Das falsche Mordopfer - Bruder Cadfael x Detektiv Conan

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  • Das falsche Mordopfer
    Bruder Cadfael x Detektiv Conan




    Klappentext
    Im September 1139 bekommt das Benediktinerkloster in Shrewsbury Besuch von Personen, die eigentlich gar nicht ins zwölfte Jahrhundert hinein gehören: Detektiv Conan, die Detective Boys und Professor Agasa haben sich verfahren und benötigen für ihre Heimreise die Hilfe der Mönche. Als dann ein anderer Gast der Abtei spurlos verschwindet, behautet dessen Vater, Professor Agasa hätte ihn ermordet. Die Detective Boys wollen das nicht wahrhaben, und auch Bruder Cadfael ist skeptisch. Unabhängig von einander fangen sie an, nach dem verschwunden Gast zu suchen. Der Gesuchte bleibt erst einmal verschwunden, dafür entdecken Genta, Mitsuhiko und Ayumi die Leiche einer jungen Frau. Gibt es zwischen diesen beiden Fällen einen Zusammenhang? Und können der Mönch und die Kinder die beiden Fälle gemeinsam auflösen?


    Vorwort
    Eigentlich sollte diese Fanfiction eine Abgabe zu einem der Wettbewerbe im Fanfictionwettbewerbsbereich werden. Als dort nämlich das Thema „Crossover“ an der Reihe war, hat es mich irgendwie unter den Fingern gejuckt. Natürlich hätte ich versuchen können, ein zunächst einmal unabhängig erscheinendes Kapitel aus meiner anderen Fanfiction einzureichen, aber das wollte ich nicht - denn dafür hätte ich entweder die Geschichte oder die Regeln des Wettbewerbes zurecht biegen müssen. In dem Crossover zwischen Harry Potter und dem Herrn der Ringe hatte ich es bisher nämlich weitgehend vermieden, die aus den Büchern bekannten Personen zu steuern und mir die Hauptpersonen der Geschichte bewusst selbst ausgedacht.
    __Als ich dann über mögliche andere Themen nachdachte, kam mir recht bald die Idee, ein Crossover zwischen der mittelalterlichen Krimireihe rund um Bruder Cadfael und der Manga- und Animeserie Detektiv Conan zu schreiben. Weil es in beiden Serien darum geht, dass Kriminalfälle gelöst werden müssen, sollten die beteiligten Personen natürlich gemeinschaftlich einen Fall lösen. Nachdem ich mir im Kopf einen groben Handlungsfaden zurecht gelegt hatte, begann ich damit, den Anfang der Geschichte in Worte zu fassen. Recht schnell merkte ich jedoch, dass für die komplette Geschichte weder die Wortbegrenzung von 1500 Wörtern noch die zur Verfügung stehende Zeit ausreichen würden.
    __Statt die Geschichte stark zusammen zu kürzen und vieles weg zu lassen, was meiner Meinung nach die Komplexität der von Bruder Cadfael bearbeiteten Fälle ausmacht, habe ich beschlossen, die Teilnahme an dem Wettbewerb auszulassen und statt dessen eine besser ausgefeilte und auch ausführlichere Version des ursprünglich geplanten Crossovers als zweite richtige Fanfiction zu schreiben.

    Feuerdrache, Juni 2013



    Informationen für Leser, die die zu Grunde liegenden Werke nicht kennen
    Für Leser, die eine der beiden am Crossover beteiligten Serien nicht kennen, möchte ich die beiden Werke einmal kurz vorstellen. Normalerweise denke ich zwar, dass der Leser die Informationen lieber in der Geschichte selbst erfahren soll, und ich werde die Aspekte, die für meine Fanfiction relevant sind, auch in den ersten Kapiteln mit in die Geschichte einbauen. Ein paar grundlegende Informationen vorweg können aber denke ich dennoch nicht schaden:
    __Die Kriminalromane rund um Bruder Cadfael spielen im zwölften Jahrhundert. Bruder Cadfael ist ein Mönch, der erst spät ins Kloster eingetreten ist und davor viel unterwegs war - unter Anderen bei einem Kreuzzug, als Seefahrer auf dem Mittelmeer und als normaler Söldner bei kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem europäischen Festland. Zwanzig Jahre nach seinem Beitritt zur Abtei wird er einige Male mehr oder weniger zufällig in Kriminalfälle hineingezogen, die sich meistens in der Nähe der Benediktinerabtei von St. Peter und St. Paul in Shrewsbury abspielen. Bei dem Lösen dieser Fälle geht er - anders als seine Zeitgenossen - mit Logik an die Sache dran und hinterfragt auch die Aussagen seiner Mitmenschen. Dabei kommt ihm zugute, dass er seine Zeitgenossen durch sein vor dem Beitritt ins Kloster erworbenen Wissen gut einschätzen kann. Bei den meisten Fällen geht es ihm nicht darum, den Täter einer gerechten Strafe zuzuführen, sondern die Unschuld eines von der Allgemeinheit fälschlich Verdächtigten zu beweisen.
    __Die Mangaserie Detektiv Conan handelt von Shinichi Kudo, einem Schülerdetektiv, der zwei schwarz gekleidete Personen bei einem verdächtigen Deal beobachtet und dabei dummerweise einen dritten Kollegen übersehen hat. Dieser hat sich von hinten angeschlichen, den Jungen überwältigt und ihm dann ein Gift verabreicht. Statt zu sterben ist der Oberschüler allerdings nur in einen kleinen Grundschüler geschrumpft. Auf Anraten von Professor Agasa, seinem Nachbarn, verheimlicht er nun seine wahre Identität und lebt fortan als Conan Edogawa bei seiner besten Freundin Ran Mori und ihrem Vater, einem bislang erfolglosen Privatdetektiv. Natürlich muss er jetzt auch wieder zur Grundschule gehen, und ein paar seiner neuen Mitschüler haben mit ihm zusammen einen Club von Schülerdetektiven gegründet, die so genannten Detective Boys. Im Laufe der Serie passieren nun eine Reihe von Mordfällen, die Conan erfolgreich löst, wobei er es meistens so aussehen lässt, als ob Rans Vater die Fälle gelöst hätte.


    Copyright
    Die mittelalterliche Welt rund um Bruder Cadfael und die daraus stammenden Personen und Begriffe stammen aus der Romanreihe rund um Bruder Cadfael und sind entweder allgemeines historisches Wissen oder unterliegen dem Copyright von Edith Mary Pargeter alias Ellis Peters. Die Detective Boys und die zu ihrer Welt gehörenden Personen und Begriffe stammen aus dem Manga Detektiv Conan von Gosho Aoyama oder aus der auf diesen aufbauenden, gleichnamigen Animeserie (Copyright TMS Entertainment). Die Idee für dieses Crossover und die Fanfiction selbst stammen aus meiner Feder. Auch das im Startpost enthaltene Bild habe ich selber gezeichnet - wobei ich mich bei den Köpfen der Kinder an Abbildungen aus den Mangabänden „Detektiv Conan vs. Kaito Kid“ und „Detektiv Conan - Special Black Edition“ orientiert habe. Ich bitte euch, nichts aus dieser Fanfiction zu kopieren.


    Inhaltsverzeichnis
    1. Eine ungewöhnliche Begegnung
    2. Die Unterkunft im Gästehaus
    3. Der verschwundene Gast
    4. Unter Verdacht
    5. Kirchenasyl
    6. Der kleine Detektiv
    7. Cedric
    8. Die Leiche
    9. Leichenschau
    10. Hochzeitspläne
    11. Die ertränkte Strohpuppe
    12. Das Geständnis
    13. Bruder Oswin
    14. Sheriff Prestcottes Schlussfolgerung
    15. Auf der Suche nach Nouel
    16. Eingesperrt und allein gelassen
    17. Die Befreiungsaktion
    18. Feldarbeit
    19. Eine Reihe von Missverständnissen


    Benachrichtigungsliste
    Zur Zeit ist die Benachrichtigungsliste noch leer. Falls ihr gerne über neue Kapitel informiert werden möchtet, schreibt mir einfach eine PN oder erwähnt es in einem Kommentar zu der Fanfiction.

  • KAPITEL 1
    Eine ungewöhnliche Begegnung


    An einem Samstag Nachmittag im September 1139 war Bruder Cadfael im Kräutergarten unterwegs, um ein paar Kräuter zu ernten und daraus einige Heilmittel zu kochen, deren Bestand in den letzten Wochen abgenommen hatte. Tatsächlich konnte der Kräutergarten der Benediktinerabtei von St. Peter und St. Paul an Schönheit, aber auch in der Vielfalt der angebauten Kräuter im weiteren Umkreis seines Gleichen suchen - falls es im ganzen Land überhaupt einen Kräutergarten gab, der mit dem der Abtei mithalten konnte. Seit Cadfael vor siebzehn Jahren die Verantwortung dafür übernommen hatte, hatte er hier einige Kräuter angepflanzt, die er bei dem Kreuzzug oder in den Jahren, die er danach im Mittelmeerraum geblieben war, kennen gelernt hatte. Von dort hatte er auch ein umfangreiches Wissen mitgebracht, wie man aus diesen Kräutern Arzneien und heilsame Tinkturen herstellen konnte - und das war wohl auch mit ein Grund dafür, warum nicht nur die Brüder aus der Abtei, sondern auch viele Leute aus der Stadt Shrewsbury bei der Behandlung von Krankheiten seine Hilfe schätzten.
    __Leider hatte sich sein bisheriger Assistent bei der Gartenarbeit - aber auch bei der Behandlung von Krankheiten - entschlossen, sich ein Jahr lang im Hospiz St. Giles um die Leprakranken zu kümmern. Wahrscheinlich würde Abt Radulfus ihm als Ausgleich demnächst einen jungen Novizen zur Seite stellen, aber im Moment musste er sich alleine darum kümmern, dass im Kräutergarten, aber auch in der Werkstatt alles in Ordnung war. Nachdem er für die Heilmittel die benötigten Kräuter eingesammelt hatte, ging er in seine Werkstatt und entfachte unter einem der Tontöpfe ein Feuer.
    __Viel weiter kam er mit dem Kochen der Heilmittel jedoch nicht, denn in diesem Moment betrat Bruder Albin die Werkstatt und sprach ihn an: „Ich habe hier jemanden, der deine Hilfe braucht.“
    __Neben ihm stand ein etwa sieben Jahre alter, auffallend ungewöhnlich gekleideter Junge: Statt Beinlingen trug er ein graues Kleidungsstück, bei dessen Herstellung man wohl zwei Beinlinge knapp oberhalb der Knie gekürzt, dafür aber oben herum etwas Stoff hinzu gefügt hatte, um diese zu einem Kleidungsstück zusammen zu nähen. Am Oberkörper trug er ein weißes Hemd, welches er auf Gürtelhöhe in die zusammen genähten Beinlinge hinein gestopft hatte. Über dem Hemd trug er ein blaues Kleidungsstück, welches man vielleicht als eine Cotte bezeichnen konnte, die man vorne aufgeschnitten hatte. Auch diese war kürzer als gewöhnlich und reichte dem Jungen nur bis zum Gesäß. Dort, wo das Hemd oben beim Hals aufhörte, konnte man noch ein rotes, quer liegendes Etwas erkennen, und auch die rot-weiß gemusterten Schuhe sahen irgendwie ungewöhnlich aus. Auf seiner Nase trug der Junge schließlich noch zwei kleine, runde Fensterscheiben, die mit irgend einem Gestänge an ihrer Position gehalten wurden, und unter seinem Arm hielt er ein Brett mit Rollen daran, bei dem sich Cadfael nicht vorstellen konnte, wozu es gut sein sollte.
    __„Was kann ich für dich tun, Kleiner?“, fragte er.
    __„Ich bin mit ein paar Kameraden und einem älteren Mann unterwegs, und unser Auto ist ein paar Kilometer von hier entfernt im Schlamm stecken geblieben“, erklärte der Junge. „Wir brauchen einen Arzt, weil der Professor sich irgendwo angesteckt hat.“
    __Obwohl Cadfael vor seinem Eintritt in das Kloster weit herum gekommen war, konnte er mit den Begriffen „Kilometer“ und „Auto“ nichts anfangen, außer vielleicht, dass ersteres irgend eine Entfernungsangabe sein musste. Aber das war jetzt nicht so wichtig, denn dem letzten Satz konnte er entnehmen, dass einer der Reisegefährten des Jungen seine medizinischen Kenntnisse brauchte. „Ein paar Kilometer?“, fragte er. „Wie weit ist das?“
    __Der Junge guckte etwas überrascht, schien kurz zu überlegen und antwortete dann: „Zu Fuß würden Sie vielleicht eine Stunde brauchen.“
    __„Eine Stunde zu Fuß, also so zwischen zweieinhalb und vier Meilen“, überlegte Cadfael und wandte sich kurz entschlossen an Bruder Albin: „Bei der Entfernung sollte ich vielleicht lieber einen Maulesel nehmen. Kannst du dich darum kümmern?“
    __Nachdem der Angesprochene sich auf den Weg gemacht hatte, löschte Cadfael das Feuer unter dem Tontopf, nahm vom Regal ein paar Flaschen mit Heilmitteln, die er vielleicht brauchen würde und ging dann zusammen mit dem Jungen zum Eingang der Abtei. Nachdem Bruder Albin den Maulesel gebracht hatte, stiegen der alte Mönch und der kleine Junge auf und machten sich auf den Weg.


    Schon bald konnte Cadfael ein Gerät erkennen, welches der Junge wahrscheinlich gemeint hatte, als er von einem Auto gesprochen hatte: Mitten auf dem Weg stand etwas, was von der Form her einem riesengroßen Marienkäfer ähnelte. Das gelbe Gerät hatte etwa die Größe eines Pferdewagens, an den Seiten gab es Türen, durch die man es betreten konnte, und durch reichlich vorhandene Fenster konnte man hinein - oder vom Inneren nach draußen - gucken. Beim Näherkommen bemerkte Cadfael, dass dieser riesige Käfer keine Füße, sondern statt dessen Räder hatte und dass sich im Inneren Sitze befanden, auf denen die Reisegefährten des Jungen Platz genommen hatten. Was ihre Kleidung anging, konnte man deutlich sehen, dass sie zusammen gehörten, denn der etwa fünfzig Jahre alte Mann und die anderen Kinder waren genauso seltsam gekleidet wie der Junge, der zur Abtei gekommen war und nach einem Arzt gefragt hatte.
    __Als sie bei dem großen Käfer angekommen waren, sprang der Junge vom Maulesel ab, ging zu einer der Türen und öffnete sie. „Ich habe einen Mönch geholt, der sich wohl mit Krankheiten auszukennen scheint“, berichtete er.
    __„Ein Mönch?“, fragte ein neben dem alten Mann sitzendes Mädchen mit rotblonden Haaren. „Warum nicht einen richtigen Arzt?“
    __„Das Kloster und einige bei dessen Eingang stehende Wohnhäuser waren die ersten Gebäude, an denen ich vorbei gekommen bin. Ich habe mich bei einem der Häuser nach einem Arzt erkundigt, und der dort lebende Mann hat gemeint, dass sich hier in der Gegend kaum jemand so gut mit Krankheiten und Heilmitteln auskennt wie Bruder Cadfael. Also bin ich zum Kloster gelaufen und habe dort nach ihm gefragt.“
    __„Soll ich aussteigen?“, hustete der Mann, neben dem der Junge die Tür geöffnet hatte.
    __Der Junge trat zur Seite, und Cadfael warf einen Blick in den im Käfer vorhandenen Platz. Viel Platz gab es darin wirklich nicht, denn vor dem Patienten befand sich ein seltsames Rad, welches im Inneren des Käfers doch gar keine Funktion haben mochte und auch von den Maßen nicht zu den deutlich dickeren Rädern passte, auf denen das Gerät stand.
    __Bevor er jedoch etwas sagen konnte, mischte sich das Mädchen von eben wieder ein. „Bitte warten Sie noch“, sagte sie und griff über den Mann hinweg zu einem Hebel - worauf sich die Rückenlehne des Patienten nach hinten neigte und etwas mehr Platz entstand. „So könnte es doch gehen?“
    __„Nun ja“, antwortete Cadfael. Es wäre ihm zwar immer noch lieber, wenn sein Patient aussteigen würde, aber er wollte ihm auch nicht zumuten, sich bei diesem Wetter im Freien auf den Boden zu legen. „Ich denke, es wird gehen“, entschied er schließlich, beugte sich in den Käfer hinein und begann, den Patienten zu untersuchen. Als er damit fertig war, sagte er: „Sie haben eine starke Erkältung. Ich kann Ihnen ein Mittel zur Stärkung geben, aber was Sie ganz dringen brauchen, ist Bettruhe.“
    __„Bettruhe? Wo sollen wir denn hier in der Gegend ein Bett finden?“, fragte das Mädchen mit den rotblonden Haaren.
    __Cadfael überlegte kurz. Die Reisenden stammten offensichtlich nicht aus der Gegend, und so, wie das Mädchen fragte, bezweifelte er, dass sie für die kommende Nacht schon eine Unterkunft hatten. „Ihr könntet einige Tage im Gästehaus der Abtei bleiben. Dann kann ich auch ab und zu mal vorbei schauen und den Verlauf der Krankheit überprüfen.“ Er wandte sich nun direkt an den Patienten: „Wenn Sie sich auf den Maulesel setzen, brauchen Sie auch nicht bis dahin zu laufen.“
    __Aber bevor dieser aussteigen konnte, meldete sich der Junge mit den runden Fensterscheiben vor seinen Augen wieder zu Wort: „Ich denke, wir sollten lieber unser Auto mit dem Maulesel aus dem Schlamm ziehen. Damit das Tier es leichter hat, sollten wir aber alle erst einmal aussteigen, bis auf den Professor, der sich auf den Beifahrersitz setzt und vielleicht mich, um das Auto zu lenken. Sobald die Reifen wieder etwas festeren Boden unter sich haben, kann ich dann den Motor starten und zur Abtei fahren.“
    __Cadfael hatte keine Ahnung, was der Junge damit sagen wollte, aber der Vorschlag, den Maulesel zu benutzen, um den seltsamen Käfer zu ziehen, war auch nicht schlecht.
    __Nachdem die andren Kinder - vom Aussehen her etwa im gleichen Alter wie der Junge - ausgestiegen waren, ergriff der Junge mit den Brillengläsern noch einmal das Wort: „Wenn wir ein paar Tage im Kloster bleiben, sollten wir uns vielleicht einmal vorstellen.“ Er deutete nacheinander auf das Mädchen mit den rotblonden Haaren, einen etwas größeren Jungen, ein anderes Mädchen mit schwarzen Haaren und einen recht dicken Jungen und sagte dazu: „Das sind Ai Haibara, Mitsuhiko Tsuburaya, Ayumi Yoshida und Genta Kojima. Mein Name ist Conan Edogawa, und im Auto sitzt noch Professor Agasa.“ Danach wandte er sich an seine Altersgefährten: „Das ist Bruder Cadfael, aber das habt ihr ja schon mitbekommen.“
    __Professor Agasa setzte sich auf einen anderen Sitz im Käfer, und dann nahm Conan hinter dem seltsamen Rad Platz. Damit er mitbekommen würde, was Bruder Cadfael und die anderen Kinder besprachen, kurbelte er die Fensterscheibe in seiner Tür herunter. Ai öffnete eine Klappe am Kopf des Käfers und räumte etwas rum, bis sie schließlich ein Seil gefunden hatte. Ein Ende davon befestigte sie am Käfer, das andere Ende am Geschirr des Maulesels. Der Mönch ließ das Tier voran laufen - und so setzte sich der Käfer auch in Bewegung. Als dieser kurz darauf anfing, ein seltsames, brummendes Geräusch zu erzeugen, zuckte Cadfael allerdings zusammen. „Was ist das für eine Höllenmaschine?!“, dachte er und bekreuzigte sich. Tatsächlich hätte er sich diesem Teil niemals so einfach genähert, wenn er nicht zuvor durch die seltsame Kleidung des Jungen schon an Ungewöhnliches heran geführt worden oder von der Krankheit des Mannes erfahren hätte.
    __„Was haben Sie denn?“, fragte Mitsuhiko. „Das ist doch ein ganz normales Motorengeräusch.“
    __„Das soll normal sein?“, stotterte Cadfael. Er hatte auf seinen Reisen zwar viel erlebt und war Unbekanntem gegenüber sicher viel toleranter eingestellt als einige seiner Mitbrüder, aber den Schreck, den das plötzlich auftönende Geräusch bei ihm erzeugt hatte, musste er erst einmal verarbeiten.
    __„Ganz normal für ein Auto“, behauptete Ai. „Oder kennen Sie etwa keine Autos? In welchem Jahrhundert leben Sie denn?“
    __„Im zwölften“, antwortete der Mönch. Irgendwie wurde das Gespräch immer merkwürdiger, und Cadfael fing langsam an zu bezweifeln, dass er das hier wirklich erlebte. Vielleicht war es ja auch nur ein schlechter Traum, oder die Reisenden waren von irgend einem bösen Dämon besessen, der sie dazu brachte, sich so seltsam zu benehmen. „In dem Fall sollte ich sie auf jeden Fall zur Abtei bringen, damit wir uns um ihr Seelenheil kümmern können“, dachte er sich.
    __Nach den verblüfften Gesichtern zu urteilen, schien seine schlagfertige Antwort allerdings irgendwie nicht das gewesen zu sein, was sie erwartet hatten. Die zwei Wörter schienen ihnen sogar die Sprache verschlagen zu haben, und so schwiegen sich der Mönch und die Kinder einige Zeit an bis irgendwann das Geräusch des Käfers erlosch, und Conan seinen Kopf zum Fenster raus streckte und sich zu Wort meldete: „Wenn Sie wirklich im zwölften Jahrhundert leben, dann muss ich Ihnen mitteilen, dass wir ...“ Er zögerte etwas. „... aus der Zukunft kommen. Natürlich kennen Sie kein Auto, aber da, wo wir her kommen, sind solche Fahrzeuge ganz normal.“
    __Aus der Zukunft? Cadfael war sich überhaupt nicht sicher, was er davon halten sollte. Aber das war jetzt nicht so wichtig. Professor Agasa brauchte für seine Genesung auf jeden Fall ein paar Tage Ruhe, und vielleicht brauchten auch die Kinder für ihr Seelenheil die Hilfe der Mönche. Auf jeden Fall musste er sie also erst einmal zur Abtei bringen, und dort konnte man weiter sehen.
    __Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als Conan noch etwas hinzu fügte: „Wenn wir unterwegs auf Ihre Zeitgenossen Rücksicht nehmen wollen, sollten wir den Motor des Autos nicht mehr anmachen. Schafft es der Maulesel, den Wagen bis zum Kloster zu ziehen?“
    __„Ich denke doch, dass er das schaffen müsste“, antwortete Cadfael. Er ließ das Tier erneut los laufen, und so machte sich die ungewöhnliche Gruppe auf dem Weg.


    Unterwegs machte sich der Mönch Gedanken darüber, wie man Professor Agasa und die Kinder am sinnvollsten unterbringen könnte. In dem allgemeinen Schlafsaal des Gästehauses konnte sich jeder Wanderer einquartieren. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass es nicht gut ausgehen würde, wenn die anderen Gelegenheitsgäste auf diese ungewöhnlichen Reisenden treffen würden. Den Professor konnte man sicherlich für ein paar Tage in der Krankenstation des Klosters unterbringen - aber das hielt Cadfael nicht für notwendig, und außerdem war er sich nicht sicher, ob die Kinder nicht lieber bei ihm bleiben wollten, und für alle war dort nicht genügend Platz. In dem für die Mönche vorbehaltenen Teil des Klosters würden sie zwar nicht auf die anderen im Gästehaus wohnenden Gäste treffen, aber der war eigentlich nicht für normale Gäste gedacht. Natürlich konnte Abt Radulfus ihnen eine Sondergenehmigung geben, aber weil sie dort das normale Klosterleben durcheinander bringen würden bezweifelte er, dass der Abt das tatsächlich machen würde. Vielleicht war es tatsächlich am sinnvollsten, wenn er dafür sorgte, dass die Reisenden in einer der separaten Wohnungen des Gästehauses unterkommen würden. Sobald sie also bei der Abtei angekommen waren, bat er sie also, einmal kurz zu warten und suchte dann den Leiter des Gästehauses, um mit ihm zu besprechen, in welche Wohnung Professor Agasa und die Kinder einziehen sollten.

  • KAPITEL 2
    Die Unterkunft im Gästehaus


    Tatsächlich waren zwei der Kinder deutlich älter als man es ihnen ansah. Conan war in Wirklichkeit ein siebzehn Jahre alter Schülerdetektiv mit dem Namen „Shinichi Kudo“. Vor einigen Monaten hatte er zwei Männer in Schwarz bei einem verdächtigen Deal beobachtet, dabei aber leider einen dritten Mann übersehen. Dieser hatte sich von hinten angeschlichen, den Jungen überwältigt und ihm ein Gift eingeflößt. Anders als von den Männern in Schwarz erwartet, war Shinichi allerdings nicht daran gestorben, sondern zu einem etwa sieben Jahre alten Grundschüler geschrumpft. Auf Anraten von Professor Agasa nannte er sich seitdem Conan Edogawa, ging wieder zur Grundschule und verheimlichte seine Wahre Identität. Wenn die Männer in Schwarz irgendwann herausfinden sollten, dass er noch lebt, würden sie mit Sicherheit alles dran setzen, ihn und alle Personen, die ihm seit dem Vorfall geholfen haben, endgültig zu erledigen.
    __Recht bald nach seinem erneuten Eintritt in die Grundschule hatten ein paar seiner neuen Mitschüler die Detective Boys, einen Club von Schülerdetektiven, gegründet und ihn ungefragt zum Mitglied gemacht. Durch ihn machten sie Bekanntschaft mit Professor Agasa, der im Laufe der Zeit ein paar recht nützliche Spielsachen erfand - wie zum Beispiel einen in Conans roter Fliege versteckten Stimmenverzerrer und ein mit Solarzellen betriebenes Skateboard für Conan oder Anstecknadeln mit einem eingebauten Funkgerät und Armbanduhren mit einer Taschenlampen-Funktion für die Detective Boys.
    __Einige Zeit später war dann Ai Haibara neu in Conans Grundschulklasse gekommen und den Detective Boys beigetreten. Sie war ein ehemaliges Mitglied der Männer in Schwarz, und weil sie bei denen in Ungnade gefallen war und aussteigen wollte, hatte sie auch das Gift eingenommen und war ebenfalls zu einer Grundschülerin geschrumpft. Neben Conan, Ai und Professor Agasa kannten nur sehr wenige Personen die wahre Identität der beiden Geschrumpften. Genta, Mitsuhiko und Ayumi hatten auf jeden Fall keine Ahnung, dass ihre beiden Klassenkameraden deutlich älter waren als man es ihnen ansah.


    Dieses Wochenende hatten die Detective Boys eigentlich vor gehabt, zusammen mit Professor Agasa Zelten zu fahren. Weil Letzterer am Freitag jedoch noch irgendwo beschäftigt gewesen war, hatten sie sich erst am Samstag früh in den VW Käfer des Professors gesetzt, um sich auf den Weg zu machen. Recht schnell hatten sie die Stadt hinter sich gebracht, und einige Minuten später bogen sie von der Schnellstraße ab, um für die letzten paar Kilometer zum Zeltplatz einer einfachen Landstraße zu folgen. Kurz danach zogen auf einmal dunkle Gewitterwolken auf, und wenig später fielen auch schon die ersten Regentropfen, aus denen relativ bald ein heftiges Unwetter wurde. Parallel dazu wurde es rund zehn Grad kälter.
    __Nachdem sich das Gewitter verzogen hatte, mussten die Reisenden feststellen, dass sich in dem Unwetter auch der Zustand der Straße gravierend verschlechtert hatte: Statt auf einer asphaltierten Landstraße befanden sie sich auf einem unbefestigten Feldweg, und weil der Boden durch den Regen völlig durchnässt war, war das Auto in dem Schlamm stecken geblieben. Zunächst einmal versuchten sie gemeinsam, den VW Käfer irgendwie wieder frei zu bekommen, aber als Professor Agasa zu husten anfing, entschieden sie, dass sie von irgendwo Hilfe holen mussten. Conan machte sich also zu Fuß auf den Weg zum Zeltplatz, der ja nicht mehr weit entfernt sein konnte. Um auf dem Weg vielleicht etwas Zeit einsparen zu können, nahm er das Solarskateboard mit, aber wie er recht schnell heraus fand, waren die unbefestigten Wege dafür einfach nicht geeignet.
    __Anscheinend hatten sie sich aber irgendwie verfahren, denn der Weg führte gar nicht zum Zeltplatz, sondern zu der mittelalterlichen Stadt Shrewsbury, vor deren Tor sich die Benediktinerabtei befand. Nachdem der Junge sich nach einem Arzt erkundigt und dabei erfahren hatte, dass sich Bruder Cadfael gut mit der Behandlung von Krankheiten auskannte, brachte er den etwa sechzig Jahre alten Mönch zum im Auto wartenden Professor, und gemeinsam entschied man, dass die Reisenden ein paar Tage im Kloster verbringen sollten - wo sich der Professor von seiner Erkältung erholen konnte.


    Sobald sie bei der Abtei angekommen waren und den Hof betreten hatten, blieben sie erst einmal beim Pförtnerhaus stehen. Wenn man von hier aus auf den Klosterhof blickte, konnte man erkennen, dass dieser von mehreren Klostergebäuden, der Klostermauer und einem Bach begrenzt wurde: Links befanden sich die Kirche und weitere mit dem Kreuzgang verbundenen Gebäude. Hinter einem schmalen Durchgang stand ein zweistöckiges Haus, hinter dem der Bach hervor kam. Dieser führte in einem Bogen auf eine Wassermühle zu, welche zusammen mit einem weiteren Haus den Hof rechts begrenzte. Zur Straße hin verlief die Klostermauer, in deren Mitte sich das Pförtnerhaus befand. Der Haupteingang der Kirche befand sich außerhalb der Klostermauer, aber über den Kreuzgang konnte man wohl auch direkt vom Kloster aus das Gotteshaus betreten. Von seinem kurzen Abstecher in den Klostergarten wusste Conan noch, dass sich hinter dem Bach Felder, der Kräutergarten und die Werkstadt befanden, in der Bruder Cadfael wohl seine Heiltränke herstellte.
    __Der Mönch wandte sich nun an Professor Agasa und die Detective Boys: „Bitte wartet hier kurz. Ich werde einmal absprechen, wo ihr die nächsten Tage wohnen könnt.“ Danach verschwand er in einem der an den Kreuzgang angrenzenden Häuser.
    __Es dauerte nicht lange, bis Ayumi leicht verunsichert fragte: „Sind wir wirklich im zwölften Jahrhundert gelandet?“
    __Das war eine gute Frage, und der junge Schülerdetektiv hatte sich das auch schon gefragt. Normalerweise sollte man meinen, dass Zeitreisen nicht möglich sind. Vielleicht waren sie einfach nur in einem Themenpark gelandet, der das europäische Mittelalter zum Thema hatte, oder sie waren irgendwie in einer Gegend gelandet, in der demnächst Filmaufnahmen für einen im Mittelalter spielenden Film stattfinden sollten. Aber dafür waren die Reaktionen des Mönchs und der Personen, die Conan auf seinem Weg zum Kloster nach einem Arzt gefragt hatte, zu überzeugend gewesen. „Ich weiß es nicht“, erklärte er. „Aber die Leute hier scheinen tatsächlich der Meinung zu sein, im Mittelalter zu leben.“
    __„Keine Ahnung, ob das etwas aussagt, aber ich habe mit meinem Handy keinen Empfang“, mischte sich Ai in das Gespräch ein. Als Conan daraufhin sein Handy hervorholte und nachsah, bemerkte er, dass auch er keinen Empfang hatte, und anscheinend war das auch bei den Telefonen von Professor Agasa und den anderen Kindern der Fall. Entweder hatte man also den Themenpark in einem Funkloch gebaut, oder sie waren tatsächlich im Mittelalter gelandet. Aber egal, was nun wirklich der Fall war, bis der Professor wieder gesund war, saßen sie hier fest. „Ich denke, wir sollten zumindest nicht ausschließen, dass wir tatsächlich eine Zeitreise gemacht haben könnten“, erklärte der junge Detektiv. „Vielleicht ist es am sinnvollsten, wenn wir versuchen, uns an die Verhaltensweisen der Menschen im zwölften Jahrhundert anzupassen.“
    __„Du willst dich also so verhalten wie es ein Kind im Mittelalter getan hätte?“, wandte Ai ein. „Weißt du denn überhaupt, wie die Kinder sich damals verhalten haben?“
    __„Nein, ich meine nur, dass wir versuchen sollten, nicht mehr aufzufallen als nötig. Bis der Professor wieder gesund ist, sitzen wir hier nämlich fest, und wir haben schließlich mit unserer Ankunft schon für genug Aufregung gesorgt.“
    __Bevor sie sich lange weiter unterhalten konnten, trat ein anderer Mönch auf sie zu. „Was ist das denn!“, rief er in einem vorwurfsvollen Tonfall, wobei er auf den gelben VW Käfer deutete. „Wie kommt ihr dazu, so ein Gerät auf das Gelände der Abtei zu bringen?“ Er warf Professor Agasa und den Detective Boys einen abschätzigen Blick zu und fügte dann noch hinzu: „Und mit solch seltsamer Kleidung wagt ihr euch in eine Abtei! Ich kann euch nur empfehlen, dass ihr euch einmal ernsthaft Gedanken über euer Seelenheil macht.“ Bevor Professor Agasa oder eines der Kinder darauf etwas erwidern konnte, wandte er sich ab und lief schnurstracks wieder zurück in eines der Gebäude der Abtei.
    __Wenige Momente später kam Bruder Cadfael in Begleitung eines dritten Mönchs wieder zurück. „Das ist Bruder Dennis, der Verwalter unseres Gästehauses“, stellte er seinen Mitbruder vor. „Wie ich sehe, habt ihr gerade auch schon Bruder Jerome kennengelernt.“
    __„Kennenlernen ist vielleicht etwas zu viel gesagt“, hustete Professor Agasa. „Der hat uns nur zurecht gewiesen und gemeint, dass wir uns um unser Seelenheil kümmern sollen.“
    __„Das ist immer eine gute Idee“, pflichtete Bruder Cadfael der Aufforderung bei, bevor er zögernd mit einem leiseren Tonfall noch hinzu fügte: „Aber ihr solltet das nicht überbewerten. Mit eurer Kleidung seht ihr nicht gerade gottesfürchtig aus, und Bruder Jerome ist der Beichtvater der Novizen und Schreiber unseres Priors und als solcher darum besorgt, dass hier alles streng nach den Regeln läuft.“ Wieder mit normaler Lautstärke ergänzte er schließlich noch: „Ich denke, als erstes einmal sollten wir euch im Gästehaus unterbringen, danach könnt ihr immer noch zu den Gottesdiensten kommen, wenn ihr wollt.“


    Bruder Dennis führte den Professor und die Kinder zu dem vor dem Bach stehenden zweistöckigen Haus, dort gingen sie eine Treppe hoch, und dann deutete der Mönch auf zwei neben einander liegende Zimmer: „Für die nächsten Tage könnt ihr erst einmal in diesen beiden Zimmern wohnen“, erklärte er.
    __Die beiden Zimmer waren auf den ersten Blick zwar recht einfach eingerichtet, aber wenn man die Lebensverhältnisse im zwölften Jahrhundert beachtete, wohl doch für wohlhabendere Gäste gedacht: Neben einigen einfachen Betten gab es in jedem der Zimmer einen einfachen Holztisch, zwei Sitzbänke und zwei Truhen, in denen man sein Reisegepäck unterbringen konnte. Weil sich die Zimmer auf der Rückseite des Gästehauses befanden, hatte man aus dem Fenster zudem einen wunderschönen Blick auf den Klostergarten, ein paar dahinter liegende Felder und einen etwas weiter entfernten Wald.
    __Nachdem sich Professor Agasa auf eines der Betten gelegt hatte, ergriff Bruder Dennis erneut das Wort: „Falls ihr länger bleiben wollt, müssen wir euch in drei Wochen irgendwo anders unterbringen, denn dann werden die Räume für eine Hochzeitsgesellschaft benötigt.“
    __„Ich denke nicht, dass wir so lange bleiben werden“, sagte Conan. „Sobald der Professor sich erholt hat und die Reise überstehen kann, werden wir uns einen Weg nach Hause suchen.“
    __„Meinst du, dass wir den so einfach finden?“, wandte Ai ein. „Immerhin sind wir doch nur hier gelandet, weil wir uns verfahren haben.“
    __„Was? Müssen wir für immer hier bleiben, wenn wir den Weg nach Hause nicht mehr finden?“, fragte Ayumi.
    __„Wir wissen immerhin, aus welcher Richtung wir hier angekommen sind. Wenn wir zurück fahren, werden wir doch sicher irgendwo auf eine größere Straße treffen. Und wenn wir uns dort nach den Schildern orientieren, werden wir sicher irgendwie auch einen Weg nach Hause finden“, behauptete der junge Detektiv. Dabei bemühte er sich, für Ayumi, Genta und Mitsuhiko überzeugter zu klingen als er tatsächlich war.
    __Bevor eines der anderen Kinder das Thema weiter ausbreiten konnte, mischte sich Bruder Cadfael in das Gespräch ein: „Wo ihr gerade von ‚fahren‘ redet, wir sollten uns vielleicht um den Maulesel und um euer Gefährt kümmern. Beim Pförtnerhaus steht es einfach nur im Weg.“
    __Keiner der Anwesenden hatte etwas einzuwenden, und so gingen die beiden Mönche und die fünf Kinder wieder zum Pförtnerhaus und ließen den Maulesel das Auto wieder ein paar hundert Meter die Straße zurück ziehen bis sie zu einem Schuppen kamen. Obwohl dieser etwas abseits stand, gehörte er wohl auch zum Kloster. Nachdem sie den VW Käfer dort hinein geschoben hatten, verabschiedete sich Bruder Cadfael von den Kindern: „Ich kümmere mich jetzt noch um den Maulesel, und dann ist es auch gleich Zeit für die Vesper.“
    __„Vesper - was ist das?“, fragte Genta.
    __Die beiden Mönche guckten etwas überrascht, aber dann erklärte Bruder Dennis: „Das ist einer der Gottesdienste.“ Er schwieg kurz und fragte dann: „Ich nehme an, ihr könnt dann zum Beispiel auch mit ‚Prime‘ und ‚Komplet‘ nichts anfangen?“
    __„Nein“, sagten die Kinder wie aus einem Mund.
    __„Das sind neben der Morgenmesse und der Hauptmesse die anderen Gottesdienste, zu denen die Besucher des Klosters oft in die Kirche kommen. Die Prime ist morgens um sechs, die Morgenmesse um halb Acht, die Hauptmesse um neun, die Vesper beim Sonnenuntergang, und das Komplet beten wir um neun Uhr Abends. Ansonsten gibt es über den Tag verteilt noch ein paar weitere Zeiten, zu denen wir uns zum Gebet versammeln, aber die werden eher selten von Gästen besucht.“
    __„Was meint ihr, hättet ihr Lust, euch einmal einen Gottesdienst anzugucken?“, schlug Ai vor. Mit einem Blick auf die beiden Mönche fügte sie noch hinzu: „Wenn wir uns um ‚unser Seelenheil‘ kümmern sollen, wäre das doch sicher ein Anfang.“
    __Genta, Mitsuhiko und Ayumi waren sofort Feuer und Flamme für einen Gottesdienstbesuch, aber irgendwie hatte Conan den Eindruck, dass da wohl die Neugier auf etwas bisher Unbekanntes eine wesentliche Rolle spielte. „Ich sage kurz einmal Professor Agasa Bescheid, und dann komme ich auch zur Kirche“, merkte er kurz an und ging noch einmal zum Gästehaus.


    Als er den Flur im Gästehaus betrat, hörte er aus einem der nach vorne gerichteten Zimmer etwas lautere Stimmen. Offensichtlich stritten sich dort zwei Männer. Weil er sich zur Vesper nicht verspäten wollte, achtete er nicht auf den Inhalt der Unterhaltung, sondern ging kurz zu Professor Agasa und berichtete ihm kurz, dass die Detective Boys sich einen Gottesdienst ansehen würden. Auf dem Weg zur Kirche bekam er aber doch noch etwas mehr von der Auseinandersetzung mit: Als er gerade wieder den Flur betrat, riss ein etwa achtzehn Jahre alter Mann die Tür des anderen Zimmers auf und sagte zu seinem etwa zwanzig Jahre älteren Mitbewohner: „Du kannst mir viel vorschreiben, aber ich will mir die Hochzeit mit ihr nicht verbieten lassen!“ Anschließend stürmte er die Treppe herunter. Als Conan unten ankam, war der junge Mann bereits nicht mehr zu sehen.

  • Hài Feuerdrache!


    Ich weiß, es würde besser klingen wenn ich dir erzähle, ich hätte diese FF von alleine wiedergefunden, aber das wäre gelogen. Deswegen durfte die Feedbackkette für dich ihren Zweck erfüllen und leider hast du nur Gottgleiche Litschi abbekommen. Mach dir nichts draus, beim nächsten Mal vielleicht. :(
    Berlin Sans FB ist irgendwie klein. .__.


    Kapitel 2 - Die Unterkunft im Gästehaus


    Ich bin mit dem Detektiv-Conan-Fandom genauso wenig vertraut wie mit sämtlichen anderen Mangas (und Animes) und deswegen war ich zuerst etwas verwirrt, was der erste Teil dieses Kapitels eigentlich für einen Zweck erfüllen soll. Ich hab mich dann auf Wikipedia informiert und mit einem Schmunzeln festgestellt, dass ich dieselben Informationen auch aus dem Beginn hätte ziehen können, da es sich ja tatsächlich um ein Resümee der orginalen Vorgeschichte Conans handelt. Dafür bin ich dir wirklich dankbar, denn ohne deine Zusammenfassung stünde ich ganz schön auf dem Schlauch was das Grundwissen anbelangt und bevor man sich auf irgendwelche neuen Fusionen einlassen kann (Bruder Cadfael), sollte man zumindest eine leise Ahnung von den Figuren haben und was sie zu dem gemacht hat, der sie nun sind. Gefreut hat mich auf jeden Fall, dass hier sehr gewissenhaft das Plusquamperfekt durchgezogen wurde Hehehe, obwohl es ja eigentlich die Zukunft in dem Fall wäre x) und schön chronologisch vorgegangen wurde, wobei das auch gleich an meinen ersten Kritikpunkt anschließt: es ist einfach zu viel Information. Einige Details hätte man vielleicht unabgesondert von der Handlung in den darauffolgenden Dialog integrieren können, sodass dein Fandom etwas gründlicher eingearbeitet und die Einleitung kürzer wäre, denn die Puste braucht man noch für den zweiten Abschnitt, welcher ebenfalls die Funktion eines Reports einnimmt und deswegen auf den ein oder anderen langweilig wirken mag, weil man nunmal endlich Handlung haben will.
    Mir persönlich hat aber der Bericht, wie es zu alldem aus der Perspektive der Zeitreisenden gekommen ist, nochmal besser gefallen und du scheinst wirklich aufzublühen, sobald du selbst ein Geschenen entwickeln und auch erklären kannst. Leider schwebt auch dieser Absatz zwischen Erklärungsbedarf (Solarskateboard im Gewitter) und zu genauen und irrelevanten Details (Schnellstraße), was kein Fehler ist, es aber erschwert, klar und eindeutig einzuordnen. Was mir als Frage auch noch so in Gedanken schwebt, ist, ob es nun wirklich nötig war, das Geschehen aus Kapitel 1 noch einmal so ausführlich ins Gedächtnis zu rufen. Es ist eine nette Geste und man kann somit das zweite Kapitel auch vollkommen ohne Kenntnis des ersten lesen, aber bei einer so geringen Kapitelanzahl ist es wohl kaum vonnöten, so etwas anzubieten und du hast noch genügend Zeit, bis du an eine Zusammenfassung der bisherigen Kapite denken solltest. Interessierte Leser kommen da schon mit, haha.
    Auch wenn es etwas auf sich warten gelassen hat, war der Beginn der Handlung schön eingeleitet und schließt chronologisch ja auch genau an das vorherige Kapitel an, weshalb es mich umso mehr verwundert, dass du nicht gleich mit der Handlung begonnen hast. Gut, lassen wir die Geschichte ruhen.
    Die Architektur hast du sehr genau beschrieben, aber ich bezweifle, dass sich jemand das genauso gut merken kann wie du. Psychologisch gesehen wäre es cleverer, wenn man die verschiedenen Elemente noch mit Attributen versieht, denn ein "ruhiger Bach" bleibt besser im Gedächtnis als ein einfacher "Bach", dasselbe bei den Häusern. Wenn der Grundriss noch eine wichtige Rolle spielen wird, muss man eben den wichtigen Orten noch Merkmale geben, an denen sich der Leser orientieren kann. Das aber nur für den Fall, dass die Leser im weiteren Geschehen immer den Bauplan im Kopf haben sollten. Die Umgebungsbeschreibung gefällt mir trotzdem stilistisch irre gut, weil hier die Gegebenheiten des Ortes auf elegante Art mit den Charakteren verbunden wurden, so geht die Beschreibung aufgrund Conans eigener Erfahrung am Ende des Absatzes flüssig in die Handlung über.
    Auf das Misstrauen der Detective Boys will ich jetzt gar nicht weiter eingehen, da dies schon wichtiger Bestandteil des ersten Kapitels war und jetzt nur ein weiteres Mal - zu recht - aufgegriffen wurde, denn so einen Schreck überwindet man nicht in dreihundert Wörtern. Du hast die Verzweiflung aber effektiv genutzt und Conans kühlen und logisch ausgerichteten Kopf bewiesen und mir hat sein Vorschlag hat mich irgendwie zum Lachen gebracht, weil ich daran denken musste, dass viele Zeitreisegeschichten genau diesen Gedanken überspringen und die Charakteren dabei immer in die verschiedensten Fettnäpfchen treten.
    Keine Schuld tragen sie jedoch am Auftritt des Bruder Jerome, bei dem ich mich noch nicht getraut habe, mir einen ersten Eindruck von ihm zu erlauben. Natürlich lies ihn der Auftritt alles andere als sympathisch wirken, aber wenn man bedenkt, dass es sich im finsteren Mittelalter abspielt, hat er für einen damaligen Geistlichen extrem locker und freundlich auf das Auftreten der Freunde reagiert und sie nur kurz kritsiert. Deshalb weiß ich nicht, wie Bruder Jerome jetzt vom Charakter her zu beurteilen ist.
    Ansonsten kann ich zu der nachfolgenden Stelle nur anmerken, dass ich es toll finde, wie auch etwas Wissen über das Mittelalter mitgeliefert wird, also die Stellung der Kirche, die damaligen Wohnbedingungen und auch sonst, wie sich die Menschen in dieser Epoche zueinander verhalten haben.
    Ich hatte gehofft, dass wenigstens zum Ende hin noch ein bisschen mehr Handlung in den Vordergrund tritt, aber leider wurde ich da wieder etwas enttäuscht, da der Handlungsstrang erst wieder für den finalen Cliffhanger aufgenommen wird, welcher aber mein Interesse für Kapitel 3 durchaus wecken konnte. Ich bin nämlich gespannt, welche Rolle der Zölibat-Konflikt des jungen Mönchs noch in deinem Krimi einnehmen wird, da so etwas gerade im Mittelalter besonders spannend klingt und sicher noch mehrere überraschende Wendungen mit sich bringen könnte. Der Dialog bzw. die klare Aussage des jungen Mannes war leider sehr, sehr ungünstig eingebaut und wirkt dadurch, dass er so offensichtlich dargestellt wird, irgendwie zu gestellt. In diesem Fall wäre es natürlicher gewesen, wenn Conans Zufall, Zeuge dieses Gesprächs zu werden, eher überraschend gekommen wäre, also dass Conans Aufmerksamkeit sich erst durch eine plötzliche wörtliche Rede auf das Gespräch richtet. Dennoch hat das Ende sein Ziel erreicht und macht neugierig, gerade weil der Mann bereits so geheimnisvoll das Kloster verlassen hat und man nicht weiter aufgeklärt wird, was er jetzt vorhat und wie er mit dem angedeuteten Problem letztendlich umgehen will.

    [font=Berlin Sans FB][align=justify]Ich würde das Kapitel in erster Linie als "überzeugend" bezeichnen, weil ich sowohl Detektic Conan, als auch Bro Bruder Cadfael nicht wirklich genau kannte und mich die Geschichte trotzdem förmlich zum Lesen aufgefordert hat. Dein Schreibstil nimmt ein angenehmes Mittelmaß ein, ist also weder zu schlicht, noch zu überladen, bleibt aber dabei trotzdem niveauvoll und, was meine größte Befürchtung zu Beginn war, wird nie vorhersehbar. Du verwendest zur Darstellung von Emotionen zu recht nur wörtliche Reden, weil es ansonsten mit deinem kühlen Stil nicht ganz kompatibel wäre, ich vermute, dass du jenes schon selbst etwas gemerkt hast. Daher bin ich überzeugt, dass du stets das Beste aus deinem Können ziehst und es mittlerweile sehr gut kennst.^^
    Die Handlung in diesem Teil ist leider viel zu kurz gekommen. Es wurde kaum mehr Geschehen erläutert als im Kapitel davor und einen Großteil deines Textes machen Berichte und Erläuterungen aus, welche aber durchaus später noch wichtig für den Plot werden können. Ursprünglich hatte mir der Titel weniger gefallen, weil er auf mich einen etwas "platten" Eindruck macht, aber jetzt, wo ich das Kapitel bis zum Ende gelesen habe, finde ich, dass er gar nicht so schlecht ist, denn was in diesem Kapitel zentral passiert wird damit angedeutet. Ich denke für dieses Kapitel ist es noch okay, dass die Story kaum voranschreitet, aber für das nächste Kapitel würde ich ein paar Handlungsschritte mehr erwarten.


    Hoffe, du hast dir so etwas in der Art gewünscht. :)

  • KAPITEL 3
    Der verschwundene Gast


    Jeden Morgen versammelten sich die Mönche zwischen der Prime und der Morgenmesse im Kapitelsaal, um noch einmal ein Kapitel der heiligen Schrift zu lesen, die Aufgaben des jeweiligen Tages zu verteilen und möglicherweise noch ein paar aktuelle Themen anzusprechen - wie zum Beispiel, wenn Abt Radulfus die Bestrafungen für das Vergehen eines Bruders festlegen musste, wenn ein neues Mitglied im Kloster aufgenommen werden sollte oder wenn außerhalb der Abtei irgendwelche Dinge passierten, die vielleicht einen Einfluss auf das Leben der Mönche haben konnten. Weil in dieser Versammlung bis auf bei aktuellen Themen sowieso fast immer die gleichen Dinge besprochen wurden, hatte Bruder Cadfael sich angewöhnt, in der letzten Reihe einen halb hinter einer Säule versteckten Platz zu wählen, wo er weitgehend ungestört noch etwas dösen konnte. Er hatte sich die Fähigkeit angeeignet, mit einem halben Ohr den Gesprächen zu folgen, so dass er eine zufriedenstellende Antwort geben konnte, falls er während der Besprechung wider Erwarten doch einmal angesprochen werden sollte.
    __Am Morgen nachdem Professor Agasa und die Kinder im Kloster angekommen waren, gab es dann allerdings doch zwei aktuelle Themen, bei denen der für den Kräutergarten zuständige Mönch etwas genauer zuhörte. Zunächst einmal verkündete Abt Radulfus: „Wir haben einen Gast, den ich euch noch vorstellen will. Er heißt Rousel de Somme und ist hier, damit sein Sohn dessen zukünftige Frau kennen lernen kann.“
    __Er wollte schon zur Tür gehen und den Herrn de Somme hinein bitten als Bruder Jerome das Wort ergriff: „Einen Moment noch, ehrwürdiger Vater. Sollten wir vorher nicht vielleicht noch den Aufenthalt der Personen besprechen, von denen ich Ihnen gestern berichtet habe?“
    __„Ich wüsste nicht, was es im Bezug auf den alten Mann und die Kinder zu besprechen gibt“, antwortete der Abt.
    __„Wir könnten zum Beispiel besprechen, ob Personen, die eindeutig der Teufel her geschickt hat, sich überhaupt im Kloster aufhalten dürfen“, ergriff Prior Robert das Wort. „Sie haben doch gestern im Gespräch mit Bruder Jerome und mir gesagt, dass sie sich um die Angelegenheit kümmern wollen. Bis jetzt ist diesbezüglich noch nichts passiert.“
    __„Sind wir uns denn wirklich sicher, dass der Teufel sie her geschickt hat?“, wandte Radulfus ein. „Wenn sie statt dessen von einem Dämon besessen sind, dann dürfen wir sie nicht einfach abweisen, sondern müssen uns um ihr Seelenheil kümmern.“ Er zögerte kurz und wandte sich dann an Bruder Cadfael: „Du hast sie doch gestern kennen gelernt und den Mann behandelt. Wie würdest du - auch mit deiner Erfahrung des Lebens außerhalb des Klosters - ihn und die Kinder beurteilen?“
    __„Ich weiß nicht, ob sie von einem Dämon besessen sind oder nicht“, antwortete der Mönch. „Abgesehen von ihrem seltsamen Gefährt, ihrer ungewöhnlichen Kleidung und der Tatsache, dass sie den Tagesablauf im Kloster nicht kennen, haben sie auf mich eigentlich eher wie ganz normale Reisende gewirkt, die aus dem Ausland kommen und gerade eben unser Land betreten haben. Auf dem Kreuzzug habe ich in fremden Ländern auch Menschen kennen gelernt, die sich - wenn man sie ohne eine Reise hier nach Shrewsbury versetzen würde - auffällig verhalten würden.“ Er zögerte einmal kurz, während er sich noch einmal an die Einzelheiten der gestrigen Ereignisse zu erinnern versuchte und fügte schließlich noch hinzu: „Der Junge namens Conan hat zwar behauptet, dass sie aus der Zukunft kommen, aber ich kann wirklich nicht beurteilen, ob der Teufel ihm diesen Gedanken eingepflanzt hat, ob der Mann und die Kinder von einem Dämon besessen sind oder ob - um eine dritte Möglichkeit zu erwähnen - Gott ein Wunder vollzogen und sie tatsächlich aus der Zukunft hierher versetzt hat.“
    __„Ein Wunder?“, fragte Jerome. „Wieso sollte er so etwas machen?“
    __„Gottes Wege sind unergründlich“, versetzte der Abt, „und wenn das wirklich ein Wunder war, wird er schon seine Gründe haben. Ob wir diese erkennen können oder nicht spielt keine Rolle.“
    __„Auf jeden Fall sollten sie nicht so einfach in der Abtei herum laufen und von den Gebeten und der Arbeit ablenken dürfen“, gab Prior Robert zu bedenken.
    __„Das stimmt allerdings. Cadfael, soweit ich weiß, muss der Mann noch im Bett bleiben?“
    __„Ja, das stimmt. Ob er sich daran halten wird, kann ich allerdings nicht beurteilen.“
    __„Dann mach ab und zu einen Krankenbesuch bei ihm. Was die Kinder angeht, könntest du sie im Auge behalten, wenn du ihnen vorschlägst, dass sie dir im Kräutergarten oder bei dem Verarbeiten der Kräuter helfen. Oder sind die dafür noch zu klein?“
    __Die Kinder waren tatsächlich noch etwas zu jung, um dem für den Kräutergarten zuständigen Mönch dabei zu helfen, aus Kräutern Heilmittel für den Winter herzustellen. Auch bei der Arbeit im Kräutergarten würde er sich gut überlegen müssen, an welche Ecken Kinderhände am wenigsten kaputt machen konnten. Aber weil Conan mit der Herkunft aus der Zukunft irgendwie sein Interesse geweckt hatte, sagte er schließlich: „Nein, ich denke, wenn die Kinder einverstanden sind, wird mir schon eine Aufgabe für sie einfallen.“
    __Als daraufhin keiner mehr etwas erwiderte, ging Abt Radulfus zur Tür und holte einen etwa vierzig Jahre alten Mann mit rotblonden Haaren und auffallend reicher Kleidung in den Saal. Mit den Worten „Das ist Rousel de Somme“ stellte er ihn den Mönchen gegenüber vor. „Eigentlich ist er nach Shrewsbury gekommen, damit sein Sohn eine junge Frau kennen lernen kann, die er in ein paar Monaten heiraten soll. Aber der hat gestern bei der Vesper gefehlt und ist auch danach nicht mehr im Gästehaus aufgetaucht.“
    __Tatsächlich war es nicht ungewöhnlich, dass Eltern schon kurz nach der Geburt ihrer Kinder einen Ehepartner für diese suchten und zu gegebener Zeit alles nötige für die Hochzeit arrangierten. Meistens waren in solchen Fällen wirtschaftliche Interessen im Spiel, aber auch die gesellschaftliche Stellung des zukünftigen Ehepartners spielte eine wesentliche Rolle. Ob die beiden Kinder einander mochten, war dagegen in vielen Fällen nur eine Nebensache. Dass ein Junge die für ihn ausgesuchte Braut allerdings erst kurz vor der Hochzeit kennen lernen sollte, war alles andere als normal.
    __Auf ein Zeichen des Abtes ergriff der Gast das Wort: „Nouel ist siebzehn Jahre. Er ist etwas größer als ich und hat dunkelblonde Haare und haselnussbraune Augen. Gestern trug er eine dunkelblaue Cotte und weinrote Beinlinge, und hat einen ebenfalls dunkelblauen Umhang dabei.“ Er fügte noch ein paar weitere Details hinzu und fragte dann: „Habt ihr ihn zufällig irgendwo gesehen?“
    __Tatsächlich konnten sich ein paar der Mönche an den Jungen erinnern, aber keiner hatte ihn seit gestern Abend gesehen oder konnte sagen, wo er zu finden war. Immerhin versprach Abt Radulfus, dass die Brüder die Augen offen halten würden. „Zudem würde ich ihnen raten, die Sache auch mit Sheriff Gilbert Prestcotte zu besprechen“, schlug er außerdem vor. „Vielleicht ist Nouel ja in die Stadt gegangen, und dort ist der Sheriff sicher der beste Ansprechpartner.“
    __„Gut, werde ich machen.“
    __Danach beendete der Abt die Versammlung, und die Mönche gingen gemeinsam in die Kirche zur Morgenmesse.


    Der Gast schloss sich ihnen allerdings nicht an. Er erwartete im Laufe des Tages die Ankunft seiner Schwiegertochter in spe und ihrer Eltern, und vorher wollte er noch Abt Radulfus’ Vorschlag in die Tat umsetzen und mit dem Sheriff sprechen. Er verließ also die Abtei und überquerte mit Hilfe der aus Römerzeiten stammenden Steinbrücke den Severn. Direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses befand sich schon das Stadttor.
    __„Guten Morgen“, wurde er vom Torwächter begrüßt. „Sie sind recht früh unterwegs, und in einer für die Uhrzeit unüblichen Richtung. Darf ich fragen, woher Sie kommen und was Sie in der Stadt wollen?“
    __„Ich wohne derzeit im Gästehaus der Abtei und möchte mit dem Sheriff sprechen.“
    __Diese Antwort schien den Wächter zu überraschen. „Warum sprechen Sie nicht erst einmal mit dem Abt, wenn in der Abtei etwas nicht in Ordnung ist?“, fragte er.
    __„Nein, mit der Abtei selbst ist alles in Ordnung. Vielmehr ist mein Sohn seit gestern Abend verschwunden, und der Abt hat mir empfohlen, auch mit dem Sheriff darüber zu sprechen.“
    __„Ach so ist das.“
    __„Haben Sie den Jungen vielleicht zufällig gesehen?“, fragte de Somme kurz entschlossen und beschrieb ihn mit ein paar kurzen Sätzen.
    __„Tut mir Leid, ich hatte gestern frei, und heute ist er hier nicht vorbei gekommen. Ich könnte aber nachher meinen Kollegen fragen, der gestern hier die Wache übernommen hat.“ Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: „Sheriff Prestcotte sollte um diese Zeit eigentlich im Schloss anzutreffen sein.“ Er beschrieb kurz den Weg durch die Stadt und ließ de Somme dann das Stadttor passieren.


    Tatsächlich war die Stadt auf einem Hügel gebaut, um den der Fluss Severn in einer Schleife herum floss. Um zum Schloss zu gelangen, musste man allerdings nicht die steile Straße geradeaus in den Stadtkern nehmen, sondern man konnte sich rechts halten und über eine nicht ganz so steil ansteigende Straße zu der einzigen Stelle gehen, an der die Stadt nicht durch den Fluss geschützt war. Genau dort befand sich nämlich die als Befestigungsanlage errichtete Burg.
    __Als der Besucher hier angekommen war, erklärte er dem Schlosstorwächter sein Anliegen.
    __Dieser erklärte allerdings, dass der Sheriff gerade in einer anderen Angelegenheit in der Stadt unterwegs war. „Allerdings können Sie die Sache auch mit seinem Stellvertreter besprechen. Hugh Beringar wird zwar gegen Mittag in einer familiären Angelegenheit zu seinem Landsitz in Maesbury abreisen, aber vielleicht hat er ja auch ein paar Anregungen für Sie. Außerdem wird er auf jeden Fall vor seiner Abreise noch einmal mit dem Sheriff sprechen und kann Ihr Anliegen dabei weitergeben.“
    __De Somme war sich zwar nicht sicher, ob er einem Stellvertreter trauen konnte, aber ein weiteres Gespräch konnte seiner Sache wohl nicht schaden. Also ließ er sich von dem Wächter in das innere des Schlosses zu einem Besprechungsraum führen. Dort saß ein dunkelhaariger, schlanker, junger Edelmann - oder zumindest hielt de Somme ihn nach dem ersten Eindruck für einen solchen. Tatsächlich informierte der Wächter diesen kurz über die Angelegenheit und kehrte dann zum Tor zurück.
    __Der stellvertretende Sheriff musterte de Somme einige Zeit lang und ließ sich dann die Einzelheiten noch einmal in aller Ruhe beschreiben, wobei er sich die wichtigsten Angaben notierte. Zum Schluss fragte er: „Ist Nouel vorher schon einmal von zu Hause weg gelaufen?“
    __„Nein“, antwortete de Somme, „zumindest nicht über Nacht.“ Irgendwie war er sich nicht sicher, worauf sein Gesprächspartner hinaus wollte. Er wollte doch nur nach seinem Sohn suchen lassen, aber statt dessen versuchte dieser Stellvertreter, irgendwelche Fehler an dem Jungen zu finden.
    __Hugh Beringar schien mit der Antwort noch nicht zufrieden zu sein. „Ich vermute einmal, dass Sie keine Idee haben, wieso er verschwunden sein sollte oder wo er hin gegangen sein kann?“, fragte er noch einmal nach.
    __Irgend etwas an dieser Frage erinnerte den Mann an das kurze Streitgespräch gestern vor der Vesper. Tatsächlich war das das letzte Mal gewesen, dass er seinen Sohn gesehen hatte. Aber die kleine Auseinandersetzung konnte nicht der Grund sein, warum Nouel nicht wieder zu ihm zurück gekommen war. Außerdem war das eine interne Familienangelegenheit und hatte den stellvertretenden Sheriff nicht zu interessieren. „Nein, wenn er keinen Unfall hatte oder entführt oder überfallen worden ist, wüsste ich keinen Grund“, antwortete er deshalb.
    __„In Ordnung. Ich werde die Torwächter der Stadt beauftragen, nach dem Jungen Ausschau zu halten und die Händler in der Stadt entsprechend informieren. Alles weitere regelt dann der Sheriff. Ich nehme an, falls er weitere Fragen hat, findet er Sie die nächsten Tage im Gästehaus der Abtei?“
    __„Falls ich dort nicht anzutreffen bin, wird man dort zumindest wissen, wo ich mich aufhalte.“
    Bevor er sich von dem stellvertretenden Sheriff verabschieden konnte, klopfte jemand an der Tür, und ein Wächter betrat den Raum. Hugh betrachtete ihn kurz und fragte dann: „Sollten Sie nicht beim Stadttor sein? Ihre Schicht dort hat doch bereits angefangen.“
    __„Ich war pünktlich zum Dienstwechsel dort“, erklärte der Angesprochene. „Allerdings hat mein Kollege mir berichtet, dass vorhin ein Mann in die Stadt gekommen ist, dessen Sohn seit gestern Abend verschwunden ist.“
    __„Herr de Somme ist gerade genau deswegen in diesem Raum.“
    __„Ich weiß nicht, ob das etwas zu bedeuten hat, aber ich habe gestern Abend beobachtet, dass ein junger Mann mit einem merkwürdigen weißen Umhang von der Abtei gekommen ist und irgend etwas Größeres in den Fluss geworfen hat.“
    __De Somme brauchte gar nicht lange zu überlegen, um da einen Zusammenhang zu erkennen. „Natürlich hat das etwas zu bedeuten!“, rief er. „Der hat meinen Sohn ermordet und die Leiche in den Fluss geworfen!“
    __Aber Hugh Beringar ignorierte ihn. „Wann haben Sie diesen jungen Mann gesehen?“, fragte er den Wächter.
    __„Das war einige Zeit, nachdem die letzten Besucher der Vesper in die Stadt zurück gekehrt sind, aber noch lange, bevor die Glocken der Abtei zum Komplet geläutet haben.“
    __„Hören Sie?, jemand hat meinen Sohn ermordet!“, versuchte de Somme, sich bemerkbar zu machen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass für den stellvertretenden Sheriff das Wort eines Ehrenmannes überhaupt nichts Wert war. Er nahm sich daher vor, die Sache noch einmal mit dem Sheriff selbst zu besprechen. Der würde doch wohl hoffentlich die Prioritäten richtig setzen.
    __„Nun hören Sie mir einmal zu“, antwortete Hugh, wobei er de Somme ernsthaft ansah. „Solange wir nicht den Fluss abgesucht und heraus gefunden haben, ob der Unbekannte wirklich Ihren Sohn dort hinein geworfen hat, wissen wir nicht einmal, ob die beiden Sachen mit einander in Verbindung stehen. Es spricht im Moment zwar einiges dafür, aber ich werde keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, danach werden entweder Sheriff Prestcotte oder ich zur Abtei kommen und nach weiteren Zeugen suchen.“
    __Damit war das Gespräch wohl beendet. De Somme hätte zwar gerne noch auf den Sheriff gewartet und mit ihm über die Angelegenheit gesprochen, aber da er nicht wusste, wie lange dieser noch beschäftigt war, war es wohl besser erst einmal zur Abtei zurück zu kehren und erst einmal abzuwarten, was sich aus der Sache noch ergeben würde.

  • KAPITEL 4
    Unter Verdacht


    Professor Agasa hatte die Nacht über gut geschlafen. Ein paar Mal hatte er zwar die Glocken der Abteikirche wahrgenommen, aber weil die Kinder ihm erzählt hatten, dass die Mönche sich recht oft zu Gottesdiensten oder Gebeten versammelten, hatte er sich nicht darum gekümmert und einfach weiter geschlafen. Weil er sich gestern schon zur Zeit des Sonnenuntergangs ins Bett gelegt hatte, war er heute schon vergleichsweise früh aufgewacht, und auch die Detective Boys hatten in der für sie ungewohnten Umgebung nicht lange geschlafen. So kam es, dass sie um kurz nach acht alle versammelt waren, als Bruder Cadfael kurz an der Tür klopfte und dann in das Zimmer trat.
    __„Guten Morgen“, begrüßte der Professor ihn. „Sie kommen aber früh hier vorbei. Wollten Sie uns wecken?“
    __„Früh?“, antwortete der Mönch etwas überrascht. „Die Morgenmesse ist schon vorbei, und bevor ich noch etwas im Kräutergarten arbeite oder mich in meiner Werkstatt um die Heilmittel für den Winter kümmere, wollte ich einmal nachsehen, wie es Ihnen geht.“
    __„Ich fühle mich schon besser als gestern Abend. Anscheinend hat es mir gut getan, einmal früh ins Bett zu gehen. Meinen Sie, dass ich heute auch noch im Bett bleiben sollte?“
    __„Sie erwecken wirklich den Eindruck, als ob Sie sich schon gut erholt haben. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie trotzdem einmal untersuchen, dann wissen wir mehr.“
    __Professor Agasa hatte nichts gegen eine Untersuchung einzuwenden, wandte sich aber vorher noch einmal an die Kinder: „Dann sollte vielleicht einer von euch zum Auto laufen und das Proviant holen.“ Er zögerte kurz und wandte sich dann noch einmal an den Mönch: „Oder gibt es für uns als Gäste die Möglichkeit, innerhalb des Klosters ein Frühstück zu bekommen?“
    __„Die gibt es, aber das ist heute schon vorbei. Falls ihr mit Bruder Dennis nichts anders besprochen habt, könnt ihr normalerweise vor der Morgenmesse im Refektorium etwas bekommen.“
    __„Also holen wir doch das Proviant aus dem Auto?“, fragte Genta einmal nach.
    __„Wir sind hier in einem Kloster zu Gast“, gab Ai zu Bedenken. „Und wie Conan gestern gesagt hat, sollten wir versuchen, nicht mehr als nötig aufzufallen. Dazu gehört meiner Meinung auch, dass wir uns etwas an den Tagesablauf anpassen. Wenn wir das Frühstück verschlafen haben, können wir ruhig einmal fasten.“
    __„Es gibt nach der Sexte, also nach dem Gebet zur Mittagsstunde, noch das Mittagsessen und nach der Vesper noch ein leichtes Abendessen“, fügte Bruder Cadfael noch hinzu.
    __Danach begann er seine Untersuchung, und als er damit fertig war, verkündete er: „Ich denke, Sie brauchen heute nicht das Bett zu hüten. Aber Sie sollten Anstrengungen vermeiden.“
    __„Heißt das, dass wir uns gleich auf den Nach-Hause-Weg machen können?“, freute sich Ai. „Das würde uns ganz gut passen, denn morgen müssen wir wieder zur Schule.“
    __„Nein, ich denke, eine Reise wäre heute zu anstrengend.“ Er wandte sich erneut an den Professor: „Machen Sie es sich hier im Zimmer gemütlich oder ...“ Er zögerte etwas und sagte dann: „Falls Sie lieber nach draußen gehen und frische Luft genießen wollen, können Sie mit mir zum Kräutergarten kommen. Dann bin ich in der Nähe, falls Sie meine Hilfe brauchen.“
    __„Das klingt sinnvoll. So werden wir es machen“, antwortete Professor Agasa, wobei er sich allerdings nicht sicher war, was er in der Zwischenzeit mit den Kindern machen sollte. Irgendwie war er ja für sie verantwortlich. Auch der Mönch schien irgend etwas auf der Zunge liegen zu haben.
    __Aber bevor der Professor oder der Mönch irgend etwas sagen konnten, wandte sich Genta an die andern Kinder. „Was meint ihr, wollen wir in die Stadt gehen und uns dort etwas umsehen?“, schlug er vor.
    __Mitsuhiko und Ayumi waren sofort einverstanden, aber Ai hatte einen Einwand: „Das ist keine gute Idee. Abgesehen davon, dass ihr euch dort nicht auskennt und vielleicht nicht wieder zurück zum Kloster findet, würdet ihr mit eurer Kleidung auffallen wie ein bunter Hund. Wir hatten doch entschieden, dass wir vermeiden wollen, mehr als nötig aufzufallen.“
    __„Ich habe aber keine Lust, den ganzen Tag hier im Zimmer rum zu hocken, nur damit die Bewohner des Klosters und der Umgebung nichts von uns mit bekommen!“, maulte Genta.
    __„Was meinen Sie, könnten wir vielleicht auch mit in den Kräutergarten kommen?“, wandte sich Conan an Cadfael. „Falls uns zu langweilig wird und die Gartenarbeit für Kinder nicht zu anstrengend ist, könnten wir Ihnen ja vielleicht bei Ihren Aufgaben dort helfen.“
    __„Ich habe nichts dagegen“, antwortete der Mönch. „Wollt ihr jetzt gleich mitkommen oder nach der Hauptmesse nachkommen?“
    __Tatsächlich war sich der Professor nicht sicher, was er hierauf antworten wollte. Wenn Ai sich nicht so eindeutig gegen diese Möglichkeit ausgesprochen hätte, wäre er gerne noch etwas im Gästehaus geblieben, um als Frühstück etwas von dem Proviant aus dem Auto zu essen. Statt dessen gleich in den Kräutergarten mit zu kommen, hielt er auch für unbefriedigend. Weil sich auch die Kinder anscheinend nicht ganz sicher waren, schwiegen alle Anwesenden eine Weile lang, bis Ai schließlich eine Entscheidung traf: „Ich denke, es ist besser wenn wir jetzt schon mitkommen als wenn wir hier herum sitzen und einige von uns dem entgangenen Frühstück nachtrauern.“


    Also verließen der Mönch, der Professor und die Kinder gemeinsam das Gästehaus, überquerten den Mühlenbach und betraten den Kräutergarten. Hier ließ Bruder Cadfael es sich nicht nehmen, seine Gäste erst einmal herum zu führen und ihnen die vielen unterschiedlichen Kräuter zu zeigen, die er hier anbaute. Weil Professor Agasa sich nicht vorstellen konnte, dass es im europäischen Mittelalter schon eine solche Vielfalt an Kräutern gegeben hatte, fragte er nach einiger Zeit: „Sind das hier eigentlich alles heimische Kräuter?“
    __„Nein“, antwortete der Mönch. „Bevor ich ins Kloster eingetreten bin, war ich auf dem Kreuzzug und als Seefahrer unterwegs und habe von fremden Ländern Samen für die dort anzutreffenden Kräuter mitgebracht.“
    __Weil er nicht weiter auf seine Reisen oder auf die Kräuter einging, ergriff Ai das Wort: „Sind die Kräuter alle zum Würzen von Speisen da oder dienen einige von ihnen auch anderen Zwecken?“
    __„Nur einen Teil der Kräuter verwenden wir tatsächlich zum Würzen. Andere Kräuter verwende ich, um daraus Heilmittel zu kochen.“
    __Jetzt mischte sich Conan in das Gespräch ein: „Heilmittel wie zum Beispiel das Zeug, mit dem Sie gestern den Professor behandelt haben?“ Dabei warf er Ai einen kurzen Blick zu, so ob er sie damit darauf hinwisen wollte, dass sie daran auch gleich hätte denken können.
    __„Ganz genau“, antwortete der Mönch ohne auf den kurzen Blickwechsel zwischen den beiden Kindern einzugehen.
    __„Ich würde gerne einmal sehen, wie Sie aus den Kräutern ihre Heilmittel zusammenkochen“, bemerkte Ai.
    __„Ich werde später noch ein paar Heilmittel für den Winter kochen. Wenn du willst, kannst du ja dann zusehen.“
    __„Ayuni, Genta, Mitsuhiko!“, unterbrach Professor Agasa das Gespräch. „Was macht ihr da hinten?“ Die drei Angesprochenen hatten sich wohl nicht für das Gespräch interessiert und waren etwas voraus zu einer Stelle gelaufen, auf der die Kräuter mit etwas Weißem zugedeckt waren.
    __„Warum sind denn die Kräuter hier so unordentlich unter einem Tuch verborgen?“, erkundigte sich Ayumi als Antwort auf die Frage des Professors.
    __„Das Tuch gehört dort nicht hin“, antwortete Bruder Cadfael und begann etwas näher zu treten, um dieses aufzuheben.
    __Sobald man die Form davon erkennen konnte und Professor Agasa es widererkannte, rief er: „Aber das ist doch mein Laborkittel! Wie kommt der denn hier hin?“
    __Keiner der Anwesenden hatte eine Antwort auf diese Frage. Weil er seinen Kittel nicht die ganze Zeit in der Hand halten wollte, zog Professor Agasa den Kittel an. Danach wandte er sich an den Mönch: „Wollen wir dann mit der Arbeit anfangen?“
    __„Von mir aus gerne“, antwortete Bruder Cadfael und zeigte seinen Hilfskräften, wo sie zwischen den Kräutern Unkraut ausrupfen konnten. Als es Zeit für die Hauptmesse war, wollten der Professor und die Kinder im Kräutergarten bleiben und noch etwas weiter arbeiten, aber Bruder Cadfael bestand darauf, dass sie auch an der Messe teilnahmen.

    Etwa eine halbe Stunde, nachdem sie nach der Messe wieder in den Kräutergarten zurück gekommen waren, tauchte ein junger, gut aussehender Mann im Kräutergarten auf und kam direkt auf die versammelte Gruppe zu. Sobald er den Professor genauer betrachten konnte, murmelte er: „Das gibt es doch nicht! So ein Zufall, dass ich den ungewöhnlichen weißer Umhang gerade hier entdecke!“
    __Als der Mönch den Neuankömmling bemerkte, rief er: „Komm her Hugh. Ich habe zwar ein paar Gäste, die mir bei der Gartenarbeit helfen, aber wir können uns dennoch unterhalten.“ Danach stellte er den Fremden und die Gäste einander vor: „Das ist Hugh Beringar, der stellvertretende Sheriff von Shrewsbury und gleichzeitig ein ziemlich guter Freund von mir. Und das sind Professor Agasa und ein paar Kinder, die mit ihm zusammen in unsere Gegend gekommen sind und zur Zeit im Gästehaus wohnen, weil der Professor sich gesundheitlich etwas erholen muss.“
    __„Darf ich Sie fragen, wo Sie gestern Abend waren? Sagen wir mal so in der Zeit zwischen der Vesper und dem Komplet.“
    __„Ich habe im Bett gelegen und geschlafen“, antwortete der Professor.
    __„Kann das jemand bezeugen?“
    __„Ja, wir können das“, antwortete Conan, und die anderen Kinder stimmten zu. Trotzdem hatte Professor Agasa irgendwie das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Erst landete er zusammen mit den Kindern im Mittelalter und jetzt wurde er von dem stellvertretenden Sheriff nach einem Alibi gefragt. Versuchte hier irgend jemand ihm etwas anzuhängen? „Worum geht es überhaupt?“, fragte er deshalb einmal nach.
    __„Der Sohn von einem anderen Gast der Abtei ist seit gestern Abend verschwunden, und einer der Stadttorwächter hat zwischen der Vesper und dem Komplet jemanden mit einem ungewöhnlichen weißen Umhang beobachtet, der etwas Großes in den Fluss geworfen hat.“
    __„Was den Umhang angeht“, mischte sich Conan in das Gespräch ein, „kann es sich durchaus um den Kittel des Professors handeln. Allerdings hat ihn dann gestern Abend nicht der Professor getragen, sondern irgend jemand anderes.“
    __„Das musst du mir etwas genauer erklären“, fragte Hugh Beringar nach.
    __„Wir haben den Kittel - oder Umhang, wenn Ihnen das Wort geläufiger ist - heute früh hier im Kräutergarten gefunden. Ich vermute, dass ihn gestern Abend jemand während der Vesper entwendet hat, während der Professor schlief und wir Kinder uns die Vesper angesehen haben. Derjenige muss den Kittel als Tarnung benutzt haben, weil so ein Kleidungsstück hierzulande doch recht ungewöhnlich ist und die Aufmerksamkeit möglicher Beobachter so auf sich zieht. Diese achten dann nämlich nicht mehr so genau auf andere Eigenschaften der beobachteten Person - wie zum Beispiel Alter, Größe oder Haarfarbe.“
    __„Dass wir den Umhang heute morgen hier im Kräutergarten gefunden haben, kann ich bezeugen“, pflichtete Bruder Cadfael dem bei.
    __„Nach dem, was ihr mir erzählt habt, glaube ich euch“, bemerkte der stellvertretende Sheriff. „Aber so wie ich Gilbert Prestcotte kenne und nach dem Eindruck, den der Vater des Vermissten auf mich gemacht hat, denke ich nicht, dass die beiden euch die Geschichte abkaufen werden. Kinder zählen als Zeugen leider nicht, und den Umhang könnten Sie oder eines der Kinder auch selbst in den Kräutergarten gelegt haben.“
    __„Warum überzeugen Sie die beiden dann nicht oder übernehmen selbst den Fall?“, fragte Professor Agasa.
    __„Das geht leider nicht“, antwortete der Mönch. „Hughs Frau erwartet ein Kind, und um ihr den Trubel der Stadt zu ersparen, wohnt sie in seinem Landsitz im nördlichen Teil des Shire. Um näher bei ihr zu sein, wird Hugh demnächst Aufgaben im nördlichen Teil übernehmen.“ An Hugh gewandt fügte er noch hinzu: „Ich nehme an, du bist eigentlich her gekommen, um dich von mir zu verabschieden?“
    __„Teilweise, ja. Offiziell habe ich mich bereit erklärt, im Kloster schon einmal nach möglichen Zeugen zu suchen, während der Sheriff sich mit de Somme - also mit dem Vater des Verschwundenen - unterhält.“
    __Irgendwie war sich der Professor unsicher, was diese Aussagen zu bedeuten hatten. Um sich Klarheit zu verschaffen, fragte er: „Was heißt das jetzt? Werde ich jetzt verhört oder verhaftet? Oder soll ich den Kittel verstecken und erst wieder anziehen, wenn wir wieder in Tokio sind?“
    __Während Hugh auf diese Frage schwieg und auch der Mönch nicht sofort antwortete, mischte sich Conan erneut ein: „Den Kittel zu verstecken, kann auch nach hinten losgehen. Du hast ihn doch in der Hauptmesse getragen und bist dort von nicht wenigen Leuten gesehen worden. Wenn der Sheriff davon erfährt, wirkt es doch erst recht so, als hätten wir uns das Alibi und die Tatsache, dass wir ihn im Kräutergarten gefunden haben, nur ausgedacht.“
    __„Ich denke, da hast du Recht. Vielleicht ist es also besser, wenn ich mich freiwillig beim Sheriff melde und ihm die Geschichte von meinem Standpunkt aus beschreibe? Immerhin hat er ja nichts wirklich gegen mich in der Hand, und die Kinder sind Zeugen dafür, dass ich tatsächlich nicht derjenige bin, der gestern irgend etwas in den Fluss geworfen hat.“
    __„Der Sheriff würde Sie höchstwahrscheinlich festnehmen“, entgegnete Bruder Cadfael. „Kinder zählen als Zeugen nicht, und Sie sehen nicht nach einem Edelmann aus, also wäre Ihre Aussage weniger wert als die von de Somme. Hinzu kommt, dass Gilbert Prestcotte dazu neigt, die erste glaubwürdig erscheinende Möglichkeit zu akzeptieren.“
    __„Und was passiert mit mir, wenn ich verhaftet werde?“
    __„Wenn der verschwundene Sohn nicht wieder auftaucht und de Somme Sie als sein Mörder bezeichnet, wird in einer Gerichtsverhandlung entschieden, ob Sie tatsächlich der Mörder sind oder nicht. Falls das Gericht sich der Meinung von de Somme anschließt droht Ihnen die Todesstrafe.“
    __„Und Sie können sicher sein, dass das Gericht ebenfalls Kinder als minderwertige Zeugen und Edelleute als hochwertige Zeugen ansieht“, ergänzte Hugh Beringar.
    __„Immerhin lässt sich unser Sheriff mit ordentlichen Argumenten und dazu passenden Beweisen überzeugen“, merkte der Mönch abschließend noch an. „Das Problem ist, dass wir selber nicht wissen was hier abläuft und erst recht keine Beweise haben.“
    __Einige Zeit lang schwiegen die Anwesenden einander an, bevor Hugh schließlich doch noch das Wort ergriff: „Wenn euch einfach nur Zeit fehlt, um zu recherchieren und Beweise zu sammeln, gibt es vielleicht doch noch eine Möglichkeit.“ Danach beschrieb er kurz, was ihm gerade eingefallen war.

  • KAPITEL 5
    Kirchenasyl


    Nachdem Professor Agasa die Kirche betreten hatte, sah er sich erst einmal um. Bruder Cadfael und Hugh Beringar hatten ihm empfohlen, sich vor den Gemeindealtar zu knien und zu beten, aber weil er jetzt im Gegensatz zu seinem Besuch wärend der Messe alleine in dem großen Gebäude war, konnte er sich viel besser einen Überblick verschaffen.
    __Der westliche Teil der Kirche bestand aus einem großen Saal mit einer hohen, von Säulen getragenen Decke. Sitzbänke oder andere Möbelstücke gab es hier nicht, weil die Menschen des Mittelalters - wie er vorhin im Gottesdienst selbst erlebt hatte - kniend oder stehend an der Messe teilnahmen. Etwa in der Mitte des Kirchenraumes gab es den Gemeindealtar und dahinter befand sich der den Mönchen vorbehaltene Teil der Kirche. Hier gab es tatsächlich schon ein Chorgestühl. Dieses lässt sich vielleicht als einen Verbund von mehreren Sitzreihen bezeichnen, die entlang der nördlichen und der südlichen Wand so aufgestellt waren, dass man von den nördlichen Reihen nach Süden und von den südlichen Reihen nach Norden guckte. Die Sitze einer Reihe hatten jeweils eine gemeinsame Rücklehne, die gleichzeitig als Ablagefläche für Gesangbücher für die Mönche der Reihe dahinter diente. Armlehnen trennten die einzelnen Sitze von einander, und die Sitzflächen konnte man zum einfacheren Stehen oder zum Knien hoch klappen. Hinter dem Chorgestühl stand ganz am östlichen Ende der Kirche schließlich noch ein Hochaltar.
    __Irgendwie war ihm der Gemeindealtar nun aber doch zu gut einsehbar: Jeder, der den Raum betreten würde, würde ihn sofort sehen, und falls dieser Jemand zufällig der Sheriff oder der Vater des Verschwundenen war, würde er wohl tatsächlich verhaftet werden, ohne dass ihm der Abt helfen konnte. Also suchte er sich eine Seitenkapelle, wo irgend ein Altar zu irgend einem Heiligen aufgestellt war, kniete sich davor nieder und begann, ein einfaches Gebet zu murmeln.
    __Nach einigen Minuten hörte er, wie zwei Personen die Ostseite der Kirche betraten und dann zum Gemeindealtar liefen. Als sie kurz stehen blieben riskierte der Professor einen kurzen Blick und sah, dass es Bruder Cadfael in Begleitung eines zweiten Mönchs war. Cadfael sah sich einmal um und entdeckte ihn in der Seitenkapelle.
    __Sobald die beiden Mönche bei ihm angekommen waren, sagte der fremde Mönch: „Sie sind also besagter Professor Agasa.“
    __„Ja, das stimmt“, brachte der Professor heraus, während er aufstand, um seinen Gesprächspartner zu begrüßen.
    __„Ich bin Abt Radulfus“, stellte sich der Mönch vor. „Bruder Cadfael hat mir mitgeteilt, dass Sie gerne den Tagesablauf der Mönche näher kennen lernen wollen und dabei auch Ihren Glauben festigen wollen?“
    __„Dort, wo ich her komme, ist es recht üblich, dass die Menschen einen recht oberflächlichen Glauben haben, falls sie überhaupt an etwas glauben“, erklärte der Professor. „Da ich mit den Kindern nun schon einmal hier gelandet bin, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen eigenen Glauben zu überprüfen.“ Ganz sicher war er sich nicht, ob er für diese Argumentation die passenden Worte gefunden hatte. Hugh und Cadfael hatten ihm empfohlen, so etwas in diese Richtung zu sagen, aber weil er die Welt der Zukunft auch nicht falsch darstellen oder lügen wollte, hatte er die Erklärungen leicht abgewandelt.
    __„Sie sind also der Meinung, dass Gott Sie hier her gebracht hat, damit Sie Ihren Glauben überprüfen wollen?“, fragte der Abt.
    __„Es wäre vermessen zu behaupten, dass man weiß, warum er so etwas gemacht hat“, antwortete der Professor, indem er eine Aussage verwendete, die Cadfael während des Gesprächs mit Hugh und ihm verwendet hatte. „Aber ich kann mir gut vorstellen, dass er die Überlegung mit einbezogen hat, dass ich hier von den Möchen etwas für meinen eigenen Glauben lernen kann.“
    __Inzwischen hatten drei weitere Personen die Kirche betreten und sich kurz umgesehen. Bevor der Abt auf die Aussage des Professors eingehen konnte, blieben sie bei der Seitenkapelle stehen, und einer von ihnen sagte: „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es die gleiche Person ist, aber bei dem Umhang besteht kein Zweifel.“
    __„Darf ich Sie daher bitten, mit mir aufs Schloss zu kommen und mir ein paar Fragen zu beantworten?“, fragte der zweite von den dreien den Professor.
    __„Einen Moment bitte, Sheriff“, mischte sich der Abt ein, bevor Professor Agasa auf die Frage eingehen konnte. „Im Moment unterhalte ich mich gerade mit ihm.“ Er warf kurz einen Blick auf den dritten der drei Fremden und fügte dann noch hinzu: „Wie ich sehe, hat Herr de Somme schon mit Ihnen gesprochen. Ich nehme an, Sie suchen Zeugen, die den verschwundenen Jungen vielleicht gesehen haben? Dann können Sie Professor Agasa auch hier in der Abtei befragen.“
    __„Es geht nicht mehr um einen verschwundenen Jungen, sondern um einen möglichen Mordfall. Und so wie es aussieht, haben wir den Täter gerade gefunden, auch wenn wir noch nicht wissen, wo und wieso er den Jungen umgebracht hat.“
    __„Ich weiß zwar nicht, um was es hier eigentlich geht“, meldete sich der Professor zu Wort, „aber falls Sie mit dem Täter mich meinen, so haben Sie den falschen. Ich bin erst gestern Spätnachmittag hier angekommen und habe danach den Abend über im Gästehaus gelegen und geschlafen. Heute Vormittag habe ich Bruder Cadfael im Kräutergarten geholfen.“
    __„Sie haben doch eben gehört, dass unser Stadttorwächter Sie identifiziert hat? Oder soll er seine Aussage für Sie wiederholen?“
    __„Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische“, unterbrach Bruder Cadfael das Gespräch. „Der Wächter hat nur den Umhang identifiziert. Der muss wohl gestern während der Vesper gestohlen worden sein. Wir haben ihn heute Vormittag im Kräutergarten wider gefunden.“
    __„Das ist doch eine Ausrede!“, mischte sich der dritte Mann - falls Professor Agasa richtig folgerte, musste das der Herr de Somme sein - in das Gespräch ein. „Haben Sie Zeugen dafür, dass jemand den Umhang gestohlen hat? Nein? Dann können Sie ihn ebenso selbst im Kräutergarten abgelegt haben, um mit dem Finden desselben von Ihrer Schuld ablenken zu können.“
    __„Wie Sie sehen, spricht im Moment alles gegen Sie“, bemerkte der Sheriff. „Ich muss Sie daher festnehmen und mit auf das Schloss nehmen.“
    __„Hier in der Kirche nehmen Sie niemanden fest, mit dem ich mich gerade unterhalte“, unterbrach Abt Radulfus die Aktionen des Sheriffs. „Ich denke außerdem, dass sein Wunsch, den eigenen Glauben zu überprüfen, wichtiger ist als die Verhaftung eines möglichen Mörders.“
    __„Soll das heißen, dass Sie ihn unter den Schutz der Kirche stellen?“
    __Der Abt zögerte einen kurzen Moment und verkündete dann: „Ja, das mache ich.“ Danach verhandelte er noch kurz mit dem Sheriff über ein paar Formalitäten, und schließlich verließen der Sheriff, der Stadttorwächter und Herr de Somme die Kirche.
    __„Darf ich fragen, was Sie gerade noch mit dem Sheriff ausgehandelt haben?“, erkundigte sich der Professor, nachdem er nun wieder mit dem Abt und Bruder Cadfael alleine war. „Irgendwie ist mir schon klar, dass es um mich ging, aber da ich mit den Gepflogenheiten hier nicht vertraut bin, ging mir das etwas zu schnell.“
    __„Ich nehme an, Ihnen sind die üblichen Regelungen für das Kirchenasyl bekannt?“
    __„Äh, nein“, antwortete der Professor. Hugh und Cadfael hatten ihm zwar schon die groben Eigenschaften erklärt, aber das konnte er schlecht dem Abt gegenüber erwähnen.
    __„Ich sehe. Dann muss ich Ihnen das wohl etwas ausführlicher beschreiben. Am besten kommen Sie einmal mit in mein Büro. Bruder Cadfael, Sie holen einmal die Kinder und kommen dann mit ihnen auch dorthin, damit wir alles Weitere dort besprechen können.“


    __Tatsächlich wohnte der Abt in einem eigenen Haus, welches sich neben dem Gästehaus zwischen dem Kreuzgang und dem Kräutergarten befand. Nachdem alle Eingeladenen im Besprechungsraum versammelt waren und am Tisch Platz genommen hatten, betrachtete der Abt kurz die Kinder und sagte dann: „Ihr seid also die Kinder des Professors. Willkommen in der Abtei von St. Peter und St. Paul.“
    __„Genau genommen sind das nicht wirklich meine Kinder“, korrigierte Professor Agasa diese Aussage. „Wir sind recht gut mit einander befreundet, und ich nehme sie öfters schon mal auf einen Ausflug mit - natürlich mit dem Einverständnis ihrer Eltern.“ Danach stellte er dem Abt die Kinder der Reihe nach vor.
    __„Ich bin Abt Radulfus“, antwortete der Abt auf diese Vorstellungsrunde. „Ich weiß nicht, ob Bruder Cadfael euch erzählt hat, warum wir jetzt hier mit einander reden?“
    __Die Frage war zwar irgendwie zu Erwarten gewesen, aber dennoch hatten sie sich vorher keine Antwort darauf zurecht gelegt. Bevor der Professor den Kindern irgendwie ein Zeichen geben konnte, damit sie nicht ohne zu überlegen darauf antworteten, ergriff jedoch Bruder Cadfael das Wort: „Ich habe ihnen kurz mitgeteilt, dass der Professor wegen irgend etwas verdächtigt wird und unter dem Schutz der Kirche steht. Die Details habe ich erst einmal ausgelassen.“
    __„Gut, ich denke, das reicht erst einmal auch. Wenn der Professor euch mehr über den Verdacht erzählen will, kann er das später tun. Aber da ich annehme, dass ihr über die Regelungen für das Kirchenasyl wohl kaum besser informiert seid als er, werde ich euch das einmal genauer erklären.“
    __Der Abt ging nun dazu über, die Regelungen zum Kirchenasyl und ihre Auswirkungen auf den vorliegenden Fall zu beschreiben. Weil der Professor und die Kinder teilweise noch einmal nachfragten, wenn sie irgend etwas ihrer Meinung nach Wichtiges nicht verstanden hatten, zog sich diese Unterhaltung in die Länge. Im Wesentlichen ging es darum, dass der Sheriff und seine Leute dem Professor in den nächsten vierzig Tagen innerhalb der Abtei nichts antun konnten. Nach dem Mittelalterlichen Recht hätte der Schutz eigentlich nur in der Kirche selbst gegolten, aber dem Abt war es gelungen, das Gebiet im Gespräch mit dem Sheriff auf den abgeschlossenen Bereich des Klosters auszudehnen. Gleichzeitig war das Kloster verpflichtet, Professor Agasa Verpflegung zur Verfügung zu stellen - und zwar nicht mehr als ein regulärer Mönch zu Essen bekam. Es war ihm zwar nicht verboten, die Abtei zu verlassen, aber draußen galt der Schutz nicht mehr, so dass der Sheriff und seine Leute ihn dort jederzeit verhaften konnten. Nach Ablauf der vierzig Tage würde auch der Schutz innerhalb der Abtei verfallen, so dass der Sheriff ihn dann verhaften konnte, falls er bis dahin immer noch der Meinung war, dass Professor Agasa der Täter war. Aber Hugh hatte bereits angedeutet, dass Bruder Cadfael recht geschickt darin war, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen, und weil auch Conan dabei war, machte sich der Professor in diesem Punkt erst recht keine Sorgen.
    __Was die Kinder anging, so hatte der Sheriff nichts gegen sie in der Hand. Sie konnten sich also frei innerhalb und außerhalb der Klostermauern bewegen. „Allerdings erwarte ich von euch, dass ihr die Mönche nicht vom Gebet oder von der Arbeit abhaltet“, erwähnte der Abt an dieser Stelle, und nach kurzem Zögern wandte er sich an Professor Agasa: „Oder meinen Sie, dass jemand auf die Kinder aufpassen sollte?“
    __Das war eine gute Frage. Bei Genta, Mitsuhiko und Ayumi hätte sich der Professor gerne jemanden gewünscht, der auf sie aufpasst, aber bei Conan und Ai war er sich sicher, dass sie vernünftig genug waren und auch auf die drei echten Grundschulkinder aufpassen konnten. Weil er die beiden Geschrumpften aber nicht so einfach herausheben wollte, sagte er einfach: „Nein, ich denke, sie können auch gut alleine auf sich aufpassen, wenn sie in einer Gruppe zusammen bleiben.“
    __„Ist es für Sie auch in Ordnung, wenn die Kinder die nächsten Tage erst einmal alleine in den Zimmern im Gästehaus wohnen? Oder solle ich Bruder Paul, unseren Novizenmeister, bitten, in der Nacht sie ab und zu bei ihnen vorbei zu gucken? Sie hatten ja für sich selbst den Wunsch geäußert, das Leben der Mönche näher kennen zu lernen, und dafür ist eine Klosterzelle denke ich viel besser geeignet als das Gästehaus.“
    __Professor Agasa war sich zwar nicht sicher, ob er wirklich so weit gehen und in einer Klosterzelle wohnen wollte. Immerhin hatte er die Bitte, dass Klosterleben näher kennen zu lernen, ja hauptsächlich deshalb erwähnt, weil Bruder Cadfael und Hugh Beringar gemeint hatten, dass das einen guten Eindruck auf den Abt machen könnte. Jetzt zu erwähnen, dass er lieber mit den Kindern zusammen bleiben wollte, kam ihm irgendwie wie eine Ausrede vor. Weil er in dieser Beziehung jetzt also keinen Rückzieher mehr machen konnte, sagte er schließlich: „Nein, ich denke die Kinder kommen auch nachts alleine klar.“
    __„Gut. In den nächsten Tagen müssen wir außerdem eine neue Unterkunft für die Kinder finden“, ergänzte der Abt, „aber ich denke, das können wir auch noch in den Versammlungen im Kapitelsaal besprechen.“
    __„Wieso, passt das Gästehaus denn nicht mehr?“, fragte Ayumi nach.
    __„Die vierzig Tage überschneiden sich mit einer schon seit langem geplanten Hochzeit, die hier nächsten Monat statt finden soll und für die alle Räume des Gästehauses reserviert sind.“
    __„Ach, so ist das.“
    __Schließlich wechselte der Abt noch einmal das Thema und wandte sich erneut an den Professor: „Was die Zeit zwischen den Messen und den Gebeten angeht, möchte ich Ihnen freistellen, ob Sie uns hier innerhalb der Abtei bei der Arbeit helfen oder statt dessen faulenzen wollen. Das Motto unseres Ordensgründers lautet ‚Bete und Arbeite‘, aber Sie können selbst entscheiden, ob Sie sich daran halten wollen oder nicht.“
    __„Wenn es möglich ist, würde ich gerne Bruder Cadfael im Kräutergarten helfen - oder ist das außerhalb des abgeschlossenen Bereichs?“
    __„Der Klostergarten zählt mit zu dem abgeschlossenen Bereich des Klosters“, erklärte der Abt. Er zögerte kurz und wandte sich dann noch einmal an Bruder Cadfael: „Sind Sie einverstanden, wenn er Ihnen im Kräutergarten hilft? Sie könnten ihm dabei auch helfen, sich hier etwas leichter hier einzugewöhnen.“
    __„Ich habe nichts dagegen, ihn als Gehilfen zu haben.“
    __„Gut“, sagte der Abt und schwieg einen Moment. Schließlich wandte er sich an den Professor und die Kinder: „Ich würde gerne noch ein paar Worte allein mit Bruder Cadfael wechseln. Ihr könnt gehen.“
    __Damit war die Besprechung also beendet. Professor Agasa und die Kinder verließen gemeinsam das Haus des Abtes, und um ungestört über das Besprochene zu reden, gingen sie erst einmal in den Kräutergarten und setzten sich dort auf eine Bank.


    Nachdem der Professor und die Kinder gegangen waren, schloss Abt Radulfus die Tür und fragte dann: „Was halten Sie von dem Fall? Sie haben den Professor und die Kinder doch gestern schon bei ihrer Ankunft kennen gelernt, und bei der Besprechung im Kapitelsaal haben Sie erwähnt, dass sie der Meinung sind, aus der Zukunft gekommen zu sein. Halten Sie es für möglich, dass der Professor einen ihm unbekannten Jungen ermordet und dann als Alibi den Umhang in den Kräutergarten gelegt hat? Oder gibt es Ihrer Meinung nach eher einen anderen Täter, der den Umhang aus dem Gästehaus entwendet hat, um den Verdacht auf den Professor zu lenken?“
    __„Wenn Sie mich fragen, glaube ich kaum, dass der Professor oder eines der Kinder den Umhang dort hin gelegt hat.“ Cadfael überlegte einmal kurz und entschied sich dann, doch etwas mehr zu erzählen. Bei dem Mordfall auf dem Jahrmarkt hatte der Abt Anfang letzten Monats ja durchblicken lassen, dass ihm das Wohlergehen der Gäste durchaus am Herzen lag. „Außerdem habe ich vorhin kurz mit Hugh Beringar gesprochen. Der ist sich noch nicht einmal sicher, ob wir es hier tatsächlich mit einem Mordfall zu tun haben. Tatsächlich hat der Stadttorwächter nur gesehen, wie ein Unbekannter etwas Großes in den Fluss geworfen hat. Ob es sich dabei um eine Leiche gehandelt hat oder nicht, wissen wir nicht.“
    __„In Ordnung, das war alles, was ich jetzt noch wissen wollte. Ich habe Ihnen vorhin aufgetragen, dem Professor zu helfen, und ich denke, dass können Sie ruhig etwas weiter auffassen. Wenn Sie irgend etwas tun können, um - falls er tatsächlich unschuldig ist - seine Unschuld zu beweisen, gebe ich Ihnen hiermit die Erlaubnis, dafür auch die Abtei zu verlassen. Aber die Gottesdienste gehen dennoch vor, und auch die Arbeit im Kräutergarten dürfen Sie nicht vernachlässigen.“

  • KAPITEL 6
    Der kleine Detektiv


    [align=justify]Nachdem Bruder Cadfael somit also auch offiziell vom Abt den Auftrag hatte, in dem Vermisstenfall zu recherchieren, wäre für die Ermittlungen der nächste logische Schritt die Suche nach Zeugen, die Nouel oder den Mann mit dem weißen Umhang vielleicht gesehen hatten. Allerdings konnte der Mönch nicht sofort damit anfangen, weil der Abt ausdrücklich erwähnt hatte, dass die Messen und Gebete vorgingen. Natürlich hätte er sich darüber hinwegsetzen können, aber zunächst einmal war es sowieso wichtiger, dem Professor zu helfen, sich an das Leben des Klosters zu gewöhnen. Außerdem sollten am Nachmittag Nouels angedachte Braut und ihre Eltern im Kloster ankommen, und der für den Klostergarten zuständige Mönch wollte für den Fall, dass Nouels Vater diese gegen Professor Agasa aufhetzte, zu dieser Zeit auf jeden Fall auf dem Klostergelände sein. Die Zeugen würden sicher auch noch in ein paar Tagen zu finden sein, und außerdem hatte er sowieso schon für den nächsten Tag einen Besuch bei einem Kind in der Stadt eingeplant, dessen Eltern ihn vor ein paar Tagen gebeten hatten, sich um seine Krankheit zu kümmern. Vielleicht konnte er sich auf dem Weg dorthin oder auf dem Rückweg nach möglichen Zeugen umsehen.
    __Als der Mönch bei seinem neuen Helfer und den Kindern im Kräutergarten ankam, waren diese gerade dabei, sich wegen irgend etwas zu unterhalten. Er bekam noch mit, wie Ai zu Conan sagte: „Und was ist mit deinem Vorschlag, dass wir nicht auffallen wollen? Gilt das jetzt plötzlich nicht mehr?“
    __„Die Situation hat sich verändert, da müssen wir Prioritäten setzen“, antwortete dieser.
    __Bevor Ai auf diese Feststellung eingehen konnte, wechselte der Professor das Thema: „Da sind Sie ja, Bruder. Sollen wir wie vorhin weiter machen und uns noch etwas um das Unkraut kümmern?“
    __„Ja, ich denke das wäre das beste. Wir haben bis zur Sext, also dem Gebet zur Mittagsstunde, nicht einmal mehr eine Viertelstunde. Daher lohnt es sich wohl nicht, mit einer neuen Aufgabe anzufangen.“
    __Es vergingen einige Minuten bis Conan erneut das Wort ergriff: „Gibt es hier in der Gegend eigentlich eine Schule?“, fragte er.
    __„Wir haben hier im Kloster eine Klosterschule“, antwortete Cadfael.
    __„Könnten wir da vielleicht auch am Unterricht teilnehmen? So wie es aussieht, werden wir wohl einige Zeit im Kloster bleiben müssen, und daher sollten wir zusehen, dass wir in der Zeit wenigstens etwas lernen.“
    __„Willst du wirklich in die Klosterschule gehen?“, mischte sich Genta in das Gespräch ein. „Vielleicht sollten wir den Aufenthalt eher als zusätzliche Ferien ansehen.“
    __„Es wäre auf jeden Fall interessant zu sehen, was man in einer mittelalterlichen Klosterschule beigebracht bekommt“, wandte Ai ein.
    __„Wenn ihr wollt, kann ich einmal mit dem Abt und mit Bruder Paul reden“, schlug Cadfael vor. „Aber ich kann euch da sonst nichts versprechen. Der Unterricht in der Klosterschule ist eigentlich nur für die Novizen gedacht, und bei den wenigen anderen Schülern müssen die Eltern für den Unterricht bezahlen.“


    Bei dem auf die Sext folgenden Mittagsessen sprach Cadfael Bruder Paul an und erwähnte, dass die Kinder gerne am Unterricht teilnehmen würden. Bruder Paul hatte nichts gegen ein paar weitere Schüler einzuwenden, aber weil auch er der Meinung war, dass sie die Sache besser gemeinsam mit Abt Radulfus besprechen sollten, gingen die beiden Mönche gleich nach dem Mittagessen zu dessen Wohnung. Nachdem sie kurz über die Sache gesprochen hatten, entschied der Abt, dass die Kinder erst einmal probehalber am Nachmittagsunterricht teilnehmen sollten und man am nächsten Tag in der Versammlung im Kapitelsaal darüber entscheiden könnte, ob die Kinder auch darüber hinaus die Klosterschule besuchen dürfen.
    __Nach einer Ruhepause und einem weiteren Gebet gingen Bruder Cadfael und Bruder Paul also gemeinsam in den Kräutergarten, wo Professor Agasa und die Kinder bereits versammelt waren.
    __„Das hier ist Bruder Paul, der für die Betreuung unserer Novizen zuständig ist und auch die Klosterschule leitet“, stellte Cadfael den Kindern gegenüber seinen Mitbruder vor. „Wir haben zusammen mit Abt Radulfus beschlossen, dass ihr heute Nachmittag einmal probehalber am Unterricht teilnehmen könnt und wir dann morgen Vormittag entscheiden, ob ihr weiter zur Klosterschule kommen dürft.“ Danach wandte er sich an Paul: „Das sind Conan, Ai, Ayumi, Mitsuhiko und Genta.“
    __„Da habt ihr aber schnell eine Entscheidung getroffen“, meinte Ai. „Von dem, was Sie vor dem Mittagessen gesagt hatten, hatte ich nicht damit gerechnet, dass wir schon so schnell in die Schule kommen können.“
    __„Müssen wir jetzt schon am Unterricht teilnehmen?“, fragte Ayumi. „Was ist, wenn wir uns darauf lieber erst einmal etwas vorbereiten wollen?“
    __„Da wir nicht wissen, was in einer Klosterschule unterrichtet wird, können wir uns schlecht vorbereiten“, gab Conan zu Bedenken. „Aber ich denke, wir sollten uns den Unterricht erst einmal ansehen. Wenn der Abt erst einmal sehen will, wie wir uns in dem Unterricht machen, sollten wir den Unterricht heute vielleicht auch als Probe ansehen und danach entscheiden, ob wir daraus wirklich einen Nutzen ziehen können.“
    __„Ich denke, das könnt ihr gerne so machen“, stimmte Bruder Paul dem zu. Danach nahm er die Kinder mit in den Unterricht.
    __Nachdem die Kinder den Klostergarten verlassen hatten, begannen Bruder Cadfael und Professor Agasa damit, die Hecke des Klostergartens zu schneiden. Tatsächlich tauchten den ganzen Nachmittag über weder Rousel de Somme noch Nouels angedachte Braut und ihre Familie im Garten auf, so dass der Mönch davon ausging, dass Letztere bis jetzt noch nicht in der Abtei angekommen oder zumindest nicht von Nouels Vater gegenüber dem Professor aufgehetzt worden waren. Aber um sich keine falschen Vorstellungen zu machen, machte Cadfael auf dem Weg zur Vesper einen Zwischenstopp beim Gästehaus und fragte Bruder Dennis, ob die angedachte Braut für Nouel und ihre Familie bereits angekommen sind.
    __„Sie sind bereits vor einer halben Stunde angekommen, aber in ihr Zimmer hier im Gästehaus haben sie sich noch nicht eingerichtet“, antwortete der Verwalter des Gästehauses. „Statt dessen sind sie beim Abt und scheinen irgend ein längeres Gespräch mit ihm zu führen.“ Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Radulfus hatte Bruder Albin und mich gebeten, die Familie gleich nach ihrer Ankunft zu ihm zu schicken.“
    __Tatsächlich konnte sich Cadfael gut vorstellen, worum es bei dem Gespräch gehen würde: Abt Radulfus würde ihnen erzählen, dass Nouel verschwunden war aber gleichzeitig dafür sorgen wollen, dass sie sich nicht zu leicht von Rousel de Somme gegen den Professor aufhetzen lassen würden.


    Nachdem am nächsten Tag die ersten paar Gottesdienste vorüber und die morgendliche Besprechung im Kapitelsaal beendet war, traf Bruder Cadfael im Klostergarten neben dem Professor auch wieder die Kinder an. Tatsächlich hatten sie bereits am Abend mit Bruder Paul besprochen, dass eine Fortsetzung des Unterrichts für beide Seiten nicht sinnvoll war: Die Kinder konnten bereits Lesen und Schreiben, so dass das einzige, was sie in der Klosterschule lernen könnten, die lateinische Sprache war. Diese konnte man aber nicht mal eben so schnell erlernen, und weil die Kinder eigentlich so bald wie möglich in ihre Heimat zurück kehren wollten, hatten sie zum Lernen einer - wie sie es ausdrückten - „toten Sprache“ keine Lust.
    __Allerdings hatte der Mönch irgendwie das Gefühl, dass eines der Kinder fehlen würde. Allerdings machten weder der Professor noch die vier anwesenden Kinder irgendwelche Bemerkungen in diese Richtung, sondern sie verhielten sich fast so, als hätte es nie ein fünftes Kind gegeben. Also dachte Cadfael sich, dass er sich wohl täuschen musste. „Ich denke, es ist am sinnvollsten, wenn ihr euch erst einmal weiter um das Unkraut kümmert“, sagte er zu den vier Kindern. „Ich werde zusammen mit dem Professor ein paar Kräuter einsammeln und daraus ein Heilmittel aufsetzen, und sobald das vor sich hin köchelt, muss ich euch für ein oder zwei Stunden alleine lassen, um in der Stadt einen Patienten zu besuchen.“
    __„Können wir nicht irgend etwas Anderes machen? Unkraut raus rupfen ist doch langweilig“, maulte Genta.
    __„Es gibt im Kräutergarten nun einmal nicht so viele unterschiedliche Tätigkeiten, und die meisten zu dieser Jahreszeit anstehenden Aufgaben sind entweder nicht für Kinderhände geeignet oder erfordern ein Wissen, welches sich nicht mal eben so schnell vermitteln lässt.“
    __„Können wir nicht einfach in unser Zimmer im Gästehaus gehen und uns dort beschäftigen?“, fragte Mitsuhiko.
    __„Das könnt ihr machen“, antwortete Cadfael.
    __Bevor die anderen drei Kinder los laufen konnten, ergriff Ai das Wort: „Kann ich bei hier im Kräutergarten bleiben und beim Zubereiten des Heilmittels zusehen? Vielleicht kann ich mir dabei ja etwas von dem Wissen aneignen, von dem Sie sagen, dass man es nicht mal eben so schnell vermitteln kann.“
    __„Falls es beim Kochen einfachere Hilfsaufgaben gibt, kannst du auch gerne mithelfen“, antwortete der für den Kräutergarten und die Heilmittel zuständige Mönch. „Oder haben Sie etwas dagegen, Professor?“
    __„Nein, von mir aus kann sie uns gerne Gesellschaft leisten.“ Danach wandte er sich an Genta, Mitsuhiko und Ayumi: „Ihr drei bleibt aber bitte zusammen. Nicht dass uns noch einer von euch verloren geht.“
    __„Keine Sorge, wir passen schon auf uns auf“, antwortete Mitsuhiko.


    Wie sich heraus stellte, ließen sich die Vorbereitungen für das Heilmittel gut aufteilen, und weil Ai für ihr Alter ungewöhnlich geschickt darin war, Kräuter zu vermischen und zu einem feinen Pulver zu verarbeiten, konnte Bruder Cadfael sich schon etliche Minuten früher als geplant auf den Weg zu seinem Patienten machen. Statt gleich auf dem kürzesten Weg in die Stadt zu laufen, nutzte er diese Zeit für einen kleinen Umweg durch die vor der Abtei gelegene Klostersiedlung. Wann immer er einen der Bewohner antraf, fragte er ihn, ob er vorgestern Abend zufälligerweise einen Mann mit einem weißen Umhang oder einen Jungen gesehen hatte, auf den Nouels Beschreibung passte. Aber keiner Befragten konnte sich an Nouel oder an einen Unbekannten mit dem weißen Umhang erinnern - wenn man einmal von der Ankunft des Professors und der Kinder im Kloster absah.
    __Eine ältere Frau wurde bei diesen Fragen jedoch stutzig: „Warum lassen Sie nicht den Sheriff nach dem Unbekannten oder dem Verschwundenen suchen?“, fragte sie.
    __„Ich bin mir sicher, dass der Sheriff in der Sache nicht untätig ‘rum sitzt. Allerdings war der Verschwundene ein Gast der Abtei, und so will ich meinen Teil zu der Suche beitragen.“
    __„Das klingt sinnvoll“, antwortete der Ehemann der Frau. „Und doch ...“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Vor ein paar Stunden war bereits ein kleiner Junge hier und hat genau die gleiche Frage gestellt wie Sie.“
    __Das klang ganz so, als ob Conan sich ebenfalls auf die Suche nach Zeugen gemacht hatte. Allerdings war sich der Mönch ganz und gar nicht sicher, ob ein kleiner, ungewöhnlich gekleideter Junge mögliche Zeugen nicht vielleicht eher abschrecken würde, weil sie ihn nicht wirklich einordnen konnten. Aber vielleicht täuschte er sich auch und entweder Nouel oder dessen angedachte Braut hatte einen kleinen Bruder, der sich auf die Suche gemacht hatte? „Wie sah der Junge aus?“, fragte er um sich zu vergewissern.
    __„Es war ein ganz normaler kleiner Junge“, antwortete der Mann. „Er war Vielleicht so sieben oder acht Jahre alt und hatte schwarze Haare. Dazu kommt eine dunkle, fast schwarze Cotte und ebenso dunkle Beinlinge.“
    __„Nein, ich wüsste nicht, dass warum so ein Junge auf der Suche nach dem Verschwundenen oder nach der Person mit dem weißen Umhang sein sollte“, bemerkte Cadfael. „Aber trotzdem vielen Dank für Ihre Auskunft.“
    __Danach machte er sich erst einmal auf den Weg zu seinem Patienten.


    Als er auf dem Rückweg das Stadttor passiert und die Brücke über den Fluss schon fast überquert hatte, bekam der Mönch dann aber mit, wie sich ein eben solcher schwarzhaariger Junge mit einem zufällig vorbei kommenden Händler unterhielt:
    __„Kommen Sie hier häufiger vorbei?“, fragte der Junge.
    __„Ja, das kann man so sagen. Weil einige meiner Kunden in der Stadt wohnen, komme ich eigentlich fast jeden Tag irgendwann hier vorbei. Aber warum interessiert dich das?“
    __Der Junge zögerte etwas und antwortete dann: „Ich suche jemanden, der seit vorgestern Abend verschwunden ist.“
    __„Vorgestern Abend? Tut mir Leid, aber vorgestern Abend war ich in Wroxeter unterwegs.“
    __„Aber vielleicht haben Sie seitdem einen knapp zwanzig Jahre alten jungen Mann mit dunkelblonden Haaren, dunkelroten Beinlingen und einem blauen Obergewand gesehen?“
    __Bevor der Gefragte antworten konnte, mischte Bruder Cadfael sich ins Gespräch ein: „Genauer gesagt, ist der Gesuchte siebzehn Jahre alt und hat haselnussbraune Augen.“
    __„Ein siebzehn Jahre alter, dunkelblonder Junge mit haselnussbraunen Augen, dunkelroten Beinlingen und einem blauen Obergewand?“, fasste der Händler zusammen. „Nein, ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir so jemand aufgefallen ist. Aber wenn ihr wollt, kann ich einmal die Augen offen halten und mich auch bei ein paar Kollegen etwas umhören. Wo kann ich euch finden, wenn ich etwas heraus bekomme?“
    __„Am besten gehen Sie zur Abtei und fragen dort nach Bruder Cadfael“, antwortete der Mönch.
    __„Gut, werde ich machen“, antwortete der Händler und machte sich danach wieder auf den Weg.
    __„Du hast dir also anständige Kleidung besorgt und dich dann auf gemacht, um nach Zeugen zu suchen?“, bemerkte Cadfael, sobald der Händler außer Hörweite war.
    __„Ja, habe ich“, antwortete Conan. „Die Kleidung habe ich mir von einem Klosterschüler geliehen, der gestern Abend die Vesper geschwänzt hat.“
    __„Ein Klosterschüler? Und dann auch noch in deiner Größe? Da kommt doch eigentlich nur Richard in Frage“, überlegte Cadfael.
    __„Ups, eigentlich wollte ich keinen Namen nennen, damit er wegen dem Schwänzen keine Probleme bekommt.“
    __„Von mir hat er nichts zu befürchten. Aber woher weißt du eigentlich, dass er die Vesper geschwänzt hat?“
    __„Ich habe mich unter den Schülern einmal etwas umgehört, ob einer von ihnen vielleicht Nouel oder irgend jemanden gesehen hat, der Professor Agasas Laborkittel aus dem Gästehaus geholt hat. Leider hat das so direkt nichts gebracht, aber aus Richards Aussagen konnte ich schlussfolgern, dass er die Vesper geschwänzt hat.“
    __Eine kurze Zeit lang ließ sich der Mönch diese Aussagen durch den Kopf gehen, bevor er erneut das Wort ergriff: „Woher hast du eigentlich Nouels Beschreibung? Wenn du einen der Mönche danach gefragt hättest wie er aussieht, hättest du doch sicher auch sein genaues Alter erfahren, schließlich hat sein Vater das Alter gestern im Kapitelhaus erwähnt.“
    __„Ich hatte ihn und seinen Vater gestern direkt vor der Vesper gesehen. Die beiden haben sich wegen irgend etwas gestritten, und dann ist Nouel die Treppe runter gerannt. Um sicher zu sein, dass das Nouel ist, habe ich so getan, als ob ich irgend welches Gerede auf geschnappt hätte und Bruder Dennis gefragt, ob der Vater des verschwundenen Jungen in dem entsprechenden Zimmer wohnt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Bruder Dennis nicht unbedingt wissen muss, dass ich nach Zeugen suchen will.“
    __„Das klingt logisch“, bemerkte Cadfael, fügte aber nach kurzem Zögern noch hinzu: „Aber solche Schlussfolgerungen hätte ich von einem Jungen in deinem Alter nicht erwartet.“
    __„Ich weiß. Ich bin nun einmal ein kleiner Detektiv.“
    __Bevor der Mönch auf diese Aussage eingehen konnte, erklang auf einmal aus Conans Tasche eine Mädchenstimme: „Ich glaube, wir haben hier etwas gefunden.“
    __Conan holte daraufhin einen kleinen, metallischen Gegenstand aus seiner Tasche und sagte dann: „Ich habe euch doch gesagt, dass ihr den Mikroemitter nur im Notfall benutzen sollt. Es ist zu auffällig, wenn plötzlich irgendwo eine Stimme erklingt und Leute, mit denen ich mich gerade unterhalte, gar nicht wissen, wo diese her kommt.“
    __„Es handelt sich um so etwas wie einen Notfall“, erklang nun eine andere Stimme aus dem metallischen Teil. Jetzt bemerkte Cadfael auch, dass dies Mitsuhikos Stimme war, während vorher Ayumi gesprochen haben musste.
    __„Na gut, dann werde ich einmal vorbei kommen“, antwortete Conan auf Mitsuhikos Stimme. Danach wandte er sich einmal kurz an Bruder Cadfael und erklärte kurz: „Das hier ist so etwas wie ein Funkgerät, also ein Gerät, mit dem man sich über größere Entfernungen unterhalten kann.“

  • KAPITEL 7
    Cedric


    Nachdem der Mönch zu dem auswärtigen Krankenbesuch aufgebrochen war, blieben Professor Agasa und Ai noch einige Zeit in der Werkstatt, um darauf aufzupassen, dass das Heilmittel nicht anbrannte. Hierzu mussten sie eigentlich nur die Hitze des Feuers regulieren und gelegentlich umrühren - wozu ihnen der Mönch klare Anweisungen gegeben hatte. Nebenbei unterhielten sie sich über die aktuelle Situation.
    __„Denken Sie, dass es wirklich eine gute Idee war, Shinichi einfach so gehen zu lassen?“, begann die geschrumpfte Frau das Gespräch.
    __„Nun ja“, begann der Professor. Tatsächlich war er sich in der Sache gar nicht sicher gewesen. Aber sich jetzt im Nachhinein Gedanken zu machen, brachte auf jeden Fall nichts. „Er wird schon wissen, was er tut. Schließlich hat er ja schon viele Fälle gelöst, und irgend jemand muss ja heraus finden, was tatsächlich mit Nouel passiert ist.“
    __„Das mag ja sein, aber das Mittelalter ist anders als die Neuzeit, und außerdem sieht er aus wie ein kleines Kind und hat niemanden, den er als Ausrede für die Fragen verwenden kann.“ Mit der letzten Aussage spielte sie darauf an, dass Conan in vielen Fällen behauptete, dass Onkel Kogoro ihn gebeten hätte, noch einmal nachzufragen. Aber der nutzlose Privatdetektiv war nicht mit auf die Reise gekommen, und Professor Agasa kam als Alibi-Fragesteller nicht in Frage, weil er als Beschuldigter besser im Verborgenen blieb.
    __„Das ist allerdings wahr“, antwortete der Professor. „Aber er wird schon irgendwie klar kommen.“ Zögernd fügte er noch hinzu: „Bei euren Mitschülern mache ich mir da viel mehr Gedanken. Falls die auf die Idee kommen, auch nach Zeugen zu suchen, werden sie auf jeden Fall auffallen, und wenn mögliche Zeugen erst einmal bemerkt haben, dass etwas nicht stimmt, werden sie Shinichi gegenüber deutlich misstrauischer auftreten.“
    __„Vielleicht sollte ich einmal nach ihnen sehen“, stimmte das Mädchen zu und verließ daraufhin die Werkstatt.


    Nicht lange, nachdem Ai verschwunden war, klopfte jemand an der Tür. Als Professor Agasa öffnete um zu sehen, wer das war und ob er etwas von ihm wollte, sah er einen etwa siebzehn Jahre alten Jungen. „Ist Bruder Cadfael da?“, fragte er. „Soweit ich gehört habe, ist er doch für den Kräutergarten und für Heilmittel zuständig?“
    __„Ja, er ist der zuständige Mönch“, antwortete der Professor. „Aber er ist im Moment leider nicht hier. Er hat sich vorhin für einen Krankenbesuch in der Stadt auf den Weg gemacht und sollte in ein oder zwei Stunden wieder zurück sein.“ Zögernd fügte er noch hinzu: „Soll ich ihm etwas ausrichten wenn er wieder da ist? Oder kann ich dir helfen?“
    __„Na ja“, sagte der Junge und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Ich bräuchte irgend ein Mittel gegen Kopfschmerzen.“
    __„Kopfschmerzen?“ fragte der Professor und überlegte kurz, ob er zum Gästehaus laufen und Ai bitten sollte, aus dem Auto aus der Reiseapotheke etwas Aspirin zu holen. Aber dann fiel ihm auf, dass das nicht nur ein recht großer Aufwand wäre, sondern dass moderne Tabletten für die Menschen des Mittelalters wohl sehr ungewöhnlich sein würden. „Ich denke, da sollten wir wirklich auf den Bruder warten“, fügte er deshalb hinzu. „Bei seinen Heilmitteln kenne ich mich nicht aus.“
    __„Sie kochen da doch gerade irgend etwas. Ist das nicht ein Heilmittel? Oder benutzen Sie einfach nur seine Werkstatt für eigene Angelegenheiten?“
    __„Ich kümmere mich nur darum, dass hier nichts anbrennt. Bevor er sich auf den Weg gemacht hat, hat Bruder Cadfael die nötigen Zutaten in den Tontopf geworfen, und während das jetzt eine Weile vor sich hin köchelt, ist er unterwegs in die Stadt.“
    __„Ach so, Sie helfen ihm also nur.“
    __„Ganz genau.“
    __„Sind Sie eigentlich schon länger hier im Kloster? Sie sehen nämlich überhaupt nicht aus wie ein Mönch.“
    __„Nein, ich bin zusammen mit ein paar Kindern hier angekommen.“ Er überlegte kurz, wie er seine Aussage am sinnvollsten abrunden sollte. Auf Nouels Verschwinden wollte er eigentlich nicht so gerne eingehen, aber wenn der Junge den Eindruck bekommen würde, dass der Aufenthalt hier geplant gewesen wäre, könnte es vielleicht später zu größeren Missverständnissen kommen. „Irgendwie hat es sich so ergeben, dass wir eine Weile in der Abtei bleiben“, fügte er deshalb noch hinzu, „und weil Bruder Cadfael derzeit keinen Gehilfen hat, gehe ich ihm etwas zur Hand.“
    __„Ach, so ist das“, sagte der Junge. Doch dann fiel sein Blick durch die offene Tür nach draußen, und er fragte: „Ist das eines der Kinder, mit denen Sie hier angekommen sind?“
    __Professor Agasa musste sich daraufhin erst einmal etwas umdrehen, aber dann sah er, dass Ai vor der Tür stand. Aber anscheinend wollte sie sich nicht in das laufende Gespräch einmischen. „Ja, sie ist eines von ihnen“, antwortete er, und weil Ai mit Sicherheit nicht ohne Grund wieder zurück gekommen war, wandte er sich an sie: „Was gibt es denn, Ai?“
    __„Genta, Mitsuhiko und Ayumi sind nicht in ihrem Zimmer“, antwortete sie.
    __„Also haben die sich wohl tatsächlich eigenmächtig auf den Weg gemacht“, überlegte der Professor. „Hast du schon Conan Bescheid gesagt?“
    __„Das wollte ich erst mit Ihnen besprechen. Er wollte doch, das wir die Mikro...“ Mit einem Blick auf den Jungen brach sie ihren Satz ab und beendete nach einer kurzen Gedankenpause ihren Satz auf eine andere Weise: „..., dass wir ihn nur im Notfall stören.“
    __„Da hast du auch wieder recht“, antwortete der Professor. „Vielleicht kannst du einmal den Pförtner fragen, ob er uns sagen kann, wo sie hin wollten?“
    __„Ja, mache ich”, antworte sie und verließ erneut die Werkstatt.


    __„Genta, Mitsuhiko, Ayumi und Conan sind die anderen vier Kinder mit denen ich hier angekommen bin“, erklärte der Professor, nachdem das Mädchen verschwunden war.
    __„Abgesehen von Conan haben die haben allesamt ungewöhnliche Namen“, bemerkte der Junge.
    __„Wir haben bis hier nach Shrewsbury einen weiten Weg zurück gelegt. Dort, wo wir her kommen, sind ihre Namen ganz normal.“
    __„Wie kommt es eigentlich, dass Sie die Kinder so ganz ohne Aufsicht draußen herum laufen lassen? Die sind doch sicher nicht alt genug dafür - vor Allem in einer fremden Gegend?“
    __„Conan und Ai haben sich für ihr Alter schon ungewöhnlich weit entwickelt, so dass ich mir bei den beiden keine Gedanken mache. Bei Genta, Mitsuhiko und Ayumi mache ich mir schon ein paar Sorgen, wenn sie einfach so davon laufen.“
    __„Ach, so ist das.“ Der Junge schwieg einen Moment und fragte dann: „Sind die Kinder jetzt eigentlich zum ersten Mal seit Ihrer Ankunft in der Abtei alleine unterwegs oder waren sie sonst immer mit Ihnen zusammen?“
    __„Das ist jetzt ihr erster Streifzug außerhalb des Abteigeländes, falls du das meinst. Aber auch gestern und vorgestern waren wir nicht immer alle beisammen: Vorgestern haben sie erst zusammen mit Bruder Cadfael unseren Wagen irgendwo untergestellt und danach die Vesper besucht. Ich habe in der Zeit im Bett gelegen und mich von der Reise ausgeholt. Mir ging es an dem Tag nicht gut, musst du wissen. Gestern Vormittag habe ich die Kinder eine Zeit lang im Klostergarten gelassen, während ich in die Kirche gegangen bin. Und gestern Nachmittag haben sie sich probehalber einmal den Unterricht in der Klosterschule angesehen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: „Heute sind die Kinder auch zum ersten Mal nicht alle gemeinsam unterwegs - weshalb ich mir bei Genta, Mitsuhiko und Ayumi schon ein paar Sorgen mache.“
    __„Sie sind also vorgestern hier angekommen?“, fragte der Junge und fügte nach einer kurzen Pause noch hinzu: „Dann sind Sie also der ältere Mann, der de Sommes Sohn ermordet haben soll?“
    __„Ich habe niemanden ermordet“, antworte der Professor wobei er seine Überraschung über diesen plötzlichen Themenwechsel und sein Unbehagen bei dem neuen Thema nicht so ganz verbergen konnte.
    __„Ich weiß. Irgend ein Unbekannter hat Ihren ungewöhnlichen weißen Umhang entwendet und diesen getragen, als er etwas Großes in den Fluss geworfen hat. Abt Radulfus hat uns davon erzählt.“
    __„Abt Radulfus? Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass er das so einfach allgemein herum erzählt. Der Sheriff hält das für eine Ausrede, und bis wir andere Beweise gefunden haben, wäre es meiner Meinung nach besser, die ganze Angelegenheit nicht noch weiter zu verbreiten.“
    __„Keine Sorge. Der Abt hat es nicht einfach allgemein weiter erzählt, sondern nur Nouels angedachten Schwiegereltern und ihren Kindern. Und zu der Familie gehöre ich auch irgendwie.“
    __„Dann bist du also ...“, begann der Professor, bevor er die ganze Aussage des Jungen erfasst hatte. Tatsächlich war dieser etwa in Nouels Alter, aber seine Worte hatten nicht so geklungen, als ob er eng mit Nouels Braut verwandt wäre.
    __„... der Bruder der Braut oder Nouels angedachter Schwager, wollten Sie fragen?“, beendete der Junge den angefangene Frage, um gleich darauf zu antworten: „Nein, so eng bin ich mit Rebekka nicht verwandt. Ich bin vielmehr ihr Stiefcousin, aber weil meine Eltern kurz nach meiner Geburt verstorben sind, lebe ich schon so lange bei meinem Onkel, dass ich praktisch mit zum engeren Familienkreis gehöre.“
    __„Ach, so ist das“, murmelte der Professor. So genau hatte er über die Beziehungen seines Gesprächspartners eigentlich gar nicht Bescheid wissen wollen. Aber nachdem der Junge das nun von sich aus erwähnt hatte, war er sich unsicher, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte. Schließlich gehörte dieser ja irgendwie zu Nouels zukünftiger Verwandtschaft.
    __Bevor er sich dazu lange Gedanken machen konnte, ergriff der Junge erneut das Wort: „Die Frage ist eigentlich nur, wie wir Rousel de Somme am leichtesten davon überzeugen, dass Sie nichts mit dem Verschwinden seines Sohnes zu tun haben.“
    __„Heißt das, du glaubst dem Abt, wenn er sagt, dass ich unschuldig bin?“
    __„Nein, der Abt hat eigentlich nur recht neutral die Tatsachen aufgezählt und nebenbei erwähnt, dass die Anschuldigungen Ihnen gegenüber ziemlich dünn sind und mit passenden Beweisen leicht kippen können. Was er selbst über die Angelegenheit denkt, hat er für sich behalten. Aber jetzt, nachdem ich mit Ihnen gesprochen habe, glaube ich Ihnen.“
    __„Oh, danke.“
    __„Aber ich will Sie nicht weiter von Ihrer Arbeit abhalten.“
    __„Ich werde Bruder Cadfael ausrichten, dass du etwas gegen Kopfschmerzen brauchst.“ Er zögerte etwas und fügte noch hinzu: „Wo kann er dich finden?“
    __„Ich denke, dass ist nicht nötig. Ich habe mir eigentlich nur eine Ausrede ausgedacht, um Sie einmal kennenlernen und mir ein Bild von Ihnen machen zu können. Aber falls wir uns irgendwann mal über den Weg laufen und uns noch einmal mit einander unterhalten, mein Name ist Cedric.“
    __„Ich heiße Hiroshi Agasa, aber vielleicht weißt du das schon von dem Abt?“
    __„Nein, der Abt hat nur von einem älteren Mann und einigen Kindern gesprochen, aber keine Namen genannt.“ Danach verließ Cedric die Werkstatt.


    Kurze Zeit später später tauchte Ai wieder in der Werkstatt auf. „Der Pförtner hat gesagt, dass die drei tatsächlich das Abteigelände verlassen haben“, berichtete sie. „Als er gefragt hat, wo sie so ganz alleine hin wollten, haben sie gesagt, dass sie am Fluss nach irgend etwas suchen wollen.“
    __„Dann werden sie wohl heraus finden wollen, was der Unbekannte von der Brücke geworfen hat”, überlegte der Professor. Tatsächlich konnte er sich nicht vorstellen, dass die Kinder dort allzu viele Personen treffen würden - zumal die Aussage des Pförtners so klang, als ob sie sich bewusst eine Aufgabe gesucht hatten, wo sie keine mittelalterlichen Zeugen befragen mussten. „Ich denke, dann brauchen wir Conan erst einmal nicht zu stören“, fasste er Ai gegenüber seine Überlegungen zusammen. „Wir werden ihm einfach nach seiner Rückkehr davon erzählen, was Genta, Mitsuhiko und Ayumi angestellt haben. Und vielleicht sind die drei ja auch vor ihm wieder zurück, so dass wir dann genau wissen, ob sie überhaupt mit jemandem gesprochen haben.“

  • Hinweis:
    Ich habe nachträglich ein neues siebtes Kapitel eingefügt und den ursprünglich in dem obigen Beitrag enthaltene Kapitel als nunmehr achtes Kapitel in diesen neuen Beitrag verschoben.
    Diejenigen Leser, die das alte Kapitel („Die Leiche“) bereits kennen und das neue Kapitel („Cedric“) noch nicht, finden das neue Kapitel also nicht hier, sondern einen Beitrag darüber.



    KAPITEL 8


    Die Leiche


    Nachdem Conan dem Mönch erklärt hatte, woher Ayumis und Mitsuhikos Stimmen gekommen waren, holte er seine Brille aus der Tasche und aktivierte den Empfänger für die Signale der in den „Detective Boys“-Ansteckern eingebauten Peilsender. Soweit er es erkennen konnte, befand sich ein Peilsender im Klostergarten, und die anderen drei Peilsender befanden sich gemeinsam ein ganzes Stück weiter in nordwestlicher Richtung. Er brauchte nicht lange zu überlegen, um heraus zu finden, dass er dem Signal der drei Peilsender folgen musste. Also machte er sich auf den Weg dorthin.
    __„Musst du gar nicht nachfragen, wo sich die beiden befinden?“, fragte Bruder Cadfael daraufhin etwas verwundert.
    __„Nein, ich habe hier noch ein weiteres Hilfsmittel. In meiner Brille ist ein Empfänger für die Signale der Anstecknadeln eingebaut, so dass ich sehen kann, wo sie sind. Aber Sie können ruhig zurück zur Abtei gehen oder weiter nach Zeugen suchen oder so. Ich denke, ich komme auch alleine klar.“
    __„Ich werde dich nicht weiter alleine durch die Gegend laufen lassen. Euer Professor hat zwar gesagt, dass ihr alleine auf euch aufpassen könnt, aber doch nur, wenn ihr zusammen bleibt.“ Der Mönch schwieg einen Moment und kam dann erneut auf Professor Agasas Erfindungen zu sprechen: „Ich habe übrigens keine Ahnung, wie ich deine ‚Hilfsmittel‘ beurteilen soll. Die meisten Leute würden die Teile ohne zu zögern als Teufelswerk bezeichnen, aber ich habe auf meinen Reisen schon viel unglaubliches gesehen, und ihr habt ja erzählt, dass ihr aus der Zukunft kommt. Ich nehme an, in eurer Zeit sind das ganz alltägliche Dinge?“
    __Conan zögerte einen Moment. Tatsächlich waren Funkgeräte im zwanzigsten Jahrhundert nichts Ungewöhnliches, und über Peilsender würde sich auch keiner wundern, aber in der Form der „Detective Boys“-Anstecker wären das wohl eher Utensilien eines Geheimdienstes als Alltagsgegenstände. Auch der in seiner Brille eingebaute Empfänger war alles andere als normal. Aber weil er das dem Mönch gegenüber nicht so genau erklären wollte, sagte er schließlich einfach: „Ja, das könnte man so sagen.“


    Nachdem die beiden etwa zehn Minuten lang weiter gelaufen waren, bemerkte der Mönch: „Ich glaube, ich kann deine Kameraden schon sehen.“ Tatsächlich befanden sie sich auf einem Gelände, bei dem sich Conan nicht sicher war, ob er es eher als ‚Wiese mit vielen Obstbäumen‘ oder als ‚Obstgarten mit wiesenartig ungepflegtem Rasenboden‘ bezeichnen sollte. Kurz bevor dieser Obstgarten beim Fluss endete, standen Genta, Mitsuhiko und Ayumi bei einem Apfelbaum.
    __Sobald Bruder Cadfael und Conan nahe genug waren, deutete Ayumi neben dem Baumstamm auf den Boden und sagte: „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, wir haben hier eine Leiche gefunden.“ Tatsächlich lag an der bezeichneten Stelle der Körper einer jungen Frau.
    __„Eine Leiche?“, fragte der für den Kräutergarten zuständige Mönch. „Lasst mich mal sehen.“ Danach ging er zu der auf dem Boden liegenden Frau und fühlte nach ihrem Puls. „Die ist tatsächlich tot“, verkündete er.
    __„Und was machen wir jetzt mit der Frau?“, fragte Genta.
    __„Auf jeden Fall müssen wir die zuständigen Behörden informieren“, antwortete Conan. Anschließend wandte er sich an Bruder Cadfael: „Ich glaube, das ist hier Sheriff Prestcotte?“ Tatsächlich fühlte er sich überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, den Sheriff zu informieren. Dieser hatte schon den Professor für schuldig erklärt, nur weil ein Stadttorwächter jemanden mit seinem Laborkittel gesehen hatte. Wenn jetzt heraus kam, dass Genta, Mitsuhiko und Ayumi eine Leiche gefunden hatten, könnte der Sheriff vielleicht wieder etwas falsch verstehen und auch den Detective Boys irgend etwas anhängen.
    __Aber Bruder Cadfael wartete nicht ab, ob Conan seinem Unbehagen Ausdruck verlieh. „Wenn die Frau ermordet wurde, ist es tatsächlich seine Aufgabe, den Täter zu finden und für Gerechtigkeit zu sorgen“, bestätigte er. „Aber auf jeden Fall müssen wir den für sie zuständigen Priester informieren, damit sie anständig beerdigt werden kann. Und falls die Frau Angehörige hat, müssen die auch von ihrem Tod erfahren.“
    __„Aber wie finden wir heraus, wer der zuständige Priester oder die Angehörigen sind?“, fragte Ayumi.
    __„Zunächst einmal gehört der Obstgarten zur Abtei“, überlegte der Mönch. „Also können wir sie erst einmal in die Totenkammer des Klosters bringen. Und wenn wir den Bürgermeister der Stadt und den Vorsteher der Klostersiedlung fragen, können wir heraus finden, ob irgendwo eine Frau vermisst wird. Mehr als das können wir eigentlich nicht tun.“ Er zögerte einen Augenblick und fügte dann hinzu: „Vielleicht solltet ihr jetzt zur Abtei zurück kehren und dem Pförtner Bescheid sagen, dass wir hier eine Leiche haben. Dann kann er mit einigen weiteren Brüdern hierher kommen und mir tragen helfen.“
    __„Warum bitten wir nicht einfach Ai mit dem Mikroemitter, jemanden vorbei zu schicken?“, fragte Genta. „Das geht doch schneller.“
    __„Ganz einfach: Ai könnte dann nicht erklären, wie sie von der toten Frau erfahren hat“, antwortete Conan. „Außerdem wissen wir nicht, wer gerade in der Nähe steht und das Gespräch mit bekommen würde.“ Er schwieg einmal kurz und wechselte dann das Thema: „Wie kommt es überhaupt, dass ihr die Frau hier gefunden habt? Ich dachte, ihr wärt im Klostergarten und würdet bei der Gartenarbeit helfen?“
    __„Die drei sind ins Gästehaus gegangen, weil ihnen die Gartenarbeit zu langweilig war“, erklärte Bruder Cadfael. „Aber wie kommt ihr vom Gästehaus hier her? Hat euch der Professor den Ausflug erlaubt?“
    __„Nein, wir haben eigenmächtig entschieden, dass wir entlang des Flusses gucken, ob wir heraus finden, was der Unbekannte in den Fluss geworfen hat oder ob es in der Nähe vielleicht ein Versteck gibt, wo Nouel gefangen gehalten wird“, gab Mitsuhiko schuldbewusst zu. „Und auf dem Rückweg hat Ayumi die Leiche entdeckt.“ Tatsächlich konnte man die junge Frau von dem am Ufer entlang laufenden Weg aus unter dem Apfelbaum liegen sehen.
    __Während er die Leiche betrachtete, fiel dem jungen Detektiv auf, dass sie bis jetzt nur darüber gesprochen hatten, der Frau ein ordentliches Begräbnis zu geben und bei Bedarf den Sheriff zu informieren. Daher wandte er sich jetzt erneut an Bruder Cadfael: „Würden wir keine Beweise vernichten, wenn wir die Frau jetzt zur Abtei bringen? In unserer Zeit ist es so, dass die Leiche erst bewegt werden darf, wenn die Polizei - oder in diesem Fall der Sheriff - den Tatort untersucht und mögliche Spuren, die auf den Täter hinweisen, gesichert hat.“
    __„Wenn es nur darum geht, den Fall aufzuklären, ist das wohl auch angemessen“, stimmte der Mönch ihm zu. „Aber hier sind diese Dinge anders geregelt. Das Seelenheil der Verstorbenen - und dazu zählt auch eine angemessene Beerdigung - sind das Wichtigste, und die Spurensuche beginnt - wenn sie überhaupt statt findet - oft erst, wenn einer der Angehörigen oder irgend jemand Anderes den Sheriff darum bittet.“ Nach etwas Zögern fügte er noch hinzu: „Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Während ihr zum Kloster lauft und jemanden zum Tragen vorbei schickt, werde ich mir die Umgebung ansehen und nach möglichen Hinweisen suchen.“
    __Tatsächlich war es Conan gar nicht so recht, jetzt vom Fundort der Leiche weg geschickt zu werden. Er kannte den Mönch nicht gut genug, um zu wissen, ob dieser tatsächlich richtig nach Spuren suchen würde oder das nur so gesagt hatte, um die Kinder zur Abtei zu schicken. Um dafür sorgen zu können, dass die Spurensuche ordentlich ablief, fragte er: „Ist es nicht sinnvoller, wenn nur Genta, Mitsuhiko und Ayumi zum Kloster gehen und ich erst einmal noch hier bleibe? Falls es Probleme gibt und wir schnell etwas absprechen müssen, könnten wir uns dann per Funk unterhalten.“ Mit einem Blick auf seine Klassenkameraden fügte er noch hinzu: „Aber auch wirklich nur im Notfall. Falls es bei der Abtei Probleme gibt und der Professor helfen kann, fragt ihr zuerst den.“
    __Genta schien darauf schon etwas erwidern zu wollen, aber Bruder Cadfael kam ihm zuvor. „Hmm“, sagte er, „das klingt irgendwie sinnvoll.“
    __Nachdem das geregelt war, wandte sich Conan noch einmal an Genta, Mitsuhiko und Ayumi: „Sagt mal, gab es vor eurer Ankunft schon irgend welche sichtbaren Spuren - also so etwas wie platt getrampeltes Gras oder so etwas? Oder lag die Frau inmitten einer ansonsten unberührten Wiese?“
    __„Da du jetzt so danach fragst“, antwortete Ayumi, „sah die Wiese tatsächlich unberührt aus. Aber wahrscheinlich habe ich nur nicht richtig geguckt, denn irgendwie muss die Frau da ja hin gekommen sein.“ Nach einem kurzen Moment fügte sie noch hinzu: „Auf jeden Fall stammt das platt getretene Gras zwischen dem Ufer und der Leiche von uns.“
    __„Und weil Bruder Cadfael und ich von der anderen Seite gekommen sind, stammt die andere Spur von uns beiden“, fügte Conan überlegend hinzu. Tatsächlich gab es außer den beiden angesprochenen Spuren nicht das geringste Anzeichen von platt getretenem Gras.
    __„Was bedeutet das jetzt?“, erkundigte sich Genta. „Sollen wir jetzt zur Abtei gehen oder nach Spuren suchen, wie die Frau hier hin gekommen sein kann?“
    __„Ihr drei geht zur Abtei und schickt ein paar Erwachsene zum Tragen der Verstorbenen hier hin“, antwortete der Mönch. „Wahrscheinlich liegt sie hier schon so lange, dass das Gras Zeit hatte, sich wieder aufzurichten - und damit ist es nur um so wichtiger, dass wir sie für die Beerdigung vorbereiten.“


    Nachdem sich Conans Klassenkameraden auf den Weg gemacht hatten, sahen sich Bruder Cadfael und Conan erst einmal die Oberseite der Leiche und die nähere Umgebung an. Aber weder bei der Leiche noch in der Umgebung konnten sie wichtige Hinweise entdecken. Vielleicht gab es auf dem Rücken der Frau oder unter ihr irgend welche Hinweise, aber bevor die beiden sich dazu durchringen konnten, den Körper zu bewegen, waren auch schon ein paar von Cadfaels Mitbrüdern angekommen, und sie hatten auch ein Brett dabei, auf welches man die Frau für den Transport legen konnte. Mit vereinten Kräften hoben die Mönche die Leiche auf das Brett.
    __Als das erledigt war, wandte sich Bruder Cadfael an Conan: „Kommst du? Ich will dich hier nicht alleine zurück lassen.“
    __Aber Conan dachte nicht daran, jetzt schon mit zu kommen. „Wenn ich es richtig gesehen habe, hat die Frau auf ihrem Rücken einen sehr großen Blutfleck“, sagte er. Dann deutete er noch auf die Stelle, an der die Leiche bis gerade eben noch gelegen hatte: „Aber dort ist kein entsprechendes Blut zu sehen. Nur platt getretenes und durch fehlendes Licht ausgebleichtes Gras.“
    __Der eigentlich nur für den Kräutergarten zuständige Mönch hob den Körper der Frau noch einmal kurz an und warf einen Blick auf ihren Rücken. Danach sah er sich dort, wo die Frau gelegen hatte, das Gras an und sagte schließlich: „Tatsächlich. Also ist das wirklich ein Fall für den Sheriff.“
    __Anschließend machten sie sich gemeinsam auf den Weg zur Abtei.

  • Hallo Feuerdrache,


    da du so fleißig beim Kommentarmarathon mitmachst, denke ich, hast du dir nun auch etwas Feedback zu deiner Geschichte verdient. Davon abgesehen war ich ohnehin schon längere Zeit daran interessiert, wer eigentlich dieser Bruder Cadfael ist, da mir die Buchreihe absolut nichts sagt - da muss ich aber auch zugeben, dass ich historische Bücher bisher eher abgelehnt habe. Auf jeden Fall bieten die Charaktere eine interessante Prämisse: Ein Mordfall mitten im Mittelalter, wobei sich einige Charaktere auch erst an diese Zeit gewöhnen müssen. Das erzeugt durchaus Spannung und kann mit den richtigen Ermittlungen ungemein gut umgesetzt werden. Aber alles der Reihe nach.


    Zuallererst gefällt es mir, wie du die Dinge aus Cadfaels Sicht nicht als selbstverständlich hinnimmst, sondern verschiedene Begebenheiten aus seinen Augen umschreibst. Das Auto, die merkwürdige Kleidung der Kinder; all das passt zum Charakter, der damit nicht vertraut, aber doch daran interessiert ist, was auch seinen Weitblick für eine Sache beschreibt. Er wirkt dabei auffällig ruhig und nimmt die Situation als gegeben hin, anders als viele andere Geschichten es tun würden. Man merkt dadurch, dass ihn nichts so schnell aus der Fassung bringen kann und er trotz allem den guten Ton aufrecht erhalten kann. Anders sieht das beim Rest aus. Während Professor Agasa noch recht authentisch in seiner Rolle wirkt, sind es insbesondere die Kinder, die eher etwas steif wirken. Du musst dabei bedenken, dass sie einem Manga entspringen und daher, typisch für ein japanisches Medium, auch recht überdreht sein können, besonders in ihrem Alter. Am stärksten fällt das bei der nicht vorhandenen Begeisterung auf, etwas am Flussufer zu finden, die sie aber normalerweise bei der Suche nach einem Abenteuer vorantreibt. Ich kann nicht abschätzen, ob das beabsichtigt war, um die Ruhe in der Geschichte zu wahren, aber dadurch wirken die Charaktere alle recht ähnlich und würde man die Namen nicht kennen, würde man wohl auch wenige Unterschiede zwischen ihnen erkennen. Ob du daran in Zukunft etwas ändern möchtest, liegt bei dir.
    Zur Geschichte ist bisher eigentlich noch nicht viel bekannt, aber sie gleicht einem klassischen Krimi. Die Ankunft der Ermittler, gefolgt von einem vermeintlichen Mord und der Anklage eines Unschuldigen. Das ist zugegeben nichts Neues, wird aber dadurch ganz interessant gelöst, weil sich hier die Wichtigkeit der Zeugenaussage nach dem Stand in der Gesellschaft richtet. Das kann mitunter für die ein oder andere Überraschung sorgen und ich bin gespannt, wie du das weiter ausführen wirst. Zumal nun auch eine neue Leiche hinzugekommen ist, deren Ursprung noch nicht geklärt ist und der Sitefcousin eine große Stütze für die Gruppe sein könnte, aber das alles wird sich nicht herausstellen.
    Positiv erwähnen möchte ich auch deinen Schreibstil. Er ist sehr angenehm zu lesen, was wohl auch an der abwechslungsreichen Wortwahl liegt und zusätzlich achtest du auch genau auf die Form deiner Texte. Insofern gibst du dir auch technisch alle Mühe.


    Ich hoffe, dass dir der Kommentar für die Zukunft hilfreich ist und wer weiß, vielleicht liest man sich ja wieder einmal. Bis dahin!


    ~Rusalka

  • KAPITEL 9
    Leichenschau


    Es war schon kurz vor zwölf als Conan und die Mönche mit der Leiche bei der Abtei ankamen. Weil die Klosterbrüder das Mittagsgebet nicht verpassen wollten, hielten sie sich bei der Pforte nicht lange auf, statt dessen trugen sie die tote Frau direkt zur Leichenkammer und gingen gleich danach zu ihren Mitbrüdern in die Kirche.
    __Conan folgte ihnen nicht zum Gebet, sondern ging statt dessen direkt zum Refektorium, wo die Detective Boys bereits auf ihn warteten.
    __„Hast du irgend etwas heraus gefunden?“, fragte Mitsuhiko zur Begrüßung.
    __„Ich denke, es ist besser, wenn wir nicht hier und jetzt, sondern nach dem Mittagessen in unserem Zimmer im Gästehaus darüber reden“, antwortete Conan. „Hier sind mir zu viele andere Gäste, die das nichts angeht.“ Tatsächlich waren nicht nur die Detective Boys, sondern auch einige Einzelgäste und eine fünfköpfige Familie zum Mittagessen versammelt. Zu Letzterer gehörten neben den Eltern auch ein etwa siebzehn Jahre alter Junge, ein etwa genauso altes Mädchen und eine kleine Tochter von vielleicht sieben Jahren. Letztere war also etwa genauso alt wie Genta, Mitsuhiko und Ayumi. Conan fragte sich schon, was so eine Familie bewogen haben könnte, die Abtei zu besuchen, aber dann betrat Nouels Vater den Saal und setzte sich zu der fünfköpfigen Familie an den Tisch. Vielleicht war das ältere der beiden Mädchen in der Familie Nouels Braut? Irgendwie hatte Conan den Eindruck, als ob sie nicht sehr froh war, ihren Schwiegervater in spe zu sehen.


    Nach dem Mittagessen ging Conan zusammen mit Professor Agasa und den Detective Boys zum Gästehaus, um in ihrem Zimmer ungestört über die Ereignisse des Vormittags zu sprechen.
    __„Ich denke, wir sollten uns als erstes einmal über unsere Erkenntnisse bezüglich Nouels Verschwinden und dem großen Etwas unterhalten, was der Unbekannte in den Fluss geworfen hat“, begann er das Gespräch, nachdem sie die Zimmertür geschlossen hatten. „Um es kurz zu machen: Ich habe zwar viele Personen angesprochen, aber keine Zeugen gefunden. Ein Händler will immerhin die Augen offen halten und sich umhören.“ Danach ging er noch einmal genauer darauf ein, wen er so alles gefragt und welche unterschiedlichen Antworten er bekommen hatte.
    __„Wir sind ein ganzes Stück am Fluss entlang gelaufen und haben auch nichts gefunden“, berichtete Mitsuhiko. „Na ja, zumindest nichts, was der Unbekannte von der Brücke geworfen haben könnte.“ Er zögerte kurz und fragte dann noch: „Hast du die Leiche genauer untersucht? Oder gibt es andere Neuigkeiten, was die tote Frau angeht?“
    __„Nun lenk doch nicht ab“, wandte Ai ein.
    __„Nein, er hat schon Recht“, antwortete Conan. „Mit unserem ursprünglichen Problem sind wir nicht weiter gekommen. Was die tote Frau angeht: Die hat auf ihrem Rücken einen großen Blutfleck. Aber auf dem Gras im Obstgarten war kein Blut zu sehen. Also ist sie wahrscheinlich von hinten angegriffen und erst einige Zeit später in den Obstgarten gebracht worden.“
    __„Gibt es schon Hinweise auf die Identität der Frau?“, fragte Professor Agasa.
    __„Nein, nicht dass ich wüsste. Aber vielleicht können der Bürgermeister von Shrewsbury und der Vorsteher der Klostersiedlung da etwas weiter helfen.“
    __„Ich denke, wir sollten Bruder Cadfael und Sheriff Prestcotte die Sache mit der toten Frau überlassen und uns da nicht einmischen“, unterbrach Ai die Unterhaltung.
    __„Wieso denn das?“, fragte Conan.
    __„Ganz einfach: Wir haben mit der Suche nach Nouel schon genug zu tun, oder zumindest mit der Suche nach einem Beweis, dass der Professor unschuldig ist. Und sobald wir das geschafft haben, sollten wir gucken, dass wir wieder nach Hause kommen. Wenn wir uns jetzt zu weit in einen weiteren Fall einmischen, bewirkt das nur, dass die Menschen des Mittelalters bemerken, dass wir anders sind, und dann könnte es sein, dass wir noch mehr Probleme bekommen als nur die eine falsche Anschuldigung dem Professor gegenüber.“
    __„Ich denke, da hat sie Recht“, sagte der Professor. „Zumindest sollten wir das weitere Vorgehen mit Bruder Cadfael absprechen. Er scheint uns wohlgesonnen zu sein und durchaus etwas offener für ungewöhnliche Personen zu sein als andere Menschen des Mittelalters.“
    __Darauf hatte keines der Kinder etwas einzuwenden, auch wenn es Conan gegen den Strich ging, in einem Mordfall nicht nach dem Täter zu suchen.


    Tatsächlich sollte der kleine Detektiv aber doch noch weiter in die Sache mit der toten Frau verwickelt werden. Als er am Nachmittag zusammen mit Professor Agasa und den Detective Boys zum Kräutergarten ging, wurden sie nämlich bereits von Bruder Cadfael begrüßt, und dieser kam gleich als erstes auf die Leiche zu sprechen:
    __„Während der Mittagspause sind der Bürgermeister von Shrewsbury und der Vorsteher der Klostersiedlung vorbei gekommen und haben einen Blick auf die tote Frau geworfen. Leider haben sie sie noch nie zuvor gesehen, und soweit sie wissen wird in der Stadt und in der Umgebung auch keine Frau vermisst. Allerdings hat der Bürgermeister versprochen, Sheriff Prestcotte zu informieren, und dieser wird sicher einmal mit euch sprechen wollen. Auch wenn die Aussagen von Kindern fast kein Gewicht haben, könnte es ja dennoch sein, dass euch irgend etwas aufgefallen ist, was für den Fall von Bedeutung ist.“
    __„Heißt das, dass wir jetzt zu ihm hin laufen müssen?“, fragte Ayumi. „Also wo auch immer er normalerweise seine Zeugen hin bestellt?“
    __„Nein. Ich denke, er wird erst einmal hier zur Abtei kommen, um sich die Leiche einmal anzusehen. Und wenn er schon einmal hier ist, wird er auch hier in der Abtei mit euch reden.“ Er schwieg einen Moment und wechselte dann das Thema: „Ach ja, auf dem Weg zu dem Krankenbesuch habe ich versucht, einen Zeugen zu finden, der den Unbekannten mit Professor Agasas weißen Umhang oder Nouel gesehen hat. Leider hatte ich dabei aber keinen Erfolg.“
    __„Ich hatte auch keinen Erfolg, und auch Genta, Mitsuhiko und Ayumi haben am Fluss nichts gefunden“, fasste Conan die Ergebnisse der vorigen Besprechung im Gästehaus zusammen.
    __Nachdem auf diese Weise die neuesten Erkenntnisse ausgetauscht worden waren, begannen der Mönch und der Professor mit der Gartenarbeit. Die Kinder machten es sich erst einmal auf einer Bank gemütlich und beobachteten, wie sich die beiden Erwachsenen abmühten.


    Etwa eine halbe Stunde später kam Sheriff Prestcotte in den Kräutergarten. „Wenn ich es richtig gehört habe, habt ihr in eurem Obstgarten eine Leiche gefunden?“, fragte er.
    __„Ja, haben wir“, antwortete Ayumi.
    __Aber dann ergriff Bruder Cadfael das Wort: „Ein paar Mitbrüder und ich haben sie bereits in die Leichenkammer der Abtei geschafft, falls Sie sie sich ansehen möchten.“
    __„Das will ich allerdings. Vorher würde ich aber gerne wissen, wo das genau war und wie ihr sie gefunden habt. Immerhin kann es nicht schaden, Einzelheiten über den Tatort zu kennen.“
    __„Was das angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass die Kinder die Leiche nicht am Tatort gefunden haben, sondern dass sie woanders ermordet und danach in unseren Obstgarten gebracht wurde. Die Stelle, wo die Kinder sie gefunden haben, ist nicht weit vom Fluss entfernt, so dass man die Leiche von der Küste aus sehen konnte“, erklärte der Mönch. „Ich kann Sie nachher zu der Stelle hin bringen, dann können Sie sich den Fundort genau ansehen.“
    __Danach gab er den Detective Boys ein Zeichen, und Genta begann zu erzählen, wie er zusammen mit Ayumi und Mitsuhiko los gelaufen war, um am Fluss nach etwas zu suchen, was der Unbekannte von der Brücke geworfen haben könnte. Ayumi setzte den Bericht fort, indem sie beschrieb, wie sie auf dem Rückweg jemanden gesehen hatte, der in dem Obstgarten unter einem Apfelbaum lag und zu schlafen schien. „Wir sind eine Weile stehen geblieben und haben uns darüber unterhalten, wie jemand dazu kommen könnte, an so einer Stelle zu schlafen. Schließlich ist mir aufgefallen, dass die Frau sich in der ganzen Zeit überhaupt nicht bewegt hat, und da hielt ich es doch für besser, das einmal zu untersuchen.“
    __Um zu verhindern, dass die Kinder aus Versehen die Mikroemitter erwähnten oder sonst irgend welche Andeutungen machten, die nicht zum Mittelalter passten, ergriff nun Conan das Wort: „Kurz danach sind Bruder Cadfael und ich zufällig auf der anderen Seite des Obstgartens vorbei gekommen, und die drei haben sich bemerkbar gemacht.“ Das entsprach zwar nicht so ganz der Wahrheit, aber alles Andere hätte die Situation nur unnötig kompliziert gemacht.
    __Wenn Bruder Cadfael über diese Version der Ereignisse überrascht war, so ließ er sich das nicht anmerken. Statt dessen fügte er zu dem Bericht von Genta, Ayumi und Conan noch hinzu: „Ich habe die Frau kurz untersucht und bemerkt, dass sie tatsächlich tot ist. Dann habe ich Genta, Mitsuhiko und Ayumi zur Abtei geschickt, damit diese ein paar Brüder organisieren, um die Leiche zur Abtei zu bringen. Und als wir den Körper für den Transport auf ein Brett gehoben haben, ist Conan aufgefallen, dass sich auf dem Rücken ein sehr großer Blutfleck befindet, beim Gras war aber kein Blut zu sehen.“
    __„Das könnte schon ein Hinweis auf die Todesursache sein“, bemerkte der Sheriff. „Aber dennoch möchte ich mir die Leiche einmal ansehen. Wenn euch noch etwas einfällt“, fügte er noch an die Kinder gewandt hinzu, „ist es vielleicht am einfachsten, wenn ihr das Bruder Cadfael mitteilt und er es dann an mich weiter gibt.“ Danach verließ er zusammen mit dem Mönch den Klostergarten.
    __Irgendwie konnte Conan es sich nicht nehmen lassen, hinter her zu schleichen, um die beiden in der Leichenkammer zu belauschen - schon alleine aus dem Grund, dass er sich fast sicher war, dass Menschen des Mittelalters viel zu oberflächlich an die Untersuchung der Leiche gehen würden. Darüber, ob er sich die Leiche hinterher einmal ansehen oder ihnen gleich mit seinem Wissen, wie man im einundzwanzigsten Jahrhundert einen Mordfall untersucht, zur Hilfe kommen sollte, war er sich allerdings noch nicht so sicher. Nachdem die beiden Erwachsenen in der Leichenkammer angekommen waren, blieb der junge Detektiv erst einmal vor der offenen Tür stehen und lauschte unschlüssig ihren Worten.


    Tatsächlich war es Bruder Cadfael nicht entgangen, dass der Junge ihm und dem Sheriff gefolgt war. Aber er ließ sich das nicht anmerken, und nach der Reaktion des Sheriffs zu urteilen, war dieser nicht so aufmerksam, dass er Conan entdeckt hätte. Sobald sie die Leichenkammer betreten hatten, lenkte der Mönch die Aufmerksamkeit des Gesetzeshüters gleich auf die Leiche, indem er auf diese zeigte und sagte: „Da liegt sie.“ Nachdem er einen genaueren Blick darauf geworfen hatte, fügte er noch hinzu: „Wie ich sehe, haben meine Mitbrüder noch nicht damit angefangen, sie für die Beerdigung fertig zu machen.“
    __Der Sheriff trat zu der toten Frau. „Ein hübsches Gesicht hat sie“, bemerkte er.
    __„Aber wenn wir nach dem einfachen Gewand und den Muskeln in den Armen und Beinen gehen, denke ich, dass sie eher eine niedrige Position in der Gesellschaft hatte“, wandte Bruder Cadfael ein.
    __„Durchaus möglich. Ich tippe auf eine Stellung als Magd oder eine Leibeigene eines Grundbesitzers.“ Danach fing er an, den Körper der Frau genauer zu untersuchen.
    __Auch Cadfael ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sich den Körper noch einmal genauer anzusehen. Dabei suchte er vor Allem nach Hinweisen, die auf den möglichen Tatort hindeuten konnten. Tatsächlich hatten sich zwischen den Haaren der Frau einige Wollfusseln verfangen.
    __„Wollfusseln? In den Haaren?!“, fragte der Sheriff nachdem der Mönch ihm darauf aufmerksam gemacht hatte.
    __„Wahrscheinlich war sie nach ihrem Tod für einige Zeit mit einer Wolldecke zugedeckt. An ihrem Gewand können wir leider keine Spuren entdecken, weil Wollfusseln auf einem einfachen Wollgewand nicht auffallen.“
    __Ansonsten waren auf der Vorderseite der Leiche keine weiteren Hinweise zu finden. Der Mönch untersuchte dabei nicht nur den Schmutz unter den Fingernägeln, sondern suchte auch bei deutlich ungewöhnlicheren Stellen - wie in den Ohrmuscheln, in den Nasenlöchern oder im Mund der Toten nach möglichen Hinweisen. „Falls sich nicht noch etwas unter der Kleidung versteckt, ist auf der Vorderseite nicht noch mehr zu entdecken“, sagte er schließlich.
    __„Gut, dann sollten wir sie erst einmal umdrehen und erst danach ausziehen“, stimmte der Sheriff dem zu. Mit vereinten Kräften drehten sie die Leiche um.
    __Dabei bemerkte der Mönch aus den Augenwinkeln bei der Tür eine Bewegung. Als er genauer hin guckte, sah er, dass Conan gerade hinter einer Säule verschwand. Anscheinend hatte der Junge die Ablenkung beim Umdrehen der Leiche ausgenutzt, um die Leichenkammer zu betreten und sich ein etwas näheres Versteck zu suchen. Der Mönch überlegte einmal kurz, ob er ihn wieder in den Kräutergarten schicken sollte, aber dadurch würde er den Sheriff auf den Jungen aufmerksam machen. Das würde wohl zu Fragen führen, die von dem eigentlichen Mordfall ablenkten. Aber sollte er den Jungen deshalb sehen lassen, wie er bei der Untersuchung einer Leiche vorging? Er zögerte kurz, aber dann dachte er sich, dass der Tod etwas ganz natürliches war. Ein Mord war zwar seltener, aber irgendwie schätzte Cadfael Conan inzwischen schon als für sein Alter sehr weit entwickelt ein. Vielleicht sollte er es einfach drauf an kommen lassen.
    __Der Sheriff hatte davon anscheinend nichts mit bekommen. Sobald die tote Frau auf dem Bauch lag, sagte er: „Ah, ja. Das ist also der bereits erwähnte Blutfleck. Da muss wirklich eine ganze Menge Blut geflossen sein.“ Kurz danach fügte er noch hinzu: „Wenn ich das richtig sehe, ist der Stoff hier zerschnitten worden. Wahrscheinlich hat da jemand ein schmales Messer oder einen Dolch verwendet und die Frau damit erstochen.“
    __Tatsächlich war an der bezeichneten Stelle ein etwa zwei Zentimeter langer Schnitt zu sehen. Aber dennoch hielt Cadfael es für angemessen, dem Sheriff zu widersprechen: „Das würde nicht zu der Größe des Blutflecks passen. Wenn man das Messer oder den Dolch heraus zieht, schließt sich die Wunde nämlich wieder, und es fließt kaum noch Blut.“ Tatsächlich hatte er auf dem Kreuzzug viele Wunden gesehen, so dass er deren Auswirkungen gut einschätzen konnte. „Aber wenn wir gleich die Kleidung entfernen, können wir uns das genauer ansehen. Vielleicht gibt es ja auch noch andere Verletzungen.“
    __„Was ist das?“, fragte der Sheriff und deutete auf eine Stelle, bei der im Blut irgend etwas hängen geblieben war.
    __Cadfael sah sich die Stelle genauer an und trennte vorsichtig das Blatt eines Laubbaumes aus dem Blut. „Das ist ein Eichenblatt“, stellte er fest. „Und das hier“, er trennte noch etwas aus dem Blut, „ist ein Rosenblatt. Also hat die Frau wohl kurz nach ihrem Tod irgendwo gelegen, wo in der Nähe eine Eiche und ein Rosenstrauch zu finden sind.“
    __„Das ist aber keine besonders seltene Kombination“, stellte der Sheriff fest.
    __„Aber es ist immerhin ein Anhaltspunkt.“
    __Weil das alle Hinweise waren, die das trocknende Blut eingefangen hatte, guckten sie sich noch den Rest des Rückens und die Rückseite der anderen Körperteile an, konnten aber nichts weiter finden.
    __„Ich denke, wir sollten jetzt die Kleidung entfernen und nachsehen, ob wir dann die Todesursache und den Grund für das viele Blut heraus finden können“, schlug Cadfael vor.
    __Also begannen sie, die Leiche auszukleiden. Cadfael faltete die Kleidungsstücke zusammen und legte diese genau neben die Säule, hinter der sich Conan versteckt hatte. Dabei gab er dem Jungen leise zu verstehen, dass dieser sich weiterhin versteckt halten und still bleiben sollte.
    __Schließlich hatten der Mönch und der Sheriff die Frau unbekleidet vor sich liegen. Tatsächlich gab es nur eine einzige Verletzung - und zwar genau an der Stelle, an der das Gewand zerschnitten worden war. Bevor Cadfael sich die Stelle genauer ansehen konnte, sagte der Sheriff: „Das war doch ein Messer, und die Klinge ist abgebrochen und steckt noch in der Wunde.“
    __Der Mönch sah sich die Stelle etwas genauer an und bemerkte dann: „Die Klinge steckt aber quer zu dem Schnitt in der Kleidung. Anscheinend hat der Täter das Messer nicht einfach wieder heraus gezogen, sondern es erst einmal gedreht, und dabei ist die Klinge wohl auch abgebrochen.“ Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Durch die quer stehende Klinge konnte sich die Wunde auch nicht mehr schließen, und weil die Frau danach wohl auf dem Rücken lag, ist der ganze Lebenssaft hier heraus geflossen.“
    __„Gut, dann wissen wir also jetzt, wie die Frau gestorben ist, aber noch nicht, wo. Und vom Täter haben wir auch noch keine Spur.“
    __„Ich denke, als nächstes sollten wir uns die Stelle ansehen, an der die Kinder die Leiche gefunden haben“, schlug der Mönch vor.
    __Der Sheriff war einverstanden, und so verließen die beiden Männer die Leichenkammer.


    Conan blieb noch einen Moment zurück. Nach dem, was er bei dieser mittelalterlichen Leichenschau gesehen hatte, hatte er keine Zweifel mehr daran, dass der Mordfall bei Bruder Cadfael gut aufgehoben war. Trotzdem ging er noch einmal zu der Leiche und suchte seinerseits nach Hinweisen. Aber der Mönch und der Sheriff hatten gute Arbeit geleistet, so dass auch er keine weiteren Hinweise fand. Schließlich ging er wieder zu Professor Agasa und den Detective Boys in den Kräutergarten. „Die Frau ist wohl wirklich von hinterrücks erstochen worden“, erklärte er ihnen stark vereinfachend.

  • In der letzten Zeit hatte ich im RL viel zu tun, so dass ich nicht wirklich dazu gekommen bin, viel an meiner Fanfiction weiterzuschreiben. Aber ich denke, ein kurzes Kapitel ist immerhin besser als gar keines.




    KAPITEL 10


    Hochzeitspläne


    Aufgrund der aufregenden Ereignisse des Tages hätte Bruder Cadfael fast vergessen, das fertige Heilmittel in Flaschen abzufüllen. Erst während des Komplets fiel es ihm wieder ein, und so nutzte er die eigentlich zum Entspannen gedachte halbe Stunde zwischen dem Tagesschlussgebet und der Nachtruhe, um noch einmal zu seiner Werkstatt zu gehen und das Vergessene nachzuholen. Nachdem das erledigt war, bemerkte er auf dem Rückweg durch den Kräutergarten ein etwa siebzehn Jahre altes Mädchen.
    __„Darf ich Sie kurz stören?“, sprach sie ihn an.
    __„Aber sicher doch“, antwortete der Mönch und sah sich die Fragestellerin einmal genauer an. Sie hatte schulterlange dunkelblonde Haare und trug ein einfaches weißes Gewand. „Worum geht es?“
    __„Können Sie mir etwas über den Professor erzählen, der Ihnen hier im Kräutergarten hilft? Mein Bruder hat mir erzählt, dass er ihn für unschuldig hält. Aber irgendwie klingt die Geschichte mit dem Unbekannten, der den Umhang entwendet, für mich zu sehr nach einer Ausrede.“
    __„Ich bin von seiner Unschuld überzeugt. Als wir den Umhang hier im Kräutergarten gefunden haben, war er einfach viel zu sehr überrascht, als dass das vorgespielt gewesen sein könnte. Und falls dir das nicht ausreicht, brauchst du dir nur einmal anzusehen, mit welchem Eifer die Kinder versuchen, ihm zu helfen. Das würden sie sicher nicht machen, wenn sie nicht absolut auf seiner Seite stünden, und sie kennen ihn deutlich besser als ich.“
    __„Heißt das, dass Nouel noch lebt?“
    __„Das kann ich dir leider nicht beantworten. Wir wissen nur, dass er verschwunden ist und das bis jetzt jede Suche nach ihm erfolglos war. Vielleicht lebt er noch, vielleicht auch nicht, und vielleicht finden wir nie heraus, was mit ihm passiert ist.“
    __„Von mir aus kann er gerne verschwunden bleiben“, murmelte das Mädchen. „Ich will ihn nicht heiraten.“
    __„Kind, so etwas darfst du nicht sagen! Selbst wenn du ihm gegenüber eine Abneigung verspürst, ist es ein Unding, jemandem etwas Schlechtes zu wünschen.“
    __„Nein, ich habe keine Abneigung gegen ihn. Ich kenne ihn ja noch nicht einmal. Aber ich würde viel lieber meinen Bruder heiraten.“
    __„Deinen Bruder? Du weißt doch, dass das nicht geht?“
    __„Natürlich geht das. Schließlich sind wir nicht wirklich Geschwister, sondern er ist nur mein Stiefcousin. Streng genommen sind wir also gar nicht mit einander verwandt. Nur meine Eltern versuchen uns so zu erziehen, als ob wir Geschwister wären.“
    __Damit sah die Sache tatsächlich schon etwas anders aus. Natürlich entstanden durch eine Hochzeit weitere Verwandtschaftsbeziehungen, aber dennoch gehörte ein Stiefcousin normalerweise nicht zum engsten Familienkreis. Ob in diesem Fall eine Vermählung der beiden möglich war, mussten wohl im Einzelfall die Eltern und die zuständigen Priester entscheiden. Etwas unsicher, was er antworten sollte, sah er sich das Mädchen noch ein paar Augenblicke interessiert an. Schließlich fragte er: „Und was sagen deine Eltern zu der Angelegenheit?“
    __„Mein Stiefvater ist ganz versessen darauf, mich mit de Sommes Sohn zu verheiraten. Ich denke, es geht ihm nicht so sehr darum, dass ich durch die Heirat gesellschaftlich aufsteige, sondern mehr darum, dass er diese Hochzeitspläne schon vor Jahren ausgehandelt hat und jetzt keinen Rückzieher machen kann, ohne vor Nouels Vater dumm da zu stehen.“
    __„Und deine Mutter?“
    __„Die würde mir zwar gerne helfen, aber sie will sich auch nicht über die Entscheidung meines Stiefvaters hinweg setzen.“
    __„Ach so, ich verstehe“, sagte der Mönch.
    __„Aber ich habe Sie eigentlich nicht aufgesucht, um über die Liebe zu sprechen“, wechselte das Mädchen erneut das Thema. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie mir erklären könnten, wieso Cedric überzeugt sein kann, dass der Professor unschuldig ist.“
    __„Das kann ich leider nicht. Warum fragst du deinen Stiefcousin nicht einfach selbst?“
    __„Das habe ich schon. Er hat nur gesagt, dass er mit dem Professor gesprochen hat und von dessen Unschuld überzeugt ist. Seine Gründe dafür wollte er mir nicht nennen.“ Sie schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Aber ich will Sie nicht weiter aufhalten. Gute Nacht, Bruder.“
    __„Gute Nacht“, antwortete Bruder Cadfael.

  • Hallo Feuerdrache,


    auf die neuen Kapitel war ich schon sehr gespannt, da ja gar nicht so viel Zeit seit dem Fund der Leiche vergangen ist. Daher war auch mal abzuwarten, was der Sheriff zu der ganzen Situation sagen wird und er hält sich ja vorerst noch einigermaßen zurück. Ich bin froh darüber, dass er nicht so heißblütig wie andere urteilt und sofort einen Schuldigen sucht, sondern sich erst einmal ein Bild der ganzen Situation verschafft. All zu viel Neues habe ich dabei während des Lesens nicht mitbekommen, weil vieles ja schon aus dem vorherigen Kapitel bekannt war. Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass es außer dem Professor noch keine weiteren eindeutigen Verdächtigen gibt oder Leute, die zu der Zeit an einem auffälligen Ort waren. Aber sie sind da: Der verschwundene Nouel und das Mädchen aus dem letzten Kapitel zum Beispiel. Aber für Verdächtigungen ist hier noch zu viel Spielraum und noch ist auch nicht abzusehen, was sie genau mit dem Fall verbindet. Daher muss das wohl mal vertagt werden.
    Apropos Mädchen, es ist interessant zu sehen, dass sie über Nouels Verschwinden gar nicht mal traurig ist und schon eigene Pläne geschmiedet hat. Normalerweise sah das im Mittelalter ja anders aus, wenn ich mich richtig erinnere und es ist auch eine nette Thematik, die du damit ansprichst.. Sie könnte in den Ermittlungen also noch mal wichtig werden, falls sie etwas weiß.


    In diesem Sinne freue ich mich über die weitere Entwicklung. Bis dahin!

  • KAPITEL 11
    Die ertränkte Strohpuppe


    Am nächsten Tag kümmerten sich Bruder Cadfael, Professor Agasa und die Detective Boys wieder um die anstehende Gartenarbeit. Tatsächlich lagen die meisten Felder des Klosters außerhalb der Klostermauern, und weil dort auch einige Arbeit an stand, hatte der Mönch vorgeschlagen, dass sich der Professor alleine um die weiteren Aufgaben im Kräutergarten kümmern sollte, während er selbst zusammen mit den Kindern außerhalb des abgegrenzten Abteigeländes auf den Feldern nach dem Rechten sehen könnte.
    __So kam es, dass Conan zusammen mit Bruder Cadfael und den Detective Boys gerade auf einer Wiese mit der Heuernte beschäftigt war, als sie vom Fluss her angesprochen wurden: „Vermisst ihr zufälligerweise eine Strohpuppe?“
    __Als Conan sich umdrehte, bemerkte er einen kleinwüchsigen, krummbeinigen Flussschiffer, dessen Alter sich nicht so leicht schätzen ließ. Dieser hatte sein Boot nahe ans Ufer gesteuert und machte es jetzt für ein kurzes Gespräch an einem der an der Uferböschung wachsenden Sträucher fest.
    __„Nein, mit Strohpuppen haben wir nichts zu tun“, antwortete Bruder Cadfael. Murmelnd fügte er noch hinzu: „Es sei denn, das wäre ... Nein, das kann nicht sein. Dann hätte er die Sache sicher schon mit dem Sheriff besprochen.“ Anschließend wandte er sich an Conan und die Detective Boys: „Das ist übrigens Madog. Er kennt sich sehr gut mit den Strömungen des Flusses aus.“
    __„Könnte er uns dann vielleicht sagen, wo das große Etwas angeschwemmt worden ist, was der Unbekannte von der Brücke geworfen hat?“, mischte sich Conan in das Gespräch ein.
    __„Aber wir haben den Fluss doch gestern schon abgesucht. Da ist nichts zu finden“, entgegnete Mitsuhiko.
    __„Vielleicht ist es aber auch nur an einer unübersichtlichen Stelle angeschwemmt worden“, antwortete Conan auf den Einwand, „oder die Strömung ist zu stark und es ist weiter getrieben worden als ihr gedacht habt.“
    __„Ich bin mir sicher, dass Madog euch die möglichen Stellen zeigen kann“, antwortete der Mönch. „Aber das wird wohl nichts bringen, weil er sicher schon an den passenden Stellen nachgesehen hat. Hugh wollte ja auf dem Weg zu seiner Frau noch kurz bei ihm vorbei schauen.“
    __„Worüber redet ihr denn da?“, fragte der Bootsmann etwas verwundert. „Ich war zwei Tage unterwegs und habe weder vorher noch danach mit Hugh Beringar gesprochen.“
    __„Wahrscheinlich hat er dich deshalb auch nicht angetroffen“, vermutete der Mönch. „Irgend ein Unbekannter hat irgend etwas Großes in den Fluss geworfen“, erklärte er dem Bootsmann, „und es besteht der Verdacht, dass es sich dabei um den Körper eines verschwundenen Gastes der Abtei handeln könnte.“
    __„Und ihr habt gestern schon danach gesucht?“, fragte Madog nach. „Nein, ich denke dann kann es sich nicht um den Körper eures Gastes gehandelt haben. Ich bin heute schon den Fluss entlang gefahren, und eine Leiche oder ein anderer Körper wäre mir dabei sicher aufgefallen.“
    __„Wenn es sich nicht um eine Leiche handelt, wird das euren Professor sicher entlasten“, überlegte der Mönch. „Aber dafür müssen wir das Teil finden und nachweisen können, dass das wirklich das war, was der Unbekannte ins Wasser geworfen hat.“
    __„Und wenn wir Pech haben, hat das Wasser den Gegenstand mitgenommen, und dieser ist bereits im Meer gelandet“, fügte Ai hinzu.
    __„Wenn es sich um etwas großes handelt und nicht so schwer ist, dass es sofort versinkt, ist es auf jeden Fall irgendwo angeschwemmt worden“, antwortete der Bootsmann. „Wo genau hängt davon ab, um was für einen Gegenstand es sich gehandelt hat und ob euer Unbekannter diesen eher in die Mitte oder eher an den Rand des Flusses geworfen hat.“ Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Seit wann sucht ihr denn den Gegenstand?“
    __„Seit vorgestern“, antwortete der Mönch. „Aber von der Brücke geworfen hat der Unbekannte das Teil bereits am Samstag Abend irgendwann zwischen der Vesper und dem Komplet.“
    __„Na dann kann ich euch sagen, was es war“, rief der Bootsmann. „Ich habe die Strohpuppe hier am Sonntag früh aus dem Wasser gefischt, weil ich sie zunächst für eine Leiche gehalten habe. Aber weil ich mich da offensichtlich getäuscht hatte, habe ich sie einfach auf die Zwei-Tages-Reise mitgenommen und erst jetzt angefangen, nach dem Besitzer zu suchen.“ Dabei deutete er auf eine mit Gewändern bekleidete Figur, die neben ihm auf dem Boot lag. „Eine dunkelblaue Cotte, weinrote Beinlinge und ein dunkelblauer Umhang. Das sind mit Sicherheit keine Kleidungsstücke, die man einfach so weg wirft“, fügte er noch hinzu.
    __Irgendwie kam genau diese Farbgebung Conan bekannt vor. Um seinen Verdacht zu überprüfen, ging er etwas näher an das Boot heran und warf einen Blick auf die Strohpuppe. Tatsächlich hatte er den verschwundenen Gast am Samstag nur kurz gesehen, aber trotzdem war er sich sicher: „Ich glaube, das sind die Sachen, die Nouel Samstag getragen hat“, verkündete er.
    __„Nouel?“, fragte Bruder Cadfael und warf nun ebenfalls einen genaueren Blick auf die Strohpuppe. „Die Kleidung passt zumindest auf die Beschreibung, die uns sein Vater im Kapitelsaal gegeben hat. Aber um sicher zu sein, müssten wir wohl Herrn de Somme darum bitten, die Sachen zu identifizieren.“
    __„Wo finden wir Herrn de Somme?“, erkundigte sich Madog.
    __„Wahrscheinlich im Gästehaus“, antwortete der Mönch. „Er und sein Sohn haben sich dort vor ein paar Tagen einquartiert, damit Nouel seine zukünftige Braut kennen lernen kann.“
    __„Gut, dann werde ich mich darum kümmern, dass er die Kleidung identifiziert“, sagte der Bootsmann. Danach steuerte sein Boot in die Richtung der Brücke, in deren Nähe sich der Haupteingang des Klosters befand.
    __„Damit sollte Professor Agasa doch nichts mehr zu befürchten haben?“, erkundigte sich Ayumi. „Immerhin war es keine Leiche, die der Unbekannte von der Brücke geworfen hat, und damit ist die Anschuldigung ihm gegenüber doch beseitigt?“
    __„Nein, im Gegenteil“, antwortete Conan. „Es beweist, dass der Unbekannte irgend etwas mit Nouels Verschwinden zu tun gehabt hat.“
    __„Und deshalb sollten wir zusehen, dass wir in den Kräutergarten kommen“, ergänzte der Mönch. „Falls de Somme wegen der Kleidung ausrasten sollte, ist es nicht gut, wenn er den Professor alleine antrifft.“

  • KAPITEL 12
    Das Geständnis


    Als Bruder Cadfael zusammen mit den Kindern gerade die Klosterpforte passierte, bemerkte er einen etwa siebzehn Jahre alten Jungen mit einem kreidebleichen Gesicht. „Kann ich einen Moment mit Ihnen reden?“, sprach dieser den Mönch an.
    __„Natürlich“, antwortete Cadfael. Auf den zweiten Blick erkannte dieser, dass es sich bei dem Jungen um niemand anderen als Cedric, Rebekkas Stiefcousin, handelte. Eigentlich wollte er den Professor nach den neuen Erkenntnissen mit der Strohpuppe nicht mehr lange im Kräutergarten alleine lassen, aber eine kurze Verzögerung würde sicher nicht schaden, zumal Madog Nouels Vater erst einmal finden und ihm die Strohpuppe zeigen musste. „Worum geht es denn?“
    __„Ich habe einen großen Fehler gemacht“, antwortete Cedric. „Wenn wir ihn nicht rechtzeitig finden und er deshalb stirbt, würde ich mir das nie verzeihen.“
    __„Wer ist ‚er‘?“
    __„Na, Nouel, natürlich!“, rief der Junge. Irgendwie wirkte es, als ob er im Moment etwas durcheinander war.
    __„Ich denke, es ist am besten, wenn du erst einmal mit zu meiner Werkstatt kommst“, schlug der Mönch vor. „Dort habe ich ein Mittel, was dich stärken wird, und nachdem du davon getrunken hast, kannst du mir alles in Ruhe erzählen.“
    __Der Junge war mit diesem Vorschlag einverstanden, und so gingen sie zusammen in den Kräutergarten. Dort liefen die Kinder zu ihrem Professor, um ihm wohl von den neuen Erkenntnissen mit der Strohpuppe zu erzählen. Bruder Cadfael betrat zusammen mit Cedric die Werkstadt. Dort deutete der Mönch auf eine Bank. „Setz’ dich“, sagte er. Anschließend griff er ins Regal und füllte für den Jungen einen Becher mit einem Kräuterwein, den er im vorigen Jahr selbst hergestellt hatte.
    __„Danke”, sagte Cedric, nachdem er den Becher ausgetrunken hatte. „Ich glaube, es geht mir schon wieder etwas besser.“
    __„Gut so“, bemerkte der Mönch. „Du hast vorhin gesagt, dass wir Nouel finden müssen, weil er sonst sterben könnte. Ist er im Moment in unmittelbarer Gefahr?“
    __„Nein, das nicht gerade. Aber es könnte sein, dass er verhungert.“
    __„Hast du eine Idee, wo wir nach ihm suchen sollten?“
    __„Nein, da habe ich keine Ahnung.“
    __„Wenn dem so ist, würde ich vorschlagen, dass du noch einmal von Vorne anfängst und mir sagst, was du genau für einen Fehler gemacht hast. Vielleicht fällt uns so ein Hinweis auf, der uns zu ihm führt.“
    __Der Junge zögerte etwas. „Vielleicht sollte ich dann auch noch etwas weiter ausholen, damit Sie meine Gründe verstehen können“, murmelte er und fügte nach einer weiteren kurzen Pause noch hinzu: „Das wird dann aber eine lange Geschichte.“
    __„Ich habe Zeit.“
    __„Also gut“, sagte Cedric, und nach einer kurzen Pause fing er an zu erzählen.


    „Nachdem meine Eltern kurz nach meiner Geburt verstorben sind, habe ich zunächst einmal ein halbes Jahr auf dem Hof von Onkel Johann gewohnt - das ist mein Onkel mütterlicherseits. Aber dann hat eine gute Bekannte von ihm meinen Onkel väterlicherseits geheiratet, und weil die Bekannte damals bereits eine Tochter in meinem Alter hatte, haben Onkel Johann, Onkel Waldemar und Tante Rowena beschlossen, dass ich vielleicht besser bei Onkel Waldemar, Tante Rowena und Rebekka leben sollte.“ Er zögerte kurz und fügte dann hinzu: „Onkel Waldemar ist mein Onkel väterlicherseits, Tante Rowena nicht nur die Bekannte Johanns, sondern auch meine Stieftante, und Rebekka ist meine Stefcousine.
    __Onkel Waldemar und Tante Rowena haben mich eigentlich immer so erzogen, als ob ich ihr eigener Sohn wäre, aber sie haben auch von Anfang an klar gemacht, dass ich rechtlich gesehen nicht Rebekkas Bruder, sondern ihr Stiefcousin bin. Ich mag Rebekka sehr, und sie mich auch, und weil auch Onkel Waldemar und Tante Rowena schon oft gesagt haben, dass wir beide gut zusammen passen, bin ich eigentlich immer davon ausgegangen, dass ich Rebekka zur Frau nehmen kann, sobald wir alt genug dafür sind.
    __Vor einem halben Jahr hat sich die Sache allerdings schlagartig geändert. Tante Rowena hat damals einen Brief bekommen, und weil sie nicht lesen kann, ist sie zusammen mit Onkel Waldemar zu unserem Pastor gegangen. Als sie wieder zurück kamen, hat Onkel Waldemar klar gesagt, dass Rebekka einen mir unbekannten Nouel de Somme heiraten muss. Ich weiß zwar nicht, was in dem Brief stand, aber anscheinend ist die Hochzeit zwischen Rebekka und Nouel noch mit Rebekkas leiblichem Vater ausgehandelt worden, und Onkel Waldemar will sich da nicht darüber hinweg setzen.
    __Mir passt diese ausgehandelte Hochzeit überhaupt nicht, aber mein Onkel lässt sich da nicht so leicht überreden. Ich bin mir sicher, dass auch Rebekka lieber mit mir zusammen sein will als mit irgend jemandem, den wir bis jetzt noch gar nicht kennen gelernt haben. Um zu verhindern, dass die Hochzeit jetzt zu schnell durchgezogen wird, habe ich Ida gebeten Nouel zu entführen. Ida ist eine Leibeigene auf Onkel Johanns Hof. Und vorhin habe ich zufällig einen Blick in die Leichenkammer hier geworfen und Ida tot darin liegen gesehen. Und wenn sie tot ist, kann sie uns natürlich nicht mehr verraten, wo sie ihn versteckt hat.“
    __„Die Kinder draußen haben ihre Leiche gefunden“, merkte Bruder Cadfael an. „Offensichtlich ist sie erstochen worden, aber bis jetzt hatten wir keine Ahnung, wer das ist, und vom Täter oder einem Motiv für die Tat fehlt uns auch jede Spur.“
    __„Vielleicht sollten wir in der Umgebung des Tatortes gucken, ob Nouel dort irgendwo versteckt ist?“, schlug Cedric vor.
    __„Was das angeht, haben wir keine Ahnung, wo sie ermordet wurde. Der Täter hat sie nämlich nach der Tat vom Tatort fortgeschafft und auf einem unserer Felder unter einen Apfelbaum gelegt.“


    Das Gespräch zwischen dem siebzehn Jahre alten Jungen und dem Mönch wurde an dieser Stelle unterbrochen, denn vom Kräutergarten drang die Stimme von Nouels Vater herein: „Was haben Sie mit meinem Sohn gemacht?“
    __Als der Mönch daraufhin aus dem Fenster blickte, sah er, dass de Somme in den Kräutergarten gekommen war und seinen offensichtlich vorhandenen Ärger an Professor Agasa auszulassen versuchte. Neben den beiden standen Madog und die Kinder.
    __„Ich habe gar nichts mit ihm gemacht“, antwortete der Professor.
    __„Jetzt lügen Sie mal nicht. Sie sind beobachtet worden, als Sie etwas Großes in den Fluss geworfen haben, und dabei hat es sich um eine Strohpuppe mit seiner Kleidung gehandelt.“
    __„Wie oft soll ich es denn noch sagen? Zu der fraglichen Zeit habe ich im Gästehaus gelegen und geschlafen. Der Unbekannte mit dem weißen Umhang muss mir meinen Laborkittel entwendet haben.“
    __„Das sind ja nur Ausreden. Warten Sie mal ab, bis ich den Sheriff über den Fund der Strohpuppe unterrichtet habe“, drohte Nouels Vater.


    In Cadfaels Werkstatt war Cedric aufgesprungen. Anscheinend hatte er vor, sich in das Gespräch zwischen dem Professor und Nouels Vater einzumischen, aber Cadfael hielt ihn davon ab. „Überleg’ erst einmal, ob es wirklich hilft, wenn du dich jetzt Hals über Kopf dort einmischst“, raunte er dem Jungen zu.
    __Durch das Fenster konnten die beiden nun beobachten, wie de Somme den Kräutergarten verließ. Anscheinend war das Gespräch nach der Drohung sowieso beendet gewesen.
    __Der Mönch ließ sich nun die Aussage des Jungen noch einmal durch den Kopf gehen und fragte dann: „Bist du dir eigentlich sicher, dass Ida die Entführerin war?“
    __„Nein. Aber wer sollte es sonst gewesen sein?“
    __„Ich weiß es nicht. Aber da gibt es eine Sache, die nicht zu deiner Geschichte passt - und genau deshalb war de Somme gerade auch im Kräutergarten. Madog hat nämlich heraus gefunden, was der Unbekannte mit dem weißen Umhang in den Fluss geworfen hat. Es war eine Strohpuppe, die mit Nouels Kleidung bekleidet war. Ich nehme an, darum hast du Ida nicht gebeten?“
    __„Nein, das nicht. Aber vielleicht hat sie gemeint, es würde mir noch mehr helfen, wenn man Nouel erst einmal für tot hält.“
    __Der Mönch war sich nicht so sicher, ob er so leichtfertig über die Sache mit der Strohpuppe hinweg sehen durfte. Nachdem er da aber auch zu keiner einfachen Lösung kam, fragte er: „Bist du eigentlich bereit, über deinen Auftrag, dass Ida Nouel entführen soll, die Beichte abzulegen?“
    __„Ja, natürlich. An wen muss ich mich da wenden?“
    __Cadfael überlegte kurz. In der Abtei gab es eine ganze Reihe von Mönchen, die die Priesterweihe empfangen hatten, und jeder von ihnen war zur Abnahme der Beichte berechtigt. Andererseits hatten sie hier einen wirklich speziellen Fall, und Abt Radulfus hatte explizit gesagt, dass die anderen Mönche nicht in die Sache mit dem Professor hinein gezogen werden sollten. „Ich glaube, es ist am sinnvollsten, wenn du die Beichte bei unserem Abt ablegst“, sagte er schließlich.

  • KAPITEL 13
    Bruder Oswin


    Nachdem Cedric für den Entführungsauftrag die Beichte abgelegt hatte, bat Abt Radulfus Bruder Cadfael zu ihm ins Büro. Dort erwähnte er als erstes, dass Cedric angedeutet hatte, dass er zuvor mit dem für den Kräutergarten zuständigen Mönch über die Angelegenheit gesprochen hatte. „Daher denke ich, dass Sie mit seinen Aussagen bereits vertraut sind“, fügte er noch hinzu.
    __„Ja, er hat mir seinen Teil der Angelegenheit ausführlich geschildert“, antwortete Cadfael. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Ida wirklich Nouel entführt hat. Das passt einfach nicht mit den anderen unserer Erkenntnissen zusammen.“
    __„Sie meinen die Sache mit der Strohpuppe?“
    __„Ja. Ich denke, dass eine einfache Leibeigene zwar vielleicht jemanden entführen kann, aber wieso sollte sie seinen Tod vortäuschen? Und vor Allem wird sie nichts von dem Professor wissen und daher auch keine Veranlassung haben, um seinen Laborkittel zu entwenden und als ablenkenden Umhang zu verwenden.“
    __„Sie könnte ihn und die Kinder bei ihrer Ankunft hier bei der Abtei beobachtet haben.“
    __„Natürlich. Aber ich halte es dennoch für unwahrscheinlich. Ich denke, dass der Fall doch noch komplizierter ist als er sich im Moment darstellt.“
    __„Meinen Sie, dass ihr Mörder etwas mit Nouels Verschwinden zu tun hat? Irgendwie scheinen die beiden Sachen ja zusammen zu hängen.“
    __„Ich sehe da eigentlich drei Möglichkeiten. Es könnte sein, dass der Mörder tatsächlich etwas mit Nouels Verschwinden zu tun hat.“ Cadfael zögerte etwas, bevor er noch hinzufügte: „Falls er etwas von dem Entführungsauftrag weiß, könnte er sie sogar nur deshalb umgebracht haben, um den Verdacht auf sie zu lenken.“
    __„Ich glaube kaum, dass es viele Leute gegeben hat, die davon wussten.“
    __„Da stimme ich Ihnen vollkommen zu“, merkte der Mönch an. Tatsächlich fiel ihm da nur Cedric ein, aber der würde nur selbst in Verdacht kommen, wenn die Sache mit dem Entführungsauftrag bekannt würde. Um nicht zu lange bei diesem Thema zu bleiben fuhr er fort: „Zweitens könnte es sein, dass Ida tatsächlich Nouel entführt hat, aber dass dieser sich befreien konnte und sie dabei getötet hat.“
    __„Wer hätte dann die Strohpuppe in den Fluss geworfen?“
    __„Einer von den beiden. Aber das ist gerade der Grund, warum ich das nicht für wahrscheinlich halte. Wenn es Ida war, hätten wir wieder die Ungereimtheiten, die wir gerade schon besprochen haben. Und wenn es Nouel war, hätte der sich sehr schnell befreien und zudem zufälligerweise eine Strohpupe zur Hand haben müssen.“
    __„Und was wäre die dritte Möglichkeit?“
    __„Die dritte Möglichkeit wäre, dass es sich um komplett unabhängige Fälle handelt. Irgend jemand - wenn Cedric Recht hat, war es Ida - hat Nouel entführt und unabhängig davon hat irgend jemand Anderes die Frau ermordet.“
    __„Natürlich, das wäre möglich.“
    __„Aber dennoch denke ich, dass es da irgend einen Zusammenhang geben muss. Es wäre einfach ein viel zu großer Zufall, wenn zwei unabhängige Fälle so miteinander zusammenzuhängen scheinen.“ Er schwieg eine Weile und fügte dann noch hinzu: „Wenn wir Nouel finden könnten, könnte der uns wohl einige Antworten liefern.“
    __„Es könnte sich auch lohnen, einmal nachzufragen, ob es Zeugen gibt, die wissen, wo Ida zur Zeit von Nouels Verschwinden war. Aber das lassen Sie besser den Sheriff machen. Ich habe bereits einen Boten in die Stadt geschickt um ihm mitzuteilen, dass wir jetzt wissen, um wen es sich bei der Leiche handelt und dass sie etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben könnte. Keine Sorge, Ich habe nicht vor, ihm mitzuteilen, woher ich diese Information habe. Das fällt unter das Beichtgeheimnis.“
    __Tatsächlich brachte Abt Radulfus bei der Besprechung noch ein zweites Thema zur Sprache. Er hatte nämlich einen Novizen ausgewählt, um dem für den Kräutergarten zuständigen Mönch zukünftig bei der Gartenarbeit zu helfen. „Ich habe ihn gebeten, dass er sich nachher bei Ihnen im Kräutergarten meldet“, erklärte der Abt.


    Wie versprochen kam der junge Novize eine halbe Stunde später in den Kräutergarten. „Der Abt hat gesagt, dass ich mich bei Ihnen melden und in Zukunft als Ihr Helfer arbeiten soll“, wandte er sich an Bruder Cadfael.
    __„Ja, er hat mich auch schon darüber informiert, dass er einen Helfer für mich gefunden hat.“ Cadfael musterte den jungen Mann interessiert und fragte dann: „Wie heißt du?“
    __„Oswin. Ich bin gestern hier in das Kloster eingetreten.“
    __„Hast du schon einmal in einem Kräutergarten oder auf einem Feld gearbeitet?“
    __„Nein, aber ich kann gut zupacken. Sie brauchen mir nur zu zeigen, was ich machen soll.“ Nach kurzem Zögern deutete Oswin auf Professor Agasa und die Kinder und fügte noch hinzu: „Wenn ich richtig sehe, was der alte Mann und die Kinder hier machen, geht es wohl darum, Kräuter aus der Erde zu reißen.“ Er bückte sich, griff beherzt zu und erwischte ein ganzes Pflanzenbündel auf einmal.
    __„Nicht so schnell!“, rief Cadfael - gerade noch rechtzeitig, um Oswin daran zu hindern, das komplette Sammelsurium an Pflanzen aus der Erde zu reißen. „Guck dir erst einmal an, welche Pflanzen wir hier raus reißen und welche nicht. Wir entfernen hier nur Unkraut, also solche Pflanzen, die nicht in dieses Kräuterbeet hinein gehören. Dadurch haben die Nutzpflanzen mehr Platz zum wachsen, und sie bekommen so auch genügend Licht.“
    __„Und woher soll ich wissen, was hier hin gehört und was nicht?“
    __„Das werde ich dir bei Gelegenheit zeigen“, antwortete der Mönch. Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Aber vielleicht sollten wir beide uns heute erst einmal die liegen gebliebene Arbeit auf den Feldern außerhalb der Klostermauern vornehmen. Ich bin mir sicher, dass Professor Agasa und die Kinder das Unkraut-Jäten auch ohne uns beide schaffen.“ Tatsächlich war dort draußen nicht nur die Heuernte liegen geblieben, sondern es gab auch eine Reihe von Aufgaben, bei denen man gut zupacken musste.


    Einige Minuten nachdem sich der Mönch und der Novize auf dem Weg gemacht hatten, betrat Cedric den Klostergarten. „Wisst ihr zufällig, wo Bruder Cadfael ist?“, fragte er den Professor.
    __„Ich denke, er dürfte außerhalb der Klostermauern auf einem der zur Abtei gehörenden Feldern unterwegs sein und seinen Neuen Helfer einweisen. Der Abt hat ihm nämlich heute einen Novizen zugeteilt, der wohl genau gesagt bekommen muss, worum es bei der Gartenarbeit geht.“
    __„Also dürfte er im Moment beschäftigt sein.“
    __„Ja, das kann man so sagen.“
    __„Schade. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich ihn frage, ob er bei einen Ausflug nach Frankwell mitkommt. Mir ist nämlich eingefallen, dass mein Onkel Johann mal erwähnt hat, dass er neben seinem Hof auch dort noch ein kleines Haus besitzt, und vielleicht hat Ida Nouel ja dort versteckt. Vorausgesetzt natürlich, dass es tatsächlich sie war, die ihn entführt hat.“
    __„Und warum muss Bruder Cadfael da mitkommen?“, mischte sich Conan in das Gespräch ein.
    __„Nun ja, eigentlich muss das nicht unbedingt er sein. Nur hat der Abt gesagt, dass ich wenn ich will zwar gerne nach möglichen Verstecken suchen darf, mich aber nicht alleine auf den Weg machen soll. Und weil ich Rebekka und unsere Eltern da nicht mit rein ziehen will, hatte ich gedacht, dass ich vielleicht ihn bitten könnte, mir bei der Suche zu helfen.“
    __„Wenn es weiter nichts ist, könnten wir doch mitkommen!“, schlug Mitsuhiko vor.
    __„Ja, genau. Das ist doch eine passende Aufgabe für die Detective Boys“, stimmte Genta dem zu.
    __„Ich denke nicht, dass sich Abt bei seiner Bitte, nicht alleine los zu gehen, so etwas vorgestellt hat“, wandte Conan ein. „Falls es darum geht, dass Cedric für den Fall, dass er Nouel findet, einen Zeugen braucht, wäre es besser, wenn ein Erwachsener dabei ist.“
    __„Das sind doch nur Ausreden“, wischte Mitsuhiko den Einwand beiseite. „Ein x-beliebiger Erwachsener würde sich doch nicht mit dem Fall auskennen und selbst die gröbsten Hinweise übersehen.“
    __„Kennt ihr euch denn mit dem Fall aus?“, fragte Conan seine Mitschüler.
    __„Nein. Aber das hält uns nicht davon ab, nach Nouel zu suchen.“
    __„Außerdem hast du doch Bruder Cadfael und den Sheriff bei der Leichenschau belauscht“, mischte sich Ai in das Gespräch ein. „Vielleicht hat du da ja etwas mitbekommen, was uns helfen könnte.“
    __„So wirklich viel ist da nicht heraus gekommen. In Idas Blut haben die beiden ein Eichenblatt und ein Rosenblatt gefunden, aber es gibt sicher viele Stellen mit eine Eiche und einem Rosenstrauch.“
    __„Ich sehe schon, ihr wollt mir unbedingt helfen“, meldete sich Cedric wieder zu Wort. „Normalerweise hätte ich so etwas von Kindern in eurem Alter nicht erwartet, aber ihr scheint auch sonst recht außergewöhnlich zu sein.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Dürft ihr denn die Abtei einfach so verlassen?“
    __„Ja, natürlich!“, antwortete Ayumi.
    __„Aber nur solange ihr zusammen bleibt“, erinnerte der Professor die Detective Boys an die Absprache mit dem Abt. „Vielleicht wäre es sogar besser, wenn ihr mir in diesem Fall versprecht, immer in der Nähe von Cedric zu bleiben.“
    __„Ja, machen wir“, antworteten Genta, Mitsuhiko und Ayumi wie aus einem Mund. Trotzdem hatte Conan das Gefühl, dass das nur ein Lippenbekenntnis war und sie durchaus auch alleine weiter suchen würden, wenn die Situation es erfordern würde.
    __„Wenn das so ist“, sagte Cedric, „sollten wir uns auf den Weg machen. Bis Frankwell ist es zwar nicht weit, aber ich vermute mal, dass ich in Begleitung von Kindern länger brauche als sonst.“

  • Hallo Feuerdrache,


    langsam aber stetig geht es mit dem Fall voran und nun ist zumindest klar, dass Nouels Verschwinden ja mehrfach provoziert wurde, nicht zuletzt mit der Strohpuppe, die vom geheimnisvollen Unbekannten in den Fluss geworfen wurde. Dass es wirklich zwei verschiedene Fälle sind, wage ich ja zu bezweifeln und das hat Conan auch sehr oft in den Folgen bewiesen, weil meist einfach bei der Tat jemand Unbeteiligtes dazu kam und der dann ebenfalls aus dem Weg geräumt werden musste. So stelle ich mir das auch hier vor und die potenziellen Täter werden mit der Zeit tatsächlich immer mehr. Nachdem bisher noch nichts zu Oswin bekannt ist, würde ich auch ihn unter die Verdächtigen stellen, da du ihn sicher nicht einfach so in die Geschichte reingebracht hast. Nur sind seine Tätigkeiten bisher auch recht unbedeutend, also muss sich das noch herausstellen, ob da ein Zusammenhang besteht.
    Jedenfalls macht es Spaß, die verschiedenen Gedankengänge und Begebenheiten zu lesen, da sich so langsam jeder Charakter offenbart und Motive bekannt werden. Einzig die Dauer der Kapitel-Veröffentlichungen könntest du etwas reduzieren, weil die Geschehnisse meist doch recht langatmig sind und es so auch nicht so schnell vorangeht, da wenig neue Informationen dazukommen. Das aber nur kurz erwähnt.


    Wir lesen uns!

  • KAPITEL 14
    Sheriff Prestcottes Schlussfolgerung


    Am Nachmittag arbeitete Professor Agasa weiterhin im Kräutergarten. Die Kinder waren immer noch zusammen mit Cedric unterwegs, um nach möglichen Verstecken für den verschwundenen Nouel zu suchen, und Bruder Cadfael und Oswin waren wie schon am späten Vormittag mit der Feldarbeit außerhalb der Klostermauern beschäftigt. Immerhin war der Mönch nach der Mittagspause kurz im Kräutergarten gewesen, und hatte den Professor darum gebeten, ein paar Kräuter für das Kochen eines Hustensaftes vorzubereiten. Gegen halb fünf war Professor Agasa daher in Cadfaels Werkstatt zugange als Sheriff Prestcotte zusammen mit einem weiteren Mann den Kräutergarten betrat.
    __„Scheint keiner da zu sein“, stellte der Fremde fest.
    __„Doch. Ich glaube, da ist jemand in der Werkstatt“, wandte der Sheriff ein. „Bruder Cadfael?“, rief er durch die offene Tür. Anscheinend hatte er noch nicht bemerkt, wen er da gesehen hatte.
    __„Bruder Cadfael ist außerhalb der Klostermauern auf einem der zur Abtei gehörenden Felder und damit beschäftigt, einen Novizen in die Gartenarbeit einzuweisen“, antwortete der Professor. Anschließend legte er sein Messer zur Seite und drehte sich zu den beiden Männern um. „Was wollen Sie denn von ihm?“
    __„Sie wissen ja, dass gestern in einem der Obstgärten der Abtei die Leiche einer jungen Frau gefunden worden ist“, begann der Sheriff zu erzählen. „Heute Vormittag hat der Abt mich dann benachrichtigen lassen, weil er einen Hinweis bekommen hat, um wen es sich dabei handeln soll, nämlich um eine Leibeigene von dem Hof eines gewissen Johanns. Angeblich soll sie etwas mit Nouels Verschwinden zu tun haben, aber mehr wollte mir der Abt nicht verraten.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Zumindest die Information, um wen es sich handelt, stimmt soweit. Das hier“ (der deutete auf den fremden Mann) „ist Johann. Ich habe ihn über einen Boten gebeten, für uns die Leiche zu identifizieren.“
    __„Und was hat das mit Bruder Cadfael zu tun?“
    __„Ich dachte mir, dass er oft bei Mordfällen auf eigene Faust herum schnüffelt und vielleicht mehr über den Hinweisgeber weiß. Wenn der Abt keine weiteren Details verraten will, weil das wohl unter das Beichtgeheimnis fällt, könnte es doch sein, dass ich von ihm mehr erfahre.“
    __„Wenn das unter das Beichtgeheimnis fällt denke ich nicht, dass Bruder Cadfael Ihnen mehr sagen kann als das, was Sie bereits wissen. Und ich kann Ihnen da auch nicht weiter helfen.“
    __„Trotzdem vielen Dank für die Information, dass er sich auf einem der Felder der Abtei befindet. Wenn ich ehrlich bin, war ich mir nicht sicher, ob bei den Anschuldigungen tatsächlich etwas dahinter steckt oder ob ihr euch das nur ausgedacht habt, um Sie von dem Vorwurf, dass Sie etwas mit Nouels Verschwinden zu tun haben, zu entlasten. Wenn ihr keinen weiteren Zeugen habt, werde ich jetzt erst einmal von Letzterem ausgehen.“


    Der Sheriff wollte sich schon wieder auf den Weg machen als eine weitere Person den Kräutergarten betrat. „Endlich finde ich Sie, Sheriff“, ergriff Rousel de Somme das Wort. „Ich hatte eigentlich schon heute Mittag mit Ihnen sprechen wollen, aber da habe ich Sie nicht auf dem Schloss angetroffen.“
    __„Was wollen Sie denn von mir?“, fragte der Sheriff.
    __„Ich wollte Sie darüber informieren, dass wir inzwischen einen Beweis haben, dass der Professor tatsächlich etwas mit Nouels Verschwinden zu tun hat. Ein gewisser Madog hat nämlich im Fluss eine Strohpuppe mit Nouels Leiche gefunden, und zwar kurz nachdem der Professor sie von der Brücke herunter geworfen hat.“
    __„Es ist gut möglich, dass der Unbekannte mit dem weißen Umhang tatsächlich so eine Strohpuppe in den Fluss geworfen hat“, mischte sich Professor Agasa in das Gespräch ein. „Aber wie ich Ihnen bereits gesagt habe, ...“
    __„Ach kommen Sie jetzt nicht wieder mit ihrer Ausrede“, fiel ihm de Somme ins Wort. „Wenn Sie schon zugeben, dass es die Strohpuppe mit Nouels Kleidung war, können Sie auch gleich alles gestehen.“ Ohne dem Professor Zeit zum erwidern zu lassen wandte er sich nun an den Sheriff: „Ich bin absolut nicht damit zufrieden, wie Sie mit dem Fall umgehen, Sheriff. Statt sich hier in ruhe mit dem Täter zu unterhalten sollten Sie doch wohl eher alles in Bewegung setzen, damit Sie endlich heraus bekommen, was er nun tatsächlich mit meinem Sohn gemacht hat.“
    __„Ich habe mich nicht seelenruhig mit ihm unterhalten“, gab der Sheriff zurück. „Ich hatte ihn eigentlich nur gefragt, wo wir Bruder Cadfael finden können, mit dem ich mich wegen des anderen Mordfalls unterhalten wollte.“
    __„Anderer Mordfall? Soll das heißen, dass es noch einen zweiten Mord gab? Dann ist der Professor vielleicht ein Serienmörder?“
    __„Nein, das ist er sicher nicht. Im Moment haben wir das Verschwinden Ihres Sohnes und eine ermordete junge Frau. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sind das zwei Fälle, die nichts mit einander zu tun haben, auch wenn es gewisse Leute gibt, die behaupten, dass es die ermordete Frau gewesen wäre, die Ihren Sohn entführt hat.“
    __„Wer behauptet denn so etwas?“, fragte Rousel de Somme.
    __„Das war jemand, der dem Abt im Rahmen einer Beichte erzählt hat, dass es sich bei der Frau um eine Leibeigene von Johanns Hof handelt. Aber der Abt wollte mir keine genauen Details verraten, weil der Rest angeblich unter das Beichtgeheimnis fällt.“
    __„Ich denke, dass haben sich die Leute von der Abtei nur ausgedacht. Die stecken doch sowieso mit dem Professor unter einer Decke.“
    __„Immerhin war die Aussage, um wen es sich handelt richtig“, mischte sich nun auch Johann in das Gespräch ein. „Ich bin hier zur Abtei gekommen, um die Frau zu identifizieren.“ Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Aber den Rest halte ich für erfunden. Wenn Sie mich fragen, hat wahrscheinlich mein Falkner sie getötet. Ich hatte nämlich den Verdacht, dass sie ab und zu den Hof verlässt und deshalb habe ich ihn darum gebeten, sie zu beobachten. Vielleicht hat er das falsch verstanden und gedacht, dass sie beim erneuten Verlassen des Hofes bestraft werden sollte. Aber selbst wenn dem so war, mache ich ihm da keinen Vorwurf, er hat nur getan, was ich angeordnet habe.“
    __„Na damit wäre der Mordfall doch schon geklärt, und Sie können sich wieder um meinen verschwundenen Sohn kümmern“, schlussfolgerte de Somme.
    __„Wenn es wirklich der Falkner war, dann ja. Aber dafür müssen wir ihn erst einmal befragen. Und was Ihren Sohn angeht, können wir im Moment nicht viel ausrichten, weil Abt Radulfus unseren Verdächtigen unter das Kirchenasyl gestellt hat.“
    __„Ich werde nachher meinen Falkner bitten, sich bei Ihnen im Schloss zu melden“, ergriff Johann noch einmal das Wort. „Und was den verschwundenen Jungen angeht, habe ich zwar kaum eine Ahnung von dem Fall, aber trotzdem denke ich, dass Sie da etwas machen können, auch wenn der Verdächtige im Moment nicht greifbar ist. Sie könnten zum Beispiel die Angehörigen des Täters befragen um Hinweise auf ein mögliches Versteck für den Jungen zu finden.“
    __„Das geht nicht“, antwortete der Sheriff. „Der Professor kommt aus dem Ausland, müssen Sie wissen. Und außer ein paar Kindern, die zusammen mit ihm hier angekommen sind und die gleiche Geschichte wie er erzählen, scheint er hier keine Angehörigen zu haben.“
    __„Dann sollten Sie herum fragen, mit wem er sich seit seiner Ankunft getroffen hat. Vielleicht finden Sie so einen Hinweis auf mögliche Angehörige.“
    __„Wollen Sie mir etwa erzählen, wie ich meine Arbeit machen muss? Der Professor ist erst kurz vor dem Vorfall hier angekommen und hatte keine Zeit, sich mit irgendwelchen Angehörigen zu treffen!“
    __„Nein, natürlich möchte ich Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihre Arbeit machen müssen“, versuchte Johann das Gemüt des Sheriffs zu besänftigen.
    __Für den Professor klang es so, als ob sich das Gespräch jetzt zum ersten mal in eine Richtung entwickelte, wo man den Sheriff vielleicht von seiner Unschuld überzeugen könnte. Vorausgesetzt natürlich, dass der Sheriff für ordentliche Argumente empfänglich war, aber nach dem, was Bruder Cadfael und Hugh Beringar über ihn erzählt hatten, schien das wohl der Fall zu sein. Um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, fragte er nun aber erst einmal nur: „Darf ich dann vielleicht auch mal eine Frage stellen?“
    __„Was wollen Sie denn?“, fragte der Sheriff zurück.
    __„Wenn ich das eben richtig verstanden habe, dann sind Sie also davon überzeugt, dass ich erst kurz vor dem Tatzeitpunkt mit den Kindern hier angekommen bin und mich ansonsten hier nicht auskenne?“
    __„Ja allerdings. Oder wollen Sie damit sagen, dass das gar nicht stimmt?“
    __„Doch, meine Ankunft kurz vor Nouels Verschwinden und meine fehlende Ortskenntnis sind soweit schon richtig. Worauf ich hinaus will, ist aber etwas anderes. Können Sie mir erklären, wo ich in sehr kurzer Zeit einen entführten Jungen versteckt, ihm die Kleidung ausgezogen und diese dann einer Strohpuppe angezogen haben soll? Und das alles ohne die Gegend zu kennen?“
    __„Das ist doch völlig unerheblich“, mischte sich Rousel de Somme nun wieder in das Gespräch ein. „Vielleicht ist seine Herkunft aus dem Ausland nur vorgeschoben oder er war schon einmal hier und hat daher die nötigen Ortskenntnisse.“
    __„Nun hören Sie mir einmal zu“, wandte sich Sheriff Prestcotte nun an de Somme. „Welche Informationen für einen Fall wichtig sind oder nicht, entscheide ich, nicht Sie. Und in diesem Fall tendiere ich dazu, dem Professor zu glauben, wenn er sagt, dass er keine Ortskenntnisse hat.“ Anschließend wandte er sich an den Professor: „Und was Ihre Fragen angeht, so halte ich es durchaus für möglich, dass Sie auf die Schnelle einen geeigneten Ort gefunden haben können, an dem Sie für einige Stunden ungestört Ihre Machenschaften erledigen konnten. Mehr braucht es nicht, um einen wehrlosen Menschen zu entkleiden und seine Kleidung einer Strohpuppe anzuziehen.“
    __„Was hat er dann mit dem entkleideten Jungen gemacht?“, fragte Johann nach. „Und wo hat er die Strohpuppe her genommen?“
    __Der Sheriff stutzte. „Sie haben Recht, das kommt nicht hin.“ Er schwieg eine Weile und sagte dann: „Ich denke, ich weiß jetzt, was passiert ist. Der unbekannte Zeuge hatte wohl Recht und Ida hat Nouel tatsächlich entführt. Dabei hat sie wohl auch den weißen Umhang - oder den ‚Laborkittel‘, wenn Sie so wollen - mitgehen lassen. Danach ist die Sache aber aus dem Ruder gelaufen, und Nouel hat sie ermordet und ist seitdem auf der Flucht. Die Strohpuppe hat einer von beiden in den Fluss geworfen, aber eigentlich spielt es keine Rolle, wer von ihnen.“
    __„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?“, fragte Rousel de Somme.
    __„Doch, das ist mein voller Ernst. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss die Suche nach einem Mörder in Gang setzen.“ Ohne weitere Einwände abzuwarten ging der Sheriff los und verließ schnellen Schrittes den Kräutergarten.


    Eine Zeit lang sagte weder Rousel de Somme noch Johann etwas. Auch Professor Agasa war von der plötzlichen Wendung so überwältigt, dass er erst einmal seine Gedanken sortieren musste.
    __Schließlich unterbrach Johann das Schweigen. „Und was ist, wenn es doch mein Falkner war, der Ida getötet hat?“, fragte er.
    __„Das werden wir abwarten müssen“, meinte der Professor Agasa. „Ich bin zwar froh, dass der Sheriff endlich eingesehen hat, dass ich nichts mit der Sache zu tun habe, aber hier hat er sich die Sache doch etwas zu einfach gemacht und sich zu schnell auf einen neuen Tatverdächtigen festgelegt.“
    __„Sie sagen es“, stimmte Rousel de Somme ihm zu.

  • KAPITEL 15
    Auf der Suche nach Nouel


    „Schon wieder eine Brücke?“, fragte Mitsuhiko, als die Detective Boys und Cedric nach dem Durchqueren von Shrewsbury hinter dem Stadttor einen Fluss überqueren mussten. „Treffen hier in der Gegend zwei Flüsse aufeinander?“
    __„Nein, das ist der selbe Fluss, den wir auch schon vor der Stadt überquert haben. Die Severn macht hier eine Schleife und bietet so einen nicht zu verachtenden Schutz für die Stadt.“
    __„Das heißt also, dass wir auch einfach um die Stadt herum gelaufen sein könnten ohne den Fluss zu überqueren und ohne uns von den Wächtern am Stadttor ausfragen zu lassen?“, schlussfolgerte Ai.
    __„Ja, das hätten wir machen können. Aber das wäre ein großer Umweg gewesen, und in der Begleitung von Kindern hatte ich gedacht, dass der mehr Zeit kostet als die paar Fragen am Stadttor. Dort auf der anderen Seite des Flusses ist schon Frankwell, wir sind also gleich da.“


    Tatsächlich mussten sie hinter der Brücke doch noch ein paar hundert Meter weiter gehen, um zu dem Haus zu gelangen, von dem der junge Mann gesprochen hatte. Dieses war ein recht einfach gehaltenes Holzhaus mit nur einem einzigen Stockwerk und einer Grundfläche von vielleicht vier mal fünf Metern, und nach dem völlig verwilderten Garten zu urteilen war es schon seit einigen Jahren nicht mehr verwendet worden.
    __„Ich denke, es ist am sinnvollsten, wenn wir erst einmal ins Haus gehen und dort nachsehen“, schlug Cedric vor. „Wenn wir Nouel dort nicht finden, können wir immer noch den Garten durchsuchen. So verwildert wie der ist, gibt es da sicher auch einige Möglichkeiten, jemanden zu verstecken.“
    __„Nein, das denke ich nicht“, wandte Conan ein. „Sofern Ida ihn nicht getötet hat, wird sie ihn entweder im Haus selbst oder irgendwo anders, aber nicht im Garten versteckt haben.“
    __„Warum das denn?“
    __„Ganz einfach: Der Garten ist zwar völlig verwildert und bietet daher sehr viele gute Möglichkeiten, eine Leiche oder jemanden zu verstecken, der versteckt bleiben will, aber wir müssen davon ausgehen, dass sie ihn gewaltsam entführt hat. Sie muss ihn also irgendwo versteckt haben, wo er nicht nur nicht bemerkt werden kann, sondern wo er auch nicht ausbrechen und sich auch nicht bemerkbar machen kann. Hier im Garten könnte er viel zu leicht einem Passanten zurufen, dass er Hilfe braucht.“
    __„Was wäre, wenn sie ihn geknebelt hat?“, fragte Ai. „So dass er nichts mehr sagen kann?“
    __„Dann müsste sie regelmäßig her kommen, um ihm den Knebel abzunehmen und ihn essen zu lassen. Abgesehen davon, dass es zu auffällig wäre, wenn sie regelmäßig irgend eine Stelle in einem verwahrlosten Garten aufsucht, könnte er bei diesen Gelegenheiten auch anfangen, nach Hilfe zu rufen. Und so abgelegen, dass die Nachbarn das nicht hören würden, sind wir hier nicht.“
    __„Das klingt logisch“, gab Cedric zu. „Also brauchen wir nur in dem Haus zu suchen?“
    __„Na ja, es kann nicht schaden, wenn wir im Garten grob nach Stellen gucken, wo das Gestrüpp so hoch ist, dass sich darunter ein Hohlraum befinden könnte. Aber zuerst sollten wir tatsächlich im Haus gucken.“ Er warf einen weiteren Blick auf den überwucherten Vorgarten und fügte dann noch hinzu: „Wie kommen wir zur Haustür?“
    __„Ich denke, wir müssen uns einen Weg bahnen“, sagte Cedric. „Weil ich am stärksten bin, und mich am besten auskenne, ist es vielleicht am sinnvollsten, wenn ich voraus gehe.“
    __Wie sich heraus stellte, hatte selbst der junge Mann es nicht leicht, einen Weg durch das Gestrüpp zu finden. Ständig musste er ein paar mit einander verflochtene Pflanzen auseinander reißen, sie aus dem Boden ziehen oder nicht ganz so hoch gewachsenen Bewuchs platt treten. Auf diese Weise kamen sie nur langsam voran, und hinter ihnen hinterließen sie eine deutlich sichtbare Schneise. Als sie schließlich bei der Haustür ankamen, reichte schon ein sanfter Druck, um den morschen Holzpflock, der die Tür verschlossen halten sollte, auseinander brechen zu lassen, und schon konnten sie in das Haus eintreten.
    __Schon auf dem ersten Blick konnte Conan erkennen, dass es hier nur wenige Möglichkeiten gab, jemanden zu verstecken. Das Haus bestand nur aus einem einzigen Zimmer, das von einer schon seit längeren nicht mehr benutzten Feuerstelle in der Mitte des Raumes dominiert wurde. In einer Ecke gab es zudem noch ein Strohlager und eine etwas größere Truhe, ansonsten gab es hier außer ein paar Hockern keine Möbel. Hinzu kam, dass man vom Erdgeschoss direkt die Dachschräge sehen konnte, einen Dachboden gab es bei diesem Holzhaus also nicht.
    __„Ich glaube, wir brauchen nur in die Truhe zu gucken, dann sind wir hier fertig“, meinte Ai. „Ich glaube nicht, dass Ida ihn unter dem Stroh versteckt hat.“
    __„Gibt es hier keinen Keller?“, gab Ayumi zu bedenken.
    __„Ich kann mir nicht vorstellen, dass mittelalterliche Häuser einen Keller gehabt haben“, widersprach Conan. „Zudem besteht der Fußboden aus platt getrampeltem Erdboden, also ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich darunter noch ein Hohlraum befindet. Aber wir können zumindest unter dem Stroh nachsehen, ob wir dort eine Falltür oder ähnliches finden können.“
    __Tatsächlich befanden sich in der Truhe nur ein paar wenige Haushaltsgegenstände, und auch unter dem Stroh befand sich der Boden genau wie überall im Zimmer nur aus platt getrampelter Erde. Sie mussten also einsehen, dass Nouel nicht hier im Haus versteckt war.
    __Aufgrund des wilden Bewuchses war es nicht ganz so leicht, den Garten zu durchsuchen. Es gab hinter dem Haus tatsächlich zwei Stellen, bei denen etwas größere Büsche genügend Platz boten, um darunter einen Hohlraum zu verstecken, aber um dort hin zu gelangen, mussten sie sich genauso einen Weg bahnen wie vor dem Durchsuchen des Hauses auf dem Weg von der Straße zur Haustür. Allerdings hätten sie sich das auch sparen können, denn wie sie am Ende feststellen mussten, waren die beiden Sträucher so dicht gewachsen, dass sich darunter sicher kein Hohlraum befand.

    __„Ich denke, das war’s“, sagte Cedric schließlich. „Wir haben das Haus und den Garten durchsucht, aber Nouel ist nicht hier. Falls Ida ihn also tatsächlich entführt hat, hat sie ihn irgendwo anders versteckt.“
    __„Kannte sie sich denn hier in der Gegend aus?“, fragte Ai. „Vielleicht hat sie noch ein besseres Versteck gekannt, oder sie wollte vermeiden, dass jemand ihn hier findet und dann falsche Schlussfolgerungen zieht?“
    __„Soweit ich weiß kannte sie sich hier nicht viel besser aus als ich. Vielleicht hat aber auch irgend jemand Anderes Nouel entführt. Oder ...“ Der junge Mann schien einen neuen Gedanken zu haben, ihn aber nicht wirklich aussprechen zu wollen.
    __„Oder was?“, fragte Genta daraufhin.
    __„Ich glaube, mein Onkel hat hier nicht nur dieses Haus hier, sondern irgendwo im Ort noch einen Pferdestall. Aber ich habe keine Ahnung, wo genau der ist.“
    __„Also kommen wir jetzt erst einmal nicht weiter“, schlussfolgerte Conan. „Vielleicht kannst du versuchen, deinen Onkel zu erreichen und ihn zu fragen, wo wir den Pferdestall finden können. Aber bis wir das wissen sollten wir erst einmal zur Abtei zurück gehen.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Aber dieses Mal würde ich gerne um den Ort herum gehen und dabei die Augen offen halten. Vielleicht fällt uns ja auf dem Weg etwas auf - auch wenn ich im Moment nicht weiß, wonach wir genau gucken müssen.“
    __„Das ist weiter als du dir das wahrscheinlich vorstellst“, gab Cedric zu Bedenken. „Der Fluss bleibt zwar die ganze Strecke in der Nähe der Stadtmauer, aber es gibt keine Wege, die direkt am Fluss entlang laufen. Wir müssen also erst einmal ein gutes Stück weiter nach Südwesten laufen, bevor wir auf einen Weg nach Osten finden, der sich dann nach und nach wieder dem Fluss nähert. Das könnte insgesamt drei bis vier mal so weit sein wie der Weg durch die Stadt.“
    __„Aber wenn der Entführer Nouel hier in Frankwell oder in der Nähe versteckt hat, hätte er doch genau den Weg genommen und auf jeden Fall den Weg durch das Stadttor vermieden.“
    __„Da hast du auch wieder Recht.“
    __„Es kann auch nicht schaden, wenn wir nach ihm rufen“, schlug Genta vor. „Vielleicht hört er das ja und antwortet uns.“
    __„Das ist eine gute Idee“, meinte Mitsuhiko und fing auch gleich an zu rufen: „Nouel! Kannst du uns hören? Wo bist du? Antworte, wenn du kannst!“
    __„Ihr könnt doch nicht einfach so in der Gegend herum schreien“, merkte Cedric an.
    __„Wieso denn das? Es könnte doch sein, dass das etwas bringt“, wandte Ayumi ein.
    __„Na, weil man das eben nicht so macht!“
    __„Ich nehme an, das ist weit außerhalb der üblichen Verhaltensweise von Kindern im zwölften Jahrhundert?“, erkundigte sich Conan.
    __„Allerdings ist es das.“
    __„Ist es ungewöhnlicher als unsere Kleidung? An der störst du dich ja nicht.“
    __„Beides ist irgendwie ungewöhnlich, aber ich könnte jetzt nicht sagen, was von den Bewohnern Frankwells als störender empfunden wird - oder von den Leuten von Shrewsbury, denn die Stadt ist nicht so weit weg, dass man euch nicht hören würde.“
    __„OK, dann ist das ein Grund mehr, um auf dem Rückweg nicht durch die Stadt zu laufen“, schlussfolgerte Conan. Am liebsten hätte er Genta und Mitsuhiko gesagt, dass sie sofort mit dem Rufen aufhören sollten, aber weil er genau wusste, dass sie sich eh nicht darum kümmern würden, ließ er das.

    Auf dem Rückweg gingen Cedric und die Detective Boys also um die Stadt herum. Hierfür mussten sie zunächst einmal in südwestlicher Richtung am Fluss entlang laufen. Als kurze Zeit später die Straße geradeaus weiter führte und die Severn nach Südwesten - und danach wahrscheinlich nach Westen und Nordwesten - abbog, blickte Ayumi einmal zurück. „Ich glaube, da brennt es“, sagte sie und deutete auf eines der letzten Häuser Frankwells, aus welchem dicker schwarzer Rauch aufstieg.
    __„Bist du dir sicher, dass das nicht der Rauch einer normalen Feuerstelle ist“, wandte Mitsuhiko ein. „Immerhin wird hier doch mit einem offenen Feuer geheizt.“
    __„Nein, dafür ist das zu viel Qualm“, widersprach Cedric. „Es könnte aber sein, dass jemand nicht aufgepasst hat und das Feuer einer Feuerstelle außer Kontrolle geraten ist.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Ich denke, wir müssen wieder nach Frankwell zurück und den Bewohnern des Hauses helfen. Wahrscheinlich werden auch die Nachbarn dabei sein, aber bei einem Feuer ist es besser, wenn man da möglichst viele Leute hat, die entweder beim Löschen helfen oder zumindest die wichtigsten Habseligkeiten der Betroffenen retten.“