aber es muss ein messbares System geben um die Spreu von Weizen zu trennen
Warum? Warum muss es das geben? Was ist überhaupt "Spreu" und was ist "Weizen", wenn wir es auf unsere Gesellschaft beziehen?
Die Sache ist nun einmal, dass Schulnoten letzten Endes unglaublich wenig über die tatsächlichen Fähigkeiten eines*r Schüler*in aussagt. Was wir denn in der Schule getestet?
Schriftlich: Wie gut man unter enormen Druck auswendig gelernte Sachen wieder hochwürgen kann - Sachen, die man wahrscheinlich drei Stunden nach der Klausur auch wieder vergessen hat. Ausnahme sind die Fächer, in denen man Essays schreibt, wo man vorrangig darin getestet wird, inwieweit die eigene Interpretation eines Textes (oder eines historischen Ereignisses) mit der der*s Lehrer*in übereinstimmt, was man daran merkt, dass in diesen Fächern bei vielen Schüler*innen massive Unterschiede zwischen Lehrer*innen auftauchen.
Mündlich: Wie extrovertiert man ist und wie gut man mit einer*m bestimmten Lehrer*in auskommt. (Manchmal auch einfach wo man in der Klasse sitzt, welche Hautfarbe und welches Geschlecht man hat, denn mündliche Noten unterliegen noch stärker als schriftliche persönlichem Bias der*s Lehrer*in.)
Jemand kann ziemlich gute Mathenoten oder Physiknoten haben und dennoch den Stoff nicht wirklich verstehen. Dann wissen die Schüler*innen, wie sie eine bestimmte Formel einsetzen, aber nicht, warum. Und solche Schüler*innen hatte ich auch noch im Physik-LK.
Anders gefragt: Welcher Schüler besser in Physik? Einer kennt die Formel, setzt sie ein, bekommt das richtige Ergebnis, weiß aber nicht wieso. Der andere hat die Formel vergessen, weil er nicht gut auswendig lernen kann, leitet sich selbst eine Lösung her, die nahe am richtigen Ergebnis ist, weil er das System dahinter versteht. Schüler 1 wird dennoch die bessere Note bekommen. Ob Schüler 2 überhaupt Punkte bekommt, hängt komplett von Lehrer*in ab.
Das ganze lässt sich über diverse Fächer weiteriterieren. Der Punkt ist: Schule bewertet nicht wirklich Verständnis, sondern nur ein paar bestimmte Fertigkeiten, wie eben gutes Auswendiglernen, sowie den Willen oder die Möglichkeit bestimmter Schüler*innen sehr viel von ihrer Freizeit dafür aufzuwenden, für die Schule zu lernen. Nichts davon macht sie aber geeigneter für etwaige Berufe.
Das Problem ist einfach, dass unser aktuelles Schulsystem wenig auf Verständnis beibringt, was aber für eine etwaige Berufswahl in späteren Bereichen gebraucht wird. Ein anderes Problem ist, dass die Art, wie der Unterricht aufgebaut ist, oftmals bei vielen Schüler*innen auch eher Horror vor bestimmten Fächern aufruft oder zumindest ein absolutes Gefühl der Langeweile. Man denke nur an Mathe und Geschichte, die unheiligen Zwillinge des Schüler*innen-Horrors. Aber die Sache mit Mathe ist halt, dass es ein Fach ist, dass mit "Frontalunterricht auf 25-40 Schüler*innen" nicht gut funktioniert, weil gerade Mathematik etwas ist, dass verschiedene Schüler*innen auf kompett unterschiedliche Arten begreifen - aber weil die Klassen so groß sind, kann ihnen da selbst di*er engagierteste Lehrer*in nicht entgegen kommen. Und mit Geschichte? Nun, da ist der Lehrplan einfach scheiße.
Unser Schulsystem, wie es im Moment ist, ist leider durch und durch klassistisch (und nebenbei mit einer guten Spur Rassismus ausgestattet). Das fängt mit der Einteilung in die Schulzweige an, geht auch mit den Benotungssystemen weiter (Kinder die bekannterweise aus sozial schwächeren Familien kommen, werden allein durch unbewussten Bias häufiger schlechter bewertet - und haben nebenbei oft weniger Möglichkeiten zuhause in Rue zu lernen). Es zielt außerdem nur auf einen sehr bestimmten Lerntyp ab und lässt alle anderen effektiv außen vor. Außerdem ist das ganze System eben nicht auf Verständnis ausgelegt. Was helfen würde, wären kleinere Klassen, aber letzten Endes müsste eigentlich das komplette System überarbeitet werden - auch dahingehend wie Unterrricht aussieht. Aber das würde kosten und eine Menge umdenken erfordern. Deswegen passiert es nicht. Es gibt genug Forschung dazu, wie man das System Schule verbessern könnte - aber umgesetzt wird es nun einmal nicht.
Ach ja, und ich halte es absolut für unsinnig die meisten behinderten Kinder auf "Sonderschulen" zu schicken. Es gibt Ausnahmefälle, wo es eventuell nötig ist (die Kinder, die nicht selbstständig irgendetwas tun können oder gar nicht aufnahme- oder kommunikationsfähig sind), aber ich finde es einfach nur bitter, dass Schüler*innen, die einfach nur Seh- oder Hörschwächen haben oder im Rollstuhl sitzen etc. auf Sonderschulen geschickt werden, wo ihnen halt häufig die Möglichkeit komplett verwerht wird irgendeinen vernünftigen Abschluss zu erhalten oder gar zu studieren.