Fanstory-Vertonungen

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  • Hallo, liebe Hobbyautorinnen und Hobbyautoren, herzlich Willkommen im Vertonungstopic!
    "Vertonungen"? Was soll das heißen?
    Ganz einfach!


    Seit einigen Monaten verfolge ich nun schon die Fanstory-Wettbewerbe. Mir kam dabei eine Idee, die ich dem Komitee mitteilte. Dabei ging es darum, dass ich die Gewinner-Stories
    der jeweiligen Wettbewerbe vorlese. Als eine Art zusätzlichen Anreiz, als Extra-Preis, als Belohnung für die Gewinner. Und weil ich sowieso gerne rede, macht mir das auch nicht besonders viel aus. :)
    Dieses Topic hier dient dazu, euch die vertonten Stories zugänglich zu machen. Dabei wird dieser Post jedes Mal nach der Bekanntgabe des Gewinners aktualisiert.
    Selbstverständlich kann es auch einmal vorkommen, dass ein Autor nicht möchte, dass sein/ihr Werk vorgelesen wird. Sollte dies der Fall sein, so wird das in diesem Post entsprechend vermerkt.
    Wir möchten in solchen Fällen um Verständnis bitten.
    Ansonsten gibt's weiter unten dann die von mir vorgelesenen Schriftstücke, mit denen die Autoren die jeweiligen Wettbewerbe gewonnen haben.


    Viel Spaß beim Anhören wünscht euch


    euer Schwammi,
    BisaCast-Moderator



    P.S. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an das FF-Komitee, das mir gestattet, meine kleine Aktion hier durchzuziehen. :)

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    [tab=Feuerfee]
    [subtab=Vertonung]
    Kardia - Feuerfee


    Schwamm'sche Anmerkungen
    So wie ich das sehe, ein verdienter Gewinner. Glückwünsche auch von dieser Stelle.
    Für mich persönlich ist "Kitsune" allerdings als ein maskuliner Begriff anzusehen, aber da es im Japanischen kein grammatikalisches Geschlecht gibt, sei das mal so dahingestellt.
    Ich hatte beim Einlesen weiter keine Probleme und so, wie die Geschichte geschrieben ist, ist das auch kein Wunder. Es wirkt wie aus einem Guss, alles geht nahtlos ineinander über.
    Wahrscheinlich auch bedingt durch die Zeichensetzung. Aber da bin ich jetzt weniger der Experte. Ich lese nur. ^^


    P.S. Ich war zur Aufnahme unglücklicherweise leicht erkältet und das hört man natürlich sofort. Hoffentlich stört es nicht allzu sehr.
    [subtab=Gewinnertext]
    Kardia - Feuerfee


    Dein dichtes Fell glitzert golden in der abendlichen Sonne; wie alles verzehrende Feuer strahlen Deine hellen Augen, erblicken sie, was nur allein für Dich Wertigkeit besitzt. Deine Schweife, neun an der Zahl, gleiten sanft über das unebene Erdreich, während Dein Blick suchend umherschweift.
    Du bist eine Kitsune, ein feuriges Sagenwesen alter Legenden, ins Leben gerufen durch Glut und Asche; und so wie das Feuer Dich schuf, so brennt es auch in Deinem Inneren, lodert, glüht. Dort, wo der Nebel Deiner wilden Schönheit schmeichelt, ist Dein Heim – und dorthin kehrst Du zurück, auf ewig gebunden an Flammen und silberne Tränen.
    [/tabmenu]

  • Dieses Mal gibt es sogar zwei Gewinner(innen). Glückwünsche an Cassia und Cáithlyn.


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    [tab=Was ist Liebe für Dich?]
    [subtab=Vertonung]
    Cassia - Was ist Liebe für Dich?


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Wow. Einfach nur wow. Ich habe die Geschichte zweimal lesen müssen, weil mich beim ersten Vorlesen meine Gefühle übermannt hatten.
    Nicht, dass es mich überrascht. Ich hatte schon mit was Ähnlichem gerechnet bei so einem Thema. Wenn man dann einen sensiblen, empathischen
    Kerl hinsetzt und vorlesen lässt, passiert sowas nun einmal. Außerdem habe ich jetzt einen Ohrwurm von "What is love" aus irgendwelchen, unerfindlichen Gründen.
    Glückwunsch an Cassia auch von mir. Ich hoffe, dass ich der Geschichte mit meiner Interpretation gerecht werde.
    [subtab=Gewinnertext]
    Cassia - Was ist Liebe für Dich?


    ~


    Es ist eine dieser Nächte.
    Draußen regnet es und der Wind pfeift um das Fenster. Ich will aufstehen, um die Gardine zu zu ziehen. Aber stattdessen bleibe ich dort, wo ich bin. Mit dem Gesicht zu dir liegend, die Arme unter meinem Kopf. An deiner Seite.
    Du sitzt aufrecht neben mir, dein leiser Atem wirkt so beruhigend. Manchmal frage ich mich, wann du schläfst oder überhaupt jemals ein Auge zu tun wirst. Immer, wenn ich mich schlafen lege, folgst du mir, als gäbe es keinen anderen Grund für dich im Leben, als an meiner Seite Wache zu stehen.
    Ich habe es dir nie gesagt, aber wenn du bei mir bist, geht es mir stets besser. Die Dunkelheit verliert ihre Schrecken und in der Schwärze deine Umrisse ausmachen zu können, ist Balsam.


    ~


    Es ist eine dieser Nächte.
    Du schläfst, während ich neben dir sitze und versuche, in all der Finsternis nicht gleich den Verstand zu verlieren. Es macht mir Angst, trotz all der Jahre, die ich nun schon in Sicherheit bin. Aber trotzdem verfolgten mich die Bilder längst vergessener Tage, trotz all den Versuchen, sie aus meinem Kopf zu verbannen. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht schlafe.
    Ich schaue zur Seite und bemerke, dass du noch wach bist. Du lächelst, als du meinem Blick begegnest.
    Ich habe es dir nie gesagt, aber wenn du bei mir bist, kann ich einfach ich sein.
    Ungekünstelt, unmaskiert.
    Ohne Angst.


    ~
    Es ist eine dieser Nächte.
    „Rue?“ Dein Name rollt mir von der Zunge. Wie oft ich ihn schon ausgesprochen habe, kann ich nicht sagen. Aber es sind unzählige Male, in den unterschiedlichsten Gefühlslagen und Situationen.
    Ich erhalte keine Antwort, aber dass ist auch nicht nötig. Auch so weiß ich, dass du mir zuhörst. Das hast du immer getan.
    „Was ist für dich Liebe?“


    ~


    Was ist für dich Liebe?
    Ich zögere. Fragend und still dasitzend sehe ich dich an, zweifelnd, ob ich die Frage überhaupt richtig verstanden habe. Etwas Vergleichbares hast du mich noch nie gefragt.
    Für einen Moment sortiere ich meine Gedanken und schaue dabei aus dem Fenster. Selbst in all der Dunkelheit kann ich die Regentropfen an der Scheibe erkennen.
    „Rue?“ Ich spüre, wie du dich bewegst.


    ~


    Was ist für dich Liebe?
    Ich kann nicht sagen, warum ich mich ausgerechnet jetzt traue, diese Frage auszusprechen. Wie lange kennen wir uns jetzt schon – zehn Jahre, zwanzig Jahre? Mein ganzes Leben.
    Und ich habe Angst. Angst vor deiner Antwort.
    Denn obwohl ich dich schon so lange kenne, weiß ich nicht, wie deine Antwort ausfallen wird. Ob sie mir gefallen wird oder auch nicht.


    ~


    Was ist für dich Liebe?
    Ich habe nur eine ehrliche Antwort für dich, ma petite. Und ich befürchte, du willst sie nicht hören, deswegen schweige ich. Denn wenn ich etwas im Leben niemals tun will, dann ist es, dich zu verletzen.
    Aber ich möchte auch nicht selbst verletzt werden. Es tut weh, von den Menschen, die man liebt, verletzt zu werden. Ich habe es so oft erfahren müssen, dass mein Herz es nicht länger ertragen konnte.
    Deswegen bin ich gefühlskalt und sachlich, denn Gefühle verletzen.
    „Zwar verbinde ich Liebe auch mit Freude, mit Schutz, mit Glück.
    Aber Liebe ist für mich vor allem Schmerz.
    Schmerz, weil Liebe bricht.
    Schmerz, weil Liebe nicht ewig währt.
    Schmerz, weil Liebe irgendwann zu Ende geht.“


    ~


    Liebe ist Schmerz.
    Ich kann den traurigen Tonfall kaum ertragen, in dem du sprichst. Du merkst es vielleicht nicht, aber alles, was du gerade denkst, sprichst du laut aus. Ich höre die Worte, mag sie aber nicht glauben.
    Langsam weicht die Dunkelheit und in dem herannahenden Tageslicht sehe ich dein Gesicht. Es ist voller Angst und unerfüllbarer Sehnsucht. Und ich bereue es, dir diese Frage gestellt zu haben.


    ~


    Liebe ist Schmerz.
    „Liebe ist Vertrauen. Und wem soll ich vertrauen, wenn ich nicht einmal mir selbst vertrauen kann? Ich betrüge mich doch jeden Tag selbst. Sage mir, dass ich keine Gefühle habe, sie schlichtweg nicht existieren. Aber dass ist gelogen.
    Ich sage mir, dass du mir nichts bedeutest.
    Sage mir, dass du mir nie etwas bedeuten wirst.
    Aber dass ist gelogen.
    Liebe ist Glück, aber ich habe keines. Jeden Tag muss ich befürchten, zu sterben, und wo ist da bitte vom Glück die Rede?“


    ~


    Liebe ist Unglück.
    Am liebsten würde ich dich unterbrechen, damit ich all die Zweifel nicht länger ertragen muss. Du merkst es vielleicht nicht, aber mit jedem Wort triffst du mich. Schneidest mich damit wie mit einem Messer, immer tiefer, immer grausamer.
    Doch ich schweige und lausche weiterhin stumm deinen Worten. Und bete, dass die Zukunft noch nicht gegangen ist.
    Um mich in all diesen Scherben allein zurück zu lassen.


    ~


    Liebe ist Unglück.
    „Liebe ist Schutz und von wem soll ich bitte beschützt werden?
    Liebe ist, sich bei jemandem vollkommen fallen lassen zu können. Aber wo soll ich mich fallen lassen, ohne die Angst zu verspüren, mich wieder zu verletzen? Wer würde mich auffangen? Ich würde auf dem Boden aufkommen, noch bevor irgendjemand merken würde, dass ich überhaupt am Fallen bin.“
    Ich atme schwer. Die Worte sind aus mir heraus gesprudelt, unaufhaltsam wie ein reißender Gebirgsbach. Aber es tut unglaublich gut, es alles einfach heraus lassen zu können.
    Ich sehe dich an. Du bist so blass, deine Unterlippe zittert.
    „Liebe bist du.“


    ~


    Liebe bist du.
    Hast du es wirklich, wahrhaftig gerade gesagt? Ich will aufspringen, aufschreien vor lauter Glück, will die Welt umarmen. Und vor allem dich.
    Aber dein Gesichtsausdruck lässt mich innehalten. Denn du bist noch nicht fertig, begreife ich. Und obwohl ich vor lauter Glück zerspringen will, warte ich.
    Denn ich habe schon so viele Jahre lang gewartet. Diese Sekunden werde ich ebenfalls überstehen.


    ~


    Liebe bist du.
    „Aber ich kann dich niemals haben, Sayumi. Denn Liebe ist nicht für mich gemacht worden. Liebe ist nicht für mich da.
    Und daher ist Liebe für mich Schmerz. Denn es frisst mich auf, dass ich nicht geliebt werde und die Person, die ich liebe, mich niemals zurück lieben kann. Liebe ist etwas Zerbrechliches, denn ich zerbreche daran.
    Und Liebe ist Trauer, denn innerlich weine ich.
    Liebe... Liebe ist der Anfang vom Ende.“


    ~


    Liebe ist der Anfang vom Ende.
    Du stehst auf und gehst zum Fenster, wo sich einige Lichtstrahlen in deinen Augen spiegeln. Und plötzlich weiß ich es.
    Du weinst.
    Du weinst vor lauter Sehnsucht, vor lauter Angst und dem Drang, mich zu beschützen. Dabei musste ich niemals beschützt werden. Aber dass haben wir beide nie verstanden. Ich sehe aus wie Glas, doch obwohl ich schon so oft auf dem Boden aufgekommen bin, bin ich doch nie zerbrochen.
    Du hingegen musstest dich jedes Mal erneut zusammen flicken und jedes Mal war es schwerer. Und du wusstest nicht, wie oft du es noch schaffen würdest.
    Ich trete hinter dich, so dicht, dass mein Atem auf deinen Nacken trifft. Und noch bevor du mich zurückhalten kannst, lege ich behutsam meine Arme um dein Kristall-Ich. Und lasse nicht mehr los.
    „Ich werde dich beschützen.“


    ~


    Ich werde dich beschützen.
    Ich kann kaum glauben, was ich da höre. Aber deine Wärme und deine Nähe trösten mich. Obwohl alles in mir schreit, es sofort zu unterbinden, drehe ich mich um und umschlinge deine zarte Gestalt. Ich vergrabe mein Gesicht mit den Tränenspuren an deiner Schulter. Und als ich nach einer Weile den Kopf hebe, blicke ich direkt in deine Augen. Blau wie das Meer, blau wie der Himmel.
    Du lächelst und ich lächele zurück, wenn auch etwas zittrig. Und in diesem Moment weiß ich ganz genau, was ich will.
    Ich will dich.


    ~


    Ich will dich.
    Rue. Deine Augen, vorher voller Schmerz, blicken jetzt liebevoll in die meinen. Dein Lächeln ist sanft, aber ich erkenne auch weiterhin Angst. Wovor hast du Angst? Dass ich dich abweise?
    Mach dir keine Sorgen. Ich war immer da für dich und nichts wird mich zukünftig daran hindern können, nicht einmal deine Unsicherheit.
    Und um dir auch die letzte Unsicherheit zu nehmen, lege ich meine Lippen sanft auf deine. Ich spüre, dass du erschrocken bist und gebe dir einen Augenblick, um zu verstehen. Danach verstärke ich vorsichtig den Druck. Ich muss leise in mich hinein lachen, als ich spüre, wie du den Kuss erwiderst.
    Und dann bin ich diejenige, die erschrickt. Deine Zunge leckt über meine Unterlippe und bereitwillig öffne ich meinen Mund. Ich schmecke Zucker. Süß und rein.
    Niemals werde ich dies hier aufgeben.


    ~


    Was ist Liebe für dich?
    Für uns beide ist es ein Gefühl von Echtheit. Es wird niemals gehen, obgleich man oftmals denkt, es ließe einen im Stich. Es ist die Zukunft, die die Vergangenheit auf ewig ausradiert.
    Manchmal schmerzt dieses überwältigende Gefühl, aber dennoch wollen wir es niemals missen. Denn es gehört zu uns.
    Liebe ist das Ende vom Anfang. Und der Anfang von Morgen.
    [/tabmenu]


    [tabmenu]
    [tab=Wenn ich springen würde]
    [subtab=Vertonung]
    Cáithlyn - Wenn ich springen würde


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Wie auch bei Cassias Geschichte, musste ich hier oftmals neu ansetzen, weil ich den Kloß in meinem Hals runterschlucken musste.
    Richtig erschrocken war ich, als ich feststellte, dass ich genau so ein Typ bin, wie Dave. Nur mit der Ausnahme, dass ich noch nie eine
    Freundin hatte und, dass meine Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben ist. Und gerade merke ich, dass das alles ziemlich privat ist und
    eigentlich keinen was anzugehen hat. Was soll's.
    Trotzdem muss ich noch eine kleine Beanstandung vornehmen.
    "Ich stehe schon an der Straße, als ich Stimme leise an mein Ohr dringt, bleibe stehen, drehe mich zu ihr um." Wer mir diesen Satz erklären kann, der
    bekommt einen Internet-Cookie. Ich habe zwei Minuten gebraucht, um diesen Satz einigermaßen zu verstehen. Aber so, wie er dasteht, macht er keinen Sinn.
    Dieser eine Satz hat mich komplett aus der Geschichte gerissen. Das ist allerdings mein einziger Kritikpunkt.


    [subtab=Gewinnertext]
    Cáithlyn - Wenn ich springen würde


    „Hey, Gem?“
    „Was?“
    Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Meine Augen auf den flammenden Feuerball vor mir gerichtet suche ich nach den richtigen Worten. Gem hört auf zu tippen, sieht aber nicht vom Handydisplay hoch. Ich weiß, dass ich ihre Aufmerksamkeit habe, und auch, dass sie langsam ungeduldig wird.
    „Was wäre wenn…“ Ich halte inne, fahre mir mit den Fingern durch die Haare. Diese Bank ist so fürchterlich unbequem. Ich rutsche darauf herum.
    „Was wäre wenn ich jetzt aufstehen würde…“
    „Ja und?“, antwortet sie gleichgültig. Ihr Handy vibriert, die Glasscheibe leuchtet auf und taucht ihr Gesicht in gespenstisches hellgrün.
    „Wenn ich zum Hang gehen würde…“
    Sie unterbricht das hektische Drücken von Tasten, starrt das kleine Gerät einfach nur an.
    „Wenn ich zum Hang gehen würde und…“ Meine Hände sinken auf meine Beine, den Kopf lege ich in den Nacken. Ich wage es nicht, sie anzusehen, während ich meinen Satz zu Ende führe.
    „Springe.“
    Gem antwortet nicht. Ihre Ohren zucken, diese merkwürdige Angewohnheit wenn sie nachdenkt. Die dunkelbraunen Augen huschen wieder übers Display, und mit dem rechten Bein wippt sie auf und ab. Eine Strähne rotes Haar fällt ihr über die Schulter ins Gesicht und ich muss dem Drang wiederstehen, sie ihr zurückzustreichen.
    „Hm“, ist alles, was sie mir antwortet.
    Das ist es also. Hm. Das wäre also ihre Reaktion, wenn ich von der Klippe, dem höchsten Punkt der Stadt ins Meer springen würde. Hm. Mehr nicht.
    Ich schlucke den Frust herunter.


    Vielleicht hätte ich nie etwas sagen sollen. Vielleicht hätte ich es bei mir behalten sollen. So viele Jahre ist es doch gut gewesen. Einfach nur Freunde sein. In der Schule nebeneinander sitzen, hin und wieder mal beim andere Abschreiben. Lachen, wenn sie einen Witz erzählt, für sie da sein, wenn es ihr schlecht geht. Ihr dann ein Eis kaufen, sie in die Arme schließen und das gehauchte Danke mit einem einfachen „Ist doch klar. Wir sind schließlich Freunde“ quittieren.
    Es tut jedes Mal weh, wenn ich sie mit jemand anderem sehe. Wenn sie mir erzählt, wie viel Spaß sie mit dem Typen von nebenan doch hat. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, verspreche ihr, dass es diesmal gut geht. Aber es geht nie gut. Immer wieder trennt er sich von ihr, oder auch andersherum. Dann bin ich die Schulter, an die sie sich stützen kann, oder derjenige, der sich mit ihr darüber ärgert, was für ein Idiot er ist. Ich ertrage es, aber jedes Mal wird es schwerer. Wenn sie mich anstrahlt, da bricht mein Herz in tausend Teile.
    „Weißt du, Jungs sind Idioten!“, fauchte sie einmal, als sie einen ihrer Freunde beim Fremdgehen erwischt hatte. Ich sah sie stirnrunzelnd an.
    „Du nicht!“, korrigierte sie sich dann.
    „Na, das will ich auch hoffen“, grummelte ich gespielt beleidigt. Sie reagierte nicht darauf.
    „Immer wieder brechen sie einem das Herz. Was soll das denn? Irgendwann geht mir noch die Pflaster zum Zusammenflicken aus!“
    Ihr gehen sie nie aus. Ich aber muss immer wieder suchen um noch ein verbliebenes zu finden.
    Ich schaue zu ihr herüber. Sie sitzt nach vorne gebeugt, die Arme auf den Knien abgestützt. In ihren Händen liegt das Handy, aber jetzt schaut sie nur noch zur Klippe, keine zehn Meter vor uns. Ob sie es sich vorstellt? Was wäre, wenn ich jetzt aufstehe und springe?
    Ihr Handy vibriert, sie reagiert nicht.
    Gem wirkt so weit weg. In ihren Augen spiegelt sich der Sonnenuntergang. Es wird schon spät. Eigentlich sollen wir schon längst zu Hause sein. Wir sollten aufstehen, uns verabschieden und dann den Berg hinunterwandern, jeder in seine eigene Richtung.
    So wie jeden Tag. Als ob ich diesen Blödsinn nie gesagt hätte.
    Aber ich habe es gesagt.
    Hätte ich besser nicht.
    Zu wissen, dass sie sich nicht darum kümmern würde, wenn ich plötzlich weggehe… Es tut mehr weh, als sie mit den anderen zu sehen. Bin ich ihr denn wirklich so egal? War ich all die Jahre denn wirklich nur ein Abfalleimer für ihre Sorgen?
    Hatte Juliet am Ende doch Recht gehabt?


    „Gib es doch zu!“, hatte sie mir mit Tränen in den Augen entgegen geschrien. „Es kümmert dich einen Scheißdreck wie es mir dabei geht! Alles was für dich wichtig ist, ist Gem!“
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht hatte sie ja Recht.
    Nicht vielleicht. Ja, sie hatte Recht.
    „Und du Blödmann siehst nicht einmal, wie egal du ihr bist“, hauchte sie mir entgegen und machte sich an dem Ring an ihrem Finger zu schaffen. Den hatte ich ihr gekauft, als wir auf ein Doppeldate mit Gem und ihrem Freund gegangen waren. Weil ich wollte, dass Gem sieht, dass ich jemanden gefunden habe, den ich liebe. Weil ich das dumme Theaterstück vom besten Freund aufrechterhalten wollte.
    Juliet trennte sich an diesem Tag von mir. Es war mir egal. Ich kümmerte mich nicht weiter darum. Ging still nach Hause, aß nichts und schloss mich in meinem Zimmer ein.
    Seitdem nagte dieser Gedanke an mir. War ich wirklich nur ein Abfalleimer für Gem? War unsere Freundschaft am Ende gar nichts wert? Ich wollte sie so oft fragen, fand aber nie eine Möglichkeit. Ich wusste nicht, wie ich nachharken sollte. Direkt hätte ich mich nie getraut. Also blieb ich Nacht über Nacht wach, stellte mir ihre Reaktionen vor. Manchmal schlief ich dann mit einem Lächeln ein, und dem festen Vorsatz, es endlich zu wagen.
    Manchmal presste ich mein Gesicht ins Kissen, biss die Zähne zusammen und wartete, bis der Wecker klingelte.


    Und jetzt habe ich endlich Gewissheit. Ich bin ihr nicht wichtig.
    Es tut weh. Wie ein Sturm aus Nadeln, der sich in mein Fleisch bohrt. Aber ich weiß, dass das vorüber geht. Weiß, dass ich darüber hinweg kommen werde und muss. Es hat keinen Sinn, etwas hinterher zu weinen, das so nie existierte.
    Ich stehe auf, stecke die geballten Fäuste in meine Jackentasche und werfe einen letzten Blick zum Sonnenuntergang. Es schmerzt, aber ich drehe mich um und gehe den ersten Schritt, hoffe, dass etwas passiert. Es passiert nichts.
    Zweiter Schritt. Sie reagiert nicht.
    Dritter Schritt. Schaut weiter aufs Meer hinaus.
    Vierter Schritt. Steckt ihr Handy weg.
    Fünfter Schritt. Sechster Schritt. Siebter Schritt.
    „Ich würde springen.“
    Ich stehe schon an der Straße, als ich Stimme leise an mein Ohr dringt, bleibe stehen, drehe mich zu ihr um. Gem schaut mir nicht in die Augen, mustert das Gras, das von Windböen bewegt wird.
    „Ich würde dir hinterherspringen“, widerholt sie, diesmal mit festerer Stimme. Ich schaue unschlüssig von ihren Händen zu ihrem Gesicht, das sie jetzt vorsichtig erhebt. Gem versucht mir in die Augen zu sehen, aber jedes Mal, wenn ich ihren Blick erwidere, gleitet ihrer davon.
    „Warum?“, frage ich seltsam dumpf.
    Warum würde sie springen? So etwas durfte sie nicht tun! Nie im Leben dürfte sie springen, nur wegen mir! Mein Herz klopft mir bis zum Hals als sie sich umdreht und auf die Klippe zuwandert. Erst bleibe ich stehen, gelähmt von den Gedanken, die mir durch den Kopf schwirren.
    Nimmt sie… Nimmt sie das denn nun wirklich ernst? Das… Das kann doch nicht…
    Gem bleibt nicht stehen. Sie geht einfach weiter, direkt auf den nur hüfthohen Zaun zu. Steigt mit einem Bein darüber, dann mit dem anderen. Balanciert am kleinen Rand des Abgrunds. Unter ihr tost das Meer.
    „Und wenn ich jetzt springen würde?“, fragt sie mit einem Schulterblick. „Wenn ich springen und sterben würde?“
    Mein Kopf pocht schmerzhaft. Hat sie denn wirklich vor…
    „Gem, hör auf damit!“, krächze ich schon leicht hysterisch. „Komm zurück, das ist nicht lustig!“
    „Was würdest du tun, Dave?“ Sie lehnt sich gegen den Zaun, starrte an den Horizont. „Was würdest du tun?“ Ihr Fuß schwebt schon in der Leere.
    Ich begreife, dass sie es tatsächlich ernst meint… Da bewegt sich mein Körper schon von alleine.
    Die Distanz zwischen uns bringe ich schnell hinter mir, und bevor sie sich auch nur einen Zentimeter bewegen kann, greife ich um ihre Hüfte, hebe sie über den Zaun. Presse sie an mich, unterdrücke ein Keuchen. Wir sinken auf den Boden.
    „Was würdest du tun?“, widerholt sie.
    Ich schweige, überlege. Was würde ich tun? Mich ebenfalls hinunterstürzen, so wie sie es tun würde? Wenn sie es denn ernst meint.
    „Ich würde es nie so weit kommen lassen“, antworte ich zitternd. Gem legt die Arme um meinen Hals, ihre Wange gegen meine Schulter, sodass sie mich ansehen kann.
    „Juliet hatte also doch Recht“, haucht sie und schließt die Augen.
    Ich vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren.
    „Sie hat es dir gesagt?“
    „Ich habe gedacht, sie lügt. Hab gedacht, dass sie nur einen Grund suchen würde.“
    Wir schweigen eine Weile.
    „Es tut mir Leid.“ Ihre dunkelbraunen Augen öffnen sich wieder. „Ich wusste es nicht.“
    „Ich dachte, es würde alles kaputt machen“, entgegne ich.
    „Tut es das denn?“
    „Das musst du entscheiden.“
    Der letzte Strahl Sonnenlicht bricht sich in ihren Augen. Ich sehe, dass sie feucht sind, sehe, wie ihre Lippen zittern.
    „Nein“, haucht sie. „Es macht alles wieder ganz.“
    [/tabmenu]

  • [tabmenu]
    [tab=Die Pflanzen des Himmels]
    [subtab=Vertonung]
    Paya - Die Pflanzen des Himmels


    Schwamm'sche Anmerkungen
    So gut mir die Geschichte auch gefallen hat und so schön sie sich beim Lesen auch anhört... ich muss doch ein klein bisschen was kritisieren.
    Meine Kritik beschränkt sich allerdings rein auf Formalia, nicht etwa auf den Inhalt. Ich bin leider ein notorischer Rechtschreib- und Zeichensetzungs-
    verbesserer und mir sind beim Lesen doch die einen oder anderen kleinen Patzer aufgefallen. Nichts Weltbewegendes, aber beim Vorlesen durchaus
    störend. Einige Kommata waren falsch oder gar nicht gesetzt, weswegen ich zuerst nicht wusste, wie ein Satz gemeint war und ich ihn vorlesen sollte.
    Dann waren da auch noch ein oder zwei kleine Grammatikfehler, so wie diese hier:

    An solchen fast unbedeutenden kleinen Fehlern störe ich mich persönlich immer sehr, weil sie einen Text, der sonst wundervoll geschrieben ist derbe
    ruinieren können.
    Zum Schluss noch ein Kompliment, damit meine Anmerkungen nicht ganz so negativ ausfallen. ^^
    Ich finde es sehr mutig aber in diesem Fall auch passend, dass Paya in ihrer Geschichte, ich nenne es mal, antiquiertes Vokabular verwendet.
    Man muss allerdings aufpassen, dass man alles auch richtig verwendet. Und das ist in diesem Fall recht gut geworden.


    [subtab=Gewinnertext]
    Paya - Die Pflanzen des Himmels


    Es begab sich einst, dass das Universum ein junges Geschwisterpaar gebar und rücksichtslos in die Welt spie. Schwester und Bruder, Xerneas und Yveltal, wurden, wenngleich mit erstaunlichen Kräften gesegnet, schon bald von den anderen Bewohnern der noch rauen und unfertigen Erde verspottet. Denn kein Schöpfungsgedanke wollte sich in ihren jungen Köpfen formen, keine Kreation die sie ihr Eigen hätten nennen können war Zeuge ihrer Macht, die mit jeder vergehenden Stunde zweifelhafter erschien. Es schien fast so, als könnten die Geschwister als einzige seiner Kinder die Aufgabe, die Arceus für sie vorgesehen haben mochte, nicht erfüllen.
    Verzweifelt entschieden sich Xerneas und Yveltal Hilfe bei den anderen, beinahe allmächtigen Erdenbewohnern zu erfragen, um nun doch endlich ihren Teil zu der endgültigen Fertigung der Welt beitragen zu können. Jedoch waren die beiden Geschwister im Herzen zu verschieden, um sich auf ein und denselben Herrscher einigen zu können, den sie als ihren Mentor auserkoren wollten. Stattdessen entbrannte zwischen den beiden ein heftiger Streit, der in einem von Wut und Verzweiflung angefachten Kampf mündete.
    Nach zwei Tagen des pausenlosen Schlagabtausch gelang es Xerneas ihren Bruder Yveltal in die Tiefen des Meeres zu stoßen. Von ihrer Kraft und Ausdauer beeindruckt und somit wieder von der in ihr schlummernden Macht überzeugt, erschien Xerneas Groudon, der Herr der Landmaßen selbst, und gratulierte ihr zu ihrem Sieg. Ihrerseits imponiert von der riesenhaften Gestalt und seiner Schöpfung, verneigte sich Xerneas vor dem Mächtigen und bat ihn um eine Unterweisung, um ihre Kräfte voll entfalten und nutzen zu können. Groudon, das Potential in ihr erblickend und gleichwohl auch geschmeichelt durch ihre unterwürfige Haltung, stellte Xerneas die von ihm geschaffene Erde zur Verfügung, auf das sie der Nährboden der Jüngeren und Unerfahrenen sein mochte.
    Durch solch großzügige Hilfe unterstützt gelang es der Schwester bald, die in ihr schlummernde Macht zu entfalten und zu manifestieren. Und so brachte Xerneas am dritten Tag ihrer Existenz das Grün in die Welt. Sie ließ Pflanzen und Blumen erblühen, schickte Bäume an, den Himmel zu erreichen und erbaute ganze Wälle aus Büschen. All die Lebensfähigkeit ihrer Schöpfung band sie für immer an die Erde und somit an die Güte Groudons, der an ihrem Werk jedoch keinen Fehler finden konnte und, von Stolz erfüllt, bei den anderen Schöpfern mit seinem Schützling prahlte, die ein so wundervoll anzusehendes Werk vollbracht hatte.
    Die Nachricht drang bald auch an Kyogres Ohren. Der Herrscher über das Meer wurde sehr erzürnt, als er erkennen musste, dass die Schöpfung seines größter Rivale nicht nur Teil eines weiteren Werkes geworden war, sondern sich diese auch in seinen eigenen Gefilden fand. Algen und Wasserpflanzen sprossen plötzlich aus dem Meeresboden, den Groudon einst gegen Kyogres Willen erschaffen hatte. Auf Rache sinnend begab sich der Herr über das Wasser in die tiefsten Tiefen seines Reiches, um dort den vergessenen Yveltal zu finden. Er plante nun die Macht des Bruders auf so grauenhafte Art und Weise zu erwecken, dass er nicht nur wie auch sein Rivale mit einem Schützling prahlen können, sondern außerdem das Werk Xerneas’ schwächen würde. Doch wenngleich Yveltal von tiefgehendem Hass auf seine Schwester beinahe verzehrt wurde, hatte er seine Niederlage längst akzeptiert und sein Stolz verbot es ihm, gegen ihre Schöpfung vorzugehen.
    Wütend schleuderte Kyogre ihn daraufhin aus seinem nassen Reich und als Yveltal an die Oberfläche drang und das Werk seiner Schwester zum ersten Mal mit eigenen Augen und in seiner ganzen Pracht erblickte, da füllte sich sein Herz mit Stolz, doch nicht minder mit Trauer. Er empfand sich selbst als unwürdig, auch nur eine einzige der Pflanzen zu berühren und erhob sich so ohne langes Zögern in die Weiten des leer wirkenden Himmels.
    Von dort aus beobachtete er, wie die Schöpfung seiner Schwester immer schöner und eindrucksvoller erblühte und bald schon den ersten niederen Lebewesen, die nach und nach geschaffen wurden und immer größere Teile der Erde bewohnten, als Lebensgrundlage und einigen gar als Heim diente. Wütend über seine eigene Unfähigkeit versuchte Yveltal immer wieder das Werk Xerneas’ in den Himmel zu kopieren. Doch da er die noch immer tief in ihm schlummernden Kräfte nicht gänzlich zu erwecken vermochte, war seine Schöpfung farb-, und formlos. So sehr einige gute Seelen, die Mitleid mit dem ewig trauernden Yveltal hatten, auch versuchten ihn davon zu überzeugen, dass die von ihm geformten Wolken den blauen und leeren Himmel dennoch verschönerten, sie konnten ihn nie von seinem eigenen Werk überzeugen, das er selbst als nutzlos empfand.
    Mit jedem weiteren vergehenden Tag wurde Xerneas hingegen stolzer auf ihre Schöpfung. Sie erfreute sich des blühenden Lebens und der Dankbarkeit aller lebenden Geschöpfe, die in ihren Wäldern ein Zuhause fanden. Manches Mal blickte sie auch sanft lächelnd in den Himmel hinauf, der stets ein etwas anderes Gesicht zeigte, seid ihr Bruder ihn wie eine Leinwand zu benutzen schien. Doch als Xerneas eines Tages erwachte, da spürte sie wie ihre Macht schwand. Die Pflanzen konnten nicht mehr genügend Kraft aus dem Boden Groudons ziehen und verdorrten zusehends. Grüne Fläche verwandelten sich in braune Einöden und die verzweifelt um Gnade flehenden Lebewesen, die glaubten Xerneas erzürnt zu haben, starben ohne Nahrung und Heim. Hilflos wandte sie sich an ihren Mentor und fragte nach dem Fehler in ihrer Schöpfung, die sie so vergänglich werden ließ. Da musste Groudon sich eingestehen, dass seine Macht allein niemals ausreichen würde, um das Leben lange erhalten zu können. Wohlwissend das auch Kyogres Kräfte von Nöten wären, verriet er seinen Schützling jedoch, erklärte ihre Fähigkeiten für unausgereift und lachte über ihre angebliche Schwäche, bevor er sich von ihr abwandte und Xerneas hilf-, und ratlos zurückließ.
    Yveltal jedoch konnte von seinem hohen Aussichtspunkt fast die ganze Welt überblicken und litt beinahe so sehr wie seine Schwester, als die Schönheit unter ihm zusehends schwand. Bald konnte er nur noch in den Tiefen des Meeres das so geliebte Grün ausmachen und so entschloss er sich, Kyogre um Hilfe für die Welt und all ihre Lebewesen zu bitten. Ein weiteres Mal tauchte er in die Dunkelheit des Wassers hinab, doch als er den Herrscher dieser Gefilde antraf, lachte dieser über Yveltals Bitte, ein wenig Nässe über das Land zu bringen. Unter keinen Umständen wollte er jene Schöpfung unterstützen, die sich auf die Landmaßen Groudons stützte. Nur überschwemmen, so seine Worte, würde er sie sehr gern, doch dies ließe sein Rivale niemals zu. Schnell erkannte Yveltal, dass er Kyogre nicht würde überreden können und so griff er zu einer List. Er erklärte dem Herrscher der Tiefe, dass er ihm helfen könne, die Welt zu überschwemmen, denn auch er selbst sei sehr wütend auf Groudon, habe der doch seiner Schwester geholfen und ihn selbst verschmäht. Nach einigem Überlegen war Kyogres Gier nach dem Sieg über seinen Rivalen größer als sein Verstand und er bot Yveltal an, er könne als das Wasser nutzen, dass durch die Hitze der Sonne so oder so nicht mehr gänzlich seinen Vorstellungen entsprach. Das sei keine geringe Menge und sollte ausreichend sein, um Nässe über die Welt zu bringen.
    Sich tief verneigend dankte Yveltal dem Herrscher über das Wasser für seine Großzügigkeit und begann sobald das zu heiß gewordene Wasser in den von ihn geschaffenen Wolken zu sammeln. Um diesen Vorgang noch zu beschleunigen gebot der ungeduldige Kyogre seiner Schöpfung, in winzigen Tropfen in den Himmel aufzusteigen auf das der, den er für seinen Komplizen hielt, sie leichter erreichen könnte.
    So füllten sich die Wolken mehr und mehr mit Wasser, doch bevor es in einem gigantischen Schwall aus ihnen ausbrechen konnte, stärkte Yveltal sie mit der Macht, die er in seinem Innersten gefunden zu haben glaubte. Nur einigen Tropfen erlaubte er, hinab zu fallen. So ergoss sich bald der erste Regen dieser Welt aus den grau verfärbten Kindern des fürsorglichen Bruders, der freudig beobachtete wie die Kraft der Schöpfung seiner Schwester stetig mehr zurückkehrte. Bald schon konnte er sich wieder an der alten Schönheit erfreuen. Da gebot er den Wolken sich zu verschließen, um der Erde nicht zu viel Wasser zu schenken. Dem wütenden Kyogre jedoch berichtete er unterwürfig, dass seine Kräfte noch zu schwach seien, um die Macht der Schöpfung des Älteren gänzlich zu nutzen, doch im Laufe der Zeit würde es ihm gelingen, ein zweites Meer auf Groudons Landmaßen zu erschaffen. Da der Herrscher seinen ewigen Kampf gegen die Erde nicht aufgeben wollte, erlaubte er Yveltal so weiterhin, auf einen Teil seines Wassers zuzugreifen.
    Bald darauf begegneten sich Xerneas und Yveltal an einem Ort, an dem sich Himmel und Erde treffen und begutachteten ihr gemeinsames Werk, das überall zu sehen war und vor dem sich kein Auge verbergen konnte. Von Stolz und unsagbarer Freude erfüllt erkannte das Geschwisterpaar, dass Hass und Liebe beidermaßen an dem Erfolg ihrer Schöpfung beteiligt gewesen waren und so verurteilten sie im Laufe ihrer langen Leben weder das Gute, noch das Böse jemals.
    [/tabmenu]

  • [tabmenu]
    [tab=Lena]
    [subtab=Vertonung]
    Kardia - Lena


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Waahh, Schachtelsätze! ... Dachte ich mir, als ich mir die Geschichte zum ersten Mal durchgelesen habe. Ich hab' mich irgendwie unweigerlich
    an Theodor Fontanes "Effi Briest" erinnert gefühlt, nur mit etwas modernerer Sprache. Meiner Meinung nach wäre -vor allem in dem Brief- ein
    paar Punkte anstatt eines Kommas wünschenswert gewesen, aber ich möchte die Motive der Autorin nicht infrage stellen (nur für's Vorlesen ist's halt besser ;)).
    Ansonsten habe ich dieses Mal nicht viel zu beanstanden. Nur ein paar Gedanken, die mir während des Lesens gekommen sind, möchte ich noch loswerden.
    Nach dem ersten Durchlesen dachte ich mir, dass man "Lena" durchaus mal einem Deutsch-Leistungskurs zum Interpretieren geben könnte. Wir hatten in
    der Schule irgendwie nur Geschichten, die auf den ersten Blick -und auf den zweiten und dritten- recht wirr erschienen. Ich hab' mich nach dem Einlesen
    dann mal in die Geschichte hineingedacht und bin einem Gedankengang gefolgt, den ich seit dem Deutsch-Abitur nie wieder verfolgt habe und mir ist dann
    doch die eine oder andere Erkenntnis gekommen. Wenn sich jemand für meine wirren Gedankengänge interessiert, darf dieser gerne den nachfolgenden
    Spoiler aufklappen.
    Ansonsten bleibt mir nur noch zu sagen: Glückwunsch zum -wenn auch knappen- Sieg. :)



    [subtab=Gewinnertext]
    Kardia - Lena


    »Hannah?«
    Ich öffne die Augen und mein Blick fällt auf den strahlend blauen Himmel über mir; kleine Fetzen verwaschener Wolken treiben auf dem klaren Blau dahin, und die Strahlen der Sonne sind von solch einer Intensität, dass ich automatisch den Arm heben, um das gleißende Licht davon abzuhalten, mir vollends die Sicht zu nehmen.
    »Hannah?«
    Ich drehe leicht den Kopf, den Arm noch immer über meinem Gesicht erhoben, und werfe einen Blick auf Lena. Sofort verspüre ich die mir so vertrauten Gefühle von Ruhe und Stille, Wärme und Melancholie, die mich immer bei ihrem Anblick überkommen. Ihre dunklen Haare leuchten sanft im strahlenden Licht der Sonne, und die elfenbeinfarbene Farbe ihrer Haut verleiht ihr etwas überirdisch Ätherisches, das mich seltsam berührt.
    »Hannah?«
    Ich blinzele mehrmals, so geblendet bin ich von ihrer Gestalt und von dem Licht, das von ihr auszugehen scheint. Ihre Augen, unergründlich braun und von goldenen Sprenkeln durchzogen, blicken mich aus ihren Tiefen schelmisch und wissend zugleich an. Es ist ein Blick voller Trauer und Einsamkeit. Ein Blick, der mir sagt, dass sie mehr weiß von dieser Welt, als es zu wissen geben sollte.
    »Hannah?«
    Ich schließe für einen Moment die Augen, versinke in Dunkelheit, und als ich sie wieder öffne, ist Lena verschwunden, und nur noch der frische Duft von Mango und Vanille, frischen Kräutern und morgendlichem Tau liegt in der Luft.


    »Hannah?«
    »Ja, Lena?«
    »Was würdest du machen, wenn ich eines Tages nicht mehr da bin?«


    »Wir unterbrechen die Nachrichten für eine Kurzmeldung. Wie soeben bekannt wurde, hat der gestrige Vulkanausbruch im Süden Italiens weniger Schaden angerichtet, als zunächst angenommen wurde. Die naheliegenden Dörfer weisen eine unerwartet geringe Zerstörung auf, allerdings konnte bislang keiner der Vermissten, unter denen sich auch eine Deutsche befindet, gefunden werden.«


    »Hast du schon die Legende von der siebten Welle gehört?«
    Ich liege neben Lena im warmen, duftenden Gras und blicke in den von Wolken durchzogenen und doch herrlich blauen Sommerhimmel. Eine leichte Brise trägt den Geruch reifer Früchte zu uns heran, und wie ich so in die Endlosigkeit über mir schaue, erkenne ich wieder einmal, wie klein ich doch bin im Vergleich mit dem Rest der Welt, wie klein im Gegensatz zum gesamten Universum.
    »Natürlich. Du vergisst, dass wir beide das Buch gelesen haben.«
    Ich wage es nicht, einen Blick in Lenas Richtung zu werfen, aus Angst, wieder das verheißungsvolle, mitreißende Funkeln in ihren Augen zu sehen, das immer dann erstrahlt, wenn sie eine ihre Geschichten erzählt. Ich will mich nicht schon wieder den Hirngespinsten hingeben, jenen wolkenverhangenen, düsterwarmen Fantasien, die mir das Herz schwer werden lassen vor Melancholie.
    »Aber kennst du auch schon die Legende von der siebten Wolke?«
    Ohne es verhindern zu können, zuckt mein linker Mundwinkel verräterisch nach oben, und ob ich es will oder nicht, lasse ich mich doch wieder mitreißen. Meine Gedanken beginnen automatisch zu kreisen, sich in die Höhe zu schrauben und nach Antworten auf unbekannte Fragen zu suchen, in dem Wissen, sie niemals finden zu können.


    »Auf sechs Wolken folgt immer eine siebte, auf Regen immer Sonnenschein. Sieben Wellen, sieben Wolken. So groß kann der Unterschied nicht sein; und wenn man nur ganz genau schaut und aufmerksam beobachtet, wird sie einem auffallen, die siebte Wolke. Sie ist anders in Farbe und Form, anders im Geruch, sie vermag zu heilen oder zu zerstören; aber nur, wenn man auf der Suche nach ihr ist, wird man die siebte Wolke auch finden können.«


    »Hannah?«
    Du musst mir etwas versprechen.
    Wenn die Zeit gekommen ist, musst du loslassen.«


    Liebe Hannah,
    wenn du jemals diese Worte lesen solltest, so kann das zwei Gründe haben: Entweder sitze ich gerade neben dir oder dir gegenüber, die Wangen gerötet vor unterdrückter, aber nicht gänzlich zu bezwingender Scham, die Hände gefaltet, die Lippen aufeinander gepresst, im sicheren Wissen, es dieses eine Mal tatsächlich übertrieben zu haben, nur dieses eine Mal, und im Wissen, dass du dieses eine Mal nicht lachen, nicht weinen, einfach gar nichts machen wirst außer lesen und lesen und lesen und lesen und mich am Ende vielleicht hassen oder nicht, das läge dann ganz bei dir.
    Die andere Möglichkeit ist diese: Dass ich nicht mehr da bin. Und dann wird dieser Brief irgendwie zu dir gelangen, aber da ich bezweifle, dass dieser Schritt durch mich geschehen wird, muss ich mich, während ich diese Worte schreibe und weiß, dass du sie eines Tages lesen wirst, bei dir entschuldigen, um Verzeihung bitten und zugleich hoffen, dass du mich nicht gänzlich hassen wirst, egal was geschehen ist oder noch geschehen wird. Und doch wirst du mich verachten, das weiß ich, irgendwo in den Tiefen meines Herzens, denn du wirst nicht verstehen und du kannst nicht verstehen, was der Grund dafür ist, dass du diesen Brief erhalten hast; aber gleichzeitig wirst du verstehen müssen, dass du es niemals erfahren wirst und niemals erfahren kannst, dass die Wahrheit dir auf ewig verschlossen bleiben wird und dass es nichts gibt, was die Dunkelheit in deinem Herzen lichten und vertreiben kann.
    Ich kann dir nicht sagen, warum ich nicht mehr da bin, auch wenn ich es wollte; ich weiß es genauso wenig wie du. Ich kann dir nur sagen, dass ich die Zeit mit dir so sehr genossen habe wie sonst nichts auf dieser Welt. Du warst mein Engel, der mich in den Himmel hob und doch auf der Erde hielt, sodass die siebte Wolke mich lange Zeit nicht finden konnte.
    Ich kann dir nicht verbieten, Trauer zu empfinden, auch wenn es ein natürliches Gefühl ist, das ich allerdings nie ganz verstanden habe und wahrscheinlich auch niemals verstehen würde, und selbst wenn man mir den Sinn und die Biologie und die Psychologie dahinter erklären würde, täte ich mich vermutlich schwer daran, es vollends begreifen zu können, weil es für mich einfach nicht greifbar ist und es niemals sein kann. Ich verspüre keine Trauer, habe nie auch nur eine Träne geweint oder Reue für jemanden empfunden, ich kann mir nur vorstellen, wie es sich anfühlt, und dieser Schmerz, dieses Abbild der realen Pein, die du empfinden musst, wenn ich nicht mehr bin, ist so schrecklich, dass ich dir diesen Brief schreiben muss, aus Angst, du könntest an den Qualen zugrunde gehen und eines schrecklichen Todes daran sterben.
    Liebe Hannah, ich bereue nichts, nicht einen einzigen Tag, denn dieser Sommer mit dir, diese Monate des Glücks und des Friedens, waren die schönsten meines Lebens und haben mich so erfüllt, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen. Aber so wie ein schöner Traum irgendwann einmal zu Ende geht, so endet auch dieser Sommer, und auch wenn ich gerne bei dir bleiben würde, muss ich doch gehen, muss weiterziehen im endlosen Kreislauf der Zeit und Vergänglichkeit. Aber ich werde niemals vergessen; und sollten wir uns eines Tages wiedersehen, so werde ich mich an diese Momente zurückerinnern, an das warme, schützende Band der Freundschaft zwischen uns, das wir in so kurzer Zeit gesponnen haben, und ich werde dich anlächeln und dich fragen: Glaubst du an Wunder?
    Ich glaube an Wunder, so wie ich an die siebte Wolke zu glauben begonnen habe. Und ich hoffe, dass ich auf ewig irgendwo in deinem Herzen verwahrt bin, und dass du mich nicht vergessen wirst. Denn ich möchte nicht vergessen werden.
    In Liebe,
    Lena


    »Hannah?«
    Ich lege den federleichten Brief aus der Hand und mein Blick sucht die Wolken ab, sucht nach der einen, besonderen, nach meiner Wolke Sieben. Jener, die heilen oder zerstören kann. Aber ich finde sie nicht.
    »Hannah?«
    Seit Lenas Beerdigung ist inzwischen fast ein Jahr vergangen, und obwohl ich versprochen habe, loszulassen, gelingt es mir nicht, keine Trauer zu empfinden, wenn ich an sie denke. Noch immer wache ich nachts auf, schreiend und weinend, und suche Trost in den Tiefen meiner Kissen, aus Angst, meine Eltern könnten mich hören und sich um mich sorgen.
    »Hannah?«
    Ganz egal, wo ich hingehe, ich höre und ich sehe und ich rieche Lena noch immer. In den Wintermonaten war ihre Anwesenheit zwar weniger präsent, konnte ich ihren Geruch nach frischen Kräutern und morgendlichem Tau nur selten wahrnehmen, wurde er vom beißenden Gestank nach Zimt und Mandarinen überlagert. Aber seit die kalten, dunklen Monate vergangen sind, ist mir, als wäre sie wieder überall, in den Wäldern, auf den Wiesen, im taufeuchten Gras und in den Kehlen der singenden Vögel. Ich höre ihre Stimme, rieche den Sommer, spüre ihre perlendes Lachen und fühle jene tiefe Melancholie, die nur sie mir geben konnte.
    »Hannah?«
    Mein Blick ist noch immer auf die schneeweißen Wolken über mir gerichtet, und in meiner Nase vermischen sich die Gerüche von frisch gemähtem Gras, reifen Früchten, Mango und Vanille, jenen Düften, die für mich auf ewig zum Sommer geworden sind. Meine Augen suchen noch immer den Himmel nach ihr ab, nach jener siebten Wolke; und da sehe ich sie. Und während sich die Erinnerungen an Lena tiefer in mein Herz hinein graben und ihre Spuren hinterlassen, während meine Kehle schmerzt und mir salzige Tränen über die Wangen laufen, weiß ich es:
    Ich werde sie wiedersehen.


    »Hannah?
    Ich werde immer bei dir sein.«
    [/tabmenu]

  • Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung...
    Tut mir leid, dass diese Vertonung so spät kommt. Die letzte Woche war ich nur gesundheitlich ein bisschen angeschlagen. Ich konnte kaum längere Sätze am Stück sprechen, ohne mich zehnmal räuspern zu müssen. Aber so ist das. Ich erkälte mich immer, wenn's draußen warm ist. ^^
    Ein bisschen hört man's noch, aber das sollte nicht allzu schlimm sein. Zumindest besser als die gesamte letzte Woche.



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    [tab=Einer dieser Tage]
    [subtab=Vertonung]
    Cáithlyn - Einer dieser Tage


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Ich mag ja Geschichten, die aus einer unüblichen Perspektive geschrieben sind. Und das wurde hier grandios umgesetzt. Das Nidoran wirkt glaubhaft.
    Allerdings wäre, was die Beschreibungen angeht, ein bisschen mehr Kontinuität schön gewesen. Das eine Mal, kennt Nidoran die Farbe "rot" nicht und
    umschreibt es mit der Farbe des Fells eines Vulpix, während es das grau der Haare des Professors und das rot-weiß des Pokéballs einwandfrei als solche erkennt.
    Dasselbe gilt auch für das Lächeln des Trainers am Ende. Erst wird die Mimik umständlich beschrieben, dann aber "lächelt" der Professor Nidoran an. Das kommt
    einem beim Lesen ein bisschen merkwürdig vor und holt einen für kurze Zeit aus der Sicht des Pokémon. Richtig putzig fand ich allerdings den "Kalenda".
    Außerdem glaube ich, dass Herzen sich auseinander und wieder zusammenziehen und nicht aufeinander. :)


    So, das soll's an Meckern gewesen sein. ^^
    Trotzdem gute Arbeit. Ich hoffe, ich konnte die Stimmung des Nidoran gut rüberbringen.


    [subtab=Gewinnertext]
    Cáithlyn - Einer dieser Tage


    Ich schwebte, tief versunken in endloser Dunkelheit. Meine spitz zulaufenden Ohren zuckten bei dem kleinsten Geräusch. Obwohl ich nichts sehen konnte, spürte ich, dass Herzen um mich herum pochten, wie sie sich aufeinander und wieder zusammenzogen. Eine leichte Melodie des Lebens, die so sanft an meine Ohren drang.
    Es war einer dieser Tage, der wunderbar begann… und schrecklich endete. Das wusste ich längst.


    Meine Krallen zuckten, als ich dieses Klacken hörte. Schritte in weiter Dunkelheit, das Rascheln von Stoff und leises Atmen, dann hörte ich ein nahes Husten. Es war also wieder so weit.
    Still verharrte ich in meiner eigenen, kleinen Welt aus Schwarz und nichts als Schwarz. Ich fühlte keinen Boden unter meinen Pfoten und nichts, dass mich bedrängte.
    Und trotzdem war ich gefangen. Auch wenn es keine Fesseln gab.


    Immer mehr Pokemonrufe drangen auf meine Ohren ein, die ich schnell wegdrehte. Es war so laut, so fürchterlich laut, als würde ich einen Wasserfall herunter gespült werden. Der Lärm schlug auf meinen Kopf ein, der pochte und alle anderen Gedanken verscheuchte.
    Ruhe!, schrie mein Innerstes. Ruhe! Seid endlich ruhig! Aber sie hörten nicht auf, nein. Mit jeder Sekunde, mit jedem weiteren Klicken gesellten sich Stimmen dazu, die alle durcheinander redeten. Mein Kopf drohte zu explodieren, als blendend weißes Licht grelle Funken vor meine Augen zauberten. Meine Sicht verschwamm und für einen Moment konnte ich gar nichts mehr spüren, die Stimmen verschwanden und machten dieser wundervollen Stille Platz, die mich in ihre sanfte Umarmung zog.
    Aber ich wusste, dass das nicht lange andauern würde. Und das tat es auch nicht.


    Mit einem lauten Krachen prasselten dutzende Empfindungen auf mich ein, die mich zu überwältigen drohten. Ich sah grelles, künstliches Licht, grüne Pflanzen und azurblaues Wasser in einem Becken, sah dutzende sich bewegende Körper in Groß und Klein. Ich spürte das schmerzhafte Pochen in meinem Kopf, den Wind auf meiner ledrigen, violetten Haut. Ich roch die Süße von gekochten Beeren, schmeckte Pollen und Staub in der Luft.
    Und ich hörte… Ich hörte, aber verstand nichts. Meine Ohren begannen augenblicklich zu schmerzen, als das Stimmgewirr auf mich einschlug.
    Ruhe!, schrie mein Innerstes gegen den Lärm an. Ich konnte nicht schreien. Mein ganzer Körper zitterte in wilder Panik. Weg hier! Weg von diesem Lärm! Weg, nur weg! Meine Muskeln spannten sich so stark an, dass es schmerzte, aber alles in mir schrie jetzt nur noch nach Flucht. Alles war taub und doch spürte ich den Schmerz in jeder Pore als ich vorpreschte und blindlings durch die Menge jagte, die Ohren eng an meinen Kopf gepresst um die Geräusche ein wenig fernzuhalten. In meinem Kopf rauschte es, die Sicht war getrübt von grellen Lichtblitzen.
    Während meiner Flucht krachte ich immer wieder in andere Pokemon hinein, die mir wütend hinterherriefen, aber ich konnte nur noch laufen. Das hier war ihre Schuld, nicht meine! Wenn sie nur still wären, dann wäre alles in Ordnung! Mehr wollte ich doch nicht!


    Ich hielt erst an als das helle Pfeifen in meinen Ohren das einzige Geräusch war, das ich noch hörte. Meine Beine hatten mich an den gleichen Ort geführt wie immer. Quadratische Kästchen in Schwarz und Weiß erstreckten sich vor mir, ich sah Pflanzen in großen runden Schalen. In einem Monstrum aus rotem Stoff in der Ecke des Raumes saß eine junge Frau mit Haaren, die die gleiche Farbe hatten wie das Fell eines Vulpix, tief versunken in ihrem „Buch“. So nannte sie es zumindest immer.
    Als ich genauer lauschte konnte ich auch ihr Herz hören. Es pochte langsam und gleichmäßig, immer im selben Takt. Meine verkrampften Muskeln verloren die Anspannung und meine Ohren richteten sich wieder auf. Nur noch dieses kleine Pfeifen und ihr Herzschlag. Ansonsten war da nur Stille. Herrlich.
    Als ich mich vorwärts schlich, meine Krallen auf den Fliesen kratzten, da fiel mein Blick auf das rechteckige Ding an der Wand, dass die Menschen mit „Kalenda“ betitelten. Das rote Kästchen rahmte eine Zahl ein, ein Strich und darauf folgend eine, die aussah wie zwei aufeinander gestapelte Sinelbeeren, die man in der Mitte geteilt und ausgehöhlt hatte, sodass nur noch die rechte Hälfte der Schale übrig war.
    Es war also tatsächlich einer dieser Tage. Ich hatte mich nicht geirrt. Meine Krallen kratzten nervös über den Boden.
    „Nidoran!“, stieß eine weibliche Stimme plötzlich aus. Die Frau stand hinter mir, die Pfoten in diese Rundung gestemmt, die bei ihr weiter herausragten als bei dem Professor. Ich zuckte ein wenig zusammen und wandte meine Ohren von ihr ab, als sie sich zu mir herunterbeugte und ihre Pfote über meinen Kopf strich. Sie murmelte dabei einige Worte, aber alles, was ich verstand, war „Trainer“.
    Ja, heute war wieder einer dieser Tage. Diese Zahl stand immer auf dem Kalenda, wenn der Professor uns früher aus unserem Gefängnis holte als sonst. Dann würden heute wohl mehr Menschen kommen, die wieder einen von uns aussuchen würden und dann mit ihm gehen würden.


    Damals, als ich noch jung gewesen war, hatte ich mich angestrengt, mich in den Vordergrund gedrängt und versucht, die Aufmerksamkeit der Menschen auf mich zu ziehen. Ich wollte eines der Pokemon sein, die mitgenommen wurden in diese weite, ferne Welt, von der vorbeiziehende Pokemon uns so oft erzählten.
    „Es ist unglaublich! Dort, wo ich herkomme, da ist alles voll mit Schnee!“, erzählte uns mal ein Schwalboss, dass stolz mit den Flügeln schlug.
    „Die Wälder sind groß und bunt!“, behauptete ein Menki.
    „Das da ist kein Meer!“, lachte ein Octillery und deutete auf den „Teich“, wie es das Wasser nannte.
    Je mehr ich von der Welt hörte, desto neugieriger wurde ich. Wie wundervoll musste es sein, frei umherstreifen zu können, diese Schönheit mit eigenen Augen zu sehen.
    Wie gerne wollte ich einmal in meinem Leben nur das Laub von großen Bäumen, das grüne Gras unter meinen Füßen spüren. Ich hätte damals alles dafür gegeben.


    Heute war das anders. Heute wollte ich nur meine Ruhe.
    Ich war niemals auch nur in die engere Auswahl gekommen. Ich war nichts Besonderes, ein einfaches Nidoran, dessen Horn nicht einmal so groß war wie das eines Artgenossen. Ich war nicht kräftig, konnte keine außergewöhnlichen Attacken. Die Menschlinge ließen ihren Blick über uns streifen, die wir um ihre Aufmerksamkeit bettelten. Immer wurde ein anderes mir vorgezogen. Eines, das niedlicher aussah oder stärker war.
    Und irgendwann gab ich schließlich auf. Trainer wollten mich nicht und ich wollte sie nicht. Ich brauchte niemanden an meiner Seite. Nur Ruhe, mehr nicht.
    Heute würde also wieder einer dieser Tage werden, an denen der Professor mich hochhob und auf diese glatte Oberfläche setzte. Wieder würde mich ein Mensch betrachten und wieder würde er diesen Gesichtsausdruck tragen, der bedeutete, dass ich nicht interessant genug war.
    Das war gut.
    Das war okay.
    Ich wollte nur meine Ruhe.


    Mein Körper ruhte in den Pfoten der Frau, diese drückte mich an ihre Brust, wo das Herz laut schlug. Ihre Schritte hallten auf dem glänzenden Boden wieder, sie redete mir zu, aber ich verstand nichts außer meinem Namen. Trotzdem entspannte ich mich. Was sollte denn auch groß passieren? Ich würde wieder ignoriert werden. Mein Herz pochte einmal laut und schmerzhaft, dann setzte sich wieder dieses Gefühl darüber. Wie ein schwarzer Schleier verhüllte es alles.
    Es hatte keinen Sinn, darüber nachzudenken. Es war sinnlos.


    Neben mir auf dem Tisch hockte ein Myrapla, das die ganze Zeit vor sich hinplapperte, daneben schnarchte ein Mampfaxo. Beide kannte ich nur ein wenig, weil ich mich immer wieder versteckte. Sie waren mir alle samt viel zu laut. Auch jetzt pochte Myraplas Stimme in meinen Ohren, die ich schnell von ihr abwandte.
    Das große Rechteck gegenüber von uns öffnete sich, der Professor, ein Menschling mit grauem Haar, trat herein. Ihm folgte ein Junge. Meine Ohren zuckten kurz, dann drückte ich meinen ganzen Körper eng an mich. Der neue Trainer sah schon zu uns herüber als er auf uns zukam. Wie erwartet glitt sein Blick wieder sofort zu den anderen. Mein Herz pochte wieder kurz laut, als der Schleier sich kurz verzog. Wieder nicht.
    Ich schloss die Augen und legte die Ohren an. Was hatte ich erwartet? Es blieb doch immer bei selben. Keine Chance. Niemals. Ich war wertlos.
    Ich war schon tief in Gedanken versunken, als mich plötzlich etwas vom glatten, silbern glänzenden Boden hochhob. Erschrocken riss ich die Augen auf und strampelte wild um mich, bis ich realisierte, dass ich in der Pfote des Jungen lag. Verwirrt starrte ich ihn an. Er verzog den Mund und zeigte seine Zähne, was bei Menschen scheinbar eine andere Wirkung hatte als bei uns Pokemon. Mit diesem Gesichtsausdruck wandte er sich an den Professor und sprach einige Worte. Aber alles, was ich verstand, war mein Name.
    Ich verstand erst, als der Professor ihm eine rot weiße Kapsel überreichte und mir über den Kopf strich. Auch er lächelte mich an, dann wurde ich direkt vor das Gesicht des Jungen gehoben. Er sprach mit mir und streichelte mich.
    War das denn wirklich möglich? Wählte er tatsächlich mich?


    Ja. Heute war wieder einer dieser Tage. Aber dieser hier endete anders. Endlich.
    [/tabmenu]

  • Wieder zwei glückliche Gewinner dieses Mal. Herzlichen Glückwunsch an beide. ^^


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    [tab=Belladonna küss die Tollkirsche]
    [subtab=Vertonung]
    Paya - Belladonna, küss die Tollkirsche


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Ah, ich liebe Gedichte... Wenn sie sich reimen. Und das ist hier der Fall. Ich muss wirklich sagen, es liest sich auch schöner, wenn es sich reimt. Und ich hätte da auch spontan schon einige
    Stilmittel gefunden, die ich mir - würde ich das Werk interpretieren wollen - markiert hätte. Aber da spricht der akribische Ex-Deutsch-Musterschüler. Zurück zur Sache.
    Ich habe mich von den teilweise scheinbar wahllos gesetzten Apostrophe etwas gestört, da sie - meiner Meinung nach - nicht unbedingt überall, wo sie stehen, gebraucht werden ("...Sollst' doch die zarte Zier nicht länger hüten").
    Dann hatte ich noch Probleme mit dem... nennen wir es "Rhythmus" des Gedichts. Ich weiß, dass reimen allein schon schwierig ist. Dann noch die Einhaltung eines korrekten Metrums zu verlangen, wäre erstens zu viel verlangt und passt zweitens auch nicht mehr in unsere Zeit.
    (Randnotiz: Falls ich zu blöd gewesen sein sollte, um da ein Metrum zu erkennen, dann möchte mich doch bitte jemand korrigieren. Spätnachts mit Kopfschmerzen kann so was schon vorkommen.)
    Ansonsten ein wirklich gelungenes Gedicht (das sich auch reimt :thumbsup: ).


    [subtab=Gewinnertext]
    Paya - Belladonna, küss die Tollkirsche


    Deine Wurzel ist des Verliebten Freude;
    dein flüssig Blut der Hexen grausig' Schwingen.
    Da ich deine Macht weniger vergeude,
    sollst du nur mir die schönsten Beeren bringen.


    Du bist allein zur Schönheit nicht geboren,
    schüchtern schauen deine winzigen Blüten.
    Und bist du auch selbst nicht dazu erkoren:
    Sollst' doch die zarte Zier nicht länger hüten.


    Ach, gib mir doch von deinen süßen Kindern.
    Will mich nicht hüten von ihnen zu naschen.
    Nichts soll meine Liebe zu ihnen mindern;
    durch mich man einen Blick auf dich erhaschen.


    So strahlend Schwarz wie die hübscheste Beere
    erblüht durch deinen magischen Zaubersaft,
    das Paar meiner Augen mit mystischer Kraft.
    Brems' durch den Anblick allein ganze Heere.


    Doch, ach, wie vergänglich ist dieses Geschenk,
    dass mich die Sehnsucht danach immer verzehrt
    und ich meine Schritte wieder zu dir lenk',
    weil dich mein eitel' Herz allzu sehr begehrt.


    Du bist ein Gewächs der nächtlichen Schatten.
    Nicht Schlange, doch Teufel im Pflanzengewand.
    Allmählich lässt du mein Leben ermatten,
    treibst mich an des flammenden Höllenschlund' Rand.


    Nur einmal noch schenke mir die reine Zier.
    Nur noch einmal mehr, ein allerletztes Mal.
    Unmöglich zu zügeln flammt in mir die Gier;
    ertrage nicht länger der Hässlichkeit Qual.


    So seiest du nun zum letzten Mal meines.
    Schon spüre ich die Hitze der Dämonen Heim.
    Das Leben rennt schnell in meiner Brust allein
    und verblüht alsbald so flüchtig wie deines.
    [/tabmenu]


    [tabmenu]
    [tab=Trauerweiden weinen nicht]
    [subtab=Vertonung]
    Buxi - Trauerweiden weinen nicht


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Ich muss wirklich und ehrlich gestehen, es gibt auch Gedichte, die mir gefallen können, auch ohne, dass sie sich reimen. Ich bin zwar ein großer Fan der literarischen Klassik und Romantik, aber auch an schlichten Gedichten (yay, ein Reim!) kann ich Gefallen finden. Vor allem, wenn sie so viel Raum für Interpretationen lassen, wie dieses hier. Das ist auch das erste Gedicht, das ich sehe, das aus der Sicht eines Baumes geschrieben ist. Wofür genau nun Weide, Fluss und Blatt stehen und welche Rolle der Mensch dabei spielt, wird offen gelassen, sodass jeder Leser dies subjektiv für sich entscheiden kann. Ich sehe in dem Gedicht zum Beispiel eine positive Botschaft, eine Art Lebensbejahung.
    Ebenfalls ein wunderschönes Gedicht.


    [subtab=Gewinnertext]
    Buxi - Trauerweiden weinen nicht


    Still stehe ich am Fluss.
    Er zieht an mir vorüber.
    Leise murmelt er
    Unverständliches.


    Mein Ast hängt ins Wasser.
    Ein Blatt treibt darin.
    Wie die Träne eines Menschen,
    auf seiner Wange.


    Ich sehe ihm zu.
    Er sitzt auf meinen Wurzeln.
    Er weint, er seufzt.
    Der Fluss murmelt weiter.


    Ich fühle Trauer.
    Ich fühle Schmerz.
    Ich fühle Leere.
    Doch ich weine nicht.
    [/tabmenu]

  • [tabmenu]
    [tab=Blumenwalzer]
    [subtab=Vertonung]
    Raichu-chan - Blumenwalzer


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Yay! Pokémon und Harry Potter in einer Geschichte! Gut, auch wenn der Text ein paar kleine Macken hat (..."Umgebung umgeben..." ) und sich nicht so gut runterliest, wie manch andere Fanstory, hat mir
    "Blumenwalzer" richtig gut gefallen. Allerdings stören die Macken schon arg beim Lesen, vor allem, wenn man die Geschichte vorliest. Ich musste einige Male kurz stoppen und den nächsten Satz in Ruhe anschauen,
    um ihn dann korrekt vorlesen zu können. Kann sein, dass man das sogar hört. :P
    Der Harry-Potter-Fan in mir kann zwar mit dem inneren Pokémon-Fan nicht konkurrieren, aber ihm gefällt die Story trotzdem ganz gut, wenn auch das Ende etwas merkwürdig ist.


    [subtab=Gewinnertext]
    Raichu-chan - Blumenwalzer


    Es war schon dunkel, als ich die großen Mauern des Schlosses hinter mir ließ und in Richtung des Verbotenen Waldes ging. Eigentlich hatte ich nur noch eine halbe Stunde, die ich in der abgekühlten Abendluft verbringen konnte, doch die war es mir wert. Beim Unterricht hatte ich meinen Kessel umgestoßen und eine ätzende Flüssigkeit hatte sich über den Jahrtausende alten Steinboden ergossen. Der Professor war mehr als sauer gewesen und so dem Haus Geradaks wertvolle Punkte wegen meiner Tollpatschigkeit abgezogen. Jetzt lagen wir sogar hinter dem Haus Entei und die meisten aus Geradaks starrten mich an, als wäre ich allein daran schuld, dass wir nun ganz hinten in der Rangliste im Kampf um den Hauspokal waren. Als wäre dies das einzig Wichtige auf dieser Welt. Auch mein bester Freund, Toby, ein hitziges Fukano, hatte es nicht geschafft, mich aufzuheitern. Zwar hatte er mir den Rücken gestärkt und jeden böse angeknurrt, der mich meine Schmach hatte spüren lassen, doch mir hatte das nicht wirklich geholfen. Das Gefühl blieb, die Enttäuschung über mich selbst, die mir keiner nehmen konnte. Kein Pokémon kam mir entgegen, als ich mich auf meinen einsamen Streifzug begab. Es war mir gerade recht so, ich wollte auch niemandem begegnen.
    Der Wind blies über die weite Grasebene und ich zog das Fell an meinem Bauch bis zum Kinn. Es war praktisch, denn so musste ich nicht durch die halbe Schule laufen und eine Jacke holen, wenn es in den Abendstunden kühler wurde. Ich blickte noch einmal zum Schloss und sah andere Schüler, die noch auf Bänken saßen. Sie redeten und mir war, als würde der Wind das Tuscheln bis in meine langen Hasenohren tragen. Versager, Tollpatsch und uncooler Looser waren nur ein paar der Namen, die sie mir in den Gängen hinterherrufen, heute mehr als sonst. Ein paar blickten in meine Richtung und schnell hoppelte ich weg. Ich wollte ihnen nicht noch mehr Angriffsfläche bieten. Es war schon schlimm genug, dass die Beleidigungen noch lange in meinen Ohren nachklangen.
    Ich brauchte Abstand zu ihnen, sowohl räumlich als auch metaphorisch. Ich wusste, dass es uns Schülern verboten war, in den Wald zu laufen, doch ich war schon im fünften Jahr und der Zauberstab, den ich mit meiner rechten Pfote umklammert hatte, gab mir Sicherheit. Zwar hatte ich mit ihm noch nie ein Pokémon angegriffen, doch die Verteidigungssprüche gegen die magischen Geschöpfe hatte ich in meinem Kopf. Zwar war ich auch schon im Nahkampf geübt und mein Vater hatte mir erst letztes Jahr die Aquawelle beigebracht, doch auf Hogwarts gab es die Regel, dass nur Zauberstabmagie benutzt werden durfte. Wenn man dagegen verstieß und erwischt wurde, konnte man mit einem Schulverweis rechnen. Hier sollten wir ausschließlich unsere magischen Fähigkeiten trainieren. Für alle galten die gleichen Voraussetzungen, unabhängig der Typen und der erlernten Attacken. Alle sollten als gleich angesehen werden, doch in Moment zweifelte ich daran. Oben gab es die coolen Jungs und die hübschen weiblichen Pokémon, welche tuschelnd in der Ecke standen und von allen bewundert wurden. Am Ende gab es die wegen ihres Geruchs ausgegrenzten Giftpokémon ganz weit unten in der Hierarchie. Seit heute gehörte wohl auch ich zu diesem Rand.
    Ich wünschte mittlerweile, dass ich nicht auf diese Schule gegangen wäre, doch dann sah ich die glücklichen Gesichter meiner Eltern vor mir, als sie mir mit Freudentränen hinterher winkten, als die Kutschen mit den Galoppa sich auf den Weg machten, um uns sicher zu der neuen Schule zu bringen. Ich gehörte hierher, seit ich meine Gabe bemerkt hatte und eigentlich wusste ich das auch. Ich schüttelte den Kopf und nahm mir vor, mich in Zukunft durchzubeißen, als ich vor mir am Rande des Waldes, kurz hinter der ersten Reihe von Bäumen, ein Glitzern bemerkte. Neugierig hoppelte ich näher. Ich wusste, dass es auch Lichtel sein konnten, die darauf warteten, meine Seele auszusaugen, wenn ich nicht genug aufpasste. Den Zauberspruch gegen sie, der eine silberne Gestalt meiner selbst erzeugte, lernte ich gerade in Verteidigung gegen die dunklen Pokémon, weshalb ich ihn noch nicht sicher anwenden konnte. Doch fürs Ablenken und Weglaufen reichte es sicherlich.
    Vorsichtig trat ich näher und spähte durch die Sträucher, die in etwa so groß waren wie ich selbst. Vor mir, in das silberne Licht des aufsteigenden Mondes getaucht und trotzdem noch von der dunklen und mysteriösen Umgebung umgeben, sah ich den Bach vor mir. Am klaren Wasser hatte ich schon oft mit Toby gesessen und während er vor sich hin redete, hatte ich in die Wellen geschaut und meinen Gedanken nachgehangen. Ich kannte diesen Platz und liebte ihn. Eigentlich verschlug es nur sehr wenige Pokémon hierher und so war ich überrascht, als ich dieses wunderschöne Wesen erblickte, das sich anmutig zwischen den Volbeat und Ilumise bewegte, die es mit leuchtenden Schwänzen umgaben. Sie tanzte zwischen ihnen, als ungeschlagener Star zwischen Statisten, die ich kaum noch beachtete. Das Pokémon in der Mitte hatte ich schon öfter gesehen, sie kam aus dem Haus Washakwil, die immer für ihre Klugheit bewundert und von denen Bestnoten erwartet wurden. Sie schien schüchtern zu sein, denn sie sprach nur, wenn die Lehrer sie drannahmen, doch dann wusste sie meistens die richtige Antwort. Soweit ich wusste, war sie auch in meinem Zaubertrankkurs, doch ich hatte ihr nie wirklich Beachtung geschenkt. Ob sie heute auch über mich gelacht hatte? Bestimmt, alle hatten das.
    Ich wollte mich verletzt abwenden, bevor ich wieder an die Schande erinnert wurde, doch der Anblick hielt mich gefangen. Ich wusste, dass die Pokémon dieser Art hervorragende Tänzer waren, doch die Eleganz, mit der sie leicht durch die Luft sprang und kein einziges Mal ins Wanken geriet, ließ mich fasziniert zuschauen. Ihre Füße konnten sogar auf dem unebenen Waldboden Halt finden und sie wirkte, als würde sie über dem Boden schweben.
    Mit meinem Zauberstab brachte ich ungesehen aus der Ferne die Blumen auf der Wiese zum Erblühen. Die bunte Wiese als Kulisse wirkte wie eine echte Bühne, auf der das Kirlia als Star seine Vorführung vortrug. Ich war wie gefesselt von dem Anblick und der Schönheit des Tanzes. Ich hatte früher nie viel übrig gehabt für die Art, Mädchenkram, wie meine Freunde ihn nannten. Doch diese Vorführung hatte seine Magie, derer ich mich nicht entziehen konnte. Sie fesselte mich ohne Schnüre an dieses wundervolle Wesen.
    Gerade setzte sie zu einer langen Pirouette an, dem krönenden Abschluss, als sie abrupt stehen blieb. Ihr Gesicht war nun mir zugewandt und ihre Augen blickten in meine. Sie war überrascht, dass sie einen Zuschauer hatte und ich wollte mich sofort dafür entschuldigen, dass ich ihren wunderschönen Tanz beobachtet hatte. Doch bevor ich das tun konnte, wandte sie schüchtern ihr Gesicht ab und machte Anstalten zu fliehen.
    „Warte!“, schrie ich und sie blieb tatsächlich stehen. Es folgte der Moment, in dem ich nicht wusste, was ich jetzt tun sollte. Der Schrei war ein Impuls gewesen und jetzt war mein Kopf leer. Ich wollte nicht, dass sie ging. Sie durfte nicht! Aber was konnte ich tun, um das zu verhindern.
    „Wie heißt du?“ Es waren nicht meine Worte, sondern ihre zarte Stimme, die die Stille durchbrach.
    „J-Jamie“, stammelte ich überrascht, dass sie plötzlich die Initiative ergriffen hatte.
    Ein Kichern verließ ihren Mund. „Meine Freundin heißt so.“ Das Fell an meinem Körper war bestimmt dunkelrot angelaufen, als sie das gesagt hatte, doch das schöne, kindliche Kichern entschädigte dafür. Ich hatte sie zum Lachen gebracht! Das erste Mal, dass jemand außer Tobi herzlich über mich gelacht hatte anstatt beschämend. Mein Herz klopfte bei dieser Ehre. „Ich heiße Claire.“
    Ich ließ mir ihren Namen auf der Zunge zergehen. Ein Kirlia mit diesem anmutigen Namen, genau passend für den Tanz im Mondlicht. Die Strahlende hatte mit ihrem Schein auch mein Herz erreicht.
    „Hast du Lust…?“ Meine Stimme verlor sich in der Dunkelheit.
    „Hm?“, machte sie und sah mich erwartungsvoll mit ihren rubinroten Augen an. Jetzt oder nie, dachte ich. Wenn du sie als Freundin gewinnen möchtest, musst du mutig sein, schrie meine innere Stimme. Ich schloss die Augen und sammelte mich kurz.
    „Willst du beim Abendessen neben mir sitzen?“
    Eigentlich war es nicht üblich, dass Schüler aus verschiedenen Häusern nebeneinander saßen.
    „Natürlich“, erwiderte sie und ging glücklich an meiner Seite den Weg zum Schloss zurück. Ich wollte sie nicht gleich mit meinen Gefühlen überrumpeln, wir hatten doch alle Zeit der Welt. Erst einmal genoss ich die Zeit mit ihr und freute mich über die hinzugewonnene Freundin, die von da an mit Toby und mir durch die Gänge streifte.



    Harry schloss das Browserfenster wieder. Luna hatte ihm einen Auszug aus ihrem neuen Fantasyroman geschickt, den sie bald veröffentlichen wollte. Als guter Freund war ihm die Ehre zuteil geworden, schon Auszüge lesen zu dürfen.
    Aber es war doch ein ziemlich ungewöhnlicher Gedanke, dass Pokémon in einer Parallelwelt auf die gleiche Schule gingen wie hier. Der Zauberer neigte nachdenklich den Kopf und klappte den Laptop zu.
    „Komm Bisofank, wir gehen trainieren.“
    [/tabmenu]

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    [tab=Lebensfreude]
    [subtab=Vertonung]
    Cassandra - Lebensfreude


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Hui, Gruselgeschichten! Als Fan des gepflegten Horrors á la "Silent Hill" gefällt mir so was immer gut. Vor allem, wenn man gut in die Geschichte eintauchen kann.
    Ich weiß nicht, ob man das in der Vertonung hört, aber ich habe wirklich mit dem armen Kind mitgefühlt. Nur an einer Stelle (das hätte man evtl. ein bisschen besser lösen können) wurde ich
    aus der Handlung gerissen. Das war, als ich dreimal versucht habe "schmale Schnittstellen" zu sagen. So eine sch-Lauthäufung ist nicht gut für den Gruselfaktor beim lauten Vorlesen oder Erzählen. ;)
    Ansonsten ganz klar Gänsehaut. Hut ab.


    [subtab=Gewinnertext]
    Cassandra - Lebensfreude


    Es gab eine Zeit, in der ich nicht existierte. Dann entstand ich und meinesgleichen. Warum? Ich weiß nicht welcher seltsame Zufall es so wollte. Doch nun bin ich hier. Ich liebe diese Welt. Ich mag Wolken, die mich an Heiterkeit erinnern. Ich mag den Regen, der Traurigkeit weckt. Ich möchte hier bleiben. Ich will nicht weg. Und dafür brauche ich dich ...


    Hast du sie mal gehört? Die Geschichte vom Rattenfänger? Großmutter erzählt mir dieses Märchen oft abends, wenn es draußen schon zu dunkel ist, um im Garten zu tollen. Von diesem außergewöhnlichen Musiker, deren Flötenspiel angeblich so bezaubernd ist, dass Kinder, wie ich, nachts aus dem Bette steigen und ihm folgen. Ich finde diese Vorstellung unheimlich. Die armen Kinder, die nicht wissen wie es um sie geschieht. Und dann verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen ... schrecklich.
    Ausnahmsweise darf ich aber heute auch in der Dämmerung noch etwas draußen spielen. Es hatte den ganzen Tag geregnet und auch jetzt noch weht ein unangenehm kühler Wind um das Haus. Ich schaue hinauf zum Himmel, doch über mir hängt noch immer die schwere, graue Wolkendecke, wie schon den ganzen Tag. Morgen wird es wohl auch nicht besser. Doch wer weiß? Mit etwas Glück kommt ein starker Windstoß auf und pustet die Wolken davon! Hier zwischen dem Gebüsch im Garten, buddle ich ein wenig in der nassen Erde.
    Etwas raschelt. Ich schaue zur Seite und hinter mich. Es ist still hier draußen, abgesehen vom Heulen des Windes, kann ich nichts hören. Das Licht im Haus scheint weit entfernt. Es raschelt wieder und diesmal tänzeln einige Blätter auf mich herab. Ich blicke diesmal nach oben, in die dichte Baumkrone unseres Ahornbaumes. Erst entdecke ich nichts, doch da! Ein seltsam geformtes, gelbes Blatt. Wie ein kleines Herz. Ich lächle und strecke mich nach oben zur Baumkrone auf. Mit meinen Fingerspitzen berühre ich das Blatt. Es bewegt sich. Ich schrecke zurück.
    Plötzlich - es schwebt herab. Meine Augen weiten sich vor Schreck und unmerklich weiche ich zurück. Versuche mich klein zu machen. Noch kleiner als ich mit meinen sieben Jahren eh schon bin. Doch Erleichterung durchströmt mich, als ich erkenne, was sich raschelnd und zappelnd aus der Baumkrone kämpft. Ein Driftlon! Ich lache auf und gehe wieder einen Schritt auf das runde Pokémon zu. Vorsichtig strecke ich meine Hand aus, ich will es schließlich nicht erschrecken. Es betrachtet mich mit seinen schwarzen, ausdruckslosen Augen. Ein wenig muss ich schaudern, doch das liegt wohl an der kühlen Brise. Driftlon wackelt lustig im Wind. Wie ein richtiger Luftballon. Es stupst mich an mit seinen zerbrechlich wirkenden Schnurärmchen und den herzförmigen Enden daran. Ich lächele es an, jetzt traut es sich näher. Es ist noch immer so still hier draußen. Ich betrachte es genauer. Seine pechschwarzen Augen wirken anziehend. Ich habe das Bedürfnis näher zu kommen und raus zu finden, was sich in diesen dunklen Abgründen befindet. Ich trete näher.
    Doch da - meine Mutter ruft mich ins Haus! Etwas verwirrt schaue ich mich um. Fast hätte ich vergessen, wo ich mich befinde. Und es ist mir gar nicht aufgefallen, dass sich bereits finstere Nacht über den Garten und das Haus gelegt hatte. Wie lange bin ich denn hier gestanden? Ich werfe verunsichert einen Blick auf das Driftlon und plötzlich habe ich das tiefe Verlangen im Haus bei meiner Familie zu sein. Ich flüstere ein kurzes "Bye" an das lila Pokémon, drehe ihm den Rücken zu und mache mich eilig auf dem Weg zum Haus. Nach drei Schritten bleibe ich stehen. Warum? Ich sehe noch immer das Licht im Fenster schwach leuchten und wieder ruft meine Mutter. Ich will weitergehen, doch etwas hält mich ab. Ich kann es einfach nicht. Meine Hand streckt sich Richtung des Lichtes und da sehe ich es! Eine Schnur schlängelt sich um mein Handgelenk. Grauen erfasst mich und mir wird klar, was mich davon abhält weiter zu gehen. Langsam drehe ich meinen Kopf leicht nach hinten. Als das Driftlon meinen Blick bemerkt, fängt es wieder an mit seinem Körper zu wackeln. Als würde es sich freuen ...
    Es wendet sich im Wind und fliegt dann zum Gartenzaun. Entsetzen packt mich als mein Körper ruhig dem Pokémon folgt. Ich kann nicht umkehren. Ich kann nicht stehen bleiben. Mit ausgestreckter Hand folge ich stumm. Als ob wir spazieren gehen würden ... Meine Stimme ist verschwunden, stattdessen schnürt eine lähmende Angst meinen Hals zu. Ich folge ihm. Ich will nicht. Wir haben das Gartentor durchquert. Wieso kommt meine Mutter nicht raus in den Garten? Wieso sieht keiner nach mir?
    Driftlon wackelt im Wind, dreht sich manchmal um sich selber und wirft mir immer wieder Blicke zu. Es beobachtet mich. Sieht die Furcht in meinen Augen und weiß, dass ich nichts tun kann. Es freut sich. Wohin zieht es mich? Was will es? Ich kann das Haus nicht mehr sehen. Ich kann niemanden sehen ... Sie werden mich niemals wieder sehen.
    Meine Beine gehorchen mir einfach nicht, obwohl alles in mir schreit, schreit, schreit nach Freiheit. Ich kann nichts tun. Die Angst droht im Inneren zu explodieren, meine Panik steigt, mein Herz rast. Doch nichts von all dem merkt man mir an. Ich gehe mit Driftlon spazieren ...
    Nur meine Augen ... wieso blickt keiner der Menschen, denen ich begegne, in meine Augen? Weit aufgerissen, erstarrt in der eisig umklammernden Vorahnung, was mit mir geschehen könnte. Nur das Driftlon sieht es, stupst mich mit seinem Körper an. Freut sich. Übelkeit erfasst mich bei der Berührung.


    Hier ist es dunkel. Hier ist niemand. Hier bleibt Driftlon stehen. Der starke Wind, der an mir zerrt, scheint es nicht zu stören. Wie festgenagelt schwebt es vor mir in der Luft und blickt mich an. Seine Schnüre schlängeln sich an meinen Armen hoch. Diesmal nicht so unmerklich wie im Garten. Sie schneiden mir in die Haut und aus schmalen Schnittstellen heben sich langsam glänzende Blutstropfen hervor. Sie schlängeln weiter, umklammern meinen Körper. Mein Blick wird leer. Die Schmerzen mischen sich mit der Angst. Ich kann nicht mehr unterscheiden was mir weh tut. Ich wünsche mir gerade nur, dass ich schlafen würde. Wie die Kinder beim Rattenfänger.


    Man sagt, meinesgleichen entstand aus den Gefühlen. Man sagt auch, deinesgleichen hat viele Gefühle. Ich liebe dieses Leben. Ich mag die Heiterkeit, die ein Kind empfindet, wenn es mit einem Luftballon spielt. Ich mag die Traurigkeit, wenn es merkt, dass das Spiel zu Ende ist. Ich will nicht weg. Also komm, spiel mit mir!
    [/tabmenu]

  • Vorneweg gleich eine kleine Entschuldigung dafür, dass ich mit den Vertonungen ein bisschen hinterher bin. Mitte Juni hatte ich mich erkältet und auch jetzt schleppe ich noch einen Teil derselben mit mir herum. Dann musste ich einige private Dinge regeln, die mir die Zeit zum Vertonen genommen haben. Es war einfach eine Verkettung unglücklicher Umstände.
    Aber jetzt geht's weiter mit den Vertonungen. :)

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    [tab=Danse macabre]
    [subtab=Vertonung]
    Cáithlyn - Danse macabre


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Aaargh! Ein französischer Titel... Ich sprech' doch kein Französisch. Naja, was soll's, es geht ja um den Inhalt, nicht um die Überschrift. Und was das angeht, könnte diese Geschichte
    eine Gebrauchsanleitung für das Erstellen eines Silent-Hill-Spieles sein. Eine zum Schneiden dichte Atmosphäre, Nebel -der in jeder guten Horrorgeschichte oder eben in Alpträumen auf keinen
    Fall fehlen darf-, groteske Charaktere und ein schauderhaftes Leitmotiv. Da bekommt man schon beim Lesen feuchte Hände.
    Ein verdienter Sieg in meinen Augen. :)


    [subtab=Gewinnertext]
    Cáithlyn - Danse macabre


    Zarte Violinenklänge drangen an ihr Ohr. Leicht und hell wie die Stimme einer Opernsängerin riefen sie sie zurück ins Leben. Als sie die leeren Augen öffnete tanzten helle Lichter vor ihrem dünnen Körper. Sie hörte ein weit entferntes Kichern als das Glühwürmchen von ihr hinfort wich und die anderen Genossen ihm tänzelnd in die Dunkelheit folgten.
    Das Mädchen rieb sich müde die Augen. Um sie herum wuchsen dicke Bäume in die Höhe, tief in den dunklen Nachhimmel hinein, der mit seinen bunten Sternen aussah wie ein Blumenmeer. Leichter Nebel waberte um ihre nackten Füße herum.
    Was war dies für ein Ort? Wie kam sie denn hierher?


    Sie hörte weit entfernt die Violine, die sie aus der süßen Bewusstlosigkeit hinein in diese fremde Welt gerufen hatte. Eine leichte, gehauchte Melodie die ihr Herz zum Pochen brachte.
    Wie wunderschön. So unglaublich schön!


    Als sie sich vorbeugte und ihre Füße auf den Boden aufsetzten schwankte das Mädchen gefährlich. Mit jeder Note die sie hörte flossen die Gedanken weiter fort. Hinweg zur kleinen Melodie, die sie mit süßen Klängen lockte.
    Mit rauschenden, blonden Locken folgte das zierliche Mädchen im weißen Kleid. Und mit jedem Schritt wich der lebendige Glanz in ihren Augen der Schwärze ihrer Pupille.


    Sie folgte dem Pfad gemacht aus Bäumen, die Augen starr ins Dunkle gerichtet, wo die Leuchtenden verschwunden waren. Nicht einmal das Knacken bemerkte sie mehr, nicht die roten Augen, die in den verdorrten Ästen wohnten und auch nicht die zischenden Rufe die sie zur Vorsicht ermahnten. Irgendwann verstummten ihre Warnungen. Nur noch leises Klagen konnte man vernehmen. Doch das Mädchen hörte nichts als die sanften Violinenklänge, die sie gefangen nahmen. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen torkelte sie weiter.


    Zur Violine gesellte sich das Zupfen einer Harfe. Dann Celli. Mehr Violinen, alle hielten sich im Hintergrund. Leise unterstützen sie das lockende Lied der Verführerin. Tänzelnd folgte sie der Melodie auf eine Lichtung umrahmt von zarten Bäumen, allesamt mit bunten Blättern versehen die im Lichte der Leuchtenden aufglühten und den Ort in etwas magisches verwandelten. Und jäh, gerade als sie in der Mitte der kreisrunden Wiese ankam, da tauchte vor ihr eine Person auf, hochgewachsen und schlank, mit einem bunten geflickten Mantel und einem riesigen Zylinder, der Schatten auf sein Gesicht warf.
    Der Arm des merkwürdigen Mannes glitt mit dem Bogen in der Hand auf den Saiten seiner Violine vor und zurück, ruhig und vorsichtig. Die fragile Melodie nun ganz nah an ihrem Ohr wanderte das Mädchen mit leeren Augen und leichtem Lächeln dem Mann entgegen, der sie aus dem Schatten seiner Hutkrempe aus beobachtete und tänzelnd rückwärts ging. Das Mädchen formte den Mund zu einem stummen Ausruf des Entsetzens.
    Warum blieb er denn nicht hier? Sie wollte doch nur lauschen. Lauschen und bei ihm bleiben.
    Ja. Bei ihm bleiben. Für immer.
    Das ist richtig so.
    Die kleinen Lichter schwebten um ihren Kopf herum, ließen die blonden Locken wirken wie einen Heiligenschein. Flüsternde Kinderstimmen schlichen sich in ihren Kopf.
    Bleib bei uns.
    Hier ist es gut. Nur der Musik lauschen. Für immer und ewig.


    Der Mann war endlich stehen geblieben. Er spielte die fragile Melodie immer weiter, ein zarter Ruf der Verführung. Die Lichter lösten sich von ihrem Platz um das Mädchen herum, formten einen hellen Kreis um sie. Auf und ab schwebten die Leuchtenden, im Takte der leichten Melodie. Das Mädchen drehte sich lächelnd im Kreis, die Arme weit von sich gestreckt. Ihre Beine zitterten unsicher, doch eine seltsame Macht ließ sie sich weiter drehen.


    Bleib bei uns.
    Bleib hier.
    Die Lichter wurden unendlich grell, doch die trüben Augen standen weiter offen. Ihr seliges Lächeln stand weiterhin in ihrem blassen Gesicht.


    Unter dem Schatten des Zylinders breitete sich ein groteskes Grinsen aus. Zähne so scharf wie Messerklingen knirschten aufeinander. Die Melodie spielte weiter, aufgeregter. Die anderen Instrumente folgten eilend.


    Ein Paukenschlag riss das Mädchen aus ihrer Trance. Sie blieb torkelnd stehen, presste sich die Hände über die Augen. Das Licht schmerzte so fürchterlich! Und die Stimmen! All diese Stimmen in ihrem Kopf!
    Bleib bei uns!, forderten sie immer wieder, und mit jeder Wiederholung klangen ihre Echos drängend und wütend, ja sogar aggressiv!
    Aufhören!, schrie das Mädchen innerlich dagegen. Sie drückte sich ihre Hände nun auf die Ohren, doch das leichte Lied der Violine klang unaufhörlich in ihren Gedanken.
    Der süße, süße Klang. So wundervoll. So lockend.
    Nein!
    Das Mädchen riss die Augen auf. Die trockenen Äste um sie herum knackten als sie sich ihr entgegenstreckten, die einst so bunten Blätter lagen vertrocknet auf dem Boden.
    Und die Lichter waren fahlen Gestalten gewichen. Sie hielten sich an den Händen, aus den schwarzen Augenhöhlen spürte sie ihre Blicke auf sich. Die Haut klebte ihnen dicht auf den Knochen, tiefe Kratzer zeichneten sich auf ihren Körpern ab und getrocknetes Blut bedeckte die Fetzen, die sie als Kleidung trugen.
    Dem Mädchen entwich ein lautloser Schrei. Panisch drehte sie sich immer wieder um ihre eigene Achse auf der Suche nach einem Ausgang. Doch wohin sie auch sah standen die vertrockneten Körper von Kindern, dreckige Haare waberten um ihre Köpfe.
    Bleib bei uns!, formten sie mit den zerfetzten Lippen.
    Sie blieb zitternd stehen und starrte das Unheil vor ihr an. Sie musste weg! Irgendwie! Sofort, oder-
    Dünne Arme schlangen sich um ihre Taille. Die krallenartigen Finger bohrten sich in ihr Fleisch und das zerfurchte Gesicht mit den leeren Augenhöhlen presste sich unheimlich lächelnd gegen ihren Rücken.
    Kreischend kämpfte sie gegen den Griff an, wand sich so stark, dass dem Ding mit einem schrecklichen Geräusch wie trockenes Laub die Arme aus dem Leib gerissen wurden. Mit starrem Blick sah sie auf die bleichen Gliedmaßen, die von ihr herunterfielen. Doch in dem Moment, in dem die nächsten Klauen nach ihr griffen, rannte sie in die dichte Schwärze vor ihr.


    Ihr Atem ging schwer und heftig, doch sie konnte die trockenen, drängenden Stimmen hinter ihr noch immer hören. Panisch folgte sie dem Pfad aus Dunkelheit.
    Bleib bei uns!
    Nein!, kreischte sie in Gedanken dagegen an. Aus ihrem Mund drang nichts als heißer Atem.
    Und plötzlich war der Weg vorbei. Vor ihr baute sich eine große Wand aus Schwärze auf. Das Mädchen hielt davor an und stemmte sich keuchend dagegen. Die Stimmen kamen immer näher, aber diese Wand bewegte sich nicht. Verzweifelt untersuchte das Mädchen jeden Quadratzentimeter, doch da war nichts! Keine Unebenheit, gar nichts!
    Bleib bei uns!
    Dicken Tränen der Panik und Angst glitten die roséfarbenen Wangen herunter. Nein! Nein, bitte nicht! Sie wollte nicht auch so enden! Nicht so!
    Als sie auf den Boden sank und ihre Fäuste kraftlos gegen das Hindernis prallten, da spürte sie den kalten Atem ihrer Verfolger. Sie spürte das Zerren an ihrem weißen Kleid, das nun dreckig und zerfetzt an ihrem Körper herabhing. Sie versteifte sich, die Augen panisch aufgerissen, die Zähne zitternd aufeinandergepresst. Ein leichtes Wimmern entfuhr ihrer Kehle, als der sanfte Klang der Violine wieder an ihre Ohren drang.
    Als die Musik aufhörte, da legte sich eine behandschuhte Hand mit unendlich langen Fingern fest um ihre Schultern. Zitternd drehte sie sich zu der kalten Präsenz herum.
    Der Mann mit dem Zylinder hockte hinter ihr. Und als er den Kopf erhob, sodass die Schatten des Hutes von seinem Gesicht abließen, da sah sie es zum ersten Mal.
    Verblichene Hautstücke, unordentlich zusammengenäht mit bunten Fäden, die die Fetzen unnatürlich spannten. Über das groteske Grinsen mit den Messerzähnen fuhr eine gespaltene Zunge und die goldenen Augen mit scharfer Pupille leuchteten wahnsinnig. Und als er den Mund öffnete und ihn bewegte drangen tausend Stimmen in ihren Kopf, laut und kreischend.
    Du bist mein!, schrien sie dem Mädchen entgegen.


    Und plötzlich gab die dunkle Wand nach. Mit einem Ruck kippte sie vorneüber, das wütende Kreischen der Stimmen und den entsetzten Gesichtausdruck des Violinenspielers vor Augen versank sie in tiefer Finsternis. Die starren Gesichter der Kinder verschwammen immer weiter und auch die Krallen, die sie ihr entgegenstreckten verschwanden.
    Das Mädchen fühlte nichts mehr, wusste nur das sie fiel. Immer und immer tiefer fiel.


    Mit einem lauten Schrei richtete sich das Mädchen mit den blonden Locken in ihrem Bett auf. Ihr Atem ging stoßweise und ihr Herz pochte fürchterlich. Von draußen kroch fahles Licht in ihr Zimmer, Geräusche von Karren und wütenden Rufen drangen herein. Als die Tür sich öffnete stand eine junge Frau in Schürze darin.
    „Mylady? Ist alles in Ordnung?“ Das Mädchen, mit roten Augen und bleicher Haut, nickte noch etwas verwirrt.
    „Ihr habt wohl schlecht geschlafen!“, lachte die Maid und ging durch das Zimmer, wo sie die Vorhänge öffnete. „Schaut heraus, Mylady. Es ist ein wirklich schöner Tag, nicht wahr?“
    Mit zitternden Schritten näherte sich das Mädchen dem Fenster. Auf der Straße vor dem Haus bauten die Händler gerade ihre Stände auf.


    Und inmitten dem bunten Treiben stand ein Mann mit einem Zylinder und einem geflickten Mantel. Der Bogen in seiner Hand glitt vorsichtig über die Violine, der Wind trug die fragile Melodie an ihr Ohr. Und als er geendet hatte, da hob er den Kopf und blickte sie an während seine Messerzähne ein groteskes Lächeln formten.



    [/tabmenu]

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    [tab=Eine Reise in das Herz der Apathie]
    [subtab=Vertonung]
    Sterling - Eine Reise in das Herz der Apathie


    Schwamm'sche Anmerkungen
    Wow, einfach wow. Das ist kein Pokédex-Eintrag, das ist das Skript für eine Dokumentation über Karpador. :)
    Und genauso hab ich das beim Einlesen auch interpretiert, wie man sicher an meinem Tonfall hört, aus dem ich selbst beim Schreiben dieser Anmerkungen nicht herauskomme.
    Ich musste an einigen Stellen richtig Schmunzeln und an zwei Stellen sogar ein kleines Kichern unterdrücken. Ich weiß nicht, ob man das hört. Ansonsten ein gelungenes Werk, das ich direkt mal meiner Moderatoren-Kollegin Cassy vorspielen muss, da es sich bei dem in diesem Text behandelten Pokémon um ihren Liebling handelt. Nun habe ich auch den Schreibstil der Autorin übernommen, was mir deutlich zeigt, dass ich nicht weiter schreiben, sondern einfach konstatieren sollte, dass es sich bei diesem Werk um einen verdienten Gewinner handelt. Ich hoffe meine Interpretation desselben wird dem gerecht. :D


    [subtab=Gewinnertext]
    Sterling - Eine Reise in das Herz der Apathie


    Das folgende Pokémon ist jedermann genauestens bekannt, da es sich allzeit und überall auffinden lässt, in Berg und Tal, bei Tag und Nacht; überall, wo es Wasser gibt, sind auch Vertreter dieser Familie zu entdecken. Einige betrachten es als Plage, andere bekennen sich als seine überzeugten Liebhaber. Viele, einander meist beißende Meinungen wurden darüber gebildet, jedoch ist eine neutrale Analyse vonnöten, um auf den Grund dieses scheinbar nicht sehr tiefen Tümpels zu gelangen.


    Sein schmaler, aquadynamischer Körper ist von einer Unzahl orangefarbener Schuppen bedeckt, die, je nach Erbgut des Pokémon, in extrem wenigen Fällen stattdessen kupfergolden verfärbt sein können. Es besitzt zwei Seiten- und eine Schwanzflosse von milchiger Farbe sowie gelbliche, gezackte Brust- und Rückenpaddel. Sein Maul, das zartrosafarbene Lippen trägt, ist oval geformt und meist weit geöffnet, um die willkürliche Aufnahme von Nahrung zu ermöglichen, die da aus Algen, Plankton und einer anspruchslosen Auswahl von beinahe allem anderen Essbaren, das im Wasser treibt, besteht. Die dünnen, umhertänzelnden Barteln, die beiderseits des Mundes hängen, dienen zur Vertretung des Tastsinns und sind bei Weibchen weiß, bei Männchen goldfarben. Das Gewicht beträgt durchschnittlich zehn Kilogramm und die Größe variiert zwischen 0,7 und 1,1 Metern.


    Der Bewegungsablauf des Mono-Wassertyps, der in sowohl gehendem als auch stehendem Gewässer heimisch ist, erfolgt durch das abwechselnde, schnelle Zusammenziehen der Seitenmuskeln mit angelegten Flossen, wodurch eine effektive, schlängelnde Fortbewegung ausgeführt wird. Währenddessen verwendet er die aufgefächerten Seitenflossen als Balance- und Steuerungsorgan. Im empörend ungerechten Gegensatz zu dieser funktionalen, wenn auch bei starker Strömung schnell versagenden, Dynamik steht die Tatsache, dass der Fisch oftmals aus einer beliebigen Laune heraus und ohne jeden Nutzen mehrere Meter in die Luft aufsteigt und sich wieder ins Wasser zurückplumpsen lässt. In hohem Alter soll sich diese Sprungkraft angeblich so ausweiten, dass es mit nur einem Sprung einen Berg überqueren kann, in Tat und Wahrheit hingegen beträgt die Distanz des bisher höchsten gemessenen Hüpfers bloß sieben Fuß. Dies stellt zwar den Ursprung der wirkungslosen und daher nicht gern gesehenen Attacke Platscher dar, wird jedoch auch von natürlichen Fressfeinden wie Tauboss oder Washakwil als perfekte Vorlage genutzt, um das jeweilige Opfer einfach aus der Luft zu picken und zu verspeisen.


    Die Attackenzahl, die es im Laufe seines Lebens erlernen kann, wenn man seine spätere Entwicklungsform ausklammert, ist dann auch mit den beiden zusätzlichen Angriffen Tackle und Dreschflegel relativ überschaubar. Neuesten Studien zufolge lässt sich einem sehr lernfähigen und erfahrenen Exemplar sogar die Attacke Sprungfeder beibringen, auch wenn es anschließend schwer sein wird, es zu deren Ausführung zu bewegen. Was sich daraus schließen und im praktischen Kampf, wofür es nun wirklich nicht geeignet ist, schnell beweisen lässt, sind seine mangelnde Scharfsinnigkeit und Stärke. Selbst im hitzigsten Gefecht wird es nur sorglos herumplatschen und demzufolge in wenigen Augenblicken besiegt werden. Deshalb müssen Vertreter dieser Art von anderen Lebewesen im Laufe ihres Lebens viel Spott und Häme ertragen, was zu der auffallend traurigen und gedrückten Stimmung führt, in der sich die oben genannten intelligenteren Fische durchgehend befinden. Doch die meisten von ihnen zeichnen sich durch einen ausgeprägt sorglosen, beschränkten und apathischen Charakter aus, der durch den eher klein geratenen Umfang ihres Gehirnes zu erklären ist.


    Subjektiv gesehen ist es schwach, erbärmlich und unzuverlässig – seine Vorfahren, die vor tausenden von Jahren die Erde bevölkerten, waren weitaus talentierter und besaßen in der Tat die Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen, doch davon ist heute nichts mehr zu erkennen. Viele Menschen bezeichnen es als das schlechteste Pokémon der Welt, obgleich es auch das Meistverbreitete ist.
    Sein Vermehrungsverhalten ist rabiat, findet man es doch mittlerweile in fast allen Gewässern jeglichen Teiles der Welt; dazu kann es durch sein enorm ausgeprägtes Immunsystem in jedem noch so toxisch verschmutzten See überleben. Seine Vorherrschaft ist unaufhaltsam.


    Das beobachtete Fortpflanzungsverhalten ist folglich simpel, aber wirksam gestaltet. Dabei begegnen sich zwei Pokémon beiderlei Geschlechts, betrachten einander während weniger Sekunden, ohne äußerliche Gefühlsregungen zu zeigen, und entscheiden sich daraufhin in fünfundneunzig Prozent aller Fälle zur Paarung. Auf ihrem weiteren Weg legt nun die Dame des zeitweiligen Gespanns stündlich ein Ei ab, welches nach nur wenigen Minuten schlüpft und ein voll ausgebildetes Pokémon entlässt. Die bemerkenswert kurze Dauer, die eine Larve zur Entwicklung benötigt, ist wichtig, um das Bestehen der schnelllebigen Art zu sichern.


    Ihr Fleisch ist ungenießbar, da es aus kaum etwas anderem als Knochen und Schuppen besteht. Einige wilde Vogelpokémon hegen dennoch, wie oben bereits erwähnt, eine irrationale, gleichsam plausible Vorliebe dafür, da sie mit ihren Schnäbeln als einzige Spezies dazu befähigt sind, die die verfestigte Haut der Wasserbewohner durchtrennen zu können. Die allgemeine Annahme aller Wissenschaftler lautet daher, dass ihr einziger Existenzzweck darin besteht, solchen Vögeln als Naturalien zu dienen. Doch dieser Schluss ist nicht nur deprimierend, sondern auch unzureichend und irregeführt.


    Denn trotz all dieser scheinbar überzeugenden Umstände ist es keinesfalls empfehlenswert, sich mit ihnen anzulegen. Es existieren Berichte von ahnungslosen Anglern, die in den weitläufigen, vielfältigen Jagdgründen, in denen sie hausen, ihr Leben ließen; Erzählungen über unschuldige Menschen, die vollkommen unerwartet und demnach chancenlos eines grausamen Todes starben. Denn das Folgende ist wohl das wertvollste, bestbekannte und meistgefürchtete Attribut des magischen Vertebraten, dessen Entfesslung, genau wie die sämtlicher anderer seiner Angewohnheiten, einzig der Zufall diktiert.


    Bei der Entwicklung verändern sich sein Aussehen, seine Form und sein Durchschlagevermögen. Sein Körper nimmt am Rücken einen aquamarinblauen, am Bauch einen ockerfarbenen Ton an und zieht sich derart in die Länge, dass er einer Schlange mehr als einem Fisch gleicht. Die typischen eckigen Flossen vermehren sich und werden ausschließlich weiß, wohingegen sich die Seitenpaddel vollends zurückbilden. Auf seiner Stirn bildet sich ein dreizackiger Kamm, der seine dazugewonnene einschüchternde Wirkung nur verstärkt. Seine Größe nimmt um das 6,5-fache zu und er gewinnt das 23-fache seines Gewichts, ebenso erlebt seine physische Kraft eine Steigung, die so rapide bisher bei keinem anderen Pokémon festgestellt wurde.
    Diese Ungeheuer, die übrigens den Zweittyp Flug erhalten, haben die Angewohnheit, alles dem Erdboden gleichzumachen, was sich in ihrem unmittelbaren Umkreis befindet. Der Grund dafür ist die strukturelle Mutation, die das Gehirn des Pokémon während des jähen Wachstums durchläuft und die darin große Aggression und Kopflosigkeit verursachende Hormone freisetzt.


    Daher wird dringend davon abgeraten, eine dieser Kreaturen einzufangen und sie womöglich sogar in die favorisierte Teamzusammenstellung einzusetzen, da sie den Menschen, der über zu niedrige Qualifikationen verfügt, nach dem Evolutionsprozess umgehend vernichtet und / oder vertilgt. Wenn eine von ihnen diesen Schritt, auch wenn ihn nur wenige erreichen, erst einmal getan hat, mausert sie sich schnell zum unumstrittenen Oberhaupt der jeweiligen Fauna.


    Dieser erstaunliche Verlauf der Metamorphose dient einer wohlbekannten Legende, die ratlose Eltern gern ihren einsamen Sprösslingen erzählen, um sie aufzumuntern, als Vorbild. Es ist die Geschichte des Kois, der es schaffte, alle anderen Fische zu überflügeln, gegen den Strom eines reißenden Flusses zu schwimmen und sich, während er erfolgreich den finalen Wasserfall bezwang, in einen Drachen zu verwandeln. Dieser Mythos steht symbolisch für den Mut und die Geduld, mit deren Hilfe man große, wenn nicht unbesiegbare Stärke erlangen kann. Der Verfasser ist unbekannt, doch die Überlegung liegt nahe, dass es sich dabei um einen antiken Angler gehandelt haben muss.


    Gerade wegen dieser Bedrohung, dieser unterschwelligen, hoffnungsspendenden Macht, die in den kleinen, unauffälligen Pokémon lauert, war ihre Beliebtheit, zumindest bei einem Teil der Bevölkerung, stets unumstritten. Kleine Kinder spielen mit ihnen an Flussufern, besonders hartgesottene Trainer bilden, entgegen aller gut gemeinten Ratschläge, ihr komplettes Team aus ihnen und Fischersleute tragen Wettbewerbe aus, welcher Mann das größte Exemplar an den Haken bekommt. Im Schifffahrtsmuseum von Seegrasulb City befindet sich sogar ein Unterseeboot unbekannten Ursprungs in der Länge von rund neun Metern, das ihrem Abbild nach wahrheitsgetreu kreiert wurde und unüberraschenderweise eine der Hauptattraktionen darstellt. Jeder noch so abgeneigte Sauertopf ist dazu in der Lage, etwas an ihnen zu finden, was auch er süß und knuddelig findet – die Auswahlmöglichkeiten sind schließlich unbegrenzt.


    Es ist die anbetungswürdige Geistesstumpfheit, verbunden mit dem unfassbaren Ausmaß an Potenzial, das in ihm steckt, welche die Menschen dazu zwingt, niemals vollends den Respekt vor dem orange geschuppten Mysterium zu verlieren und es allerorts in ihren Herzen zu tragen.


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