"Love me, hate me, but don't ignore me!"

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  • [tabmenu][tab=~]Lang, lang ist es her und ich entschuldige mich schon einmal im Vorneherein dafür das es so lange gedauert hat. Lag wohl an meinem kleinen Kreatief, mit dem es mir nicht möglich war, dass nieder zu schreiben, was ich wirklich nieder schreiben wollte. Wer selbst schreibt, weiß sicherlich was ich damit meine. Ich hoffe es besteht trotzdem noch Interesse an der Fanfiction, nicht dass ich in dem inaktiven Zeitraum all meine Leser verloren habe. Vor allem bei diesem Kapitel, bei dem näher auf Niobes Bruder Inari eingegangen wird. Als Autorin liegen mir natürlich alle meine Charakter sehr am Herzen, allerdings habe ich vor allem an Inari einen Narren gefressen. Vielleicht kann es der eine oder andere nachvollziehen, sobald er das Kapitel gelesen hat, aber genug der Vorworte und viel Spaß beim Lesen.
    [tab=Cáithlyn]Erst einmal vielen Dank für deinen Kommentar. Der bedeutet mir als Fan deiner Fanfictions nämlich sehr viel, vor allem wenn er so überwiegend positiv ausfällt wie hier. An der Kommata Setzung arbeite ich nach wie vor, auch wenn ich nicht behaupten kann, dass ich inzwischen ein Gefühl dafür bekomme. Das ist mir wohl einfach nicht gegeben, was aber nicht heißt, dass ich mir keine Mühe gebe mögliche Fehler zu vermeiden. Du sprachst außerdem den Kontrast zwischen Sprechweise und Gedanken. Ja, das ist mir bereits selbst aufgefallen, dass die Andersartigkeit zwischen Sprech und Denkweise schon sehr krass sind, allerdings habe ich persönlich irgendwie daran bereits Gefallen gefunden und werde daher auch so weiterschreiben. Ich nenne es an dieser Stelle einfach mal meinen eigenen Stil ;).


    Ja die Sidestory... und Ivorys Arroganz. Erwähnt hatten es andere hier bereits auch schon, dass Ivory ihnen etwas unsympathisch hier vorkommt. Eigentlich war es sogar meine Intention Ivory etwas sehr arrogant und selbstzentriert, immer ein Motiv hinter allem habend, darzustellen. Erstens weil es nach allem ein prägender Charakterzug ist, den ich im Verlauf der FF bearbeiten möchte, zweitens weil es mir menschlicher vorkam. Seien wir mal ehrlich: Wir Menschen sind im seltensten Fall wirklich, wirklich selbstlos ohne jedes Motiv zu haben. Etwas übertrieben habe ich in der Sidestory aber wohl doch, da selbst mir nach erneutem Lesen Ivory plötzlich ziemlich hassenswert vorkam. Das sollte wohl lieber nicht so sein xD.


    Schön das dir die bisher beschriebene Beziehung zwischen Ivory und Brave gefällt^o^. Bei solchen Stellen bin ich selbst immer ganz dabei beim Schreiben, von daher freut es mich wenn der Leser Selbiges empfindet wie ich. Größere Entwicklungen stehen schon bald an, da ich ewiges auf der gleichen Stelle treten nicht sonderlich interessant auf die Dauer finde. Aber für den Moment ist es so gut wie es ist, von daher ließ ich das sechste Kapitel auch sehr friedlich, ohne plötzliche Twists auslaufen. Niobe als zwielichtiger Charakter scheint bei dir auch gewirkt zu haben *selbst auf die Schulter klopf* genauso wie... Mampfaxo. Ich glaube den kann im Grunde niemand so wirklich ernst nehmen, aber ich bin schon ziemlich in Mampfaxo vernarrt, weswegen es fast ein Muss das ein Charakter meiner FF ein Mampfaxo besitzt. Wieso also nicht dem Charakter mit dessen Motto "Der Schein trügt" ein solche Pokemon geben? ;D [/tab][/tabmenu]


    Kapitel 7 – "Ich tue nur so, weißt du?"


    „Geh sofort zu dem Turnier rüber! Keine Abstecher, verstanden? Ich bin auch zum Start der zweiten Runde wieder da. Keine Sorge!“, rief Brave mit erhobener Hand zum Abschied, bevor er sich endgültig umdrehte und sich von dannen machte. Die Pokemon füttern, sagte er. Weil er sie wahrscheinlich nicht mehr allzu lange sehen würde.
    „Die Pokemon sind doch vorher auch schon gut ohne dich ausgekommen“, murmelte ich mir selbst etwas enttäuscht selbst zu. Nicht einmal die Möglichkeit seinen wohlgeformten Rücken zu begutachten hatte er mir gegeben, weil er auf diesem einen riesigen Futtersack geschultert hatte, worauf mir auch einmal mit einem mulmigen Gefühl bewusst wurde wie stark er eigentlich war, wenn ihn gerade kein Mädchen mit unglaublicher Beinkraft vermöbelte.
    Ein ungläubiger Seufzer entfuhr, bevor ich mich schließlich auch in Bewegung setzte. Ich sollte direkt zu dem Wettkampf gehen? Gut, dann würde ich das tun, wenn Brave so um mich besorgt war, dass ich nicht alleine in der Stadt umher spazieren konnte.
    Der Gedanke dass er sich trotz allem immer noch ein Fünkchen Sorge um mich hielt, ließ mich minimal optimistischer mit der Enttäuschung umgehen, dass er mich nur mit in die Stadt gezerrt hatte, um einen Sack Pokemonfutter zu kaufen und nicht etwa um etwas Zeit mit mir zu verbringen. Das Futter wurde von meinem Geld bezahlt verstand sich, schließlich hatte er selbst ja keines mehr zu erübrigen.
    Bis zum Start der zweiten Runde des Vapydro Turniers, war es beinahe noch eine ganze Stunde, aber da die Teilnehmer ohnehin nach Möglichkeit bereits eine halbe Stunde vorher erscheinen sollten, würde es wohl kaum schaden wenn ich jetzt schon gehen würde, vor allem weil ich auf diese Weise vielleicht Niobe wieder über den Weg laufen würde.
    Eine kleine Flamme der Motivation tat sich in mir auf. Genau, Niobe. So hieß mein nächstes größeres Ziel, dass ich auch definitiv erreichen würde. Denn ich wusste im Inneren genauso gut wie sie selbst, dass es mir keinesfalls egal war dass sie gerade nicht neben mir herlief und wortlos neugierige Blicke auf ihre Umwelt warf. Jeden der um mich herum wuselnden Menschen, Bewohner Vapydros, auf genaueste in Augenschein nehmend und nebenbei die Wahre der umliegenden Geschäfte begutachtend, wenn auch ohne wirkliches Interesse an diesen zu zeigen. Ob es nun die funkelnden Ketten, Uhren und Ohrringe des Juweliers einige Schritte von mir entfernt waren, oder die neuesten Konsolenspiele des Elektronikgeschäfts. Bei genauerem Bedenken, schenkte ich den vielen Gütern um mich herum ebenfalls nur herzlich wenig Beachtung. Vom Hobby Material bis hin zu der nächstbesten Kleidungskette. Ein weiteres Mal fiel mir auf, wie wenig ich bisher aus meinem eigenen Leben gemacht hatte. Keine wirklichen Ergebnisse oder Erfolge hatte ich bisher aufweisen können, nicht einmal in einem Hobby, da ein solches schlicht und ergreifend nie wirklich existiert hatte. Ganz erklären, weshalb ich jegliche Art von aufwendiger Aktivität früher abgelehnt hatte, konnte ich mir auch nicht. Vielleicht waren es Selbstzweifel gewesen, vielleicht aber auch nur das Fehlen von jeglicher Motivation. Wirklich etwas gewünscht hatte ich mir ja niemals, wenn man davon absah, dass ich Brave näher kommen wollte. Ein Leben in geregelten Bahnen, ohne größere Probleme oder Vorkommnisse hatte schließlich auch seinen Reiz. Es war einfach und ohne jegliche Anstrengung zu bewältigen, ohne sich auch nur eine Sekunde vor einer unvorhersehbaren Wendung fürchten zu müssen. Durchaus hatte es Höhen und Tiefen gegeben, jedoch waren diese im Nachhinein kaum erwähnenswert, ja teilweise sogar bei näherer Betrachtung ziemlich kindisch gewesen. Trotzdem kam mir so ein Leben wie ich es bisher geführt hatte nun wo ich auf Reisen war, plötzlich unvorstellbar vor. So als wäre ein versteckter Wunsch nun endlich ans Tageslicht gekommen um sich voll und ganz in seiner Erfüllung auszutoben, bestmöglich die Vergangenheit in der er im Verborgenen gelebt hatte ausblendend.
    Plötzlich, ohne einen Hauch von Vorahnung, spürte ich ein stechendes Gefühl in meinem Brustkorb. Nein, kein Stechen, viel eher ein Pulsieren, dass bei jedem Schlag an Intensität zunahm und sich stetig weiter durch meinen Körper fraß und dass nur innerhalb einem Bruchteil einer Sekunde. Überwältigend, unterdrückend, so als würde man eine gewaltige Masse an geistiger Kraft auf mich allein fokussieren. Jemand stand hinter mir, kaum einen Meter entfernt schätzte ich, ohne auch nur einen Blick in die Richtung zu werfen, denn die Ausstrahlung dieser Person war so intensiv, dass ich förmlich Gänsehaut bekam.
    Noch einige weitere Sekunden wagte ich es nicht mich umzudrehen um die Identität des Jemands zu entschlüsseln, tief im Inneren hatte ich jedoch schon eine leise Vorahnung, wer dieser Jemand sein könnte. Schluckend wandte ich meinen Blick in dessen Richtung und erstarrte, als ich erkannte dass meine Vorahnung sich als richtig erwiesen hatte.
    Die stechend gelben, wegen der Sonne leicht zusammengekniffenen Augen Inaris fixierten mich und ließen in eine Starre fallen. Keinesfalls unfreundlich wirkte sein Gesichtsausdruck, nein, sogar ein recht charmant wirkendes Lächeln, dem wohl jedes andere Mädchen sofort verfallen wäre, hatte er aufgesetzt. Jedoch entging mir gleichzeitig auch nicht die subtile Andersartigkeit dieses Lächeln, die es etwas Unheimliches, Unheilbringendes an sich hatte, das in mir Angst auslöste die schleichend durch meine steifen Glieder kroch. Wie im Schnelldurchlauf, fuhr mir das Gespräch mit Brave durch den Kopf, in dem auf die Gefährlichkeit der Densetsu hingewiesen hatte und sofort ergriff Panik innerhalb von mir die Oberhand. Was die Densetsu ihren gegnerischen Pokemon antaten, war sicherlich auch an deren Trainer ausführbar, wenn nicht sogar noch leichter.
    Ich schluckte und ein einziger Gedanke machte sich in mir breit: „Renn!“
    Wie aus der Pistole geschossen, wollte ich mich von Inari abwenden, doch erkannte er früh genug meinen Fluchtversuch und packte mich am Handgelenk. Allein dieser eine Handgriff versprühte Schmerz in meinem ganzen Arm, selbst wenn mein Peiniger nur das Handgelenk selbst konfrontierte. Unter dem Druck des Griffs fühlte sich dieses an, als stünde es kurz vor dem Zerbersten in hunderte von winzig kleinen Einzelteilen.
    Hilfesuchend sah ich mich um, doch die Besucher der Einkaufstrasse waren mehr damit beschäftigt zur Arbeit zu kommen und sich durch die Massen zu schieben. Ich wollte um Hilfe schreien, doch mein Hals fühlte sich unendlich trocken an, als käme ich geradewegs von einem Marsch durch die Wüste und auch sonst wollten meine Stimmbänder vor plötzlicher Furcht keinen Ton zustande bringen. Nein, viel eher kam es mir so vor, als hätte jemand meine Fähigkeit zum Sprechen völlig lahm gelegt. Sie mit roher Gewalt unterdrückt, damit ich keinesfalls auch nur einen Murks von mir gäbe.
    „Ivory war es, oder?“, harkte Inari nach, sein Lächeln keine Sekunde absetzend. Erschrocken starrte ich ihn an. Woher kannte er meinen Namen? Hatte Niobe ihm ihn erzählt? Hatte sie ihm womöglich etwa alles über unseren Verdacht erzählt?
    „Stört es dich wenn ich dich für eine Sekunde entführe?“


    Nervös wanderten meine Augen von rechts nach links. Die gerade noch so furchteinflößend wirkende Situation hatte sich zu einer völlig anderen gewandelt. Das Kinn desinteressiert auf einer Hand gestützt, mit der anderen eine Tasse Kaffee haltend, beobachtete Inari mich. Nichts anderes. Dann und wann schien er das Interesse an mir zu verlieren und schaute sich nach den anderen Gästen des Cafés in das er mich gezerrt, nachdem er mir seine Kidnapping Aktion preisgegeben hatte, um, nur um dann den Blick wieder auf mich zu richten.
    Inari wirkte erstaunlich normal mit der Sonnenbrille auf dem Kopf, dem sichtlich teuer aussehendem, weißem Hemd und der dunkelblauen Jeans Hose die er trug. Es ließ mich schon beinahe Schaudern, dass ich ihn wohl für einen ordinären Menschen gehalten hätte, würde dort nicht dieses lange, auffällige Schwert an seiner Seite baumeln, bei dem ich mich fragte, ob es nicht gegen die Waffengesetze des Landes verstieß. Nicht dass ein Densetsu sich zwingend daran halten müsste. Das Café würde sich wohl auch kaum beschweren, denn die Kellnerinnen nahmen kaum Notiz von der eigentlich angsteinflößenden Waffe. Eventuell lag dies aber auch an ihrer Professionalität, denn der Laden in dem wir uns befanden war eindeutig ein guter und dementsprechend teuer, was man schon allein an den gepolsterten Stühlen und Tischen aus dunklem, beinahe schwarzem, glänzendem Holz, in das detailverliebte Schriften eingraviert wurden. Die dunkel gefärbten Fenster zu unserer rechten, ermöglichten uns nach draußen zu sehen, ohne dass man es von der Außenseite hätte sehen können. Selbst im spärlichen Licht funkelnde Kronleuchter hatte man hier aufgehängt, was dem Ambiente einen äußerst edlen Eindruck verlieh.
    Was zum Teufel wollte der Kerl von mir? Er hatte mir wohl kaum diesen Überraschungsbesuch gestattet, nur um mich anzustarren, oder? Je mehr ich darüber nachdachte, desto misstrauischer wurde ich Niobes Bruder gegenüber. Zwar war ich das sicherlich schon vorher gewesen, doch nun konnte ich scheinbar nicht einmal mehr meinen schlimmsten Vorstellungen trauen. Konfus.
    Inari nahm den letzten Schluck Kaffee aus der Tasse, bevor er sich zurücklehnte, die Hände im Nacken.
    „Wie geht es Niobe?“, fragte Inari wie aus dem Nichts, machte dabei aber einen eher gelangweilten Eindruck. Bei genauerer Betrachtung war sein platinblondes Haar beinahe genauso weiß wie dass seiner Schwester, ebenso wie sein Gesicht feine Züge wie ihres besaß. Nun hatte er nach einer halben Ewigkeit endlich ein Gesprächsthema angeschlagen, aber wieso war es seine Schwester, wo die beiden sich doch ganz offensichtlich alles andere als gut verstanden?
    „Wissen sie. Wenn es nur das ist, dann könnten sie mich bitte gehen lassen? Ich bin Teilnehmerin am Vapydro Turnier, welches in einer halben Stunde starten wird. Es wäre eher unvorteilhaft für mich zu spät zu kommen. Am Ende werde ich noch disqualifiziert“, versuchte ich mich herauszureden, die Stimme möglichst kühl klingen lassend.
    „Keine Sorge deswegen“, antwortete Inari nur und ließ mit einer geschickten Bewegung sein schlichtes, schneeweißes Handy aus seiner Hosentasche springen und schob es mir herüber. Zu sehen war ein Bild meinerseits. Darunter eine Zeit, welche besagte dass mein Turnierkampf in knapp zwei Stunden stattfinden würde.
    Fragend blickte ich auf.
    „Darf ich fragen woher sie diese Informationen haben? Die Gegner werden in jeder Runde bis zum Finale ausgelost, wenn ich mich nicht irre“, wollte ich wissen.
    „Jeder“, Inari schmunzelte, während er sein Handy zurück zog, „Hat so seine Quellen, oder? Nicht dass ich dir etwas darüber erzählen würde, aber es entspricht der Wahrheit, oder? Schon allein wenn man ins Internet geht verwendet man eine Quelle, richtig? Ach, du kannst mich übrigens ruhig duzen. So alt dass du mich für voll nehmen müsstest, bin ich auch wieder nicht.“
    Schlagartig zogen sich meine Mundwinkel herunter. Dass erinnerte mich schon etwas mehr an den Inari den ich damals an den Vapydro Werken getroffen hatte. Gesprächig. Unerträglich gesprächig, das traf es.
    „Aber ich hoffe du wolltest mit der Frage nicht nur meiner Neugierde nach dem Wohlergehen meiner Schwester aus dem Weg gehen.“ Er schloss ein Auge, während er mich mit dem anderen erneut anstarrte, worauf ich kurz zusammen zuckte und zur Seite blickte.
    „Ihr geht es gut“, murmelte ich ausweichend. „Wieso interessiert dich das so sehr?“
    „Wieso?“ Mit einem erstaunten Lächeln sah er mich an. Sein Blick hatte etwas Heuchlerisches. „Sie ist meine Schwester, weißt du? Als ihr Bruder wird man sich doch wohl um seine kleine Schwester sorgen dürfen. “
    „Nein, das meine ich nicht. Ich hatte nur den Eindruck, dass du und Niobe“, ich zögerte und überlegte ob ich folgendes wirklich aussprechen sollte, um dann aber schließlich doch fortzufahren, „Sich nicht sonderlich gut verstehen.“
    Inari kicherte leise in sich hinein. „Sieht so aus, was? Aber sie hat es doch erzählt, oder? Hat sie?“ Etwas überrumpelt von der eigenartigen Nachfrage, stammelte ich etwas herum und antwortete mit Kopfschütteln. Der darauf folgende Gesichtsausdruck Inaris ließ sich wohl als eine eigenartige Folge von Verblüffung, einem getrübtem, selbstironischem Lächeln und schließlich das Absenken der Stirn in seine Handfläche für einen Moment, bevor er mich unterkühlter Miene anblickte. Einen Moment schauderte ich, als ich erneut die große Ähnlichkeit der Geschwister erkannte. Weniger an ihrem Gesicht selbst, als an der Ausdrucksweise. Kam es nur mir so vor, oder verhielt er sich tatsächlich etwas anders als bei unserer ersten Begegnung?
    „Und du wolltest nur das fragen?“, wollte ich wissen, wenn auch zurückhaltend und im leisen Ton.
    „So ziemlich.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wo ist sie gerade eigentlich? Normalerweise rennt sie nicht gerne alleine rum.“ Erleichterung durchfuhr mich. Scheinbar hatte Niobe bisher keinen Kontakt zu ihrem Bruder aufgenommen, sonst hätte er wohl schon gewusst, dass Niobe sich momentan nicht bei mir befand.
    „Man könnte sagen… wir hatten eine kleine Auseinandersetzung.“
    „Die Kleine ist schwierig, am besten du gehst einfach auf sie zu. Das wird sie dermaßen zu rühren, dass sie in Tränen ausbricht. Sie ist soziale Kontakte nicht gewöhnt.“ Inari winkte eine Kellnerin heran, wobei er ein strahlendes Lächeln aufsetzte, von dem die hübsche Kellnerin ganz offensichtlich affektiert war, und bestellte sich ein Glas Wasser.
    „Niobe und in Tränen ausbrechen?“, harkte ich nach, als er mit der Bestellung fertig war.
    „Selten, zugegeben. Trotzdem ist sie eine verdammt Heulsuse.“ Angesprochener zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. „Wobei, wahrscheinlich wirst du sie niemals weinen sehen, solange ihr Blizzach nicht mal einen Besucht abstattet.“
    „Du meinst das Blizzach in der Sinnoh Region?“
    „Genau, genau. Schrecklicher Ort. Das ganze Jahr über Schnee, klirrende Kälte und fanatische Sektenanhänger die einen nicht einfach mit sich reden lassen. Nicht dass ich Sinnoh nicht schon nerv tötend genug fände.“
    „Das hattest du schon einmal erwähnt.“
    „Weiß ich, weiß ich“, antwortete er lächelnd. Fände ich ihn nicht so schrecklich unheimlich, würde ich dieses wahrscheinlich sogar als schön empfinden.
    Auf einmal kam mir eine Idee und ich ballte die Fäuste auf meinen Schoss, schaute einige Sekunden auf diese, um dann mit festem Blick zu meinem Gegenüber zu blicken.
    „Inari! Würde es dir etwas ausmachen wenn ich dir ein paar Fragen stellen würde?“ Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte ein Hauch von Misstrauen durch Inaris Gesicht, bevor er sein Lächeln wieder voll funktionstüchtig machte.
    „Sicher, auch wenn ich nicht wüsste was du mich fragen könntest“, erklärte er, worauf mein Blick mit ironischer Miene zu dem Schwert an seiner Seite wanderte.
    „Dort könnte man schon mal anfangen,“ sagte ich mir in Gedanken, setzte dann aber zu meiner ersten Frage an. Wenn ich schon einmal hier war, sollte ich die Gelegenheit nutzen und das offizielle Densetsu Mitglied etwas ausfragen.
    „Niobe erzählte mir, dass ihr der Densetsu Familie angehört. Ist das wahr?“ Inari zögerte, antwortete dann aber ruhig, aber für ihn ungewöhnlich knapp: „Ja. Weiter?“
    „Vielleicht ist es ein wenig ein Hirngespinst meinerseits, aber ist es euch in irgendeiner Art und Weise möglich eure Präsenz zu wechseln? Ich meine, dass ihr euch für andere Menschen allein durch das ändern der eigenen Präsenz beispielsweise unsichtbar macht.“ Es war banal, aber man könnte wohl sagen dass ich es praktisch schon zwei Mal miterlebt hatte. Das erste Mal als er seine Präsenz vor Niobe und mir in den Vapydro Werken verborgen hatte, während sich das zweite Mal kaum vor einen halben Stunde ereignet hatte. Nicht nur hautnah sein ganzes Selbst hatte ich gespürt, nein aus unerklärlichen Gründen bediente sich seine Präsenz so einer Macht, dass es mir die Stimme verschlagen, Panik in mir ausgelöst hatte. Eine Panik mit der ich wohl in einer normalen Situation kaum reagiert hätte.
    Inari begann laut an zu lachen, dass ihm schon beinahe die Tränen in die Augen schossen.
    „Du bist wirklich clever! Hast es heraus bekommen ohne dass ich ein Wörtchen darüber verloren habe.“
    Mit halb geschlossenen Augen verzog ich unzufrieden einen Mundwinkel.
    „Aber nur fast. Wirklich nur fast. In unseren Reihen nennen wir diese Fähigkeit Königsspiel und im Grunde“, mit einer geschickten Handbewegung warf er die leergetrunkene Kaffeetasse in die Höhe, bevor er seinen Satz beendet hatte. Automatisch folgte ich mit meinen Augen der Bewegung der Tasse, als ich plötzlich eine metallische Kälte an meiner Stirn spürte. Sofort schoss mein Blick zu besagter Stelle, bis ich erkannte, dass Inari ein Messer gegen meine Stirn gerichtet hatte, während er mit seiner freien Hand die hochgeworfene Tasse auffing und wieder auf dem Tisch platzierte
    Vor Schreck setzte mein Herz für einen Schlag aus und ich starrte mein Gegenüber mit aufgerissenen Augen an. Dieser lächelte nur sichtlich amüsiert. Ein wenig zu amüsiert nach meinem Geschmack, sodass mir wieder einfiel, weshalb ich ihn noch einmal so unheimlich fand. Paradoxerweise schien kein Mensch um uns herum in dem gut besuchten Cafe, sich für Geschehenes zu interessieren, so als hätten sie es überhaupt nicht bemerkt. Wahrscheinlich hatten sie dies auch wirklich nicht.
    „Lustig nicht wahr? Nicht?“ Nun grinste er noch ein ganzes Stück breiter, zog dann aber schließlich das Messer zurück, worauf ich erleichtert aufatmete. Ein kleiner Blutstropfen rann von der Stirn über die Nase um dort hängen zu bleiben. Eiligst wischte ich ihn mit dem Ärmel meines Shirts ab und war erstaunt dass aus der kleinen, kaum spürbaren Wunde die Inari mit dem Messer verursacht hatte, so verhältnismäßig viel Blut herausquoll.
    „Ich verrate dir ein kleines Geheimnis meinerseits. Weißt du was ich wirklich liebe?“ Erneutes hämisches Grinsen. „ Anderen Leuten Angst einzujagen. Man könnte es wohl schon als Hobby von mir bezeichnen, weil ich so gut darin bin. Stimmst du mir nicht zu?“
    „Doch. Voll und ganz“, antwortete ich wahrheitsgemäß, wenn auch alles andere als glücklich. „Das beantwortet aber nicht meine Frage.“
    Seufzend hob Inari eine Braue.
    „Und ich dachte, ich hätte es mit meinem kleinen Kunststück erklärt. Aber nun gut. Wenn du so willst. Im Grunde ist es ein einfacher Trick. Wir selbst können unsere Präsenz nicht ändern. Das ist nach allem schier unmöglich, aber wir können die Aufmerksamkeit der Leute auf andere Dinge ziehen. Wie ich es hier mit der Tasse gemacht habe, um dich abzulenken. Nun… zugegebenermaßen ist das Königsspiel noch ein ganzes Stück komplexer, wodurch es noch ein mehr Verwendungsmöglichkeiten findet als für den Zweck den ich dir gerade gezeigt habe, aber allem in allem basiert es auf dieser kleinen Spielerei. Wobei es schwieriger wird, sobald man versucht mehrere Personen gleichzeitig zu kontrollieren.“
    Ungläubig wandte ich meinen Kopf etwas zur Seite, ließ meinen Blick aber nicht von meinem Gegenüber weichen.
    „Das ist unmöglich. Ich hätte doch im Augenwinkel bemerkt, wie das Messer sich mir nähern würde. So fixiert auf die Tasse kann ich gar nicht gewesen sein.“
    „Eh, schenkst meinen Worten wohl kein Vertrauen. Du glaubst gar nicht wie leicht man einen Menschen ablenken kann. Unvorstellbar, aber es war nicht mehr als dieser Trick und eine gewisse Geschwindigkeit meinerseits. Jeder könnte das Königsspiel erlernen, selbst du wenn du einen geeigneten Lehrer hättest. Aber selbst dann wäre es wohl unglaublich viel Arbeit und würde die Dinge nicht leichter machen.“
    Einen Moment zögerte ich bevor ich zu meiner nächsten Frage ansetzte und entschied mich Inaris Worte für bare Münze zu nehmen.
    „Dann kann Niobe dieses „Königsspiel“ auch anwenden?“
    „Machst du Witze? Natürlich nicht. Wir sprechen immerhin von Niobe.“ Sein Gesicht nahm eine spöttische Haltung an.
    „Nein? Aber ist sie denn keine Densetsu? Es ist allgemein bekannt dass ihr… nun ja… unglaublich seid.“
    „Sicher, sicher, aber es ist immer noch Niobe. Das schwarze Schaf der Familie. Zu nichts fähig, mit minderem Talent und dazu leicht außer Kontrolle zu bringen. Sie ist wohl kaum mit anderen Densetsu zu vergleichen.“ Inari erhob seine Hände und zuckte mit den Schultern. „Sie hasst diesen Klan mehr als alles Andere, aber das kann man ihr auch nur schwer verübeln.“
    Wortlos starrte ich ihn an und traute meinen Ohren nicht. Niobe das schwarze Schaf des Densetsu Klans? Völlig unmöglich. Ich hatte doch ihre enorme Stärke gesehen, den Densetsu Stil und die Kühle in ihrem Blick. Keines davon gab einen Hinweis, dass sie ein solches sein, geschweige den ihren Klan hassen könnte.
    „Glaubst mir wieder nicht, hm?“ Niobes Bruder senkte seinen Kopf auf die Hand und kniff die Augen zusammen. „Aber ich kann dir versichern. Alles was ich sage entspricht der Wahrheit, auch wenn dich Niobes Kräft beeindruckt haben mögen: Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern dieses Klans ist sie nicht einmal erwähnenswert, weißt du?“
    „Wieso hasst sie die Densetsu?“, wollte ich wissen.
    „Meinst du in einem Klan wie unserem wird gut mit ihr umgegangen bei einer solchen Schwäche? Sie mag eine leichte Sehbehinderung haben, dass gilt in unserem Klan aber noch lange nicht als Entschuldigung.“
    „Moment! Sie hat etwas mit ihren Augen?“ Ungläubig mit leichter verstörter Miene starrte ich ihn an.
    „Niobe ist ziemlich gut darin es zu vertuschen, aber ja, ihre Augen sind nicht ganz funktionstüchtig. Sie hat eine verminderte Sehschärfe und das mit dem räumlichen Sehen soll angeblich auch nicht immer ganz hinhauen. Das ist aber normal für Albinos. Nichts Ungewöhnliches.“
    „Wenn sie so eingeschränkt ist, dann solltet ihr sie aber nicht als unfähig bezeichnen“, zischte ich leise, während langsam in mir Wut aufkeimte. So abfällig wie Inari von seiner Schwester sprach, war dies kein Wundern.
    „Wie gesagt: Ihr Albinismus ist keine Entschuldigung bei uns. Es gibt blinde und überaus talentierte Densetsu in unseren Reihen, die auch gut gegen Gegner ankommen die ihr Augenlicht noch besitzen.“
    „Trotzdem“, knurrte ich mit ebenso zusammengekniffenen Augen wie die seinen. „Das klingt abscheulich.“
    „In der Tat, nicht?“ Wieso stimmte er mir zu, wo er doch so gelassen grinsend vor mir saß, sichtlich desinteressiert an den Umständen mit denen Niobe konfrontiert wurde. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten und presst die Zähne zusammen, um mich wieder zu beruhigen.
    „Wieso ist sie dann noch nicht aus dem Klan ausgetreten?“ Anstatt eine Antwort zu geben, zog Inari seine zweite Hand zu Nutze um seinen Kopf darauf zu stützen und wiegte diesen auch darauf leicht hin und her. Die Augen hielt er dabei geschlossen, als würde er über etwas nachgrübeln, eine Antwort, vielleicht eine Ausrede findend.
    „Du scheinst mir etwas zu viel zu wissen. Das dachte ich mir schon vor einer ganzen Weile.“
    Erschrocken zuckte ich zusammen.
    „Ich weiß nur von dem, was mir Niobe erzählt hat“, antwortete ich gespielt unterkühlt. „Und ein wenig aus dem Internet, aber ansonsten fällt mir nichts ein.“
    „Hm. So kenne ich meine Schwester ja gar nicht. Leute die ihr am Herzen liegen in Gefahr zu bringen.“ Das spöttische Grinsen seinerseits machte mich unsicher und ganz automatisch wich ich dem stechend gelben, schlangenähnlichen Augenpaar aus, was ich schon eine Sekunde darauf sichtlich bereute. Mit einer solchen Reaktion verriet ich mich doch nur noch mehr.
    „Sprich aus was du weißt. Vielleicht kann ich dir sogar etwas weiterhelfen. Wer weiß?“, forderte mich Inari auf und machte eine ausschweifende Geste mit der Hand in meine Richtung.
    Wie sollte ich jemals einem Menschen wie Inari vertrauen können? Egal aus welcher Perspektive ich ihn betrachtete, er schien mir falsch. Durch und durch ein Lügner der sich hinter einem freundlichen Gesicht versteckte. Mehr wie ein verzerrtes, surreales Menschenabbild, als tatsächlich human. Seine Gestik, seine Stimme, seine ganze Ausstrahlung hatte etwas Übernatürliches, was ich noch nie zuvor bei einem Menschen beobachtet hatte.
    „Dann beantworte doch erst einmal meine vorige Frage“, murmelte ich.
    „Ich hatte es vergessen zu erwähnen, aber das fällt wohl in die Kategorie „Persönliche Angelegenheiten“. Wir Densetsu bewahren gerne unsere eigenen kleinen Geheimnisse von denen unter Umständen kein Außenstehender, unter denen du dich zwangläufig befindest, erfahren darf. Aber keine Sorge, du kannst Niobe ja direkt fragen.“
    „Dann was ist mit dir. Wieso verstehen Niobe und du sich nicht?“
    „Ich habe ihr jeden Morgen das Frühstück gekocht, sie immer zur Schule gebracht und ihr bei den Hausaufgaben geholfen“, erklärte Angesprochener mit sichtlicher Ironie. „Was glaubst du denn? Sehe ich für dich wie das liebe Bruderherz aus?“
    „Nein“, antwortete ich schroff, aber durchaus der Wahrheit entsprechen.
    „Gutes Mädchen. Ein paar weniger offensichtliche Fragen?“
    Ebenso wie er schmunzelte ich mit einem auffordernden Blick durch meinen zusammengekniffenen Augen.
    „Deine Mission. Bei den Vapydro Werken hattest du von einer Mission gesprochen. Kamst gerade aus Sinnoh zurück.“
    „Ein Auftrag der internationalen Polizei. Soll mir einen anthropophoben Psychopathen, den die Kerle immer noch nicht ausfindig machen konnten, krallen. Nicht dass ich sonderlich daran interessiert wäre, aber ich sah es als kleine Herausforderung.“
    „Hm? Ihr Densetsu arbeitet mit der Polizei zusammen?“, harkte ich nach. An Braves Verdacht war also tatsächlich etwas dran.
    „Dann und wann. Man bezieht nun mal gerne unsere Fähigkeiten mit ein“, erläuterte Inari so als wäre es etwas völlig Alltägliches. „Unserem Ruf schadet es auch nicht. Von daher.“
    „Ich habe immer geglaubt, dass ihr nur an Turnieren teilnehmt.“
    „Größtenteils, das ist wahr. Aber Abwechslung ist dann und wann auch mal ganz nett. Sterbe manchmal vor Langeweile.“
    „So?“ Die Ordinarität die plötzlich in seine Stimme und Ausdrucksweise eingetreten war machte mich misstrauisch. Es klang plausibel was er dort sagte, aber hatte er vielleicht Verdacht geschöpft, dass ich eventuell mehr über die Densetsu wissen könnte als ihnen zu liebe war und mich so auf die falsche Fährte locken wollte? Zutrauen würde ich ihm das durchaus, aber agierte er dafür nicht fast schon etwas zu offensichtlich?
    „Dann ist ja selbst die Polizei beeindruckt von euch. Hätte ich gar nicht gedacht.“
    „Nein? Einen guten Ruf genießen wir doch in der ganzen Region.“
    „Doch, doch. Nur war ich etwas überrumpelt als Niobe den Densetsu Stil beim Turnier anwendete. Es wirkte schon etwas grausam.“
    „Nach allem ist sie immer noch eine Densetsu, selbst wenn sie uns hasst“, Inari kicherte. „Der Stil hat etwas Monströses an sich, dem bin ich mir durchaus bewusst. Man könnte aber wohl sagen dass er unseren Adern liegt. Wir beherrschen keinen Stil besser als diesen und werden es auch nie tun, als geborene Densetsu.“ Für einen kurzen Moment wollte ich beobachtet haben, wie sein Blick abschweifte. Irgendwo weit in die Fern, wohin ich niemals blicken können würde. Wieso war alles an diesem Mann nur so schrecklich fragwürdig und zweideutig? So konnte ich wohl unmöglich Brauchbares aus ihm herausbekommen. Alle Antworten waren legitim und sicherlich zu einem gewissen Grad sogar wahr, aber wo begann die Lüge hinter seinen Aussagen, sofern es überhaupt eine Solche war?
    „Ihr seid also sehr traditionsbewusst, ja?“
    „Irgendwie.“
    „Ehrlich gesagt finde ich das interessant. Heutzutage hat man das Gefühl dass alles immer wieder der Moderne verfällt. Kommt man schon beinahe nicht mehr mit.“
    „Wünscht man sich fast, dass die Konzerne einen Gang runter schalten und nicht alle zwei Monate einen neuen 3D Fernseher auf den Markt bringen, nicht?“, gab Inari hinzu und grinste ausnahmsweise selbst aus meinen Augen einmal charmant. „Ich verstehe vollkommen was du meinst. Wir Densetsu würden wohl kaum das bleiben was wir schon zu Beginn waren, würden wir nicht an unseren Bräuchen fest halten.“
    „Ich kann kaum glauben das Niobe den Klan so sehr hasst. Das Ganze hört sich für mich doch recht seriös an“, gab ich mit einem Lächeln bekannt.
    „Kleines“, Inari seufzte. „Es wäre mir lieb du würdest dich nicht so ein schleimen. Ich merke das durchaus.“
    Wie vom Blitz getroffen zuckte ich zusammen. Erwischt und dazu hatte er es auch noch von Anfang an bemerkt. Eine absolute Hundertachtziggrad Wende seinerseits, als ich gerade geglaubt hatte ihn geködert zu haben.
    Auf einmal zog Inari ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche hervor, klappte es auf, blätterte kurz darin und las dann laut vor:
    „Walter Fletcher. Geboren am 28.September.1949. Starb im Alter von 60 Jahren als eines von vielen Opfern der „Silph & Co Misere. Hatte zu dem Zeitpunkt engen Kontakt zu seiner Familie in Eventura City, Einall. Laut Befragten lag ihm anscheinend besonders sein Enkel Brave Fletcher und dessen Freundin Ivory Seawell am Herzen“, er klappte das Buch zu und starrte mich an. „Und so weiter.“
    Hörbar schluckte ich, meine Ohren kaum trauend was ich gerade gehört hatte.
    „Also… wart ihr an der Silph & Co beteiligt?“, rutschte es mir heraus und bereute es sogleich auch wieder.
    „Danke sehr. Ich wollte noch einmal sicher gehen, aber scheinbar weißt du schon einmal so viel. Kann ich mir ja schenken alles geheim zu halten.“
    „Woher hast du die Informationen?“, zischte ich.
    „Sagte ich nicht bereits dass jeder so seine Quellen hat?“ Inari schmunzelte, unbeeindruckt von meinem zornig aussehenden Gesicht. Wahrscheinlich schon allein deshalb in diesem auch ein Hauch von Furcht mitspielte.
    „Keine Sorge. Ich tue nichts. Im Grunde wollte ich nur sicher gehen mit wem meine kleine Schwester hier verkehrt. Würdet ihr euch näher kennen lernen, hättest du früher oder später ohnehin von dem Ganzen hier gehört, von daher ist alles was ich dir heute mitgeteilt habe praktisch wertlos. Aber“, er erhob sich, „Werde deswegen bloß nicht übermütig. Nur das wir uns verstehen.“
    „Wie könnte ich nur auf diese Idee kommen“, knurrte der mutige Teil meines Selbst, während der schüchterne Part versuchte diesen zu beruhigen und damit davor zu bewahren noch andere unvorsichtige Dinge auszusprechen.
    „Ja, wie könntest du bloß“, sagte Inari ungewöhnlich monoton, wenn auch mit einem amüsiertem Unterton. Er hob den Kopf, legte ihn schief und starrte mit leicht geweiteten Augen auf mich herab. Ein Todesblick der seinesgleichen suchte. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken, jedoch konnte ich aus unerklärlichen Gründen den imaginären Strang der unsere Blick zusammenhielt nicht durchtrennen und wurde so gezwungen ihm direkt in die Augen zu starren. Immer weiter drang der kalte Schauer, von dem ich geglaubt hatte dass er nur auf meinem Rücken ansässig wäre, in meinen Körper ein. Durchfloss jede Faser meines Körpers, wandte sich wie eine Schlange um die tiefliegenden Knochen meinerseits, bis ich plötzlich spürte, dass ich nicht mehr atmete. Wie eine Klaue spürte ich eine eigenartige Kraft sich um meinen Brustkorb klauben, drückte ihn zusammen, quetschte ihn mit einem gewaltigen Druck, sodass es mir völlig unmöglich war meine Lunge mit Sauerstoff zu versorgen. Doch nichts von diesem Gefühl entsprach der Wahrheit, das konnte ich trotz aufsteigender Panik erkennen. Es war das Königsspiel, aber wie konnte er damit verhindern das ich atmete? Wie man es auch drehte und wendete, das war er dort tat, war ein Ding der Unmöglichkeit. Niemals könnte er eine so natürliche Handlung des Körpers wie das Atmen einfach abschalten mit einem simplen Trick wie er mir ihn erklärt hatte, so komplex er auch modifiziert worden war. Es musste mehr dahinter stecken. Deutlich mehr.
    Aufgeregt zuckten meine Lider, als ich bemerkte wie mir langsam die Luft ausging es mir schummrig wurde. Extreme Klarheit und undeutliches Aufblitzen wechselten sich vor meinem Auge ab und ich spürte bereits wie mein Körper sich nicht mehr aufrecht halten konnte.
    Der Kerl wollte mich doch nicht tatsächlich umbringen, oder? Nicht hier in diesem gefülltem Cafe. Da würde wahrscheinlich selbst er als Densetsu nicht ungeschoren davonkommen.
    Hilfesuchend sah ich mich um und tatsächlich: Zwei Pärchen einen Tisch weiter hatten von uns Notiz genommen und runzelten die Stirn. Normalerweise hätte Inari dank seiner Fertigkeit dies eigentlich verhindern müssen können, aber da er dies nun nicht tat konnte das nur bedeuten, dass er seine gesamte Konzentration auf mich fixierte, um mir die Lunge abzuquetschen.
    „Was nun? Was nun?“,schoss es mir panisch in den Kopf. Weder bewegen, noch irgendetwas Anderes konnte ich tun. Nur hier sitzen und warten, dass sämtlicher Sauerstoff innerhalb meiner Lungen verbraucht sein würde.
    Im Augenwinkel konnte ich gerade noch erkennen wie Inaris Händen plötzlich zuckten und sich der Druck um meinen Brustkorb löste. Sofort schnappte ich gierig nach Luft und starrte meinen Peiniger angsterfüllt an. Damit hatte er mir den Rest gegeben, mich ihn absolut fürchten gelehrt, dass ich niemals auch nur auf die Idee kommen würde etwas von den Densetsu in aller Öffentlichkeit auszuplaudern.
    „Nur als Example, was mir möglich ist, wenn ich mich nur auf eine einzige Person konzentriere“, erklärte Inari kühl. „Mir ist es herzlich egal was du von uns weißt, was du von uns hältst, aber hüte deinen Zunge. Ich habe meine Gründe und du somit auch, wenn du weißt was ich meine.“
    Ich nickte, Verwirrung auf dem Gesicht stehend.
    „Das erleichtert einiges.“ Niobes älterer Bruder knallte ein paar Münzen auf den Tisch, um mir dann den Rücken zuzuwenden. „Wahrscheinlich hinterlasse ich bei den Leuten meistens einen falschen Eindruck, was im Grunde auch meine Intention ist, trotzdem“, er pausierte kurz und drehte sein Gesicht leicht in meine Richtung, während in seinem Blick etwas Erwartungsvolles geschrieben stand. „Wäre es auch einmal nett, wenn es anders laufen würde.“
    „Wieso kann man dermaßen vernarrt in einen Klan voller Kriminellen sein wie du es tust?“, brachte ich mit Mühe, immer noch leicht angeschlagen von vorigem Ereignis, hervor.
    Schulterzuckend wandte sich Inari wieder von mir ab und antwortete, ohne meine Frage auch nur im Geringsten zu beachten: „Zu schade, aber vielleicht ein anderes Mal. Wie sagt man doch? Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

  • Höchst einfallsreich, sich auf Kommentare mit einem Kommentar zu bedanken, doch eben dies werde ich nun auch tun, vor allem, weil mir deine tatsächlich hilfreiche Reaktionen und Anrgungen vermitteln und Du mir als Leserin jedenfalls äußerst wertvoll bist. Da führt kein Weg daran vorbei, sich freundlicherweise zu revanchieren, vor allen Dingen in Phasen, wo ein Autor an dem Weiterschreiben vor Zweifeln steht - oder aber vor einem wichtigen Wendepunkt der Handlung, wie er bei Dir momentan stattfindet.


    Ja, auch meine Kommentare sind vom Stil gepflegt, viel zu schreiben und dabei eigentlich wenig auszudrücken, wie Du an diesem Punkt bereits gemerkt haben solltest. Zur Sache: ich mochte Shipping-Fanfiktions nie. Sie stellen ein Genre, das nicht wirklich über das Niveau von Geschriebenem hinauswachsen kann, das man Flugs anklickt, verspeist, an die nicht mehr bindet als die Sympathie mit den Charakteren, öfters aber auch die Frage "Wann kommen die nun endlich zusammen?"
    Ungeachtet dessen durfte mich Dein Werk von Beginn an ansprechen und das, weil Du Beziehungen so darstellst, wie sie dargestellt werden sollen: näher an Romanniveau, als an Shipping-FF-Niveau. Ich bin ein Fan von Kitsch, von Überdramatik, demnach erfreute es mich, dass Du beides in gesunden Maßen einbringst. Bereits geäußert sind die vielen positiven Aspekte Deines Schreibstils, der vergleichsweise butterweich wirkt - leserfreundlich eben, dürfte ich mir ruhig zwei Scheiben abschneiden. Ebenso die optimale Kapitellänge, die die Scheibenanzahl nochmals mit zwei multipliziert. Dies darfst Du in meinem ersten Post ja bereits zur Kenntnis nehmen und verdientes Lob einholen. Ich sage lediglich, dass Du das Niveau hältst und wirklich niemanden enttäuschst. Was auch immer Du beschreibst, es geht vor allen Dingen sehr einheitlich von der Hand, was Du bereits in Beschreibungen von Kämpfen, Beziehungsszenen und simplem Bummel gleichermaßen unter Beweis stellen konntest.
    Das ermöglicht Dir zu schreiben, ohne großartig auf Formulierungen Acht zu geben, was an sich eine unbeschreiblich wertvolle Gabe für einen Autoren ist, die seine Produktivität wirklich steigert.


    Um zur Handlung zu kommen und dem zweifellos wichtigsten Aspekt für Dich im Moment, so nehme ich erfreuliche Abweichungen vom traditionellen Szenario einer Shipping-Fanfiktion wahr, welche in Deinem Fall einfach verbrecherisch geschundenes Potenzial wären. Neben dem bisher doch eher oberflächlich erfolgten, aber viel Entfaltungsmöglichkeiten bietenden und gelungenen Einbringen von Isshu-Charakteren, wie Cheren, Bell und auch White mit N. Äußerst zusagen tut mir ein in der Pokémon-Welt ja generell etwas unharmonisches Element, wie reines Fantasy, das Du jedoch geschmeidig einfügen konntest. Gemeint ist offensichtlich der Densetsu-K(?)lan, die, alle Achtung, sich auf Attentate und "abgekürzte Problemlösungen" spezialisieren. Hier hätte ich allerdings eine wirklich glaubwürdige Erklärung gerne für die Toleranz der Regierung gegenüber Personen, die förmlich nach Gewaltanwendung riechen und selten ohne Begleitung scharfer Gegenstände auftauchen. Nicht, dass es den Lesegenuss trüben würde, viel eher würde das Deine Fanfiktion eine weitere Stufe höher in Sachen Reife stellen - wobei ich keinesfalls erwarte, dass Du ähnlich weit wie ich gehst und hiermit den doch eher auf Persönlichkeiten, als auf Großmächten fixierten Handlungsfluss uneinheitlich durchbrichst.


    Apropos Persönlichkeiten: diese kommen nie zu kurz bei Dir und können den Charakteren in jeder Szene abgelesen werden. Seit neueren Kapiteln tendiere ich übrigens in Cáithlyns Richtung, doch auf meine Weise. Ivory ist kein unsympathischer Charakter, eher ein schwacher. Und dies nicht einmal aus Sicht der Charakterstärke, eher der Tiefgründigkeit und Einflussstärke, wie Brillanz, Talente: sie ist eher durchschnittlich, nach wahren Persönlichkeiten mit Prinzipien und Ambitionen muss man sich leicht seitlich nach Inari oder aber nach der neuesten Konfrontation mit Niobe auch Brave umsehen. Eine Entwicklung, die ich doch eher einzudämmen empfehle: nicht, dass die Hauptprotagonistin zu einer Statistin wird, die sich durch die Handlung treiben und läßt und einzig vom im Gründe ja Recht simplen Verlangen Braves jungen Körper für sich zu haben geleitet wird. Dabei ist Ivory noch nicht einmal von schwachem Willen, sie verblasst eher im Kontrast zu handelnden Personen, die das Geschehen meist besser in der Hand haben - so im neuesten Kapitel, wo Inari zu 95% die Initiative ergreift. Andererseits stellt Ivory somit für manche Leserinnen eine Verbindungsperson dar, eben weil sie wie das nette Mädchen von Nebenan wirkt.
    Meine Kritik hier konntest Du hier ja ausfindig machen: die Hauptprotagonistin verblasst, man wird ab und zu vom Eindruck nicht los, dass Dir Charaktere wirklich ans Herz wachsen - wohl eben genau der Grund, wieso Mal Brave, Mal Inari einfach einmal ein gesamtes Kapitel für sich beansprucht, ohne dass Ivory wirklich zum Zug kommt.


    Von den Charakteren gehe ich auf ihr Zusammenspiel über, welches sich Handlung nennt. Leider muss ich Dir mitteilen, keinen roten Faden erkennen zu können: keine Schlüsselereignisse, auf die gewartet wird, keine komplizierten Verknüpfungen, die jede Sekunde in einem spektakulären Konflikt hätten eruptieren können. Zwar werden diese geknüpft, Höhepunkt blieb doch aber lediglich die Konfrontation mit Niobe, die auch auf gemäßigten Wogen verläuft und in einem einzelnen Tritt und Niobes Rückzug mündet. Dieser Eindruck wird von der mMn insgesamt eher laschen Sidestory verstärkt: hohe Zentralisierung auf Emotionen, auf Gefühlen, auf Beziehungen und da hat man erneut die Züge einer Shipping-FF vor sich, die meinen subjektiven Geschmack doch eher verfehlen. Doch herzerwärmend weiterhin, wie Du beschreibst, was Du beschreibst und alleine weil Du es bist, die schreibst, lese ich jedes Kapitel doch mit Freude. Memorisierend war hier zweifelsohne die Szene beim Einschlafen, (an was erinnert mich die Situation und ihre Auflösung bloß? ^_^) Momente, von denen eine Shipping-FF lebt und in dem Falle auch hervorragend umgesetzt. Wo Du Dich schon auf Deine Stärken besinnst, so tue es öfter: ein "gelungenes Mittelding" zwischen den recht radikalen und zugkräftigen Densetsu-Klan und Ivorys larmoyanter, simpler Sandkastenliebe wäre ein künstlerisch äußerst komplizierter Spaghat, der einige grundgelegene Änderungen am Handlungsfluss und Schreibstil fordern würde: bei Deinem weit entwickelten Autorenbewusstsein und einheitlichem Gesamtbild auf hohem Niveau wenig erwünschenswert.


    Man liest sich,
    - Mainstream.