Ich muss sagen, dass ich Ron auch immer weniger leiden konnte, je länger die Buchreihe andauerte. Der Ron Weasley, den Rowling ihren Lesern vom dritten bis zum sechsten Band präsentiert, hat herzlich wenig mit dem Ron zu tun, der in "Harry Potter und der Stein der Weisen" und "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" auftritt. In den ersten beiden Bänden habe ich Ron noch als relativ sympathische Figur wahrgenommen. Natürlich ist er ziemlich impulsiv und nicht allzu konstruktiv, was sich vor allem in den Auseinandersetzungen mit Draco Malfoy zeigt, aber er hatte am Ende der beiden Bände immerhin Anteil daran, dass die dunklen Mächte nicht durchdringen konnten. Im ersten Buch meistert er das Schachspiel von Minerva McGonagall und im zweiten Band profitiert er in gewisser Hinsicht davon, dass Hermine versteinert wird, da sowohl Ron als auch Harry auf diese Art und Weise dazu gezwungen werden, die Sache alleine aufzulösen, auch wenn Hermines Notizen sie natürlich erst auf die richtige Spur bringen.
Danach kann man jedoch nicht mehr sonderlich viel auf dem Guthabenkonto von Ron verbuchen. Vom dritten bis zum sechsten Band nimmt er auf die Handlung praktisch keinen Einfluss mehr. Seine Verletzung hindert ihn daran, mit dem Zeitumkehrer zurück zu reisen. Beim Trimagischen Turnier ist er natürlich nur Zuschauer. (Gut, er hilft Harry im Vorfeld der zweiten und dritten Aufgabe, aber da er nicht die notwendigen Erkenntnisse gewinnt, ist das sekundär.) Im fünften Band ist er ein Mitglied von Dumbledores Armee, aber irgendwie bekommt man keine nennenswerten Fortschritte in Sachen Charakter und Fähigkeiten mit. Und im sechsten Band besteht seine größte Leistung darin, Harry auf die Idee zu bringen, Felix Felicis einzusetzen, um Slughorn die wichtige Erinnerung an Tom Riddle abzuringen. Im siebten Band macht Rowling ihm dann wieder ein paar Zugeständnisse, aber die wirken aufgrund seiner vorherigen Passivität wie Ausreden bzw. Zufallstreffer.
Dass Dumbledore Ron im fünften Band zum Vertrauensschüler gemacht hat, konnte ich ebenfalls nie verstehen. Allerdings ist auch die Ernennung von Hermine als Vertrauensschülerin mindestens zweifelhaft. Wenn Rowling diesen Handlungsstrang für den Verlauf der weiteren Geschichte gebraucht hätte - zum Beispiel für ein wichtiges Gespräch, das Ron und Hermine belauschen - dann hätte ich es noch irgendwo verstehen können, dass sie die beiden in dieser Position braucht. Aber die Sache mit den Vertrauensschülern verliert sich im Laufe des fünften Bandes komplett und wird nur noch für mehr oder weniger humorvolle Stellen gebraucht ("Du - bist - Vertrauensschüler!"). Wenn man mal davon absieht, dass Harry wütend auf Dumbledore ist, weil er ihn nicht zum Vertrauensschüler gemacht hat, besitzt dieser Handlungsstrang überhaupt keine Funktion. Und da Harry im sechsten Band zum Kapitän der Quidditch-Mannschaft von Gryffindor ernannt wird, bekommt er bereits ein Jahr später die gleichen Privilegien wie Ron und Hermine.
Mir sind die Gründe, die Dumbledore zu dieser Wahl bewegt haben, absolut schleierhaft. Die Sache mit den Vertrauensschülern war nie besonders wichtig, also hätte man diese Funktion auch an Nebencharaktere vergeben können. Neville wäre meiner Meinung nach ein besserer Vertrauensschüler gewesen als Ron. Die Wandlung, die er im fünften Band durchmacht, wäre auf diese Art und Weise gut unterstützt worden. Und als Vertrauensschülerin hätte man beispielsweise Lavender Brown nehmen können. Ron und Hermine haben im Laufe der Jahre viel zu viele Regeln gebrochen, als dass man ihre Berücksichtigung nachvollziehen könnte. Wenn es Dumbledore auf die Taten außerhalb der Schulzeit ankommt, dann hat er die ganze Sache offensichtlich nicht verstanden. Und wenn es ihm darum ging, Harry bremsen zu wollen, hat er sich mit Ron und Hermine sowieso verschätzt. (Abgesehen davon kann ich mich an keine Stelle in den Büchern erinnern, in denen das erwähnt wird. Lupin wurde zum Vertrauensschüler ernannt, um James und Sirius zu bremsen, aber bei Harry, Ron und Hermine wird diese Option soweit ich weiß nicht thematisiert.) Auch charakterlich passt Ron nicht in diese Position: Er schmiedet schon im Hogwarts-Express Pläne, welche Strafen er für Malfoys Kumpanen in Betracht zieht, lässt sich praktisch jeden zweiten Aufsatz von Hermine schreiben oder zumindest korrigieren und droht Seamus eine Strafarbeit an, nur weil dieser Harry nicht glauben möchte, dass Voldemort zurückgekehrt ist. Abgesehen davon besitzt Ron die Frustrationstoleranz eines Kleinkindes. Seine Reaktionen auf Provokationen waren immer unverhältnismäßig unwirsch, meistens wollte er sich direkt auf ihren Urheber (allen voran Malfoy) stürzen und die Fäuste sprechen lassen.
Was mir bei Ron außerdem gehörig auf die Nerven gegangen ist, war seine permanente Angst vor dem Namen "Voldemort", die sich bis in den letzten Band zieht. Man sollte meinen, dass jemand, der sein letztes Schuljahr auf Hogwarts schmeißt, um Voldemorts Horkruxe zu vernichten, in dieser Sache etwas mutiger und entschlossener agiert, aber bei Ron ist man da offensichtlich an der falschen Adresse. (Auch wenn Rowling die Angst vor dem Namen im siebten Band für das Tabu gebraucht hat. Aber ich muss sagen, dass ich es wesentlich lustiger gefunden hätte, wenn Ron den Namen zum ersten Mal überhaupt in den Mund nimmt und der Gruppe damit direkt einen Bärendienst erweist.)