Es gibt eine Theorie, dass jeder Mensch im ersten Lebensjahr ein Grund- / Urvertrauen entwickelt. Dieses Grundvertrauen soll dem Kind zeigen welchen Situationen und welchen Menschen er vertrauen kann und welchen nicht. Kinder sind auf die Verlässlichkeit ihrer Bezugspersonen angewiesen. Die Bezugspersonen müssen dafür sorgen, dass es dem Kind gut geht und es bekommt was es braucht. Die Bindung zur Mutter ist beispielsweise sehr wichtig. Sie ist im natürlichen Sinne für die Nahrungsaufnahme verantwortlich und stellt für das Kind die erste Bezugsperson da, die, durch ihre Bindung und Erziehung, die Welt repräsentiert.
Wenn das Kind aber nicht die Forderungen nach körperlicher Nähe, Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung etc. bekommt, entwickelt es Bedrohungsgefühle und Ängste, da diese Bedürfnisse für das Kind lebenswichtig sind und erfüllt werden müssen. Dazu kommt, dass das Kind das Gefühl entwickelt seine Umwelt nicht beeinflussen zu können und ihr hilflos ausgeliefert zu sein. Diese negativen Gefühle können wiederum die Etablierung eines Urmisstrauens verursachen.
Daraus schließt sich, dass in den ersten Lebensjahren die Weichen dafür gestellt werden, ob wir der Welt und den Menschen um uns herum tendenziell vertrauen oder eher nicht.
Die Entwicklung eines Grundvertrauens ist das erste Stadium eines psychosozialen Stufenmodells, das der Psychoanalytikers Erik H. Erikson entwickelt hat. Ich persönlich finde dieses Modell sehr interessant und zu gleich auch etwas merkwürdig. Ich verstehe nicht wie genau ein Mensch im Kleinkindalter ein Grundvertrauen zu seinen Bezugspersonen und in seine ganze Umgebung entwickelt. Logisch klingt es schon, jedoch frage ich mich woher dieses Grundvertrauen kommt. Ist es angeboren und entwickelt sich dann entweder zu einem positiven Urvertrauen oder zu einem negativen Urmisstrauen? Oder ist das Grundvertrauen immer schon positiv und entwickelt sich dann erst zu einem Misstrauen, wenn das Kind negative Erfahrungen macht? Auch wenn es hierzu möglicherweise glaubwürdige Fakten oder Theorien gibt, kann man trotzdem eine eigene Meinung zum Grundvertrauen haben und darüber diskutieren.
Andere diskussionsanregende Fragen:
1. Wie kommt es, dass man manchmal einer kaum bekannten Person vertraut?
Sowohl Misstrauen als auch Vertrauen sind Systeme, die dem Menschen im Alltag verhelfen. Es dient zur schnellen Entscheidungsfindung und spart "geistige" Ressourcen, da es unmöglich ist täglich alles infrage zu stellen, das uns begegnet. Das Vertrauen in Menschen baut sich meist durch Erfahrung auf, nämlich die, dass wir nicht enttäuscht wurden und Schritt für Schritt immer mehr anvertrauen können. Wieso passiert es trotzdem, dass man manchen Menschen schon nach kurzer Zeit dieses Vertrauen schenkt, obwohl man keine Erfahrung gesammelt hat? Gibt es andere "Merkmale", die vertrauenserweckend sind?
2. Vertrauensangelegenheiten. Woran liegt es, dass die beim Menschen so verschieden ausfallen?
Jeder Mensch hat seine individuellen Vorstellungen davon, was er nur im Vertrauen weitergibt und was er offen erzählt. Doch durch was unterscheiden sich diese Dinge? Warum ist für den einen sein Intimleben etwas, was er nur vertrauten Personen erzählt und für den anderen nicht? Durch was entstehen verschiedene "Niveaus"? Dass man einem Menschen gar nichts anvertraut, dem anderen ein wenig und dem nächsten alles? Wo setzen die User ihre Grenzen?
3. Kann man das Urvertrauen irgendwie "nachlernen"?
Nehmen wir an ein Säugling wird absichtlich so erzogen, dass er kaum Chancen kriegt Vertrauen zu entwickeln bzw. das Urvertrauen (falls es existiert) gehemmt wird (unregelmäßige Esszeiten, kaum Kontakt, kein Trost etc.). Dieser Prozess zieht sich bis ins Kleinkindalter durch. Kann dieser Mensch trotzdem noch Vertrauen erlernen, wenn ihm zukünftig im normalen Maße sowohl Vertrauen als auch Misstrauen (bzw. Erfolg und Enttäuschung) im Leben begegnet? Und wenn man sagt ja, glaubt man trotzdem, dass diese erste Erfahrung einen Nachgeschmack hat oder komplett "vergessen" werden kann?
4. Wie sehr vertraut / misstraut ihr fremden Menschen?
Wenn wir durch die Stadt laufen, treffen wir viele unbekannte Menschen. Wir wissen nicht wie sie heißen, was sie tun und welche Fähigkeiten sie haben. Wir ahnen auch nicht wie sie auf einen reagieren, wenn man sie anspricht. Ist bei euch das Grundvertrauen so, dass ihr glaubt die fremden Menschen um euch herum sind in erster Linie nett und freundlich, oder seid ihr euch eher unsicher, sodass ihr sie erst einmal als unheimlich und gefährlich einstuft? Habt ihr beim Zusammentreffen von fremden Menschen eher ein Grundvertrauen oder ein Grundmisstrauen?
Wer Vorschläge oder weitere Fragen hat, kann diese mir gerne zusenden.