält, überlässt sie auch hier ihrem Mann die Entscheidung, was zu tun ist. Insgesamt kann man sie als liebevoll und ergeben gegenüber Mann und Familie bezeichnen.


    [subtab=Alen V. Fattinee]

    D E T E K T I V INSPEKTOR ALEN V. FATTINEE


    Geschlecht: Männlich.
    Beruf: Staatsdetektiv Sinnohs mit Inspektorrang.
    Wohnsitz: Herzofen.


    Ein Staatsbeamter, der für den Anschlag auf Lancelots Familie zuständig war, die Ermittlungen aber einstellte, da die Täter sofort feststanden. Gerüchte besagen, er sei einer der besten seiner Sorte, doch in Person gesehen hat ihn niemand, da er seine Ermittlungen aus dem Büro heraus führt und dieses nie verläßt. Er steht in einer unbekannten Verbindung direkt zum Präsidenten.


    [subtab=Randal Valenfreda]

    SIRR A N D A L VALENFREDA


    Geschlecht: Männlich.
    Familie: Adeliges Haus Valenfreda.
    Alter: 19 Jahre.
    Wohnort: Jubelstadt; Adelsviertel.
    Ersterscheinung: Kapitel Drei, Bekanntschaften.
    Aurale Rolle (laut Rivers): "Landgraf"


    "Sein Gesicht mit stramm zurückgekämmten dunklen Haaren weist sowohl adlig-edle, als auch gebräuchlich-jugendliche Züge auf. Die teure Zigarre im selbstsicher grinsenden Mundwinkel und nicht so ganz kostengünstige weiß-violette Anzug mit tiefem Ausschnitt auf der hageren Brust, sowie zahlreiche goldene Ketten an Hals und Handgelenk vermitteln effektiv seine mutmaßliche Lebensphilosophie. "Ja, ich bin ein verwöhntes Vatersöhnchen. Aber ich bin reicher als Du.
    Die dunklen Onyxe in seinen Augen charakterisieren ihn zweifelsohne als Adeligen."

    AUSZUG KAPITEL DREI, BEKANNTSCHAFTEN. ERSCHEINUNGSBILD AUS SICHT LANCELOTS.


    Randal ist ein verwöhnter Schnösel, der dafür lebt, um anderen seine Überlegenheit zu beweisen, empfindet aber auch sentimentale Gefühle und Bindungen an andere Personen. So kann er bis heute nicht die Hingabe überwinden, die er zu M.P. Berlitz empfindet, obwohl das Interesse unmissverständlich einseitig ist. Seine aktuelle Beziehung führt er mit Lady Charlotte aus dem Adeligen Haus Lonsdale, er selbst entstammt ebenfalls einem der Siebzehn Adeligen Häuser Sinnohs: den Valenfreda, die ihr Vermögen durch Banken horten.


    Als größte Autorität innerhalb des Adelsviertels macht sich nicht viel aus Regeln und dem Etikett, das ein Adeliger eigentlich einhalten sollte. Er ist gleich respektlos gegenüber seinen und fremden Eltern, anderen Aristokraten und gewöhnlichen Bürgern, durch hervorstechende Eigenschaften ist es aber möglich, seine Achtung zu gewinnen. Im Inneren wird er aufgrund seines rücksichtslosen Lebensstils von Selbstzweifeln zerfressen. Lancelot löst diese schließlich auf seine Art.
    Magnayen
    Magnus ist eines der wenigen Wesen, an denen Randal wirklich hängt. Ein Magnayen aus Artzucht, teilt es seinen Lebensstil seit es seinem Besitzer als Welpe ausgehändigt wurde. Zudem wird die äußere wie persönliche Ähnlichkeit mit Randal von Lancelot angemerkt.
    Magnus ist ein äußerst fähiger Kämpfer, der seinem Besitzer den Rang des stärksten Trainers im Adelsviertel verschafft hat. Seine Fähigkeit ist Bedroher, wodurch er das offensive Potenzial seiner Gegner verringert: weit genug, um sich mit Jauler zu stärken und Biss anzugreifen. Seine mächtigste Kampftechnik jedoch ist Tiefschlag: eine komplexe Fähigkeit des Unlichts, nutzt Magnus die Manipulation von durch gegnerische vorbereitete Attacken freigesetzte Antimaterie, um den Gegner mit Macht der Dunkelheit anzugreifen.

    [subtab=Charlotte Lonsdale]

    LADYC H A R L O T T E LONSDALE


    Geschlecht: Weiblich.
    Familie: Adeliges Haus Lonsdale.
    Alter: 20 Jahre.
    Wohnort: Jubelstadt; Adelsviertel.
    Ersterscheinung: Kapitel Drei, Bekanntschaften.


    "- "Das hast Du mir aber nie erzählt, Randal.", - höre ich nun erstmals die hohe Stimme seiner Begleiterin, die etwas weiter abseits von uns kerzengerade verharrt. Ihr Tonfall schwankt zwischen verwundert und beleidigt, doch in ihren großen blauen Augen spiegelt sich kein Missbehagen. Jetzt mustere ich auch sie und erkenne ein wirklich reizendes Geschöpf. Ihr um diese Jahres- und Tageszeit absolut entbehrlicher Strohhut schmückt ihr charmantes, naives Antlitz durch den gleichen Farbton, wie ihr blondes strähniges Haar, während das vornehme, weite Kleid mit ihrer Augenfarbe harmoniert.
    Wer log eigentlich, dass Stuart die zweitschönste Adelstochter Jubelstadts stellt?"

    AUSZUG KAPITEL DREI, BEKANNTSCHAFTEN. BESCHREIBUNG AUS SICHT LANCELOTS.


    Lady Charlotte Lonsdale besitzt trotz hoher Herkunft ein zartes Gemüt. Sie ist naiv, verträumt und erscheint daher etwas eingeschränkt. Sie hält nicht viel von den Feten ihres festen Freundes Randal, bevorzugt traute Zweisamkeit und romantische Spaziergänge bei Abend. Charlotte macht sich weder auf ihrer noblen Herkunft, noch aus den Plänen, die ihre Eltern für sie haben viel und lebt viel lieber für tiefe Gefühle und Emotionen. Im Kontrast zu Randals Gefühlen zu ihr sind Ihre daher viel intensiver.
    In kritischen Situationen demonstriert sie überraschend auch einmal eiserne Entschlossenheit.


    Enekoro
    Ein weibliches Enekoro begleitet Lady Charlotte auf ihren zaghaften Wegen. In der Persönlichkeit seiner Besitzerin ähnlich Mäßig, besitzt es geringes und größtenteils ungenutztes kämpferisches Potenzial und döst die meiste Zeit lieber umgeben von Aufmerksamkeit.
    Im Kampf attackiert es Gegner mit einem eher ungekonnten Duplexhieb, kann Verbündete aber mit Vitalglocke unterstützen.

    [subtab=Sebastian]

    S E B A S T I A N


    Geschlecht: Männlich.
    Beruf: Unmöglichster Butler Sinnohs.
    Wohnsitz: Jubelstadt.
    Bekannte Pokémon: Iksbat.
    "Die neutral-verschlafen klingende Stimme hinter meiner Schulter sowie die Realisation von menschlicher Anwesenheit lassen mich kurz zusammenzucken, als ich mich hektisch wende: ein Butler. Sein Gesicht und Erscheinungsbild wirken komparabel wertfrei wie sein Tonfall, so sehr meine verschlafenen Augen sich auch auf seinem Frack fixieren, einfach nichts will mir an seiner untersetzten Gestalt wirklich auffallen, beim weiteren Dialog spreche ich quasi seine Uniform an. Weder Alter, noch Herkunft, noch Sinnesart lassen sich seinem ergrauten Schnurrbart ablesen. Wohlmöglich macht genau dies einen guten Butler aus...?"
    AUSSCHNITT KAPITEL VIER, HINTERWÄLDLER. BESCHREIBUNG AUS SICHT LANCELOTS


    Platzhirsch für den jährlich vergebenen Titel "unmöglichster Butler Sinnohs", auch definitiv eine der diffusesten Gestalten der Region. Unter ominösen Umständen brachte er als Landstreicher und auf "Deals" spezialisierter Kleinganove das damalige Familienoberhaupt Joséph Berlitz dazu, ihm lebenslange Verpflegung in seinem Herrenhaus zu gewähren. Seitdem nutzt er seine Position als Oberster Concierge, um all seine delinquenten und lüsternen Vorhaben ungestört in einem Hinterzimmer im Keller auszuleben. Bevorzugtes Objekt seiner Kapriolen und Spitzeleien ist Lady M. Platinum Berlitz.


    [tab=Kommentare]
    [subtab=Charakterbeschreibungen]
    Hier erkläre ich, nach welchem Prinzip Charaktere einer Kategorie zugeordnet und vorgestellt werden, sowie, worin meiner Meinung nach der Sinn einer Charakterbeschreibung liegt.


    Vorerst gesagt: das Lesen der Charakterbeschreibungen ist nicht für ein uneingeschränktes Verstehen der Handlung vonnöten, sondern versorgt den Leser mit einer Art "Charakter-Klappentext" mit teilweise unerwähnten Hintergründen und erlaubt es ihm, interessante Eckdaten einzusehen. Ebenso dienen die hier "festgeklammerten" Zitate und Beschreibungen dazu, dass ihr euch Erscheinungsbild und Persönlichkeit wieder ins Gedächtnis rufen könnt.


    Primäre und sekundäre Charaktere haben die Ehre, durch ein Charakterbild, einen Klappentext, sowie Eigenschaften und Eckdaten charakterisiert zu werden. Doch während man die Anzahl primärer Charaktere an den Fingern einer Hand abzählen kann, könnte die Anzahl von sekundären Charakteren in Richtung zwanzig-dreißig wachsen. Tertiäre Charaktere kommen hauptsächlich in Erwähnungen und einzelnen Handlungsepisoden vor. Sie könnten jedoch jederzeit den Status eines sekundären Charakters einnehmen und diese wiederum den eines primären Charakters.


    Tertiäre Charaktere bekommen nur dann Eckdaten ausgefüllt, falls sie in jeglicher Art Relevanz haben oder Interesse hervorrufen könnten. Ein neuer Tab wird meist bei der ersten wichtigen Erwähnung oder Erscheinung des Charakters hinzugefügt, es lohnt sich also, zu Beginn und Ende eines jeden Arcs einen Blick reinzuwerfen. In den Kommentaren/Trivia zum Kapitel werde ich die Änderungen meist vermerken.


    Wann ein erwähnter Charakter ein eigenes Tab bekommt, variiert, meistens jedoch bei dem ersten direkten Auftritt oder einer starken direkten Erwähnung. Ich werde nach Möglichkeit versuchen, die Charakterbeschreibungen komplett spoilerfrei zu halten, solltet ihr jedoch nicht so weit fortgeschritten sein, dass der Charakter erwähnt wird, wäre es wohl klüger, das Lesen für später aufzuheben.


    Ebenfalls fehlt zur Zeit jegliche Information über Pokémon der Charaktere. Da mir dieser Aspekt aber sehr wichtig ist, werde ich, sobald die Handlung weit genug fortgeschritten ist, dass es Sinn macht, hier versuchen, Übersicht und Informationsvielfalt zu kombinieren.


    [subtab=Eigenschaften/Eckdaten]
    Hier gehe ich im Detail auf Eigenschaften und Eckdaten ein, die in Charakterbeschreibungen von primären, sekundären und teilweise tertiären Charakteren gegeben sind.


    Die Eigenschaften eines Charakters sollen möglichst viel über dessen persönliche Stärken und Schwächen aussagen.
    Es sind fünf Werte, die nach einem Punktesystem von Eins bis Fünf vergeben werden. 1/5 steht hier für "(fast) nicht vorhanden", 2/5 für "leicht unterdurchschnittlich", 3/5 für "gewöhnlich", 4/5 für "herausragend", 5/5 für "extraordinär" und der Wert 6/5, den es jedes Mal nur einmal geben wird, bedeutet "epochal". Sie können sich im Laufe der Geschichte aktualisieren. "Charakterentwicklung", wie ich es schwülstig nenne. Mit "???" gelistete Eigenschaften werden im Läufe der Geschichte aufgedeckt. Wie dem auch sei - ich hoffe, dass meine Charaktere viel mehr sind, als die Summe ihrer Eigenschaften und werde versuchen, das auch deutlich zu machen.
    Die einzelnen Eigenschaften erklärt...
    Intelligenz: Einzig und alleine der IQ des Charakters. Die ungefähre Formel, nach der er den Eigenschaften nach errechnet werden, lautet...

    IQ= 60+15*Eigenschaftwert


    ...mit leichten Schwankungen im Bereich von zehn Punkten. Somit liegt Barry's IQ bei ungefähr 90, könnte aber auch 85 bis 95 betragen.
    Sozialkompetenz: Die Fähigkeit, effektiv mit anderen Menschen zu kommunizieren und die Häufigkeit, mit der diese Fähigkeit praktiziert wird.
    Wissen: Die Menge an Information über Pokémon und die Region, über die der Charakter verfügt. Die Eigenschaft, die sich am öftesten verändert, denn jeden Tag lernt ein jeder Charakter etwas dazu.
    Charakterstärke: Die Willenskraft, das Durchhaltevermögen, die Zielstrebigkeit eines Charakters. Wie schnell würde er im Angesicht einer Gefahr einen Rückzieher machen, wie versessen ist er auf seiner Welt- und Wertvorstellung?
    Potenzial: Eine schwierige Eigenschaft, die noch schwieriger in Worte zu fassen oder zu beschreiben ist. Versucht, sie selbst zu erfassen und zu verstehen. Verraten kann ich, dass sie mit den Talenten des Charakters als Pokémon-Trainer und Persönlichkeit zusammenhängt. In gewisser Weise drückt sie aus, wie weit es ein Charakter bringen kann.


    Nun die Eckdaten. Sie haben meist wenig Relevanz und geben lediglich allerlei genauere Angaben preis, die nicht im Text erwähnt wurden.
    Geschlecht: Den Unterschied brauche ich euch hoffentlich nicht zu erklären.
    Herkunft: Geburts- und meistens auch Wohnort des Charakters. Stimmen diese nicht überein, wird das erwähnt. Eine Ausnahme bilden Charaktere, deren aktueller Verbleibt unbekannt bleiben soll - in deren Fall wird nur der Geburtsort bekannt gegeben.
    Familie: Die wichtigsten bereits vermerkten Familienmitglieder.
    Höhe und Gewicht: Physische Maßen in m und kg. Hier sollte man sich daran orientieren, dass der durchschnittliche, etwas sportliche erwachsene Mann in der Geschichte 1,76 m groß ist und 71 kg wiegt, die durchschnittliche Erwachsene Frau 1,69 groß ist und bei (nach Mainstream-Ansicht) attraktiver Figur ca. 53 kg Kampfgewicht aufweist. Beide Werte werden für die primären und manche sekundäre Charaktere nach jedem Arc leicht verändert.
    Lieblingsfarbe(n): Na eben was Lieblingsfarben sind.
    Lieblingsküche(n): Die bevorzugte Küche nach Nationalität oder Zubereitungsart.
    Wäre er/sie eine reale Person, wäre er/sie: Die stereotypischen nationalen Eigenschaften in Persönlichkeit oder Aussehen, die der Charakter verkörpert - wäre er/sie in der realen Welt geboren, welcher Nationalität am wahrscheinlichsten? Manchmal bloß Ergebnis meiner Laune oder nicht wahrheitsgemäßen Vorstellung von nationalen Eigenschaften. Überhaupt glaube ich nicht so ganz fest an die Existenz dieser, also macht euch nichts daraus, sollte es eure Gefühle verletzen.
    Themesongs: Mein Lieblingsaspekt, mit dem ich versuche, den Mangel an Einflüssen auf das Gehör bei einer Fanfiction auszuschmerzen.
    Ja, welches Lied bringe ich mit ihm oder ihr in Verbindung. Bei komplexen Charakteren, wie Lancelot, kann es auch eine halbe Playlist sein. Die Lieder beschreiben in ihren Lyrics und/oder der Musik die Persönlichkeit des Charakters, auch, wenn der Bezug auf diese manchmal nicht sofort ersichtlich sein kann. Nicht ausgeschlossen, dass ein-zwei Kapitel pro Arc von einer Art Hintergrundsong begleitet werden können.


    Selbst, wenn Dir Handlung oder Charaktere missfallen - Du hast ein gutes Lied mehr gehört. Eine Win/Win-Situation.


    [subtab=Gute Frage/Schlechte Antwort]
    Hier beantworte ich Fragen, die ein aufmerksamer Leser mir vollkommen berechtigt stellen könnte.


    G.F.: Wer ist denn nun der eigentliche Hauptcharakter?
    Gute Frage.
    Da ich vom Schicksal einer gesamten Region schreibe, wäre es unrealistisch, ausnahmslos alle Handlungsstränge bei einer Person zusammenlaufen zu lassen. Aus diesem Grund habe ich eine ganze Reihe an Charakteren, sowohl vollkommen imaginären, als auch an Nintendo's Pendant angelehnten Persönlichkeiten zu handelnden Personen gemacht. Wirkliche Hauptprotagonisten gibt es drei, doch auch sekundäre Charaktere, deren Zahl wohl zwanzig zugehen wird, können im Mittelpunkt mehrerer Kapitel und Handlungsstränge stehen.


    G.F.: ...aber Lancelot steht öfters im Mittelpunkt...?
    Gute Frage.
    Ja, es ist so. Als Person, durch deren Augen die Handlung die meiste Zeit sehen wird, kann man schon nach den ersten Kapiteln Lancelot erkennen. Doch da ich mich selbst keine hundert Kapitel lang in ein einem labiles, gewalttätigen Schwein mit Vaterkomplex hineinversetzen will, wird es nicht die gesamte Geschichte lang so bleiben.
    Wichtig ist und bleibt mir, zu verhindern, dass ich einen Charakter schaffe, um den sich dann lauter mit ihm interagierende Dekorationen in Form von Nebencharakteren schwirren. Diesen Effekt möchte ich mit gelegentlichen Ausflügen außerhalb der Ich-Perspektive maximieren.


    G.F.: ...irgendwelche Hintergedanken bei der Namensgebung?
    Gute Frage.
    Ja, habe ich. Libertine bedeutet übersetzt aus dem Englischen "Wüstling", "Lüstling", "anders denkender", was auch tatsächlich Persönlichkeitseigenschaften der (männlichen) Familienmitglieder verkörpert. Sein Name sollte somit widersprüchlich (Sir Lanzelot = legendärer Ritter unter König Artus aus mittelalterlichen Sagen) und gleichzeitig treffend, einzigartig klingen.


    Der wichtigste weibliche Charakter sollte einen adelig und wohl durchdacht klingenden zusammengesetzten Namen erhalten. Platinum Berlitz war bereits ein sehr guter Ansatz, mir jedoch nicht genug - sie sollte einen weiteren Vornamen erhalten, der persönlicher und charakterisierender klingt, sowie in einer Beziehung mit anderen Hauptcharakteren steht. Auf der Suche habe ich allerlei Vornamen durchwühlt und ausprobiert, bis ich glaubte, ihn gefunden zu haben.
    Dieser bleibt Lesern bis zum letzten Kapitel des zweiten Arcs aber noch außen vor.


    Bei Barry habe ich es mir deutlich einfacher gemacht. Da ich Erscheinungsbild (bis auf das Alter) und Hintergründe bei ihm fast komplett schamlos aus den Spielen übernehme, war ich mit dem Namen Barry sofort zufrieden. Ein einfacher Nachname und das Fehlen von Zweitnamen verdeutlichen sein im Vergleich zu den anderen beiden Haupthelden einfacher gestricktes Gemüt.


    G.F.: ...Wieso verzichtest Du auf ein Zitat oder Gedicht, um dich stattdessen darüber lustig zu machen? Wie darf ich den Klappentext verstehen? Davon ist bisher nicht die Rede gewesen...
    Gute Frage.
    Weil mir so viele verschiedene Handlungsstränge im Kopf herumgeistern, dass ich keinen einzelnen Hauptgedanken daraus schöpfen kann, schon garnicht ein passendes Werk dafür finden. Außerdem möchte ich nicht, dass bereits fremde Worte über der Geschichte thronen, noch ehe diese geschrieben worden ist. Ich möchte gerne mit meinen eigenen beginnen.


    Im letzten Kapitel des zweiten Arcs sollte die zweite Frage aufgeklärt werden.


    G.F.: ...Welche Prioritäten stellst Du bei der Geschichte bezüglich Schreibstil und Handlung?
    Gute Frage.
    Bezüglich des Schreibstils: ich möchte eine Art heiligen Schreibstil-Gral finden, wie aber eigentlich auch jeder Autor. Ich lege vor allem Wert auf den ungestörten Lesefluss, was ich mittels richtiger Wortwahl und Satzkonstruktion erreichen will. Der Leser sollte keinen Satz zwei Mal lesen wollen, um ihn nachzuvollziehen. Ich liebe Beschreibungen, erkenne jedoch aus anderen Werken als Leser, dass mich eine Umgebungs- oder Erscheinungsbild-Beschreibung nach mehr als drei Sätzen hintereinander offensichtlich langweilt, so gut sie auch geschrieben ist. Aus genau diesem Grund versuche ich, die Beschreibungen möglichst geschmeidig in Sätzen mit eigentlicher Handlung unterzubringen. Könnte zu überladenen Sätzen führen, aber auch klappen.


    Was die Handlung angeht, so sind meine Prioritäten genau festgelegt und lauten in absteigender Reihenfolge: Lebendig wirkende, denkende, fühlende und handelnde Charaktere und Pokémon; fesselnde und pedantisch ausgeschriebene Kämpfe; mehrere eindeutig zu erkennende rote Handlungsfäden; eine eindeutig erkennbare Bedrohung; eine aufregende und vielseitige Pokémon-Welt; unvorhersehbare Beziehungsentwicklungen und tiefgründige Shippingszenen.
    [tab=Inhaltsverzeichnis]


    [tab=Benachrichtigungen]

    Allesamt per Gastbuch-Eintrag bei neuem Kapitel.

    • Noel
    • Onee-chan
    • DexXter
    • Bastet
    • Kräme
    • Sayi
    • Yura



    [/tabmenu]


    Einleitung Arc / Der Hauptdarsteller Arc
    Prolog - Schicksalsschlag
    12. Januar, Dienstag.


    Weißt Du wer Du bist?


    Ein Tal. Und es liegt im Nirgendwo.
    Die Weiträumigkeit beraubt Betrachter jeglichen Sprachvermögens. Die Weiträumigkeit, die Ausmaßen des gesamten Landes untermalte. Was sich neblig-blassgrün erstreckte, war ein Winkel, ein Bruchstück; ein Tal im Nirgendwo wie Bilderbücher es nicht hätten umschreiben können. Wofür Grund der Nebel war, thronend über einzelnen Hügeln, schier grenzenlosen Luftkorridoren die hier so frisch waren und Kerninhalt des Landes rochen wie keinem anderen Ort. Hier stieg das Land in seiner Quintessenz, in ihrem freiheitsliebendem, unangetastetem Ausmaß, empor.
    Einen halben Tag; so lange würde man vom östlichsten zum westlichsten Hügel Fußmarsch auf sich nehmen. Treibend, summend, laufend die Trübung durchqueren. Barfuß, um das wunderbar feuchte, kühle dichte Gras zu genießen. Sämtliche Erkältungen inspiriert von unbesiegbarer Natur in Kauf nehmen.
    Das Land selbst in sich strömen zu spüren.
    Zum Himmel sehen. Dem von Nebelschwaden ummantelten einzigen Stern entgegen. Er wärmt kaum hier. Das registriert man spätestens, wenn man Schnee an Wurzeln der Grashalme wahrnimmt. An seinen unbekleideten Füßen. Unbezahlbar.
    Steigt man den östlichsten Hügel herunter, sieht man kein Wasser. Keinesfalls, bevor man sich in ihm spiegelt. Einen Schritt weiter ist es zu spät. Man stürzt drei Meter in Nässe mit dem Land identischer Temperatur. Es erklingt kaum ein Platschen. Auf der kristallklaren, vollendet glatten Seeoberfläche wellen Ringe. Sacht. Wer nicht schwimmen kann ertrinkt.
    Schuld ist das Ungewisse. Nebelschleier als Vorraussetzung für das Ungewisse. Dunst liegt über Grasweide, wo Füße waten. Daher sieht man keinen Schnee. Daher sieht man auch kein Wasser. Keinen gleichmäßigsten See der Region, der sich durchs Tal erstreckt. Ein Fehltritt und man ist im Wasser. Ist man im Wasser, sieht man auch kein Ufer. Krault man sich zehn Minuten durchs frostige, kristallklare Nass, trifft man auf kein Lebewesen.
    Man sieht Dunst vor den Augen. Die Himmelsscheibe im Weißgrau des Firmament. Wohlmöglich schneit es. Blassgrüne Hügel in der Ferne, die gleichgültig zu Schicksalen maßlos wie eh und je bestehen.
    Im Tal existieren die Hügel und der See seit die Region existiert. Sie ragen nicht aus dem Land empor. Sie sind. Sie sind das Land in seiner Quintessenz.
    Jede blassgrüne Weide ist. Ist Sinnoh.
    Das Kind schwimmt behütet im See. So nimmt der Vater sich Zeit, um sich weiter im Raum zu erstrecken. So wurden sie beide geboren.


    Erreicht man das Ufer, gelangt man nur durch Hochhieven ans Land. Viele Erziehungshürden hat die Region aufgestellt. Wer sich nicht hochhieven kann, wird Teil des Sees. Wer sich hochhievt, sieht den zweitöstlichsten Hang in Nebelschwaden versinken. Erklimmt ihn der Körper, steigt der Geist mit empor. Nun sieht man Feuchtigkeit und Nebel; hindurch eine näherungsweise unendliche Landschaft. Blassgrüne Weiden, saftig-braunes Holz: genährte Farben unterdrücken Schnee. An dessen Existenz erinnert das Knirschen unter hohem Gras. Bei jedem Schritt...
    Der Tau ist Nebel. Der Mensch auf der Hügelspitze nichtig; Zuhause.
    Die feuchten Stämme im fernen Winkel sind ein Waldspielplatz. Der gegenüberliegende Hügel bietet Windschutz, so wippt die große Schaukel nicht. Dafür stehen die sechzehn Springhölzer im Kreis und der hölzerne Zaun verlassen um Vorrichtungen. Die Weide geht näher zur Talmitte in Heufarbe über, wovon eine entgegengesetzt wehende steinerne Mühle profitiert. Im Winter bewohnen keine Bauern die umstehenden hölzerneren Blockhäuser.
    Ebenso gering wirkt auch die Häusergruppe im Zentrum des Tals. Lediglich hier erhebt sich aus Gras und Weizen Asphalt. Vier Wege führen überkreuzend zu vier identischen Heimen, verbinden Leben. Abwesende Leben. Das archaische Tal beheimatet nicht mehr als eine Person.
    Ein winziger unermesslicher Winkel der Region. Hier ist alles Bedeutungslose der Interpretation des Geistes überlassen. Der Geist entsteigt am Tagesanbruch dem Nebel in Seemitte. Er könnte seinen geringen, federleichten Körper lange durch die kühle Luft des Tals fliegen lassen. Als er zu fliegen begann, begann das Land Emotionen zu spüren. Tatsächlich schien, als lache der folgende Windhauch. Durch das hohe Gras, niedriger als der Nebel schleicht er Morgens, steigt schließlich auf zu Ziegeldächern. Und verflüchtigt sich in der standhaften Harmonie des Tals, seinem unendlichen Ausmaß.
    Hatte ein Windhauch? Hatte ein Leben hier je Bedeutung? Der Windhauch erstirbt, ohne es je zu erfahren.
    Die Region verschluckte sein Schicksal wie viele andere.
    Der See liegt in der Landschaft wie nasses Flachland. Die Region in liquider Form für die Ewigkeit. Sehr viel höher und zentraler begannen Zeit und Raum. Für das Land enden sie im Mittelpunkt dieses Sees.
    Fünfzehn Minuten schwimmt man sich durch Sinnoh. Atmet das Land ein. Oder ertrinkt im nassen, kristallklaren Land. Tragisch für den Nichtschwimmer. Das unermessliche Tal hingegen hört es lediglich am Seeufer platschen; der Nebel verschluckt Wasserringe. Ein Leben verschwindet. Von woher es kam.
    Und taucht auf, hat es gelernt zu schwimmen.
    Dann glaubt man es. Dieser See ist Sinnoh.
    Wohlgemerkt: taucht man nicht auf, muss man wohl oder übel auch daran glauben.
    In diese Region kann man eintauchen. Diese Region kann man trinken. Diese Region rinnt durch Finger. Diese Region schluckt. Laute. Schritte. Gefühle. Oxygen. Lachen. Dieses Tal ist der Ort ihrer sinnlichen Wahrnehmung. Hier spricht sie mit ihren Kindern.
    Überrascht tauchte das Kind auf und blickte sein eigenes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Wasser rann sein kinnlanges Haar herunter.
    - "Wer... Bist Du?"


    *


    Ein Traum. So muss es gewesen sein.
    Verwunderlicherweise war das die logischste Erklärung, die der sonst so rationale junge Mann dem Geschehenen geben konnte. Noch immer erschien ihm die Vorstellung von dem, was er auf dem Rückweg vom See der Wahrheit gesehen hatte, absolut irreal. Die hohen Flammenzungen in dem wohl beschaulichsten und friedlichsten, gar bedeutungslosesten aller Wohnorte der aufblühenden Region Sinnoh. Warum konnte er nicht einfach Zuhause gewesen sein? In dem Moment? Warum genau dann, wann sich sein bis auf die Einseitigkeit und ebenso tendenziöse Familienprobleme idyllisches Leben einmal von seiner bedrohlich, herausfordernden Seite zeigte? Als - Augenzeugen gab es unter der Handvoll Einwohner Zweiblattdorfes keine - man einen Anschlag auf die ihm wertvollsten Familienmitglieder durchführte. Dass es sich laut Ermittlern um eine Drohungstat handelte und seine Mutter und Schwester den Brand deshalb mit mittelschweren Verletzungen überleben konnten, milderte die Schuldgefühle des siebzehnjährigen kein bisschen.


    Ebenso schnell stand fest, dass man mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte, das Ziel des Anschlages sei eine tatsächlich verletzte Person gewesen. Zielsetzung musste jemand anderes gewesen sein, und um diese festzustellen, genügte dem uniformierten Staatsbeamten ein einziger Blick in das Familienregister. Auch die für den Anschlag verantwortliche Beschaffung stand sofort fest. Der Detektiv müsste noch in der Grundausbildung durchgefallen sein, wenn er auch nur einen Augenblick mögliche Motive unter den Dorfeinwohnern vermutet hätte. Und so setzte er sich noch am selben Abend an seinen Schreibtisch und druckte den zur besseren Leserlichkeit für Außenstehende wortkarg gehaltenen Bericht aus, den der junge Mann nun zum gefühlt hundertsten Mal mit nervös huschenden Augen überflog.


    9. Januar 2013, näherungsweise 15:35.
    Der Einzeltäter, auf dessen Identität bisher keine Rückschlüsse gemacht werden konnten, betritt unter unbekannten Umständen unbefugt das Privatterritorium des Wohnortes Zweiblattdorf. Dort angekommen, provoziert er eine mittelschwere Feuerexplosion mit anschließendem mittelschweren Brand in einem der Wohnhäuser. Dieser konnte durch die Einwohner aus eigener Kraft eliminiert werden.
    Dazu bediente er sich mutmaßlich der Hilfe eines Feuer-Pokémon mit beachtlicher Reichweite und Durchschlagskraft. Der Täter konnte nicht am Tatort gefasst werden und tauchte spurlos unter.


    Die Ermittlungen wurden eingestellt, da sich die Schuldigen zu der Tat bekannt haben. Hierbei handelt es sich um die organisierte Terrororganisation "Galaktik".


    Weiter unten war eine Skizze angehängt. Sie zeigte fünf mögliche Positionen und Winkel, aus denen der Täter unbemerkt für die restlichen Einwohner die Attacke durchführen konnte, so dass sie mit dem berechneten Einschlagwinkel übereinstimmte. Keiner davon deckte sich mit einem Angriff aus den benachbarten Häusern. Da deren Türen elektronisch überwacht wurden, entfiel die Möglichkeit einer solchen Tat eindeutig.
    [align=right] Detektiv Inspektor
    Alen V. Fattinee


    Dabei hätte sich Lancelot nicht weniger darum kümmern können, was im Bericht stand. Er hatte den Täter mit eigenen Augen gesehen, als dieser seelenruhig den Flammen seinen Rücken kehrte und das Dorf gemächlich verließ. Er und Barry waren ihm auf ihrer Heimkehr begegnet, bemerkten die an ihnen vorbeischlendernde Gestalt in weißer Kapuze aber kaum. Stattdessen - Lancelot legte den Bericht beiseite und biss hart auf seine Zunge - stattdessen standen sie in der Gegend herum wie zwei minderbemittelte Volltrottel und erwiderten den ihnen zugeworfenen flüchtigen Gruß...


    Jedes Mal, wenn Lancelot zum unzähligsten Mal von den noch frischen Erinnerungen heimgesucht wurde, was an den letzten Tagen fast pausenlos geschah, verfiel er in eine an sich selbst gewendete Rage. Jetzt war es wieder soweit. Eine rasend heiße Welle der Wut bahnte sich, aus der Brust ausgehend, ihren Weg durch Lancelot's Körper und detonierte schließlich in seinen Beinen. Mit einer Vehemenz, die er sich selbst vor Augenblicken nie zugemutet hätte, sprang er vom Sofa auf. Fast zeitgleich erhielt ein wenige Meter weiter auf dem Boden stehender hölzerner Wäschekorb einen Stoß, der ihn beinahe in Teile gebrochen hätte. Der Impuls, der von Lancelot's schwungvollem Tritt ausging, ließ den Haushaltsgegenstand über die gesamte Treppe hinweg ein Stockwerk tiefer fliegen. Darauf entleerte der junge Mann mit einem beißenden Zischlaut seine Lungen und vergrub die Hände im Gesicht und rot-braunen, dichten Haar, um seinen Gewaltausbruch zu unterdrücken. Durch seine langen Finger hindurch konnte er mit mit einem Auge in das fast vollständig abgebrannte Esszimmer sehen, blieb aber gefasst.


    Nach einigen Minuten hatte der junge Mann eigenen Körper wieder voll unter Kontrolle. Lancelot konnte es sich nicht mehr leisten, Zeit im Kampf gegen Erinnerungen und Gefühle zu verschwenden. Ihm kam wieder in den Sinn, was er an diesem Tag vorhatte so begann er, sorgfältig die letzen brauchbaren Utensilien aus dem halbzerstörten Zweistockwerk-Gebäude zusammenzutragen... Dem Zweistock-Häuschen am Rande der Welt, welches er "Heim" nannte, seit er sich selbst reminiszieren konnte. Vorrangig Garderobe aus seinem unversehrten Zimmer und Viktualien. Lancelot würde sie brauchen in der ungewissen Zeit, die er außerhalb seines Heimes voraussichtlich verbringen müsste. All den Besitz, den er mit sich tragen konnte, verstaute er in einem edel anmutenden Koffer anstatt eines Rucksackes. Lancelot hielt nämlich ebenso wenig von Rucksäcken, wie... Verdammt! Der junge Mann ließ den Koffer auf dem Boden ab und ermahnte sich, nicht mehr an ihn zu denken, wenn er nicht noch Heute mit eigenen Händen auseinandernehmen wollte, was der Brand übriggelassen hatte. Nicht an ihn... Sowohl äußerlich, als auch innerlich hatte Lancelot leider viel mehr von ihm, als dem jungen Mann selbst lieb war.


    Lancelot lenkte sich in der nächsten Stunde mit weit angenehmeren Gedanken über das scheußliche Wetter ab, sich zeitgleich auf die Abreise aus dem stummen Haus vorbereitend. Er dachte an seinen besten Freund und die gesamte Young-Familie, die nichts von seinem Vorhaben wussten. Und bis auf einen wortkarg formulierten Zettel auch nie erfahren würde. An sein bisher unbeschwertes Leben, welches er nun auf jeden Fall aufgeben müsste. Wohlmöglich den Teil "unbeschwert", vielleicht den Teil "Leben", vielleicht beides. Er dachte an die zwei wichtigsten Frauen in seinem Leben, deren Verletzungen in der unendlich erscheinenden Ferne des Erholungsgebietes behandelt wurden. An den Mann, der ihm normalerweise ebenso wichtig sein musste, verschwendete er keinen Gedanken mehr. Zumindest verjagte er sie mit aller Kraft. Doch vergebens.


    Lancelot stand bereits im Flur vor der Haustür, als er den Fehler machte. Er war vollständig angekleidet und stand kurz davor, die Hand nach seinem Koffer auszustrecken und das Haus zu verlassen. Doch vor ihm hing ein Spiegel. Und dort, im Spiegel, manifestierte sich in diesem ein weiteres Mal ein Mann, der das Haus seit Jahren nicht mehr aufgesucht hatte.
    Mit mittlerweile stattlichen 1,76 m war er nur unbedeutend weniger hoch, auch in der Statur gab es immer weniger Unterschiede. Dieselben Vorlieben für Farben in der Kleidung... Vieles stimmte nicht überein, hatte er doch zwei Elternteile, vor allem die weniger betonten Wangen und die längere, blassrote Mähne. Aber das Profil und vor allem der Blick... Sie waren absolut nicht zu verkennen, so selten Lancelot ihn auch lebendig gesehen hatte. Selbst bei Fernsehreportagen hatte er weggesehen... Ein grauäugiger Blick, in dem sich Hass spiegelte. Hass auf diejenigen, die dafür verantwortlich waren, dass er alleine im stillen, menschenleeren Gebäude stand und sich darauf vorbereitete, es für immer zu verlassen. In Lancelot's Fall kam langsam auch noch der Hass auf den Blick selbst hinzu. Als er die Ähnlichkeit und die sich ebenfalls im Glas wiedergegebenen Trümmer seines Zuhause immer eindeutiger realisierte, weiteten sich seine Augen immer stärker. Er schritt mit immer noch ausgestrecktem Handschuh auf den Spiegel zu, Anziehung und Abscheu gleichzeitig verspürend. Die Reflexion verkürzte mit jedem seiner zaghaften Schritte die Entfernung gleich um zwei Schrittlängen, bis sich ihre Hände beinahe berührten.


    Du...! Du bist tot! Du bist hier nicht Willkommen! Wieso siehst Du es nicht ein...? Wieso? Wieso? Verdammt, wieso?
    Lancelot dachte beinahe an Notwehr, als er einen Satz zurückwich, nach dem erstbesten Gegenstand - einem zusammengeklappten Regenschirm - griff und ihn schlagartig Richtung Spiegel schleuderte.
    Wieso?!... Vater?!!


    Der Krach der splitternden Scherben müßte selbst aus den geschlossenen Fenstern und Türen erschallt sein und übertraf an Lautstärke sogar das, was Lancelot sich selbst vorgestellt hatte. Eine nach der anderen fielen sie scheppernd zu Boden und der junge Mann konnte von großem Glück sprechen, nicht verletzt worden zu sein. Ja, es war laut gewesen. Ja, es war rücksichtslos. Und gefährlich.
    Aber danach gewann die Stille sofort wieder an Herrschaft zurück, was sie verloren hatte. Niemand im kleinen Dörfchen hatte etwas gehört. Nichts, was hätte Sinnoh oder zumindest Lancelot's eigenes Leben hätte verändern können, war geschehen. Es war nur ein Wandspiegel in einem kleinen Vorort zersprungen.
    - "Nichts... Nichts was ich bisher getan habe... Nichts war von irgendwelcher Bedeutung...!", - diese Worte stolperten beinahe im Flüsterlaut über die Lippen des noch immer von seiner eigenen Tat benebelten jungen Mannes, obwohl er sich im festen Glauben befand, sie geschrien zu haben. Verstört und auf eine merkwürdige Art erleichtert gleichzeitig über diese Erkenntnis senkte fast schon beschämt sein Haupt. Sodann krallte er sich wutentbrannt den Koffer, auf den sich sein Hass nun ebenso gerichtet war und knallte er die Tür von außen zu.


    Ein Traum. So musste es gewesen sein. Und nun hatte er das grausame Erwachen hinter sich. Lancelot würdigte die fünf-sechs fast identischen, mit Schnee bedeckten und mit Trampelpfaden verbundenen Häuser keines Blickes, als er den einzigen Pfad aus dem Dorf nahm. Als er Zweiblattdorf etwa einen halben Kilometer hinter sich gelassen hatte, glaubte er, die Stimmen seiner Kindheitsfreunde zu hören. Vermissen würde er das Dorf natürlich. Zurückkehren wohl kaum.

  • Aloha! Ich hab ein bisschen im Forum rumgestöbert und kam so auf deine Story und war zu neugierig, als das ich sie übersehen konnte. Somit kriegst du jetzt deinen ersten Kommi von mir.
    Zu Allererst mal muss ich sagen, ich bin begeistert von deinem Schreibstil. Selbst am Anfang, beim Vorwort, das wirkt schon fast wie eine Story, auch mit deinen Beschreibungen - werd doch Autor, das kannst du nämlich richtig gut. Auch wenn dein Schreibstil manchmal ziemlich kompliziert ist. Aber das macht mir nichts aus. Und dafür, dass du erst so kurze Zeit auf Bisaboard angemeldet bist, muss ich zugeben, ziemlich beeindruckt zu sein, so eine gewählte Ausdrucksweise liest man hier echt selten. Ich liebe Storys, die so beschrieben sind - viel besser als Und dann sah er einen Baum. Der Baum war groß. oder sowas. Und du bist der erste, der es geschafft hat, dass ich Wörte in einer Fanfiktion auf Bisaboard lese, die nichtmal ich bisher kannte. Respekt.
    Ich muss sagen, ich hab bisher nur das erste Kapi gelesen, da es, zugegebenermaßen, ziemlich schwer zu lesen ist. Also zum ersten Kapi:
    Ich finds gut, dass es so ziemlich bodenständig im eigenen Zimmer anfängt. Und den Wutausbruch - uuui ich mag Wutausbrüche! Wozu ich noch sagen muss, dass es mir besser gefallen hätte, wenn du die Gefühle mehr eingebracht hättest, aber das liegt eben daran, dass ich eher auf Gefühle achte.
    Das Kapi hat eine gute Länge für das Erste. Ich find nicht, dass die Absätze unbedingt nötig sind, aber das ist dem Autor - dir - ja selbst überlassen. Außerdem das Ende des Kapis. Zum einen das er wegläuft - typische Reaktion, aber solche Ausreißer-Storys sind eigentlich immer spannend. Aber worauf ich hinaus will, dass der letzte Absatz (im letzten Absatz) genauso endet wie der Allererste Absatz. Sowas mag ich total, hat etwas dramatisches und irgendwie ... etwas total Endgültiges. Ich steh drauf ;)
    Fehler machst du kaum. Ein paar Rechtschreibfehler, kommen aber echt selten vor, sodass es mich nicht stört. Naja, ich verplapper mich. Alles in allem eine sehr gute Story. Und ich brauch wohl nicht zu sagen, dass du fleißig weiterschreiben sollst - da du 'nur' in diesem Bereich aktiv bist, wird das wohl hinhauen. ;)
    Liebste Grüße
    ~Onee-chan

  • Ich wollte ja jetzt schon länger hier ein Kommi geben und bin heute endlich dazu gekommen auch die zwei Kapitel zu lesen. Den Startpost hatte ich ja neulich schon gelesen und ich muss zugeben, dass ist einer der Startposts die mir so wirklich richtig gut gefallen. Okay jetzt mal zum Kommi an sich, nicht das ich hier nur rumschwafel, haha.


    Startpost


    Wie gesagt er gefällt mir wirklich sehr gut, denn er zeugt von Wortschatz und gewähltem Ausdruck. Ich muss ganz ehrlich sagen man sieht hier wirklich selten so etwas und es freut mich wirklich das man doch mal so einem Startpost über dem Weg läuft, haha. Soweit ich es gesehen habe ist auch alles vorhanden und ich habe eigentlich an keinem Punkt etwas auszusetzen. Okay vielleicht doch, aber das ist reine Geschmackssache, haha. Mir gefällt der Header jetzt nicht ganz so gut, aber er hat doch irgendwas, jedoch könnte er einige potenzielle Leser eventuell abschrecken. Aber sonst wie gesagt gefällt mir der Startpost gut und ist auch nett formuliert.


    Kapitel 1&2


    Ich habe ja beide Kapitel schon gelesen und das erste könnte - das sei hier betont, denn es macht sich wirklich gut als erstes Kapi - man auch als einen Prolog verwenden. Die Wortwahl ist gut, auch die Handlung und alles. Mir fehlt hier noch eindeutig die Umgebungsbeschreibung die noch besser sein könnte, doch ausser der sind die Beschreibungen an sich schon gut, besonders im zweiten Kapitel wo du aus der Ich-Sicht schreibst beschreibst du alles gleich viel besser. Man merkt das dir diese eher liegt, aber dafür habe ich dort auch mehrere Grammatik-/Rechtschreibfehler gesehen, diese werde ich dir in diesem Kommi zwar nicht aufführen, aber wenn du willst das ich sie dir aufliste schreibe mir kurz eine PN, dann kann ich sie dir zeigen. Von der Handlung her scheint es mir ganz interessant zu sein und da mir der Hauptprotagonist ehrlich gesagt sehr sympathisch ist scheint es auch nicht langweilig zu werden. Das er üder Aktionskraft und darauffolgende Reaktionskraft philosphiert finde ich an der Stelle gut und es macht sich auch sehr schön. Da deine Wortwahl ein etwas höheres Niveau beschreibt gefällt mir alles gleich noch mehr, wobei es jedoch auch anspruchsvoller beim Lesen wird und vielleicht einige Leser dieses auch nicht unbedingt verstehen werden, einfach weil sie noch nicht so einen großen Wortschatz besitzen, doch wie du das mit dir ausmachen willst ist letztendlich deine Sache. Mich persönlich stört es jedenfalls nicht (: Sonst muss ich sagen gefallen mir Gedanken und Gefühle schon gut, du kannst doch an einigen Stellen ruhig noch etwas detaillierter sein, jedoch ist es so schon ein sehr guter Ansatz.



    Dies war es erst einmal von mir, ich hoffe ich konnte dir etwas helfen und würde dich bitten, mich bei einem neuen Kapitel zu benachrichtigen, da mich deine Story insgesamt sehr anspricht.
    LG
    Noel

  • Guten Abend. Danke für die zahlreichen Aufrufe, es geht weiter.


    @Onee-chan


    @Noel



    Einleitung Arc / Der Hauptdarsteller Arc

    Kapitel I - Welten
    12. Januar, Dienstag.
    Wie umgehst Du Verpflichtungen?


    Es herrscht alles andere, als mein Lieblingswetter. Ich hatte den in Sinnoh regelmäßigen und intensiven Winter nie liebgewonnen. Auch mein Gemüt ist alles andere, als sonnig, dennoch sucht meine Nasenspitze auch heute vergeblich nach barmherzigem Sonnenlicht im dunkelgrauen Himmel. Es ist mittlerweile nicht mehr stürmisch, frischer Schnee wird immer seltener. Aber es ist kalt. Verdammt kalt. Mein Atem bildet schon den ganzen Weg von Zweiblattdorf bis nach Jubelstadt warmen Wasserdampf in der klirrenden Luft. An der Landschaft finde ich nichts Sehenswertes. Die winzigen Klippen, die einen Reisenden stückweise nach oben führen und die hohen Bäume, die mit abwechselndem Abstand den schmalen Trampelpfad umrahmen. Der matte Schnee, der jeden von besagten Bäumen nicht eingenommenen Fleck für sich beansprucht. Die noch ausgeschaltete Straßenbeleuchtung paarweise links und rechts des Weges jede zweihundert Meter - all das bin ich längst schon gewohnt.


    Natürlich sind es die Umstände, das, was in den letzten Tagen geschehen war, nicht die Umgebung, die meine Stimmung auf einen historischen Tiefpunkt sinken lassen, von wo sie sich in den nächsten Tagen durch Nichts mehr steigern lassen wird. Man kann weder der trostlosen Landschaft, noch meinem Wesen gänzlich die Schuld dafür in die Schuhe schieben.
    Es ist normal, die Welt am helllichten Abend in den dunkelsten Farben zu sehen, wenn die Frau, die dir das Leben geschenkt hatte und deine jüngere Schwester in einer Krankenanstalt am anderen Ende der Region gebrandmarkt ihre Existenz fristen... Das ist rational. Es gibt kaum etwas Natürlicheres, als meine scheußliche Laune an diesem kalten, verschneiten Tag.
    Nun, es gibt Hoffnung, dass sich zumindest das Wetter ändert. Ein angestrengter Blick nach oben verrät mir, dass der Himmel über der Region sich in zwei Teile gespalten hat. Zwar dominiert weiterhin das trostlose Graublau, doch eine deutlich mehr Wärme versprechende, wolkenlose, hellere Front gewinnt immer mehr an Land. Sie zeigt sich der Abendsonne gegenüber wesentlich loyaler, als die dicke Wolkenschicht und läßt ihre heiß ersehnten lichtgelben Strahlen passieren.


    Doch im Augenblick beherrschen elende graublaue Wolken, mattes Licht und Kälte das Landstück. Zornig reibe ich meine Hände aneinander, in der Hoffnung, die unter schwarzen Handschuhen schlummernden Fingerspitzen wieder zu wecken. Zum Glück habe ich bereits mehr, als die Hälfte des Weges hinter mir gelassen, bereue es aber mittlerweile, keine Rast in einem Lokal oder Gasthaus in Sandgemme gemacht zu haben. Stattdessen hatte ich den beschaulichen Vorort Jubelstadts durch einen halbstündigen Marsch über die Hauptstraße hinter mir gelassen. Natürlich gibt es dort wenig zu sehen, das steht dem Städtchen ins Gesicht geschrieben, doch zumindest etwas Wärme hätte es einem Reisenden geben können. Doch nun zurückzukehren, wäre angesichts der bereits zurückgelegten Distanz irrational. Für mich steht es also absolut außer Frage.
    Um mich von der Kälte abzulenken, beobachte ich die Handvoll Pokémon, die an diesem abominablen Tag mein Schicksal teilen und durch den fußhohen Schnee irren. Bidiza, tollpatschige, dicke Mäuse mit auffällig großen Schneidezähnen, sind selbst jemandem, wie mir, dessen Heimatort Zweiblattdorf heißt, bekannt. Interessanter ist ein sehr seltener Anblick in meiner Heimatort - die katzenartigen Sheinux (?) mit ihren zweifarbigen schwarz-blauen Körpern und einem unübersehbaren sternförmigen Schweif. Sie erinnern mich an einen Spielgefährten früher Kindheit und wirken auf seltsame, ungewöhnliche Weise vertraut... Eines von ihnen traut sich zu meiner Überraschung bis auf wenige Schritte heran und fixiert seine neugierigen gelben Augen auf mir. Dennoch nähere ich mich ihm nicht. Meine Beziehung mit Pokémon jeglicher Art ist bereits seit Jahren festgelegt. Ich belästige sie nicht und sie belästigen mich nicht. Jetzt aber muss ich daran denken, dass sich dieser Umstand ändern könnte.


    Als ein Straßenschild mich auf die letzten vier bis nach verbliebenen Jubelstadt hinweist, hilft auch das Beobachten von Pokémon nicht mehr. Die Kälte begann, selbst durch meinen Wintermantel zu dringen - ein väterliches Geschenk zu meinem letzten Geburtstag. Dem sechzehnten. Trotz unserer mehr als schwierigen Beziehung ziehe ich ihn jedes Mal tatsächlich gerne an. Vielleicht, weil der schlanke, aber dennoch hervorragend wärmende maßgearbeitete, Stoff mit stellenweise hervorguckender Fellfütterung dem Kleidungsstück ansehen läßt, dass es teuer und wertig ist - offensichtlich wahrheitsgemäß. Vielleicht, weil die elegante Kombination aus schwarz, dunkelblau, sowie weißlich-grau am gürtelartigen Reißverschluss, dem Beinausschnitt und Schultern Vaters den Geschmack meines Vaters trifft... Und somit leider auch meinen. Wahrscheinlicher, als beide Ursachen ist aber ein anderer Grund, den ich selbst nie akzeptieren würde, so sehr der Gedanke an ihn auch in meinem Bewusstsein herumspukt. Dass ich im Mantel kontinuierlich die Wärme suche, die mein Vater mir selbst fast nie geschenkt hatte.


    Wie auch jetzt, als meinen Kopf tiefer in ihn vergrabe. Doch vergebens, zu lange bin ich nun bereits unterwegs. Auf meinen Haarspitzen hatten sich winzige Eiskristalle gebildet. Mit meinem Atem kann ich mir die Fingerspitzen nicht mehr wärmen , denn meine Körperwärme muss ich mir für den Rest des Weges aufsparen. Innerlich verfluche ich wieder einmal alles, was geschehen war, erkenne jedoch sogleich, dass es nichts brachte. Die Kälte schärft meinen sowieso hellwachen Verstand, ich musste ihn wieder mit etwas beschäftigen. Konzentriert lenke ich meine Gedanken Richtung Gestern Abend, um mich an das Gespräch über Videotelefonie mit meiner Mutter zu erinnern. Aus dem Erholungsgebiet, der besten Klinik der Region Sinnoh. Das unerwartete Signal, das seinen Weg aus der landbesten Klinik im Erholungsgebiet seinen Weg über Tausende von Kilometern gefunden hatte. Das erschöpfte, aber zum Glück vom Brand unversehrte Gesicht meiner Mutter, ihre rot-braunen Haare, die noch dünner, als sonst wirkten. Das Telefongespräch. Der Grund, wieso ich nun, um diese Jahres-, um diese Tageszeit unterwegs bin und mir die Glieder auf dem Fußweg einer vermeintlichen Chance entgegen abfriere.


    Ich glaube, ihre liebevolle, etwas heisere Stimme auch jetzt noch wahrzunehmen.
    - "Kommst Du mit dem Haushalt denn zurecht?", fragte sie schließlich besorgt, nachdem ich mich eine halbe Stunde lang ausfindig über ihren Gesundheitszustand erkundigt hatte.
    - "Exakt. Dosenfutter aus der Dose und Plastiksaft aus dem Plastikpaket sind innerhalb von zwei Tagen zu meiner Leibspeise geworden."
    Eine für mich typische Antwort. Nie würde ich jemanden belügen. Musste ich meiner kranken Mutter etwas unangenehmes mitteilen, verpackte ich es möglichst ironisch, sodass das Seufzen meiner Seele nie über meine Worte vermittelt werden würde.
    - "...Ich verstehe... Aber, Lancelot, sobald Du in Jubelstadt bist - dort, bin ich mir sicher, wirst Du keinen Anlass haben, dich zu beschweren."
    - "Wohlstand ist nicht proportional Gastfreundlichkeit.", klärte ich Mutter über meine Vorahnungen auf.
    - "In diesem Fall schon. Ich habe Giselle's Mann leider nur flüchtig kennengelernt. Eigentlich waren wir nur ein einziges Mal im Hause Berlitz zu Besuch. Aber...", sie lachte kurz auf bei der angenehmen Erinnerung, die in ihr aufzusteigen schien, "Du kannst mir glauben, ich habe seitdem ein halbes Kilo zugenommen."
    Ich sparte mir eine zynische Bemerkung über verbrannte Kalorien für das nächste Videotelefonat mit meinem Vater auf und fuhr fort, meine Zweifel zu verdeutlichen:
    - "Schön und gut. Aber... Deinen Worten nach werde ich im vollen Sinne des Wortes kein Gast sein. Eher... Babysitter?"
    - "Sie ist kaum jünger, als Du.", parierte Mutter.
    - "Das meine ich gerade nicht. So wie Du es mir geschildert hast, klingt das nach Babysitten. Ungeachtet vom Alter des Subjekts."
    - "Ich erkenne das Problem nicht, Lancelot."
    Ich atmete tief ein und versuchte, die Skepsis, die sich bei mir am Vorabend angehäuft hatte, loszuwerden: "Ich umschreibe es Dir noch einmal, Mum. Deiner eigenen Aussage nach zählt sie zu den stärksten Pokémon-Trainern im Westen der Region, richtig...?"
    - "...Ja, habe ich... Und..."
    - "Und ihr Vater besitzt geschätzt ein Fünftel des Privateigentums der Region."
    - "...Ja, tut er... Und..."
    - "Und er könnte es sich sicherlich leisten, eine Division an Professionellen anzuheuern, wenn es nötig wäre."
    - "...Ja, könnte er, aber..."
    - "Aber stattdessen wünscht sich der Herr, dass ein Hinterwäldler ohne jegliche Kampferfahrung sie begleitet. Wieso? Aus Sentimentalität, weil seine Gattin einst mit Dir befreundet war?
    Eine ausgeklügelte und nachvollziehbare Entscheidung... Vorausgesetzt, dass sowohl er, als auch seine reizende Tochter sind von Arceus mit dem Flegmon-Syndrom beschenkt worden sind. In diesem Fall bin ich bereits jetzt vollkommen eingenommen von ihnen."
    Mutter wollte ihrer Mimik nicht anerkennen lassen, dass sie meine Zweifel für berechtigt hielt. Ich erkannte es ihr aber trotzdem an. Dabei soll sie eine vielversprechende Schauspielerin gewesen sein, bevor sie das Unglück hatte, mit noch nicht vollständigen achtzehn Jahren meinem Erzeuger zu begegnen.
    - "Lancelot, ich... Um ganz ehrlich zu sein: Ich kann selbst nur ahnen, wieso er Deinem Vater dieses Angebot gemacht hat... Aber Du willst doch nicht wieder, dass das Jugendamt..."


    Als meine Ohren die Wortkomposition Jugendamt und dein Vater vernahmen, stiegen Puls und Blutdruck bei mir zwangsläufig an. Meine gewöhnlich etwas schneidende, aber beherrscht und freundlich wirkende Mimik wich einem spöttischen falschen Lächeln mit bissig, fast schon lüstern glänzenden grauen Augen.
    - "Ach ja. Ich habe für einen Augenblick vergessen, dass ich bei lebendem Vater Halbwaise bin. Und nun werde ich von ihm vor die Wahl gestellt: Lieber Sohn, entweder Du verbringst den Rest Deiner hoffentlich wenigen Tage in einer Anstalt für Leute, deren Leben nie beginnen und schnell enden wird... Oder Du nimmst ein verlockendes suspektes Angebot an, das mir zudem noch die Kosten spart, dich ernähren und versorgen zu müssen. Haben wir alle etwas davon, vor allem ich."
    - "Nein, also... Erstens ist es in Sinnohs Pensionen nicht halb so schlimm, wie Du es schilderst und zweitens... Dein Vater... Ich bin mir sicher..."
    Ich realisierte, dass Mutter, besonders in ihrem Zustand, meiner geballten Wortgewalt schutzlos ausgeliefert war. Sie musste trocken husten und wurde wieder einen Tick blasser, was ich beides auf dem Monitor des äußerlich an ein schreiendes Krakeelo angelehnten Videotelefons vernehmen konnte. Ihr Wohlbefinden war stets einer der wenigen Gründe für mich gewesen, tief durchzuatmen und einen Gang niedriger einzulegen. Was ich in dem Moment auch tat.
    - "Okay. Lassen wir das. Morgen Abend bin ich in Jubelstadt und berichte Dir von allem. Wie geht es Sina?"
    Mutter zeigte sich sichtlich erleichtert über den Themenwechsel: "Och, Du weißt, Lancelot. Im Vergleich zu meinen Verletzungen sind ihre nicht wirklich der Rede wert."
    Weil Du sie beschützt hast, wie Du nur konntest, malte ich mir aus und spürte dankbar flackernde Wärme in meinem Oberkörper.
    "Noch bleibt sie eine Weile hier. So groß, dass sie alleine auf sich aufpassen können, sind noch nicht alle meine Kinder. Aber Danke der Nachfrage. Sie läßt Barry grüßen. Und dich natürlich auch.."
    Dass meine sonst so gesprächige Schwester das mit vorübergehend beschädigten Stimmbändern zur Zeit kaum mündlich tun konnte, verschwieg sie natürlich.
    - "Freut mich. Überbring' ihr eine Kopfnuss von mir."
    Mutter's Gesichtsausdruck verfinsterte sich nach einer kurzen Pause wieder: "Lancelot. Ich kenne Dich besser als Du selbst, weil ich mit deinem Vater verheiratet bin."
    - "Mein Beileid. Und?"
    - "Ich weiß, dass Du die Schuldigen jetzt auf eigene Faust bestrafen werden willst. Du willst Rache. Aber... Aber. Du hast keine Chance. Legst Du Dich mit ihnen an, ergeht es Dir wie uns. Oder schlimmer." Mutter schluckte.
    - "Mein Erzeuger hätte sie. Aber sein Hintern hat's in seiner sicheren Stadt bekanntlich wärmer."
    - "Mach' keine Dummheiten, Lancelot.", ermahnte sie ein weiteres Mal.
    - "Keine Sorge. Nur sorgfältig durchdachte Attentate."
    - "Soll das ein Scherz sein?"
    - "...Mal sehen.", gab ich kopfkratzend nach einer kurzen Pause zurück. Ich hörte und sah Mutter scharf Luft holen.
    - "Lancelot, versprich es mir. Versprich, dass Du Dich nicht mit ihnen anlegen wirst."
    Wieder überlegte ich kurz, wie ich antworten sollte, bis ich schließlich mit fester Stimme das Gespräch beendete: "Ich verspreche, ein guter Junge zu sein. Hab' Dich und Sina lieb. Gute Besserung. Und auf Wiedersehen."

    [Blockierte Grafik: http://www.empiretest.net/tpl/v2/img/play-button-big.png]
    Radiohead - Karma Police
    This is what you get
    This is what you get when you mess with us
    Phew for a minute there
    I lost myself


    Ich schmunzelte bei der Erinnerung an dieses Gespräch, als ich mich in der kalten Realität zurückfinde. Mütter sind aber auch wirklich die einzige Spezies dieser Welt, die sich in seriösesten Fragen auf eine solch abstrakte Beteuerung einlassen. In meiner Vorstellung kreiseln Bilder meiner Mutter, die zufällig um die Ecke kommt, während ich einen Mann im Raumfahreranzug massakriere. Mit einem scheinheiligen Lächeln verkünde ich stolz: "Aber ein guter Junge, der war ich, Mama." De facto hatte ich mich diesem "Versprechen" mit trivialer Einfachheit von jeglichen Verpflichtungen befreit.


    Rache... Ein Begriff, noch archaischer, als Vorname. Hätte sie doch gleich Repressalie oder Vendetta benutzt. "Rache ist schlecht, Auge um Auge und die Welt wäre blind, Rache ist böse, blöd und Wurzel aller Unlicht-Pokémon..." Schön. Prima. Lasst uns alle lieb miteinander sein und unsere Häuser mit Knospi-Öl bestreichen, damit sie besser brennen. Aber welchen Sinn hätte dann das Attentat, wenn ich nicht darauf reagieren würde? Schließlich wollten sie erreichen, dass mein Erzeuger eine Reaktion zeigt - tatsächlich hatte er vorgestern in einer Stellungnahme öffentlich und feierlich den Schwanz eingezogen. Selbst ein Rüpel von Team Galaktik weiß, dass die Welt anders funktioniert: auf Aktionskraft erfolgt Reaktionskraft.
    Bäume, Pflanzen, Pokémon, Menschen, jegliche Lebewesen sind an dieses Gesetz gebunden. Das Hauptkriterium des Lebenden ist die Wechselwirkung mit der Umwelt. Die Region Sinnoh entstand als Reaktion von acht Nobelclans auf den wachsenden Einfluss Hoenns. Menschen werden als Reaktion auf besondere Gefühle geboren. Pokémon eignen sich als Reaktion auf Naturgewalten neue Fähigkeiten an. Schematisch betrachtet ist das Leben nichts, als ein Zusammenhang von Kettenreaktionen. Ich reagiere, also lebe ich. Wenn mein Vater seine Familie hintergeht, hintergehe ich ihn.
    Wenn ich jemanden mag, gebe ich ihm das zu verstehen. Wenn ich mich jemanden verachte, bekommt er auch das zu spüren.
    Wenn ich jemanden liebe, bin stehe ich ihm jederzeit zur Seite. Wenn ich jemanden hasse, mache ich ihm das Leben zum Kahlberg.
    Wenn jemand mir oder meiner Familie etwas antut, bekommt er das zurück. Immer.


    Von einem Augenblick auf den anderen wird mir plötzlich wärmer. Erneut gilt mein suchender Blick dem Firmament über mir und wird gemeinsam mit meinem Körper sogleich von einem breiten, gütigen Arm der Sonne empfangen. Ich entspanne endlich wieder Nacken wie Schultern und begreife, dass die Zeit gekommen ist. Der Abend war reif genug für eines der herrlichsten Naturphänomene Sinnohs: Lavados' Erwachen. Ungeachtet dessen, wie ungeniert und dreist Zapdos und Arktos das kühle Klima Sinnohs am Tag für ihre Zwecke ausgenutzt hatten: um acht Uhr abends taucht der Feuervogel die Region Stück für Stück in goldorangen schimmerndes, gleißend warmes Sonnenlicht, bevor der Kraterberg mit einem frostigen Odem die Region endgültig ins Land der Träume schickt. Dieses Phänomen ereignet mit solch fast mathematischer Regelmäßigkeit, dass sogar die Straßenbeleuchtung der Region ausgelegt war, auf die aus heiterem Himmel hereinbrechenden Sonnenstrahlen zu reagieren. Gemeinsam mit den lichtschwachen, aber wohltuend warmen Armen der Sonne sorgen auf einmal auch die unzähligen Lampen für Helligkeit, beleuchteten den weiten Weg, den ich zurückgeblieben hatte und den kurzen, der mir noch blieb. Die Bäume warfen Schatten, die teilweise den Pfad vor mir überdeckten, der Schnee funkelte getroffen, als er mit dem feindlichen Element in Berührung kam. Mein Herzschlag wird angenehm ruhiger, ich umgreife wieder mit sicherer Hand mein Gepäck und lächele sanft der Sonne entgegen.
    Nun begriff ich, wie wenig ein Mensch doch eigentlich brauchen, um den Zustand zu erreichen, den sie Glück nennen. Ein Reisender, der Haus und Familie verloren hat, geplagt von Gedanken an Angst und Schmerz, die seine Liebsten über sich ergehen lassen mussten, von Hass auf seinen eigenen Vater, durstig, hungrig, müde und durchgefroren lächelt sentimental das Himmelszelt dafür an, dass er innerhalb des unbedeutenden Landstrichs, den er seit Stunden durchquert, seine Fingerspitzen an einem gütigen Teil Sonnenstrahl wärmen kann.


    Doch selbst dieser Splitter Glück bleibt mir von Jirachi nicht lange verwehrt. Nach einigen weiteren hundert Metern, als ich bereits einzelne Gebäude der Großstadt vor mir unterscheiden kann und im Vergleich zum Pfad übertrieben weite Stadttor vor mir sehe, machen meine Sehwerkzeuge eine höchst unangenehme Bemerkung. Die elende Front von graublauen Wolken erkämpft sich direkt über mir wieder Meter für Meter, was sie an den reinen Abendhimmel verloren hatte. Der ebenso noch sonnenbadende Pfad, den ich fast hinter mir gelassen habe, wird wieder in verhasste Schatten und Kälte getaucht.
    Auch Arktos' Schlaflied ist eine Naturgewalt, die jedes in Sinnoh geborene und aufgewachsene Kind kennt. Ein-zwei Mal im Monat kann es geschehen, dass der über dem Kraterberg angestaute Luftdruck nicht ausreicht, um die dichten Wolken für einige Stunden über die Grenzen der Region hinaus zu verbannen. In diesem Fall kehren die verhassten Platzhirsche innerhalb von Minuten an ihre Positionen zurück, durch die freigesetzte Energie bricht sofort ein Unwetter aus, das mehrere Tage andauern kann. Die poetische Bezeichnung "Schlaflied" deutet an, dass der eisige Schwingenträger seinen neu erwachten Rivalen wieder einschläfert.


    Klingt romantisch, doch was es im Augenblick tatsächlich für mich bedeutet, ist weit ernüchternder. Die Kälte, die nun wieder über Route 201 thront, regiert nun eine weitere Spur despotischer, Wolken drängen das Sonnenlicht immer weiter in Richtung Osten zurück und ich schlottere auf einmal wieder von den niedrigen Temperaturen, die ich glaubte, losgeworden zu sein. Ich glaube fast, pfeifende Rufe und schwingende Flügel eines mythischen Vogel im Himmel wahrzunehmen, die die Bewölkung wie eine Armee an Fußsöldnern antrieben und die das kreischende Stöhnen von Feuerschwingen, die zum Rückzug werden. Die Straßenbeleuchtung ist auch auf Arktos' Launen abgestimmt worden und verstärkt ihre Leuchtkraft auf das Doppelte - was auch obligatorisch angesichts der zunehmenden Dunkelheit ist. Auf einmal spüre ich eine Windböe und habe für einen Augenblick Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Und... Tatsächlich. Es beginnt, wieder zu schneien.
    Ich hebe meine rechte Hand, um den frisch gefallenen Schnee zu begrüßen. Dieser jedoch wählt eigene Wege und verfängt sich viel lieber im Fell meines Mantels und meinem Haar. Der Himmel wird durch die zwei Wetterfronten fast exakt entzweispalten. Ich kann eindeutig beobachten, wie die scheußliches Wetter versprechende graublaue Front seinen sich zu selbstsicher gewesenen Rivalen zurückdrängt. Es ist fast so, als ob... Ich lächle bei diesem überzogenen Gedanken.


    - "Siehst Du es, Mutter? ... Selbst Welten schlagen zurück. Wer sind ich und Du schon, um sich Naturgesetzen zu widersetzen...?"

  • Tut mir leid das mein kommi nun doch etwas später kommt, aber ich hoffe es ist so okay ^^


    Kapitel 3:


    Die Umschreibungen gefielen mir hier ganz gut, wobei es teilweise beim Schnee noch detaillierter werden könnte, auch bei den Häsuern usw. Ich habe auch manchmal das Gefühl du springst etwas in der Zeit da ich manchmal was in der Vergangenheit und in der Zukunft lese, wobei ich jedoch noch einmal genauer drüber schauen werde, zusammen mit dem Fehlern aus den ersten beiden Kapiteln werde ich dir das mal per PN schicken. Weil teilweise gehört sowas ja schon in Vergangenheit/Gegenwart, doch achte drauf das du bei einer Form bleibst, wobei ich dann Vergangenheit empfehle. Ganz sooo viel ist nicht passiert jedoch hat mir das gefallen was passiert ist. Die beiden neuen Charaktere hättest du meiner Meinung nach ruhig noch genauer beschreiben können, gerade Gestik und Mimik hätte ich mir noch ein wenig mehr gewünscht, wobei das was du in dem Bereich schon hattest gut war. Gefühle waren ganz in Ordnung, jedoch könntest du ruhig noch ein bisschen mehr von deinem Protagonisten verdeutlichen, was mir hier - im Gegensatz zu dem Kapiteln davor - etwas gefehlt hat. Auch solltest du die Gedankengänge etwas genauer beleuchten und auch die eigene Meinung deines Protagonisten etwas mehr hervorheben. Sonst waren die Umschreibungen ganz gut und es ließ sich soweit alles flüssig lesen. Ich habe keinen Rechtschreibfehler im Kapitel gefunden beim drüberlesen ausser einer etwas merkwürdigen Stelle, welche ich dir ausnahmsweise hier direkt zeigen werde:


    wäre die Konversation ebenso plan verlaufen...?


    (Wow ich hab die echt wiedergefunden oô)


    Naja auf jedenfall denke ich du meintest hier: nach Plan verlaufen. Dies solltest du berichtigen, den Rest was ich in den Kapiteln davor gefunden habe sowie eventuelle Anmerkungen zu Vergangenheit/Gegenwart folgt in einer PN gegen Wochenende, hoffe das dies erst einmal okay ist.


    Dies war es erst einmal von meiner Seite, falls ich noch was zu ergänzen habe lasse ich es dich wissen ;3
    LG
    Noel

  • Hallihallo - zum zweiten Mal :)
    Ich bin ENDLICH dazu gekommen, weiterzulesen. Tut mir Leid das es so lange gedauert hat, aber wie gesagt, Stress und wenig Zeit. Deswegen entschuldige ich mich gleich erneut, da ich vorerst nur dazu gekommen bin, das zweite Kapitel vollständig zu lesen. Deshalb erstmal nur dazu ein Kommi, aber ich les das dritte noch, versprochen :)
    Also. Zum einen muss ich nur nochmal betonen, dass ich es faszinierend find, wie genau und präzise du beschreiben kannst. Auch wenn es nicht immer sehr einfach ist, alles nachzuvollziehen, ich bin ja nicht doof, ich versteh mit der zeit schon alles ;)
    Ich finde es gut, dass du auf das vorangegangene Gespräch zwischen Mutter und Sohn eingegangen bist, welches ich übrigens gut beschrieben fand - typisch Mutter halt :)
    Und ich find auch gar nicht schlimm das du das Wetter so gut beschrieben hast - ich lieeebe genaue Beschreibungen *-*
    Apropos, am Ende, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Deine Vergleiche und Geschichten mit Arktos und Lavados, legendär! War das deine eigene Idee oder gibs die wirklich...irgendwo? Großes Lob daher von mir!
    Ich habe auch in diesem Kapitel ein paar Rechtschreibfehler gefunden, aber ich überlese sie einfach. Und noch ein klein wenig Kritik, aber nicht viel. Manche Sätze sind manchmal echt verwirrend, was zumeist daran liegt, dass sie zu lang sind. Du kannst sie ja nochmals gliedern, dann gibt es ein besseres Verständnis, aber auch so versteh ich's ja, also pustekuchen :)
    Ich werd mich mit dem nächsten kapi beeilen :)
    Liebe Grüße :)
    Onee-chan♥

  • @Noel


    @Onee-Chan


    @Alle


    Einleitung Arc / Der Hauptdarsteller Arc
    Kapitel II - Bekanntschaften
    12. Januar, Dienstag.
    Wozu schließt Du Bekanntschaften?


    Jubelstadt ist riesig. Imposant. Unermesslich. Gewaltig. Immens. Kalt. Kalt und aufregend. Ja, faszinierend. Die mir unbekannten, vollkommen fremden Höhen der durch silbrige Schneeböen hindurch sichtbaren Wolkenkratzer verlocken mich immer wieder dazu, ihnen nachzustarren. Auch, wenn mein Nacken es mittlerweile leid ist, sehe ich mich nach wirklich jedem grellen Werbebanner um und versuche, trotz Wetterverhältnissen und Distanz, jeden Leuchtbuchstaben auf den monumentalen Breitbildschirmen zu entziffern, die in jedes zweite Gebäude einmontiert wurden. In allen vorstellbaren Neonfarbtönen verkünden sie den Marktstart neuer Technikspielzeuge für Reiche und vor allem deren nicht minder begüterte Kinder.

    Jubelstadt ist historisch eine Stadt für die wohlhabenden, schönen und erfolgreichen... Sowie deren Verwandte und Angestellte. Jeder Passant, der mir auf der gefühlt zweihundert Meter breiten Hauptstraße begegnet, fällt somit in mindestens eine dieser Kategorien. Die Elite der Region läßt sich traditionell hier nieder, mehr Prestige versprechen lediglich Altbauten im Zentrum Herzofens, dem Herzen der Region. In Herzofen befindet sich der Regierungssitz, dort finden Veranstaltungen auf staatlicher Ebene, Feste unvorstellbaren Ausmaßes, sowie das weltweit bekannte Große Festival statt. Dort ziehen sich Brücken über mehrere Kilometer, Grünanlagen erinnern eher an Naturschutzgebiete, statt künstlichem Licht kämpft natürliches Feuer gegen die Nacht an, Flüsse flankieren jede zweite Hauptstraße, eingehüllt in die Atmosphäre allgegenwärtiger Schönheit, gar Magie. Auf Jubelstadt trifft keine dieser Charakteristika zu. Ich befinde mich mitten in einer modernen, verhältnismäßig jungen Stadt der Kommerz und Unterhaltung, der Technologie und Massenmedien. Statt gebrannten Mandeln riecht es nach Gold und Schmuck, statt Fracks und Kleidern sieht man enge Jeans und Miniröcke ungeachtet der Temperaturen, statt freundlichen Blicken spürt man vollkommene Gleichgültigkeit. Jeder Fußgänger scheint von seiner kostspieligen Armbanduhr abhängiger zu sein, als das Gadget von seinem Besitzer. Die in ein vergoldetes Gehäuse montierten multifunktionalen Wunderwerke der Technik geben von allen Seiten auf Sprachkommando Informationen über Börse, Uhrzeit und eingegangene Nachrichten preis. Selbst jüngere Teenager, zu dieser Zeit ein seltener Anblick, sind nach der neuesten Mode gekleidet und meist mit mehr technischem Spielzeug behängt, als die imposanten Erwachsenen in obgleich ihrer Strenge zeitgemäßen Livrees.


    Insgesamt wirkt die verschneite Straße mit ihren etlichen Abzweigungen in Passagen von teuren Boutiquen und Restaurants, in der Luft liegendem Geruch von großem Geld und ihren elektronischen Stimmen, die die ihres natürlichen Pendants und die des Schnees übertönen, vor allem deprimierend auf mich. In meinem Miltankdorf, wo jeder jeden seit Jahrzehnten kennen und lieben gelernt hat, jede Sekunde ansprechbar und offen, überkommt mich nie der Gedanke an die eigene Entbehrlichkeit. Daran, dass ein Mensch in der Zivilisation trotz all seiner individuelle Ambitionen und Träume entgegen jegliche, Gedankengut einem Finneon im offenen Meer gleicht, dessen plötzliche Flucht niemandem weiter würde. Zu guter Letzt bin ich auch noch entkräftet, habe seit einem konsistenten Frühstück sowie einigen Happen zwischendurch den gesamten Tag über weder getrunken, noch gegessen. Das quälend zwischen erträglich und widerlich pendelnde Wetter trägt ebenfalls einen Teil zu meiner geistlichen und körperlichen Verfassung bei. Einzig der Gedanke, dass ich neunzig Prozent meines Weges hinter mir gelassen habe, kann Trost bieten. Allerdings: Mew weiß, was mich im Herrenhaus einflussreicher, mir fremder Adeliger erwartet? Doch gleichwohl... solange dies Wärme und Schlaf umfasst, ist dies zum Zeitpunkt beinahe irrelevant. Auf irgendeine Weise überdauere ich diese grässlichen vierundzwanzig Stunden, die ungeachtet ihrer schicksalhaften Herausforderungen mit vollem Magen in beheizter Bettwäsche ihr logisches Ende finden sollten.


    Gute Neuigkeiten habe ich meinem zermürbten Denkapparat zur Abwechslung auch zu berichten. Letztlich bin ich im Adelsviertel angekommen, dessen überwiegend nur zweistöckige Landsitze mich erfreulich verwundern. Hier herrscht auf einmal die natürliche Stille der Nacht, die Umgebung wirkt klassischer, detailverliebter, wenngleich kein bisschen weniger formidabel. Meterhohe dekorierte Umzäunungen aus Marmor und den edelsten Erzen Sinnohs schränken gepflegter Gartengrundstücke ein. Auf den unversehens menschenleeren Straßen, einwandfrei gesäubert und gepflastert, finden nun auch geschmackvolle Springbrunnen nebst Denkmälern von Adeligen und Pokémon ihren Platz. Aus weiten Fenstern und Terrassen der Herrenhäuser scheint nun nicht mehr aufdringliches Neon, sondern flackert das natürliche Licht von Kerzenständern und matten Leuchten. Ich höre das Klirren von teuren Gläsern mit noch gediegenerem Inhalt ebenso wenig, wie die bestimmt vornehmen wie geistreichen Mono- und Dialoge, die bei diesem Licht geführt werden. Aber... Ich kann sie buchstäblich vorausahnen, ihre Existenz inmitten dieser kühlen Nacht spüren. Diese mit nichts gleichzusetzende Flair mich immer unzweideutiger an Herzofen mit sieben Jahren. Die feierliche, triumphierend wohlgenährte, einvernehmliche Atmosphäre, bei der Sinnoh einst ihren Ursprung als besiedelte Region fand.
    Erstmals bekomme ich die Menschen zu Gesicht, die mit Gewissheit dem blauen Blut zuzuordnen sind. Die Ausstrahlung einer Persönlichkeit, eines Individuen, eines Einzelwesens ist bei diesen Leuten allgegenwärtiger, als bei den hunderten Geschäftsleuten der Hauptstraße. Ihre Clans brauchen die nächsten Generationen keinen einzigen Gedanken an materielle Versorgung und andere irdische Sorgen zu verschwenden. Ihr Existenzzweck besteht in diesen Nächten, in Ummantelung deren bei Kerzenlicht Worte über Liebe, Ehre und Politik gesprochen werden, die Zukunft wie Kultur der gesamten Region prägen werden. Doch diese Redeflüsse sind Artefakt der älteren Generation, denn selbst rassige stolze Adelige werden nicht mit ergrautem Schnurrbart und zeremonieller Miene von ihren Müttern in die Welt gesetzt. Auch Edelmänner und Edelfrauen müssen zwingend auch einmal rebellische Schnösel und verträumte Ladies gewesen sein. Solche, wie mir gerade über den Weg laufen, als mein dank Leben auf dem Land recht gut entwickelter Orientierungssinn an seine Grenzen stößt.
    - "Entschuldigung...", - meine unverzagte Stimme und Mimik gibt zum Glück nicht den Ansatz meiner realen Erschöpfung und Anspannung preis. "Wissen Sie vielleicht, wie ich zum Anwesen Berlitz finde?"
    - "Du weißt aber auch wirklich nicht, wo sich das Anwesen befindet?"
    Der junge Mann löst besonnen seinen rechten Arm von der schmalen Schulter seiner Begleiterin. Sein Gesicht mit stramm zurückgekämmten dunklen Haaren weist sowohl edle, als auch gebräuchlich-jugendliche Züge auf. Die teure Zigarre im selbstsicher grinsenden Mundwinkel und nicht so ganz kostengünstige weiß-violette Anzug mit tiefem Ausschnitt auf der hageren Brust, sowie zahlreiche goldene Ketten an Hals und Handgelenk vermitteln effektiv seine mutmaßliche Lebensphilosophie. "Ja, ich bin ein verwöhntes Vatersöhnchen. Aber ich bin reicher als Du."


    Müde und leicht gestresst atme ich aus.
    - "Nein. Ich bin vom Pokémon-Quiz am Sonntag und das ist meine Dienstagsfrage. Sie sehen aus, als könnten sie das Preisgeld gebrauchen."
    Der Adelige lacht kurz auf und grinst geschlagen. Für einige Augenblicke kommen seine schneeweißen Zähne zum Vorschein.
    - "Verstehe. Bist wohl'n Frisch-Mantirps."
    In einer lässigen Manier bläst er mir etwas Zigarrenrauch entgegen und vereint mit ihm den Geruch dunkler Schokolade.
    - "Ein Frisch...-Wie bitte?", gebe ich wahrheitsgemäß verwirrt mit gesenkten Augenbrauen zurück.
    - "Na'n Neuer eben."
    Innerhalb einer kurzatmigen Pause verstehe ich, dass der junge Mann mich für einen Adeligen hält und beschließe ohne Verzögerung, diesen Egelsamen des Irrtums in ihm weiter zu kultivieren.
    "Pass auf, ich erklär's Dir." Unbeirrt tritt der Schnösel näher an mich heran, als mir lieb wäre und legt mir den linken Arm informell auf die Schulter. Mit dem rechten visualisiert er angestrengt seine Wegbeschreibungen, während er spricht. Da er fortwährend weiterraucht, sehe ich nur die Hälfte seiner Handbewegungen, lausche aber umso angestrengter seinen salopp klingenden Erläuterungen. "Also, eigentlich kannst Du's nich' wirklich verfehl'n. Du stolzierst jetzt' noch'n paar Straßen nach Nord'n, da kommst Du an so 'nem alten Penner mit so 'nem fetten Walraisa vorbei, (verdutzt begreife ich, dass es sich um ein Denkmal handeln muss) bei dem biegst Du dann in Richtung Innenviertel ab und immerzu g'radaus, dann hast's auch schon direkt vor den Guckern."
    - "Aha... Soweit verständlich. Vielen Dank Ihnen auch."
    Ich möchte mich seiner flegelhaften Berührung entledigen und meinen Weg fortsetzen, vernehme nach einigen eiligen Schritten in die mir beschriebene Richtung wiederholt seine forsche Stimme:
    - "Hey, was willst'n eigentlich dort? Der Alte hat seine besten Jahre hinter sich... Wenn er jemals welche hatt'. Ist so'n staubtrockener Nörgler und die Kleine... Fang' besser nicht mit an damit. Äußerlich 'ne knallharte Zehn, läßt aber wirklich jeden abblitzen."
    Jetzt liegt es an mir, zu schmunzeln, da Personenbeschreibung mit der vor positiven Adjektiven überquellende Plädoyer meiner Mutter offensichtlich wenig gemeinsam hat. ....Es geht doch nichts über die Meinung eines Unparteiischen...! Schlagartig verstehe ich, dass der Schnösel einen souveränen Informanten abgeben könnte und setze alles auf eine Karte. Ich lasse die Hände in meine Manteltaschen wandern und mache langsam auf dem Absatz kehrt.
    - "Also auch Dich, huh?"
    Dem jungen Mann fällt beinahe die Zigarre aus den überraschten Mundwinkeln. Von einem Augenblick auf den anderen weicht seine zynische, arrogante Mimik einem kindischen, überrumpelten Starren. Ich beobachte mit bloßem Auge den inneren Kampf, der in ihm vorgeht: Soll er jetzt für diese Bemerkung in Anwesenheit Freundin auf mich losgehen oder zugeben, ertappt worden zu sein? Doch ich hatte vorgesorgt: die Tatsache, dass ich ihn um wenige Zentimeter überragte und der entwaffnend-seelenruhige Blick ließen ihn klein beigeben. Mit diesem dreisten Vorstoß habe ich den Spieß umgedreht: nun würde er mir meine Fragen beantworten.


    Durch simple Tricks wertvolle Aussagen provozieren, zwischen den Zeilen lesen, Rihornfersen aufspüren und gezielt ausbeuten... Befreit von Risiko, durch zaghaftes, manierliches Ankratzen würde ich nie das von Leuten erzwingen, was ich von ihnen wollte. Immer an der Grenze des Erlaubten balancieren, nie zu weit gehen, doch auch nie zurückhaltender sein, als man wirklich gezwungen ist zu tun.
    Erhascht zieht der Adelige schließlich einen scharfen Luftzug ein und kratzt sich etwas verlegen am Hinterkopf.
    - "...Okay. Du bis' gut. Du hast mich."
    - "Das hast Du mir aber nie erzählt, Randal.", - höre ich nun erstmals die hohe Stimme seiner Begleiterin, die etwas weiter abseits von uns kerzengerade verharrt. Ihr Tonfall schwankt zwischen verwundert und beleidigt, doch in ihren großen blauen Augen spiegelt sich kein Missbehagen. Jetzt mustere ich auch sie und erkenne ein wirklich reizendes Geschöpf. Ihr um diese Jahres- und Tageszeit absolut entbehrlicher Strohhut schmückt ihr charmantes, naives Antlitz durch den gleichen Farbton, wie ihr blondes strähniges Haar, während das vornehme, weite Kleid mit ihrer Augenfarbe harmoniert.
    - "...Is' jetzt auch unwichtig, Lottchen...", - an seinem Tonfall erkenne ich die halbe Wahrheit, doch Lottchen scheint beruhigt. "Wie dem auch sei... Die Berlitz sin' vielleicht die geldschwersten und angesehensten... Noch. Aber die geselligsten sind se' nicht. Wenn'st Dich Mal langweilst, komm' vorbei, ich hause gleich um's Eck.", er weist an einem plätschernden Springbrunnen vorbei auf ein selbst im Vergleich zu Nachbarn imposantes, aber etwas geschmacklos errichtetes Herrenhaus. Sodann teilt er Lady Charlotte - so oder so ähnlich muss sie heißen - durch eine Handbewegung mit, dass sie ein Stück vorgehen soll.
    - "Ich komm' gleich nach, Herzstück."
    Diese nickt mir noch einmal zu, begleitet diese Geste mit einem liebenswürdigen Knicks und entfernt sich langsam in Richtung Springbrunnen. Ich verabschiede sie mit einem freundlichen Lächeln, bevor meine Aufmerksamkeit ganz auf den jungen Mann vor mir übergeht.
    Randal tritt quälend langsam an mich heran, die Körperhaltung bei seinen Schritten ist etwas undefinierbares zwischen Bedrohlichkeit und Vertrautheit. Angespannt warte ich ab, was er mir unter vier Augen zu sagen hat. Mein vorsichtiger Blick streift eine glänzende Visitenkarte, die er verdeckt aus seinem maßgeschneiderten Frack hervorholt. Den Augen des Schnösels jedoch begegnet er nicht, denn diese sind starr nach unten gerichtet. In Verbindung mit seinem verschwörerischen Flüsterton werde ich eine Spur nervöser im Glauben, er hat etwas Gesetzwidriges vor. Ich spähe an ihm vorbei in das dunkle Adelviertel, entdecke aber niemanden, der uns im Moment beobachten könnte. Doch meine Zweifel erweisen sich als unberechtigt.
    - "Hey, jetzt Mal unter uns beiden... Wenns'te hier einmal so richtig abhängen möchtest... Am nächsten Freitag sind meine Alten 'n ganze Nacht weg. Andeutung verstanden...? Lauter Mädel' mit Holz vor der Hütte, ich hab' 'n Duplikat vom Schlüssel in den Weinkeller. Aber's wichtigste..." Er beugte sich noch näher zu mir heran. "Das wichtigste is': Babypokémon. Und niemand schaut zu. Weiß', was ich meine?"
    Wäre ich ein Adeliger, ein verwöhnter Schnösel, müsste ich es wissen?... Wahrscheinlich ja, also...
    - "Na klar."
    - "Wie heiß'n Du eigentlich?"
    - "Lancelot Marian... Lancelot."
    Meinen Familiennamen erwähne ich vorausblickend nicht, denn die Adelsfamilien Sinnohs müssten kein unbeschriebenes Blatt für einen Insider sein; meiner gehört offensichtlich nicht dazu.
    - "Hah. Na dann bis Freitag, Ritterchen. ", schmunzelt Randal. Es ist mir unangenehm, aber zumindest fragt er nicht weiter. "Wie man mich bezeichnet, hat meine Bettgenossin ja schon ausgeplaudert."
    Er überlässt mir die Visitenkarte, klopft mir mit der Handfläche freundschaftlich auf meine durchgefrorene Schulter und macht sich mit seinen letzten Worten daran, kontinuierlich rauchend seine Gefährtin einzuholen, die er eben so ungalant bezeichnet hat.
    - "Dass du schweigst wie 'n zurückgebliebenes Burmy, erklärt sich von selbst, nä? Dort steht alles nötige 'drauf, Du bis' somit herzlich eingeladen."
    Ich spreche meinen Dank aus, indem ich seine Geste zögerlich erwidere und wende mich, das Gespräch analysierend, wieder meiner nun akkurater erfahrenen Route zu. Meine vollkommen ausgelutschten Körper und Geist hindern mich selbst daran, die Visitenkarte auf einer beleuchteten Bank durchzulesen. Intrigiert bin ich dessen ungeachtet. Wozu denn diese Geheimhaltung, wenn es sich um eine - nach adeligen Verhältnissen - gewöhnliche Trinkgelage für junge Leute handelt...?


    Mein Eindruck von Randal und Charlotte bleibt zwiespältig. Einerseits konnte ich mit ihnen kommunizieren, wie mit jedem Jugendlichen aus der gehobenen Mittelschicht, aus der ich entstamme, auch. Charlotte ist in keiner Weise unzugänglicher, als jede andere naive junge Frau und Randal benutzt sogar bevorzugt Umgangssprache. Sogar zu seiner großen Fete eingeladen hat er mich, obgleich wir uns erst seit wenigen Minuten kennen. Andererseits: wenn ich nicht von Barry's Mutter frisch frisiert worden wäre, nicht meine beste Kleidung tragen würde, einen Teil meines Namens zu viel verraten hätte... Mit einem Wort, wenn mein Erscheinungsbild oder Name preisgegeben hätte, dass ich keinen Tropfen blaues Blut in mir trage - wäre die Konversation ebenso plan verlaufen...? Die Einladung aber werde wie auch immer annehmen. Etwas Unterhaltung und neue Bekanntschaften innerhalb Sinnohs Spitze der Gesellschaft können nie schaden. Und außerdem... Irgendetwas an diesem Pärchen hat mein reges Interesse geweckt...

    Jetzt aber... Ich bin wirklich verwundert. Wie konnte es tatsächlich passiert sein, dass ich diese Behausung... Diese Villa... Dieses Schloss übersehen habe? Dahingegen wirkt alles, was ich an diesem Tag zu Gesicht bekommen habe, wie ein schlechter Scherz unqualifizierter Architekten. Der schiere Ausmaß der Villa verschlägt mir die Sprache, doch der Baustil, die Ausstrahlung stellt einfach all meine bisherigen Eindrücke in den Schatten. Wie ein desorientiertes Waumpel vor einem missvergnügten hungrigen Drachen schlage ich den Pfad zu sich vor mir ausbreitenden Palais ein. Das Gras, das meinen Weg flankiert, ist wohl seit Jahrzehnten nicht gemäht worden. Kahle vereinzelte Baumgiganten, deren Blattknospen noch auf bessere Zeiten warten, haben ihre Blätter hier Jahr für Jahr abgeworfen. Diese verlieren kontinuierlich an Chlorophyll, dennoch nimmt die knöchelhohe Blattschicht in der Nacht absolut verschiede, in der Dunkelheit undefinierbare Farbtöne an. Man hört weder Rascheln, noch Windböen, selbst meine Schritte werden vom feuchten Schnee verschluckt. Ein Quadratkilometer großer Hain, mitten in einer aussichtslos bebauten Großstadt. Und in seinem Herzen liegt ein großes Stück an gesäubertem Kopfsteinpflaster, dessen nahezu gesamte Fläche das eindrucksvollste Bauwerk das ich je gesehen habe für sich in Anspruch nimmt.
    Die meisten Einwohner der fast hundertfünfzig Tausend Einwohner der Region sehen das Sechzehntafel-Monument als Punkt an, von dem aus Entfernungen in Sinnoh gemessen werden sollen. Das vor dem Regierungsgebäude in Herzofen auffindbare epochale Denkmal steht als Symbol für die siebzehn Nobelclans, auf deren Beschluss die Region ihren Ursprung fand, um durch ihr Erzvorkommen und vom Menschen nie zuvor gesichtete Pokémon Bürger Hoenns und Kantos zur Umsiedlung zu verlocken. Fanatiker altertümlicher Sagen sehen als diesen Punkt die Speersäule an - einen mythischen Tempel an der höchsten Spitze des Kraterberges, von dem aus Zeit und Raum angefangen haben sollen zu fließen. Wo sich dieser Punkt genau oder zumindest näherungsweise befindet, weiß zwar jeder von ihnen zu glauben und schildert seine Theorien und Spekulationen in dicken Lektüren, doch allgemein bekannt ist, dass die nächsten Jahrzehnte keine Technologie weit genug fortgeschritten ist, um den höchsten Punkt Sinnohs zu erklimmen. Die letzte, kleinste und am meisten diskriminierte Meinungsgruppe hält an der Ansicht fest, dass ich mich gerade wenige Schritte entfernt von ihm befinde. Die Siebzehnte Tafel, ein 3,14 kg schweres Stück unbestimmter Materie, die sich bei Berührung wie eine Flüssigkeit verhält. Der Sage nach soll Urvater des Familie Artus Benedict Berlitz einen Schluck davon getrunken haben. Bei den herrschenden Lichtverhältnissen kann ich weder Farbe, noch die Schrift auf der Tafel erkennen und dennoch überkommt mich unerklärliche Faszination, als ich den meterdicken, mit Diamanten und geschmolzenen Pokémon-Schuppen gestärkten Quader aus Panzerglas berühre, dem nicht einmal ein mit dem Pokérus befallenes Rhihornior viel anhaben können soll. Erst jetzt wird mir klar, was für eine epochale Bedeutung der Clan Berlitz hat - und noch schleierhafter, wieso sie ausgerechnet mir dieses Angebot gemacht haben. Jetzt wahrhaft, weil...?
    - "Schöne Freunde hast Du, Mutter.", wispere ich dem geheimnisvoll schimmernden Gegenstand entgegen, bevor mein Blick versucht, die nicht minder faszinierende Villa vor mir zu umschreiben.


    Die Siebzehnte Tafel bildet den Mittelpunkt des Hains, während die rechtwinklig angelegten symmetrischen Flügel in U-Formund die längliche Front des Gebäudes ihn von drei Seiten flankieren. Jedes der drei unteren Stockwerke verfügt über sechzehn beträchtliche Fenster und jeweils einen mit edlen Marmorschnörkeln verzierten hölzernen Balkon. Das gesamte Anwesen ist in dezenten weißen Ziegelsteinen gehalten, sämtliche Details an ihm sind mit hochwertigem Holz oder Marmor hinzugefügt worden. Erstaunlich ist auch die letzte Etage, die über keine Fenster verfügt, sondern vollständig durch ein im östlichen Stil niedrig angewinkeltes Dach aus Marmor verdeckt wird. Zwei längere, ebene weiße Treppen ohne viele Dekorationen beginnen etwa an den Flügelansätzen und führen einen Gast wahlweise in Rechts- oder Linksbogen zur zweiteiligen Eingangstür aus massivem Holz und umrahmen nochmals das Wahrzeichen des Adeligen Hauses Berlitz. So müde wie ich bin, folge ich als Linkshänder meinem ersten Instinkt und wähle die progressivere Himmelsrichtung. Nach einem Anklopfen mit einem schweren und kalten eisernen Ring halte ich kurz nervös inne, bevor ich eine leicht heisere männliche Stimme an der Pforte vernehme:
    - "Ja Bitte?"
    - "Libertine."
    - "Ach so darf es sein. Ich gebe Bescheid."
    Darauf entfernen sich Schritte von mir. Hm? Ein Butler also. Hätte ich mir aber auch denken können...


    Es ist bereits fast Mitternacht. Eine mondlose, verschneite, knirschend kalte Nacht, gut dreißig Kilometer, viele neue Eindrücke und Bekanntschaften liegen hinter meinem Rücken. Ich kann kaum noch glauben, dass ich noch diesen Morgen in meinem Bett in Zweiblattdorf aufgewacht bin, mit schlimmen Vorahnungen, aber ohne Vorstellung, was mich tatsächlich erwartet. Die mondlose Nacht hat sich dominant und bestimmt über die gesamte Region gelegt, das silberne Pfeifen der Windböen ist fast verstummt. Stattdessen herrscht die Stille der Ungewissheit, in einem kryptischen Hain inmitten des Adelsviertels einer Großstadt. Und vor einem archaischen Herrenhaus friert eine arme Seele, hin- und hergerissen zwischen Neugier, resoluter Unerbittlichkeit und Furcht vor dem einflussreichen Ungewissen.
    Ich höre wieder Schritte, doch dieses Mal kommen sie der Tür näher. Prompt, doch quälend langsam im Vergleich mit meinem Herzschlag. Teilweise vor Nervosität, teilweise vor Kälte kribbelt es in meinen Unterarmen und Beinen. Ich schlucke wieder häufiger und lecke mir über die Lippen, obwohl es in meiner Mundhöhle unangenehm trocken ist. Meistens bewahre ich Ruhe und Durchblick in Konfrontationen, doch die Spitze der Gesellschaft Sinnohs, einer der momentan mächtigsten Männer der Region verdient eine etwas andere Einstellung, die meine Nerven vor mir abfordern. Jetzt heißt es, noch einmal alle geistlichen und körperlichen Ressourcen zu mobilisieren, um an diesen beschwerlichen vierundzwanzig Stunden, die für meinen Geschmack zu lange währen, ein affirmatives Ende zu setzen. Sei's drum, welches Wesen nun die Tür öffnet, wie viel blaues Blut in ihm oder ihr fließt, ob männlich oder weiblich, jung oder alt - mit Bestimmtheit ist dieses Wesen menschlich und mit ihm läßt sich verhandeln.


    Die schwere Holztür, an deren Einfassung nun auch mein Schicksal hängt, öffnet sich knarzend und warmes Licht nimmt mir kurz die Sicht.


    Einleitung Arc / Der Hauptdarsteller Arc
    [font='Georgia']Kapitel III - Sie...
    12. Januar 2013, Dienstag.
    13, Januar 2013, Mittwoch.

    Mit Perfektion konfrontiert, wirst Du von Selbstzweifeln zerfressen?


    Endlich ist es wohlige Wärme, die in meinen Wintermantel dringt. Von Linderung meiner inneren Anspannung aber kann noch lange nicht die Rede sein. Die größte Furcht der Menschheit war schon immer das Ungewisse und genau dieses wurde im Moment meinen leicht schielenden Augen offenlegt, die sich auf einmal trocken anfühlen. Die Luftfeuchtigkeit im Inneren des Anwesens muss bedeutend niedriger sein, als die im kühlen Hain, der Geruch von morschem Papier, Kerzenwachs und Trockenfrüchten empfängt mich noch eher, als es der Hausherr tut. Ein letztes Mal ist der Atem, den ich reflexiv beim Anblick der Gestalt vor mir ausstoße, klirrend kalt, denn im Inneren herrschen äußerst angenehme Temperaturen. Ich habe einen der mächtigsten Männer der Region vor mir und bin dennoch nicht der Erste, der ihm die Hand reicht.
    - "Juan-Bernard. Berlitz."
    Das Oberhaupt des einflussreichsten Clans in ganz Sinnoh ist ein Mann von durchschnittlicher Höhe und überraschend gefühligen Gesichtszügen. Seine dunklen Augen von geschwungenen dichten Brauen umrahmt, seine Oberlippe ziert ein gepflegter zweiteiliger Schnurrbart. Alles an seinem Antlitz ist betont und markant, doch bereits sichtbare Altersfalten und kleine Tränensäcke geben in ihm einen Mann in ihm preis, dem sein vergleichsweise langes Leben nicht viel geschenkt hat. Seine Haltung ist deutlich bescheidener, als man hätte bei der mehrmaligen Differenz zwischen unser beiden Sozialstatus erwarten können, er wirkt leicht nervös und gar selbstunsicher. Auffällig ist auch sein umständlich zurückgekämmtes Haar, das trotz anderer Altersanzeichen wenig von intensiver Schwärze und Glanz verloren hat und zwei hoch und zur Seite gekämmte ergraute Strähnen im Kontrast dazu. Seine Kleidung hingegen entspricht vollkommen dem, was man hätte von einem Adeligen seiner Klasse vermuten können: ein sorgsam durchdachter Anzug in den Farben meerblau und schwarz mit weißem gekräuseltem Kragen, zahlreiche Broschen und Verzierungen. Die Finger der Hand, die er mir reicht, sind markant lang, nichtsdestotrotz aber kräftig, und, wie ich im nächsten Augenblick bemerke, recht rau. Gemeinsam mit dem recht stämmigen, leicht zur Fülligkeit neigenden Körperbau verringern sie den Eindruck, dass der blaublütige blasse Mann sein gesamtes Leben gekrümmt im Büro verbracht hat.


    Die Geste, mit der ich mich eines Handschuhs entledige und ihm die Hand reiche, fällt verblüffend routiniert aus dafür, wem ich im Moment gegenüberstehe. Meine Aufregung läßt nur langsam nach, aber mein Körper behält erfreulich viel Kontrolle über die Situation. Der unliebsamste Teil wäre überstanden, ich kann dem Mann in seine warm anwesenden Augen blicken und ihm die ersten Worte entgegnen, ohne dass meine Stimme zittert:
    - "Lancelot."
    Während er meine durchgefrorene Hand schüttelt, verharrt mein Blick wenige weitere Sekunden auf dem Familienoberhaupt und mich überkommt die angenehme Zuversicht, dass auch zwischen mir, einem vereinsamten Pechvogel und einem Mann von unvorstellbarem Ansehen und Reichtum, so etwas wie eine positive emotionale Bindung bestehen kann. Im Endeffekt bin ich hier nicht unerwünscht; ich bin eingeladen, so schleierhaft die Ursache mir auch ist. Wir teilen ein flatteriges Lächeln miteinander und das meine wirkt im Vergleich sogar eine Spur zuversichtlicher. Nun bin ich ihm persönlich begegnet. Wie die weiteren Entwicklungen ausfallen werden, hängt nun einzig und alleine von mir selbst ab; das Schicksal hat mir die Spielkarten wieder überreicht. Der Mann vor mir wirkt mir auf undefinierbare Weise etwas vertraut, mich überkommt der wohl kaum wahrheitsgetreue Eindruck, es sei nicht meine erste Zusammenkunft mit ihm. Diese Vorstellung stempele ich aber selbst als aberwitzig ab - was könnte mich jemals zuvor mit dem angesehensten aller Adeligen zusammengeführt haben? Verwunderlich also bleibt mir also meine Definition seines Blickes: für einen Moment erkenne ich in ihm dieselbe freundliche Verblüffung einer Großmutter, die über vom rapiden Wachstum ihres Enkelsohnes in entgeisterte Bewunderung versetzt wird. Wohlmöglich anno dunnemals... Als Kleinkind. Als Siebenjähriger. Aber unter welchen Umständen...? Aus welchem Anlass?... Diese Fragestellungen verbanne ich erst einmal tiefer in mein Bewusstsein, sind die Existenzberechtigungen für diese doch mehr als hypothetisch.


    Der Augenblick verstreicht und verflüssigt sich im Strom der Begebenheiten, die ich heute durchlebt habe. Ab jetzt kann ich jedem davon prahlen, dass ich Juan Berlitz die Hand geschüttelt habe und er mein Lächeln erwidert hat. Dieser registriert gerade auch, dass immer noch im Türrahmen stehe und bittet mich mit einer zuvorkommenden Verbeugung herein, mustert mich aber weiterhin eindringlich.
    - "Du musst durchgefroren sein..."
    - "Ja, sieht man mir definitiv auch an. Scheußliches Wetter.", ist das Erste, das mir einfällt.
    - "Allerdings.", erwidert das Familienoberhaupt mit einem Seufzen, das einen wetterempfindlichen Menschen in ihm preisgibt. "Noch ein Grund, Dich herein in unsere bescheidene Kammer zu bitten."
    Im nächsten Moment wage ich einen ersten Schritt in das beeindruckende Gebäude; die Faszination, die ich empfinde, müsste sich wohl oder übel auch auf meinem Gesicht widerspiegeln. Der Hausherr könnte es bei jemandem meiner Gesellschaftsklasse als Selbstverständlichkeit ansehen, doch es scheint ihm zu schmeicheln.


    Das - wie ich erkenne - transparente Dach der [/i]bescheidenen Kammer[/i] erstreckt sich gemeinsam mit dem sternenklaren Nachthimmel in unerreichbarer Höhe über mir. Eines der Art, die nur von außen lichtundurchlässig erscheinen, was durch mit bestimmten Erzen bereichertes Wasser ermöglicht wird, wie ich irgendwo lesen durfte. Ich nehme mir vor, das Dach bei der erstbesten Möglichkeit von einem höher gelegeneren Stockwerk näher zu betrachten. Es mutet futuristisch an, fortschrittlich, der letzte Schrei der Architektur - infolgedessen fügt es sich optisch nur bedenklich in das restliche Erscheinungsbild ein. Ein kurzer Empfangskorridor führt zum gänzlich mit flackerndem Kerzenlicht beleuchteten Treppenhaus, von welchem aus man auch das Dach sieht, weiße abgerundete Steintreppen führen links, recht und zentral in höhere Etagen, lange finster erscheinende Gänge in unzählige Hinterzimmer. Der Geruch von Papier, Trockenfrüchten und Wachs wird intensiver, der Baustil wirkt immer einheitlicher und durchdachter, massiv und konservativ. Ein formell gekleideter Butler kümmert sich derart kunstvoll um meine abgelegen Stiefel, Handschuhe und Mantel, dass ich außer seinen grauen Strähnen kein einziges Detail seines Aussehens festhalten kann; ungeachtet dessen sind meine Sehwerkzeuge mit der neuen Umgebung für kurze Zeit überfordert. Meine in braune Socken gekleideten Füße reagieren äußerst wohlwollend auf den mamutelfarbenen, wunderbar beheizten wellenlosen Teppich. Auch im hautengen beigen Hemd, dunkelbraunen offenen Blazer und leichten schwarzen Hose durchlebt mein Körper einen schnell fortschreitenden wärmebindenden Prozess. Die Kälte, die sich an ihm festgefressen hatte, löst sich in der trockenen milden Luft auf. Ich fühle mich schlagartig sehr viel besser, als in der kalten, grenzlosen Trostlosigkeit der Nacht, was ich unverständlich für den Hausherren mit in den Hosentaschen verscharrten Händen und leichten Wippen auf den Fußsohlen demonstriere. Eine freizügige Geste, mit der ich ungewollt meine jähe Vertrautheit mit der neuen Umgebung preisgebe... Wieso auch nicht? Der Hausherr ist eine auf den ersten Blick eine barmherzige Person. Es ist warm. Es riecht nach Essbarem. Ich fühle mich hier Willkommen.
    - "Ich glaube, in dieser Kammer halte ich es ein paar Tage aus.", vermerke ich.
    Das Familienoberhaupt reagiert mit einem abwesenden Lächeln, er beäugt mich weiterhin innig mit hinter dem Rücken verschränkten Armen. Mir fällt nichts ein, was an meinem Erscheinungsbild derart markant wäre, als dass es einen solch eindringlichen Blick einer der mächtigsten Personen Sinnohs legitimieren würde, aber die Zuwendung und Neugier des Hausherren beruhigen mich weiter. Obwohl... Nein, tun sie doch nicht...! Ich schlucke; meine Füße krallen sich zitterig in den Fellteppich. Nur zu gut weiß ich von einem Moment auf den anderen, wen der Hausherr in mir erkannt hat. Abrupt nehme ich den Impuls, ihn mit etwas von meinem Erscheinungsbild abzulenken, wahr. Beinahe hochmütig wage ich mehrere eilige Schritte in Richtung des Treppenhauses.
    - "...Wenn es ihnen genehm wäre, würde ich heute gerne etwas außer der Garderobe sehen."
    Zu spät erinnere ich mich bei diesen Worten baff daran, wen ich eigentlich vor mir habe. Dem Hausherren aber kann man zu meinem besten Glücke keinerlei Missbilligung anmerken, stattdessen senkt er nahezu ertappt die dichten Brauen und folgt mir in sicherem, aber eiligem Schritt. Eine sehr viel mildere und freundlichere Person, als man es vom Oberhaupt der finanzstärksten Familie aller Zeiten erwarten könnte.
    - "Aber natürlich. Mein Fehler."
    Er entschuldigt sich nach meiner Replik auch noch? Vor mir?
    Angenehm überrascht und erleichtert hefte ich mich an seine Fersen. Wir lassen das weite Treppenhaus mit seinen unzähligen Abzweigungen hinter uns und betreten den linken Gang, der mit nichts als spärlichem Kerzenlicht erhellt ist. Dadurch hat das Herrenhaus etwas von einer altertümlichen Burg mit zahlreichen Geheimkammern, wie man sie in der Umgebung Trostu und Elyses (mein...) noch findet. Ausschließen würde ich die Existenz solcher beim Ausmaß des Gebäudes auch keinesfalls, dauert der Marsch durch den Korridor doch eine gefühlte Minute. Unterwegs gilt mein eindringlicher Blick nun zahlreichen vage erkennbaren Personen, die wahrscheinlich nicht mehr unter uns weilen. Porträts der Familienmitglieder Berlitz mit adretten Namensschildern, die wie alles in diesem Hause mit Edelmetall und Holz ausgeführt sind. Die meisten von ihnen zeigen blasse dunkelhaarige Kinder mit verschiedensten Augenfarben und Gesichtszügen.
    - "Darf ich fragen", - spreche ich gegen die Stille an - "wieso die meisten Abbildungen hier so junge Leute zeigen?"
    Das Familienoberhaupt wendet höflich seinen geschwungenen Schnurrbart in meine Richtung, während er spricht.
    - "Die Porträts in diesem Korridor stammen noch aus traurigen Zeiten, als die Lebenserwartung für Adelige Kinder nicht besonders hoch waren... Gegen die damals in Sinnoh allgegenwärtigen Pesten hatte kein Mensch der Welt Immunität oder Gegenmittel. Der Mangel an Bewegung und frischer Luft - was verheimliche ich eigentlich - auch Blutschande haben ihren Teil dazu beigetragen... Die meisten der Familienmitglieder, die Du hier siehst, sind nie fünfzehn Jahre alt geworden..."
    - "Ich bedaure... Das bedeutet, sie sind allesamt in diesem Haus verstorben...?"
    Ich höre ein tiefes, kurzes Gelächter seitens des Hausherren.
    - "Du glaubst wohl an menschliche Geist-Pokémon, hm?"
    - "Nein, wie kommen Sie darauf...?"
    Tue ich...? Der lange, spärlich beleuchtete Korridor und das totenstille Haus mit Pergamentgeruch erscheinen auf einmal in etwas schaurigem Licht vor mir.
    - "Ich kann Dich beruhigen, junger Mann. Wie Du wahrscheinlich weißt, die Geschichte von Sinnoh als dicht besiedelte Region fasst kaum mehr als hundert Jahre, doch die Entdeckung liegt nun bereits ein halbes Millenium zurück. All diese Leute gehören der ersten bis siebten Generation meiner Familie an und haben ihr Leben an verschiedensten Orten unserer werten Heimatregion gelassen und wurden dort beerdigt. Bis mein Vater beschloss, alle verbleibenden direkten Nachfahren des ersten Patriarchen in diesem Herrenhaus zu versammeln. Und alle erhaltenen Familienporträts hier eines Platzes zu würdigen."
    An seinem vorerst routinierten Unterton stelle ich fest, dass er nicht den ersten Skeptiker aufklärt, doch allmählich wirkt seine Erzählung lebendiger, monologischer. Ich höre gebannt zu. Definitiv werde ich das ein oder andere Detail raushören, das in keinem Geschichtsbuch zu finden ist.
    "Die heutige Lage sieht so aus: die direkte Blutlinie, die finanzielle und persönliche Vollmacht über den gesamten Clan erbt - das sind auf heutigem Stand lediglich ich und meine Tochter - sowie unsere engsten Verwandten leben hier, in Jubelstadt. Zahlreiche Nebenfamilien, Angeheiratete und aus der Hauptfamilie Verbannte haben weiterhin ihre Wohnsitze überall in der Region, mehrere Male pro Jahr haben wir ein großes Familienessen, wonach die nächsten Tage oder gar Wochen ganztägig Familienangelegenheiten besprochen werden. Dank der kommerziellen Nutzung von großen Flug-Pokémon wären solche Treffen eigentlich deutlich öfter möglich, leider sind viele so konservativ, dass sie jegliche Transportmittel außer Galoppa-Kutschen ablehnen. Das vergeudet Geld. Und Zeit. Unendlich Geld und Zeit. Und da Zeit bekanntlich gleich Geld ist, vergeuden wir zwei Mal unendlich Geld... Oder zwei Mal unendlich Zeit. Vier Mal unendlich Geld somit, oder viermal unendlich Zeit. Das sind mehr als acht Mal unendlich Geld."
    Nach diesen Worten seufzt er deutlich hörbar, während ich mir im Nachhinein schelmisch ausmale, wie weit ihn diese Arithmetik noch führen könnte.
    "Ich bin mir im Klaren, meine besten Jahre hinter mir zu haben... Ich weiß, was man als Außenstehender von mir in der Presse liest, aber die Art, wie sich manche anstellen, um ja nicht für gewöhnliches Volk gehalten zu werden, ist einfach nur närrisch und zudem nicht kostengünstig. Kein Wunder, dass alle Öffentlichkeit den Lonsdales in einem halben Jahrhundert unseren Status prophezeit... Aber noch junger Mann, noch geben wir den Ton an und ich werde alles dafür tun, dass an dem schönen Tag, an dem ich unwiderruflich als altersdementiert eingestuft werde, meine Tochter eine Familie ohne begriffsstutzige Schwiegerhalbbruder erbt, auf wie viel Einkommen ich dafür auch verzichten muss."
    Ich befreie allmählich, dass der redegewandte Monolog des Hausherren viel mehr ein Plädoyer an sich selbst, als eine Erzählung darstellt, denn gewöhnlich spricht Juan Berlitz weder derart viel, noch näherungsweise temperamentvoll. Sein eigener Vortrag scheint ihn mental etwas erschöpft zu haben, seine Körperhaltung wirkt unverändert kerzengerade, aber niedergeschlagener, gekrümmter. Nach einem weiteren Seufzen erkenne ich einen überarbeiteten Mann, den das Schicksal an eine Position verschlagen hat, die er nie besetzen wollte und beginne die Person, die ich auf dem gesamten Hinweg am meisten gefürchtet hatte, zu bemitleiden. Gleichzeitig erinnert mich mein Körper daran, dass er für diesen Tag an seine äußersten Grenzen stößt. Der Blick auf meine mechanische Armbanduhr verrät: fast exakt Mitternacht. Noch eine Stunde höchstens und ich bin nicht mehr wirklich zurechnungsfähig. Aber unverändert hungrig und durstig.
    "Ich habe Dich definitiv gelangweilt mit meinem senilen (greisenhaften) Geplänkel, nicht wahr?"
    - "Aber nicht doch. Welchen Jüngling würden die Worte eines... Wie sagten Sie... Direkten Bluterben des Sinnoh-Patriarchen denn langweilen?", entgegne ich höflich wie auch wahrheitsgemäß. Der Einblick hinter die Fassaden der mächtigsten Adelsfamilie amüsiert mich splendid.
    - "Du schmeichelst mir aber..."
    In der Tat, ich wünsche nämlich gefüttert zu werden. Doch zeitgleich verspüre ich langsam Sympathie zum gönnerhaften nörglerischen Aristokraten. Ad finitem sind wir doch beide schwarze Kramurx unserer Familien.
    Der Raum, den wir erreichen, regt mein Hungergefühl weiterhin an. Gänzlich in warmem scharlachrot gehalten, liegen Gerüche von allerlei Essbarem in der Luft. Ein mit Glasgeschirr, Porzellan und Tisch, der vier Mal die Population meines Dorfes unterbringen könnte, kontrastiert hingegen in strahlendem weiß, neben Kerzenlicht wird im geräumigen Saal auch Lampenlicht verwendet. Eine gänzlich transparente Wand aus mattem Glas gibt einen Blick in die Nacht und den exorbitanten Hain um die Villa frei, der umwerfende Ausblick wird aber noch vollkommen überschattet: die von mir am weitesten entfernten Ecke des ideal rechteckigen Saals prägt das Porträt eines Mannes. Das Gemälde vollendet solche Ausmaße, dass der hölzerne Rahmen alleine die Breite eines erwachsenen Mannes trifft, selbst der monumentale Speisesaal scheint deutlich weniger unermesslich im Vergleich zum Gemälde, das die gesamte rechte hintere Ecke des Raumes von Teppichboden bis zum dutzende Meter hohen Dach einnimmt. Kaum habe ich meine Sprachfähigkeit zurückerlangt, als mir auffällt, dass auch die gegenüberliegende Wand von monströsen Bildnissen ausgefüllt wird, die aber nur ansatzweise an die Maßstäbe des Mannes heranreichen, dessen künstlicher Blick mich im Moment durchbohrt.
    - "Mein Vater.", offenlegt der Adelige. Tatsächlich sind zahlreiche Parallelen zwischen den Männern nicht zu übersehen, doch das scharfnäsige Profil des Porträts, gekleidet in Schal und Frack, wirkt spurenweise eindringlicher, die lockigen dunklen Haare, hohe Stirn und durchbohrenden Augen in der Farbe von flüssigem Gold stellen auch erkennbare Unterschiede. Ein imposanter, fesselnder Mann: unter seiner Führung mussten es die begriffsstutzigen Schwiegerhalbbruder der Familie mächtig Feuer unter ihren vornehmen Hintern gewittert haben. Auf heutigem Stand aber haben sie seinen eindringlichen Blick nicht mehr zu fürchten, wie mir der in Edelmetall gefräste Schriftzug verrät: mit schwarzem Marmor auf Äonen verewigt, selbst aus hundert Metern Entfernung unmissverständlich zu entziffern.


    HIER RUHEN AUF EWIG 8. OBERHAUPT DER BERLITZ-FAMILIE, LETZTER NACHFAHR DER BLUTLINIE UNSERES EHRENWERTEN UHRAHNEN, SOWIE SEINE AUF EWIG TREUEN POKÉMON. EHRE IHM, DER UNS GLORREICHE 33 JAHRE LANG WEISE UND GERECHT ZU REICHTUM UND ANERKENNUNG FÜHRTE.


    JOSÉPH PLATINUM BERLITZ.


    - "Er... Liegt in der Wand dort begraben, richtig?"
    Beherrscht wie resigniert senkt der Mann manierlich sein Haupt, die betroffen zusammengekniffenen Augenbrauen und die gefühlsbetonte Stimmhaltung charakterisieren ihn als liebenden Sohn, der über das Lebensende seines Vaters nicht konsistent hinwegkommt.
    - "Jedes Groink glaubt zu wissen, wieso er an diesem Ort bestattet werden wollte... In Wirklichkeit verfügt niemand über die Kenntnisse darüber... Außer mir. Als er gespürt hat, dass seine Zeit bald kommen wird, hat er es mir einmal erklärt. "Soll die Gesamtheit denken, dass ich nach meinem Ableben über sie wachen will. Tatsächlich interessieren mich diese schmalspurigen Stiefellecker nicht mehr, als das Wetter in Johto. Ich möchte bloß, dass sie bei jedem Löffel Kaviar, den sie hier spachteln, sich mit flatterndem Herzen daran erinnern, wem sie ihn zu verdanken haben." Das war das einzige Mal, als ich ihn lachen gesehen habe."
    - "In der Tat, eine beängstigende Persönlichkeit.", murmele ich imponiert, hätte aber vorgezogen, dass sich dieser Gedanke nie im Form von Worten materialisiert.
    - "Das war er. Aber auch ein begnadetes Genie was Familienaffären anbetrifft.", gibt sein Erbe stoisch zurück. Mit einer tiefen, tadellosen Verbeugung spricht Juan Berlitz seinem Vater ein weiteres Mal Dank und Hochachtung aus, bevor eine Handbewegung die Bewegungsrichtung ankündigt, die wir einschlagen. Zu meiner Verwunderung meiden wir die Reihen an weißen Rücklehnen, stattdessen lassen wir das Zimmer zugunsten einer vergleichsweise unauffälligen Holztür zurück. Wenngleich mich die Frage quält, ob ich nun denn auf ein warmes Mahl hoffen kann, genieße ich die stilvolle Einrichtung, die Gerüche und den Ausblick auf den schaurigen Hain. Kurz vor der Tür hält der Hausherr im Nu inne und wendet sich mit dem Rücken zu mir, seine warmen Augen dieselbe Aussicht mit meinen: vom anderen Ende des Speisesaals bekommt man einen vollen Überblick über dutzende, Hunderte Porträts, die zwei der Wände komplett ausfüllen.
    "Darf ich Dir ein Rätsel stellen, Lancelot?"
    Es fühlt sich außergewöhnlich an, von ihm mit Namen angesprochen zu werden, aber doch nicht befremdlich. Ein weiteres Mysterium, mit dem sich mein bereits schlaftrunkener Denkapparat herumschlagen soll?
    - "Meine Euphorie hält sich in Grenzen, aber... Ich kann schlecht Nein sagen, oder?"
    Ein weites Mal spreche ich kompromisslos aus, was ich im Prinzip hätte nur denken wollen. Ich selbst merke mir das fallende Denkvermögen immer klarer an. Mein Glück, dass der Hausherr ein sanftmütiger Mann ist und sich beharrlich weiter mit mir unterhält, seine Worte mit ausgebreiteten Armen unterstützend:
    - "Die meisten der Familienmitglieder, die Du hier siehst, leben in unserer Epoche. Nimm' all diese Porträts genau unter die Lupe. Die Familie Berlitz ist von reichlich genetischen Merkmalen geprägt, die gesamte Bücherwerke ausfüllen, Dir alle Kleinigkeiten aufzulisten würde bis zum Morgen dauern. Gehen wir aber jetzt ausschließlich auf die prägnantesten äußerlichen Gemeinsamkeiten ein. Was siehst Du?"
    - "Nun... Mittelhoch, meist durchschnittlicher Körperbau... Detaillierte kleine Nasen. Vorliebe für allerlei Halsbedeckungen. Absonderliche Augenfarben, Töne von Edelsteinen." In der Regel Körbchengröße C lasse ich vorausblickend stecken, unwahrscheinlich möchte der Hausherr auf dieses Merkmal hinaus - ebenso wenig wohl auch auf die Augenfarbe, bronzene und silberne Koloriten (hier: Augenfarben) lassen sich ebenso in adeligen Persönlichkeiten Sinnohs, die sich nicht Platinum Berlitz nennen dürfen, ausmachen. Was differenziert die Adeligen der Adeligen äußerlich charakteristischer, als...? Aber ja, offensichtlich...! "Das Haar - gekräuselt, gelockt, gerade - aber derselbe nachtschwarze Farbton...!"
    - "Darauf wollte ich hinaus.", stimmt Juan Berlitz meinem Ausruf nickend zu. "Bei genauerer Betrachtung wirst Du jedoch feststellen, dass schwarz nicht gleich schwarz ist. Sieh' genau hin."
    Tatsächlich. Die Haarkonturen der Adeligen wirken trotz kunstvoll detaillierter Linien wie stechend einprägsamer Farbtöne allesamt verwaschen, gar liederlich. Der Maler hat sein Werk verstanden, sicherlich einer der bewandertsten seiner Profession - aber derselbe dilettantischer Fehlstrich auf jedem einzelnen Bildnis? Wohl kaum, es muss Intention gewesen sein. Das satte, glänzende Tief der schwarzen Farbe weicht an Haaransatz und -spitzen einem verschwommenen, nebulösen Dunkelblau. Instinktiv schweift mein aufmerksamer Blick zum Hausherren: in facto, auch seine Kopfbehaarung weist dasselbe geisterhafte Schimmern auf. Ungeachtet der Lichtverhältnisse, auf eine okkulte Art sehe ich auf seinem Haupt stellenweise tiefes Blau; würde zeitgleich die Hand ins Feuer legen, dass es tiefschwarz ist. Ich komme aus dem Staunen kaum heraus, empfinde aber ein weiteres Mal Überdruss um meinen ermüdeten Kopf. Schneller, sehr viel schneller hätte ich darauf kommen sollen: königsblau, die Wappenfarbe des Clans, die auch ansatzweise im Haarton eines jeden reinrassigen Berlitz vertreten ist.
    "Jetzt hast Du es natürlich durchschaut.", behauptet das Familienoberhaupt wahrheitsgemäß und demonstriert zum ersten Mal sonnenklar Eitel, als er sich durch sein Haar streicht. "Und nun zum Buch mit sieben Siegeln an sich: gleichwohl alle biologisch verwandten Familienmitglieder dasselbe Königsblau auf dem Haupt tragen; ab der dritten Generation der Familie werden ausschließlich fernste Verwandte und Außenstehende geheiratet, um die genetische Degradation vorzubeugen. Aber auch die angeheirateten Familienmitglieder teilen eine Besonderheit - welche und wieso?"
    Mehrere Sekunden lang glaube ich, meine energielosen Gehirnzellen rattern und klappern zu hören, fühle eindeutiger denn je Müdigkeit in mir hochsteigen. Aber der Gedanke an Abendmahl und Schlaf, die treu ergeben auf mich warten, durchlaufe ich all diese höflichen Floskeln mit Bravour, motiviert.
    - "Sie sind bevorzugt hellhaarig und blauäugig. Rezessive Genvererbung, damit die Merkmale des Berlitz-Clans weitergegeben werden können."
    Das geruhsame Klatschen des Hausherren halte ich für eine mäßige Entschädigung für meinen mittlerweile bleischweren Kopf und gähnend leeren Magen, aber immerhin habe ich das Ratespielchen hinter mir und einige nicht gänzlich unbeträchtliche Infos gespeichert.
    - "Bravo.", murmelt der Hausherr lächelnd. "Da kommt nicht jeder drauf, Du scheinst etwas im Kopf zu haben. "Als Entschädigung schulde ich Dir ein Benefiz."
    Dieses Kompliment habe ich mir nur zum Teil verdient: da ich selbst das Resultat einer solchen Paarung bin. Aber ein freundliches Wort kann bekanntlich selbst einem Garados nicht schaden. Und eine Belohnung nebenbei bemerkt ebenso wenig.
    - "Über einen Erbanteil von einem Viertel würde ich mich nicht beschweren.", wage ich ein von meinem geistigen Zustand abgeschwächtes Lächeln.
    Der Hausherr prustet kurz herzlich, bevor er sich schlussendlich doch zu Tür wendet, an die er gelehnt stand.
    - "Ich schließe nicht aus, dass Du für die Hälfte in Frage kommst, aber das habe nicht ich zu entscheiden."
    ...? Nein. Entschuldigung. Dieser Wink mit dem Zaunpfahl geht im matschigen Sumpf der Müdigkeit in meinem Kopf unter und bleibt unbeantwortet. Nicht zuletzt auch, weil neue Impulse, namentlich Gerüche gekochter Heißspeisen, durch die geöffnete Holztür in meine Nase steigen.
    "Wenn Du nichts einzuwenden hast, speisen wir in meinem persönlichen Lieblingszimmer. Den Speisesaal für drei Personen zu beanspruchen, wäre doch wie... Wie heißt es unter euch Jungspunden... Ein Waumpel..."
    "...mit Drachen verjagen.", vollende ich die Redewendung, die vor sieben Jahren einmal auf der Höhe der Zeit war.
    Beim Wort "speisen" bin ich mir bereits sicher, nichts einzuwenden zu haben, partout aber ergeben Juan Berlitz und ich summa summarum gewiss zwei Personen...? Oder bin ich in etwa so hungrig, dass... Aha... Aus dieser Richtung weht der Wind also. Diese Nacht könnte also fern von Essen und Schlaf von Interesse sein.


    Das Lieblingskabinett des Familienoberhauptes trifft auch meine individuellen Präferenzen. Ein flackerndes, von Ziegelsteinen umrahmtes Kaminfeuer trocknet und erhitzt die Luft im vergleichsweise winzigen Raum weiter, mehrere Winkel liegen im Halbdunkeln. Eine niedrig gelegene gläserne Tischplatte, flankiert von zwei Couches aus feinstem Leder, gedacht für jeweils zwei Personen, wenngleich hätten auch doppelt so viele Platz finden können. Das dunkle Geschirr erfüllt das Zimmer mit verschiedensten Aromen, die ich nicht genauer als "etwas Verzehrbares" definieren kann, was mich soweit auch vollkommen befriedigt. Das angenehme Kribbeln in meinen Fußsohlen lässt sich mit der exquisiten Qualität des Holzparketts erklären, die Vorfreude auf einen komfortablen Sitzplatz wird nur noch von der Vorahnung eines Gaumengenusses übertroffen. In meiner Verfassung sollte das Sättigung, feudale Bequemlichkeit und wohlige Temperaturen versprechende Kabinett das Nirvana nach dem endlosen frostigen Pfad von Zweiblattdorf für mich darstellen... Mit einer Ausnahme, die mir auf unerklärliche Art sofort Unbehagen bereitet, so wohltuend meine Pupillen den Anblick auf empfinden.
    Im Normalfall werte ich Menschen primär ihrer Mimik nach aus, dem, wie viel Selbstsicherheit, Intellekt, Ambitionen sie ausstrahlen, durchblicke demnach die Schwächen ihrer Persönlichkeit. Lediglich im Anschluss präge ich mir jedes Detail ihres Erscheinungsbildes ein, trägt es doch eher wenig dazu bei, von wie viel Nutzen und Gefahr eine Person mir sein kann. Meine überrascht geweiteten Augen bestätigen diese Regel... Durch eine Ausnahme. Ihre Schönheit ist absolut grenzwertig für etwas, was ich vollständig außer Betracht lassen sollte, um mit Herz und Seele Rationalität zu behalten. Ich verspüre tiefste Gereiztheit darüber, dass meine galante Maske für einen Augenblick wankt. Und sie würde es in der Zeit, die das Schicksal uns beisammen verbringen ließ, immer schmerzender, unangenehmer für uns beide auf die Reihe bekommen. Die junge Frau, das ich mehr als ein Jahr bei Nachnamen ansprechen würde. Ein rekordverdächtiges halbes Jahr, bis ich eine Schwäche, einen Makel bei ihr gefunden hätte: das, wonach ich bei Leuten konstant fieberhaft suche: Lady M. Platinum Berlitz. Ihre Präsenz im Zimmer ist postwendend (deutlich) spürbar.


    In die Atmosphäre des Kabinetts, des Hauses fügt sie sich konvergenter ein als ihr Vater, man sieht an, dass sie in diesen edlen Wänden aufgewachsen ist. Der Platz in der hinteren Ecke der Couch, den sie sich ausgesucht hat, komplimentiert sie wie kaum ein anderer. Ihr Teint ist blass, doch im Gegensatz zum Hausherren strahlt dieser Vitalität und Herzblut aus, vervollkommnet das satte, glänzende Schwarz der untadelig wellenlosen Haare eher, als besorgniserregend mit ihm zu kontrastieren. Zwei goldene Haarclips setzen nebst auffällig langen, ebenso tiefschwarzen Wimpern an und bilden dichte zwei Haarsträhnen, die ein weiblich oval geformtes Gesicht umrahmen, der Rest der Frisur fällt ihr in den Rücken, jede Haarspitze endet in einer samtigen Locke. Ihre Gesichtszüge wirken zart und kennzeichnend zugleich, an keinem einzigen Hautfleck sieht man Spuren von unnatürlicher Auswirkung an. Der fesselnd anmutende Kopf aber ist nur die Krönung von aufblühender, ebenmäßiger Grazie, die bestehenden Schönheitsklischees eher Feinstrich verpasst, als ihnen zu entsprechen. Ihre Kleidung mutet ebenso vornehm an wie das des Hausherren, aber deutlich auffälliger in Details, als in der simplen Quintessenz. Ein mattschwarzes, knöchellanges Kleid mit langen Ärmeln, das die Silhouette geschmeidig umspielt, Seiten und Hüfte eine angedeutete geschwungene Sanduhr. Vornehme schwarze Stöckelschuhe auf niedrigen dünnen Absätzen und Beine... Die wohlgeformteste Symbiose aus Knochen, Fleisch und Blut, die je zu Gesicht bekommen habe. Vermittels ihrer ebenso perfekten Körperhaltung sieht nie mehr, als man soll - bestenfalls bis zum Knieansatz ihres über dem rechten Gegenstück zaghaft baumelnden Gegenstücks - noch nie war ich bedrückter über ein Stück seidener Materie. Die sechs Sekunden (!), die mein anstößiger Verstand sich gönnt, um die junge Frau unbekümmert zu beaugapfeln, verbringe ich zum guten Drittel auf den Ansatz ihres Kleides fixiert. Den letzten Augenblick nutze ich, um das Bild zu vervollständigen. Paradox hinsichtlich der Wärme im Zimmer wirken weiße Handschuhe und ein Schal um ihren Hals, der die gewählten Kleidungstöne ultimativ auf mattes Schwarz und schneeweiß beschränkt, bis auf ein Element, das wiederkehrend meine Aufmerksamkeit auf sich zieht: die goldenen Haarclips. Die Stupsnase, die großen Augen hinter geschlossenen Lidern, der dezente Mund, zu einem hauchdünnen Lächeln entspannt - zweifellos bildschöne Züge, die man ein Mal unter Tausenden in perfektem Zusammenspiel sieht. Dabei sind nach wie vor die wolligen Haarsträhnen um ihre Schultern für sich alleine bereits ein Augenschmaus. Und ihre Wimpern. Und ihre Finger. Und ihre Körperhaltung.


    ...ihre Schönheit ist klar zutage liegend, en détail, aufregend, wohltuend und vielschichtig. Makellos. In der Tat, eine Zehn. Innerlich verfluche ich gereizt mich und die junge Frau für diesen langatmigen Moment, denn mein konstantes Schauspiel gibt Angesicht zu Angesicht mit ihrem Erscheinungsbild signifikant mehr Makel preis, fällt gar vollkommen für einen halben Atemzug.


    Vermaledeit. Sieben. Acht. Acht Sekunden. Beinahe das vermaledeite Sechstel einer Minute habe ich meine Fußsohle nicht auf dem Parkett abgesetzt. Erst das Aroma von heißem Dampf und mulmige Pochen in meinen Schläfen bringen mich in die Realität zurück. Doch mein Fehltritt ist bereits getätigt: mein linker Fuß berührt langsam wieder Holzparkett, doch überlappend mit dem rechten. Die von mir eingeschlagene Schrittrichtung stimmt schlagartig ganze sechzig Grad nicht mit der überein, die mich zum taktisch vorteilhaftesten Sofaplatz führen würde... Unsicherheit?... Verlegenheit...? Bin ich ein Teenager, der heute sein erstes Pokémon bekommt...? Eine kleine Göre? Welches Recht besitze ich auf solche hinderlichen Emotionen...?! Aber obgleich dessen, in diesem Moment gerate ich aus dem Konzept und nehme stattdessen ihr diagonal gegenüber Platz. Mein Rücken erfährt warme Entspannung, war ich doch den gesamten Tag auf den Beinen. Da der Hausherr die direkte Nachbarschaft seiner Tochter bevorzugt, kann ich mich unbeschwert auf der gesamten Couch ausbreiten. Mein leicht glasiger Blick muss Müdigkeit preisgeben, die ich kaum mehr zu unterdrücken versuche. Der Hunger ist im Moment alles, was mich daran hindert, in der Wärme, Finsternis und Geborgenheit des Kabinetts in einen tiefen Schlaf zu sinken. Aber eine bessere Motivation als Nahrung existiert für Mensch wie Pokémon nicht; dreißig Minuten noch.
    Der Hausherr kümmert sich recht ungeschickt um das Geschirr, schenkt der Reihe nach Rotwein in hohe Gläser, schließlich hebt er drei Deckelchen von scharlachroten Suppentellern. Ein Teil meines benebelten Bewusstseins streift den Gedanken an aristokratische Tischmanieren, doch mein Überlebensinstinkt knipst ihn umgehend aus. Mit einer Beugung des Oberkörpers hole ich den heißen Teller und einen seltsam verformten Löffel zu mir. Meinen Gaumen erfüllt letztlich wieder warme, sehr konsistente Flüssigkeit in einem appetitlichen orange. Die einzelnen Ingredienzen kann ich kaum unterscheiden, tippe aber auf Krabby. So sättigend und salzig-wohlschmeckend wie sie ist, hätte ich bei den folgenden vier Löffeln gleichermaßen Pionskora-Schweife akzeptiert. Nicht bevor ich die gesamte Portion der warmen Brühe in mir habe und den leeren Suppenteller wieder auf dem Tisch ablasse, bemerke ich das verwunderte Gesicht des Hausherren. Dazu gibt es genug Gründe: ich habe weder auf Zustimmung gewartet, noch auf irgendeine Weise seine Tochter vorgestellt bekommen. Bereuen tue ich jedenfalls nichts.
    - "Das ist ein Teelöffel."
    Alles? Seufzend ziehe ich die Augenbrauen hoch und stütze eine Schläfe mit der Handfläche und schlecke den letzten Löffel ab.
    - "Jetzt ist es ein Suppenlöffel. Sehen Sie?"
    Ich vernehme einen melodischen Kicherton und realisiere in demselben Moment besorgt, dass mein natürlicher Sprachfilter scheinbar hundertprozentig heruntergefahren wurde, um Energie zu sparen. Zeitgleich aber schärft die heiße, kalorienreiche Suppe meine Sinne wieder. Eine halbe Stunde mehr scheint weniger irreal, in jede Zelle meines Körpers kehrt verlorene Kraft zurück. Zeitnah warme Bettwäsche und vorerst wäre ich mit einem Schicksal wieder ein Stück befriedigter, aber... Der Grund. Wieso ich hier bin. Nun fällt er mir wieder ein und darauf werden wir unweigerlich noch einmal ins Gespräch kommen.
    - "Ich ahne, was Du heute durchgemacht hast, also iss' wie es Dir gefällig ist.", antwortet der Hausherr etwas verdutzt. Konziliant von ihm, aber auf jetzigem Stand benötige ich wirklich keine Erlaubnis mehr dazu. "Wichtiger - meine Tochter." Seine Handweisung fällt betont zurückhaltender aus, als sie bei einem stolzen Elternteil hätte ausfallen können: man macht fest, wie viel Anbetung sie als bildschönes Einzelkind eines nicht mehr ganz jungen Mannes genießt. Jede Interaktion zwischen ihnen ist mit besonders wichtig: die Beziehung zwischen Vater und Kind charakterisiert wie keine andere; die Art Beziehung, die ich kaum erlebt habe. Doch die Interaktion bleibt aus. Die junge Frau zuckt mit keiner Wimper. Mit verschlossenen Pupillen, einem kryptischen angedeuteten Lächeln ruht ihre harmonische Figur in am linken Couchrand. Wenn nicht das amüsiert baumelnde Bein (...) könnte man meinen, sie sei eingeschlafen. "Sie wird ungern mit Vornamen gerufen, selbst von mir... Spreche sie doch mit Nachnamen an. Mich kannst Du Juan rufen. Und... Als Freund unserer Familie unserer Familie kannst Du uns natürlich duzen."
    - "Mich aber nicht."
    Auch ihre Stimme fügt sich in ihr schaurig am Ideal nahes Gesamtbild ein: klangvoll, sanft und melodisch; tiefe und kräftige Glöckchen. Lebe sie dereinst, hätte die Adelige in Zusammenspiel mit derartigen Statements als verurteilte Hexe wilden Pokémon Gesellschaft geleistet. An dieser Stelle verlässt mich meine Contenance (Beherrschung) glücklicherweise nicht, stoisch schneide ich mir ein weiteres Stück Gegrilltes ab - Fisch? Fleisch? Gemüse? Wen kümmert's?
    - "Kein Thema. Man soll dem Alter schließlich mit Respekt entgegentreten."
    Im Übrigen... Wie viele Winter hat ihr reizendes Köpfchen wohl schon ertragen? Nicht weniger, als fünfzehn; nicht mehr als siebzehn - trotz und allem weist sie bis dato verklingende jugendliche Züge auf. Ihr Vater geschätzt mehr als drei Mal so viel.
    - "Ich... meinte, dass Du mich duzen darfst. Nicht andersherum."
    - "Habe ich auch so aufgefasst."
    Seitenhiebe, angenommen, sie ist klug genug nachzuvollziehen, locken die junge Frau nicht auf der Defensive. Einvernehmlich belässt sie diese wie auch jede folgende Bemerkung ohne sämtlichen Anschein einer Reaktion. Sei es das gängige Klischee um Mutter Natur, die wahlweise bei Ästhetik oder Denkvermögen ruht... Sei es... ...?
    Das Klingen von Geschirr, behagliche Knarzen von Ledersofas und Knacken von aromatischem Feuerholz erschallt im verdunkelten Kabinett. Fortwährend nehme ich auch den undefinierbaren Duft einer süßlich-trockenen Essenz wahr.
    - "Schmeckt es?"
    - "Vorzüglich.", lobe ich wahrheitsgemäß. Nach mehreren Tagen Tiefkühlkonserven und Dutzenden Kilometern Fußmarsch gleicht das feudale, balancierte Abendmahl einem Festessen. Der Gedanke, in nächster Zeit kontinuierlich so futtern zu dürfen, spricht mich an. Der Hausherr könnte es als Kompliment auffassen, könnte auch nicht - naheliegend ist eine Handarmee von Köchen Quell dieser Speisen. "Ein Adeliger Sinnohs betritt die Küche..." ist höchstens in lahmen Witzen als Debütsatz zu finden.
    - "Sicher, dass Du auch gesättigt bist?"
    - "Wundert mich, das ich es verbalisiere, aber ja. Was auch immer es ist, es saturiert."
    - "...Für einen Dorfeinwohner hast Du einen reichen Wortschatz."
    - "Pf... Es existieren Zwischendinger zwischen Edelmännern und Dorfdeppen.", ich erlaube mir etwas Regung bei diesen Worten. "Vielleicht bin ich nicht adeliger Herkunft, ..."
    Zum ersten Mal unterbricht mich Juan:
    - "Du... Weißt wer dein Vater ist...?"
    Missgestimmt lasse ich Besteck auf den Teller fallen und spüre, wie das emotionale Ich mir in den Hals strömt. Mein Blick muss einen blitzartigen Wahnsinn in die dunklen des Adeligen projizieren. Von einem Moment auf den anderen steigt der Luftdruck im Zimmer rapide an.


    - "Es könnte der Kaspar oder der Sepp aus'm Stall gewesen sein; bei uns auf'm Lande fragt man seine Mutter nicht nach so etwas."
    Lady Berlitz hat Schwierigkeiten, ihren Schluck Wein zu verfertigen. Für einen Augenblick sehe ich ihre Mundwinkel zucken, bevor ihre freie Hand sie bedeckt und ihre wolligen Strähnen sich schwungvoll zur Seite wenden. Der Preis für ihre torkelnde vollkommene Darbietung: mit Sicherheit zu hoch. Gleichwohl bleibt mir ein einziger Pfad: der nach vorne. Erstmals ungewöhnliche Emotionen beobachte ich auch beim Vater, schattenförmig legen sich diese auf seine zaghafte Mimik.
    - "An Deiner Stelle, junger Mann, würde ich etwas mehr Respekt vor zutage legen..."
    - "Zum Glück stehen Sie nicht an meiner Stelle, alternativ würden Sie Ihren Vater hassen."
    - "Eher bewundern dafür, wie weit er es auf eigene Faust geschafft hat."
    - "Für zwei gezeugte Kinder verdient ein Mann kein Rangabzeichen, auch, wenn er sich das Recht gibt, diese zu verleihen."
    - "Deine Sprechhaltung in diesem Hause wählst Du Bitte weiterhin gewissenhaft... Ich habe allen Grund, diesen Mann von der vulgären Zunge seines eigenen Sohnes zu wahren."
    - "Kein Wunder, Sie kooperieren auch brillant miteinander. Tun sie ja definitiv,... Familienfreund Juan?"
    - "Was ist verkehrt daran, auf meine Tochter zu beaufsichtigen?"
    - "Der Kasus ist verkehrt, Juan. Ich mutmaße, auf wen in Wirklichkeit aufgepasst wird...!"


    Meine Augen verschießen elektrische Funken, mein Puls rast. Eskalation...!!
    - "Ich bitte Dich, Lancelot, Du bist sechzehn. Jeder, der Dich kennt, nennt Dich vollkommen selbstständig..."
    - "Recherchiert haben Sie phänomenal. Ich bin auf niemanden angewiesen und genau das ist der Punkt...!"
    Jetzt erst wird mir klar, dass wir beide uns längst aufgerichtet haben. Meine pochenden Schläfen. Mein Blick, der um eine Handbreite höher liegt, als der des Hausherren. Meinen wechselhaften Atem. Seine breiten Schultern und entschlossenen Züge. Den reizenden Hinterkopf seiner Tochter. Das wilder flackernde Kaminfeuer. Die Würze dieser Nacht würde sich nicht darauf beschränken, die Genetik der Berlitz-Familie auszudiskutieren und ein Meisterwerk derselbigen heimlich anzuschielen. Die Eskalation war nie zu vermeiden gewesen, doch das ist nicht der Ort. Nicht die geistliche und körperliche Verfassung. Nicht die Tageszeit. Nicht für irrationale Wortgefechte. Es bleibt eine Frage, die die Luft beben läßt. Meine Intonation fällt zynischer und eindringlicher denn je zuvor aus:
    "Wieso... Bin ich in Wirklichkeit hier?"
    - "Damit wir uns nicht missverstehen: ich stehe Dir gerne jederzeit mit Rat und Tat beiseite... Vorausgesetzt, ich überhöre diese Frage."
    Zischend ausatmend lasse ich mich auf die Ledercouch fallen und blicke am Tisch vorbei in den Kamin. Ein kalter Schauer jagt mir über den Rücken. Das Feuer, das mit hierhergebracht hat, flackert unausgewogen in meiner Seele. Zaghaft und unbehaglich nimmt der Hausherr wieder Platz. Ein Mann, der nicht dafür geschaffen ist, jemanden an die Wand zu klatschen, ungeachtet dessen aber befähigt ist, es zu tun. Trotz allem einer der mächtigsten Menschen in unserem Land, er hat den deutlich längeren Arm. Die Grenzen meiner Handlungsmöglichkeiten und Optionen. Das Kabinett kommt mir plötzlich winzig und bedrohlich vor. Ich sollte sie im Hinterkopf behalten und diesem Mann mit Vorsicht gegenübertreten.
    Wieder lege ich einen falschen, überaus galanten Tonfall ein:
    - "Wo waren wir gerade? Ach ja: ich bin jetzt wirklich satt, vielen Dank für das Abendmahl."
    Juan Berlitz hat mehr Schwierigkeit, wieder dasselbe Spiel zu spielen, nimmt meinen moderaten Zug aber dankend an:
    - "Freut mich wirklich sehr, vielen Dank für Deine Gesellschaft. Und Entschuldige nochmals die Unannehmlichkeiten, die die Reise hierher verursacht haben muss,"
    - "Nicht der Rede wert, ein Aufenthalt in ihrem Haus macht dies doch mehr als wett."
    Ich komme mir selbst mittlerweile lächerlich vor und bin froh, dass der Hausherr sich von der Couch erhebt, ebenso wie über seine Worte:
    - "Nun denn, ich gebe Bescheid, dass man Dein Schlafzimmer vorbereiten soll."

    [Blockierte Grafik: http://www.empiretest.net/tpl/v2/img/play-button-big.png]
    [font='Arial, Helvetica, sans-serif']The Killers - Good Night, Travel Well
    There's nothing I can say
    There's nothing we can do now
    Everything you left me, rambles in my head
    Goodnight, travel well


    Mit überstürzten Schritten, denen man weiterhin Unbehagen aberkennt, distanziert sich der Hausherr aus dem Kabinett. Höchstwahrscheinlich nicht bedacht darauf, dass wir junge Leute in den bittersüßen Geschmack von minutiöser Zweisamkeit kommen. Für viele Altersgenossen eine peinliche Folter, für mich eine gewitterte Chance. Der Schwachpunkt von Familienoberhaupt Juan liegt auf der Hand und sitzt auf dem Sofa: seine Tochter. Die ihren Schwächen sind die seinen. Flehentlich bitte ich Selfe um fünf finale Minuten für meinen sein Limit erreichenden Denkapparat an diesem Tag.
    Ihre melodische Stimme raubt mir überraschenderweise die Möglichkeit, den Auftakt zu machen:
    - "Lancelot, ja?"
    Auch aus ihrem bezaubernden Munde vernahm ich meinen Namen ebenso freudlos, wie aus jedem anderen.
    - "Bedauerlicherweise."
    Diese Eröffnung fällt für mich eher ungünstig aus, gibt er mir doch keine Möglichkeit, sie einzuschätzen.
    - "Ach, mein Vorname ist noch überholter."
    Nahe am Ende meiner Kräfte stütze ich meinen Kopf mit einer Handfläche auf der Tischplatte ab.
    - "Und der wäre...?"
    Ihren langen Wimpern gilt mein glasiger, aber erwartungsvoller Blick. Dutzende Sekunden verstreichen, sie stellt ein Weinglas beiseite. Eine Reaktion erfolgt nicht.
    "Sie wollen sich nicht unterhalten?", hake ich leicht zerknirscht nach.
    - "O doch."
    - "...dann wäre eine Reaktion nicht zu viel verlangt, oder?"
    - "O nein."
    Sie schüttelt leicht den Kopf, wieder folgt Schweigen. Ich kann ein jähes Lächeln nicht zurückhalten. Entweder verfügt sie über das Denkvermögen eines Bidiza, was mich enttäuschen würde. Oder aber sie pariert mit elegantem Scharfsinn meine Versuche, sie näher kennenzulernen.
    - "Versuchen wir es anders: guten Tag. Wie heißen Sie?"
    Der imaginäre Blickwinkel ihrer unverändert verschlossenen Lider ändert sich, sie geht das Spiel ein:
    - "Platinum Berlitz."
    ...Platinum! Zumindest eine Altersangabe: sie muss sechzehn sein... Und alles andere, als geistig zurückgeblieben. Ihr eigener Vater hat nicht das Recht, sich auf diese Art vorzustellen.
    - "Platinum ist kein Vorname. Es ist der zweithöchste Titel, mit dem ein Adeliger von den Siebzehn Adeligen Häusern geehrt werden darf. Also Bitte..."
    Keinesfalls glaube ich, sie mit Sachkenntnis über die Spitze der Gesellschaft ausstechen zu können, doch Mangel an Basiswissen lasse ich mir nicht unterstellen.
    - "Gerne, was kann ich tun?"
    - "Mir Ihren Namen zu verraten könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein."
    Dass dies kaum der Fall sein wird, müssen wir beide ahnen. In ihrem Alter ein Platinum-Titel... Zweifellos Herzstück und Mit-Drahtzieherin der Familie Berlitz.
    - "Ach, wirklich?"
    - "Ja.", probierte ich mein entwaffnendstes Lächeln.
    - "D'accord" ("Schön"), lächelt sie naturbelassen zurück.
    Keinen Zentimeter weiter. Resigniert schnappe ich nach Luft und versenke den Blick wieder in ihrem Kleid, während ich mich an Randal und Charlotte erinnere. Kein Wunder. Nicht nur ihre Schönheit, die von der verschneiten Großstadt erschöpfte Auge wachküsst, bestehende Vorstellungen von Weiblichkeit in Frage stellt... Sie ist blitzgescheit. Hat man Gefallen an ihr gefunden, verrät sie Dir nicht einmal Ihren Namen. Eine junge Frau, die man entweder hasst oder sich unsterblich in sie verliebt. Keine sadistische Verführerin; ihr Charme ist angeboren, sie selbst fabelhaft erzogen. Jemand, die Herzen bricht, ohne davon zu ahnen. Fluch und Segen, die letzte Instanz für das männliche Geschlecht. Auch ich gehöre letztendlich dazu, kann also nicht vermaledeit vorsichtig genug sein, keine fatalen Sentimentalitäten zuzulassen...
    Wenn ich nicht einmal ihren Namen erfahren kann, ist es gelaufen: nie werde ich diese Angelegenheit auf eine persönliche Ebene versetzen können, die mir wesentlich mehr Optionen verspricht. Ihr Vater müsste jeden Moment zurückkehren.
    - "Ach, Burkhude also?", wispere ich in die trockene Luft.
    Die feinen Züge der Adeligen erhellen für einen Augenblick, ihre Wimpern zucken verblüfft."
    - "Wie Bitte?"
    Die letzte Spielkarte für heute. Ohne etwas auf ihre spärlichen Reaktionen zu geben, werfe ich mich detachiert ([i]lässig
    auf die Couch zurück, wende meinen Blick in die dunkle Leere ab und murmele unbeirrt weiter.
    - "Sie heißen also Burkhude... Dreiundvierzig Jahre alt, geschieden, vier Kinder. Ihr Lieblingspokémon ist Skuntank, sie haben einen keine Freunde und keine finanziellen Mittel... Und Sie wollen hier als freiwillige Putzkraft eingestellt werden. Habe ich ihre Erzählung richtig interpretiert...?"
    Provokation. Meine letzte Zuflucht in dieser Nacht. Und sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Lady Berlitz' Mundwinkel zucken überrascht, bis sie schließlich mit der Handfläche ein vergnügtes Kichern unterdrückt. Heitere, warm klingende Glöckchen. Ein herrliches Lachen - wie könnte es bei Ihr anders sein? Amüsiert scheint sie den ganzen Abend schon zu sein. Nur leider nicht mitteilsam.
    - "O ja. Korrekt. Bis auf ein Detail."
    Zufrieden gönne ich mir wieder den Anblick ihrer glänzenden Strähnen.
    - "Welches?", hake ich frohlockt nach.
    - "Ach, ich heiße nicht Burkhude."
    Jirachi sei gedankt...! Zumindest ihr Name...!
    - "Sondern...?"
    Sprunghaft rücke näher, gegenwärtig begierig zu wissen, wie die Natur dieses vollkommene Werk wohl benannt hat. Doch statt einer Antwort... Stille, die durch ein metallisches Klicken unterbrochen wird. Der Hausherr betritt das Kabinett. Vorbei...? Nicht, dass ihr Namen alleine mich weiterbringen würde, aber es wäre ein Ansatz gewesen. Ohne Fakten keine Analyse. Ohne Analyse... Werde ich meine Talente nie rational gegen die Familie Berlitz verwenden können. Die Schlucht zwischen zwei Menschen kann nur Wissen überwunden werden. Differenzen in sozialem Status und Einfluss nur durch persönliche Bindungen. Keiner dieser Faktoren kann mir verhelfen, die junge Frau zu durchschauen. Nicht jetzt. Aber wenn ich mich vergewissern könnte, was in ihrem klugen Kopf vorgeht... Hätte ich vielleicht Antworten auf meine Fragen. Könnte den Spieß umdrehen und die Verbindung meines Vaters mit dem Haus Berlitz gegen ihn nutzen.


    Hm... Ihr Lächeln. Offenherziger. Aussagekräftiger. "M"? Ihr Name beginnt mit M...? Lippenlesen habe ich nie gelernt, wie komme ich darauf? Nicht den Hauch einer Ahnung. Mein Kopf kapituliert, als meine geistigen Fähigkeiten ihr Zenit erreichen. Der Tag hat meine Kondition überdauert. Das Kabinett ist dunkel, das züngelnde Kaminfeuer, aus der Tür hineindringende Licht und Lady Berlitz' blühende Schönheit überreizen meine müden Lider. Genug. Schnitt.
    - "Wünsch' meiner Tochter Gute Nacht, Lancelot. Ich zeige Dir Dein Zimmer."
    Am liebsten wäre ich hier auf der Couch eingeschlafen. Sollte sie weiterhin rhythmisch ihr Bein pendeln lassen, vielleicht noch ein Wiegenlied singen. Aufstehen.... Gute Nacht sagen...
    - "Gute Nacht."
    - "O ja. Dir auch."


    Die dekorierten Gänge, das Frack des Hausherren, die finsteren Fenster, der noch immer tobende Schneesturm der grauen Großstadt, in mondlose Dunkelheit getauchter Hain und Anwesen. Ausweglosigkeit... Kaum nehme ich die endlosen Korridore und gedrehten steinernen Treppen wahr, die ich passiere, meine Schlaftrunkenheit läßt mich leicht schwanken. In einem stockfinsteren beheizten Raum wünscht mir der Hausherr schließlich ebenfalls Gute Nacht. Ich vernehme, wie die Tür ins Schloss fällt. Fast schon instinktiv torkele ich zum exorbitanten (riesigen) Holzbett in der Mitte des Raumes und lasse mich rücklings darauf fallen. Vom Glauben befreit, mich noch ausziehen zu können, wende ich meinen Kopf zur edlen Nachttischlampe, die als alleinige Lichtquelle im Zimmer fungiert. Ihren Ausschaltknopf zu finden, mute ich mir nicht mehr zu. Wozu auch...? Ich habe diese vermaledeite Besonderheit meines vermaledeiten Erzeugers geerbt. Ich und Sina. Und Großvater. Mit dem winzigen Rest der Körperenergie, die mir Mew heute zuteil hat werden lassen, befördere ich meinen bleischweren Leib in die Nähe der verhassten Lichtquelle.
    - "Stirb...!", flüstere ich theatralisch. Sie erlischt. Meine Augen entspannen sich, die Lider scheinen Tonnen zu wiegen.
    Das war's mit Energie für den heutigen Tag. Jetzt wird geladen... Obwohl... Noch ein Tröpfchen geistiger Energie. Ich muss an irgendetwas denken. An meine Mutter am Videotelefonat.
    An die Pokémon auf dem bitterkalten Pfad nach Jubelstadt.
    An Arktos' Schlaflied.
    An das Geschäftsviertel und die Hauptstraße. An das Adelsviertel. An Lady Charlotte und Randal.
    An den Hain und das Herrenhaus.
    An Juan-Bernard Berlitz.
    An Genetik, Porträts und Korridore.
    An die Fragestellungen, die noch in diesem Raum stehen.
    An Sie...


    Ihr Reiz ist so makellos. So irrelevant. Doch ihren Intellekt sollte ich nicht unterschätzen.
    Wer wohl mehr?
    Ich oder Sie...? Lady M. Platinum Berlitz...?

  • So wie versprochen soll der Thread auch von mir nicht verschont bleiben.
    Ich finde eigentlich sehr schwer Worte um diese FF zu beschreiben
    wie ich im PN schon erwähnt hatte nach jedem Satz oder Kapitel
    fühle ich mich immer wieder verbal entwaffnet, ich selbst kann sehr gut mit
    Leuten umgehen egal welchen Status sie haben und mich auch in die
    Leute rein versetzen darum würde ich mir fast zutrauen zu sagen
    das ich einen Funken Lancelot in mir trage aber jedes mal wen ich deine
    Ausführungen lese und diese eigentlich schon vollkommene schreibweiße
    fühle ich mich aufs neue ertappt und muss zugeben das, auch wen ich ein guter
    Redner bin, ich nicht im geringsten das Level von Lancelot erreiche.


    Nun gut genug von den Ausführungen etc. werden wir mal etwas allgemeiner
    Diese FF lässt mich Pokemon von einer anderen Seite betrachten einer viel
    ernsteren Seite, ich finde es auch sehr gut wie du zum beispiel Redewendungen
    annimmst und sie in die Pokemon Welt einbringst ohne dabei auch nur in
    irgendeiner weiße Stilbruch zu begehen.


    Du hast talent das steht ausser Frage ABER da ist etwas was mir
    seitdem ich deine FF lese auf der Zunge brennt.
    Schreibst du nur so oder verhälst du dich im Leben ähnlich von der Ausdrucksweiße.
    Egal wie die antwort jetzt ausfällt solltest du dies tun frage ich mich
    wie kommt es bei deiner Umgebung an?
    Das ist eigentlich etwas was mich brennend interessiert.


    Jetzt zu den Doppel endungen die ich angesprochen habe.
    Ich finde die Stelle im Detail nichtmehr es tut mir leid aber du hast z.B einen Satz so ähnlich geschrieben.


    Dies ist ein Beispielsatz wo ich auf einen Fehler hinweise Fehler hinweise.


    Ich hoffe du weißt ungefähr was ich meine. Ausserdem hast du einen Fehler beim informationen setzen gemacht
    hier:
    [/i]bescheidenen Kammer[/i]


    Alles in allem nichts Weltbewegendes was du falsch gemacht hast.
    Um ehrlich zu sein stören diese fehler auch nicht weiter den wen ich das lese bin ich so vertieft in der Geschichte das ich sogar ein Bild vor Augen habe
    was den gerade passiert und wie es aussieht und so etwas hat nun wirklich noch niemand geschafft.
    um es zu ende zu bringen
    Danke sehr.


    mfg einer deiner Fans DeXXter

  • Huhu Libertine. ^^
    "A World's Reversal". Das klingt schon nach etwas Epischen, beziehungsweise da weht schon ein Wind von Umschwung, bzw. einer Revolution.


    [tabmenu]
    [tab=Startpost]
    [subtab=Dies und Jenes]Ich mag deine Einleitung sehr gerne. Man liest sie zweimal, weil sie sehr gut auf den Leser wirkt. Sie verspricht schon, dass eine größere Geschichte erzählt wird ... mal davon abgesehen, dass mir ein knapp 150.000 Einwohner sehr wenig vorkommen ^^" Zumindest wenn man es mit der realen Welt vergleichen würde. Das Gebiet muss sehr dünn besiedelt sein. Zum Vergleich: Ich wohne in Wien und es sind fast 3 Mil. Einwohner.


    Ansonsten gibst du uns viel Information preis. Also nicht solche, die Leser schon im Vorhinein spoilern würde, sondern solche, die einfach interessieren (könnten) und es auch tun. ^^


    [subtab=Charaktere]Ja, zuerst muss ich zu den Charakteren ein wenig "Kritik" anbringen, aber nur insofern, dass die Steckbriefe bzw. Benennung nicht meinen persönlichen Geschmack trifft. Die Worte "primäre", "sekundäre", "tertiäre" Charaktere wie der Fakt, dass du ihre Persönlichkeitsmerkmale in Skalen einordnest, kommt mir sehr hm... theoretisch und tabellarisch vor. Zudem gebe ich zu Bedenken - wenn es dir nicht sowieso schon selbst bewusst sein sollte, was ich ja glaube -, dass Barry mit einem IQ von 85 nicht unter die Kategorie "nicht so intelligent" fällt, sondern wirklich schon fast eine Minderbegabung aufweist.
    Auch dass du die Größe so akurat genau auf Millimeter angibst, ja, das ist mir etwas "zu genau".
    Ansonsten, ja... Lieblingsfarbe/Küche ist nicht unbedingt das, was man zuerst über eine Person erfahren möchte.
    So, dazu. ^^ Ich mein', nimm das nicht so ernst, ich hab nur meinen Geschmack hier kundgetan.
    Aber die Idee mit den Themesongs gefällt mir außerordentlich gut, die ich zwar auch teilweise, allerdings nie gepostet, habe. ^^


    Was mir wirklich gefällt sind die kleinen Zitatbände unter dem Bild, die eigentlich viel mehr über die Persönlichkeit aussagen, als die Skala von 1 - 5. =)
    Bei Lancelot muss ich schmunzeln (und so als Leserin muss ich sagen, dass ich dem Bild absolut verfallen bin! :D) Ich mag ihn. =X
    Den Text darunter hab ich bei ihm, wie bei allen anderen, absichtlich nicht gelesen, um mich überraschen zu lassen.


    Das zweite Bild ... Platina =D Also ich mein natürlich, Lady Berlitz. ^^
    Ich dachte zuerst, als ich ihren Zitatband gelesen hab': "Starkes Stück", aber auf ihre ganz eigene Art wurde sie mir dann doch sympathisch.


    Barry sagt mir auch sofort zu, wobei er mir durch die Beschreibung nicht unbedingt dumm vorkommt, sondern eher gutmütig-naiv, allerdings hab' ich ihn ja auch noch nicht im Fließtext kennengelernt.


    Die Väter erscheinen mir sofort unsympathisch, die Aussage Lancelots Vater macht mehr her, als der weitere Text. So ansonsten, belass ich es daweil bei den Charakteren, um endlich zu lesen. ^^


    [subtab=Fehler im Startpost]

    Zitat

    Aus diesem Grund studiert er, seit er flüßig lesen kann - seinem dreizehnten Lebensjahr - jeden Tag ausgiebig Pokémon-Magazine in der Hoffnung, dass er das Wissen irgendwann in der Praxis gebrauchen kann.


    flüssig.


    Zitat

    Lancelot's Vater, der von dem jungen Mann selbst nie anerkannt oder als Autoritätsperson akzeptiert wurde.


    Den zweiten Fall apostrophiert man im Deutschen nicht und sollte man dies jemals gemacht haben, ist es jetzt vorbei. ^^


    [tab=Kapitel 1]
    Gut, ich werde nicht jedes Kapitel einzeln ausführlich behandeln, eher dann bei den Neuen, die erscheinen werden. Ich will eher so eine Art Überblick für mich geben. ^^


    Zuerst lässt sich sagen, dass du einen schönen Schreibstil hast. Einige Teile klingen wegen ihrer Ausdrucksweise aber ein wenig ...hm ... steif? Ich will dir ein Beispiel geben, da ich selbst nicht so wirklich erklären kann, was ich meine:

    Zitat

    Ebenso schnell stand fest, dass man mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte, das Ziel des Anschlages sei eine tatsächlich verletzte Person gewesen. Zielsetzung musste jemand anderes gewesen sein, und um diese festzustellen, genügte dem uniformierten Staatsbeamten ein einziger Blick in das Familienregister. Auch die für den Anschlag verantwortliche Beschaffung stand sofort fest.


    Das klingt schon wenig nach einem Bericht, bevor er noch geschrieben ist. ^^
    Aber nichtdestotrotz ist dein Schreibstil einfach angenehm und flüssig zu lesen, man merkt dir auch deinen großen Wortschatz ein.


    Der Ausgangspunkt ist gut gewählt und lässt den Leser mitten in die Story hineinfallen. Viel Konfliktpotential, Lancelot wirkt von Beginn an menschlich und auch sympathisch und es liegt auch viel Gefühl im Inhalt wie auch in den Worten.
    Besonders einer der letzten Sätze lässt einen nachdenklich werden, er ist einfach schön:

    Zitat

    Als er Zweiblattdorf etwa einen halben Kilometer hinter sich gelassen hatte, glaubte er, die Stimmen seiner Kindheitsfreunde zu hören.


    Über Lancelot an sich kann ich noch nicht so viel sagen, er ist mir ja auch noch nicht so vertraut, tut keinen Abbruch, dass ich ihn mag. ^^


    [tab=Kapitel 2]Oh, das zweite Kapitel beginnt mit der Ich-Perspektive. Damit habe ich eigentlich nicht gerechnet, auch wenn ich insgesamt nicht abgeneigt bin, aber trotzdem lieber aus der Perspektive eines personalen Erzählers lese.
    Die Umgebungsbeschreibung am Anfang füllt nicht alles aus, ist gut gelungen und bewirkt eine angenehme Atmosphäre.
    Das Telephongespräch wirkt in der Tat liebevoll und vertraut zwischen Mutter und Sohn. Allerdings muss ich auch anmerken, dass kaum ein Jugendlicher so sprechen würde wie Lancelot. Ich weiß nicht, ob das Absicht deinerseits ist. Sicher, geschrieben kann man sich schnell 'mal geschwollen ausdrücken, aber in der mündlichen Sprache wohl eher nicht. Ich kenne auch kaum Erwachsene, die so sprechen würden. Früher hat die Schicht noch Unterschiede in der Sprechweise gemacht, heutzutage kaum noch. Von Anwaltskindern bishin zu Kindern einfacher Arbeiter sprechen die meisten Jugendlichen eigentlich gleich, zumindest meiner Erfahrung nach.


    Sei dem, wie es sei, die Worte ...

    Zitat

    - "Lancelot, ich... Um ganz ehrlich zu sein: Ich kann selbst nur ahnen, wieso er Deinem Vater dieses Angebot gemacht hat... Aber Du willst doch nicht wieder, dass das Jugendamt..."


    Als meine Ohren die Wortkomposition Jugendamt und dein Vater vernahmen, stiegen Puls und Blutdruck bei mir zwangsläufig an.


    ...haben ja anscheinend gezielt und sich tief ins Schwarze bei ihm versenkt, das hat getroffen. =/


    Zu der Szene gibt es noch etwas zu sagen.

    Zitat

    Meine gewöhnlich etwas schneidende, aber beherrscht und freundlich wirkende Mimik wich einem spöttischen falschen Lächeln mit bissig, fast schon lüstern glänzenden grauen Augen.


    Lüstern glänzend? Ich weiß nicht, ob man sich das vorstellen darf/soll, was ich mir darunter eigentlich nicht vorstellen möchte oo Unter lüstern stelle ich mir einen schon fast "perversen" Blick vor, wenn ein Mann zB. Frauen die ganze Zeit wie Objekte anstarrt. Ich denke, man kann aus dem Zusammenhang entnehmen, dass du so etwas wie "spitzbübisch, schelmisch, verschmitzt" meinst?


    Und einige lustige Stellen muss ich auch noch zitieren. =)

    Zitat

    - "Freut mich. Überbring' ihr eine Kopfnuss von mir."


    und

    Zitat

    - "Mach' keine Dummheiten, Lancelot.", ermahnte sie ein weiteres Mal.
    - "Keine Sorge. Nur sorgfältig durchdachte Attentate."
    - "Soll das ein Scherz sein?"
    - "...Mal sehen.", gab ich kopfkratzend nach einer kurzen Pause zurück. Ich hörte und sah Mutter scharf Luft holen.
    - "Lancelot, versprich es mir. Versprich, dass Du Dich nicht mit ihnen anlegen wirst."


    Herrlich ^^


    Und auch der Abschluss gefällt und passt sich der Atmosphäre an.


    [tab=Kapitel 3]Bevor ich mit dem Kapitel beginne, muss ich deine eigene Aussage zitieren, die ich nicht so ganz verstehen kann...

    Zitat

    Mein personlicher Lieblingscharakter wird in diesem Kapitel vorgestellt. Nein, es ist nicht Lancelot...! Liebenswürdiger und brillianter, was aber kein Grund für Lancelot ist, sie zu mögen. War nicht einfach, als männlicher Autor eine weiblichen Charakter zu entwerfen, der Widerspruch in sich trägt.


    ... da beim Charakterentwurf meiner Meinung nach, das Geschlecht erst an dritter, vierter Stelle steht. Hab auch schon im Gegensatz dazu von genügend Frauen gelesen, dass sie lieber weibliche Charaktere schreiben, da sie sich nicht so sehr in Männliche hineinversetzen können, bei mir ist es schon fast umgekehrt. Also nicht wegen dem Hineinversetzen, sondern dass es eine Geschmacksafrage ist. ^^
    Aber wie dem auch sei. Also, jetzt zum Kapitel, bevor ich mich hier in Smalltalk verlier'. ^^



    Mir gefällt, dass du zuerst Jubelstadt regelrecht dem Leser vorstellst und wieder kann man nicht nur die Informationen, sondern auch die Umgebungsbeschreibungen einfach nur genießen. ^^
    Aber dafür, dass du Lancelots Wissenstand im Startpost als "2/5" angegeben hast, kann er uns einiges berichten. Ich denke, das wird mit etwas anderem im Zusammenhang stehen?


    Ach und das Wort Frisch-Mantirps bringt viel frischen Wind hinein und zeigt uns an, dass wir uns eindeutig in der Pokemonwelt befinden, in der die Menschen auch von ihrer Umwelt, und demnach auch in ihr lebenden Kreaturen, geprägt sind.
    Randal ist mir sogar insofern sehr positiv aufgefallen, als dass er Umgangssprache benutzt. ^^


    Du triffst den Reichturm der Berlitz auf den Punkt, man kann es sich einfach bildlich vor Augen führen. Liegt auch an deinen präzisen Beschreibungen. ^^
    ... und hörst auch im richtigen Moment für einen Mini-Cliffhänger auf. =)


    [tab=Kapitel 4]
    Juan Berlitz ist richtig getroffen, "richtig" ist das falsche Wort, aber so habe ich ihn mir eben auch vorgestellt. ^^
    Lancelot wird angenehm empfangen und auch das darauffolgende Gespräch, beziehungsweise die Gestik beider, wirkt sehr natürlich, eben stimmig.


    Und an ihr betrachtet er ja sozusagen fast alles. Du beschreibst sie sehr gut, sie muss auch eine Augenweide für das männliche Geschlecht sein, was ich nicht so beurteilen kann. Ich als Frau selbst kann nur beurteilen, ob eine Andere hübsch ist oder eben nicht. Ganz nüchtern betrachtet. x)
    Sie scheint wirklich recht kühl zu sein, ich kann aber trotzdem nachvollziehen warum Lancelot so angezogen von ihr ist.
    [/tabmenu]
    So, da wäre ich. ^^
    Die nächsten (einzelnen) Kommentar zu den nächsten Kapiteln werden länger, tut mir auch leid, dass der gesamte, erste Kommentar ein wenig gedauert hat.


    Zusammenfassend möchte ich sagen: Lancelot ist eine sympathische und vielschichtige Persönlichkeit, vor allem habe ich ihn als Leser gerne als Protagonist, dein Schreibstil ist angenehm flüssig, dein Wortschatz sehr reich, die Kapitel weisen eine angenehme Länge auf. ^^

  • Einleitung Arc / Der Wüstling
    Kapitel IV - Hinterwäldler, Teil I
    13. Januar, Mittwoch.
    Wen beneidest Du?


    Die Lampe. Die Lampe glaubt, am hellen Morgen wieder Dienst zu leisten zu müssen. Ich habe mich auf die linke Bettseite gewälzt, also glaubt die Lampe, wieder flackern zu dürfen. Ich sehe die Lampe brennen und stufe ihren Schein als absolut überflüssig ein. Meine Augen sind geöffnet, ich verspüre erneut Hunger, ein Bad und Wechselwäsche könnte ich ebenso vertragen. Klar wie nie unterscheide ich schillernde Reflexionen eines zaghaften Sonnenstrahls, der durch die gläserne Wand bricht. Farben. Morgengrauen...
    Ach, die Lampe. Ich sollte die Lampe inaktivieren, auf gebräuchliche Art: dieser Gedanke weckt mein Bewusstsein an diesem Morgen. Letztendlich siegt dieser Entschluss auch über meinen Bedarf an zusätzlichem Wälzen im Bett, dessen Komfort mir routinemäßig erst nach Tagesanbruch bewusst wird. Mein unbekleideter Fuß berührt beheiztes Parkett. Wo bin... ich? Jubelstadt, Herrenhaus der Adeligen Familie Sinnoh. Zuhause. Wieso bin ich nicht Zuhause...? ...Ach... Ja.


    Mit Kopfschütteln beabsichtige ich, meinen Gedankenfluss hochzufahren. Muskeln und Gelenke haben ebenfalls realitätsbewusstere Zeiten durchgemacht. Viertel nach... Zwölf. Tagesanbruch...? Es ist nahezu Mittag. Annähernd ein halber Kalendertag traumloser Schlaf. Wegen solchen wie mir geht die Wirtschaft zugrunde. Memoriere ich den vollen Fluss von Begebenheiten der gestrigen vierundzwanzig Stunden, so scheint mir eine solch reichliche Nachtruhe normal dimensioniert. Trotz der Wärme realisiere ich leichten Schüttelfrost; meine mentales und physisches Reservoir klagt auch nach ausgiebiger Genesung noch über die Beschwerden des Dienstags. Aber ich bin wieder handlungsfähig. Guten Morgen, Lancelot.
    Nach einigen von knackenden Gelenken begleiteten Schritten und Regungen finde ich mich in der stillen Raummitte wieder. Kein Vogel zwitschert. Ein breites hölzernes Bett, ein Nachttisch und altertümliche Schränke. Die Möbel fällt kaum auf in den kahlen, weiten Wänden. Hingegen der Ausblick... Der Hausherr hatte eine künstlerische Vorliebe für Wände aus Edelglas, die ich ihm nicht übelnehmen kann. Weitere Schritte führen mich zur Balkontür, die sich durch einen hölzernen Hebel ohne viel Kraftaufwand nach innen öffnen läßt. Der Morgen empfängt mich mit unbarmherzigen Temperaturen; im Kontrast zum ariden (trockenen) Pergamentgeruch tolerabel und erfrischend. Es liegt unzweideutig Wald in der Luft: der farbenfrohe Hain liegt in seiner winterlichen Würde vor mir. Das hastige Rascheln im Laub getarnter Lebewesen. Wohin mein Blick fällt: Wald. Kaum erkennbare Hügel am Horizont deuten die Existenz des Kahlberges an, näher liegen undefinierbare Züge von Kohlebergwerken: Erzelingen. Das Panorama läßt mich schlussfolgern, dass der Raum im höchstgelegenen Stockwerk liegt, der Marmorbalkon kehrseitig. Der gepflasterte Hinterhof liegt leer, der Blick auf die Siebzehnte Tafel bleibt verwehrt. Ungeachtet dessen atemberaubender Ausblick. Winterluft kühlt, beheiztes Holzparkett wärmt. Ich stütze mich mit den zerknitternden beigefarbenen Blazerärmeln am hochgelegenen Gelände ab und atme tief durch. Phantastisch.


    - "Hat seine Vorteile, bei Adeligen zu leben, was, Barry?"
    Ein vernunftwidriger Blick über die Schulter offenbart mir, dass keine Rückmeldung folgen wird. "Wieso habe ich geglaubt, Barry wäre bei mir?" Die Frage, die ich mir nicht stelle. Intensiver jagt mir "Wieso sollte Barry nicht bei mir sein?" Durch den Kopf. Irrational, aber evident. Wie dem auch sei... ... Meine Familie. Hoffentlich sind die Adeligen mit Videotelefonie nicht unvertraut; gängige Fernsprecher zu benutzen ist mir nie möglich gewesen. Somit lauten meine weiteren Schritte: aufeinanderfolgend Wechselwäsche, Bad und Frühstückstisch ausfindig machen. Dass diese Herausforderung bei den Ausmaßen des Herrenhauses nicht als "routiniert simpel" einzustufen ist, erfahre ich bereits, nachdem ich die hölzerne Eingangstür des nun meinen Zimmers hinter mir geschlossen habe. Mir eröffnet sich der Blick auf das teppichbelegte Treppenhaus, gegenüberliegende Gänge sämtlicher Stockwerke, durch das gläserne Dach präsentiert sich das Anwesen mir erstmals im natürlichen Licht und büßt teilweise seine Mysterien zugunsten Gastfreundlichkeit ein. Der Korridor, in dem ich selbst mich identifiziere hingegen wirft am helllichten Tag Rätsel auf: rechts oder links? Die beiden langen Gänge enden in identischem grünlichem, undefinierbarem Licht. Also wohl...
    - "Guten Morgen, junger Herr."
    Die neutral-verschlafen klingende Stimme hinter meiner Schulter sowie die Realisation von menschlicher Anwesenheit lassen mich kurz zusammenzucken, als ich mich hektisch wende: ein Butler. Sein Gesicht und Erscheinungsbild wirken komparabel wertfrei wie sein Tonfall, so sehr meine verschlafenen Augen sich auch auf seinem Frack fixieren, einfach nichts will mir an seiner untersetzten Gestalt wirklich auffallen, beim weiteren Dialog spreche ich quasi seine Uniform an. Weder Alter, noch Herkunft, noch Sinnesart lassen sich seinem ergrauten Schnurrbart ablesen. Wohlmöglich macht genau dies einen guten Butler aus...?
    - "Guten... Wie lange stehen sie denn bereits an meiner Tür, wenn ich fragen darf?"
    - "Ich und mein Kollege haben uns die Nacht über abgewechselt, um jederzeit zur Stelle zu sein."
    - "Zwölf Stunden lang...?"
    Der Uniformierte wirft einen zurückhaltenden Blick auf sein zugeknöpftes Handgelenk und erwidert farblos:
    - Zwölf Stunden vierundvierzig Minuten, junger Herr. Außerdem sind wir jede Acht Minuten hineingekommen, um nach Bestem zu sehen."
    - "Nach Bestem...?"
    Entgeistert stelle ich mir vor, wie beklemmende grauhaarige Männer im Schlaf meinen Puls befühlen und Blutproben nehmen. Offensichtlich übertreibe ich, doch alleinig der Gedanke, dass Fremde in den süßesten Stunden Dein Zimmer betreten...
    - "Wir haben ihren Puls gemessen und eine Blutprobe vorgenommen, junger Herr."
    Fassungslos zupfe ich an beiden meiner Ärmel. Meinen knochig anmutenden Unterarmen lassen sich keine Spuren von Einstichen abtasten.
    - "Und wo...?"
    - "Aus der Halsschlagader, junger Herr..."
    Unbehaglich zischen meine Lungen. Kam es mir nur so vor oder lag ebenso ein gespenstischer Unterton in seinem Wispern...? Da kein Blickwinkel mir Sicht auf mein Genick gibt, taste ich dieses beunruhigt ab. Jetzt realisiere ich, was Ursache für meinen unterdurchschnittlichen Blutdruck an diesem Morgen herbeigeführt haben könnte... Soll dieses suspekte Individuum und sein Kollege jemand anderes nach allen Regeln der Kunst im Schlaf bebutlern...! Eben dies geben meine vorgestreckten Kinn und Zeigefinger preis.- "Damit wir uns verstehen: Das war jetzt unsere erste und letzte gemeinsame Nacht, Mister..."
    - "Nenn' mich Sebastian."
    - "...Sebastian. Mich kümmert's kein Ditto, ob der Hausherr es befohlen hat..."
    - "Es war meine Eigeninitiative."
    Die horrenden Schauer der Kuriosität widerhallen zunehmend kälter in meinem Nacken. Nicht menschliche Geist-Pokémon, sondern undurchsichtige Lakaien sind, was nachtsüber an meinen Nerven nagen wird. Der Typ wird mir immer weniger geheuer, meine Ansprache nimmt an Klangschärfe zu.
    - "Noch einmal: es kümmert mich kein Ditto, ob es der Hausherr befohlen hat oder sie und ihr Kollege, Mister..."
    - "Nenn' ihn Sebastian."
    - "...Sebastian...", - verdutzt hebe ich den Blick. "Sebastian?"
    - "Sebastian."
    - "...Sebastian seltsame bedenkliche Freizeitvorlieben aufweisen, Sie kommen nie. Mehr. Wieder. In die Nähe dieses Zimmers. Verständlich ausgedrückt...?"
    - "Akkurat, junger Herr."
    - "Und sollte ich Bissspuren oder ähnliche Begebenheiten beobachten, behänge ich den Türrahmen mit Knoblauch und schippe Fallgruben. Klar und deutlich artikuliert?"
    Das faltige Pokerface des Dieners verweilt undurchschaubarer denn je. Dessen ungeachtet befinde ich mich im Glauben, unmissverständlich geklungen zu haben. Besänftigt entspannt sich meine Körperhaltung, als ich kehrt mache und den eingeschlagenen Weg fortsetzen möchte. Mit einem Mal durchblitzen indiskrete Impulse meine rechte Schulter. Ein Hauch von schreckhafter Hysterie schwingt mit, als ich mich reflexiv gegen die Berührung zur Wehr setze und den Uniformierten vor mit beißend fixiere.
    - "Reicht Ihnen die verbale Schilderung meiner Anweisungen nicht aus...?"
    - "Sie suchen das Badezimmer?", bietet Sebastian unbeirrt meiner direkten Drohung Paroli.
    Von Erleichterung kann nicht die Rede sein, demgegenüber gesteht mein Nervensystem, überzogen reagiert zu haben. Mein leicht angehobener linker Arm senkt sich wieder, eine Wegweisung könnte ich momentan tatsächlich applizieren. In seiner rechten Hand liegt ein eiserner Schlüssel, den er mir nun erfolgreich übergibt. Den Schultergriff hätte der Butler indessen unterlassen können.
    - "Ja, ich suche das Badezimmer."
    - "Zweites Stockwerk, linker Flügel, letzte zentrale Zimmertür"
    - "Besten Dank."
    - "Ich danke Ihnen, junger Herr."
    Hat er... Er. Ebenso... Gezwinkert...? Bei Mew...! Ich gewinne eilig Distanz, ohne die Arme zu entspannen oder den Blick von ihm abzuwenden. Meine erhobenen Handflächen verdeutlichen, dass er mir bloß nicht folgen solle. Erst als uns ein Dutzend Schritte trennt, wende ich ihm den Rücken zu und schreite möglichst beherrscht bis zum Gangende über den beheizten Teppich, verspüre fortwährend seinen Horrorblick im Nacken. Rationalität hilft nicht weiter, wenn solche Gestalten vor offenen Türen unbewacht Korridore durchstreifen: ich sollte mit dem Hausherren auf dieses Individuum zum Sprechen kommen.


    Vorerst jedoch führt meine Route über in grünliches Tageslicht eingelullte Gänge, vorbei an charakteristischen Türen und länglichen Klarglasfenstern, die den Hain um das Anwesen freilegen. Eine massive gedrehte Treppe aus weißem Stein führt alsbald ein Stockwerk tiefer, wo ein ähnliches System aus Korridoren das zentrale Treppenhaus umschließt. Es liegen trotz der Menschenleere Aromen luxuriöser Besitztümer in der Luft, ebenso wie der von Bäumen, Holz und Pflanzen. Aufgrund ihres Ausmaßen wirken viele Wände kahl, wenngleich sie von Porträts, meist mit philosophischer Thematik behängt wurden. Hier, auf den ersten Schein verschlingt ein Schluppuck einen Apfel beträchtlicher Größe. Je nach Blickwinkel und Auffassungsgabe wird konträr dazu das Schluppuck vom Apfel verzehrt. "Besitzen bedeutet besessen sein." - Gustavo Grenland Berlitz., lautet der im versilberten Bilderrahmen gegebene Kontext. Zeitlebens werde ich in den linken Flügel geführt, der einen einzelnen lichtvollen quadratischen Korridor mit unzähligen Türen darstellt. Verschiedenfarbiges Fensterglas taucht ihn in warme Regenbogenfarben. Es riecht nach Reinheit und Hygiene, der Teppich hier scheint mit Wolle gefüttert worden zu sein. Drei hölzerne östliche links, zentral und rechts Schiebetüren in jeweils tiefblau, rot und grün trennen den Betrachter von separaten Badezimmern. Ich hole mir unglückselig die Worte des gruseligen Butlers in Erinnerung und nehme zentral Kurs, erpicht darauf die vom Schlaf faltig gewälzten Hemd, Blazer und Hose gegen meine aufbereitete Protestbekleidung einzutauschen. Eine Palette an Kratzbürsten und Sessel mit Körpermassage liegen im reichsten Hause Sinnohs ebenfalls im Bereich der rationalen Wunschdenken. Just als mir wenige leichtfüßige Schritte zur Tür bleiben, öffnet sich diese. Sie... Ist also ein materielles Wesen, kein imaginäre Traumwelt meiner gestrigen Schlaftrunkenheit. Beinahe wäre ich unzweideutig physisch gegen sie gestoßen.
    Ihr dezent lächelndes Antlitz strahlt sofort Frische und Vitalität aus. Sie trägt einen flauschigen Morgenmantel im sanft-goldenen Schimmer wie die Haarclips in der glänzend schwarzen Glätte ihrer kerzengeraden Haarpracht. Die fordernde Frisur der gestrigen Nacht bleibt aus, die für dichte Locken und Spliss anfälligen Spitzen scheinen angeboren zu sein. Durch die Ohrenkapuze auf ihrem Rücken wirkt sie irgendwie... Goldig. Ändert wenig daran, dass sie aus heiterem Himmel in Negligé vor mir steht.
    - "Guten Morgen.", erklingen ihre Glöckchen frohlockend warm und heiter.
    - "Für Hausbekleidung hat das Familienbudget nicht mehr ausgereicht?", erwidere ich den Gruß galant.
    - "Guten Morgen, Lancelot.", wiederholt sie mit unablässigem Enthusiasmus.
    - "Wenn ich in Unterwäsche herumrennen und Fragen bezüglich dessen ignorieren würde, welche Meinung wären Sie wohl von mir?"
    Auch sie erwägt es nicht, ihre Gesprächslinie ad acta zu legen, lächelt fortdauernd mild:
    - "Hast Du gut geschlafen?"
    Zum wiederholten Male verläuft das Gespräch so, wie sie es wünscht. Zumindest läßt sie sich ihre ausgeglichen-sonnige Sinnesart nicht verleiden, scheint sich gar zu amüsieren.
    - "Richtig: Sie würden meinen, ich sei geistig unterbelichtet."
    - "D'accord. (Schön) Guter Schlaf bringt Verve (positiv beschwingtes Lebensgefühl.", flötet sie, woraufhin sie sich auf Zehenspitzen die letzte Müdigkeit aus ihrer femininen Figur streckt. Jetzt erst fällt mir ihre zierliche Körpergröße auf; im Laufe unseres fehlgeschlagenen monologischen Gedankenaustausches blicken ihre geschlossenen Lider fortwährend zu mir hinauf. Sie ist mittelgroß für eine junge Frau, nicht höher. Fußknöchel sind im Augenblick alles, was ihr zart-goldener Morgenmantel an blasser Haut preisgibt, denn erwartungswidrig trägt sie selbst frisch gewaschen schneeweiße Handschuhe und Schal.
    - "...daher bin ich exzeptionell wissensdurstig: Sind Sie geistig unterbelichtet, Lady M.?", - in dem Blick, der auf ihre hohe Stirn trifft, spiegelt sich larmoyante (theatralische) Besorgnis wieder.


    Hypothetisch könnte es meinen Augen nur Recht sein, dass sie mir ungezwungen lächelnd im Morgenmantel begegnet ist.
    Prinzipiell nicht weiter von Belang, was hinter in ihrem klugen Kopf vorgeht, solange dieser so verlockend duftet.
    Im Grunde ist unerheblich, was aus ihrem Munde erklingt, man fühlt sich behaglich, ihre warme melodische Stimme wahrzunehmen.
    Glücklich könnte jemand wie ich sein, dass sie liebenswürdige Gefälligkeiten mit mir austauscht. Das hieße, dass ich mich blauäugig auf das tendenziöse Schauspiel einlasse, das die Familie Berlitz in Kooperation mit meinem Erzeuger eingefädelt hat.


    Ihre dunklen Locken schaukeln fluffig, als sie temporär auf meine Repliken eingeht und mild lächelnd verneint:
    - "O nein. Wie kommst Du darauf?"
    - "Sie sind leicht... ungewöhnlich.", rutscht es mir wahrheitsgetreu heraus - wenngleich die geplante Gegenmeldung anders lautet.
    - "Du auch."
    Zermürbendes Schweigen. Sie massiert sich mit dem Knöchel eines Beines das andere. Ihre Augen hinter unverändert versiegelten Lidern scheinen einen distanzierten Punkt zu fixieren. Hinter verschlossenen Fenstern, im Hain, erklingt ein hörbares Rascheln. Zwei junge Leute wägen einander ab. Eine Grenzen verletzende Gefühlsregung kribbelt in meinen Fingerspitzen. Nie... Nie sollte diese Konversation persönlich werden... Was aber hält mich von etwas Höflichkeit ab?
    - "Guten Morgen, Lady Berlitz.", sind die ersten galanten Worte, die ich an diesem verspäteten Morgen verliere.
    - "Guten Morgen, Lancelot. Hast Du gut geschlafen?", nimmt sie frohlockend den verlorenen Gesprächsfaden auf. Woher nimmt sie all die Geduld und Enthusiasmus?
    - "Qualität oder Quantität?"
    - "Ach, beides."
    - "Beides gibt's bei Cresselia nur gegen Nachzahlung. Erschwerend kommt hinzu... de facto haben zwei ominöse Gestalten alle paar Minuten abwechselnd nacheinander mit mir geschlafen. Fühle mich infolgedessen leicht schwummrig.."
    - "Pardon?", ihre langen Wimpern flattern wissensdurstig und werfen Schatten auf ihre anmutigen Züge. Auch bei Tageslicht, ihre Schönheit derangiert.
    - "Wie viel wissen sie über ihre Angestellten...?"
    - "Ach, Du hast bereits Bekanntschaft mit Sebastian gemacht!", - erneut umspielt mildes Sonnenlicht ihre Mundwinkel.
    - "Intimer als mir lieb wäre. Schauriger Zeitgenosse... Zudem unqualifiziert. Er meinte, die zentrale Tür führe ins Gästebad."
    - "O nein. Es ist das rechte. Dies ist mein persönliches Badezimmer."
    - "?...Und?"
    Ihr unveränderter Tonfall bei den folgenden Worten behelligt (irritiert) mich:
    - "Ah, dies ist einer von Sebastians Schelmenstreichen. Jeder männliche Gast wird von ihm hierher gelotst."
    Leicht unwohl wird mir bei meinem nächsten Atemzug zumute.
    - "Das läßt darauf schließen, dass wenn ich zehn Minuten früher hier reingestiefelt wäre..."
    - "Aber nein. Gewiss schließe ich von innen ab."
    Vielsagend atme ich aus und halte ich ihr den vereinzelten Schlüssel vor die Nase. Derselbe Schatten, der mein Antlitz belauert, schleicht sich nun auf das Ihre.
    - "...dessen ungeachtet hätte ich die Freude gehabt...?"
    Wie sie vermag, mit geschlossenen Lidern eine Rückmeldung darauf zu geben, sei fraglich. Obgleich spricht ihr verstörtes Nicken Bände: dieser Schlüssel hätte mir rein gedanklich... Perspektiven eröffnet.
    - "...Doublé..."
    - "Ein innovatives Späßchen seinerseits, huh?"
    Wieder bestätigt ihre fassungslose Mimik meine Annahme. Ihr Mund geringfügig geöffnet, Wangen erblasst, sie schluckt.
    - "Ich sollte... Ein Wörtchen mit ihm sprechen."
    Nun liegt es an mir, neben der Rolle zu sein.
    - "Ein Wörtchen...?", gestikuliere ich gemäß der Zustände indigiert. "Diese Sebastian-Spezies ist zwielichtiger als ein Zwirrlicht! Würde mich nicht wundern, wenn er sich als kannibalischer Vampir outet."
    Ihre Körperhaltung löst sich wieder, sie kann wiederkehrend lachen, wenngleich mit einem Hauch von Verlegenheit.
    - "O nein... Sebastian dient uns seit dreißig Jahren..."
    - "Wieso ist er nicht längst geflogen?"
    - "Nun... Mein Großvater, Joséph Platinum, war ein passionierter Kartenspieler. Sebastian, damals ein junger Scharlatan ohne Dach über dem Haupt, hat ihm eine Wette um vorgeschlagen... Und ein Vermögen Bête (Kartengeld) gewonnen."
    Ich staune. All die Geschichten, die ein Adeliges Haus zu erzählen hat... Aus ihrem Munde am Kaminfeuer würde ich ihnen mit Vergnügen lauschen. Wohlmöglich in Jahren, wer weiß...? Obwohl... Wen verschaukele ich hier eigentlich?
    "Dies ist sein Raison d'être (Daseinsberechtigung) - unsere Familie ist ihm lebenslänglich Verpflegung schuldig. Formell ist er als Oberster Concierge tätig und gewinnt alljährlich die Auszeichnung Unmöglichster Butler Sinnohs. Wir tolerieren ihn, okkasionell übertreibt er es aber."
    - "Nimmt er auch ihnen Blutproben ab?"
    Sie strahlt überrascht.
    - "Pardon?"
    - "Zweihundert Millimeter.", deute ich mein Körpergefühl. "Was er wohl daraus macht?"
    - "Ich bin ratlos. Wohlmöglich... Tomatensaft?"
    Hat sie soeben einen Scherz gemacht?
    - "Eine Beilage für die Säuglinge, die er im Keller frisst.", mutmaße ich.
    Sie führt wiederkehrend einen Handschuh vor den Mund und lacht unterdrückt. Zum wiederholten Male Schweigen; kein Wunder, was weiß ich schon über sie? Was darf ich schon wissen?
    - "Es ist fünf vor zwölf. Á la minute...", merkt sie schließlich an. Leichtfüßig und lautlos bewegen tragen ihre Beine sie an mir vorbei über den gefütterten Teppich den Korridor hinauf ohne meine Reaktion abzuwarten.
    - "Was sie nicht lassen können.", murmele ich geistesabwesend, bereue postwendend, nicht nach dem Frühstückstisch gefragt zu haben.
    Undifferenziert verspüre ich blitzartig Reue in jeder Zelle meines Körpers. Als ich den ersten Schritt nach rechts wage, tritt mein Fuß auf ein unsichtbares Dorn, welches mein Mark bis zur unheilvoll durchstößt und in der linken Schulter schmerzhaft seinen Ausweg findet. Einen Augenblick zuvor habe ich mich noch wundervoll gefühlt, gegenwärtig verkrampfen meine Zehen sich blockiert im Teppich. Nur weiter so, hormongeblendeter Adoleszent...! Welche wirklich relevanten Entwicklungen folgten auf diesen leichtsinnigen Kaffeeplausch? Keine, dafür hat sie alle Antworten die sie wollte bekommen... So erwartungswidrig dieser Umstand auch erscheint, sind es meines Erzeugers Worte in meinem Kopf, die mich zur Vernunft bringen: "Deine Grenzlinie, Versager. Sei Dich ihr bewusst." Nahezu bin ich ihm erkenntlich dafür.


    Abermals mahlen wir nicht im monumentalen Speisesaal, sondern in einem der Hinterzimmer dessen. Der feudale Klang von Glas und Metall, herrliche Aromen des Morgens und der Natur, die Früchte und Milch verköstigt hat. In natürliches Licht getauchtes tadelloses weiß bedeckt als seidenes Tischtuch hölzerne Tische. Ein helles, freundlich anmutendes Zimmer, in dem eine Großfamilie Platz finden könnte; doch abermals wird zu Dritt gespeist. Der Hausherr teilt die Vorlieben seiner Tochter glücklicherweise nicht. Obgleich der Tageszeit ist er in dieselben hochwertigen Kleider gehüllt wie am Abend zuvor, gleichwohl aber ohne den Mantel, so dass man Ansätze seines wuchtigen Körperbaus erkennt. Sein Gesicht mit Schnurrbart und dichten Wimpern demgegenüber vermitteln denselben Eindruck eines zaghaften, unverfänglichen Zeitgenossen, der schicksalsergeben seufzend in einer sperrigen Neo Sinnoh Valuta blättert und herzhaft-würzigen Morgenkaffee aus einem eisernen Krug nippt. Die rauen, von schweren Ringen behängten Finger seiner freien Hand kneten unsicher eine hochpreisige Markenzigarre. Er wirkt wie ein Landwirt, welcher von aufgehängten Statussymbolen erdrückt Widerwillen auf dem Thron platziert wurde. Verwunderlich, dass nicht seine Tochter im sanft-goldenen Bademantel seinen Platz einnimmt, sondern an der linken Tischflanke kerzengerade verweilt. Die raschelnde Zeitung nimmt mir konjunkturell (periodisch) die Sicht auf zwei ihrer Eau de vie balancierende behandschuhte Handglieder. Dabei weckt es meine Neugier, wie sie mit derselben Hand noch eine Gabel bedienen kann. Der gemächliche Verzehr der Haute cuisine erweckt einen versierten und familiären Eindruck: Vater und Tochter interpretieren einander ohne Worte. Ich fühle mich in meinem langärmeligen Bauernhemd und schwarzer Latzhose etwas neben der Reihe. Ich vermute, das liegt an der mit Lederschnürsenkeln eingravierten Aufschrift Nieder mit dem Adel - Landarbeiterpartei Trostu auf dem lose baumelnden Latz letzterer. Der Hausherr schenkt meiner frivolen Kleidungsform einen mehrdeutigen Blick, bringt sich aber nicht dazu, mich zum Umkleiden zu schicken. Lady Berlitz gönnt mir ohnehin nicht den Triumph, öffentlich eine Reaktion auf das Subjekt meiner Wenigkeit zu zeigen, was gemeinsam mit der Begebenheit am Vormittag zu meiner verfinsterten Stimmung beiträgt.
    - "Ich bin vor wenigen Tagen aus einer Geschäftsreise im Osten Hoenns zurückgekehrt. Du weißt, dass ich eine Arena geleitet habe?", wendet sich der Hausherr nach Minuten des Schweigens an mich.
    - "Wahrhaftig?"
    Mein Respekt für Arenaleiter verallgemeinernd hält sich aus evidenten Anlässen in Grenzen. Der Umstand aber, dass diesem Mann Errungenschaften in seinem Leben nebst den Hinterlassenschaften seines Vaters zuzuordnen sind, beschert ihm einige Sympathiepunkte.
    - "Jaja.", wieder schwingt Stolz in seiner tiefen, meist zögerlichen Stimme mit. "Eine ferne Blutlinie meiner Mutter gewährte es mir, diesen für den Adel Hoenns reservierten Posten zu bekleiden. Xeneroville, die Perle Hoenns..." Seine verträumten dunklen Augen hinter Zeitung und Kaffeebecher geben kund, dass er seiner Blütezeit nachtrauert.
    - "Zu schwache Tendenzen?", spekuliere ich den Grund für seinen Rücktritt.
    - "Nein.", seine erheiterte wegwerfende Handbewegung wird von fallenden Zigarrenkrümeln begleitet. "Ich war die letzten viereinhalb Jahre nahezu ungeschlagen! In der Pokémon-Liga wurde bereits genörgelt, weil sie kaum Herausforderer abbekamen Ich habe ein vorsätzlich schwächeres Team benutzen müssen. Niemand hat sich in meine Nähe getraut, bis er die sieben verbleibenden Orden zusammenhatte.."
    Für wenige Sekunden steigt stechende Abscheu meinen von Frischsaft verwöhnten Rachen hinauf; Assoziationen mit jemandem.
    - "Aber zurückgetreten sind sie dennoch. Wieso, wenn ich fragen darf?"
    - "Nun...", sein vermessener Unterton weicht der gewohnten Zurückhaltung. "...Heute ist die Tendenz mittlerweile glasklar: Hoenn geht den Bach herunter, Sinnoh blüht auf und außerdem... Wollte ich endlich Familie bekommen. Passé sind meine sorglosen Tage ."
    Diesen Augenblick registriere ich, dass die Zeiten, von denen der Hausherr spricht, nun mindestens siebzehn Jahre zurückliegen müssen: ich war zu dem Zeitpunkt höchstens einplaniert... Oder auch nicht. Jedenfalls werde ich mir bewusst, wie gravierend der Altersunterschied zwischen Herrn Berlitz und mir doch ist. Wesentlich höher noch als der mit meinem Erzeuger.
    - "Und ihre Frau, Yanase...?"
    Obzwar meine Zuversicht, die Freundschaft meiner Mutter mit dieser Frau habe mich hergeführt, in meiner vertrauensseligen Vergangenheit begraben liegt, hätte ich sie gerne zu Gesicht bekommen. Schon um dessentwillen sie zu dem vor mir Pâtisserie (feines französisches Gebäck) genießenden genetischen Meisterwerk ihren Teil beigetragen hat.
    - "Sie ist meist auf Geschäftsreisen durch die Region. Momentan sind wir die drei die alleinigen Residenten des Hauses."
    ...denkt man sich die Armada an Butlern weg, die uns wie auf Mauzipfoten verpflegt, mag dies so stimmen. Von Zeit zu Zeit wende ich mich beängstigt nach ihren Gesichtern um, nur um sicherzustellen, dass es sich nicht um Sebastian mit einer Spritze handelt.
    "Genauer gesagt für diesen Nachmittag. Lancelot, Du bist informiert, wann Du aufbrichst und wohin?"
    - "Nein. Meine Spitzel in Ihrem Schlafzimmer haben nichts abhören können."
    Ein Hauch von Vorwurf läßt sich im Blick des Aristokraten differenzieren, als er zu seiner Tochter sieht; ihr invariables Lächeln um einen Honiglöffel läßt ihn erneut einknicken und mich fixieren. Weder durchschaue ich, was sie einander mitgeteilt haben, noch steige ich dahinter, wer mir diese Information hätte zuteil werden lassen. Innerlich halte ich fest, dass sie jeden Schritt solidarisch abwägen und miteinander koordinieren.
    - "Nun, höre Bitte zu... Diesen Nachmittag bin ich in Jubelstadt unterwegs; für eine volle Woche übernachte ich im Finanzmilieu. Das bedeutet, ihr zwei seit auf euch alleine gestellt, auch am Freitag Morgen, an dem ihr aufbrecht. Warst Du schon einmal in Erzelingen, Lancelot?"
    Über die Neuigkeiten wenig begeistert lasse ich mich gegen die Stuhllehne fallen und massiere meinen warmgeduschten Nacken. "Erzelingen" klingt ernüchternd, die Tage in Jubelstadt hingegen bedeuten, dass ich seine Tochter besser einschätzen und Randal's Einladung wahrnehmen kann.
    - "Wenn ich Nein antworte...?"
    - "...Bist Du definitiv froh, dort für ein paar Tage umzusehen.", nahm der Hausherr mein Abspiel dankend an. "Danach geht's erst einmal zurück und Du erzählst, was Dir am besten gefallen hat."
    Die Beine ihrer Tochter, prophezeie ich spöttisch meine ehrliche Antwort. Nein, wahrhaftig, was soll es an einer zu einer Arbeiterstadt zusammengefassten Kette an Kohlebergwerken sehenswürdiges geben? Die dortige Arena allerhöchstens, doch mich braucht sie nicht weiter zu reizen.
    - "Ohne Pokémon?"
    - "In der Wildnis kannst Du Dir jedes beliebige fangen, um die nötige Dokumentation hat man sich bereits gekümmert."
    Er könnte auch weniger offensichtlich zugeben, dass mein Erzeuger hinter all dem steht. Pokémon demgegenüber stellen momentan meine letzte Sorge dar: primär sollte ich mich Lady Berlitz' als Fürsorge getarnter Obhut entziehen. Jäh registriere ich meinen vom Camembert ausgetrockneten Rachen.
    - "In Ordnung...", hake ich die ausweglose Gesprächsrichtung als beendet ab. "Sagen Sie, dürfte ich den Wasserkrug haben?"
    Jählings horcht der Hausherr auf. Das mit kristallklarem Trinkwasser gefüllte Glasgefäß befindet sich etwas abseits des verbliebenen Geschirrs auf der Tischseite seiner Tochter, doch sie zuckt mit keiner Wimper. Meine Bitte könnte sie kaum überhört haben, daher kribbelt es leicht zornig in meinen Handgelenken: derart entwürdigend ist das nun auch nicht...!
    - "Dominic!", winkt der Hausherr hastig einen Butler herbei. "Reichen sie dem jungen Mann doch Bitte das Wasser."
    Etwas aufgewühlt nehme ich den Krug entgegen und beobachte Lady Berlitz durch das Wasserglas. Sie lächelt unverändert anziehend, weicht meinem Blick aber zum ersten Mal aus.


    Der verbleibende Nachmittag verläuft gemächlich. Wie angekündigt verabschiedet sich der Hausherr sich individuell knapp-höflich von mir, und im Anschluss eine Dreiviertelstunde von Lady Berlitz in seinem Kabinett. Seine Abreise wird von einer ungewöhnlich hohen Konzentration von durch das Herrenhaus polternden Dienern begleit, weshalb ich mich erst einmal in meinem neuernannten Zimmer verkrieche und meinen Koffer auspacke. Als ich verstört feststelle, dass man dies ohne mein Befugnis bereits gerichtet hat, statte ich dem Maître de Cuisine einen Besuch ab. Der korpulente, weinerliche Küchenchef mit Glatzkopf heult vor Verwirrung beinahe los, als ich ihm weiszumachen versuche, wieso mein Überleben von einer Handvoll rohem Knoblauch abhängt. Letztendlich besteht er darauf, den Knoblauch zu schälen, zu kochen und zu salzen, bevor er ihn mir überreicht. Da ich mir nicht der gewünschten Wirkung sicher sein kann, lasse ich mir hinterrücks einige rohe geschälte Knollen aus den riesigen Küchenzimmern mitgehen, die ich in kreisförmiger Konstellation um mein Bett herum verteile, ein besonders aromatisches Exemplar für den Notfall unter meinem Kopfkissen. Unter dem Geruch leide ich in erster Linie selbst, doch die Wirkung wird nicht verfehlt: sämtliche Butler machen im Gang einen Bogen um die duftende Zimmertür. Zufrieden beobachte ich das Resultat, bevor ich beschließe, das Herrenhaus weiter zu erkunden. Noch immer weggetreten vom schieren Ausmaß des Anwesens, irre ich wie ein vereinzelter Wanderer durch lichtüberflutete Gänge und massive Steintreppen. Meine Versuche, im Orientierungssinn eine imaginäre Karte zu erstellen, scheitern, ab und zu befürchte ich, nie mehr wieder in einen vertrauten Korridor zu finden und einen elendigen Hungertod zu sterben. Schlussendlich führt mich eher das Schicksal als Koordination mich in ein verfinstertes Gesellschaftszimmer. Im Herzen des ersten Stockwerkes gelegen, ist es warm wie in keinem anderen Raum und riecht nach handbearbeitetem Leder, aus dem auch die meisten Möbel ausgeführt sind. Bequeme Sessel und breite Couches täuschen nicht über den Eindruck hinweg, dass der riesige Raum trotz mit Bibleothekschränken an allen vier Wänden etwas leer erscheint. Durch die Maßstäbe des Zimmers stechen nicht einmal eine beleuchtete Treppe in den Weinkeller, Grammophon, Plattenspieler, Klavier, Poker- und Billardtische hervor, die sich harmonisch auf den Teppichen aus Geradaks in das klassische Gesamtbild einzeichnen. Neugierde häuft sich an und verleitet mich, einen abgenutzt anmutenden Schmöker in Lederumschlag mitgehen zu lassen: Verschwörungstheorien des 20. J-H. Auf den Spuren der "Kinder Sinnohs".. Der abgewetzten Druckschrift und den knittrigen gelben Rändern nach zu urteilen, hat sich nicht eine Generation der Familie Berlitz mit ihrem Wissen bereichert, zudem lockt der kryptische Titel. Was bei allen Wablu ist ein "Kind Sinnohs"...?


    In Gedanken versunken schlendere ich mit aufgeschlagenem Buch zur Hinterseite einer Couch und lasse mich rücklings auf die hochgelegene Lehne fallen. Wer länger kopfüber liest, riskiert Blutanstauung, doch für gewöhnlich lese ich bei seriösen Lektüren ohnehin kaum mehr, als die erste und letzte Seite. Rotbraune Strähnen verschränken mir die Sicht auf den komplexen Text, während ich sie abschüttele, nehme ich verwaschen große, intensiv in einer absonderlichen Farbe glänzende Pupillen und einen wohltuenden vertrauten Geruch wahr. Fassungslos schnappe ich nach Luft; der massive Schmöker in meinen Händen fällt mir peinvoll auf die rechte Kopfhälfte. Ein melodischer Kicherlaut erschallt aus unmittelbarer Distanz in meinem leicht betäubten Gehör.
    - "Alles in Ordnung?"
    - "Ging mir nie besser, mach' ich doch glatt nochmal.", feixe ich begraben.
    - "Kinder Sinnohs...", der Klangrichtung ihrer Stimme nach hat sie ihr Buch beiseite gelegt und erhebt sich momentan von der Couch. "Verschrobenes (eigenartiges Buch hast Du Dir aber ausgesucht."
    - "Bin aber erpicht zu lesen, wer die Region geschwängert hat."
    - "Pardon?"
    - "Vergessen Sie's."
    - "Wünschst Du, eine Frage zu stellen?"
    Reichlich, aber keine, die Sie mir direkt beantworten werden...
    - "Nun...", - ich schaufle das massive Buch auf die seitliche Couchlehne und starre gen die hohe steinerne Decke. Lady Berlitz trägt dasselbe anschmiegsame Kleid in mattem schwarz - ich kann es ihr realiter nicht verübeln. Unterbewusst verspüre ich ihre Präsenz selbst während sie mehrere Meter abseits verweilt, meine Konzentration jedoch gilt dem weiteren Tagesverlauf. Ich könnte definitiv alle Tage bis zur Abreise damit verbringen, sie zu beaugapfeln, beriechen und ihr zu lauschen, zweifelsohne aber wäre ihr Vater wenig begeistert davon. Nachträglich verspüre ich Verärgerung um meine Fehlzüge diesen Morgen und ihre Versagung beim Frühstück. "Also, was haben Sie denn eigentlich diesen Tag vor?".
    - "O, einiges. Ich habe Mittwoch Nachmittag einen jour fixe (Regeltermin) mit zwei Adeligen Häusern. Gegen Abend besuchen wir das Beklommene Pantimimi."
    - "Sie gehen spazieren, nur um ein Denkmal zu besichtigen?"
    - "O, Mitnichten.", bekennt sie. "Westsinnohs repräsentabelstes Varieté."
    - "In's versnobteste Theater Westsinnohs... Und wer kauft mir meine Niere ab?"
    Ihrem Tonfall höre ich ab, dass sie von Neuem lächelt.
    - "Zu welchem Zweck?"
    - "Ich meine: wer bezahlt mir den Spaß?"
    - "Na rate einmal."
    - "Daher meine Erstfrage: wer kauft mir meine Niere ab?"
    - "O nein.", flötet sie aufgeheitert zurück. "Aus meinem Portemonnaie... Geht sozusagen... Auf's Haus."
    Die Gunst der Stunde, noch diesen Abend mit erlesener Kultur in Berührung zu kommen, klingt verlockend, namentlich in Gesellschaft dieser jungen Frau. Auf der Hand aber liegt eine weitere Phase, mich auf bestechlichen Fasson in das glorifizierte Wertsystem der Aristokratie einzulullen. Wäre ein schönes Stück, könnte Vater sich seinen Obliegenheiten mit fremdem Geld freikaufen.
    - "In diesem Fall... Bleibe ich heute stubenrein."
    - "Á la longue á la maison?"
    Meine mittelstufigen Ausbildungsgrenzen zerkauen Sätze in manierlichem Hoenn ohne jeglichen Enthusiasmus... Aber mit ihr als Lehrerin könnte sich das tatsächlich rasch ändern.
    - "Ja, Zuhause. Den ganzen Tag. Bin mir sicher."
    - "D'Accord... Aber es wäre trotzdem schön, Dich dabeizuhaben."
    Meine Mutter war eine bedeutend fähigere Schauspielerin, Lady Berlitz... Das bezaubernde Geschöpf erfüllt nicht die Grundvorraussetzung, überzeugend jemand anderen zu mimen: tiefgreifende Selbstzweifel. Entweder singt sie die melodische Wahrheit, was im völlig ausgeschlossen ist - oder eine substanzlose Wortblume. In Verbindung mit den Begebenheiten des Vormittags gibt mir ihre höfliche Floskel den Rest, ich fühle mich endgültig wie ein zu dressierendes Menki in feinem Hause. Impulsiv schwinge ich mich wieder zur Kontaktaufnahme mit festem Boden auf beide Socken und durchschreite aufgewühlt das Gesellschaftszimmer mit dem weiten hölzernen Türrahmen als Ziel, die verblüffte Reaktion ihrer langen Wimpern im Rücken wissend.
    - "Ich vertrete mir im Hain etwas die Beine.", - ein betontes Statement meinerseits, keine Halbfrage.
    - "Wünschst Du meine Gesellschaft?"
    Meine Sehorgane materialisieren graue Blitze, als ich schwungvoll auf dem Absatz kehrt mache und ein affektives "Nein" im Raum erschallen lasse, übersehen zeitgleich die Tatsache, dass die junge Frau sie direkt vor mir mit geschlossenen Lidern mild lächelnd fixiert. Selbst auf Absätzen und im schwarzen knielangen Kleid bewegt sie sich ausgesprochen leichtfüßig über die Teppiche ihres Geburtsortes.
    - "D'Accord... Aber Bitte, ziehe diese Latzhose zum Mittagessen um. Sonst glauben meine Gäste, Du seist Résistance."
    Guter Stimmung wie eh und je macht sie süßes Aroma verströmend kehrt und schreitet ihrerseits anmutig davon. Ich verspüre einen Stich. Nie würde ich mir Hoffnungen machen, aber dass es dieser brillanten jungen Frau vollkommen gleichgültig sein kann, was ich von ihr halte...


    Kunterbuntes Laub knirscht unter meinen Stiefelsohlen, warm in meinem eng anliegenden Wintermantel eingemummelt, genieße ich die winterliche Luftfeuchtigkeit doch wieder. Durch verspannte Gelenke thematisiert mein Körper wiederholt die Beschwerden des gestrigen Fußmarsches; zu hervorragender physischer Verfassung finde ich trotz über Zweifel erhabenen Ernährung und Wohnbedingungen wahrscheinlich voraussichtlich nur beim nächsten Morgengrauen zurück. In jeder Zelle meines Körpers lastet weiterhin der Schmerz, den ich bei der Trennung mit meiner Familie durchleben musste. Der Schmerz, den sie selbst durchleben musste. Das Videotelefonat am Vormittag hat meine Stimmung anheben können, nun befindet sie sich wieder auf Schwankungstouren. Es tut wohl, aus den erhabenen Wänden des Anwesens zu entfliehen, vom kontroversen (widersprüchlichen) Wohlwollen des Hausherren, suspekten Butlern und Lady M. Platinum Berlitz' faszinierend-bedrückender Schönheit. Etliche Nuancen muss ich bei jedem meiner Schritte bedenken, bin ich mir der ständigen väterlichen Kontrolle doch bewusst. Mein Erzeuger liebelt im Augenblick definitiv mit gelangweiltem Gesichtsausdruck zehn Jahre jüngere Frauen am anderen Ende der Region. Und dessen ungeachtet glaube ich, seine langen Finger um die morschen Äste, die ich in gemächlichem Schritt passiere, greifen zu sehen. Die Flugbahn eines jeden Blattes, das meine Schritte aufwirbeln, zu manipulieren. Der lange Schatten, den mein zum erwachsenen Mann konvertierender Körper auf ein plätscherndes Bächlein wirft: mein eigener?... Viel eher schreite ich im Schatten meines Erzeugers voran. Mit forschem, Funken sprühenden Blick raschelnde Pokémon verjagend, meinen schlanken Gelenken und knochigen Fingern nach knackenden Ästen und Beeren greifend, unsicher, inwiefern ich meine eigenen Körperteile dazu benutze. Mit jedem Jahr wurden meine Schritte substanzieller, meine Haltung kerzengerader, meine sehnigen Glieder länger und die Schulterblätter stabiler. Mit jedem Jahr nahm die Abscheu, mit der ich in Spiegel blicke, zu. Mutters letzte Nachmessungen ergaben einen Meter sechsundsiebzig: genau einen Zentimeter über dem Durchschnitt Sinnohs und wenn Jirachi mich fragen würde, so würde ich die letzten fünf Zentimeter, die mir zu ihm bleiben, nie wachsen. Aber Jirachi fragt mich nie. "Wünschst Du, lieber Lancelot M. L., dass Deine Familie in lohenden Flammen aufgeht?" - der Fragebogen verspätet sich wohl mit der Post.
    Nach einer Weile sentimentalen Betrachten meines Spiegelbildes im kristallklaren Wasser kochen meine Emotionen erneut über und ich kann dem Verlangen nicht widerstehen, den Ast in meinem linken Handschuh mit Wucht gegen die leicht zugefrorene Oberfläche zu schleudern. Als das knirschende Plätschern die winterliche Harmonie und Stille des Hains durchbricht, steigt augenblicklich in jedem möglichen Sinne Reue in mir auf. Ein aufgescheuchtes Karpador, an dessen grätigem Leib mein Wurfgeschoss knapp vorbeigezischt war, schwingt sich zappelig aus dem seichten Gewässer, nur um sich wenige Schritte vor meinen Füßen platschend mit dem nassen Element zu vereinen. Klirrend kaltes Nass ergießt sich in Form einer verklingenden Druckwelle über meinen Unterleib. Bis zu den Knien durchnässt ist mein kostspieliger Wintermantel, Stiefel und dunkelblauer Cordhose müssen ein ähnliches Schicksal über sich ergehen lassen. Eine zügellose Rage geht mit dem Blut aus, das in meinen Oberkörper strömt, doch der Übeltäter hat sich bereits feige in die tiefere Mitte des Bächleins zurückgezogen. Zähneknirschend trete ich gen Laub, visiere mit meinen aufgewühlten Schritten das asphaltierte Zentrum des Hains und somit das Herrenhaus an. Wegen einer Platscher-Attacke wochenlang mit Fieber im Bett liegen, wo ich so große Pläne schmiede...! Betörende Perspektive... Betörender beinahe als alles, was meiner Familie zugestoßen ist...! Gleichlaufend mit meinem zornigen Schritt Richtung Anwesen Berlitz werfe ich einen Blick auf meine Uhr: Mittagessen, Zeit, guten Eindruck auf Ladys' Freunde zu machen. Und niemanden scheren die Biester, die meinen Geist zerfressen... In diesem Augenblick fasst mein Kopf einen finsteren Entschluss. Lady M. Platinum Berlitz würde meine negative Gemütsstimmung zu spüren bekommen. Und wer auch immer würdig ist, diesen Abend neben ihr im Theater sitzen zu dürfen...


    Sie thronen auf ihren Stühlen im zweitgrößten Speisesaal wie auf Podesten, die willentlich für sie geschaffen wurden. Das Licht, das durch die großen Fenster scheint, mutet düster an und verkündigt einen dunklen Winternachmittag. Sechs mir fremde junge Leute schlürfen ringsum die rund in Handarbeit geschnitzte Tischplatte aus leichtem Holz aromatische Heißgetränke aus weißem Porzellan. Wenngleich das goldfarbene Tischtuch aufgrund seiner achteckigen Formgebung keine Spitze als solche besitzen kann, so bildet Lady Berlitz in ihrem makellosen Glanz unmissverständlich das Epizentrum dieser Formation. Wie am Vorabend fallen dichte, angedeutet lockige Haarwellen ihr in Wangen und Rücken. Sich bis zu den Unterschenkeln an ihre Figur kuscheln darf demgegenüber ein anschmiegsamer schneeweißes Strickkleid aus bauschiger Naht. Während Schal und Handschuhe die Farbgamma auf weiß und das Gold in ihrem Haar beschränken, schimmern durch die Naht an ihren Seiten partiell Fragmente überwältigend schöner Haut hindurch. Aus der Tatsache, dass ein Betrachter sie für ästhetischen Genuss dieser sie langatmig en détail mit Augen verschlingen muss, lässt mich seufzend herleiten, dass ich Widerwillen für zahlreiche kostbare Sekunden in die Rolle eben diesen geschlüpft bin. Und ich würde sie freudig signifikant länger beäugen, beherrsche meinen leichtsinnig nach Ehrerbietung ihres Liebreizes bettelnden männlichen Stimulans aber gekonnt. Nicht die Zeit, nicht der Ort, nicht meine Gesellschaftsschicht. Jedes Detail an diesen jungen Leuten stellt kontrastreiche Schluchten zwischen sie und mich. Angefangen mit dem närrischen bäuerlichen Latzhosen-Outfit, das ich gegen Lady Berlitz' Willen zerknittert und am Hals aufgeknöpft stolz präsentiere, über meinen geringfügig sonnengebräunten Hautteint und leichtsinnigen Haarsträhnen gegen ihre Empire-Kleider, Fracks, noble Farblosigkeit und gepflegten Mittelscheitel. Meinen jodelnden Eintritt in den Speisesaal müssen sie mit der Präsenz eines Außerirdischen Spezies in Verbindung setzen, das lese ich ihren teilweise hinter Monokeln latenten, in den Farben von Sinnohs Edelerzen schimmernden Blicken ab. Die Kopfspielchen dürfen beginnen.
    - "Tach auch! Grüaßdi, meine Lieben!"
    Die einzige Rückmeldung, der ich meinem himmelhoch jauchzenden und von hektischen Handbewegungen begleiteten Salut in die Runde abgewinnen kann, ist ein schwaches Nicken hinter Teetassen. Die Atmosphäre wirkt geradezu nervlich angespannt: weil Lady Berlitz anwesend ist?... Kurioserweise zuckt auch sie nur etwas rappelig nickend mit den Wimpern in meine Richtung. Ihre sonst geschmeidigen Regungen erwecken einen leicht fahrigen Eindruck: im Grunde kein Wunder, konsumiert sie doch fortwährend süßen Rotwein im Laufe des Tages. Die Ursache für die omnipräsente Suspense (Nervosität) steht mir weiterhin zu innerlichen Debatte. Ich nehme am alleinig freigebliebenen Halbsessel Sitzplatz, lehne mich informell zurück und mustere die Korona (Grüppchen) dringlich. Die Rolle meiner rechten Sitznachbarin belegt eine spindeldürre Kleidträgerin. Obgleich sie wie alle Anwesenden kaum älter als zwanzig ist, wirkt ihr Haar dünnliches gräulich wie das Fell eines Rattfratz, warme nussbraune Augen lugen zaghaft auf ihren direkten Gegenüber: einen äußerst präsenten jungen Mann, wie ich unterbewusst bemerke. Sie besitzt ihren ganz eigenen Charme, meine Berlitz-verwöhnten Sehwerkzeuge aber stufen sie als grenzwertig unattraktiv ein. Ich sollte die Messlatte mehrere Level heruntersetzen, falls ich nach Interaktion mit ihr je eine verträgliche Lebensgefährtin finden wünsche... Mein Sitznachbar zur progressiveren Himmelsrichtung ist ein pummeliger Jüngling mit edlen dunklen Gesichtszügen, aber unästhetisch beleibten Waden und Schenkeln. Als Lady Berlitz, ihm ihrerseits kollateral (seitlich) verweilend, ihn freundlich belächelt, sieht man seinen rührseligen Glubschen an, dass er am liebsten eigenhändig einen Tempel zu ihrer Ehren ausheben würde, um ihr dort tagtäglich seine Liebe zu beichten. Leger stütze ich mich weiter zurück auf beklopfe seine verweichlichte Schulter. Verdattert und baff wendet er sein Monokel - naheliegend erstmals - von Berlitz' lockigen Haarspitzen ab. Mein verbindlicher Blick soll ihn belehren: deine Grenzlinie. Sei dich ihr bewusst. Bedauerlicherweise erfolglos, denn sobald ich meine gertenschlanken Finger wieder an meinen Hosenlatz lege, wandert sein Haupt wieder gen die umwerfende Aristokratin. Trübselig seufzend betrachte ich nun die dargebotenen Speisen: köstlich duftender geteilter Braten in reichhaltiger Soße mit tropischen Gemüsesorten, dazu aromatischer Schwarztee und vierzehn divergente Beilagen. Über jedem Zweifel erhaben, wie auch das Erscheinungs- und Klangbild der Gastgeberin, die sich momentan an mich wendet:
    - "War der Spaziergang angenehm, Lancelot?"
    Ich kann es nicht vermeiden, Mal für Mal ein wohliges Kribbeln im Brustbereich zu verspüren, wenn sie meinen Namen frohlockt; meine äußeren Reaktionen aber unterstehen vollständig meiner Contenance. Statt einer Antwort auf ihre rührende Nachfrage schaufle ich unter schaulustigen Blicken der fremden Aristokraten die saftigsten Fleischstücke ohne Beilage vor mich - eines davon borge ich mir freimütig bei meinem entgeisterten Sitznachbarn vom Tellerrand. Nach gefühlt einer halben Minute Stille sichle ich mir mit dem Teelöffel eine Portion Braten von der Tischmitte ab und kaue genüsslich auf ihr herum. Vorgaukelnd, die fassungslosen Blicke der Adeligen just soeben wahrgenommen zu haben, starre ich gutgläubig zurück:
    - "Wat is'n? Habt's ihr was gesagt...?"
    - "Ach nichts.", - Lady Berlitz schüttelt resigniert ihr reizendes Haupt. "Schmeckt es?"
    - "So lá-lá. Ham' se Ketchup?"
    - "Pardon?"
    - "Lycopersicon lycopersicum."
    - "Du meinst Tomaten?"
    Altkantonesisch beherrscht sie ebenfalls...? Mit Dorfgärtner-Latein werde ich sie nicht bloßstellen können.
    - "'Tschuldigung.", schmatze ich. "Ich meinte Cucumis sativus. Ich verwechsel' das immer."
    - "Du wünschst Gurken?", zwitschert sie ohne ein Quäntchen Desorientierung lächelnd zurück. An ihr selbst beiße ich mir die Zähne aus; ihr Freundeskreis bietet ein angreifbareres Ziel.
    - "Ach nee. Wissen'se, ich fress' auch so alles."
    - "D'accord.", wispert sie. "Darf ich euch miteinander vertraut machen?" Ihr folgender Luftzug ist von leichter Hektik geprägt. Den meisten Anwesenden sieht man die Anhimmelung ihrer Person an. Ihr sollte mein Vorhaben, mich vor ihrem Freundeskreis zum Narren zu machen sonnenklar geworden sein, doch gleichwohl... Wer oder was läßt ihr süßes Blut unregelmäßig fließen? "Diese Damen und Herren werden genannt...", - sie beginnt die Enumeration irrelevanter Namen mit ihrem pummeligen Sitznachbarn: "Richmond, Stuart, Howard, Wellington, Marches, Stuart und..." Ruckartig hält sie inne. Stillschweigen, als Lady Berlitz bei der Person zu ihrer linken Seite angekommen ist. Gegenwärtig fällt er mir auf. Ein faszinierender, zugkräftiger junger Mann: mehr kann ich zum Zeitpunkt als unsere Augen sich treffen nicht festhalten. Aus mir unverständlichen Motiven halte ich seinem Blick keine Sekunde statt. Lady Berlitz' melodische innere Glöckchen zucken, bringen aber kurzzeitig keinen Ton hervor. Die Nerven der blaublütigen Tischrunde scheinen blank zu liegen.


    - "Válentine.", erschallt seine kühl-seelenruhige Stimme klar und imposant im Speisesaal. "Valentine Fate."
    Nichtsdestoweniger ein weiterer irrelevanter Name erklang: wieso rauscht es in meinen Venen...? Valentine Fate. Klingt nicht nach einer Adelsfamilie, tendenzieller nach einem Pseudonym... Fate? Schicksal.
    - "Sie... Hätten sich wirklich nicht vorstellen müssen, Monsieur Fate...", wispert meine grauhaarige Nachbarin mit Familiennamen Stuart zappelig.
    Wieso kommt mir der Name vertraut vor? Wieso bringt selbst Lady Berlitz ihn nicht über die Zunge...? In Gedanken versunken, versäume ich die Reaktion des jungen Mannes: eine gezügelte Geste, worauf er sich ungezwungen seiner Trinkschale zuwendet. Alle, mich inklusive, wagen den nächsten Atemzug, bald darauf klappert erneut Geschirr. Der Augenblick verstreicht und zurück bleibt ein Gefühl der Betäubung. Wer... Ist er? Nur kurz auf diesen von unregelmäßigem Herzschlag begleiteten Gedanken findet mein Erwachen in meiner Rolle als Hinterwäldler zurück, durchfährt mich der Jähzorn, den ich fortwährend auf die zauberhafte Gastgeberin hege. Bloß einen außergewöhnlichen Namen vernommen, nichts weiter.


    - "Merci, Monsieur Fate.", greift Lady Berlitz erkenntlich auf. Begierig zu hören, wie sie mich ihrem Freundeskreis vorstellt, stelle ich meine Ohren scharf auf ihren lieblichen Klang ein: "Und dieser junge Mann wird Lancelot genannt. Der Protegé meines Vaters."
    "Protegé"... Glanzvoll geschmeidige Ausweichbezeichnung.
    - "Meine Freunde nennen mich Kretin. Aber ihr dürft's mich Sepperl nennen."
    - "Lancelot ist eine äußerst joviale (großzügige) Persönlichkeit.", versucht die Gastgeberin mein närrischen Auftritt zu abzumildern. Ohne Erfolg, denn ich bin seriös darauf bedacht, mich lächerlich zu machen:
    - "Sag'n se im Dorf auch immer. Ich forder' nie was zu essen für meine Ackerarbeit."
    - "Pardon...", mischt sich nun Wellington, ein kurzhaariger Aristokrat mit pseudo-intellektuellem Touch im Schein, in die Konversation ein. "Sie sind... Agrarier (Landwirt)?"
    - "Nee, Hinterwäldler."
    - "Ich sprach ihre... Profession an."
    - "Wat?"
    - "Welcher Tätigkeit gehen Sie nach?"
    - "Wat?"
    - "Arbeit. Was für Arbeit tun Sie?"
    - "Ach Arbeit, sach' das doch gleich. Ich bin Landwirt, yo."
    - "Und worauf spezialisiert Du Dich, Lancelot? Weizen, Gurken oder Tomaten?", hakt der Blaublütige schelmisch herablassend nach.
    - "Auf matschiges Gemüse."
    - "Konkreter?"
    - "Deine Rübe, zum Beispiel."
    Zufrieden nehme ich zur Kenntnis, wie sich Lady Berlitz an ihrem Wein verschluckt, lasse aber meinem naiv-trotteligen Gesichtsausdruck konzeptionell nichts anmerken. Besteck wird mit Klirren fallengelassen, vereinzelt unterdrücktes Gelächter. Just in wenigen Atemzügen erlangt Wellington seine Sprachfähigkeit wieder:
    - "Sie steigen dahinter, dass Sie mich ebenso beleidigt haben?"
    - "Wat?"
    Solange ich mein Hinterwäldler-Image aufrechterhalte, bin ich unantastbar. Unbesorgter denn je lasse ich mich unmanierlich Tee schlürfend weiter in den Sessel sinken.
    - "Sie haben mich beleidigt, Sepperl...!", - der Tonfall des jungen Mannes verrät einen überheblichen und reizbaren Menschen in ihm, was meine Beurteilung als lukrativstes Opfer bestätigt. Eine direkte Konfrontation wäre verfrüht; mir fehlen Geistesverwandte, um die Ordnung, die an diesem Tisch herrscht, zu demolieren. Einen Keil zwischen Lady Berlitz' Clique treiben und die entstandene Kontroverse gegen sie zu nutzen.
    - "Wat?"
    - "Ach, was gebe ich mich mit provinziellen Vollpfosten ab!...", - mit einer wegwerfenden Handbewegung widmet sich Wellington geladen seinem Teller.
    Augenblicke der Stille, nachträglich die sanftmütige Verlautbarung meiner grauhaarigen Tischnachbarin:
    - "Wozu gleich so kränkend sein? Vielleicht ist er ja etwas... Unterentwickelt."
    - "Wat? Unterentwickelt?", - schreite ich meine Chance witternd dazwischen. "Nee... Das geht zu weit. Jetz' vielleicht nicht der Hellste, aber unterentwickelt ist Wellington nich'..."
    Der junge Mann springt eruptiv von seinem Sessel auf und demonstriert zischend Sprachgut jenseits veredeltem Vokabular. Weder Gesichtsausdruck, noch Körperhaltung strahlen Friedenswillen und Besonnenheit aus. Doch seine Augen blicken im Kontrast zu denen der Tischrunde in die meinen: und treffen auf kalte Geisteskraft. Nachgiebig sinken seine zu Fäusten geballte Hände, er beißt sich grantig auf die Unterlippe... Und stampft über glattes Holzparkett davon. Triumphierend schiele ich zu Lady Berlitz, auf deren anmutige Züge sich ein Schatten legt. Ich führe 1:0 und habe noch nicht einmal all mein Pulver verschossen... Mich exklusive verbleiben sechs Personen. Drei auf meiner Seite und wir sind für diesen Nachmittag quitt; Zeit für die nächste Rolle.
    - "I-ich habe nicht... Wellington gemeint.", vermerkt Stuart mit zittriger Stimme.
    - "Keine Ursache. Schade, dass er gegangen ist.", gebe ich nun mild und ohne hinterwäldlerischen Akzent zurück. Ich genieße kurz die entstandene Stille, das nervös-rhythmische Klingen von metallischem Besteck und das überragende Mahl, als mir das nächste potenzielle Angriffswerkzeug in den Sinn kommt. "Sagt doch einmal... Weckt der Name Randal beliebige Assoziationen?"
    - "Valenfreda? Der kann uns gestohlen bleiben.", bezieht die zweite junge Frau mit dem Nachnamen Stuart Stellung - verwunderlich gallig und selbstsicher, bedenkt man die nahe liegende Verwandtschaft mit meiner direkten Sitznachbarin. Fortwährend realisiere ich, was für ein Mirakel Lady Berlitz doch ist: wenngleich die mir gegenübersitzende weißhaarige Dame mit üppiger Oberweite keineswegs als unattraktiv bezeichnet werden kann, so habe ich ein verhältnismäßig leichtes Spiel, ihren weiblichen Charme zu ignorieren. Dennoch sympathisiere ich postwendend ihrer Art, im Kontrast zum verbliebenen Adel kein Burmy vor den Mund zu nehmen. Aus ominösen Gründen aber wirkt auch sie während des Mahles nervös. "Das Alpha-Luxtra dieser Jeunesse doreé... ((Vergoldete Jugend) Lady Berlitz abzüglich ist er von höherer Abstammung als jeder von uns am Tisch... Bitte um Verzeihung, Monsieur Fate... Dessen ungeachtet saufen er und seine Gang - bezeichnen wir dieses Rudel wahrheitsgemäß - jede Woche auf's Neue den halben regionalen Vorrat leer und schwanken bis zum Morgengrauen johlend im Adelsviertel herum."
    - "Fasse ich es richtig auf...", - gegenüber dieser jungen Frau erachte ich es als vorteilhafter, den Hinterwäldler im Dorf zu lassen und zu gehobenem Sprachstil zurückzufinden. "Dass der Jugendadel sich gespalten hat? In diejenigen, die gemeinsam kostenträchtige Theater aufsuchen und Randals... Gang?"
    - "Ja, Sie fassen es richtig auf. Bedauerlicherweise bilden wir mittlerweile die Minderheit."
    Rauchen hingegen scheint für sie an der Tagesordnung zu liegen, denn kaum hat sie ihre Teetasse beendet, steckt sie sich mit vornehmer Geste einen Glimmstängel in den Mundwinkel.
    - "Und Lady Charlotte?..."
    - "Du meinst die Lonsdale? War mal eine von uns. Ganz nettes Mädchen, saß anno dunnemals am Platze meiner Halbschwester... Bis Randal periodisch in unserer Runde aufgetaucht ist und ihr den Strohhut verdreht hat..." Mit einem überheblichen Grinsen legt sie nach: "Dabei ist es kein Geheimnis, wem er in Wirklichkeit verfallen war..."
    - "Könnten wir Bitte das Thema wechseln?", - Lady Berlitz' lieblicher Klang fällt derart zaghaft und gehemmt aus, dass sie mir beinahe leid tut. Beinahe.
    - "Selbstverständlich.", reagiert Stuart, der Weise wie sie qualmt aber verrät, dass sie ihre Freude daran hat, Leute bloßzustellen. "Jedenfalls... Lott... Lady Charlotte kann ich noch als leichtgläubiges Dummchen bezeichnen, Randal nur noch als degoutanten, (abstoßenden) unverantwortlichen Schnösel."
    Sie mag zweifellos Recht haben... Folgt aber partout etwas Anderes aus dem, was ich bisher über Randal weiß: der Schein trügt. Diese Gedankengänge aber hebe ich mir für Freitag auf.
    - "Und Sie sprechen von all dem mit... Gewissheit?", sichere ich mit kritischem Blick nach.
    - "Gewissenhafter geht's schwerlich. Randal durfte ich live miterleben. Saß genau..." Ich folge ihrem behandschuhten Zeigefinger der achteckigen Tischplatte entlang nach links, als Stuarts Handglied unvermittelt in der Luft zum Erliegen kommt. Ihre nussbraunen Augen starren verdattert und erschrocken durch den Speisesaal. Ich vervollständige den Pfad ihres Fingerzeigs im Geiste, woraufhin meine Sehorgane denselben Mann fixieren, der im Augenblick von der kompletten Tischrunde angeschielt wird: Válentine Fate. "Verzeihen Sie...", entschuldigt die hübschere Stuart sich stockend. Für einen Vergleich mit Randal? Für einen Fingerzeig?... Verquer, ist diese junge Frau doch unmissverständlich den standfesteren Wesen zuzuordnen und hatte selbst Lady Berlitz' Privatsphäre als umgängliches Tabu angesehen.
    - "Ruhig Blut...", - auf die seelenruhige Rückäußerung des jungen Mannes scheint der kritische blaue Blutdruck der Tischrunde realiter zu sinken. Kunstpause, nonchalant (besonnen) gönnt sich der junge Mann einen Happen. "Bin es mittlerweile gewohnt, mit Vorgängern verglichen zu werden."
    Ungezwungenes okkasionelles Gelächter lockert die Situation ultimativ. Ich nehme seine Soft Skills zu Kenntnis, der Sinn der Pointe jedoch bleibt mir außen vor. Scharf wie nie steht für mich die Frage im Raum, was hinter diesem jungen Mann steht; mein primäres Ziel gleichwohl bleibt, Lady Berlitz den Abend zu vergraulen - dem stehe ich wie nie nahe. Nur noch wenige Verknüpfungen finden...! Die Gastgeberin erahnt kaum, worauf ich mit meinen Aktionen hinauswill.
    - "Wie lange bestehen Sie bereits in dieser... Teegesellschaft?", richte ich die Aufmerksamkeit der Raucherin erneut auf mich. Diese lächelt:
    - "Die Mittwoch-Theaterrunde?... Seit... Gemeinsam mit diesem Möchtegern-Intellektuellen, mit dem Du aneinandergeraten bist... Wellington. Seit vier Monaten bereits."
    - "Lassen Sie mich raten: das Trinkgelage im Adelsviertel Jubelstadts nahm vor vier Monaten seinen Ursprung...?"
    - "Exakt.", entgegnet sie überrascht. Schnösel, die sich benehmen wie Bauernsöhne gab es..."
    - "Bereits an der Speersäule...", führe ich ihren Gedanken fort. "Aber so richtig heikel wurde es, als Randal das Rudel übernahm, akkurat?"
    - "Wo Sie es sagen...", meldet sich nun Marches, ein dürrer junger Mann in Winterbekleidung zu Wort. "...fällt es mir in effectu auf." Howard, sein Tischnachbar in strengem Frack, wird gleichfalls gesprächiger:
    - "Verwirrt auch mich im Moment. War ein sympathischer Gefährte, bevor er Seiten gewechselt hat."
    Zufrieden beobachte ich die ausgelöste Resonanz: die Spaltung der adeligen Jugend in zwei Parteien und Randal Valenfreda scheinen geeignete Dreh- und Angelpunkte für mein Vorhaben zu bieten. Gedanklich akkumuliere ich sämtliches Wissen, das ich gewinnen konnte. Ausreichend viel...?
    Die weißhaarige Lady mit imposantem Dekolleté beugt sich vor und blickt mir forsch qualmend in die Augen:
    - "Kommen Sie eigentlich mit ins Beklommene Pantimimi?" Wagemutig imitiere ich ihre Körperhaltung:
    - "Würde es Ihnen eine Freude bereiten?" Erheitert wendet sie sich zur Seite und raucht den nächsten Zug:
    - "Nun... Ich hätte nichts dagegen." Mit einer derart schmeichelnden Reaktion hätte ich selbst nicht gerechnet. Beispielloser Ansatz für meine Intention. Jetzt oder nie.
    - "In diesem Falle muss ich Sie enttäuschen. An meiner Stelle wäre es schicklicher, diesen Abend isoliert Mahlreste zu verzehren."
    - "Ach... Lassen Sie diese Hinterwäldler-Masche bleiben. Ich habe gleichermaßen keinen Tropfen blauen Blutes in mir. Ich bin adoptiert."
    Erklärt die schwesterlichen Differenzen bezüglich Persönlichkeit... Und Oberweite. Gelächter und die gekränkte Reaktion meiner Tischnachbarin lassen mich aufhorchen.
    - "Na sehen Sie.", gibt sie schmunzelnd zurück. Schon wieder zu laut nachgedacht...? Ver-maledeit... "Hat seine Vorteile. Also, kommen Sie mit?"
    - "Nein... Nein. Ich verzichte aus alternativem Anlass."
    - "Namentlich?", hinterfragt Marches und schiebt sich das letztübrige Bratenstück in seine immerfort über meinen Patzer grinsenden Mundwinkel.
    - "Mir ist eine Person an diesem Tisch zutiefst unsympathisch."
    Darauffolgend vernehme ich wiederkehrend Lady Berlitz' bezaubernde Stimme. Nun wende ich meinen zugespitzten Blick ihr zu. Ihre bildschönen Züge. Ihr mild-warmes Lächeln. Der schneeweiße Strickpullover. Die goldenen Haarclips. All dies versetzt mir Stiche unterhalb des Brustkorbes. Wir hätten einander verstehen können. Aber sie wollte nicht. Die Fügung wollte es anders.
    - "Aber Lancelot, das hast Du mir nie mitgeteilt."
    - "Verblüffend, dass ich es Ihnen nicht direkt sagen konnte... Nicht wahr? Darüber hinaus... Kenne ich keine Person an diesem Tisch länger als eine halbe Stunde. Ausgenommen..."
    - "Du wünschst meine Gesellschaft nicht?", schlussfolgert Lady Berlitz konsterniert.
    - "Nie habe ich etwas ähnliches behauptet. Ich vermerkte lediglich, dass Sie mir zutiefst unsympathisch sind."
    - "Was habe ich Dir... Denn getan?", - befriedigt vermerke ich an ihrem Klang, mein Zwischenziel, sie etwas auf meine Meinung geben zu zwingen, als erfüllt ansehen zu können. Zeit für den fatalen Vorstoß.
    - "Mir minimal, Lady Berlitz. Ihr Aderlass gilt dem gesamten Viertel."
    - "Welche Schädigung hat Lady Berlitz verbrochen?", wirft Howard impulsiv ein. "Sprechen Sie schon!"


    Ich soll sprechen, hm...? ...In Sätzen sprechen konnte ich bereits mit drei. Mit fünf argumentieren. Seit meinem siebten Geburtstag verlor ich kein Wortgefecht mit meiner Mutter mehr. Mit elf kannte ich alle Direktive der Rhetorik, ohne je von Ihnen gelesen zu haben. Mit zwölf geriet ich mit einem Pädagogen aneinander, der die Meinung vertrat, Hausarbeiten seien verpflichtend. Auf eine viereinhalb Stunden andauernde Disputation mit dem Schulrektor folgte dessen unterschriebener Beschluss, meinen Klassengang für zwei Monate von Hausarbeiten zu befreien: unter der Kondition, ich verzichte nachträglich auf Streitgespräche. Mit sechzehn unterliege ich in Wortgefechten nach wie vor bemitleidenswert meinem Erzeuger. Und niemandem sonst.
    Meine Unfähigkeit, zu verzeihen. Die Veranlassung für meinen Hass gegen mich selbst. Und nicht nur sie. Und nicht nur mich selbst. Mein schweifender Blick taucht die Tischrunde in irrationales Silber, Mimik und Körperhaltung bezeugen gleichmütige Entschlusskraft.
    - "Ich bin verdutzt, wie ihr mit diese Frau fortwährend willenlos treugesinnt jeden Mittwoch ins Theater eskortiert... Sie trägt offensichtlich vollumfängliche Verantwortung für den Gesichtsverlust der adeligen Jugend."
    - "Nonsens!", verteidigt Howard die zunehmend erblassende Aristokratin. "Valenfreda und seine Meute haben-..." Mein Zeigefinger, länger und schlanker als jegliches Pendant selbst unter Adeligen, bringt ihn zum Schweigen.
    - "Wessen Handlungsweise hat dazu geführt...?"
    - "Na Randal Valenfredas, wessen widrigenfalls?"
    - "Sie irren...", biete ich kühl Paroli. "Der Kausalzusammenhang (Ursache-Wirkung-Prinzip) erfordert, Ursachen in tieferen Verknüpfungen zu suchen. Wieso Randal, ein, wie Sie selbst rechtmäßig vermerkt haben, sympathischer Gefährte, veranstaltet urplötzlich jedes Wochenende bodenloses Kampftrinken...?"
    - "...a-aber was hat Lady Berlitz...?", stottert meine Tischnachbarin verklemmt.
    - "Liegt es nicht auf der Hand....?", zischle ich in beschleunigtem Ton den fünf in meine Richtung gewendeten Augenpaaren entgegen. "Diese Lady ist nicht das Chaneira, das sie zu imitieren versucht. Randal war - nein - ist unvergänglich verliebt in Sie. Auf ihre Zurückweisung begann er, vulgäre Festakte zu veranstalten. Zunächst aus Kummer. Schließlich aber als Protest.", - ich verwende diese gerechtigkeitsgesinnt klingende Vokabel, wenngleich "Nötigung" präziser beschrieben hätte, was Randal meiner deduktiven Schlussfolgerung nach gegen dieses bezaubernde Wesen ausübt. "Ein einziges Ja-Wort aus ihrem Munde - und die Schande, die sich über das Adelsviertel gelegt hat, würde auf Randals Kommando ihr Ende nehmen..."
    - "Und wenn...", Lady Berlitz wispert, mutmaßlich, weil man ihr ihre geistige Pein widrigenfalls nicht nur angesehen, sondern auch abgehört hätte. Ich bin kein Sadist und fähig zu Mitgefühl. Innerlich steht mein gesamter Brustkorb in kalten Stichflammen: wer fügt schon gerne dem liebenswertesten Geschöpf das er kennenlernen durfte, gerne Schaden zu? Aber sie wollte es nicht anders. Die Fügung wollte es nicht anders. "...wenn ich nichts für ihn verspüre...? Muss ich mir Selbstvorwürfe machen...?"
    Mit schonungsloser Härte führe ich mein Spiel zu Ende:
    - "Die Frage der Moral, Lady Berlitz, ist kompliziert und mehrschichtig. Nur ungern aber würde ich sie mit jemandem konferieren, (ausdiskutieren) der aus egozentrischen Motiven für die moralische Degradation dutzender junger Leute die Verantwortung trägt.."
    Lady Berlitz bricht nicht in Tränen aus. Sie hält meinen erbarmungslosen, aus den Fingern gesogenen Falschanschuldigungen stand und bleibt kerzengerade auf ihrem Halbsessel sitzend. Ihre Blässe kontrastiert besorgniserregend mit dem tiefschwarzen Glanz ihrer Wimpern und Locken. Zeit für den Gnadenstoß, der aus einer geschwinden Regung resultiert: Ich lehne mich triumphierend im Sessel zurück, die mattschwarzen, bäuerlichen Regenstiefel, mittlerweile getrocknet vom platschenden Vergeltungsakt, landen geräuschlos auf der Tischplatte. Die weiß eingenähte Aufschrift tut den sprachlosen Aristokraten den Sieg der Landarbeiterpartei Trostu kund. Dass der Kontakt der Straßenbekleidung an meinen Füßen mit dem zartgoldenen Tischtuch, benachbart mit inzwischen leeren Tellern weitgehend reaktionslos verbleibt, bestätigt den Effekt, den meine Worte auf die Tischdecke ausgeübt haben. Genüsslich tupfe ich meine Lippen mit einem Tischtuch die Lippen ab, zeitgleich mit sichere Stimme die Volksverführung zu ihrem konsequenten Ende führend:
    "An dieser Stelle würde mich gerne umfragen... Wer leckt sich offen gesagt unverändert die Finger, diese Frau ins Theater eskortieren zu dürfen...? Ich bleibe heute Abend jedenfalls Zuhause."
    Beispielgebend hebe ich eine Hand in die trockene Luft des Anwesens. Instantan darauf folgt der Arm der kontinuierlich rauchenden Stuart. Zufrieden beobachte ich die Bestätigung für meine These, dass ihre Adoptivschwester äußerst meinungsabhängig ist. Howard, der junge Mann im strengen Frack und sein hochgeschossener Freund Marches stimmen nach einem zaghaften Blickwechsel, dem man die weiterhin bestehende Sympathie für Lady Berlitz ablesen kann, schweren Herzens ein. Selbst mein linker Tischnachbar, der in Anwesenheit ihrer Wenigkeit über das Entscheidungsvermögen eines Wadribie vor Honweisel verfügt, muss sich letztlich dem Gruppendruck fügen. Mein lüstern glänzender Blick durch zwei Finger hindurch wandert zur Gastgeberin und ich kann es nicht vermeiden, nebst Mitleid auch Bewunderung zu verspüren: sie nimmt die gnadenlose Bloßstellung, an der sie objektiv betrachtet keinerlei Schuld trägt, nachdenklich und würdig hin. Sie ist ein mir zweifellos überlegenes Wesen, einflussreicher, brillanter, zuvorkommender und liebenswerter, als begnadete Versager als dem Hinterwald. Aber aus dieser Tischrunde gehe ich als Sieger hervor. Sie sollen es wissen...! Sie sollen wissen, dass ich niemand bin, der sich unaufdringlich kontrollieren läßt... Wenn Sie vorhaben, mich in Kooperation meines Vaters zu bevormunden, müssen Sie, so bezaubernd und mächtig Sie auch sind, jede Sekunde mit meinem Widerstand rechnen. Meiner Sabotage. Meinem Hass. Meiner Gewaltbereitschaft, so leid es mir im Falle eines Falles leid tun würde... Und auch wenn von Fehlschlägen geprägtes Leben abrupt von einem folgerichtigen Schlussstrich unterbrochen wird... Er wird keinen Strich mehr in diesem setzen. Sie ebenfalls nicht, Lady M. Platinum Berlitz.


    Fünf erhobene Hände und meine auf der Tischplatte ruhenden Stiefel verkünden meinen Triumph wie trotz der im Speisesaal staubtrockenen Luft wehende Flaggen. Was ich mit dieser Errungenschaft anfangen kann, welche Folgen sie haben wird...? Wenige. Jemand wie Lady Berlitz hat Hunderte junger Leute um sich, die ihr liebend gern Gesellschaft und mehr leisten würden. Allgemein setze ich mich ungern mit Folgen meiner Handlungen auseinander, sie verbleiben eher... Sekundär, ich überlasse sie getrost dem Schatten meines Erzeugers, der mir jederzeit folgt und genieße die unbekümmerten Augenblicke des Triumphes... Die jäh unterbrochen werden. Durch ein simples Fingerschnippen, das in meiner ruhenden, zerklüfteten Seele innerhalb des geräumigen Speisezimmers widerhallt wie tosendes Gebrüll.
    - "Ein...spruch."
    Ich öffne meine Augen und schiele unbeeindruckt zum jungen Mann nebst Lady Berlitz, dessen Geste und besonnene Stimme sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Válentine Fate. Er hatte die Hand nicht gehoben, doch dies war bereits berücksichtigt: indem ich durch gezielte Provokation Wellington aus der Tischrunde entfernt habe, bilden fünf Stimmen die absolute Mehrheit, theoretisch wären vier ausreichend gewesen: den vernarrten Monokelträger zu meiner Linken habe ich als Risikofaktor eingeschätzt, der unter keiner Bedingung gegen Lady Berlitz stimmen würde.
    - "Wer Sie auch sind, wie weise Sie auch sind...", gebe ich gelassen zurück, "...auch Sie haben nur eine Stimme, die nichts mehr ändern kann."
    - "...wo wir bei dem streitwürdigsten Causa einer Demokratie wären, nicht wahr?"
    Gut gekontert, doch worauf will er hinaus?... Über Politik diskutieren? Diese gehört definitiv nicht zu meinen ausgeprägtesten Wissensbereichen: ehrlich gesagt entsinne ich mich im Moment nicht einmal an den Namen von Sinnohs aktuellem Präsidenten.
    - "Sie wären dabei. Ich bin in Gedanken momentan bei einem Mittagsschläfchen."
    - "Hm.", Válentine legt sich kurz eine weiß behandschuhte Hand auf die Lippen, bevor er sich an die Runde wendet. "Verzeiht vielmals, meine adeligen Freunde, hättet ihr etwas dagegen einzuwenden, mich kurz unter vier Augen mit diesem jungen Mann sprechen zu lassen? Ihr dürft ein Stückchen gen "Beklommenes Pantimimi" vorspazieren, wir holen euch gewiss ein."
    - "Sicher, Monsieur Fate.", murmelt einer der Blaublütigen.
    Das halbe Adelsviertel fliegt mir um meine vor Verblüffung pochenden Schläfen, als sich auf die Ansprache des jungen Mannes sämtliche Anwesenden aus ihren Halbsesseln erheben und sich mit hastigen Abschiedsgesten von mir trennen. Wer? Ist? Er?... Die letzte halbe Stunde habe ich im manipulativen Versuch verbracht, sie gegen Lady Berlitz zu stimmen, der durch eine knappe Rede zunichte gemacht wird: wie eine Herde Tauros bei der Stampede leeren sie den achteckigen Tisch. Lediglich die kernigere Stuart-Schwester hält hinter meinen Sessel für einen Moment inne, ich spüre kurzzeitig bitteren Qualm in der Nase, worauf mir ein weiches Stück Materie in den Kragen fällt. Verblüfft blicke ich ihr als Schlusslicht der Richtung Türrahmen über das Holzparkett schreitenden Aristokraten nach und fische alsdann ein Segment Papier aus meinem Nackenbereich hervor. Ich kann mir ein konventionelles Lächeln trotz meines Schockzustandes nicht verkneifen: kontaktscheu und altbacken ist die Dame nicht. Eine Rufnummer. Just wenige Atemzüge später kommt mir in den Sinn, dass ich Telefonapparate ebenso wenig wie überzählende Elektronik zu bedienen vermag. Tja... Doch auch dafür ist dies nicht der Ort. Nicht der Zeitpunkt. Was will er von mir?


    Als sich auch Lady Berlitz erheben möchte, legen sich die Finger ihres Tischnachbarn beschwichtigend sanft auf die Ihren.
    - "Nie würde ich eine Gastgeberin bitten, den Tisch vor mir zu verlassen. Ich sagte unter vier Augen, doch da Sie die Ihren zu meinem Leidwesen zumeist versiegelt halten..."
    Elegant umschreibt er: ausdrucksvoll wie undurchsichtig. Lady Berlitz verbleibt am Tisch, ohne dass ich die Ursache für seine Großzügigkeit kenne; frappierender aber die Tatsache, dass sie unverzüglich seiner Bitte nachgekommen wäre. Eine Adelige mit Platinum-Titel, Bluterbin der potentesten aller Familien Sinnohs...
    - "Ich kann euch zwei auch alleine lassen.", wage ich einen unzeremoniellen Auftakt.
    Unbeschwert, aber mit sofortiger Wirkung verschränkt Válentine erneut seine behandschuhten Handglieder in einer tadellosen Geste auf der Tischplatte - dies, obwohl meine Stiefel in nicht allzu ferner Nachbarschaft mit ihnen verweilen.
    - "Mit Lady Berlitz werde ich den gesamten Abend das Vergnügen haben. Gegenwärtig würde ich ein Gespräch mit Dir wünschen."
    - "Ich fühle mich geschmeichelt."
    Wir verbleiben zu dritt am Tisch. Lady Berlitz mir hundertzwanzig Grad gegenüber, er direkt. Stille im Speisesaal und der eindringliche Blick seiner blauen Augen. Erstmals eröffnet sich mir die Opportunität, ihm standzuhalten und ihn zu beäugen. Nichts an seinem Erscheinungsbild sticht gravierend ins Auge... Weil dieses eine vollendete Gesamtheit bildet, die über Zweifeln erhaben ist. Seine ästhetische Ausstrahlungskraft ist gleichzusetzen mit der von Lady Berlitz, nur, dass im Gegensatz zu ihrer erdrückenden, faszinierenden Grazie seine Erlesenheit eher schweigsam und zurückhaltend wirkt. Kein Detail läßt aufhorchen, alles an seiner Kleidung, seiner Statur und seinen Gesichtszügen wirkt klassisch, gepflegt simpel wie aus einem Guss. Um seine leicht überdurchschnittlich breiten Schultern, wie auf den Millimeter zugeschnitten sitzt ein schwarzer Gesellschaftsanzug ohne Verzierungen, kontrastierend mit einem blütenweißen Smokinghemd, welches durch winzige Schleife und Stehkragen identischer Farbe wie Hemd und Anzug ergänzt wird. Ein zugespitztes Kinn, dunkelblaue pointierte Sehwerkzeuge, auf die hohe Stirn fallen ihm dünne Strähnen hellblonden Haars, das zeitgleich in Kinnlänge sein Gesicht umrahmt. Die Frisur mutet leicht willkürlich an, ist in facto aber definitiv das Ergebnis von zeitintensiver Pflege. Wende ich meinen Blick leicht ab und luge zu Lady Berlitz, stellt sich mir die Frage, wie sich zwei derart brillante Personen in einem Sichtfeld befinden können... Wie eine idiosynkratische Spezies...


    - "Besorgnis erregend...", vermerkt Válentine Fate nonchalant.
    - "Ihr Bankkonto in Almia?"
    - "Dem ergeht es glänzend. Ich meinte Deine Fähigkeiten als...", - er wendet sich an die bildschöne Aristokratin. "Wie nennt man...?"
    - "Agent Provocateur.", wispert Lady Berlitz. In ihre Richtung zu blicken, versehrt mir die Seele: auch traurig ist sie atemberaubend zauberhaft, doch genau gegenwärtig realisiere ich, wie sehr ich mir ihr mildes Lächeln zurückwünsche. Kaum aber werde ich dieses nach meinem unfairen Offensive gegen sie jemals wieder zu Gesicht bekommen.
    - "Sehr wohl. Agent Provocateur... Ich hätte reichlich distinguiertere Verwendung für Deine Talente, als inspirierende Damen bloßzustellen."
    Er darf kein Bankkonto besitzen und hätte Verwendung für Volksverhetzer...
    - "Wo ist Ihr Arbeitsvertrag, Válentine Fate?" Der Blick des jungen Mannes, zuvor auf seine Teetasse gewendet, zuckt leicht.
    - "Wie Bitte?"
    - "Wo ist Ihr Arbeitsvertrag? Sie sind zurzeit als mein Moralapostel angestellt, korrekt?" Er lächelt.
    - "Du hast mich missverstanden. Was Du die letzte halbe Stunde getan hast, war partout unter jeglichem Etikett. Womit auch immer Ma-... (!) Lady Berlitz auch deine Missgunst verdient hat, Deine Vorgehensweise war überverhältnismäßig. Wir verstehen beide, dass sie keinerlei Schuld daran trägt, erpresst zu werden."
    Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich verspüre Einsicht, teilweise gar Reue: was hat sie damit zu tun, dass ich als Versager auf die Welt kam und sie nicht...?
    - "Und worin genau lag mein Missverständnis...?"
    - "Ich habe nicht vor, Guardevoir zu spielen: was Deiner Familie zugestoßen ist, rechtfertigt deine Wut auf diese Welt." Seine dunkelblauen Augen blitzen. Hat er damit etw...? Ausgeschlossen; doch ist er jemand, der regelmäßig aufmerksam Nachrichten konsumiert.
    - "Sie haben Recht.", gebe ich bei. "Lady Berlitz...?" Schluckend wende ich mich zu ihr.
    - "Ja...?
    - "Tut mir leid."
    - "Nichts geschehen.", gibt sie zurück und versucht ein warmes Lächeln. Eine Seraphime, die sich wenig aus kleinlichen Verleumdungen solcher wie ich macht. Und ein brillanter junger Mann, dessen Bewegungsgründe ich nach wie vor nicht nachvollziehen kann.
    - "Belassen wir es dabei.", meint Fate.
    - "Danke Ihnen.", phrasiert Lady Berlitz wiederhergestellter melodisch-warmer Stimme.
    - "Wofür denn?", zeigt der junge Mann mit hochgezogenen Augenbrauen Verwunderung.
    - "Dafür, dass Sie als einzige Person bei Vernunft geblieben sind."
    - "Nun... Darin besteht meine Profession, nicht wahr?"
    Stiche in den Fingerspitzen, als Lady Berlitz kurz kichert. Eifersucht...? Weiß ich eigentlich bereits Bescheid, wie unmissverständlich ihr mir das abschminken darf?
    - "Oh ja. Wahrscheinlich."
    - "Sie haben kein Problem damit, dass ich Ihnen ohne Vorwarnung einen Besuch abgestattet habe?"
    - "Oh nein. Ich bin mir sicher, Ihnen ist jede Sekunde knapp und es ist mir eine Ehre.", schüttelt sie ihr reizendes Haupt.
    - "Musik für meine Ohren... Um rückkehrend auf meine Frage an Dich zurückzukommen...", wendet sich der junge Mann wiederkehrend an mich. "Nach dem, was Deiner Familie widerfahren ist... Wünschst Du definitiv, etwas an dieser Region zu verändern... Ich frage Dich nicht, ob Du es wünschst - ich weiß es." Meiner Wirbelsäule widerfährt die Sensation eines frostigen Schauers. Er weiß es. "Und ich frage Dich ebenso wenig, ob Du etwas dafür opfern wirst. Ich weiß, dass Du es wirst. Die Fragestellung lautet... Wie viel würdest Du opfern, um eine bessere Welt zu schaffen, Lancelot Marian Libertine...?"
    - "Aber sonst geht es Ihnen gut?", gebe ich nach Luft schnappend zurück.
    - "Vorzüglich." Sein hellwacher, beherrschter Gesichtsausdruck wie die friedlich ineinander gefalteten Handschuhe geben keinen Anlass, an seiner Seriosität zu zweifeln. Durch das Fenster hinter seinem Rücken erkenne ich die Anzeichen eines über Sinnoh hereinbrechenden Abends. Lady Berlitz, zuckersüß wie eh und je, zupft an den bauschigen Nähten ihres Strickpullovers. Aus den Fängen seines klugen Blickes gibt es kein Entkommen. "Beantworte doch Bitte meine Frage."
    - "Wie viel ich... Was? Opfern würde? Wen? Wozu?"
    - "Sinnohs Population misst aktuell 147.089 Einwohner... Zieht man uns drei hinzu, 147.091. Erwägt man potenzielle Neugeborene der letzten Stunden - näherungsweise 147.100. Nun hinterfrage ich, rein theoretisch: Wie viele würdest du aufopfern, damit Restbestand eines Morgens in einer besseren Welt erwacht...?"
    Ein dünner Schweißfilm bildet sich auf meinen Handflächen. Welche psychisch zurechnungsfähige Person stellt solche Fragen...?...Sei es wie es sei, meine Replik darf ihn meinem veritablen Vorhaben nicht näher bringen.
    - "Wie viele Prozent der Population Sinnohs repräsentieren Männer ab sechzehn Jahren?", erkundige ich mich vorsichtig. Wo Válentine Fate über die exakte Bevölkerungszahl der Region informiert ist, liegt die Hoffnung nahe, dass auch diese Ziffer kein Buch mit sieben Siegeln für ihn darstellt. In effectu:
    - "44,11 Prozent."
    - "In Totenzahl näherungsweise... sechzig tausend ..." Meine Fähigkeiten im Kopfrechnen lassen nach dramatischen Winterferien zu wünschen übrig.
    - "64.886.", vermerkt Lady Berlitz binnen Sekunden routiniert-freundlich. Bei Mew, was für Artgenossen doch am Tisch versammelt sind...
    - "Aha.", setze ich stockend fort. "Also opfere ich genau 64.885..."
    - "Weshalb exakt diese Zahl?", hakt Válentine Fate mit umgespieltem Interesse nach.
    - "Alle Männer ab sechzehn Jahren exklusiv meiner Selbst werden nolens volens (zwangsweise nach Johto deportiert. Für die feminine Restbevölkerung bin ich der einzige infrage kommende Mann im Großraum tausender Kilometer...", kläre ich ihn auf. "Wenn das keine bessere Welt ist, weiß ich auch nicht."
    Ein paar weißer Handschuhe legt sich auf Fates Gesicht. Sein manierliches, gleichklingendes Lachen läßt mich zweifeln, ob es den Kontext auflockert. Ich leugne kaum, mich an der Konversation zu amüsieren; sie verläuft zugkräftig, belehrend und fesselnd, ich sitze wahrlich extraordinär brillanten Leuten am Tisch gegenüber.
    - "Gestalterische Version.", gibt Fate schließlich zu. "Sämtliche Mitbewerber liquidieren, mich inbegriffen... Überdies auch Sir Aurum Libertine?"
    - "Verstehen Sie unter dieser diffusen Benennung meinen Erzeuger... Für ihn gibt es keine Ausnahme, im Gegenteil.", entgegne ich kühl. "Aurum verdient man durch Sitzenlassen einer Frau mir zwei Kindern. Ziehe ich den korrekten Schluss?"
    - "Nein.", schneidet er knapp ab. Anrüchiges Thema für jemanden, dem es trotz seiner Brillanz vergönnt ist, Höchsttitel zu tragen. "Wissbegierig, zu welcher Antwort auf die gestellte Frage ich gekommen bin?"
    Ich erhoffe, ihm nicht kritisch viel Angriffsfläche zu bieten, als ein Nicken die Relevanz der folgenden Replik belegt - zu fühlbar hat der junge Mann mein Interesse entfacht. Das Lächeln auf seinem makellosen Gesicht setzt prägnante Kontraste, seine dunkelblauen Seelenspiegel blitzen.
    - "88% der Population Sinnohs... Müssten dafür aufgeopfert werden. Gleichermaßen Männer, wie Kinder, wie junge Frauen, wie Greise."
    In meinem Brustkorb breitet sich knirschendere Frost aus. Scherzt er?... 88%? Die kurzatmige Kunstpause nutzt er, um gemächlich seine Porzellantasse Milchtee zu leeren, das Entsetzen in meinen Augen bringt ihn nicht von seiner vollendeten Darbietung ab.
    "Ruhig Blut...", kommentiert Fate seelenruhig seine eigene Replik, die die Aufopferung zehntausender Menschen als erstrebenswerte Wendung anpreist. "Erstens habe ich von einer hypothetischen, aus jahrelangen Analysen hervorgehenden Ziffer gesprochen, die nur unter Umständen mit meinem faktischen Vorhaben verbunden ist... Zweitens würden Sie, Lady Berlitz, als eine der faszinierendsten jungen Frauen denen ich begegnen durfte, unumstößlich Teil der neuen Welt sein. Ebenso, wie Ihre gesamte Familie. Ich bin so hochmütig, meine Wenigkeit fernerhin hinzuzuzählen." Rhetorische Pause. "...und Du auf unsere heutige Konversation folgend jedenfalls auch, Lancelot."
    Perplex feixe ich: "Ach, ein Plätzchen in ihrer Weißen Liste. Zu großzügig von Ihnen."
    Besonnen lächelnd blickt mir der junge Mann in die Augen: "Gern geschehen. Dein Vater hätte sich zu Deiner Missgunst nicht minder einen Platz verdient. Präsumtiv auch Dein jüngeres Schwesterherz."
    Mein Puls rast Widerwillen. Welchen Widersinn faselt er...? Und woher weiß...?
    - "Aha. Und... Und mein Sandkastenfreund, falls Sie auch diesem hinterherschnüffeln... Und meine Mutter...?", hinterfrage ich mit leicht zittriger Stimme. Meine eigene Zurechnungsfähigkeit weckt in mir Zweifel, die unterbewusst von der Bedrohung zerschlagen wird, die ich von diesem Mann wahrnehme. Die verstörende Wahrnehmung dieser Gefahr kriecht ähnlich einer Kolonne Waumpel pulsierend meine Venen aufwärts. "Würden sie einen Platz in ihrer... Liste erhalten...?"
    Stille. Lady Berlitz, durch mein Gespräch belebtes mit Fate wieder sonniger gestimmt, ordnet mit den Fingern nervös die lockigen Enden ihrer dunklen Strähnen in unterbewusster Scheu, die Theatervorstellung zu verpassen. Allem Anschein nach stuft sie den Monolog des Blonden als gängiges hochintellektuelles Smalltalk ein. Der junge Mann selbst schielt zum breiten Fenster des Speisesaals, in dem romantisch im Halbdunkeln fallender Schnee einen genießbaren Winterabend in Jubelstadt verkündet. Einzig und allein meine Adern sind es, in denen der Druck in schmerzhafte Höhen ansteigt. Bin ich grenzdebil? Oder höre ich Zusammenhänge heraus, die sonst niemand heraushört...?
    "Ich hätte gerne eine Antwort. Mein bester Freund... Und meine Lebensspenderin. Hätten sie einen Platz in Ihrer besseren Welt verdient?"
    Scheinbar geistesabwesend führt Válentine eine Hand an den Scheitel, sein Zeigefinger lenkt Lady Berlitz' Aufmerksamkeit auf eine hölzerne Pendeluhr an der Wand. Sie alleine schlägt regelmäßig und geregelt.
    - "Lancelot, memorierst Du eigentlich den Namen des Detective Inspectors, welcher im Fall Deiner Familie ermittelt hat?"
    - "Ja, nur zu gut.", beantworte ich seine Randbemerkung scharf - wäre woher zum Kahlberg wissen Sie von ihm? doch die wesentlich ertragreichere Reaktion gewesen.
    - "...und auch an die letzten drei Lettern seines Familiennamens...?"


    Alen V. Fattinee...!!
    Wer bist Du?
    Woher kennst Du meinen vollständigen Namen?
    Woher kennst Du die exakte Bevölkerungszahl Sinnohs?
    Woher kennst Du Lady Berlitz' Vornamen?
    Wovon sprichst Du?
    Wieso reagieren Adelige auf Deine Bitten wie auf Befehle?
    Woher kennst Du meine Schwester?
    Woher kennst Du Barry?
    Woher kennst Du den Ermittler im Fall meiner Familie?
    ...Wer bist Du?
    Wer bist Du!?



    In Bruchteilen einer Sekunde bestimmen die Impulsströme meines Denkzentrum die Kombination, die Válentine Fates Antwort auf meine Frage ergibt. Blinde Rage durchfährt jede Maßeinheit meines Körpers, jede graue Zelle, jeder Muskel ist nur noch für einen Zweck bereit zu existieren: ihm Schmerzen zuzufügen. Meine in den Hosentaschen verscharrten Hände und vom Liegen auf der Tischplatte tauben Füße verhindern einen unverzüglichen Gewaltausbruch. Die zwischen und befindliche Tischplatte hätte dessen Wirkung ohnehin minimiert. Wurfgeschosse...!! Nach einem silbernen Tablett zu greifen, würde zu viel Aufmerksamkeit erregen, doch was im Sichtschutz der Tischplatte geschieht, kann Válentine Fate hinter seiner fünften und letzten Tasse Milchtee unmöglich realisieren... Ergo ist er meinem Vorhaben schutzlos ausgeliefert...!!
    - "Lancelot, ich fürchte, wir müssen geh...-!", die Blässe nimmt schlagartig wiederkehrend Überhand in ihr anmutigen Antlitz, entsetzt drückt sie sich einen Handschuh auf die offenen Lippen, schockiert flattern ihre Wimpern. Válentine fehlt auf physikalischem Level die Möglichkeit, durch seine Porzellanuntertasse den über die Tischplatte auf ihn zurasenden Bauernstiefel verfrüht zu registrieren. In den folgenden Augenblicken demonstriert er ein exzeptionelles Maß an Reflexen und Beweglichkeit, als er die Flugbahn der kritisch rotierenden Wurfwaffe durch einen Gegenschlag mit sämtlichem in seinen Händen befindlichen Geschirr abfälscht. Dadurch gibt er seinen geschockt geweiteten Augen einen Blickkorridor auf ein zweites identisches Projektil frei, das Momente zuvor noch meinen rechten Fuß bekleidet hat. Haarscharf verfehlt die Sohle sein blitzartig zur Seite gewendetes Haupt. Noch bevor die massiven Stiefel krachend den edlen Fensterrahmen jedoch, muss er der darauffolgenden Attacke standhalten, für deren Vorbereitung ich durch meinen doppelten Stiefelwurf Zeit und Beweglichkeit gewinnen könnte. Während mein linkes Bein das Tischbein des leichten Möbelstücks durch Anhebeln seines fragilen achteckigen Gleichgewichtes beraubt, trete ich mit dem rechten Fuß vehement gegen die Unterseite der fallenden Tischplatte. Von Neuem beweist Válentine Fate ausnahmslose Geschwindigkeit und Reaktionsvermögen, als er augenblicklich Lady Berlitz durch seinen Körper aus der Gefahrenzone abschirmt. Doch mehr lassen die natürlichen Schranken der humanen Bewegungsfähigkeit nicht zu: die schweren Halbsessel, zwischen denen Fate halberhoben manövrieren muss, hindern ihn an einer Flucht rücklings, als das seidene Tischtuch ihm die Sicht nimmt und fallendes massives Metallbesteck diesem niederhagelnd folgt. Das Zimmer erfüllt sich innerhalb Sekunden mit dem Klirren, Bersten, Scheppern, Schellen und Brechen, ausgelöst durch unzählige Krafteinwirkungen lebendiger Materie auf unbelebte, unbelebter Materie auf lebendige und unbelebter auf unbelebte. Den eingeplanten Umstand von Lady Berlitz' Geborgenheit in vollen Zügen ausnutzend, lege ich die resolute Angriffsserie gegen den ohnehin schutzlosen jungen Mann vor impulsiver Rage zitternd ad acta: ohne ein Quäntchen Muskelkraft in Reserve zu halten, nutze ich restlos den beim Abstoß vom Sessel erarbeiteten Impuls, um mit vollem Körpereinsatz den nahezu aufrecht fallenden Tischrücken zu rammen. Für mich hinter der Tischplatte unerkennbar wird der junge Mann durch die unerwartete Einwirkung der mit seiner annähernd übereintreffenden Masse meines Körpers mit derselben Wucht gegen die Saalwand geschmettert, wie wie das hölzerne Möbelstück. Unter mit Lady Berlitz' entsetztem Keuchen kontrastierendem groben, polterndem Krach, das den Schlusspunkt in meiner Konversation mit dem Blonden setzt, komme ich mit unglücklich geprelltem Schulterblatt mit unbekleideten Füßen auf dem Holzparkett auf.
    - "Ich schätze, dies genügt als Antwort, Válentine Fate...?"
    - "Lancelot...!", ruft mir Lady Berlitz mit weinerlichem Unterton zu. Ihre melodische Stimme dämmt meine Rage ein, dessen Raum Verständnis für ihre weggetretene Reaktion folgt. Sie konnte nicht wissen, dass der Familienname des Ermittlers mit "Nee" endete, woraus folgte, dass Fate den Tod meiner Mutter für begrüßenswert hielt. Für ausschweifende Darlegungen jedoch fehlt mir momentan Zeit wie Feingefühl. "Lancelot... Bist Du... Bist Du sous-exposé (geistig unterbelichtet?)?"
    - "Ist heute der dreizehnte Januar?"
    - "Oh ja... Wieso?", wispert sie. Ihre Brust hebt und senkt sich unregelmäßig in Forderung einer vernünftigen Explikation.
    - "...Wieso nicht...?"
    Sie lächelt nicht, ihr Gesichtsausdruck gibt allerhöchstes Missbehagen wie Besorgnis preis:
    - "Lancelot, Du hast letztlich Sinnohs P-..."
    Gleichlaufend unterbricht schallender Krach die bis auf ihren aufgewühlten Atem Sekunden andauernde vollkommene Stille. Válentine Fate stößt, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, Tischplatte und sämtliches Küchenmobiliar von sich ab und richtet sich mitgenommen auf. Bereits dass er nach diesen rücksichtslosen Anschlägen bei vollem Bewusstsein befindet, verdient eine Randnotiz, doch dass er, wenngleich stockend, ohne lebensgefährliche Schäden auf den Beinen steht, bereits näherungsweise Bewunderung. Sein glasiger blauäugiger Blick läßt keinerlei Kampfwillen dahinter vermuten, Speisesoßen und Besteck haben Spuren auf seinem makellosen Outfit hinterlassen, offene Blutergüsse oder Knochenbrüche aber bleiben aus.
    - "Und ich dachte, Koga's Selbstmordattentäter wären schlimm...", grummelt sich der junge Mann während eines halbherzigen Versuches seine Kleidung zu abzuklopfen unter die Nase.
    - "A-alles in Ordnung, Monsieur Fate?", erkundigt sich Lady Berlitz hauchend.
    - "Ruhig Blut. Ich bin vertraut damit, mit Stiefeln beworfen zu werden... Vierzig Kilogramm Geschirr sind was Neues, aber etwas Diversität (Abwechslung) ist rar schädlich..."
    Widerwillen muss ich schmunzeln. Der Typ hat sich im hervorragend Griff, Körper wie Zunge. Benebelt in Richtung Türrahmen wankend, greift er sich in die Tasche seiner dunkelblauen Jacketthose und zieht einen giftgrünen, auffällig langen und dünnen Schal hervor, den er sich sodann um den Stehkragen schwingt. "War ein unterhaltsamer Nachmittag, Lancelot, doch eines Tages... Führt das Schicksal uns von Neuem zusammen. Ich freue mich bereits eine seriöse Antwort auf meine Frage." Die blitzblanken Sohlen seiner schwarzen Lederschuhe klacken über das Holzparkett, als ein Wink seiner behandschuhten linken Hand seinen Abschied verkündet.
    - "Ich trainiere bis dahin Stiefelwerfen, Valentiné...!", zische ich ihm geladen nach. Witzfigur...! Mit etwas Glück hätte er jetzt zwei Gabeln im Hals stecken, er aber verduftet nicht ohne kryptischen Widersinn zu faseln. Lady Berlitz' Fäustchen beben vor abklingendem Schrecken, durch geschlossene Lider fixiert sie mich, als wäre sie zur Kenntnis über meine Vorlieben zur Misshandlung frischgeschlüpfter Flemmli gekommen. Einen Moment darauf folgend begleite ich geistig vergessen mit leerem Blick ihrem Absatzgang... Daumenlange Absätze, schwarze Strümpfe, Locken wie schnurgerade Haarspitzen schwingen Zentimeter über ihrer Rückenmitte... 80-55-80...? Partout, Beinchen hat sie...
    Meine pochende Schulter läßt meinen Verstand zur nüchternen Realität wiederkehren. Deutlich mehr Fragen als Antworten. Der Speisesaal erinnert nunmehr an die Folgen eines Blinddates zwischen Kyogre und Groudon: Lachen von Tee und Dressings, Fleischrippen, Porzellanscherben, deformiertem Metall, Dellen im Boden. Die Krönung aber stellt das an mehreren Rahmenteilen zerborstene Edelglasfenster mit zwei stiefelförmigen Lochstellen, durch die pfeifend frostige Luftzüge jagen. Dominik, einer von Herrn Berlitz' zurechnungsfähigeren Butlern, läßt das von ihm hereingetragene Tablett mit offenem Mund fallen und verharrt wie festgenagelt auf einem Fleck:
    - "...Was ist hier geschehen, junger Herr...? Lady Berlitz stand den Tränen nahe."
    In einem halbherzigen Erklärungsversuch wedele ich träge mit den Armen:
    - "Außerirdische!... Haben das Fenster ausgetreten, alles auf den Kopf gestellt...! Deoxys...! Deoxys war hier! Muss meine Kinder gekidnappt haben...! Meine Großmutter. Meine... Ich meine, muss ich das Fenster jetzt streng genommen bezahlen...?"

  • Einleitung Arc / Der Wüstling
    Kapitel IV - Hinterwäldler, Teil II
    13. Januar, Mittwoch.
    Mit wem möchtest Du etwas Zeit verbringen?


    Den einsamen Winterabend in der monumentalen Villa verbringe ich tendenziell ruhig. Auf meinen Gewaltausbruch beim Mittagessen memoriert mein Körper abermals die Erschöpfung des gestrigen Tages, die nicht restlos aus meinen Knochen verflogen ist. In einer neuen Rekordzeit von fünfundvierzig Minuten ziellosem Wandern durch die Villa finde ich mich im Gesellschaftsraum wieder, wo ich eine fruchtlose Wiedersuche von "Sinnoh's Kindern" beginne, lediglich mit anderweitigem Altpapier belohnt werde. In Billardspielen mit sich selbst ziehe ich jedes Mal niederschlagend den Kürzeren, gebe demnach auch diese Beschäftigung auf und wälze mich den Dachboden studierend auf der Ledercouch. Es ist sieben Uhr Abend, als mein Haupt urplötzlich vom ersten nutzbringenden Geistesblitz für diesen Tag beehrt wird: ich bin völlig isoliert und alleine in einem milliardenschweren enigmatischem Herrenhaus gefangen... Mit einer Armada von Dienern, für die jeder meiner Flausen in Abwesenheit der Hausherren Befehl ist. Schier grenzenlose Möglichkeiten, von denen ich zweifelsohne Gebrauch machen sollte. Für den heutigen Abend jedoch halten sich meine Anforderungen in vernunftgemäßen Grenzen.
    - "Tschuldigung.", zupfe ich den jungen Kammerdiener am Ärmel, der mir jede zweieinhalb Minuten das Kopfkissen auswechselt, an seiner scharlachroten Uniform. "Verfügt diese Kammer über ein Schwimmbad?"
    - "Sehr wohl, junger Herr. Sollen ich und meine Kollegin Sie auch dorthin tragen?"
    - "Genau hier beginnt die Problematik, Julian.", schlürfe ich an meiner Schokoladenlimonade mit Gummibärchen. "Getragen zu werden ist zu beschwerlich... Ist es Ihnen möglich, das Badezimmer hierher zu verlegen?"
    - "Ich fürchte, sie enttäuschen zu müssen. Noch eine Fußmassage gefällig?"
    - "Ja, Bitte. Zermürbend, ihre Antwort... Hm... Ein Heimkino könnte man hierherschaffen, richtig?"
    - "Hierzu muss ich mich an Sebastian wenden. Dieser ist bei uns auf diverse Kleinelektronik spezialisiert. Hinzu kommt, dass er die meiste Zeit das Heimkino für sich selbst beansprucht."
    Der Name weckt schaurige Reminiszenzen, die Süßfrucht-Gummibärchen-Pasta bleibt mir klumpig im Hals stecken... Aber wo schon Lady Berlitz im Schauspieltheater ist, würde ich äußerst gerne Lichtspieltheater genießen... Am besten irgendeinen Dokumentarmüll über die Paarungszeit bei wilden Owei-Schwärmen, der mir verhelfen würde, mich und meine Widersprüche kurzzeitig in flimmernden Bilderreihen zu versenken... Aufbauend klopfe ich dem Hausdiener auf die Schulter.
    - "Ich zähle auf Sie."
    Eine Viertelstunde süßlichen Bummelz-Daseins auf der Ledercouch beobachte ich, wie ein halbes Dutzend Diener einen gigantischen Apparaten durch den Türrahmen zwängt. Der massive rechteckige Kristallflachbildschirm aus gebürstetem, schwarz gefärbten Aluminium trennt den unermesslichen Gesellschaftsraum visuell beinahe entzwei. Da die Bedienung der rechteckigen hundertzwanzig Zoll messenden Leinwand wahlweise über Fernbedienung oder berührungsemfindlichen Bildschirm erfolgt, verbleibt mir lediglich die letzte Option. Ich begnadige die ächzenden Hausdiener und bediene mich eines Billardstockes, um das elektronische Gerät zu bedienen - da ich dies generell ungewohnt bin, fällt meine Interaktion mit ihm viabel stockend aus. Letztendlich gelingt es mir, die nötige Schaltfläche zu bestätigen; die Reaktionszeit des Bildschirms auf "meist gesehenen
    Kanal empfangen" vertreibe ich mir mit einem dutzend Schritte betragenden Rückmarsch zur Couch. Kaum habe ich mich dösig auf diese Plumpsen lassen, zucken meine Finger und Daumen vor Überraschung, meine Sehorgane weiten sich auf das Doppelte, ein Nacho mit Gummibärchengeschmack bleibt unzerkaut im Mundwinkel stecken. Reflexiv starre ich zum Türrahmen, mich vergewissernd, dass dieser schalldämpfend verschlossen ist und bereue, nicht gefragt zu haben, wie sich die Lautstärke regulieren läßt. Der Film, der detailliert über die Leinwand flimmert, entspricht zu zwei Dritteln dem, was ich mir erhofft habe: er könnte durchaus als Dokumentarfilm über die Paarungszeit durchgehen. Aber nicht Owei bilden die leidenschaftliche Rollenbesetzung... Stocksteif und gleichlaufend zitternd vor nur zu verständlicher Unruhe, bleibe ich festgenagelt mit pulsierend verspannten Nerven auf dem Sofa sitzen, die Stille in meinem Denkzentrum kämpft gegen die Geräuschkulisse an. Bereits der Hauch einer Berührung auf meinen eiskalt angelaufenen Fingerspitzen würde mich im Augenblick in unbeherrschbares Grausen versetzen... Vernunft... Was...? Ich... befinde mich alleine in einem verschlossenen Raum... ... Wessen? Wessen warme Hand liegt auf meiner Schulter, wessen eindringliches Wispern droht mein Trommelfell zu zerfetzen?
    - "...Gefällt es Ihnen, junger Herr?"


    Puls wie Blutdruck sprengen mit unverzüglicher Wirkung die Grenzwerte der dreistelligen Ziffern, ich transmutiere zum erstbekannten klinischen Fall einer Person mit mehreren synchron-parallel verlaufenden Herzanfällen. Ohne es nachvollziehen zu können, wälze ich mich durch meinen Herzschlag die eigenen Schreie überhörend dem Teppichboden. Die fünfzig horrormäßigsten Sekunden meines bewussten Daseins, in denen mein vernebelter Blick zwischen Sebastians undurchsichtiger Miene im Halbdunkeln hinter dem Sofa und dem rasante Plottwists durchlebenden Dokumentarfilm hin- und hergerissen wird, erzeugen meine Stimmbänder wieder vernehmbare Tonkombinationen:
    - "Wie...? Gwah... Lange? Wie lange waren Sie bereits hier...?"
    - "Ich habe dieses Zimmer gemeinsam mit Ihnen betreten, junger Herr. Zuvor habe ich Ihr Zimmer aufgeräumt, es roch schrecklich nach Knoblauch, junger Herr, zudem waren überall bedrohliche Fallkonstruktionen verteilt. Habe alle für Sie entfernt."
    Langsam klingt der Schock ab, Entrüstung wie Bedrohungsgefühl weichend. Zwei Minuten vergehen, bevor ich die Kraft zum heroischen Comeback-Schleifer auf den Couchrand finde, fünf weitere, bevor ich bei voller Contenance die ersten Worte des gesunden Menschenverstandes fasse:
    - "Ich habe zu Ohren bekommen, mit Ihnen läßt sich verhandeln, Sebastian. Wir sind beide kultivierte, rationale Leute. Lassen Sie uns ein Geschäft abschließen... Die Berlitz erfahren nie von mir, welche Sender Sie sich für gewöhnlich reinziehen... Im Gegenzug erfahren sie nie von Ihnen, welche Sender ich mir diesen Abend reinziehe. Deal?"
    Wenige Augenblicke höre ich heraus, wie die Zahnräder im lüsternen Denkapparat des zwielichtigen Butlers rattern.
    - "Deal.", schlägt er schließlich mit verändertem, fachkundigem Tonfall ein, findet nachträglich wieder zu altgewohnter Undurchschaubarkeit zurück. Ohne meine Billigung abzuwarten, läßt er sich letztlich auf dem gegenüberliegenden Couchrand nieder. Im entstandenen Schweigen, das alleinig vom Stereoband der Doku unterbrochen wird, rufe ich mir Lady Berlitz' Worte im Gedächtnis wach: Sebastian ist nur bedingt Butler.
    - "Gummibärchen-Nachos?", hinterfrage ich taktvoll, als der gegenwärtige Dokumentarfilm sein nur zu vorhersehbares Ende findet.
    - "Gib' her."
    - "Nicht näherrücken...! Ich reiche sie Ihnen rüber."
    Rascheln. - "Ich kenne gewissenhaftere Kanäle, junger Herr. Ohne Werbepausen."
    - "Bin voller korrekter Erwartungen."
    - "Kanto, Johto, Hoenn oder heimische...?"
    - "Überraschen Sie mich... Obwohl, ich bin nationalbewusster Patriot."
    - "Konkreter, junger Herr?"
    - "Entweder spielen Sie weiterhin harmloser Kammerdiener, oder Sie lassen es ganz sein. Lassen Sie mich nachdenken. Langhaarige brünette Adelige?"
    Sebastian schmunzelt in seinen Schnurrbart. - "...Witzig." Zwanzig Minuten detaillierter Dokumentation später kommen wir wiederholt aufeinander zu sprechen:
    - "Sagen Sie... Sie haben betrogen damals, habe ich Recht?"
    - "Wann soll ein harmloser Kammerdiener jemanden betrogen haben, junger Herr...?"
    - "Beim Kartenspiel mit Joséph Berlitz."
    - "Das Kartenspiel hat nie stattgefunden. Außerdem hat Sebastian jedes seiner Spiele grundanständig gewonnen, Du Klugschnacker."
    - "Selbstverständlich. Alles an Ihnen schreit "ich habe nie Karten gezinkt". Infolge wessen werden Sie in diesem Hause dann geduldet?"
    - "Auch harmlose Kammerdiener haben ihre Geheimnisse, junger Herr."
    - "Betreiben sie Spionage als Doppelagent im Auftrag Hoenns?"
    - "Wie kommst'n Du darauf?"
    - "Ich bitte Sie... Alle mysteriösen Butler in kryptischen Herrenhäusern sind Doppelagenten und Spione."
    - "...Sie könnten Recht behalten, junger Herr."
    Weitere zwanzig Minuten verflüssigen sich im monotonen Lichterspiel der gigantischen Leinwand. Das Flimmern in der Dunkelheit und die trockene Luft im verschlossenen Zimmer tragen bald zu meiner Schläfrigkeit bei.
    - "Wieso entnehmen sie jedem Gast eigentlich Blutproben?"
    - "Ich arbeite an einem genetischen Stammbaum aller Aristokraten der Region, um alles auf wenige Männer zurückverfolgen zu können, junger Herr."
    - "Zu ihrem Leidwesen bin ich kein Adliger."
    - "Selbst sollte meine Analyse das bestätigen, erfreut sich mein Iksbat nach wie vor eines nährstoffreichen Abendbrotes, junger Herr."
    - "...die Kapriole (Streich) am Morgen war nebenbei bemerkt nicht übel."
    - "Gefällt Sie Dir?"
    - "Rein von der Perzeption...? Kann nicht wirklich guthaben, dass jemand simultan so bezaubernd klingen, duften und aussehen kann. Aber wir sind beide lebenserprobte Realisten - erwachsene Männer sollten sich ihrer Grenzen im Vorhinein bewusst sein."
    Kurz mustern mich Sebastians ambivalente Sehwerkzeuge.
    - "Sie haben Recht, junger Mann. Haben schon ganz andere versucht."
    - "Besten Dank für die beschwichtigenden Worte." Schwerfällig schleudere ich einen Pappkarton Saft über seinen diffus grinsenden Scheitel. "...Randal Valenfreda?"
    - "Genau der.", Sebastian wendet seine Aufmerksamkeit vom nunmehr monoton-schwarz flimmernden Kristallbildschirm zugunsten eines Glimmstängels ab. "Hat sechzehn Liebesbriefe in Romanlänge verfasst und keine Zeile Rückmeldung gesehen. Hat sich bei mir hier periodisch ausgeheult. Dabei ist er, was sein Privatleben angeht, 'n saukaltes Magnayen gewesen."
    Verquer... Sieht Lady Berlitz nicht ähnlich, schätze ich sie richtig ein, würde sie eher akzentuiert ihr Desinteresse nahebringen - wie letzten Abend bei mir.
    - "Was Sie alles wissen..."
    - "Als harmloser Kammerdiener bekommt man reichlich mit, junger Herr."
    - "Wollen wir eine Wette abschließen, harmloser Filmfreund?"
    - "'Ne Wette mit Sebastian? Du hast Mumm."
    - "Wetten, ich beweise Dir in zwei Tagen, dass an der Liebesgeschichte was faul ist?"
    - "Was stellen Sie sich unter was faul vor, junger Herr?"
    - "Dass hinter dieser gesamten Geschichte eine Konspiration steckt. Mit dem Endziel, die bestehenden Autoritäten im Adelsviertel zu stürzen."
    - "Wenn Du das auch beweisen kannst... Und wenn'ste nicht..?"
    - "Meine Armbanduhr besteht zu vier Prozent geschmolzenem Silber... Ein zehntel davon bilden Blutstropfen meines Erzeugers."
    - "Klingt nach 'nem Deal... Und wenn'stes belegen vermagst?"
    - "Gelangen Sie für mich unbemerkt in Lady Berlitz' Zimmer... Und verschaffen mir ihre Unter-..."
    - "...ich bin out."
    - "Lassen Sie meinen Gedanken zu Ende führen. Sie gelangen unbemerkt in ihr Zimmer... Und verschaffen mir ihre Unterlagen."
    - "Und was haben sie davon, junger Herr?"
    - "Ihren Vornamen."
    - "...Deal."
    - "Woran haben Sie nur gedacht, als ich Unter- verbalisierte?"
    - "Die Zweideutigkeit war beabsichtigt."
    - "Nein. Sie sind bloß auf diesen Gedanken gekommen."
    - "Sebastian verbittet sich solche Unterstellungen von solchen Früchtchen. Kaum volljährig denken sie nur noch an das eine..."
    - "Was Sie nicht sagen, mein betagter Filmfreund."
    Mit einem Grinsen, das wir voneinander zu verheimlichen versuchen, starren wir ertappt in gegengelegene Kanten des monumentalen, zuweilen im Dunkeln verborgenen Raumes.
    - "Einen letzten vor dem Schlaf?"
    - "Einer geht noch immer."
    Der unmöglichste Butler Sinnohs ist gar nicht einmal so unmöglich.


    Wärme und befriedigende physische Genesung. Zumindest mit diesen Gaben segnet mich Jiraichi in dieser Winternacht. Das monumentale Herrenhaus liegt in faszinierender Stille, in keinem der tapezierten Gänge erklingen nunmehr Stimmen oder Schritte. Jegliche Last wird meinem Rücken durch das warme Leder genommen, die trockene Luft des in beinahe vollkommener Dunkelheit gehüllten Gesellschaftszimmers wirkt beruhigend auf meine geschlossenen Lider. Kein Ton. Kein grelles Licht. Keine Stimmen, die mich verurteilen, außer der in meinem wachen Geist. Wärme. Sättigung. Geborgenheit? Nein. Heimweh. Mein würde Flüstern würde vollständig den Raum füllen. Doch ich flüstere nicht. Stattdessen kreischt meine Seele. Schuldgefühle. Erneut. Jeden Tag. Jede Nacht. Jede Stunde. Schlaflos wälze ich mich im zerknitterten Bauernhemd von Seite zu Seite. Die Ledercouch bietet nicht besonders viel Bewegungsraum, doch für einen beinahe viertelstündigen Treppengang in das mir zugeteilte Riesenbett mutete ich mir nicht mehr zu. Hätte mir weniger Dokumentarfilme reinziehen sollen. Gleichwohl, es war ein sorgloser Abend, der keine Schlüsse darauf ziehen ließ, dass meine Selbstvorwürfe und Reminiszenzen mich des Schlafes berauben würden. Lady Berlitz kann mittlerweile wieder Zuhause sein, kann auch nicht. Ich bin keinesfalls Zuhause. Mein Zuhause ist in Flammen aufgegangen und ich trage die Mitschuld daran.
    Das matte Licht und der frostige Hauch einer von Arktos' favorisierten Nächten fallen durch einen schmalen Spalt in von roten Gardinen behängten Fenstern hinter meinem Scheitel in den Raum. Das gelegentliche Windspiel ist alles, was ich von Außen hinaus wahrnehme. Was in meinem Inneren vorgeht, droht mir das Trommelfell zu zerreißen, veranlasst mich, über die eigentlich ruhenden Augen zu streifen, als würden diese wiederholt mit der Lohe konfrontiert werden, die meinem Dasein als Versager einen Zwischenschlussstrich gezogen hat. Mein Rücken lehnt auf warmem Leder, mein Körper ist von mehreren Decken überzogen. Ich denke an Feuer und friere. Raufe mir zähneknirschend die Haare und stauche mich zusammen. Ich weiß, dass es keinerlei Zweck hat, verheilende Wunden aufzuschürfen. Ich weiß es unweigerlich. Wieso will mein schlaftrunkener Geist es nicht verstehen...? Einschlafen. Nicht an ihn denken. Nicht an sie. An Wiesen. Frauen. Wälder. Seen. Häuser. Mütter. Sheinux. Städte. Blüten. Tische. Adelige. Versager. Brände... Nicht einmal angemessen einzunicken vermag ich...
    Ein leises Knarzen aus der äußeren Raumecke beraubt meinen Geist endgültig des filigranen Equilibriums; ich horche ohne mein Haupt zu heben auf. Durch den Türspalt nähert sich mir, von leisem Klacken begleitet, eine zierliche in weiß gekleidete Gestalt. Superb. Herausragend. Lady Berlitz' unnahbare Schönheit und paternalistisches Köpfchen sind genau was es braucht, um mit den Rest zu geben - zumal sie nach dem Mittagessen auch allen Grund hat, mir eine Gardinenpredigt inklusive Zurechtweisung zu verpassen. Mental stelle ich mich auf dem Rücken liegend für beide Varianten ein und konzentriere mich auf Klänge, da Fenster und Türspalt nur Frakturen des riesigen Zimmers in mattes Licht tauchen, Distanzen lassen sich nur nach Lautstärke schätzen. Ihr Flüstern trifft auf nahezu vollkommene Schwärze in emotionaler Form: meinem eigenen.
    - "Schläfst Du?"
    - "Soll ich Sie überraschen?"
    Meine Repliken erfolgen unverzüglich, sie holt vor den Ihren schweren Herzens Luft.
    - "...Also nein?"
    - "Wie haben Sie das herausbekommen?"
    - "Höre doch Bitte auf, so grob mit mir zu sein."
    - "Um ihrer Aufforderung nachkommen zu können, müsste ich jemals grob zu Ihnen gewesen sein. Soll ich?"
    Wiederkehrend ignoriert Lady Berlitz meine Gesprächslinie, ohne mit der Wimper zu zucken. Mitverfolgen könnte ich dieses entzückende Schauspiel dessen ungeachtet ohnehin nicht.
    - "Liegst Du auch komfortabel?"
    - "Solange es dem Hinterwäldler schmeckt und er komfortabel liegt, muss er der glücklichste Mensch auf Erden sein, hm?"
    - "Gute Nacht.", - erstmals klingt ihr Flüstern leicht abweisend. Schneidend wie gefühlskalt beabsichtige ich, sämtliche potenziellen Sympathien zwischen uns zu Grabe zu tragen:
    - "Bekomme ich einen Gute-Nacht-Kuss?"
    - "O nein."
    - "Wieso nicht?"
    - "Du hast keinen verdient."
    - "Weil der Hinterwäldler in hohem Hause unartig war?"
    - "Soll ich das Fenster schließen?"
    Missvergnügt setzen meine Gedanken zu einer schneidenden Absage an, wiederkennen konträr dazu, wie irrelevant eine solche bei ihr wäre... Und wie unbeschreiblich der weiße Strickpullover ihre faszinierende Schönheit betont. Ihre Art, mich in Schranken zu weisen und dabei kontinuierlich engelsgleich zu wirken, weckt in mir lediglich Feindseligkeit. Doch als ihre feminine Gestalt auf mein schweigsames Einverständnis mir nahe an den Fensterrahmen tritt, genügen ihre anmutigen Züge und die atemberaubend im Sternenlicht und Winterhauch spielenden nachtschwarzen Haarwellen als Widerspruch: sich einen kurzatmige letzte Augenschmaus zu gönnen, ist das sentimentale Kribbeln an meinem Brustbein wert. Das ungewollt rührselige "Gute Nacht", dass ich nuschele, aber keinesfalls mehr. Viel zu viel des Zynismus und Vorsicht, die ich stets bedacht walten lassen muss, lässt mein schwacher Geist bei dieser brillanten jungen Frau fallen. Sie reagiert nicht, sondern verweilt für Augenblicke mit dem Rücken zu mir am geschlossenen Fensterbrett. Gehen Sie doch...!


    Sie geht nicht. Sie tritt näher, bis in jedem meiner Atemzüge der Duft von Honig und Zimt mitschwingt. Geladen registriere ich jeden ihrer Schritte über das Parkett in meine Richtung, jedoch weder die vertraute Leichtfüßigkeit, noch das Klacken von zarten Absätzen.
    - "Darf ich?"
    Ich schaffe es bei bestem Willen nicht, ihr eine Rast am Kopfende der Couch ihres eigenen Hauses zu verbieten, vor allem, wo sie erneut mit ihrer klangvollen Stimme anstelle angespannter Flüsterlaute bittet. Ich kenne keine Verlegenheit. Seit drei vollen Jahren verbiete ich mir, welche zu kennen; umso beunruhigender wirken die Annäherungsversuche, die sie an meinen warm kitzelnden Haarsträhnen bewerkstelligt. Auch diese Emotion legt sich durch Einsatz meiner für diesen Tag letztverbliebenen Willenskräfte. Es verbleibt die Suspense, was sie wohl zu sagen hat... Und wie es wohl ist, auf ihren vom duftenden Wollpullover umschmeichelten Beinen zu liegen.
    - "Darf ich?"
    Überrascht lese ich ihren Lippen die Andeutung eines milden Lächelns ab, das aufgrund meiner Aktionen beim Mittagessen gut hätte mir nie wieder die Sehorgane erfreuen können.
    - "Das wusstest Du, oder?"
    - "Was wusste ich?"
    - "Ach, Nichts."
    Dabei hatte sie mich doch. Ich wusste, dass der ebene Couchteil nur wenige Zentimeter meine Körperlänge übertrifft, bloß hatte ich diese kurzzeitig reduziert, als sie am Kopfende Platz nahm.
    - "Darf ich jetzt?"
    Ihre geschwungenen Wimpern, die sich schläfrig gesenkt Richtung Fenster abwenden, urteile ich als Zulassung und lasse meinen Scheitel glimpflich knapp über ihren Knien nieder. Von solch einem himmlisch duftenden, Frische und Komfort ausstrahlenden Nachtkissen, wenn auch nur für wenige Minuten, hätte ich nicht einmal träumen können: die Frische ihres von Jubelstadts Lichterstraßen frostigen Strickpullovers kühlt mir ergötzlich mein leicht erhitztes Haupt, die lebendige Materie unter meiner Wange wirkt nahezu magische Attraktivität. Könnte sie tatsächlich eine Hexe sein...? Es ist das erste und bis dato letzte Mal, dass ich sie berühre, und dazu unmittelbar so familär und vertraut. Für keine Bruchteilsekunde darf ich außer Acht lassen, dass ich es mit Lady Berlitz zu tun habe... Zeitgleich ist genau dies der mutmaßlich der Grund, wieso ich diese unverhoffte Wärme so auskoste. Leicht von meinem Missbehagen besänftigt blicke ich an ihr hoch. Vermutlich sind ihre Augen momentan geöffnet, blickt sie doch Fenster hinaus. Aber die wolligen Strähnenenden auf ihren Schultern und die Couchlehne berauben mein Blickfeld ihres makellosen Gesichtes und des Hainpanoramas, doch bei der Betrachtung ihrer blühenden Gestalt verfestigt sich meine Überzeugung, dass mein Ausblick im Moment zweifelsohne der faszinierendere ist. Apropos, Ausblick... Mit Bedacht wende ich mich auf die rechte Wange und rücke meinen Kopf an ihre Knie. Lächelnd schnappe ich nach einer weiteren Portion Süßduft und luge auf ihre engen schwarzen Strümpfe herunter. Für gewöhnlich benötigt es sehr, sehr viel intimere Interaktion mit einer jungen Frau als eine unglückliche Berührung und ein Quäntchen Betrachtung im Halbdunkeln, um ungeachtet schlechter Stimmung meine Glückshormone zu stimulieren. Lady Berlitz... Ein Ausnahmefall in jedem denkbaren Sinne.
    - "Hey...!" Ich mag ihr frohgemutes, kindliches Hey direkt.
    - "Ich darf hingucken, wohin ich wünsche.', gebe ich mürrisch zurück.
    - "Ein Gentleman starrt nicht..."
    - "Ein Glück, dass ich keiner bin."
    - "Ist mir aufgefallen.", schmunzelt sie.
    - "...Aus welchem Anlass habe ich die Ehre? Was wollten Sie?"
    - "Nichts."
    - "Sie schmeißen sich also grundlos an mich heran?"
    - "Hihi... O nein." Ihre Locken schaukeln bestimmt. "Nein."
    - "Sieht aber danach aus. Ich verpetze Sie, wenn ich mich belästigt fühle."
    Sie kichert dezent. - "Erzähle Vater auch gleich vom Déjeuner (Mittagessen)."
    Mein Gesichtsausdruck verfinstert sich, als unliebsame Reminiszenzen wach werden. Für keine Bruchteilsekunde vergessen, wen ich vor... Unter mir habe.
    - "Jetzt Mal wahrheitsgemäß, aus welchem Gründe ziehen sie zweifelhafte Gesellschaft dem Zubettgehen vor?"
    Kurze Stille.
    - "Ich... Ich weiß es wirklich nicht. Ich glaube, ich mache etwas falsch."
    - "Das verbleibt offenkundig mein Spezialgebiet. Was können Sie falsch gemacht haben?"
    - "Ich muss etwas falsch machen, wenn es Dir nicht gut geht. Dabei hat Vater gebeten, dass ich dafür sorge."
    Macht sie sich Selbstvorwürfe? Soll sie nicht. Nicht mir wegen. Nicht meines Erzeugers wegen. Ihr Leben setzt sich aus Theaterbesuchen, Strickpullovern, Morgenmänteln, Verehrern, Bewunderung, Arenakämpfen, goldenem Schmuck, Vanilleeis und Zuneigung zusammen. Kaum ist sie je mit der Welt der Versager und Komplexe in Berührung gekommen, deren instabile Herzen nach kleinlicher Vergeltung an den Brillanten schreien. Ich will sie nicht wirklich mögen, sie sieht auf mich herab, doch sich ihr reizendes Köpfchen an der Bedeutung meiner niedrigen Ambitionen und Gefühle zerbrechen soll sie sich gleichermaßen nicht zu sehr.
    - "Mir geht es gut."
    - "Sûre (Sicher?)?"
    - "Vollkommen. Wie geht es Ihnen?"
    Ihr Lächeln wird einer Spur wärmer und bestätigt somit den im Kontrast zu meiner Aussage hohen Wahrheitsgehalt der ihren:
    - "Wundervoll."
    - "Ja?... Wieso?"
    - "Heute hatte ich zwar einen strapaziösen Nachmittag, aber dafür einen munteren Tagesanbruch wie einen feinen Abend. In einer Viertelstunde bin ich in meinem warmen Bettchen, soeben habe ich erfahren, dass es Dir gut geht und Du nach mir fragst. Morgen ist auch noch ein Tag, außerdem braucht man keinen Grund, um glücklich zu sein."
    Ich seufze kaum hörbar auf ihren Kniegelenken. Sicher bin ich mir doch, sie würde ihre Worte zumindestens reflektieren, würde man ihr ihren Reichtum, ihre Schönheit und ihren scharfen Verstand nehmen. Gleichlaufend verspüre ich Linderung meiner geistigen Pein. Ihre Beinchen und Stimme sind wie balsamierender Honig, der in mein Inneres dringt. Die Welt, die überwiegend aus von Zwiespalt, begrabenen Ambitionen und missglückten Verknüpfungen und Abhängigkeit besteht, bedarf Personen, bei Betrachtung deren sie wiederholt die Wunschvorstellung aufleben können, dazuzugehören. Zu den von Jirachi vorbestimmten Individuen, die atemberaubend schön, verständig, charmant und geliebt in die Welt kommen, um als einzige auf die Frage wie es ihnen geht jederzeit "Wundervoll" entgegnen zu können. Die Welt braucht Personen wie Lady Berlitz. Ich habe sie diesen Abend gebraucht, nicht viel mehr, als eine kursorische Interaktion mit ihrem Wohlgefallen und ihrer Brillanz, um wohltuend schlafen zu können.
    - "Schön für Sie. Haben Sie morgen etwas vor?"
    - "O ja. Mir eine neue Pokétch kaufen und Schlittschuh laufen. Möchtest Du mitkommen?"
    - "Nein.", - meiner dedizierten Absage zufolge gerät die Konversation kurzzeitig ins Stocken. Kein Wunder. Was weiß ich schon über sie? Was weiß sie schon über mich?
    - "Wieso nicht?"
    - "Ich kann kein Schlittschuh laufen.", nenne ich ihr zumindest die sekundäre Ursache ehrlich.
    - "Das kann ich Dir beibringen. Vorerst muss ich Dich stützen. Doch mit etwas Glück..."
    - "...verenden wir an derselben Straßenlaterne."
    - "O nein.", kichert sie. "Sicherlich nicht."
    - "Wie war der Theaterbesuch?", wechsle ich abschneidend das Thema. Natürlich wäre es unvergleichlich, Zeit mit ihr zu verbringen. Unvergleichlich naiv.
    - "O, schön. Nur ziemlich kalt."
    - "Wie hieß das Stück?"
    - "Der Ritter und die Magd."
    - "Mutet originell an."
    Sie lächelt. - "Die Premiere eines antiken Werkes, dessen volles Manuskript nur gegenwärtig geborgen werden konnte."
    - "Und worum geht es? Warten Sie, lassen Sie mich raten. Der Ritter ist in die Magd verliebt."
    - "O ja! Wie bist Du darauf gekommen?"
    - "...Menschenkenntnis. Und womit endet das Stück?"
    - "Es ist ein Schauspiel aus drei Akten. In etwa einem halben Jahr müssten sie mit der Entzifferung und den Proben für den zweiten Teil fertig sein."
    - "Welchen Zweck hat es überhaupt, ein Stück auszugraben, das längst nicht mehr aktuell ist?"
    - "Es ist ein sehr poetisches Stück. Geschrieben von unseren Ahnen."
    - "Unsere Ahnen ist ein etwas unglücklicher Ausdruck, befinden sie nicht?"
    - "Wieso?"
    - "Während die ihren aus goldenen Bechern tranken, gingen die meinen gerade noch als kalte Vorspeise durch."
    Ich hatte befürchtet, sie nie wieder bezaubernd lachen zu hören, nun legen sich meine Bedenken. Determiert schüttelt sie ihre Strähnen.
    - "O nein. Weißt Du denn überhaupt nichts? Der Grund, wieso Du Dein Leben lang Sie zu mir sagen wirst."
    - "Ich kann es mir denken..."
    - "Wenn Du möchtest, können wir in der Bibliothek ein Buch darüber lesen."
    Wiederkehrend machen sich etwas Leidwesen wie Missmut in mir breit. Sie genießt es geradewegs, den Klassenunterschied zwischen uns zu akzentuieren.
    - "Nein Danke, Bilderbücher mit Ackerpflügen und dreckigen Groink kann ich auch Zuhause betrachten."
    - "Konntest.", vermerkt sie heiter, fasst sich aber nahezu zeitgleich mit dem Handrücken an die Lippen. "...Tut mir leid."


    Doch um mich ist es bereits geschehen. Niedergeschlagen sinke ich tiefer ihr Strickkleid und beschwöre die wohlige Wärme der Decke über mich zu den Ohren hinauf. Gefühlsselig schlinge ich meine Arme um die einzig greifbare Materie im Umkreis - ihr rechtes Bein und ziehe dieses unter den Überzug. Oh ja, in ihrer Nähe vermisse ich weder Kopfkissen, noch Plüschtiere... Selbstverständlich habe ich Betroffenheit bei ihren Worten gespürt, doch schnell genug verkraftet, um mir die Chance nicht entgehen zu lassen. Lady Berlitz hindert gegenwärtig der Glaube mich zutiefst zerschunden zu haben daran, mir die Leviten zu lesen und den Trost zu verweigern: möglicherweise heule ich ihrer wegen unter der Decke, statt den geborgenen Schatz emphatisch zu studieren. Die Fenster hinter Gardinen, ohnedies spärliche Lichtquellen, gewähren unter der Decke kaum noch Sicht. Bezugnehmend auf den Fang in körperlicher Form eines nur von dünnem dunklen Stoff bekleideten Meisterwerkes der Natur mehr als nur Schade. Nahezu ebenso Schade, wie ihr mondänes Beinchen zum bloßen Laufen ist. Obgleich sie es trotzdem regelmäßig tut, wie die sacht angespannten zarten Muskeln um den wohlgeformten Knochen verraten. Es ist nicht Vollmond. Ich bin mit an Sicherheit grenzender Stochastik kein Hunduster. Sehr unwahrscheinlich, dass ich ein Zobiris bin. Klingt schlüssig. ... ... ...Wieso beiße ich sie diesfalls?

    [Blockierte Grafik: http://www.empiretest.net/tpl/v2/img/play-button-big.png]
    Two Door Cinema Club - What You Know
    And I can taste it
    It's my sweet beginning
    And I can tell just what you want
    You don't want to be alone


    "Lancelot...!", läßt mich ihr ratloses Keuchen aufschrecken. "Du tust mir weh!"
    Noch bevor ich meine sanft zusammengekniffenen Zähne entspanne, zieht sie ihr Bein ruckartig aus meinem Territorium zurück, welches ich sodann mit unschuldig erhobenen Augenbrauen im Halbsitzen verlasse, als sie die Decke hebt. Sie würde keinen so indignierten Gesichtsausdruck machen, wüsste sie, wie goldig ich sie fortwährend befinde. "Ich dachte, Du bist...! Aber Du... Du hast..."
    Luft schnappend nach dem passenden Ausdruck recherchierend, wendet sie ihre lockigen Haarwellen schwungvoll zur Seite, kurz darauf wieder zu mir, wiederkehrend nach Luft schnappend will sie mir etwas mitteilen, doch die Gesichtsfarbe, die selbst im Halbdunkeln mit ihrer Blässe kontrastiert, nötigt sie letztlich, wieder hinaus zum Fenster hinaus zu blicken.
    Gelassen richte ich mich zur Hälfte auf, bedecke mit der Decke meinen Unterkörper und lehne mich dösig gegen den Couchrücken. Ja, ich habe es abermals maßlos übertrieben. Ja, ich habe mit ihre Gutgläubigkeit zunutze gemacht. Ja, ich bin mir bewusst, dass meine Aktionen alle Schranken dessen sprengen, was ich mir hätte jemals mit ihr erlauben dürfen... Widerwillen schleicht sich für wenige Sekunden ein Grinsen auf mein Gesicht, das dem eines Banette Konkurrenz macht: Nein, ich bereue es nicht. Als meine stoisch-unschuldige Mimik zurückkehrt, wage ich, zu ihr zu schielen. Durch das nächtliche Licht wirkt die durch ihr Strickkleid schimmernde Haut nahezu vollkommen, ihr rechter Strumpf hingegen sieht mitgenommen aus.
    - "Vielleicht... Ziehen sie den aus?"
    Sie wendet sich derart resolut in meine Richtung, dass ich beschwichtigend meine Handflächen in der Befürchtung, sie könnte mir das Kissen an den Kopf werfen, vor diesen halte. Es bleibt anzuzweifeln, ob jemand wie sie überhaupt zu Vehemenz fähig ist, doch die Antwort könnte bitter für mich ausfallen.
    - "Ist. Ja. Gut. Objektiver, uneigennütziger Ratschlag eines neutralen Unparteiischen."
    Trotzdem kommt sie meinem Hinweis nach und entledigt sich leise beider Strümpfe. Nun darf ich überhaupt nicht mehr hinsehen, da mein Denkzentrum anderenfalls Wohnsitz wechseln würde. Schläfrig lasse ich meinen verspannten Nacken in die ihr entgegengesetzte Richtung sinken und starre Löcher in die warme Dunkelheit, die ein Lahmus auf Pirsifbeeren nicht hätte starren können. Für wenige Minuten genießen wir die vollkommene Stimme im alten Herrenhaus. Sie geht nicht, ich kann im Sitzen nicht schlafen, so schwer sich meine Lider auch anfühlen. Mein Kopf fühlt sich schwummrig an, als könnte er sich von den Schultern lösen. Schneeflocken fallen hinter verschlossenem Glas. Kein Wort. Kein Ton. Keine kreischenden Stimmen mehr im Haupt. Nur noch die ihre, melodische und milde, scheint sich von allen Seiten zeitgleich an mich zu wenden.
    - "Lancelot?"
    - "Hm?"
    - "Wenn Du einen Wunsch frei hättest... Welcher wäre es?"
    Jäh schießen Fontänen begrabener Gefühle in mir hoch, gefolgt von Erinnerungen und unterdrückten Gedanken. Ich weiß nicht, wieso ich urplötzlich den Tränen nahe stehe. Irgendetwas... Zwischen mir und ihr. Gemeinsam. Unterbewusst lese ich Zeichen meiner Armbanduhr ab. Elf Uhr Nacht nahen heran.
    - "Dass ich nie geboren wäre."
    Entgeistert keucht sie und rückt näher.
    - "Wie kann man sich so etwas wünschen?"
    - "Fragen Sie meinen Erzeuger danach."
    Ich schlucke und balle die Hände zu Fäusten. Zu nahe. Viel zu nahe tritt sie mir im Augenblick für jemanden, der nie viel über mich erfahren sollte. Viel zu stark ist auch die Sehnsucht nach ihrer Nähe, die mir nicht zusteht.
    - "Willst Du wissen, was ich mir wünschen würde?"
    - "...Ja."
    - "Wirklich viel. Nur nie alleine zu sein. Dass ich stets eine Familie und ein Heim habe. Eine Handvoll treuer Freunde, die nicht hinter deinem Rücken tuscheln. Und eine Person, der ich mein Leben lang nicht von der Seite weichen würde."
    Nachdenklich betrachte ich meinen Handrücken. Gewöhnliche Träume für eine junge Frau. Auch Lady Berlitz hat sie. Dass sie in ihrem Leben all dies zweifelsohne ihr Eigen nennen wird, nimmt ihr nicht die Befürchtungen. Befürchtungen, die menschlich sind: eines Tages aufzuwachen und zu realisieren, dass kein Mensch viel gegeben hätte, wärest Du nicht aufgewacht. Ein Angsttraum bei Tag, der für mich bis auf wenige Leute Realität geworden ist, seit jeher ich geboren bin. Lady Berlitz soll nie erfahren, wie es ist... Die Bitterkeit steigt mir den Rachen empor, als ich zitternd wie lautlos gegen die Couch schlage.
    - "Bin ich... Einer Ihrer Freunde in Ihrem Wunschdenken?"
    - "Nein."
    Resigniert schließe ich die Lider und lehne mein gesamtes Körpergewicht gegen die warme Couch. So viel habe ich mir bereits bei unserem ersten Treffen denken können, wozu jetzt so viel Schmerz verspüren? Rationalität... Hilft meinem müden Kopf auch nicht weiter. Einschlafen... Einschlafen und nie wieder erwachen. Verschwinden aus einer Welt, die für keine geeignete Rolle für mich übrig hat. Aus Leben, die ich lediglich erschwere. Aus dem meiner Mutter. Meines Freundes. Aus Lady Berlitz'. Aus dem meines Erzeugers. Restlos zersetzt sich mein Leib vor Bitterkeit und Kälte bei der Konfrontation mit der Wahrheit, die ihn in ihrer grellen Strahlung vor meinen geschlossenen Lidern zu zerreißen droht. Die Konsequenz einer zweckfreien Existenz für Rache und Hass alleinig.


    Ich sterbe.


    Bis mir von einer Sekunde auf die andere wohlig warm wird, als in der angenehmen Dunkelheit ihre Locken meine Wangen kitzeln. Sie ist so nahe, dass meine Lungen sich bei meinem ersten Atemzug mit nichts außer ihrem Duft füllen. Sämtliche Muskeln lockern sich so ruckartig, dass es beinahe schmerzt, mein Puls setzt meine Venen verbrennend mehrere Schläge aus, zeitgleich glaube ich den ihren unzweideutig wahrzunehmen. Ich muss an Mutter denken. Meine zu Fäusten geballten Handglieder sinken kraftlos und verdutzt auf die warme Couch, meine Lider öffnen sich. Kalte Finger in meinen Haarsträhnen. Soll sie bloß nicht aufhören...


    Nicht viel war nötig, damit die Präsenz ihrer alles in den Schatten stellenden Schönheit hundert und einen Prozent meiner Existenz ausfüllt: ein herzhafter Kuss auf die Stirn.
    - "Wa...?"
    - "Zufrieden?"
    Sie lächelt aus einer Distanz, aus der ihre Stupsnase nahezu mein Kinn berührt.
    - "Mit wa...?"
    - "Mit dem Gute-Nacht-Kuss. Du wolltest doch einen."
    - "W-wieso sollte ich unzufrieden sein?"
    Sie scheint unbeirrt und dennoch verblüfft, denn für gewöhnlich fallen meine Antworten gehaltreicher aus. Doch die Person, die ich für gewöhnlich bin, ist für eine Minute gestorben. Nur gemächlich findet mein Sprachvermögen wiederkehrend zu mir zurück.
    - "Ich habe noch nie einen Mann geküsst."
    - "N-nun, ich auch nicht..."
    - "Hat ein Gute-Nacht-Kuss besondere Bedeutung?"
    - "N-nein... Außer, man... Vielleicht träumt man etwas Schönes."
    - "O, das ist aber unfair."
    - "Was ist unfair?"
    Statt einer Antwort faltet sie ihre Hände niedlich auf dem Rücken, blinzelt kontinuierlich und rückt ihr Köpfchen lächelnd noch näher an meine Lippen heran.
    - "Ich möchte auch etwas Schönes träumen."
    Resigniert seufzend werde ich mir der Existenz von Situationen, in denen ich nicht anders kann, bewusst. Durch die Länge meiner Finger habe ich keine Schwierigkeiten, zeitgleich alle Punkte zu erreichen, an denen Frauen beim Küssen empirisch bewiesen gerne berührt werden: bei ihr die goldenen Haarclips, die Ohrmuscheln, das Kinn, die Ohrläppchen wie die Wimpern. Der Kuss, den ich ihr auf die Stirn setze, fällt im Vergleich deutlich kürzer und flüchtiger, technisch jedoch meisterhafter aus. Ihre Reaktion erklärt dies aber keinesfalls: ihr Lächeln wird milder, für einen Moment lächeln die geschlossenen Augen mit, darauffolgend sinkt ihr wunderschönes Antlitz mir aus den Händen. Leicht wie ein Kirlia fällt ihr blühender Körper auf die Couch, direkt in einen süßen Tiefschlaf. Sie muss die Gesamtzeit dem Land Cresselias näher gewesen sein denn ich...
    - "Gute Nacht, Lady Berlitz."


    Schicksalsergeben decke ich sie zu und mache mich wankend auf zum Türrahmen, da ich schlussendlich in meiner eigenen Falle Nachtruhe wahren muss. Als urplötzlich etwas mit brachialer gegen meine eingelullte Stirn knallt und mich jeglicher Illusionen beraubt: der Stiel einer Gartenhacke, eine meiner Vorsichtigkeitsmaßnahmen gegen Sebastian, die ich in der Dunkelheit um die Couch verteilt habe. Benommen taumele ich zu Lady Berlitz' Hüfte gegen den Couchrand. Ich erwache instantan aus meinem Halbschlaf. Ich bin wieder ich selbst... Was ist geschehen...? Mehr als das: mir fällt es erneut ein. Mir fällt es ein, wo ich seinen Namen bereits gehört habe...! Wahlkampagne Ende 2012, "Have faith in Sinnoh's Fate...!


    Bei Mew. An diesen Tag werde ich mich mein Leben lang erinnern.
    Den einzigen Tag in fast einem gesamten Monat, an dem Lady Berlitz Wärme gezeigt hat.
    Den Tag, an dem ich den mächtigsten Mann Sinnohs mit Stiefeln und Tischen beworfen habe.


    Das erklärt alles...!
    Geladen wie rücksichtslos rüttele ich Lady Berlitz wach, diese zuckt verschlafen mit den Wimpern:
    - "Was ist...?"
    - "Ich bin es, der Hinterwäldler."
    - "Mich hat ein Ritter geküsst.", wispert sie eher im Schlaf als im Wachzustand.
    - "Einer in Unterhose, nehme ich stark an. Schön für Sie."
    - "Wieso hast Du mich geweckt?"
    - "Wie heißt noch einmal Sinnohs amtierender Präsident?"
    - "Er hat es gar erwähnt... Weißt Du es denn so nicht?"
    - "Nein...!"
    - "Du Hinterwäldler.", nuschelt sie lächelnd. Beleidigt beiße ich mir auf die Unterlippe - aus dem Munde jemandes so genannt zu werden, der nie härtere Worte als Bitte benutzt, hat etwas sehr Endgültiges an sich.
    - "Wie hieß er, vermaledeit?"
    Die letzten Worte, bevor sie wiederkehrend in den Schlaf sinkt, waren:
    - "Válentine Fate."

  • Wuhu, hier bin ich wieder ;)
    Erwarte nicht zuviel - ich hab mir erstmal 'nur' Kapitel 3 durchgelesen. Doch ich muss sagen, du und deine Story, ihr verdient echt Respekt. Vielleicht ist es von der geschichtlichen Seite betrachtet nicht meine absolute Lieblingsstory. Aber ich bewundere dein Talent, und ich lieeeeebe es, mich in die Personen hineinversetzen zu können. Und das kann ich nunmal fantastisch in deine. Und eine Frage habe ich ja. Wenn ich schon so unglaubliche Lange zum lesen brauche, wie lange brauchst du dann erst beim schreiben? Ich meine, mein Freund und ich brauchen manchmal für ein Kapi 2-3 Stunden, und unsere werden oft zwar lang, erreichen aber nicht annähernd die Größe deiner Kapitel. Also, darf ich schätzen? 5 Stunden? Vielleicht 10? Oder 2 Tage? Ich finde es gut, dass du dir so viel Zeit nimmst, alles so genau zu beschreiben, ich konnte fast du Gerichte riechen und die Farben sehen. Man muss erstmal jemanden finden, der so detailliert beschreiben kann wie du. Und dann deine Neuerung mit den wirklich fremden Fremdwörten, dass du ihre Bedeutung dahinter schreibst. Nur in einemPunkt muss ich Kritik üben: Für deine außergwöhnliche Sprache machst du schon oft Rechtschreibfehler. Aber das stört nicht dermaßen ;) Und du hast D'accord mit 'Schön' übersetzt. Und dem Zusammenhang geht das zwar, aber ich fände 'Einverstanden', was es auch heißt, angebrachter.
    Das war dann das dritte Kapi. Ich geb mir Mühe, so schnell wie möglich an 4 heranzukommen :)
    Onee-chan

  • Okay, dann will ich doch mal endlich meinen lange überflüssigen Kommentar verfassen :D


    Kapitel 3:


    Dieses Kapitel hat mir sehr gut gefallen und die Bedeutungen der Fremdwörter da noch einmal hinter zu setzen finde ich eine gute Idee. Dein Schreibstil gefällt mir auch unheimlich gut, doch manchmal wenn du einen Dialog beschrieben hast kommt man etwas durcheinander wer etwas sagt und muss es dann doch noch einmal lesen. Dies hat sich jedoch während des Kapitels gebessert. Die Länge war auch ganz ok und ich fand die Beschreibungen wirklich gut gesetzt. Lady Berlitz ist mir irgendwie vom ersten Moment an sympathisch gewesen, haha. Du bringst die Charaktere wirklich gut rüber und ich muss dir dafür wieder ein Lob aussprechen, haha. An der Stelle mit den rezessiven Merkmalen war ich ja mal sowas von froh was ich im Biologie-Unterricht gelernt habe und ehrlich ich finde das sehr gut das du das mit eingebracht hast. Es macht das ganze wirklich auf eine Art realistisch die bei Fanstorys eher selten ist. Doch auch hier habe ich wieder einige Rechtschreibfehler bzw doppelte Wörter gesehen. Es ist nicht so störend an sich, aber schau dich doch einmal nach einem Betaleser um, das Topic ist ja soweit ich weiß gepinnt. Sonst habe ich nicht mehr viel zu deinem dritten Kapitel zu sagen, aber wahrscheinlich auch nur weil mein Gehirn sich nicht alles gemerkt hat. (Das nächste mal mache ich Notizen, lol)


    Kapitel 4:
    Hier muss ich sagen: ich finde dieses Kapitel göttlich ehrlich, aber die Handlung streckt sich wirklich. Ich persönlich finde es jetzt gar nicht so schlimm, aber du hättest daraus wirklich zwei Kapitel machen können, weil das ganze so auf einem Haufen ist ein bisschen viel. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde Sebastian wirklich toll, haha auch wenn ich im ersten Moment ein wenig an den Sebastian aus Black Butler denken musste. Dialoge sind gut, Rechtschreibfehler waren wie im dritten Kapitel ein paar drinne, aber ich werde die jetzt einfach nicht raussuchen, ich hab es ja die voherigen Male auch nicht geschafft (Schande über mein Haupt x:). Das Ende wirkte jetzt im Gegensatz zu dem Anfang das Kapitels etwas schlapp, doch mit den letzten Zeilen hast du dann wieder gut Spannung aufgebaut. Ich finde an einigen Stellen könntest du es manchmal wirklich kürzer machen, auch wenn mir die lange Version unglaublich gut gefällt. Hm, sonst kann ich eigentlich gar nicht mehr sehr viel sagen irgendwie, haha. (Die Notizen gewinnen mir immer mehr Sympathie ab, mal sehen wie es mit Notizen ist dann, haha)


    Okay, das wars erst einmal von mir, auch wenn ich jetzt wahrscheinlich nicht so eine großartige Kritik gegeben habe, haha. Auf jeden Fall muss ich sagen, deine Charaktere wachsen mir als Leserin jetzt schon ans Herz :D
    LG
    Noel

  • Endlich ist das vierte Kapitel da. ^^
    So, darf ich zuerst einmal ein wenig Kritik anbringen, bevor es zum Lob geht? Sicher. ;)


    [tabmenu][tab=Kritik]

    Zum Einen muss ich dir sagen, dass mich die Ausdrücke in den Klammern stören, zum Einen, da ich selbst weiß, was die Worte bedeuten (vor allem, da du nicht nur französische, sondern ganz gewöhnliche, deutsche Ausdrücke in Klammern setzt, aber auch manche der französischen Ausdrücke sollte man kennen - ein bisschen Bildung und Intelligenz darfst du deinen Lesern gerne zumuten ;)), zum Anderen stören sie den Lesefluss. Außerdem muss ich dazusagen, dass manche Ausdrücke ungenau sind. Nicht falsch, aber ungenau.
    Behelligen bedeutet, zumindest meinem Verständnis nach, nicht irritieren, sondern eher belästigen, besser trifft noch: Jemanden mit etwas konfrontieren, mit dem er nicht konfrontiert werden möchte.
    Pâtisserie bezieht sich nicht nur auf feines, französisches Gebäck. Auch hier, zumindest in Wien, gibt es den Ausdruck einer Pâtesserie und bezieht sich allgemein auf süßes Gebäck, einfach eine Konditorei mit Windgebäck, Torten, Kuchen, Zuckergebäck, etc... im Angebot.
    D'accord kann man sicher mit "schön" übersetzen, würde ich persönlich aber eher mit einem "na gut" oder "in Ordnung", "okay" oder zumindest einem "na schön", einfach eine Zustimmung, was schön auch sein kann, aber nicht so deutlich ist.
    Jedenfalls stören mich die Klammern ein wenig. Deutsche Ausdrücke kennt man als halbwegs gebildeter Mensch und selbst wenn man nicht Französisch lernt, lerne es, aber besonders gut bin ich nicht, kommt man mit den paar Sätzen oder den eingeworfenen Wörtern zurecht. (Mir gefällt aber, dass du öfter französische Wörter einwirfst. Das gibt den Adligen wirklich auch einen adligen Touch =D) Das ist ein einfaches, sprich leserfreundliches, Französisch. Finde ich zumindest.


    Der zweite Kritikpunkt... du bringst zwar einiges an Humor ein und Lancelots Vorstellung mit dem Blutabnehmen ist auch wirklich lustig. :D Weniger lustig wird es, als er es wirklich getan zu haben scheint. Ich meine, das ist seltsam und unheimlich, lustig eher nicht mehr ^^" Auch nicht, als später die Erklärung folgte. Bei der Sache mit dem Iksbat, nn ja, da musste ich schon kurz lachen. =D
    (Kleine Frage, so aus Neugierde: Orientierst du dich mit dem Namen Sebastian am Anime/Manga Kuroshitsuji/Black Butler *g*?)


    Ansonsten noch eine kurze Anmerkung: Manche Ausdrücke finde ich einfach unpassend. Sehorgane zum Beispiel, wenn ich schon an der Stelle bin, will ich sie auch kritisieren. Weiß nicht, wie du es ursprünglich gewollt hast, aber das wirkt unfreiwillig komisch. ^^"


    Und sonst (bis auf dass ich mich mit deiner geschwollenen Ausdrucksweise, jetzt egal, ob gewollt oder nicht, nicht so ganz anfreunden kann, nicht stört, aber es wäre nicht mein Geschmack/Stil, sage ich mal so ^^)...

    Zitat

    - "Tach auch! Grüaßdi, meine Lieben!"


    Also, wenn du einen Österreicher oder Bayern nachmachen wolltest... tut mir leid, aber so wird das nichts >=D


    Weißt du, was mich sonst noch irritiert? Du erwähnst zwar Pokemon namentlich öfter als genug, aber hat die Familie beispielsweise keine Haushunde (Fukano, Arkani, Yorkleff + Evolution, etc...) oder Hauskatzen (Mauzi, Snobilikat, Eneco, Enekoro, Charmian, etc...), die mal im Haus rumstreunen und eben present sein würden?


    [tab=Anderes ^^]

    Zuerst muss ich sagen, dass Fate ein interessanter Name. Du kannst ihn positiv wie negativ auslegen.
    Ich muss mal auf die Charaktere näher eingehen... Lancelot gibt sich an manchen Stellen fast schon überheblich, er glaubt auch selbst, dass er alles im Griff hat. Hat er eben nicht immer und ich denke, dass sein Selbstbewusstsein zwar nicht total am Boden ist, aber es einen Knacks hat, den niemand sehen soll. Einerseits ist er sehr sympathisch (der Gag, als er sich dummgestellt hat, um seine Gesprächspartner aus der Reserve zu locken? =D), andererseits versteh ich ihn manchmal nicht ganz, zumindest nicht zu 100 %. Als er Lady Berlitz zum Weinen gebracht hat.


    Lady Berlitz ist jetzt auch einen kleinen Absatz wert. ^^ Sie ist wunderschön, sie ist intelligent, edel, auch recht undurchsichtig ... aber sie scheint eben eine Lady der Sorte zu sein, die man öfter beschützen muss. Sie weint zweimal relativ nah im Text beinander. Da wirkt sie nicht weniger würdevoll, aber eben wie eben beschrieben.


    So, jetzt aber zum Hauptteil. Da pokern sie beinahe mit Shinous Population und dessen Schicksal. Das war sicher der spannendste Teil, da man schon erahnen kann oder könnte, in welche Richtung die Geschichte gehen wird. Wie viel würdest du opfern? Gleich hinterhergeworfen werden Prozentzahlen, Statistiken. Und das noch so abgebrüht und fast kalt.
    Bin gespannt, was weiter daraus wird. (bzw. erinnert mich dieser Valentine mit seinen ... Vorstellungen an denjenigen aus "The mortal instruments/Die Chroniken der Unterwelt". Absichtlich oder Zufall? ^^


    Der eine Dialog war besonders mitnehmen, vertraut zwischen den beiden und hat viel über sie beide ausgesagt. Das wirkt sehr natürlich, ehrlich und emotional.

    Zitat

    - "Lancelot?"
    - "Hm?"
    - "Wenn Du einen Wunsch frei hättest... Welcher wäre es?"
    - "Dass ich nie geboren wäre."


    Das ist echt heftig. Da kommt richtig Mitleid auf und man will ihn trösten ^^"


    Zitat

    - "Willst Du wissen, was ich mir wünschen würde?"
    - "...Ja."
    - "Wirklich viel. Nur nie alleine zu sein. Dass ich stets eine Familie und ein Heim habe. Eine Handvoll treuer Freunde, die nicht hinter deinem Rücken tuscheln. Und eine Person, der ich mein Leben lang nicht von der Seite weichen würde."
    Nachdenklich betrachte ich meinen Handrücken. Gewöhnliche Träume für eine junge Frau. Auch Lady Berlitz hat sie. Dass sie in ihrem Leben all dies zweifelsohne ihr Eigen nennen wird, nimmt ihr nicht die Befürchtungen. Befürchtungen, die menschlich sind: eines Tages aufzuwachen und zu realisieren, dass kein Mensch viel gegeben hätte, wärest Du nicht aufgewacht.


    Und das ist schön. ^^ Solange zumindest, bis sie ihm wieder einen tiefen Stich versetzt, nur dass sie gleich darauf die Stirn küsst. Die Frau ist rätselraft und wirklich undurchsichtig. Lancelot kennt sich wenigstens genauso wenig wie ich aus.


    Zitat

    - "Vielleicht... Ziehen sie den aus?"
    [...]
    - "Ist. Ja. Gut. Objektiver, uneigennütziger Ratschlag eines neutralen Unparteiischen."


    Aber sicher, Lancelot, aber sicher... =X


    Last, but not least, ein Zitat (sinngemäß): Was gefällt dir am besten? - Die Beine Ihrer Tochter.
    Da muss man wirklich schmunzeln ^^


    [/tabmenu]

  • So ich überarbeite das jetzt nochmal, du bist mehr Wert als nur so ein zerschossenes Kommentar, schliesslich solls ja nicht
    so aussehen als würde ich hier die Gestige unterschicht bilden.


    Also alles in allem habe ich es nun 3 Stunden am Stück verschlungen und war von der Länge etwas erschlagen, aber umso mehr
    hier zu lesen ist, umso mehr freut sich der DeXXter.
    Es ist ein Hammer Kapitel, ich habe gelacht, gefiebert, gehofft und alles zusammen.
    Ich habe es verschlungen und war über die Offenheit von Lady Berliz am ende überrascht
    aber anscheinend soll es ja wieder kühler werden zwischen den beiden, was man so raus ließt,
    der Butler ist auch relativ lustig mit den würd ich ein Bier trinken gehen.


    Ich bin einfach wieder überwältigt und werde demnächst auch an meiner FF wieder weiter schreiben
    Dank dir, du hast mich mal wieder inspiriert.


    mfg DeXXter

  • Hallö'chen mein Lieber,
    ja, ich weiß - sehr unerwartet, dass ich dir einen Kommi schreibe. Nun ja *auf Zitat schiel*, ich bin auf deine FF aufmerksam geworden, weil sie doch recht viel Text im Startpost hatte und ich sowas immer gern habe. Ich mag es, wenn man sieht, dass der Autor sich wirklich viel Mühe gibt. Und da du ja in deinen Erklärungen auch den Anlass für das Schreiben erwähnt hast, ist es gleich doppelt interessant. Ich möchte jetzt darauf hinweisen, dass dies hier nur ein kleiner Kommi ist - ich aber weiterhin kommentieren werde -, ich hoffe, das ist für dich ok. Ich werde mich kurz allgemein äußern und dann auf dein neustes Kapitel genauer eingehen. So, genug gelabert - auf ans Feedback schreiben. ~


    Allgemein
    Wie fängt man am besten an? - Genau, mit dem Namen einer bzw deiner FF. Mir ist aufgefallen, dass sie ursprünglich anders hieß. Ich frage mich nun, warum du den Namen geändert hast, denn ich bin eigentlich der Meinung, das der Erste besser war. Dies kann allerdings auch daran liegen, dass ich englische Namen für eine FF bevorzuge bzw auch selbst verwende. Irgendwie hat man da mehr Interpretationsfreiraum. Nun gut, Sinnoh's Kinder klingt doch schon interessant, auch wenn ich durch diesen Namen wahrschlich nicht auf dein Werk aufmerksam geworden wäre - aber das spielt jetzt keine Rolle. Den Header hast du auch verändert und an der Stelle wundere ich mich über das Motiv - Cynthia. Bisher habe ich noch keinerlei Notiz von ihr genommen und frage mich daher, was für eine Rolle sie spielen wird. Immerhin spricht der Header ja direkt vom Werk bzw lässt in irgendeiner Weise auf gewisse Zusammenhänge schießen. Wie dem auch sei; wenn du mich fragst, hat mir die erste Version des Namens und auch des Bildes besser gefallen, auch wenn es nur eine subjektive Meinung ist.
    Ich bezeichne es mal als eine Art Bildunterschrift, die du danach verwendet hast - bisschen zu lang für einen Spruch - und kann dir schon einmal sagen, dass ich ihn gut finde. Man bemerkt sofort die angedeuteten Kritikpunkte bzw die 'Unreinheiten' dieser Welt und bekommt ein recht nachdenkliches Bild vor Augen. Zwar wirfst du bei mir ein paar Fragen auf, doch werden sie sich mir sicherlich noch im Laufe der Geschichte erklären, wenn nicht, dann würde ich einfach nachfragen.
    Die Charaktere stellst du sehr ausführlich dar, was man recht selten bewundern kann im BB. Mit den Adelstiteln wirkt das ganze auch sehr vornehm und fast schon mittelalterlich *Fan von alter und gehobener Sprache ist*. Auch die kurzen Zitate der Charaktere aus Kapiteln o.ä. sprechen für sich. Manchmal musste ich wirklich über den Sarkasmus oder die Ironie schmunzeln. Ich finde es einfach immer gut, wenn in eigentlich ernsten Werken ider FFs, Kurzgeschichten (whatever) schwarzer Humor oder beißender Sarkasmus vorkommt. Ich kann es nicht richtig erklären aber für mich gehört es fast schon dazu. Im Ganzen betrachtet bekommt man ein sehr gutes Bild von den Protagonisten. Du scheinst auch selbst genau zu wissen, wie sie sind und wie die Leser sie kennenlernen bzw sehen sollen. Sonst müsste ich eigentlich immer anmerken, dass die Steckis etwas karg gestaltet sind aber hier ist dem nicht so. Durch den kurzen Text gehst du auf viele (wichtige) Punkte ein, die gern mal vergessem werden. Trotz alldem bietest du dennoch die Möglichkeit, die Personen weiterhin kennenzulernen bzw neue Eigenarten herausfinden.
    Zudem finde ich es irgendwie interessant, daas du auch darüber redest, warum du zum Schreiben gekommen bist und was das Werk für dich ist. Man sieht selten eine solch detaillierte Beschreibung dessen, was sich 'hinter den Kulissen (Werk)' abspielt. Zwar möchte ich an dieser Stelle auch erwähnen, dass es den ein oder anderen durch die große Menge Text abschrecken kann/wird aber man kann es auch nicht jedem recht machen.
    Zu deinem bisherigen Schreibstil möchte ich gesagt haben, dass er sich stark von anderen unterscheidet - was ich nicht zwangsläufig als schlecht ansehe -, da du wirklich sehr viele Worte verwendest, die man im alltäglichen Leben nicht hört. Ich bin unschlüssig, ob das sehr gut ist, weil man so die Wortgewandtheit bzw Mühe des Autors sieht, oder aber ob es nicht ganz so ratsam wäre, da man an einigen Stellen wirklich Probleme hat, das Geschriebene genau zu verstehen. Ich selbst hatte auch meine Schwierigkeiten dir an manchen Stellen zu folgen, denn es kamen Begriffe vor, mit denen ich nicht wirklich was anfangen konnte. Für jüngere Leser wird es wahrscheinlich auch eine Tortur, alles verstehen zu können. Ich rate dir - denn dein Stil ist an sich wirklich schön - des Öfteren auch einfache Begriffe zu verwenden, die das gleiche aussagen. Das ist keinesfalls schlimm - ganz im Gegenteil.
    Die Handlung ist bisher ja noch nicht sehr weit vorraus geschritten - aber was erwartet man auch bei einer solch kleinen Kapitelanzahl. Da ist das normal; ich frage mich aber wie schnell du die Haupthandlung voranträgst, da es in gewisser Weise schon ein beachtliches Tempo an der einen oder anderen Stelle hatte. Aber da lasse ich mich einfach mal überraschen; wie bei so vielem c:



    Kapitel 4
    Da fällt mir eine Sache ja sofort auf: Warum kein Name für das Kapitel? Ehrlich gesagt fehlt mir das doch schon sehr, immerhin sieht man immer irgendwo einen Namen und selbst wenn nicht, wird mindestens erwähnt, welches Kapitel es ist. Ich möchte dir da nur ungern reinreden aber ist es nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit? Übrigens mache ich mir gern Gedanken zu Kapitelnamen, leider ist das ja bei dir nicht möglich. Nun ja, jedem das seine, nicht wahr? Aber vielleicht überlegst du es dir ja noch, wer weiß. *chrm* Ja, tut mir Leid, habe ich nicht richtig hingeguckt. [...] Hinterwäldler klingt ganz interessant. Es macht auf mich den Eindruck, als wenn man damit jemanden beschreibt, der von Nichts eine Ahnung hat - ich bin gespannt, wie sich das auf das Kapitel auswirkt.
    Das Kapitel hat mir im Ganzen betrachtet sehr zugesagt. Allein schon die Tatsache, dass du anscheinend den gleichen Humor hast wie ich. An manchen Stellen musste ich wirklich breit grinsen, da es genial beschrieben wurde. Ich glaube, eine der besten Szenen war unter anderem die, wo Lancelot & Sebastian TV gucken. Ahja, interessant was Buttler so in ihrer Freizeit tun. Sebastian scheint ja sowieso einer von der ganz harten Sorte zu sein. Der Deal hört sich auch recht interessant an; noch besser war das Gespräch danach - Unterlagen besorgen also, hm? Gelobt sei die anfängliche Zweideutigkeit. *g* Aber sowas in der Art darf man ja von dir öfter lesen. Das ist im Übrigen schön, so lockerst du die ernste Handlung etwas auf und zeigst den Lesern, dass es eigentlich auch nur Männer sind, die gewisse Sachen im Kopf haben, chrm.
    Lady Berlitz' Vornamen würde ich an Lancelot's Stelle auch gern erfahren. Der folgende Part von den beiden ist auch recht 'schön' ge-/beschrieben. Du scheinst eine Stärke für Dialoge zu haben, denn diese wirken immer sehr belebt und interessant. Warum Lancelot sie allerdings beißt ist auch mir schleierhaft (notgeil? xd). Ihre Offenheit hat mich - wie manch anderen Leser - auch überrascht. Von einem solchen Adelshaus erwartet man ja eigentlich Anstand und Verschlossenheit. Zumindestens in irgendeiner Weise; sie scheint da etwas anders zu ticken, daher hat sie auch schon relativ früh meine Sympathie gewonnen. Gleiches gilt eigentlich auch für Lancelot. Er scheint ja manchmal doch schon recht überheblich zu sein, hn? Aber hey, wer ist schon perfekt. Außerdem wäre es auch zutiefst langweilig, wenn kein Charakter irgendeine Macke hätte bzw. Schwächen (und Stärken). So wirken sie auch realistisch und nicht wie ein/e Mary/ Gary Sue.


    Schreibtechnisch sind mir hier und da mal kleine Flüchtigkeitsfehler aufgefallen, da deine Kapitel allerdings so lang sind, weiß ich leider nicht mehr genau wo das war. Am besten liest du noch einmal kurz rüber. Da wäre ich auch schon beim nächsten Punkt: Das Kapitel war sehr langwiedrig. Eigentlich hättest du daraus locker zwei Kapitel machen können - so wird man als Leser fast schon erschlagen. Mich persönlich stört das eher weniger aber es sei kurz angemerkt.
    Anfangs fande ich es etwas eigenartig das du vor jeder wörtlichen Rede ein '-' eingebaut hast. Dient es der Übersicht oder einfach, weil du es so besser findest? Wenn ich ehrlich bin verwirrt einen das schon; anderereits erspart es dir das "sagte x, meinte x, etc." Nun, ich bin sichtlich kein Fan davon (ehe von der alten Variante) aber ich würde mich wohl auch daran gewöhnen. Eigentlich sollte man wörtliche Rede immer an den Anfang einer jeden Zeile schreiben, von da an wäre die Übersichtlichkeit schon inklusive aber egal ~.
    An der Stelle möchte ich dich auch noch mal auf manche Worte aufmerksam machen: Ich habe das Gefühl das an diversen Stelle die verwendeten Worte sehr hochgeschraubt klingen; auch wenn du dir sichtlich Mühe damit gibst (♥), würde es nicht schaden hier und da auch mal einfache Begriffe zu wählen. Allein schon, damit sich der Leser nicht 100% auf die Bedeutung der Worte konzentrieren muss, sondern auf die Handlung. Versuch es einfach mal beim nächsten Kapitel.


    Fazit:
    + großes Lob an deinen SP und auch an deine bisherige FF, sie ist wirklich eine Bereicherung für den Bereich, da man selten eine solch strukturierte und ausgearbeite Geschichte lesen kann
    + schöner Schreibstil, er wirkt (im Gegensatz zu anderen) erfrischend und scheint ganz anders zu sein
    + / - deine manchmalige Wortwahl; sie ist schön anzusehen (und zu lesen) aber man sollte als Leser auch die Möglichkeit haben, sich nicht 100% auf die Bedeutung der verwendeten Begriffe zu konzentrieren, sondern auf die Handlung
    + / - die Kapitellänge sagt mir zu, allerdings könntest du sie (wenn sie so viel Informationen beinhalten wie das 4te) auch gern zweiteilen



    So, das war es an dieser Stelle erst einmal von mir. Ich hoffe, du hast dich über diesen recht kleinen Kommi dennoch gefreut und ich konnte dir in irgendeiner Art weiterhelfen :>
    ~ Rabenwächterin.

  • Hallo, ich melde mich auch mal wieder :)
    Auch wenn es knapp ne Stunde gedauert hat, bis ich den ersten Teil vonm Kapitel 4 durch hatte, so hab ich es echt gerne gelesen. Und ja, ich versuche so schnell wie möglich den zweiten Teil zu schaffen :)
    So, dann will ich mal.
    Zu aller erst, ich war ja gut zwei Wochen nicht aktiv. Als ich dann gestern auf deine Story gegangen bin, hab ich mich ganz schön gewundert, wegen der Generalüberholung und so. Doch sie gefällt mir sehr! Erstmal wirkt das Bild von Cynthia um längen netter als das von Giratina, und der Name gefällt mir auch besser, auch wenn ich noch nichts so richtig damit anfangen kann. Und der Titel kam im Kapi vor, uuuh. Geheimnisvoll, da heißt, was im Buch steht, hat also mit der ganzen Story zutun. Vermutlich. Gefällt mir :)
    Ich mag die kleine Schwärmerei für Lady M, auch wenn er sie verstecken will. Macht ihn irgendwie sympatisch ;) und ich liebe wie du sie beschreibst, so genau, das gefällt mir mega gut!
    Dann deine Vergleiche mit Pokemon, wie du immer darauf kommst! Ich wünschte, ich könnte mit genauso viel Kreativität schreiben, aber diese Gabe bleibt wohl nur dir vorbehalten :( diese Vergleiche sind so geil! Ehrlich, großes Lob deswegen! Wie kommst du da immer drauf?
    Dann hab ich noch eine Frag zu dem gruseligen Butler. Guckst/liest du Black Butler? Da heißt der Butler nämlich auch Sebatian und ist nicht ganz kocher, er hat mich irgendwie an ihn erinnert ^^ aber ich mag diese Schaurigkeit und das Unwohlsein von Lancelot, die du gut beschrieben hast. Und ich bin echt mal gespannt, wieso er unbedingt Blut brauchte (*zitter*)
    Die Szene mit den ganzen reichen Leuten, war für mich aufgrund der Namen manchmal etwas verwirrend, hast du aber gut gemacht. Wie immer kann ich nur deine Gabe zu beschreiben loben. Auch wenn du diese schwierige Sprache verwendest, kann ich mittlerweile alles gut verstehen. Liegt wohl an der Gewohnheit :)
    Nun, in diesem Kapi hab ich keine schwerwiegenden Rechtschreibfehler gefunden, also gibt es keine Kiritk von mir. Ich beeil mich mit dem zweiten Teil des Kapis, hab ein wenig Geduld mit mir ^^
    Bis dahin - weiter so :)
    Onee-chan

  • Bonjour TheLibertine,


    Nun habe ich es auch geschafft bei deiner Fanfiction auf dem aktuellen Stand zu kommen. Waren zwar nur vier Kapitel, aber eine ganz schöne Länge haben sie dann doch, was ich an sich aber keinesfalls negativ sehe, da dein Einleitungs Arc bisher sehr interessant zu lesen war. Wenn man da ein wenig mehr Lesestoff hat, macht das überhaupt nichts. Gerade deshalb werde ich aber erst einmal nur eine Zusammenfassung von meinem bisherigen Eindruck schreiben.


    Zum Startpost muss ich zugegebenermaßen sagen, dass ich bei der Gestaltung des Startposts meiner eigenen Fanfiction, mir tatsächlich bestehende Starposts anderer Fanfictions angesehen habe, um das eine oder andere abzugucken als Idee weiter zu modifizieren. Dein Startpost gefiel mir dabei mit dem Tab System auf Anhieb, woher wohl... die gewisse... Ähnlichkeit... stammt. Wie auch immer. Beginnen wir doch erst einmal beim Titel deiner Fanfiction, den du ja zu "Sinnoh's Kinder" geändert hast. Mir persönlich gefällt er deutlich besser, als der alte Titel. Nicht nur von Klang her, sondern weil er bei mir deutlich mehr Interesse weckt, als es beim Alten der Fall gewesen ist. Den fand ich sogar einigermaßen originell. "Sinnoh's Kinder" hat auf jeden Fall etwas leicht mysteriöses an sich, was mich aufsehen lässt. Ebenso verhält es sich wohl mit dem Cynthia Header. Cynthia ist vielleicht gerade nicht mein absoluter Lieblingschamp, dafür aber sicherlich der mit dem größten Stil. Ich weiss selbst nicht, aber Cynthia hat etwas Respekt einflößendes, auch wenn ich mich frage was sie noch für eine Rolle spielen wird. Bisher gab es ja noch keine Anzeichen für ihr Auftreten, aber wir befinden uns ja noch im Einleitungs Arc. Der unter dem Header stehende Satz ist irgendwie... unheimlich cool. Fordert den Leser gerade zu heraus, genauso wie das darunter stehende Zitat, dass nicht nur Interesse weckt, sondern mich persönlich auch etwas schmunzeln lassen hat. Insgesamt hast du deinen gesamten Startpost teilweise leicht ironisch geschrieben, was mir ziemlich gut gefällt, da du damit quasi deinen ganz eigenen Stempel drauf drückst. Gleichzeitig habe ich mich teilweise dabei ertappt gefühlt, dass du selbst deinem Protagonisten Lancelot (Mag den Namen übrigens) etwas ähnlich zu sein scheinst. Dein Username ist ja auch sein Nachname, weshalb mich das nicht einmal so sehr verwundern würde. Was mir etwas negativ aufgefallen ist, dass du wirklich sehr viel Text in deinen Startpost gebracht hast. Ausführlichkeit schön und gut. Auf mich als Leser der noch gar nichts über die Geschichte wusste, wirkte das erst einmal etwas erschreckend. Du schriebst aber ja, dass dein Startpost zum Allgemeinen Verständnis nicht benötigt sei, weswegen ich es mal als eine Art Bonus sehe. Habe den Startpost ehrlich gesagt am Anfang auch nur überflogen.


    Kommen wir also zum, zu mindestens für mich, wichtigeren Teil: Dem Geschriebenen selbst. Hier fällt dem Leser sofort auf, dass du ein wirklich gewiefter Autor bist. Dein Schreibstil ist ohne Frage herausragend und bedient sich eines hohen Wortschatzes, was den Lesespaß selbstverständlich sehr erhöht. Dies fällt vor allem in den Gedankengängen Lancelots auf, in denen du geschickt seine Einstellungen, Werte und Moral beschreibst, ohne das dem Leser dabei langweilig wird. Schließlich zeigst du dadurch auch, dass du dir zu Lancelots Persönlichkeit viele Gedanken gemacht hast und beleuchtest ihn dementsprechend erfolgreich wenn du mich fragst. Du bringst ihn deiner Leserschaft damit sehr nahe, was sämtliche Handlungen seinerseits nachvollziehbar macht. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich zu sehr ausschweifende Beschreibungen auf die Dauer leider etwas ermüdend finde, vor allem weil sie die eigentliche Handlung selbst schnell mal in die Länge ziehen, gar aufhalten können. Du sagtest ja, dass du eher im Roman Stil schreibst, aber ganz ehrlich: Selbst in den meisten Romanen beschreibt man nicht so viel. Im ersten Kapitel, das quasi eine erste Einleitung zum Helden Lancelot selbst darstellte, fiel mir das erst einmal nicht so auf, auch wenn ich mir etwas mehr handlungsrelevantes Geschehen gewünscht hätte, im zweiten Kapitel wo dann Juans lange, lange, lange, lange, lange, lange, lange Erzählung zur Berlitz Familie dran kam, fiel es dann aber umso mehr auf. Gott... An Lancelots Stelle hätte ich dem Herren erst einmal den Hals umgedreht. Wirklich als schlecht ansehen, kann ich aber selbst diese Erzählung nicht. In erster Linie, weil ein Mann wie Juan, Stolz auf den Einfluss und die Macht seiner Familie, seinem Gast selbstverständlich erst einmal etwas zu erzählt, aber auch weil du das Gespräch sehr realistisch beschrieben hast. Nicht nur vom Verlauf her, sondern auch vom Sprachstil den Adelige nun mal so zu Tage legen. Trotzdem komme ich einfach nicht drumherum zu sagen, dass die ersten beiden Kapitel für mich etwas Motivation kosteten, um sie nicht einfach schnell zu überfliegen. Das besserte sich aber abrupt im dritten Kapitel, wo wir dann auch schon ersten relevanten Handlungsfäden gelegt wurden. Ich muss schon sagen, dass es höchst amüsant war und ich mich gerade zu gekugelt habe, wie Lancelot seine Karten gegenüber seinen adeligen Zeitgenossen ausgespielt hat und das auch noch äußerst erfolgreich, wäre ihm der Herr Fate nicht dazwischengefunkt. Letzteren habe ich übrigens auch zu meinem momentanen Lieblingscharakter gekürt, wegen seines Mysteriösen, aber auch überlegenen Auftritts, der auch den bisher spannendsten Teil dieser FF mit sich gebracht und auch einiges an Fragen aufgeworfen hat. Bin in der Richtung also schon einmal gespannt...


    Bei deinen Charakteren haben wir schon einmal eine sehr interessanten und vielseitige Auswahl, von der jeder Einzelne wohl alles andere als flach bezeichnet werden kann, sogar einiges an Tiefe mit sich bringen, schon dank deiner Fähigkeit die Charaktere gut in Szene zu setzen und auch miteinander interagieren zu lassen. Lancelot ist da schon schon das beste Beispiel. Ich mag ihn, keine Frage und wie schon vorher erwähnt, ist der das vor allem dank vieler Beleuchtungen seiner Gedankengänge, aber auch wegen seiner cleveren, teilweise schon überlegenen Persönlichkeit. Probleme hingegen habe ich mit unserer Lady Platina. Dir ist der Begriff Mary Sue sicherlich ein Begriff, nicht? Damit würde ich sie nämlich im Moment ziemlich genau beschreiben. Sie kommt mir nämlich ein wenig zu perfekt, zu idealisiert vor. Da entschuldigt ihre adelige Abstammung und gute Erziehung nicht mehr ganz so viel. Klar, in erster Linie sollte sie wohl wie jemand Adeliges auftreten, aber wenn ich von ihr lese, scheint mir keine einzige Schwäche ihrerseits aufzufallen, so als hätte sie nicht einmal welche. Das hat dann nur noch wenig Humanes, so als hätte man sich hier einfach die Traumfrau seiner Träume gebastelt. Nun... momentan sind wir aber gerade erst bei Kapitel 4 und stehen praktisch noch am Anfang der Geschichte, weswegen ich das noch nicht so eng sehe. Schließlich kann sich da ja noch einiges bei ihr tun.


    Gruß Yura


  • Einleitung Arc / Der Hauptdarsteller
    Kapitel V - Kismetbrecher, Teil I
    15. Januar, Freitag.
    Wann entscheidest Du Dich, zu kämpfen?


    Den folgenden Tagesanbruch erlebte ich noch. Ebenso den übernächsten, hingegen der heutige Tag wäre nahezu zu meinem letzten geworden. Mildert seine unbestreitbare Relevanz nicht.
    Unverändert ist das Herrenhaus Berlitz nie zum Ort geworden, den ich Heim betitle. Über den Verlust von ebendiesem hinwegzukommen, bekam ich hingegen auf die Reihe. Nicht zuletzt dank Lady Berlitz' warmer Geste, die indessen Ausnahmesituation verbleiben sollte.
    Kaum ein Wort ist zwischen uns gefallen. Im Nachhinein würde mir die nächtliche Konversation wie die Berührung ihrer Lippen irreal, fiktiv vorkommen. Sie reagiert nicht einmal darauf, dass ich am Frühstückstisch den Sitzplatz des Hausherren ungefragt in dessen Gewänder gekleidet belege. Und vorziehe, mit Füßen auf der Tischplatte zu speisen. Seit sich die Hausdiener an meine individuellen Vorlieben gewohnt haben, ist der Aufenthalt im Adelshause mehr als pläsierlich.
    Das georderte Bühnenstück zu meiner Ehren haben sie für nur einen Tag Regie zufriedenstellend hinbekommen. Selbst Lady Berlitz hatte es vergnügt genossen. Obwohl sie auf meine Anordnung vom fettleibigen Küchenchef gespielt wurde. Und im finalen Akt durch vierzehn Ziegelhiebe gegen den Kopf ihr tragisches Ende fand. Sebastian bewies in meiner Rolle ausgesprochenes Improvisationstalent. Verzeihen kann ich ihm die inzwischen vierhundert Milliliter Lebenssaft trotzdem nicht. Gleichwohl fühle ich mich diesen Nachmittag beschwingt, Lebensgefühl wie Kondition finden zurück in meinen Körper.
    Unabdingbar, steht doch ein Schlüsselereignis bevor, welches sämtliche Stränge meiner bisherigen Aktionen zusammenführen soll.
    Ein verschneiter Winterfreitag taucht die Villenfenster in Graublau; die Einladung zum Festakt des Alpha-Tieres im Jubelstädter Adelsviertel Heute rechtskräftig. Gelassen auf dem Couchrücken liegend, nutze ich das Dach aus hellem Marmor als Spiegel, um den hellgrauen Mantelstoff zuzuknöpfen. Mit suspekter Sorgsamkeit kämmt Sebastian den sanften Verlauf meiner schulterlangen Haarsträhnen.
    Lady Berlitz im schwarzen Hauskleid strahlt frisch gebadet Schönheit und Vitalität denn je mehr aus, was mich bereits fünf Mal veranlasst hat, mit baumelndem Handschuh versehentlich ihre Arme zu streifen. Ich genieße ihre nervöse Reaktion: immerhin beobachtet ihr Vater via Camcorder gegenwärtig alles im für Videotelefonie bestimmten Konferenzraum.


    Routiniert ist das Familienoberhaupt sichtlich unruhig. Sein Profil auf dem Flachbildschirm, den ich vor Kurzem noch für ganz andere Zwecke missbraucht habe, gibt Sorge preis.
    - "Du hast im Gesellschaftszimmer übernachtet...?"
    - "O ja."
    Ich beobachte, wie sein dunkles Gesichtshaar ergraut und ihm die Augäpfel vor Sorge aus dem Haupt zu fallen drohen.
    - "Aber Goldstück! Zwischen dem Luftdruck im Erdgeschoss und Deinem Schlafzimmer liegen Welten! Du musst unter schrecklichem Kopfweh gelitten haben!"
    - "O, es war erträglich, Vater..."
    - "Hast Du ihr zumindest den Rücken warmgerieben, Lancelot? Unter ihrem Schlafplatz sind für gewöhnlich beheizte Ziegelsteine. So ist es nicht weit zur Lungenentzündung!"
    - "Vater, ich..."
    - "Lancelot, Du hättest sie in ihr Schlafzimmer tragen sollen...!"
    - "Siebzig Kilo, zwei Stockwerke?"
    - "Sie könnte einen Herzstillstand erlitten haben!", schnappt Herr Berlitz nach Luft. "Außerdem wiegt sie höchstens sechzig."
    - "Fünfzigtausendzweihundertfünfzehn Gramm.", schätzt Sebastian kennerisch.
    - "Wer bietet mehr?", kultiviere ich das Thema.
    - "...Wie geht es Dir, Vater?", wirft Lady Berlitz leidig ein.
    - "Ach, Du kennst mich doch, Goldstück, habe alles im Griff. Hast Du unter dem Fensterrahmen geschlafen, Goldstück?"
    - "Ja, hat sie.", vermerke ich, gespannt auf seine Reaktion. Diese enttäuscht mich keineswegs: schockiert fasst er sich an den gepflegten Schnurrbart.
    - "Du hast sie mit Sonnenmilch eingecremt, richtig?"
    - "O, Vater!" ruft sie impulsiv aus. "Er? Sonnenmilch? Wozu...?"
    Initiative ergreifend, springe auf und halte ihr von hinter der Couch einen langen Finger vor die Lippen.
    - "Sehen Sie, Herr Berlitz? Sie versteht nicht einmal, was Sie sagen wollen! Sie hat eine ganze Winternacht von nur zwei Zimmerdecken bedeckt unter dem Fenster verbracht! Strahlenvergiftung!"
    Zufrieden beobachte ich Herrn Berlitz' gutgläubige Zustimmung.
    - "J-ja... Dabei hat sie so blasse Haut! W-was tun wir jetzt, Lancelot?"
    Entschlossen schreite ich gen Badezimmer. - "Wir müssen sie nachträglich eincremen, nur so besteht noch Hoffnung. Wo ist...?"
    - "Auf dem Schiebetablett steht noch eine Dose Schlagsahne.", vermerkt Sebastian kooperativ.
    - "Seit ihr sous-exposé?", zetert das Situationsopfer verzweifelt. "Welchen Nutzen hat es, mich nachträglich mit Schlagsahne-...?"
    - "Ich sehe da keinen Widerspruch.", beschwichtige ich ihren Vater, bringe die Konservendose gebückt vorschnell am Kleidansatz knapp unter ihren Knien an und greife beherzt nach ihrem Stöckelschuh; zufolge ihrer gehetzten Reaktion ins Leere. Noch während ich durch Dosenschütteln weitere Angriffe ankündige, springt sie behände vorbei, schreitet rauschend über das Marmorparkett zur Tür. Geruhsam folge ich ihr: am Fenster in der Raumecke hat sie sich jeglicher Wege an mir vorbei beraubt. Der dichte Sahnestrahl prescht gegen die Scheibe, verfehlt nur um Zentimeter den rechten Goldclip in ihrem nachtschwarzen Haar. Aufgebracht weist sie auf den Türrahmen.
    - "Lancelot, Du wolltest gehen. Also gehe Bitte."
    Spielverderberin. Über die Schulter blicke ich zu Herrn Berlitz, der keinerlei Umstände hat, seine Tochter von meinem zweifelhaften Vorhaben in Schutz zu nehmen.
    - "Ich bin zu einem Fest der Jugendkultur eingeladen worden, Juan. Ich darf doch?"
    - "A-aber natürlich. A-aber sei Bitte pünktlich vor Zehn zurück. A-aber vorerst, creme sie Bitte ein!", phrasiert der Hausherr zitterig.
    - "Sie haben gehört, Lady Berlitz. Ich bin gütig, also dürfen Sie sogar Wäsche anbehalten."
    Eilends schnappt sie mir die Dose aus der Hand. - "Ich creme mich nachher selbst ein. Und Lancelot, Du gehst jetzt Bitte."
    - "Auf Wiedersehen, falls Sie bis dahin nicht Ihrer Strahlenvergiftung zu Opfer gefallen sind.", gebe ich mich geschlagen und demonstriere dem Hausherren mein Äußeres. "Wie sehe ich aus?"
    - "Erstklassig."
    - "Zum Anbeißen.", kommentiert Sebastian. Sanft neige ich das anmutige Haupt Lady Berlitz' zur Seite und nutze ihre Haarwellen als Sichtschutz, so dass einzig der zwielichtige Kammerdiener in meinen unzweideutigen Mittelfinger blickt. Zeitgleich umfasse ich fest die Finger der verdutzten Brünetten, sprühe mir ein Sahnehäubchen in den Handschuh und tupfe es auf ihre kühle Stirn. Mein Vorhaben verheißend, weicht sie meinem innigen Abschiedskuss ungeschickt aus; einen erwischten Teil der schaumigen Substanz aber darf ich mir von den Lippen lecken.
    - "Auf Wiedersehen.", teilt sie mir beherrscht mit. "Mache Bitte keinen Unsinn."
    Ihre unzugängliche Schönheit und ihr hypnotischer Duft füllen aus der Distanz von einem Meter weiterhin mein Vorhandensein aus, werden lediglich von ihren femininen Gesichtszügen übertroffen. Süßer als Spuren der Schlagsahne auf ihr; doch mein Empfinden bei ihrem Anblick bleibt bitter. Sie ist die Brillanz, die mich in meine Schranken weisen wird, hinderlicher für mein Vorhaben, als ihr vertrauensseliger Vater.
    Intensiv blicke ich in ihre geschlossenen langen Wimpern.
    - "Keine Sorge. Das Adelsviertel wird mich überdauern."
    - "Versprich mir, keine Dummheiten zu machen."
    - "...ich werde ein guter Junge sein.", besänftige ich sie schicksalsergeben. Ein letztes Mal winke ich in den Raum. "Auf Wiedersehen, allerseits. Mit etwas Glück seht ihr mich sogar wieder...!"
    - "Schonen sie Ihr Blut, junger Herr."
    - "Bis dann, Lancelot...!", ruft mir der Aristokrat im Flachbildschirm emsig nach, als ich bereits den Gang zur Haustür einschlage. "...Ach, Goldstück, wie kommt es denn eigentlich, dass Du im Gesellschaftszimmer übernachtet hast? Und, am Wichtigsten: wie ist der unerwartete Besuch des Präsidenten verlaufen?... Ihn hat doch niemand mit Stiefeln beworfen...? Haha."
    Ich kann mich an keinen so schnellen Sprint entsinnen.


    Frischer Wind weht mir seit längerer Zeit wieder den Geruch von Abenteuer und Freiheit entgegen. Die kahlen Bäume, das kunterbunte Laub des Anwesens scheinen erstmals unter meiner Präsenz nachzugeben. Der schmale Pfad, der mich in die asphaltierten, gepflegten Weiten des Adelsviertels führen wird, liegt unter meinen blitzblank geputzten silbernen Stiefeln, wie sie einst Ritter getragen haben müssen.
    Der maßgefertigte Mantelstoff verdeckt trotz starkem Wind den Großteil meiner Kleidung, bis auf Handschuhe und den weiten schwarzen Pulloverkragen. Zur Sicherheit befühle ich das versteckte Stück Metall im dunkelgrauen Ärmel.
    Die Interessen, gegen die ich vorzugehen denke, fühlen sich höchst ungern gestört... Trotzdem liegt ein gleichgültiges Lächeln auf meinem Gesicht, als am Eingangstor des Anwesens frostiger Wind mir durch die Strähnen weht. Geistesabwesend berühre ich mit erhobener Hand einen morschen Ast.
    Auf dass ich in einem Stück hierher zurückkehre.
    Frappiert registriere ich das federleichte Wesen auf meiner Schulter. Pechschwarz wie der kleine Körper der Federhut, stechen gelber Krummschnabel und Füße heraus. Die abwesenden Augen des Kramurx offenbaren ein sehr viel weniger scheues Wesen hinter ihnen.
    - "Was willst Du?"
    - "Bekrah...grüßt man so alte Freunde? Ich hätte Dir schon früher eine Visite abgestattet. Die Tafel vor dem Anwesen hielt mich ab. Dieser Bastard hat für alles vorgesorgt...!"
    Seine Stimme klingt jedes Mal anders; spricht er durch ein Kramurx, dementsprechend unangenehm kehlig.
    - "Du meinst... Arthur Benedict Berlitz,?", schweift mein Blick zur besessenen Krähe. Diese nickt übereifrig und mustert mich.
    - "Spielst gehorsam Deine Rolle, krah?"
    - "Lancelot Marian Libertine ist meine beste Rolle in dieser Welt."
    - "Dass ich nicht krache... Lache! Wie hässlich Du aussiehst! Solange Du Dich verstellst, landest Du nie bei ihr!"
    - "Eifersüchtig?", funkle ich zurück.
    - "Krah! Pah! Du gehörst mir alleine!"
    - "Das höre ich höchst ungern von vierhundert Jahre alten männlichen Verwandten."
    - "Krah? Na? Wie fühlt es sich an, seine eigene Identität nicht ausleben zu dürfen? Versaaager!"
    - "Sind wir beide. Ich in meiner Welt und Du in Deiner."
    - "Kraaaah! Jaaaa! Ich, weil ich von einer kleinen H**e verflucht wurde und du... Weil Du von einer gebärt wurdest, krahkrahkrahhahaha!"
    Außer mir greife ich nach dem Vogelhals und würge das krächzende Vieh mit beiden Händen. Dieses lacht unbeirrt weiter; meine Angriffsfläche ist auf die unschuldige Krähe reduziert. Er existiert in dieser Welt nicht. Indigiert lasse ich den lauthals weiterfeixenden Vogel fallen und schreite weiter.
    Lediglich die Hast meiner Schritte hindert mich am Vorhaben, den Vogel zu Brei zu treten.


    Randal Valenfredas Geschmack in Partyschauplätzen teile ich nur bedingt. Das Adelsviertel liegt nordöstlich des am Ozeanufer nahen Geschäftsviertels, was einen Ausblick auf das mit vereinzelten Eisschollen kämpfende Salzmeer zwischen Fleetburg und Jubelstadt verwehren sollte. Die aus massiven Felsen liegende Erhöhung am nächsten Punkt vor Route zum Erzelingen-Tor aber gibt einen unbeschreiblichen Ausblick auf die gesamte verschneit-metallene Weltstadt mit ihren Werbebannern, Wolkenkratzern und Einkaufspassagen frei. Ein phantastischer Ort, der im Ausmaß selbst den Hain um das Berlitz-Herrenhaus sprengt, aber merklich ungepflegter wirkt. Unebenes, kaum asphaltiertes Terrain führt in einer felsigen Linkskurve hinauf zum Anwesen, das Erinnerungen an feudale Grafenfestungen erweckt.
    Keine Springbrunnen oder Edelsteine; das schiere Ausmaß der Baut gibt unermesslichen Reichtum preis. Die vierstöckige Burgfestung in steinernen Naturfarben ist in ihrem altertümlichen Glanz erhalten, selbst der appetitliche Geruch nach Kanonenschwefel liegt in der Abendluft. Frappierend: dieser wahrlich historische Schauplatz dient gängigem Kampftrinken unter pubertierenden Aristokraten.
    Tief hole ich Luft, bevor ich unbeholfen am morschen Ring des hölzernen Tores anklopfe. Nachgebende Bretter knirschen beängstigend unter meinen Stiefeln. Tatsächlich; eine Zugbrücke!

    Als das massive Tor mit Ruck geöffnet wird, empfinde ich bei üblicher schallender Popmusik eine merkwürdige Kombination aus Erleichterung und Kulturschock. Vor mir steht grinsend der Hausherr, der die Abwesenheit seiner Vorfahren schamlos ausnutzt.
    Wie auch bei unserem Zufallstreffen strahlt er herablassende Lockerheit aus. Das Edelmetall an seinem Hals, der bis zum hageren Schlüsselbein und der weiß-lila Designeranzug sprechen Bände.
    - "Na, Ritterchen? Alles fit im...-"
    - "Lassen wir die rührenden Formalitäten sein, Randal.", raune schmucklos und erwidere seinen übertriebenen Handdruck. Zusammenfallend werfe ich einen kleinmütigen Blick auf den kräftigen Vierbeiner hinter seinem Rücken. "Hübscher Wau Wau. Wo hast Du den Kläffer aufgegraben?"
    Mit einer Handbewegung läßt er das Wesen näher tapsen und streichelt nicht ohne Stolz über dessen hechelnd grinsendes Wolfsgesicht. Ein durchtrainierte graue Hyäne mit gepflegtem dunkelschwarzen Fell, gelbroten Augen.
    - "Dieser Hundesohn heiß' Magnus, n reinblütiges Magnayen aus Landzucht. Den hab ich bekomm', als ich noch in die Lederwindeln gemacht hab'. Keine Muffe, der beiß' Dir schon kein Bein ab. 'S sei denn, ich befehl's ihm."
    Als beide noch breiter grinsen, fällt die Ähnlichkeit zwischen Herrchen und Hündchen ins Auge. Dieselbe gekräuselte kurze Mähne in mattem Schwarz; derselbe selbstgefällige Gesichtsausdruck. Sie hängen aneinander.
    - "Trinkt und tanzt der auch mit?"
    - "Ne.", schmunzelt Randal. "Aber die Speisekammer leerfressen und mir Weiber ausspannen, das kann er. Gell, Magnus? Außerdem hat der 'ne ganz spezielle Aufgabe. Aber das erfährst'e oben, oder willst'e hier feiern?"
    - "Unter der Zugbrücke? Nein Danke, die Viecher im Wasser versprechen kurzatmige Unterhaltung."
    Ich folge seinen behänden Schritten über die massiven, unverzierten Steintreppen mehrere Stockwerke hinauf, den immer eindringlicheren Bässen widerlicher Musik entgegen.
    - "Schneller, Du bis' sowieso verdammt spät dran.", ruft Randal durch das Treppenhaus vom vierten Stockwerk aus.
    - "Habe mich auf dem Weg hierher verlaufen. Diese Villen sehen doch alle gleich aus.", murmele ich angekommen.
    - "Tsk. Du Gartenzwerg.", - eine seltsame Bemerkung, überrage ich ihn doch leicht. Er mustert mich leicht außer Atem. "Bis'su auch wirklich adelig? Wie heiß'n Du eigentlich mit Nachnamen, Ritterchen?"
    Die Anmerkung hätte ich mir also sparen können. Hoffentlich provozieren Wertigkeit und Details an meinem Erscheinungsbild keine Zweifel. - "Wellington.", rufe ich am Mittwoch gehortetes Wissen auf.
    - "Echt? Dann is' der Klugschnacker hier also Dein Cousin oder so."
    Hm? Was macht der Typ denn hier; er gehört doch zu Lady Berlitz' Fraktion? Jemand, der beide Welten genießt? Kaum. Gemeinsam mit anderen Schlüssen ergibt dies eine mir immer ungeheure Kombination. Warnend zupfe ich Randal Designerfracks-Ärmels.
    - "Hey, Valenfreda. Ich bin in Wirklichkeit nicht zum Feiern hier. Irgendjemand hat vor, Heute Abend..."
    Ich werde durch zwei Personen unterbrochen, die aus dem linken Gang des bis auf wenige Teppiche und mittelalterliches Schmiedewerk kahl wirkenden Burgfoyers erscheinen. Die blonde junge Frau mit Strohhut, die mit aufgewühlter Mimik auf uns zueilt erkenne ich sofort als Lady Charlotte, den bedrohlich gebauten jungen Mann hingegen nicht. Die Luft ist klar und kühl, grelles Diskolicht dringt durch die Gänge.
    - "Randal! Wo warst Du denn? Du hast etwas im Fenster gesehen und bist ohne ein Wort weg... Habe mir Sorgen gemacht."
    - "Bin ich Dein Schoßhund, schreckhaftes Weib?", schneidet der Adelige geladen ab. "Kann ich für zehn Minuten weg sein, ohne jeden meiner Gäste informieren zu müssen?"
    - "T-tut mir leid, Schatz."
    - "Tut mir leid? Schatz? Du blamierst mich hier vor allen und Dir tut es bloß leid? Ich hab' Deine verheulte Visage so satt, geh' gefälligst, bevor Du die Partylaune versaust!"
    Ohne auch nur in meine Richtung zu sehen, verlässt Lady Charlotte mit gesenktem Haupt das Foyer; aufgebrachte Empathie lodert rauchiger in mir, als Randals Zigarre. Derweil springt Magnus freudig knurrend den jungen Mann mit Bodybuilder-Statur an; dieser hält die Schattenhyäne mit Stampfern seiner mächtigen Beine auf Abstand. Die Diskomusik belastet mein Trommelfell.
    - "Na, Du elende Töle? Lernst Deine Lektionen wohl nicht?"
    Der Handschlag mit Randal identifiziert ihn als seinen besten Kumpel. - "Hast'e die gesehen, Siegmund? Kaum bin ich weg, heult die gleich...! Ich glaub', ich hör' auf mit der.", jammert Valenfreda.
    - "Was habe ich Dir gesagt, Randy? Frauen sind halt nur an einem Ort zu was zu gebrauchen."
    - "In der Küche?", gebe ich meine anlässlich der Gesellschaftsschicht naive Schätzung ab. Tief auflachend registriert Siegmund meine Anwesenheit und wendet mir sein imposantes Profil zu.
    - "Schön wäre es... Wer bist Du denn eigentlich, Witzbold?"
    - "Den Kasper habe ich auf der Straße aufgegabelt.", vermerkt Randal grinsend. "Ist neu im Viertel."
    Aufrichtig betrachte ich Siegmund. Ein Kampfsportler. Unbedeutend größer, als Randal oder ich, doch bereits der Brust- und Schulterumfang denunzieren einen Gewichtsklassenunterschied. Das modische cremefarbene Livree harmoniert kaum mit mit seinen maskulin-groben Gesichtszügen des kurzhaarigen Blonden und dem kantigen Kinn, durch seine Enge erhält man aber eine Vorstellung von der schieren Masse seiner Muskeln. Schluckend betrachte ich seine riesigen Fäuste und male mir aus, wie hart es kommen würde, stehe er hinter dem Komplott. Bis jetzt stehen die Zeichen eindeutig.
    - "Siegmund.", stellt sich der Bodybuilder vor; wie sämtliche seiner Art strotzt er vor Lebenskraft und Enthusiasmus.
    - "Lancelot." Sein Händedruck hält, was er verspricht.
    - "Gut so. Du brauchst Männergesellschaft, Randy. Kommt, die Meute wartet auf uns." Randal setzt sich paffend den Gang entlang in Bewegung, an dessen Ende unerträgliche Licht und Lärm ihren Ursprung finden. Ich folge den beiden auf sicherem Abstand mit gespitztem Gehör, Magnus tapst enganiert hinterher. "Was bist Du überhaupt so angepisst? Lotte ist doch nur eine Übergangsvariante."
    - "Weiber reg'n mich in letzter Zeit nur noch auf. In Youth's Guide schreib'n se schon, die dreht Dinger mit dem Präsidenten!", bellt Randal grantig gegen das Getöse an.
    - "Berlitz würde ich es beinahe zutrauen, nicht aber diesen Käseblättern. Die treffen sich vielleicht Mal im Monat auf einen Tee."
    - "Darf ich's glauben, wenn se nich' einmal meine Einladungen beantwortet?"


    Abrupt werde ich aus meinen Gedankengängen gerissen. Der Gang endet in einem breit gefächerten hölzernen Stehpodium, das sich mehrere Meter über einer gigantischen Menschenmenge erhebt. Der unermessliche rechteckige Raum, offensichtlich der historische Speisesaal der Burg, beherbergt problemlos zahlreiche Büffettische. Und die größte Masse an grölenden Individuen, die ich seit mehreren Wochen zu sehen bekommen habe.
    Wie viele es wohl sind, dieser angetrunkenen jungen Leute mit metallisch glänzenden Augen in freizügiger Kleidungsform, die auf Randals Erscheinung auf der Bühne in euphorisches Brüllen verfallen? Sechzig wenn nicht hundert? Nach einer halben Woche im Anwesen der Familie Berlitz versetzt mich diese Zivilisation für Momente in heftige Bestürzung.
    Als gebürtiger Sinnoher bekommt man mit der Muttermilch Sagen über den Edelmut und die Kulturhoheit der höchsten Gesellschaftsschicht zugeführt. Dass Blaublütige sich in Miniröcken und Jeans, wenn nicht entblößten Oberkörpern, ihre ehrbaren Venen mit Promille bereichern; unter Einwirkung von geschmacklosem Lala und Hormonen den Verstand für ganze Nächte beiseite legen!
    Lediglich die Anwesenheit überfordert zwischen den Tischen eilender Kammerdiener und der mittelalterliche Handlungsort geben noch einen adeligen Festakt preis. Ich verweile im weggetretenen Geisteszustand. Randal und seine Schattenhyäne treten das Rampenlicht genießend der krakeelenden Menge entgegen.
    Auf die Erscheinung des Leittieres mäßigt der albern gekleidete DJ den unerträglichen Basssound riesiger Lautsprecher in den oberen Raumecken. Siegmund schreitet mit vor der Brust verschränkten Armen voran durch die kühle, leicht nach Schweiß riechende Luft des grell von improvisierten Diskolichtern beleuchteten Saals über die Bühne. Er kommt etwas hinter Randal zum Stehen.
    Ich beobachte das Schauspiel abseits.
    - "Wie feiert's sich, ihr Spasten!?", ruft Valenfreda larmoyant in eines von drei kabellosen Standmikrofonen. Die absehbare Antwort: Grölen, das selbst die noch vor Kurzem den Schallpegel angebende Musik übertönt. "Das is' astrein, denn gleich wird's noch geiler!!"
    Erneut gehen seine Worte aus den Lautsprechern in für mein Trommelfell mittlerweile kritischen Dezibel unter. Doch als dieses abzuklingen beginnt, hört man ein piepsiges Kreischen heraus. Eine trotz ihrer Molligkeit oben kaum bekleidete junge Frau brüllt sich heiter die Kehle aus dem Leibe.
    - "Du solltest ihr das Wort geben.", raunt Siegmund seinem Freund zu.
    - "Weiß'u denn, wie die heiß'?"
    - "Nein.", meint der Bodybuilder schelmisch. "Die trifft doch eher Deinen Geschmack, Randy."
    Leicht unbeholfen grinsend rettet sich Randal aus der Situation: "Jemand hat was zu sag'n! Ja, Bitte?"
    Das Wirrwarr aus lallenden Stimmen läßt nach, nun hört man ansatzweise die hechelnde Dame heraus: - "Wer ist das? Wer ist das? Wer... wer ist das?" Darauf Stille. Ich spüre förmlich das Unbehagen, das unzählige glasige Augenpaare in meinen verspannten Leib leiten. Nie habe ich Diskolampen an der hohen Decke als so grell empfunden.
    - "Das is' Ach, soll er sich selbst vorstellen."
    In weiterhin unliebsamer Lautlosigkeit greift sich Randal eines der benachbarten Mikros vom Stativ und überreicht es mir in gemächlichem Schritt. Ein kräftiger Klaps auf die Schulter und ich stehe am Rande der Szene, zwischen dem Leittier des Adelsviertels und seinem besten Freund aka Drahtzieher. Vor mir eine angetrunkene, erwartungsvolle Menge unbekannter Jugendlicher.
    Die Luft kühlt meinen verschwitzten Nacken, Stiefel knarzen kaum hörbar; fieberhafte Suche nach Worten, die mir hätten vorteilhaft sein können. Just als sich das metallische Mikro in meinem linken Handschuh wiederfindet, expandiert die Nervosität : es wird nicht funktionieren! Wie lege ich dies Randal nahe?
    Verkrampft hämmere ich mit dem Zeigefinger gegen den Kopfteil; um anhand der ausbleibenden charakteristischen Klopflaute in den Lautsprechern den maßgeblichen Defekt des Elektrogerätes nahezulegen. Doch als entgegen meinen Erwartungen tiefes Pochen aus den Boxen erklingt, pochen meine Schläfen mit. Mit verstört geweiteten Augen blicke ich zu Randal, der mit fiebrigem Unverständnis gegen mein Schweigen anstarrt. Nur Schwesterherz und mein Erzeuger können durch ihre Nähe den Fluch brechen.
    Bei Mew! Als Lady Berlitz beim ephemeren Theaterstück neben mir saß, hat ihre frischgekaufte Pokétch funktioniert! Welche Schlüsse...?
    Randals ungeduldige Stimme läßt mich aufhorchen.
    - "Komm'ste? Sag ein paar Worte!"
    - "Ein paar Worte.", murmele ich nach kurzem Räuspern selbstvergessen ins Mikro.
    Angetrunkenes Gelächter lockert die Stimmung, mit einem Mal stehe ich sicherer in den Stiefeln; mustere konzentriert die Menge. Distinguierte, sakrale Antlitze. Wenngleich keine Lady Berlitz oder Válentine Fate dabei sind, nimmt man ihnen trotz der Umstände ihre Abstammung ab. Am Bühnenrand stehend probiere ich mental Valenfredas Rolle als ihr Alpha-Tier an. Ich verspüre keine Geneigtheit zu dieser Rolle: die widerliche Musik, der Geruch von Schweiß und Alkohol in der kalten Luft; die zweckentfremdete Kulisse, die zweckentfremdeten Personen. Degradation.
    Randal führt die Generationselite feierlich und kostspielig den Abhang herunter.
    Jäh erstarrt mein schweifender Blick, als ich ein mir bekanntes Gesicht in der Menge entdecke.
    - "Du bist doch der Vollpfosten von Lady Berlitz' Theaterabend!", ruft Wellington mir zu. Rechts in der zweiten oder dritten Reihe, im Kontrast zu den meisten Anwesenden ehrwürdig gekleidet, mit Monokel und pseudointellektuellem Touch.
    - "Dasselbe wollte ich auch gerade sagen.", vermerke ich überrascht lächelnd.
    Wellington hat Pech; zum zweiten Mal wird er meinetwillen zur Lachnummer einer Menschengruppe, erneut sieht man ihm blanken Hass an und wiederholt schützt mich sichere Distanz. Aufgeheiterter Stimmung blicke ich in das bunte Gedränge, die jungen, lebensfrohen Antlitze, die entblößte Haut. Beinahe schon erwäge ich die Möglichkeit, mich in dieser Truppe gehen zu lassen, ihr gefragter Teil zu werden. Als mir das nächste Erschrecken durchs Abdomen fährt.
    Nicht nur Wellington, auch meine Bekannte Stuart ist unter den Leuten: die weißhaarige junge Frau mit großzügigem Brustumfang und herausforderndem Blick sieht in geschmackvoller Partykleidung und dunklem Lippenstift wirklich nicht schlecht aus, doch auch in ihr sehe ich mittlerweile nichts als Bedrohung. Auch ihre unansehnlichere Schwester erblicke ich anderorts.
    Was hat das zu bedeuten...?
    Als ich eine Weile lang an den in freudiger Erwartung ausgelassener Partyworte glasigen Augen vorbei schluckend gegen die Decke blicke, ergreift Randal die Initiative und nimmt das Mikrofon an sich. Die Menge junger Leute scheint fast etwas entrüstet zu sein, als ich wortlos und abtrete, um den Platzhirsch am Bühnenrand in seine gewohnte Rolle zurückkehren zu lassen. Doch im Endeffekt scheren sie sich nicht weiter darum: hauptsächlich, jemand bestätigt, dass weitergetrunken werden darf. Lediglich die Blicke meiner Bekannten vom Tischgespräch glaube ich, hartnäckig und missmutig an mir haften zu spüren. Vorsichtig schiele ich zu Siegmund an der entgegengesetzten Hinterflanke zu Randal: sein durchtrainierter Körper verweilt ruhig, die mächtigen Arme vor der Brust verschränkt. Er schielt zurück und läßt kaum hörbar seinen stabilen Nacken knacken.
    Beunruhigt wende ich den Blick ab und betrachte einen imaginären Punkt am Buffet. Magnus ist nirgendwo zu sehen.


    - "...Daher steigt Heute nicht irgendso'ne Party! Heute steigt die fetteste Party, die dieses spießige Viertel je gesehen hat!", beendet Randal zwischenzeitlich seine überdrehten Verkündungen vor der jubelnden Menge. Den Applaus genießend, brüllt er mit leicht heiser gewordener Stimme gegen den Lärm ins Mikrophon: "Seit ihr bereit für die ultimative Show!? Ja!? Ich hör' euch nich'!! Ja?! Dann haltet einander schön an den Auswüchsen fest, denn hier kommt se'!"
    Das Gebrüll, Getobe und Gekreische läßt mich vermuten, dass die Bereitschaft der meisten für die Entziehungsanstalt näher liegt. Doch Randal fühlt sich über dieser berauschten Ausgelassenheit, dem Licht und dem Lärm im eigenen Hause wohl. Er lebt dafür, von der Menge umjubelt zu werden und vernachlässigt sämtliche Moral zugunsten von Amüsement und Autorität.
    Dass Randal ein ungezügelter, derber und rücksichtsloser Schnösel ist, war mir von Beginn an klar. Doch sich was hernach ereignet, erschüttert selbst meine tiefsten Überzeugungen.
    Die basslastige Popmusik, die aus allen Rohren und Lautsprechern ohrenbetäubend erschallt, ist vorhersehbar gewesen, nicht jedoch die blitzartig erloschene Diskobeleuchtung. Alle Augen der Menge richten sich schlagartig in die Raummitte - den Ort, der im Scheinwerferfokus im gigantischen nächtlichen Festsaal erstrahlt. Als sich Augen und Ohren an die rasant wechselnden Umstände gewöhnt haben, erkenne ich die Umrisse eines länglichen eisernen Gitterkäfigs inmitten der Unmenge an Tischen und Betrunkenen. Eine dutzend Quadratkilometer breite Fläche innerhalb der meterhohen Kuppelform. Zwei Gänge links und rechts verbinden den Käfig mit höher gelegenen Ebenen der Burgarchitektur.
    Ein rostiger kahler Metallstab ragt zentral bis zur Decke im mittleren Kreis, kaum unübersehbar: die Masse an Leuten und Beleuchtung waren Grund, wieso ich den Zwinger, der den Saal optisch entzwei teilt, nicht früher registriert hatte. Vage erinnere ich mich aus Bilderbüchern über Burgen; die grausame historische Bestimmung dieses Gitters: hier wurden vor Jahrhunderten Kriegsgefangene festgehalten. Vor Hunger und Durst den Verstand einbüßend, mussten sie Tag für Tag zusehen, wie die siegreichen Ritter verschwenderisch speisen, tanzen und feiern. Mit den eigenen Kameraden um Essensreste kämpfen, die ihnen zur Vergnügung zugeworfen wurden. Wozu könnte eine solche Einrichtung in der Ära der Videotelefonie ihre Verwendung finden?
    Die Antwort beraubt mich jeglichen Sprachvermögens.
    Unter nicht nachlassendem Applaus und Boxenbeat verkündet der DJ mit Stimme eines professionellen Ansagers:
    - "Ladies und Gentlemen...! Um eure Gunst werden Heute erneut zwei vom Hause Valenfreda bereitgestellte Kreaturen kämpfen...! Begrüßt in der rechten Ecke... Ein namenloses Pachirisu; vier Monate jung!"
    Durch die Entfernung schemenhaft, rast eine gescheuchte Spezies hastig und desorientiert den rechten Gang zur Käfigmitte herunter.
    Das winzige Häschen besteht aus einem stacheligen weiß-blauen Schweif und einem im Vergleich zum knolligen Körper überdimensional großen Köpfchen. Mit gelben Backentaschen nebst dunklen Knopfaugen, die verschreckt Wärmefunken in der tosenden Menge suchen.
    "Und in der linken Ecke unser ungeschlagener Publikumsliebling, das namenlose Riolu!"
    Mit geneigtem Haupt und unter brutalem Jubel betritt von links ein einen halben Meter hohes Wesen die Käfigmitte. Seiner stoischen Erscheinung läßt sich Situationsvertrautheit entnehmen. Dennoch las man seiner jung und naiv wirkenden Mimik einen quälenden inneren Kampf ab: es scheint zu zweifeln, ob es den Applaus genießen sollte. Sein Äußeres ist schwierig aufzufassen: der blau-schwarze Körper wirkt zeitgleich sehnig und gebrechlich-schlank. Sein Gesicht erinnert auf edle Art an einen Schakal, Schweif und menschlich wirkende Arme mit stumpfen Auswüchsen auf den Handrücken erweitern die ungewöhnliche Erscheinung.
    Obwohl mir sämtliches Wissen fehlt, erkenne ich in den rot-schwarzen lebendig glänzenden Augen, dass es sich um ein seltenes und wertvolles Wesen handelt. Durch den kerzengeraden, betonten Gang auf den Zehen gewinnt sein Auftreten an Würde, die schwarzen Ohren hält es spitz und ignoriert den tosenden Lärm. Unbeirrt kommt es in der Ringmitte zum Stehen.
    "Jetzt zum wahren Star des heutigen Abends... Begrüßt Randals treuen Freund und Begleiter Magnus!"
    Die Schattenhyäne, der in der Ringmitte aus dem Nichts erschienen scheint, dreht auf seinen kräftigen Läufen stolz jaulend mehrere Ehrenrunden im Kreis; wie eine lichtfeindliche Phantombestie, die das jubelnde Volk in seinen Bann zieht. Nicht minder hochmütig bis in die Lefzen grinsend ergreift Randal das Wort:
    - "Sorg' dafür, dass 'se unterhalten werden, Magnus! Bedroher!"
    Majestätisch schreitet die dunkle, gut einen Meter hohe Schattenhyäne rektal an das verängstigte Pachirisu heran und beraubt es somit jeglicher Rückzugsmöglichkeit über den vergitterten Gang. Begleitet wird dieser grausam anmutende Akt von schadenfrohem Gejohle, einzelne Gitterstäbe werden mit sprießenden Funken unter künstlichen Strom gestellt, Lichteffekte und aufmotzende schwere Musikeinlagen. Die finstere, gewaltbereite Ausstrahlung, die Magnus' aufgestelltes Fell wie hinter angezogenen Lefzen sichtbaren spitzen Zahnreihen ausstrahlen, versetzen das Häschen endgültig in Todesangst.
    Piepend reibt es seinen Schweif am kalten steinernen Käfigboden und bläst furchtsam seine Bäckchen auf. Es demonstriert die mir vertraute Fähigkeit zur Bildung und Kontrolle statischer Elektrizität, denn im nächsten Moment geht das winzige Wesen in tödlich knirschenden Gelbblitzen auf, die Scheinwerferlichter überflüssig machen. Zuckend und zischend entstehen schmale Ströme, die von Luftmolekül zu Luftmolekül ziellos um den winzigen Körper springen, mit ihren Funken Kettenreaktionen einleitend.
    Wie in eine instabilen Harnisch gehüllt, rast der lebendige Stromgenerator in die einzige Richtung, die ihm bleibt: nach vorne, dem blau-schwarzen menschenähnlichen Wesen entgegen. Dem Riolu bleibt keine Chance zur adäquaten Reaktion, lediglich kann es seine Arme schützend vor den Körper halten, als es von hunderten Ampere Wirkungsfeld erfasst wird. Mit Geschwindigkeit, die man ihm kaum zugetraut hätte, rast das Pachirisu ohne seine Taten nachvollziehen zu können, in seinen Kontrahenten hinein. Der Geruch von Speisen und Alkohol den von verbranntem Fleisch aus; Jubelrufe Schmerzensschreie.
    Mir wird übel.
    - "Ein Funkensprung! Was für ein Tempo!", kommentiert der DJ. "Dieses Baby ist schneller als der Champion! Reißt die Siegesserie?"


    Nein. Das Riolu wird mit elektrischer Vehemenz trotz Block zurückgedrängt, seinen gesamten Leib durchzucken von oben bis unten unbeständige Spannungsbogen, doch es schenkt seinem Gegner zähneknirschend keinen Zentimeter. Seine Pfoten sind durch die im Durchmesser einen Meter erreichende jede Sekunde von unzähligen gelben Blitzen heimgesuchte Sphäre um den Körper des rasenden Häschens kaum sichtbar, doch man erkennt, dass sie sich im Boden verankert haben. Felsenfest. Statt sich in der höllischen Pein, die bei einem Erwachsenen Herzstillstand ausgelöst hätte, aufzulösen, akzeptiert es sie und hält ihr schreiend stand. Mit seinen angebrannten Pfoten bekommt es schließlich den materiellen Körper des Pachirisu zum Greifen, trennt ihn mit aller Kraft vom instabilen elektrischen Gitter und beginnt eine Rotation um die eigene Achse.
    Mit rasant anwachsender Periode, die einen bis zur Bühne spürbaren kalten Luftzug verursacht, wird der weiterhin schwache Stromstöße aussendende Hasenkörper am Schweif herumgewirbelt. Letztlich entfacht das Riolu durch Loslassen sämtliches gehortetes Momentum und läßt seinen Kontrahenten fliegen, so schnell, dass man den winzigen Körper nur noch als elektrisch geladenes Knäuel wahrnimmt. Dieser prallt mit unaufhaltsamer Vehemenz gegen das Dach der eisernen Gitterkuppel. Vor der freigesetzten komprimierten Luftdruckwelle muss sich selbst Magnus an den Käfigrand retten. Die ersten Zuschauerreihen können sich kaum auf den Beinen halten. Das Riolu atmet schwer, unzählige äußere Verletzungen werden sichtbar, von den inneren ganz zu schweigen.
    Das Pachirisu gleitet wie ein lebloses Stück Materie am kühlen Eisen herab auf den steinernen Boden.
    "Das ist eben Champion! Wieder ein phänomenal ausgeführter Konter! Dieses Baby war kein Gegner für ihn!", stachelt der DJ das Publikum an. Das Publikum brüllt. "Keine Sorge, unser Ärzteteam sorgt dafür, dass es weiterlebt, schließlich wollen wir noch mehr Kämpfe von diesem vielversprechenden Neuling sehen!"
    Das Publikum macht sich keine Sorgen. Jugendliche applaudieren und brüllen. "Nach einer kurzen Trinkpause geht es unverzüglich weiter, Mal sehen, wie viele Kämpfe in Folge der Champion ungeschlagen bleibt!"
    Nur eine Handvoll Gesichter in der Menge, überwiegend Bedienungspersonal, demonstriert eine menschliche Reaktion in Anbetracht des Geschehenen. Blankes Entsetzen. Mit dieser Attraktion hat Randal gelockt. "Das Wichtigste is': Baby-Pokémon. Und niemand schaut zu." Das Publikum ist zu angetrunken, von Licht und Lärm zu betäubt, um Lebewesen im Käfig kämpfen zu sehen.
    Das Publikum will unterhalten werden.


    Jetzt erst realisiere ich erneut, auf der Bühne zu stehen, registriere die Trockenheit im Rachen, meine steifen Glieder und angeschwitzten Handflächen, die bis ins Unmögliche geweiteten Augen. Noch ein wenig und ich hätte Silber in den Venen. Noch ein wenig und ich hätte mich übergeben, hätte den Boden unter den Füßen verloren. Das ist Irrsinn...!!
    "Amüsiert euch auch weiterhin, die Fete hat erst begonnen, Ladies und Gentlemen! Vergesst auch nicht, wem ihr diese Party zu verdanken habt! Wem habt ihr sie zu verdanken?
    Allmählich erlange ich mein Körpergefühl wieder und schreite im Halbdunkeln leicht benommen über die Bühne zu Valenfreda. Seine mit Ringen behängten Hände sind in den Taschen der teuren Designerhose verscharrt; mit euphorischer Mimik beobachtet er das Schauspiel. Das Publikum beginnt, wiederholt seinen Namen zu skandieren.
    - "Ich habe nich' zu viel versprochen, huh, Ritterchen?"
    Er kann den metallischen Gegenstand, den ich wenige Zentimeter vor seinem Nacken halte, weder sehen noch fühlen, höchstens meinen durchlöchernden Blick, der sich Widerwillen zu materialisieren beginnt. Nervös lasse ich das Metall zurück im Mantelärmel verschwinden: nicht gegen ihn soll die Waffe gerichtet sein.
    - "Beende das. Sage ihnen, dass die Party vorbei ist, Randal.", drücke ich schwer atmend und schluckend aus mir heraus. Der eng genähte Mantelstoff um die Schultern und Arme wird trotz der Kühle hinderlich.
    Oberflächlich lachend dreht der Adelige mir seine grinsende Visage zu und hebt begeistert die Arme; hinter ihm unverfälschte Anarchie und Degradation. Seine dunklen Augen schleudern verschlingende Begeisterung und Gier durch mich hindurch, die ebenso materiell sind, als meine versteiften Fleisch und Blut.
    - "Beenden? Vorbei?", schreit er hysterisch gestikulierend gegen den Lärm an. "Die Party beginnt erst, has'te nich' gehört? Sie bejubeln uns! Darin liegt der Sinn des Lebens! Zu beweisen, dass Du besser bist, als andere, zu unterwerfen und bejubelt zu werden! Strebst Du nicht auch danach, Lancelot...?"
    Kurz halte ich inne. Strebe ich danach?... Nein. Ich habe mein Schicksal als Versager längst akzeptiert.
    Schmerzhaft überkommt mich das Verständnis, dass ich trotzdem nicht auf seiner Seite stehe. Ich werde ihm helfen; ich muss. Aber ich verabscheue ihn.
    "Was glotzt Du?... Denk' ja nicht dran, den Ritterlichen zu spielen...!", kräht Randal und zündet sich im Halbdunkeln eine neue Zigarre an, muss beim Versuch, sie in seinen Mundwinkel zu stecken aber husten und schleudert sich wutentbrannt davon. "Lies' mir jetzt bloß keine Leviten, ja...? Jeder beißt sich in dieser Welt durch wie er kann! Was denkst Du, wieso sie... Ihr alle euch mit mir abgebt, obwohl ich der letzte Wichser bin!?Na weil ich Kohle habe und das auch demonstriere! Wenn Du vorhast, mir die Party zu verderben, dann zisch' ab! Hinter Dir is' die Tür! Ich und Siggie werden derweil..."
    Ein Hauch von Nervosität macht sich auf der auch so emotionale Instabilität preisgebenden Mimik des Schnösels preis, als ein Rundblick auf der Bühne die Abwesenheit des Angesprochenen verrät.
    "Siggie? Lotte? Verdammt...", jammert er. "Wo sind die Leute, wenn man sie braucht...?"
    - "Die Frau, die Dich liebt, hast Du eigenhändig fortgeschickt. Und Dein bester Freund verrät Dich ebenso.", kläre ich ihn über den Stand der Dinge auf.
    - "Sei doch leise! Ich weiß selbst mit meinem Gefolge umzugehen...!"
    Ohne auf seine Worte einzugehen, fahre ich fort, die aufkommende Gefahr verspürend: "Diese Burg besitzt ein Dachgeschoss, richtig?"
    - "Ja, aber..."
    Wortlos wende ich mich ab. Mein Denkzentrum ist konzentriert auf Zusammenhänge, die sich ergeben, die Lippen geschürzt. Ich darf keine Sekunde länger mit diesem in Papas Kohle badenden Kleinkind verschwenden.
    "Du haust ab? Schönen Heimweg! Überbring' Berlitz, dass ich trotzdem noch von ihr bekomme, was ich will...! Die Leute lieben mich! Ich bin der alleinige Lord dieses Viertels...! Ich brauche weder Kameraden, noch Moralapostel..!"
    - "Alles, was Du siehst, wird durch meine Hand ein Ende nehmen, Valenfreda."
    Die Jubelrufe hinter meinem Rücken verschmelzen zu einem betrunkenen Stakkato, der DJ sagt feierlich den nächsten Irrsinn an. Meine metallbesetzten Stiefel klacken über den länglichen steinernen Korridor zum Treppenhaus, den bereits unzählige Ritter passiert sein mussten auf die Notwendigkeit, ihren Lord zu verteidigen. Ich wäre gerannt, doch meine Kleidung und das Metall im Ärmel erschweren meinen Gang. Wie viele es wohl sind...? Fünf...? Sieben...? Ein Berg von einem Mann. Ich bin alleine. Wie sollte ich vorgehen...? Durch die kahlen Fenster des Burgfoyers sieht man Jubelstadt und das Adelsviertel.
    Randal brüllt mir nach:
    - "Ich weiß alles über Dich, klar, Libertine? Ich weiß, wieso Du siebzehn Mal College wechseln musstest! Von uns beiden bist Du eindeutig der größere Dreckskerl...!"
    Überrascht lächelnd bleibe ich stehen. Ich muss also niemandem etwas vormachen. Fein. Nahezu erheitert beschleunige ich meinen Schritt, die Popmusik im Rücken beschleunigt meinen Puls weiter.
    Seit wann bin ich der Ansicht, Gewalt sei eine ineffektive Methode?


    Ich bin angekommen. Am Ort, der meine Existenz im Adelsviertel resümieren wird. Versage ich jetzt, brauche ich weder Randal Valenfreda, noch Lady Berlitz unter die Augen zu treten. Werde Galaktik nie stellen können. Dafür war alles durchgeplant.
    Wie kalt und herrlich diese Winternacht ist. Der dunkelgraue Himmel wirkt auf Maximalhöhe der Burg zum Greifen nahe wie nie. Kein Vogel über Jubelstadt entthront die metallischen Wolkenkratzer in der Ferne. Den linken unebenen Hang herunter befinden sich zahlreiche Anwesen, die in gepflasterten Brunnenalleen zusammenlaufen, bis sie schließlich Asphalt und Werbebannern weichen. Und letztlich in grauen, nach Konsum, Kommerz und modernen Wertsystemen anmutenden Betondschungeln jegliche Individualität verlieren.
    Ein atemberaubender Ausblick, den ich nicht lange genießen können werde. Irgendwo in der Ferne schimmert der frostige Ozean nach Fleetburg hindurch. Irgendwo sind Menschen glücklich, Adoleszenten lachen den Stand entlang rennend und in ihren Wohnungen verspätete Silvestergeschenke öffnend. In dieser Sekunde verirren sich Geschäftsleute hektisch telefonierend in endlosen Einkaufspassagen. Milliarden verschiedenfarbiger Lichter in Glasröhren. Neuer Technikkram wird in beleuchteten Pavillons präsentiert, Geeks schießen Fotos davon. Rockbands treten vor jubelndem Publikum auf. Schnee bedeckt jedes Anwesen, jedes Industriegebäude, jede Straße, jede Mütze. Nervöse junge Männer, die ihrer Herzdame die Liebe gestanden haben, werden von ihnen zärtlich auf die Lippen geküsst.
    Was Lady Berlitz wohl alleine in ihrem riesigen Anwesen macht inmitten des Hains, der von hier aus in geheimnisvollen Goldtönen schimmert?
    Ob sich der Ast, dem ich versprochen habe, in einem Stück zurückzukehren, noch an mich erinnert?
    Was ist diese Welt für einen einzelnen Menschen, der in all dem nie sein Glück finden wird, wert?
    Die steinernen, schneebedeckten Stufen, die ich zur höchstgelegenen Plattform aufsteige, wissen die Antwort nicht. Das Obergeschoss der Burg ist überraschend eben und gleichmäßig, bis auf zackige Schutzvorrichtungen am Rand der gut ein Viertel Quadratkilometer großen Fläche, zu denen gedrehte steinerne Treppen führen. Sie wirken angesichts der kolossalen Freiräume auf dem mittelalterlichen Gebäude unterdimensional klein, schützen aber vor den tosenden Winden Sinnohs. Die Luft wie Gebirgswasser.
    Mein Puls wie der Tanz einer scharfen Klinge um fragile Knochenkonstruktionen. Mein Ziel liegt direkt vor meiner Nase. Betätigt man den massiven, unter einem Turmdach verdeckten Zahnradmechanismus im Zentrum der Plattform, senkt sich ein Hebel und so öffnen sich die Käfige, die ein Stockwerk niedriger das betrunkene Publikum von verängstigten und gequälten Gladiatoren trennen. Dafür aber bedarf es aber der Körperkraft, die einst mehrere Ritter besaßen. Kein Wunder also...
    - "Sei gegrüßt, Neuling. Hast Du Dich verlaufen...?"
    Siegmund. Seine muskulöse Gestalt erscheint aus Entfernung von fast hundert Meter ebenso bedrohlich, wie aus nächster Nähe. Ich bin zu konzentriert, um ihm eine Antwort zu geben. Wellington. Beide Stuart-Schwestern. Alle hier. Und ein schweigsamer junger Mann mit hervortretendem Adamsapfel, den ich nicht kenne. Insgesamt fünf Personen. Mute ich mir zu viel zu...? Zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, denn einfach gehen werden sie mich nicht lassen, wo ich von der Verschwörung so viel w...
    Im nächsten Augenblick wird mir die Bestätigung für diesen Gedanken ins Gesicht gedruckt. Buchstäblich.
    Eine mit Ringen beschwerte Faust trifft mich wuchtig rechts zwischen Auge und Oberkiefer. Ich habe zu spät registriert, wie nahe Wellington eigentlich stand. Mein Wangenknochen dröhnt, der Impuls wird in den Schädel weitergegeben. Der Schmerz ist erträglich, doch die kurzweilige Desorientierung läßt mich halb zu Boden gehen. Nur langsam öffne ich die Lider; vergewissere mich durch Abtasten, dass die massiven Ringe mir die Haut nicht aufgerissen haben. Nun bestimmte ich Positionen und Entfernungen: Wellington direkt vor mir, er muss Wache gestanden haben.
    Die Schwestern pendeln in der Plattformmitte leicht auf und ab und halten zum Kälteschutz die Arme um die Brust, was der Älteren sichtlich mehr Mühe bereitet. Der mir unbekannte junge Mann lehnt schweigsam gegen eine Burgmauer links. Siegmund bildet den Mittelpunkt.
    - "Davon habe ich schon lange geträumt.", teilt Wellington mit.
    - "Schön, wenn ich Träume erfüllen kann... Wie lange seit ihr bereits hier?"
    - "Jetzt stellen wir Fragen.", schneidet die junge Frau, mit der wir uns vor zwei Tagen mehr als gut verstanden haben ab.
    Der offensichtliche Drahtzieher schreitet imposant die breiten Schultern auflockernd in meine Richtung. Weiterhin leicht benebelt, richte ich mich auf, werde aber sofort von Wellington am Mantelkragen gepackt.
    - "Wer hat Dir erlaubt, aufzustehen?"
    - "Lass das, Victor.", beschwichtigt Siegmund. "Ich würde mich gerne mit ihm unterhalten."
    Ebenso grob wie er mich gepackt hat, stößt mich Wellington von sich. In Gedanken vertieft, ignoriere ich weiterhin den Schmerz in meiner Wange und trete mit gesenktem Blick dem Bodybuilder entgegen. Das wird wehtun. Kurz vor Mitte der Plattform bleibe ich stehen und bemerke, dass ein gigantisches Fallgitter um den Turm das Burgzentrum bedacht. Durch das einen Meter tiefe Eisen dringen Licht und Bass der unten tobenden Fete, selbst die Stimme des Ansagers ist ansatzweise hörbar. Halte noch einige Minuten durch, namenloses Riolu. Obwohl ein Blick auf Siegmunds Oberkörper verrät, dass es länger dauern könnte.
    Er legt mir provokant einen Arm auf die Schulter; besorgt zusammenzuckend spüre ich sein beachtliches Körpergewicht auf mir lasten.
    "Du ahnst bestimmt, dass wir hier nicht für den Panoramablick hergekommen sind, Neuling..?
    - "Ja", gebe ich schluckend in seine grinsende Visage zurück. "Ihr habt vor, den Käfig zu öffnen, um die Gefangenen zu befreien."
    - "Und... Du weißt, was dahinter steckt?"
    - "Ja... Eine Art Verschwörung."
    Sein Grinsen wird breiter. - "Und Du bist der Held, der uns aufhalten wird, richtig?"
    Unsicher nicke ich. "Ich dachte eigentlich, Du würdest auf unserer Seite stehen. Wieso bist Du so erpicht darauf, Randal zu helfen?"
    - "Randal ist mir inzwischen gleichgültig... Aber es gibt eine Frau, die ich zu Unrecht erniedrigt habe. Ich bin ihr etwas schuldig."
    - "Große Worte. Und ein wirklich männliches Motiv...", räumt der Bodybuilder ein. "Du hast mich von Anfang an intrigiert, Neuling. Umso mehr interessiert mich... Kannst Du Dir Deine große Klappe auch leisten?"
    Durch das hautenge cremefarbene Livree werden unzweideutig die Konturen seiner Brustmuskeln sichtbar, die auf meiner Schulter lastende Masse schätze ich mittlerweile auf eine Zehntel Tonne. Unverändert blicke ich in das grinsende kantige Gesicht des Blonden. Trotz der Kälte läuft es mir heiß Nacken und Rücken herunter. Der grandiose Ausblick wird faktisch ausgeblendet. Ist es das wirklich wert...?

    Sein erster Schlag fällt derart offensichtlich aus, dass ich selbst in meiner jetzigen Verfassung reagieren kann. Wie ein heißer Komet rast seine riesige Faust an meiner pochenden Schläfe vorbei, die schiere Wucht klingelt mir als eisiger Wind in den Ohren. Meine Füße erkennen reflexiv die Notwendigkeit, Distanz zu gewinnen, vorerst nach links, doch da, von meiner Schulter aus, zischt ein absolut verheerender Schlag von unten nach oben heran, der Bodybuilder braucht noch nicht einmal wirklich auszuholen, damit sein Arm ähnlich einer Eisenstange fungiert. Noch kärglicher, als ich dem ersten Schlag entkommen konnte, drehe ich meine Schulter gerade noch am zweiten vorbei. Nockchan? Kapoera?...Welcher Kampfsport ist das...?
    Meine Gedanken wechseln einander kurz und unvollständig überschlagend ab, Siegmunds breite Gestalt scheint trotz der Weitläufigkeit der Ebene das Maßstab für Entfernungen zu sein. Ich versuche, um jeden Preis aus seiner Schulterspannweite zu entkommen und stoße mich mit dem rechten Stiefel in die entgegengesetzte Richtung ab, registriere zu spät, dass sich der Bodybuilder mit für seine Vehemenz erstaunlicher Geschwindigkeit eine inverse Kurve um die eigene Achse dreht. Kicklee...!!


    Mit der krachenden Exekutive eines Hammers teilt sein aus der Drehung ausgeführter Tritt, durch meinen eigene Bewegungsrichtung verstärkt, meinen Körper gefühlt in zwei Teile, angefangen von den untersten linken Rippen tritt der Impuls aus meiner rechten Achsel aus, um sich in den niedrig und endlos scheinenden grauen Himmel zu bohren. Mich überkommt die grässliche Furcht, nie wieder atmen zu können, so resolut wie sämtliche Luft meinen Lungen entweicht. Meine weniger in Mitleidenschaft gezogene Körperhälfte nimmt unsanften Kontakt mit dem Boden auf, mein Mantel schützt nur geringfügig vor der brachialen Wucht seiner technisch perfekt ausgeführten Angriffe. Ohne Schwierigkeiten kommt Siegmund zum Stehen und blickt herablassend auf mich nieder.
    "Schon vorbei...?', wundert er sich. "Bin noch nicht einmal warm geworden."
    Sieht danach aus, denn ich wirke nicht nach Aufstehen. Kein Wunder, denn selbst die Atmung stell für mich momentan eine seriöse Herausforderung. Nachdenklich schweigend verharre ich im Halbsitzen auf dem kalten Gitter.
    "Ich bin fast schon enttäuscht, weißt Du...? Ich dachte, dass es im Adelsviertel endlich jemanden gibt, der hinter seinen Worten steht.", kann Siegmund gut reden. Entspannt trippelt er auf der Stelle, um seine mächtigen Beinmuskeln zu lockern. "Ich bin ja der Meinung, dass ein Mann vorlaut sein darf, solange er Verantwortung für sein Mundwerk übernimmt. Aber Du bist glatt als Demonstrationsmaterial für Wörterbücher geeignet. Unter "große Klappe nichts - nichts dahinter", weißt Du?"
    Die Worte des Bodybuilders ergeben Sinn.
    Ein rhythmisches Klacken über die steinerne Burgpflasterung kündet den Eintritt der hübschen Stuart in mein eingeschränktes Sichtfeld an. Desinteressiert zündet sich die Weißhaarige eine Zigarre an, bleibt nebst Siegmund stehen und verschränkt die Arme unter der beachtlichen Oberweite.
    - "Das war bemitleidenswert, Ritterchen. Erwartet ja niemand, dass Du Siegmund schlägst, aber sich nach so großen Tönen nicht einmal wehren zu können... Wie könnte ich Dir eigentlich meine Telefonnummer geben...?"
    Tja. Mitleid ist zweifelsohne das Schlimmste, was eine Frau für Dich empfinden kann. Schade; in Wirklichkeit gefällt sie mir ihr Stolz.
    - "Nicht der Rede wert.", resümiert Siegmund. "Victor, Sampson, Abigail - bringt den Clown weg, der hindert mich an der Arbeit."
    Mir weiterhin die Rippen haltend, betrachte ich die jungen Leute vor mir: auch sie sind brillant und stolz; würden glänzende Autoritäten für das Adelsviertel darstellen. Der Nebel meiner inneren Zweifel verdichtet sich. Hätte ich ihnen bei ihrem Vorhaben beistehen sollen...? Mittlerweile hätten sie mich ohnehin nicht einmal dabeihaben wollen. Ich registriere, wie Feuchtigkeit in mein rechtes Auge steigt, verdecke mit einer Hand meinen verräterischen linken Mundwinkel.


    Zumindest ist die Aussicht von hier aus überwältigend. Die Gesellschaft läßt zu wünschen übrig, besteht sie doch aus einem Möchtegern-Intellektuellen, der mich bei jeder Gelegenheit niedermachen würde, einer eher unattraktiven Dame und einem schweigsamen jungen Mann, der lediglich alle paar Minuten nervös an seiner teuren Kleidung zupft. Doch Muttersöhnchen haben sich nicht zu beschweren, so zumindest Wellington. Der Grund für diese Betitelung liegt nahe: bei jeder Träne, die mir die leicht gerötete Wange herunterläuft, murmele ich kleinlaut "Mami wäre stolz auf mich."
    - "Deine Mami wäre vor Scham im Boden versunken, hätte sie Dich gesehen, klar?", weist mich Wellington geladen zurecht, bricht kurz darauf jedoch in schadenfrohem Gelächter aus. "Zumindest warst Du für einen Lacher gut. Aber jetzt muss ich hier auf Dich aufpassen und mir ist verdammt kalt. Also trete ich Dich für jede zwei Minuten, die ich hier draußen Wache stehen muss, in die Rippen."
    - "Klingt nach 'nem Deal.", gebe ich mit verweichlichter Stimme zurück.
    Tatsächlich wird die Kälte unerträglich. Die Burgmauer, gegen die ich mit dem Rücken lehne, kämpft gegen Frost an. Die Nacht rückt in fühlbare Nähe, so dass auch Mantel und Handschuhe nicht gegen den erbarmungslosen Wind auf der Burghöhe helfen. Neben Großstadt schwingt auch salziger Ozean mit. Wenige Meter hinter mir führt es hundert Meter in die Tiefe. Von der Schützenebene aus sieht man nicht, was im zentralen Teil der Burgdecke vor sich geht. Metallisch knarzende Geräusche aus Turmrichtung jedoch geben ausschlaggebende Hinweise.
    - "Wahnsinn...", wispert Stuart, ihren mageren Leib über die steinerne Erhebung zwischen Schützenebene und Plattform gedrückt. "Siegmund bewegt den Mechanismus mit bloßer Körperkraft...!"
    - "Kalte Tage, heiße Träume, was, Abigail?", feixt Wellington herablassend. Gekränkt wendet die im Vergleich zu ihrer Schwester reizlose junge Frau den Blick ab und mummt sich gegen die Kälte tiefer in ihren teuren, schmucklosen Mantel. "Übrigens...", plappert der Aristokrat unbeirrt weiter. "Isabella hat nach unserem Theaterabend wirklich gehofft, dass Du sie anrufst. Aber..." Er lacht kurz auf. "...für so etwas sind wir uns zu wertvoll, was, Muttersöhnchen...? Ob Marches, Siegmund oder Randal, wen ich auch frage, sie alle meinen, dass ihnen nur Berlitz zusteht. Einen Dreck!" Gereizt huscht er mehrere Schritte voran und tritt mir schonungslos in die Rippe: zwei Minuten sind um. "Wenn alles vorbei ist, gehört sie mir!"
    Neben dem Schmerz macht sich Rage in mir breit: Berlitz ist nicht euer Objekt der Begierde! Sie hat Gefühle!
    - "Es war Deine Idee, sie von Randals Namen zu erpressen, richtig?", hinterfrage ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    - "Alles war meine Idee...!", verkündet der Aristokrat lauthals. "Siegmund ist der Arm; der Kopf hinter der Sache bin ich alleine...! Siegmund hat lediglich Randal so beeinflusst, dass er zu trinken und feiern beginnt...! Wir hatten vor, Berlitz für den Gesichtsverlust der Adeljugend die Schuld in die Schuhe zu schieben... Aber durch einen Zufall kamst Du uns am Theaterabend zuvor. Als Siegmund davon erfuhr, war er begeistert und wollte Dich sofort in unsere Gruppe einweihen - ich war dagegen, er und Isabella waren unerbittlich. Am Ende habe ich natürlich Recht behalten: Du bist auf der Seite Randals und noch dazu eine Heulsuse." Grob zieht er mich an den Haaren am Hinterkopf. "Leute aus sicherer Entfernung beleidigen, große Töne spucken und wehrlose Frauen niedermachen: das ist alles, wofür Du gut bist, was?"
    Mir ist kalt, eine weitere Träne rinnt mir die Wange herunter. Sein Gesicht in der Nähe wissend, wispere ich weiter:
    - "Mutti wäre stolz auf mich. Im Vergleich zu ihr bin ich Nichts... Und Randals Briefe... Wer hat die...?"
    - "Das Haus Stuart hat ein Monopol auf die Überlieferung von handgeschriebenen Briefen in Westsinnoh. Es war ein Leichtes, sie abzufangen. Wir haben sie laut vorgelesen und uns köstlich amüsiert. Randal ist ein Dreckskerl, aber sie liebt er wirklich. Pech, denn Heute wird sich alles ändern...!" Nicht ohne Stolz tritt Wellington auf die Schwelle zwischen Plattform und Schützenebene und blickt Richtung Jubelstadt. "Berlitz und Valenfreda sind auf bestem Wege, die unangefochtenen Autoritäten im Adelsviertel zu werden.
    Alles hat damit begonnen, dass die ewigen Zweiten, Isabella und Siegmund, diese Rollen für sich beanspruchen wollten.
    Er hat das Vertrauen von Valenfreda und seinen Anhängern gewonnen, sie das von Lady Berlitz und ihrer Teegesellschaft. Menschenkenntnis ist ihre einzige Schwäche, bei Randal ist es seine Liebesabhängigkeit. Es war mein Meisterplan; die beiden wären von alleine nie darauf gekommen. Später ist auch Abigail dazugekommen: die macht auch bei allem mit, um bei ihrer Schwester und Siegmund zu sein. Und der Samson..." Er weist auf den nervösen jungen Mann mit hervortretendem Adamsapfel. "...ist sowieso nicht ganz dicht. Zu fünft haben wir diesen Tag genau geplant. Nutzen die Ablenkung und betätigen den alten Mechanismus, der die Käfige öffnet. Wir lassen die zehn-zwanzig Pokémon frei, die Valenfreda als Attraktion missbraucht und hetzen sie auf die betrunkene Menge.
    Du kannst Dir vorstellen, dass das Ende seiner Feten stellen wird, wenn die Erwachsenen erfahren, was hier vor sich ging. Danach decken wir auf, dass Lady Berlitz die gesamte Zeit durch die Briefe scheinbar informiert war und den Feten hätte ein Ende setzen können, aber zu stolz war. Der Ruf der Häuser Valenfreda und Berlitz wird geschändet sein, ihre Autorität unter der Jugend sowieso. Und dann..." Seine Monokeln glänzen begeistert, als er die Arme zum Stadtpanorama Jubelstadts hebt und sein Atem rauchig vom Wind aufgenommen wird. "...dann werden endlich wir das Sagen haben."
    Entgeistert starre ich ihn an. - "...D-das könnt ihr doch nicht machen...!", schluchze ich.
    - "Bei meinem Meisterplan bleibt selbst Dir die Klappe hängen, was? Wer wird uns daran hindern...?"
    Plötzlich werde ich unglimpflich am Kragen hochgezerrt. Ich kann nichts nachvollziehen, da schlägt der mir unbekannte junge Mann mir schonungslos in den Magen.
    "Samson ist leicht reizbar. Vor allem kann er Heulsusen nicht ausstehen."
    Ich breche zusammen gegen die Burgwand. Samson aber hat nicht vor, aufzuhören. Während die eine Wand mich festhält, schlägt die zweite mir ungerührt weiter in den Unterleib. Erst nach vier-fünf weiteren Hieben wird er hektisch von Wellington weggezerrt. Sein Gesichtsausdruck untermauert die Aussage um seine psychische Unzurechnungsfähigkeit.
    "He, Samson, ist gut, der hat seine Lektion gelernt..! Komm, wir warten auf der Treppe...! Passe auf ihn auf, Stuart, wenn er einen Mucks macht, rufst Du uns, klar...? Siegmund sollte in einer Viertelstunde fertig sein."


    Ein Irrer...! Mit pulsierender Pein im Abdomen rutsche ich an der schneebedeckten Burgmauer hinab, auch die Kälte kriecht unerträglich in jede meiner Zellen. Ich komme mir wahrlich nichtig vor, was einen weiteren Tränenfluss aus dem rechten Auge provoziert; so langsam sollte ich aufhören.
    Nun kann ich nicht einmal die Aussicht hinter mir genießen, die Trennwand und metallisch-knarzende Geräusche sind alles, was ich wahrnehme. Wie in gedämpfter Ferne unter steinernen Wänden erklingende Popmusik erklingt, ist die Fete weiterhin in vollem Gange. Ich versuche, wieder regelmäßig durchzuatmen, taste meine Mundwinkel nach Blut ab. Selbst Wellington hat das Interesse an mir verloren. Was hält mich noch hier...? Ein Detail.
    Die bei mir verbliebene junge Frau blickt mit ihren sanften Augen vorerst an mir vorbei in das nächtliche Panorama, tritt nach einer Weile jedoch besorgt an mich heran.
    - "Geht es...?", fragt sie mitleidig.
    - "Schon in Ordnung.", wispere ich ohne den Kopf zu heben.
    - "Das war mutig von Dir. Aber dumm."
    - "Mutti wäre stolz auf mich. Im Vergleich zur ihr bin ich Nichts."
    Kurzes Schweigen. - "Hast Du das wirklich getan, weil Du Gewissensbisse hattest wegen dem Mittagessen mit Fate...?"
    - "Mutti wäre stolz auf mich.", wiederhole ich, absichtslos, ihr mehr zu verraten. Sie lächelt leicht und beugt sich zu mir herunter. Es steht ihr, wenn sie lächelt.
    - "Ich wünschte auch, meine Mutter wäre stolz auf mich. Aber Grund dafür gibt ihr nur Isabella... Sie ist in allem besser.", flüstert sie zu Boden blickend. "Ich...ich bin nicht neidisch, Nein. Aber das Schlimme ist... Alle meinen, ich... Ich wäre neidisch."
    Beschwichtigend berühre ich mit einem Handschuh ihre Schulter und lächle schwach zurück; verschneiter Wind wütet über der Burg. Wir leben in keiner schönen Welt. Einer, die von Gleichgültigkeit, herablassender Kälte und Verlierern geprägt ist, die erniedrigt gegen Wände lehnen. Zumindest können wir beieinander Trost gewinnen. Doch es gibt Personen, die geboren wurden, um glücklich zu sein und es verdient haben. Falls sich mein Verdacht bestätigt, brauche ich den Ausflug hierher nicht zu bereuen.
    - "Aber Deine Schwester auch nur ist die ewige Zweite nach jemand anders, richtig...?"
    - "Ja.", wispert sie. "Es war abgesprochen, dass wir ihren Ruf nicht schädigen, falls sie sich auf Siegmunds... Bedingungen einlässt. Ich finde Lady Berlitz ja wirklich bezaubernd, sie tut mir direkt leid. Aber Isabella... Verabscheut sie. Ich fürchte, sie wird dafür sorgen, dass... Dass Lady Berlitz vollkommen alleine ist."
    - "Verstehe."
    Also doch. Eine weitere Träne rennt mir eiskalt die Wange herunter, in Erinnerung an die Kälte, an den Schmerz und an Sie... An ihre weiterhin unnatürlich scheinende Schönheit, ihren Duft, die lebenserhaltende Wärme, die sie mir bei dem kurzen Kuss geschenkt hatte. An die Freude, den Enthusiasmus und das Licht, mit dem sie Tag für Tag leichtfüßig durchs Leben schwebte und ihre Grübchen, wenn lächelte. Ihre herzzerreißend zitternden Händchen, als sie von Einsamkeit sprach. Der in mir lodernde Bewegungsdrang wird unerträglich. Ein halbes Kilogramm Schnee rieselt auf den steinernen Boden, als ich mich schwerfällig aufrichte. Dafür lohnt es sich, zu kämpfen.
    "Du hast doch gesagt, Du hättest eine gebrochene Rippe", wundert sich die Grauhaarige. "Da fällt mir auf... Die ganze Zeit. Du weinst... Du weinst irgendwie seltsam. Nur aus einem Auge. Wie die Nebenakteure im Beklommenen Pantimimi."
    - "Wie die Nebenakteure?...", nutze ich, Geheule leid, meine gewöhnliche Stimme. "Im Vergleich zu meiner Mutter bin ich wirklich Nichts."
    - "Du meinst ständig, sie wäre stolz auf Dich. Wer ist sie eigentlich?"
    - "Schauspielerin."


    Mit verletztem Stolz wische ich mir die mühsam gehorteten Tränen aus dem Lid und klopfe mir Schnee aus Haaren und Mantel. Nebenakteure! Nun, ich benötige einen heftigen Tritt in die Rippen und sentimentale Gedanken, um weinen zu können. Und mein Gejammer war sicherlich maßlos überzogen.
    Sie ist nicht auf den Kopf gefallen, entnehme ich an ihrem skeptisch geweiteten Augen. Inzwischen gleichgültig; ich habe ohnehin dank Wellingtons Naivität alles Wissenswerte über die Verschwörung erfahren. Möglichst unauffällig massiere ich meine stocksteifen Armmuskeln warm und lockere die Ringe um das in meinem Ärmel versteckte Metall.
    - "Hat sich Siegmund irgendwelche Schwächen...?"
    - "Nein, er ist stark, ausdauernd, schnell und kampferprobt, niemand kann ihm auch nur gefährlich werden... Moment. Wo willst Du hin...?"
    Wortlos schreite ich mit in den Manteltaschen verscharrten Händen den Gang am Burgrand entlang, meine Mimik wird undurchsichtig. Der Wind läßt meine Kleidung um die Knie schicksalhaft wehen, die schweren Ritterstiefel hinterlassen markante Spuren in der uns umgebenden Winternacht und ihrer Stille. Die rasche Bewegung und tut gut, der Gedanke an Vergeltung wärmt. Plötzlich sehe ich Stuart mich überholen; schwer atmend stellt sie sich auf die Schwelle zwischen Schützenebene und Treppe. Ihre sanften Augen füllen sich mit Tränen, als sie auf meinen gleichgültigen Blick trifft, ihre Arme zittern: doch nicht vor Kälte. Ihr spüre ihren beunruhigten Atem im Gesicht.
    "Warte! Du... Siegmund hat von Randal eine Akte über Dich besorgt. A-aber nur ich habe sie komplett durchgelesen! Mit Dir stimmt etwas nicht, das habe ich sofort verstanden! D-du hast doch! Ich kann Dich nicht zu Siegmund lassen, ich...!"
    In der Ferne der Plattform höre ich den Burgmechanismus rotieren, meine Widerwillen zuckenden Mundwinkel lassen sie ängstlich zurückweichen. Mehr als zwanzig Minuten dauerten meine Aufführungen nie, zudem bleibt mir wenig Zeit.
    - "Tut mir Leid.", wispere ich in die kühle Nachtluft.
    Behutsam umgreife ich mit beiden Handschuhen ihr knochiges, verschrecktes Gesicht und führe diese kurz darauf auseinander. Kaum wird die Lautlosigkeit der Nacht gestört, als ich ihr mit beiden Handflächen sanft auf die Ohren schlage. So erträglich wie möglich gestalte ich die Bewusstlosigkeit für ihren abgefangenen mageren Leib und lege sie an einer vor dem Ozeanwind geschützten Stelle an der Treppe ab. Triumphierend zittern meine Glieder in Erwartung bevorstehender Vergeltung; mein kerzengerader Gang die steinernen hinunter wirkt bedrohlich, beißend steigt mein unregelmäßiger Atem in den immer dunklere Töne annehmenden Himmel hinauf. Um meine blinde Rage zu zügeln, greife ich mir mit einem zurechtgerückten Handschuh in die Haare, lediglich ein Auge wirft grauen Wahnsinn durch meine langen Finger. Gewalt ist herrlich, realisiere ich, als ich Wellington und den Irren zwölf Stufen niedriger stehen sehe. Sie blättern in wieherndes Gelächter vertieft in einer Akte mit meinem Namen, sehen nicht einmal auf.
    - "Wir machen uns über Deine heiß geliebte Mutter lustig! Schauspielerin? In Pornos?"
    - "Ach das ist so lustig", entgegne ich finster auf Wellingtons Erklärung. "Ich dachte schon, ihr stellt euch vor, wie eure Fressen gleich aussehen werden."
    Der Stärke ihrer Schläge nach zu urteilen werde ich meine Waffe nicht brauchen.


    [align=center]*


    Als ich das zweite Mal die riesige Burgplattform betrete, hat der Himmel bereits kontrastreichere Schwarztöne angenommen, die das Weiß des aufziehenden Schneesturmes undefinierbar erscheinen lassen. Sämtliche Zweifel sind aus meinen ruhigen Schritten beseitigt, das Adrenalin in meinen Adern läßt die Kälte schmelzen, wie nie kreischt der deftige Pop über die Ausmaßen des Dachgeschosses hinaus in meinem Kopf. Der Hebel des komplexen Mechanismus unter dem steinernen Halbturm im Zentrum ist bedrohlich weit an den vergitterten Boden gesenkt worden. Siegmund und Stuart amüsieren sich prächtig, erinnern mich durch ihr harmonisches, effektvolles Erscheinungsbild entfernt an das Händchenhalten zwischen Lady Berlitz und dem Präsidenten. Durch das hautenge Livree sieht man jeden Muskel des Bodybuilders, als er den die massiven Zahnräder mit vollem Körpereinsatz in Gang bringt. Die hübsche Weißhaarige ließ das nicht kalt, sie schmiegt ihr imposantes Dekolleté an seinen breiten Rücken, sie raunen einander grinsend etwas zu. Ich weiß, dass ich störe.
    - "Störe ich?"
    Die Aristokraten schrecken auf wie zwei Vögel beim Anblick eines Geistes; empfangen meine seelenruhigen Schritte mit entsetzten Blicken.
    - "Was machst Du hier?"
    - "Keine Bange.", beruhige ich die junge Frau. "Bin gleich wieder weg."
    - "Wo sind Victor und Samson?", brüllt Siegmund mir aufgebracht entgegen.
    - "Meinst Du ihre obere Zahnreihe? Oder was sonst von ihnen übrig ist?"
    Stuarts Reaktion nach zu urteilen, hält sie meine Worte fortwährend für leere Deklaration, bis der huschende Blick ihrer braunen Augen auf meinen mitgenommen aussehenden schwarzgrauen Mantelstoff trifft: die samtweißeFütterung um die Knie zieren dunkelrote Flecken, ein zerbrochenes gläsernes Monokel hat sich darin verfangen. - "Was ist das?"
    - "Wellington wollte mir brutal mit seinem Gesicht das Knie brechen. Drei Mal hintereinander. Harter Junge."
    - "Und Samson?"
    - "Er lebt. Mit etwas Glück erkennt ihr ihn sogar wieder."
    Verstimmt meinen verschmutzten Handschuh betrachtend, schreite ich den phänomenalen Ausblick in das hellschwarze Firmament passierend in Richtung der Treppe eine Etage tiefer, von fassungslosen Augenpaaren begleitet, bis schließlich Siegmunds Schrei erklingt:
    - "Denkst Du, ich lasse Dich einfach Hilfe holen?"
    Schnell...!! Vorhin stand er noch inmitten der Plattform, jetzt registriere ich mit flatterndem Herzen seine brisante, fatale Nähe.
    Der Mantel schränkt weiterhin meine Agilität stark ein, wie ich registrieren muss, als ich seinen weit geschwungener Tritt umständlich mit beiden Armen kurz vor Schläfe abfange. Bei der Wucht, die mitschwingt, kann ich froh sein, weiterhin in meinen schweren Stiefeln stehen zu bleiben. Mühelos gewinnt Siegmund Kampfstellung zurück und tritt nun von links, doch mit zu wenig Amplitude, um mir das Ausweichen durch einen hastigen Rückschritt zu vereiteln. Jedoch hatte er nie vor, den Fußschlag vollständig durchzuführen, kurz vor meiner Hüfte kommt er zu stehen, stattdessen steht er sofort mit beiden Füßen auf dem Boden und prescht einen gewaltigen Satz mit ungewöhnlich ausgestreckten Ellbogen nach vorne. Sein Vorhaben realisiere ich nicht, lediglich, dass ich sofort aus der Spannweite seiner Schultern und dem massiven Angriff entkommen muss. Ich lasse ihn haarscharf an mir vorbei in die Leere stoßen, was misslingen würde, hätte er eine Bruchteilsekunde weiter ausgeholt. Seine Bewegungen basieren auf Training; meine auf blitzartiger Improvisation. Schulter an Schulter streifend, springe ich an ihm vorbei, erkenne die durch meine flinkere Beinarbeit erarbeitete Möglichkeit, ihm in den Nacken zu fallen, doch mit bloßen Händen werde ich gegen seinen gestählten Körper nicht viel ausrichten können. Das stumpfe Ende eines metallischen Gegenstandes lugt aus meinem linken Ärmel hervor, mit aller Vehemenz plane ich einen Angriff gegen seinen Hinterkopf, doch er hat sich schon längst gewendet, steht direkt vor mir und führt noch aus der Drehung den massiven Hieb aus, der ihm kurz zuvor misslungen war. Ich reiße rechtzeitig den rechten Arm nach unten, doch der Impuls wird lau in meinen Magen weitergegeben. Seine Technik beweisend, setzt Siegmund mit einem simplen Tritt gegen meine Knie nach, umso mehr erstaunt mich mein eigener Reflex, diesem durch einen überraschend sachten Fechtschritt seitlich nach hinten noch ausweichen zu können, doch nun steht er mit vier mobilisierten Gliedern direkt vor mir, kommt elegant auf dem linken Fuß auf und setzt seine gesamte Körperkraft in den verheerendsten Tritt, den meine notdürftig vor der Brust gekreuzten Arme erleben würden. Die schiere Wucht wirft mich mehrere Meter zurück, worüber ich nahezu froh bin bei der kritischem Geschwindigkeit, mit der seine Angriffe gekommen sind, doch Siegmunds Kampfstil überlässt nichts dem Zufall, die wenigen Meter zwischen uns hat es bereits überwunden, als ich Boden unter den Füßen spüre und schlägt weiter mit der Faust auf mich ein. Reflexe und Körper betteln um eine winzige Verschnaufpause, durch rechtzeitiges Ducken unter seinem Hieb hinweg sei mir diese auch gegönnt, doch da hat er sich bereits um die eigene Achse gedreht. Ohne weitere Optionen zur Flucht verabschiede ich mich von der Sauberkeit meines Mantels und werfe mich rücklings flach auf den kalten steinernen Boden, sein linkes Bein rast einer Hellebarde ähnlich an mir vorüber, schnellstmöglich rolle ich mich recht ungeschickt ab in vorerst sichere Entfernung von einigen Metern, während Siegmund elegant zum Stehen kommt. Erst als ich mich aufrichte, registriere ich seinen verwunderten, interessierten Blick.
    - "Ich konnte keinen einzigen sauberen Treffer landen. Hast Du beim ersten Mal nachgegeben?"
    Im Gegensatz zu ihm stockt mein sich in weißem Dunst verflüchtender Atem leicht. - "Nein.", schneide ich finster ab und reibe mir zähneknirschend die Unterarme, was die rege Neugier des Kampfsportlers aber nicht zu schmälern scheint.
    - "Wo hast Du das gelernt?"
    - "Es gab immer Typen, die meinten, ich hätte eine zu große Klappe. Heute wären sie froh, würde ihre noch funktionieren."
    Mit schmeichelhafter Vorsicht nähert sich mir Siegmunds breite Gestalt, auf jeden gemächlichen Schritt seiner langen muskulösen Beine folgt ein bedächtiger Rücksprung meinerseits.
    - "Was sind das für Bewegungen? Weder Nockchan, noch Kapoera. Galagladi?" Als Rückmeldung erfolgen lediglich weitere Fechtschritte mit dem Rücken zum zentralen Halbturm, für Smalltalk zum Thema Kampfsport fehlen mir Zeit und Material. "Seit wann weißt Du eigentlich von der Verschwörung?"
    - "Die Affäre zwischen Valenfreda und Berlitz stand ich von Beginn an stutzig gegenüber, beim Mittagessen hat sich der Verdacht nur verstärkt. Wenn Stuart Lady Berlitz offensichtlich nicht leiden kann, wieso treibt sie sich in der Teegesellschaft herum, läßt gleichzeitig aber auch Randal in schlechtem Licht erscheinen? Jemand musste gegen beide Gruppen sein.
    Wellington hielt ich für so verdächtig, dass ich ihn direkt loswerden musste. Ich hatte meine eigenen Motive, Lady Berlitz niederzumachen, doch parallel wollte ich die Reaktionen der Tischrunde abfühlen.
    Den Theaterbesuch wollte ich verhindern, da das die Effektivität meines Schauspiels senken würde. Aber für euch Wandpfosten hat es trotzdem gereicht.", kläre ich ihn überheblich lächelnd auf und beschleunige mit ausgestrecktem Mittelfinger meinen Rückwärtsschritt. Siegmund hat verloren.


    Unmittelbar auf die Erkenntnis meines Vorhabens erfolgt ein rasanter Sprint des Bodybuilders, doch zu spät. Rapide sprinte ich zur jungen Frau, die das Handgemenge angespannt rauchend beobachtet. Dass sie im Geschehen eine primäre Rolle spielen wird, perzipiert die Aristokratin an physische Einwirkung komplett ungewohnt erst, als ich sie ungehobelt an der Hüfte greife und energisch um mich herumreiße, vor aufgescheuchtem Keuchen fällt ihr der Glimmstängel aus dem Handschuh, durch den Gitterboden hindurch nieder in die feiernde Menge, als Siegmunds riesiger Fuß wenige Zentimeter vor ihren verschreckten haselnussbraunen Augen zum Stehen kommt. Triumphierend blitzen meine Augen über der Weißhaarigen hinweg den Bodybuilder an, dessen harte Gesichtszüge Entsetzen preisgeben.
    - "Sieh an, Siegmund. Ich habe eine zweite Verwendung für Frauen gefunden."
    - "Lass los! Das ist dreckig!", brüllt er. Unmanierlich lasse ich mein Kinn auf ihrem Hinterkopf ruhen und drücke ihren warmen Körper an mich, einen Arm vielsagend um ihren Hals gelegt.
    - "Stimmt nicht. Sie riecht sauber." Dem Bodybuilder verschlägt es die Sprache, genüsslich umgreife ich mit dem freien Arm die Hände der Adeligen.
    - "Das ist unfair!"
    - "Seltsam, dass immer nur Kampfsportler mir mit Fairness kommen, Siggie. Als fair bezeichnet ihr eine Situation, in der ihr durch eure körperlichen Fähigkeiten von Beginn an einen Vorteil habt, eliminiert der Gegner diesen, betitelt ihr das unfair."
    - "Das ist trotzdem unfair, du Hurensohn!", brüllt der Blonde mit geröteter, vor Rage zitternder Mimik. Desinteressiert blicke ich zur Seite und blase ihm entspannt eine Atemwolke ins Gesicht. Geiselnahme ist auch Sieg, ob er nun über den Tellerrand blickt oder nicht.
    - "Wie auch immer, Siggie. Solange Du nicht glaubst, dass ich Scheinmoral vor die Interessen zahlreicher Unschuldiger stelle, latschst Du zum Gitterhebel und drehst alle Zahnräder rückgängig in Position."
    Die Augen des Kampfsportlers stellen fast schon bedrohlichere Waffen als seine riesigen Fäuste dar, als sein Kampfwille beim Anblick der flehenden jungen Frau dahinschmilzt und er sich laut fluchend auf meine Forderungen einlässt. Merklich erleichtert beruhigen sich meine Puls und Atmung. Dass ich für die vollbusige junge Frau aufgrund ihres Vorhabens anlässlich Lady Berlitz keinerlei Sympathie mehr empfinde, hindert mich nicht, mich ungeniert an der Wärme ihres kurvenreichen Körpers zu bedienen, während Siegmund sich am Mechanismus zu schaffen macht. Ich fühle mich wohl: gleich habe ich das Komplott verhindert, selbst der widerliche Pop kann die Schönheit und die Panoramen der Winternacht nicht ausblenden.
    - "Sagen Sie...", vertreibe ich mir die Zeit. "Stimmt das Klischee eigentlich? Sie wissen, mit großer Mann, kleiner... Sie wissen schon." Durch sanften Druck auf ihren schluckenden Hals stimme ich sie gesprächiger.
    - "Ja, das stimmt."
    - "Warum so leise? Also, noch einmal: Stimmt es eigentlich, dass große Männer kleine Ruten haben?", frage ich so laut, dass auch Siegmund es hört.
    - "Ja, das stimmt.", muss sie lauthals verkünden und bricht zu meiner Verwunderung in Gekicher aus. Lächelnd blicke ich über ihren Kopf hinweg Siegmund an, der darauf, wie geplant, seine Arbeit wutentbrannt mit doppelter Effizienz fortsetzt. Ihr Lachen ist wirklich schön und dass dasselbe auch auf ihre Figur zutrifft, bestimme ich selbst durch unsere Winterkleidung. Vielleicht gebe ich ihr eine Chance?
    - "Können sie eigentlich kochen?"
    - "Nicht, ich bin doch eine Adelige."
    Enttäuscht seufzend zucke ich mit den Schultern, krame aus der Manteltasche ihre aufbewahrte Telefonnummer hervor und werfe sie ihr in den Ausschnitt.
    - "Tut mir leid. Falsche Antwort."
    Ihr Lächeln weicht einer perplexen Grimasse, beleidigt versucht sie sich mit Rippenstößen loszureißen, doch ich bin stärker. So verharren wir, bis ein grässliches metallisches Knirschen die Nacht durchtrennt, als würde ein mechanisches Monster vor Schmerz brüllen. Schockiert blicke ich zu Siegmund, der sich triumphierend grinsend kalten Schweiß von der Stirn wischt. So schnell?
    - "Wer ist hier der Pfosten, Du Feigling, hm? Ich habe alle Zahnräder in Position gedreht! In die Richtige!"


    Fassungslos lasse ich Stuart gehen und habe plötzlich Schwierigkeiten, mich auf den Füßen zu halten, als das Gitter unter ihnen sich zu bewegen beginnt, doch wirklich mit der Angst zu tun bekomme ich, als auch Siegmund nicht zu verstehen scheint, wie geschieht. Der eiserne Boden unter uns verliert von einer Sekunde auf die andere seine unerschütterliche materielle Substanz, wird ohne Vorwarnung zu etwas Vergänglichem und Beweglichen, beim Gedanken daran in welcher Höhe wir uns unter dem Erdboden befinden, läuft es mir schaurig den Rücken herunter.
    Etwas an diesem massiven Gebäude wurde mit unaufhaltsamer Kraft in Gang gebracht, doch was? Ein genauer Blick verursacht Magenschmerzen und Herzrasen: das Gitter im Zentrum der Plattform unter unseren Füßen bewegt sich... Nach unten!
    Der Halbturm mit dem Mechanismus spaltet sich in der Mitte, ein schnurgerader Spalt trennt das Obergeschoss der Burg abrupt entzwei, mit ohrenbetäubendem metallischem Quietschen und Knarzen neigt sich der Grund mindestens drei Grad nach innen, wo er zur allgemeinen Erleichterung vorerst anhält.
    "Das gehört bestimmt zum Mechanismus.", verkündet Siegmund trotz der ihm ablesbaren Beunruhigung befriedigt. Ein fieberhafter Blick durch das Gitter in die Tiefe gibt kaum preis, was eine Etage tiefer geschieht: dieselben Lichteffekte und Bassboxen, die Hilferufe und Kreischen übertönen würden. Komplett vergesse ich für einen flatterigen Herzschlag, dass ich erneut schutzlos einem nach Vergeltung durstenden Kampfsportler ausgeliefert bin, der Knochen wie Zweige bricht und zehn Meter kaum als Distanz ansieht. Scharf ziehe ich die Luft ein und schreie auf, als sich stechender Schmerz in meinen brutal weggetretenen Kniescheiben ausbreitet und mich zu Boden schmettert.


    Die Pein, die meine Glieder komplett zu betäuben scheint, vereint sich mit dem mir nur zu gut bekannten Selbstzerfressen des Versagens zu einem grässlichen Cocktail, das mich an den eisigen Gitterboden heftet. Die unbeantwortete Frage nach einem Grund nun wieder aufzustehen bleibt aus, da Siegmund mich mit einer Hand am Kragen hochreißt. Ich spüre seinen heißen Atem im Gesicht und akzeptiere, sämtliche Torturen kampflos über mich ergehen zu lassen: er hat allen Grund, weiter Gewalt anzuwenden; ich nicht mehr. "Wie mogelst Du Dich jetzt durch, du Held!?"
    - "Hey, wir haben nicht die Zeit! Der Boden bewegt sich weiter!", ruft Stuart aufgebracht aus. Tatsächlich teile ich trotz fehlendem Grundkontakt ihre Befürchtung, auf den vor Wut schnaubenden Bodybuilder trifft es aber trotz verschreckend kreischendem Metallsound nicht zu.
    - "Weißt Du, Dein Vater war mein Vorbild, Libertine. Seit ich ein verzogener Dreikäsehoch wie Randy war.", beginnt er eine konzentrierte Anrede, die ich mit teilnahmslos gesenktem Haupt verfolge. "Ich habe ihm alles abgeschaut: seine Ideologie, sein Kleidungsstil, seine Einstellung zu Frauen, alles! Habe ein gesamtes Stockwerk mit seinen Postern vollgekleckert, mir Bettwäsche mit ihm gekauft, meine Alten dachten schon, ich wäre andersherum. Dank ihm habe ich überhaupt als einer der wenigen Adeligen Sport zu treiben begonnen, dank ihm wollte ich in diesem Viertel etwas verändern! Wenn Du Dir Sorgen um Berlitz machst: ich rühre sie mit keinem Finger an, wenn sie nicht will. Und, einmal ehrlich: Randal und die Betrunkenen unten haben einen Denkzettel doch verdient! Mir ging es nie um Autorität oder Frauen!
    Ich wollte wie Dein Vater werden, mich gegen diese degradierende Welt stemmen!"
    Allmählich kehrt heiß schaudernde Lebenskraft in meine willenlos erschlafften Glieder zurück, mein linker Arm beginnt zu zittern. Als Siegmunds kindlich-begeisterter Blick bei Umschreibung seines Idols auf den meinen trifft, läßt er leicht geblendet verunsichert von mir ab. Ungeachtet der bedrohlichen Rufe der lebendig geworden scheinenden Burg spricht er aus Distanz weniger Schritte gestikulierend weiter.
    "Deine Augen beweisen, dass Du sein Sohn bist. Ansonsten bist Du sein Erbgut nicht wert. Eine gerissene Witzfigur, die nur gegen Schwächlinge kämpft und gegen Stärkere zu Tricks greift, ein Versager ohne Ambitionen und Stolz! Ich könnte Dir für Deine Klappe jeden Knochen brechen, aber die Mühe bist Du zu Schade.
    Ich lasse Dich gehen. Überbringe Deinem Vater von mir, dass er ein Held ist."
    Ich spüre jede Vene in meiner Brust ähnlich Orgelsträngen zittern, affektiver Furor drängt meinen Verstand in undurchlässige Schranken meines Unterbewusstseins; blendet selbst Leid und Frost der Nacht aus
    .
    - "Du läßt mich gehen?", zische ihm mit erhobenem Kinn und silbernen Schein werfenden Seelenspiegeln meinen rasenden Puls entgegen. "Das wird Dir nicht helfen. Ich schneide Deine Fresse in mehr Scheiben, als Du Poster von meinem Erzeuger hast, Fangirl."
    Ein Anflug von Befangenheit auf dem maskulinen Gesicht des Blonden weicht einem nahezu gemilderten Grinsen, provokant lockert er seine Nackenmuskeln.
    - "Du hast also doch Eier! Weil ich Dich Versager genannt habe?"
    - "Was Du von mir hältst, schert mich einen Dreck. Du hast diesen Mann Held genannt. Weißt Du, dass die meisten Helden von tot sind? Gefällt von Söhnen der Helden."
    - "Versuchen kostet ja nichts. Ich habe Dich zum Heulen gebracht und werde es wieder tun."
    Im selben Augenblick, in dem ich mich des rechten Ärmels meiner Winterkleidung entledige, bricht der Boden weiter ein und verteilt grausames Empfinden, auf unsicherem Grund zu stehen, merklich steigt die Anstrengung unserer zur Burgmitte stehenden Füße auf der mittlerweile fünf Grad nach innen gewendeten Plattform an.
    - "Ritterchen, Siegmund, das gehört doch nicht mehr zum Plan! Was geschieht mit dem Boden?"
    In die vor Adrenalin rauschenden Schläfen des Bodybuilders dringt die Botschaft Stuarts ebenso wenig, wie in meine. In Reminiszenz an den Mann, der ihn mir geschenkt hatte, entledige ich mich rücksichtslos der entbehrlichen Winterbekleidung, scheppernd fallen drei leichte eiserne Ringe von meinem bis auf schwarze dichte Ellbogenwärmer unbekleideten rechten Arm auf den Gitterboden und rutschen vorwarnend langsam in Richtung Spalt im Boden. Die Kälte prallt ab an mir, obwohl ich unterhalb des Mantels für genau diesen Fall nicht mehr, als einen trotz ihrer Dicke hautenge schwarzblaue Weste trage. Sie bedeckt zwar den gesamten Hals und Schultern bedeckt, drei viertel der Arme wie den Nackenansatz allerdings für absolute Beweglichkeit freilegt. Für den Fall einer Begegnung mit jemandem, der meinen Erzeuger idealisiert, wie es allein letzten Jahrgang bereits vierundzwanzig Mal geschehen ist.
    Der Bodybuilder gibt ein anerkennendes Pfeifen von sich.
    - "Etwas hast Du also doch von ihm geerbt."


    Dieser Satz verleitet mich, ihn augenblicklich umzurennen, doch vorerst bin ich gezwungen, die Riemen an meinen schneebedeckten Ritterstiefeln zu lockern, Siegmunds schweifender Blick fällt auf den Gegenstand in meinem linken Handschuh, der die gesamte Zeit über im Ärmel versteckt war: nahezu einen Meter lang samt ledernem Griff, erinnert er an einen Rapier mit komplett abgestumpftem Schnittblatt. Außen aus wenig verdünntem Edelsilber, innen hohl.
    - "Netter Schlagstock. Aber ich kenne niemanden, dem das geholfen hätte."
    - "Erlaube, mich vorzustellen."
    Die volle Konzentration aufeinander durchbricht eine panische Frauenstimme: in der Dunkelheit ragt Abigail Stuarts magerer Oberkörper über die Schützenebene. - "W-wo sind Victor und Samson!? Was geschieht mit der Burg!?"
    - "Nichts Gutes jedenfalls.", brüllt Siegmund erschütterungsfest zurück. "Ich habe den Mechanismus in Gang gebracht. Bleibe auf jeden Fall oben, hier unten ist es unsicher, klar?"
    Abigails kälteblaue Wangen nehmen Farbe an; bei meinem Anblick erschrickt sie. - "Pass auf, Siegmund! Der Typ hat in seinem Leben neunundvierzig Collegeschüler krankenhausreif geschlagen!"
    - "Lernst Du eigentlich am College, Siegmund?"
    - "Ja..."
    - "Dann bist Du zur Jubiläumsfeier eingeladen."

  • Der Dialog, wo Lady Berlitz nun geschlafen hatte, war göttlich! Und weil's so lustig war, hab ich's gleich zweimal gelesen. =X

    Zitat

    - "Lancelot, Du hättest sie in ihr Schlafzimmer tragen sollen...!"
    - "Siebzig Kilo, zwei Stockwerke?"
    - "Sie könnte einen Herzstillstand erlitten haben!", schnappt Herr Berlitz nach Luft. "Außerdem wiegt sie höchstens sechzig."
    - "Fünfzigtausendzweihundertfünfzehn Gramm.", schätzt Sebastian kennerisch.
    - "Wer bietet mehr?", kultiviere ich das Thema.


    Wer bietet mehr? Einige Damen könnten sich dadurch beleidigt fühlen.x) Ich persönlich hätte als Frau von mir aus mehr geboten. Aus reiner Bosheit heraus, um Verwirrung zu stiften! >=)


    Das eindeutige Highlight dieses Teils war das Kramurx, eindeutig das Kramurx, beziehungsweise das, was in diesem Kramurx ist.
    Allerdings hättest du etwas weniger Lautmalerei betreiben können. >>- "...Weil Du von einer gebärt wurdest, krahkrahkrahhahaha!" <<
    Das meine ich.
    Hingegen finde ich Sätze wie >>- "Dass ich nicht krache... Lache! Wie hässlich Du aussiehst! Solange Du Dich verstellst, landest Du nie bei ihr!"<< tragen zur Comedy bei und stellen jetzt nicht unbedingt Wortmalerei da, aber das obere Beispiel könntest du noch umschreiben, finde ich. ^^
    So, die ganze Szenen wirft jetzt mehr oder minder auch Fragen auf. ^^


    So, die nächste, sehr interessante Szene ist diejenige mit dem Pachirisu und dem Riolu, obwohl ich dir schon ganz ehrlich sagen muss, dass Pachirisu kein Hase, sondern ein Eichhörnchen ist. Ganz eindeutig ein Eichhörnchen! ^^" Jedenfalls sieht man an dem Pachirisu, dass manchmal wohl nicht alles freiwillig abläuft. Es ist unsicher und weiß nicht, wie es mit dem Applaus umgehen soll und du beschreibst das Ganze auch weniger wie einen sportlichen Wettkampf, sondern sehr brutal. Die Armen. =/

    Zitat

    Blankes Entsetzen. Mit dieser Attraktion hat Randal gelockt. "Das Wichtigste is': Baby-Pokémon. Und niemand schaut zu." Das Publikum ist zu angetrunken, von Licht und Lärm zu betäubt, um Lebewesen im Käfig kämpfen zu sehen.
    Das Publikum will unterhalten werden.

    hmm...


    Zitat

    - "Und... Du weißt, was dahinter steckt?"
    - "Ja... Eine Art Verschwörung."
    Sein Grinsen wird breiter. - "Und Du bist der Held, der uns aufhalten wird, richtig?"


    Mutig, mutig, lieber Lancelot...
    Er hat mir richtig leidgetan, als der Bodybuilder dann gewalttätig wird. Aber an der Stelle hätte ich mir gewünscht, dass du weniger beschreibst, was getan wird, als was Lancelot fühlt. Nichtsdestotrotz hab ich fast mit ihm gefühlt. Allerdings finde ich, dass er zu schnell wieder sozusagen "zurückgefunden" und sich zu schnell erholt hat. Er ist einfach zu schnell wieder normal, wenn man bedenkt, was er mitgemacht hat~
    Aber ich muss dich auch mal mittendrinnen berichtigen... Kampfsportler sehen selten wie Bodybuilder aus. Das wäre sogar hinderlich. Kampfsportler sind meiner Erfahrung nach zwar athletisch-dünn, aber nicht muskulös und sehen schon gar nicht wie Bodybuilder aus. Also meistens jedenfalls. ^^


    Naja, die darauffolgende Szene finde ich recht merkwürdig.

    Zitat

    - "Sagen Sie...", vertreibe ich mir die Zeit. "Stimmt das Klischee eigentlich? Sie wissen, mit großer Mann, kleiner... Sie wissen schon." Durch sanften Druck auf ihren schluckenden Hals stimme ich sie gesprächiger.
    - "Ja, das stimmt."
    - "Warum so leise? Also, noch einmal: Stimmt es eigentlich, dass große Männer kleine Ruten haben?", frage ich so laut, dass auch Siegmund es hört.
    - "Ja, das stimmt.", muss sie lauthals verkünden und bricht zu meiner Verwunderung in Gekicher aus.


    Aber das ist ... lol. Langsam glaub' ich, ich hab irgendwie einen recht äh... männlichen Humor? XD


    Ja, was soll ich sagen? Das Ende, zumindest vorerst, gefällt mir.


    Ist ein bisschen kurz hier geworden, oder?^^"