Das falsche Mordopfer - Bruder Cadfael x Detektiv Conan

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  • KAPITEL 16
    Eingesperrt und allein gelassen


    „Das wird wohl die Vesper sein“, dachte sich Nouel als er wieder einmal das Läuten der Kirchenglocken hörte. Genauso gut hätte es aber auch ein anderer Gottesdienst zu einer anderen Tageszeit sein können, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass er beim Zählen irgendwo durcheinander gekommen war. Aber letzten Endes war das auch egal. Er war hier auf dem Dachboden des Pferdestalls eingesperrt, und solange die Frau nicht wieder zurück kam, würde er hier wohl nicht mehr raus kommen.
    __Dabei hatte er am Anfang überhaupt nichts dagegen einzuwenden gehabt, für ein paar Stunden mit ihr zu kommen. Sein Vater war einfach viel zu sehr auf die Hochzeit mit dem fremden Mädchen fixiert, das Nouel bisher noch nie gesehen hatte. Wenn man das Ganze etwas heraus zögerte, wäre es doch vielleicht möglich, dass er in der Sache einlenkte und nicht mehr auf eine Vermählung mit dieser Rebekka bestehen würde. Nachdem sie bei ihrer Ankunft hier oben auf dem Dachboden die Strohpuppe entdeckt hatten, war er es auch gewesen, der vorgeschlagen hatte, dieser seine Kleidung anzuziehen. Nur leider hatte Ida die Sache vermasselt, indem sie die Puppe zu einer Zeit in den Fluss geworfen hatte, zu der es auf der Brücke einfach keine Zeugen gegeben hatte. Seiner Meinung nach wäre es effektiver gewesen, wenn sie noch gewartet und die Puppe dann am nächsten Tag entsorgt hätte, zum Beispiel wenn die Kirchgänger von der Morgenmesse wieder auf dem Weg in die Stadt gewesen wären. So hätte es ausreichend Zeugen gegeben, die seinem Vater erzählen könnten, wie die vermeintliche Leiche angezogen war. Nouel hatte sich noch nicht entschieden, ob er fortan ein eigenes Leben führen oder doch lieber in die Abtei zurückkehren, sich mit seinem dann erleichterten Vater wieder versöhnen und versuchen sollte, ihm dabei die verlangte Hochzeit auszureden. Aber nein, die Frau hatte kein Gespür für solche Angelegenheiten. Und an ihre Versprechen hielt sie sich auch nicht mehr. Sie hatte ihm versprochen, jeden Tag zwei mal zu ihm zu kommen, um ihm etwas Verpflegung zu bringen und ihn sofort frei zu lassen, wenn er der Meinung war, dass sie die Sache abblasen sollten. Vorgestern war sie allerdings nur einmal und gestern und heute überhaupt nicht gekommen.
    __Immerhin hatte sie ihm bei ihrem letzten Besuch neben einem großen Korb mit Brot, Obst und Käse auch einige Kerzen und einen Feuerstein mitgebracht. Weil er sich in der Zeit davor schon gut an die Dunkelheit hier auf dem Dachboden gewöhnt hatte, war er mit dem Kerzenlicht sparsam umgegangen, so dass er jetzt immer noch zwei Kerzen übrig hatte. Trotzdem machte er sich Sorgen, denn das Essen hatte er inzwischen schon längst aufgegessen, und vom Licht allein konnte man sich nicht ernähren.
    __Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er auf einmal ein paar Kinderstimmen nach ihm rufen hörte. Aber wahrscheinlich hatte er nur wieder eine Halluzination - genau wie vor ein paar Stunden, als er geträumt hatte, dass seine Freundin Anna gekommen wäre, um ihm Essen zu bringen und ihn zu befreien. Oder wie vorgestern, als er kurz nach Idas Besuch gedacht hatte, unten von der Straße vor dem Pferdestall die Stimme von Dafydd, dem Hausdiener des westlichen Herrenhauses der de Sommes, zu hören. Dabei wusste er doch ganz genau, dass Dafydd und Anna ganz woanders waren und hier in Shrewsbury nichts zu suchen hatten. Um zu überprüfen, ob er dieses Mal träumte oder nicht, griff er zu dem Feuerstein und zündete eine der beiden Kerzen an. Auch bei vorhandenem Kerzenlicht konnte er noch zwei, drei weitere Rufe hören, aber dann wurden die Stimmen leiser - ganz so als ob die Kinder sich von ihm entfernen würden.
    __„Nun lauft doch nicht weg! Ich bin doch hier“, rief er nun seinerseits. Allerdings wieherte genau zu der gleichen Zeit unten eines der zwei Pferde, so dass er sich nicht sicher war, ob die Kinder seinen Ruf als solchen erkannt hatten. Streng genommen war er sich ja noch nicht einmal sicher, ob die Kinder nach ihm oder nach irgend jemand anderem mit seinem Namen suchten. Aber immerhin konnte es nicht schaden, wenn er sich doch noch einmal hier umsah, um vielleicht irgend eine Möglichkeit zu finden, wie er sich für den Fall bemerkbar machen konnte, dass er wieder jemanden an dem Pferdestall vorbei laufen hörte. Als er sich spontan aufrichtete, achtete er nicht auf die auf dem Boden stehende Kerze, diese fiel um und entzündete das auf dem Dachboden gelagerte Heu. Nach einer Schrecksekunde versuchte er noch kurz, das sich ausbreitende Feuer zu ersticken, aber das wollte ihm nicht gelingen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in die vom Feuer am weitesten entfernte Ecke zu verkriechen und dort abzuwarten, ob irgend jemand das Feuer entdecken und ihm zu Hilfe kommen würde.



    Off Topic:
    Das ist zwar nur ein sehr kurzes Kapitel geworden, aber dafür habe ich das nächste auch schon fast fertig. Kapitel 17 - „Die Befreiungsaktion“ - kommt also auch in den nächsten zwei, drei Wochen.

  • KAPITEL 17
    Die Befreiungsaktion


    Cedric war einer der ersten, die bei dem brennenden Haus ankamen. Ai hatte vorgeschlagen, dass er schon einmal voraus laufen solle und dass sie und die anderen Kinder so schnell nachkommen würden, wie sie es schaffen würden. Und weil ihre Altersgenossen dem zugestimmt hatten, hatte er auf die Kinder keine Rücksicht genommen und war so schnell wie er konnte voraus gelaufen.
    __Tatsächlich war das Feuer nicht in einem Wohnhaus ausgebrochen, sondern auf dem Dachboden eines Pferdestalls. Das war zwar einerseits ungewöhnlich, aber gleichzeitig bedeutete das auch, dass er nur die Pferde in Sicherheit bringen musste - den Rest konnte man wahrscheinlich ohne großen Verlust abbrennen lassen. Also öffnete er das Tor, um die Tiere heraus zu holen. „Euch beide kenne ich doch!“, rief er erstaunt aus, als er die beiden Pferde sah.
    __„Natürlich kennst du sie. Du hast mich doch schon oft genug besucht“, erwiderte Onkel Johann, der anscheinend aus der Richtung der Stadt gekommen und nur wenig später als Cedric bei dem brennenden Pferdestall angekommen war.
    __„Na ja, ich hatte nicht damit gerechnet, ausgerechnet deine Pferde hier anzutreffen“, erklärte Cedric, während er die beiden Pferde aus dem Stall heraus führte.
    __„Wieso sollte ich meine Pferde nicht in meinem Stall lassen, wenn ich in der Stadt zu tun habe?“
    __„Ich wusste nicht, dass das hier dein Pferdestall ist“, antwortete der junge Mann. Er zögerte kurz und fügte dann noch hinzu: „Was machst du eigentlich hier? Oder in Shrewsbury, wenn du gerade dort her gekommen bist?“
    __„Wenn du es genau wissen willst, der Sheriff hat nach mir geschickt, weil er mich für eine Angelegenheit in der Abtei brauchte. - Ich glaube hier können wir die Pferde anbinden“, bemerkte Johann und deutete auf einen etwa zehn Meter von dem brennenden Pferdestall entfernten Busch.


    Bevor sich Cedric noch weiter mit seinem Onkel unterhalten konnte, waren auch schon die Kinder angekommen. „Ist da noch jemand drin?“, fragte Conan völlig außer Atem.
    __„Nein, das ist nur mein Pferdestall“, antwortete Johann. „Ich bin heute alleine her gekommen, und meine zwei Pferde haben wir ja heraus geholt.“
    __„Das ist übrigens mein Onkel Johann. Und das sind Conan, Ai, Ayumi, Genta und Mitsuhiko“, stellte Cedric seinen Onkel und die Kinder einander vor. Zu ersterem gewandt fügte er noch hinzu: „Ich habe sie in der Abtei getroffen und sie haben mir geholfen, nach jemandem zu suchen.“
    __„Wir haben keine Zeit für lange Gespräche. Vielleicht ist Nouel noch da drin“, mischte sich Ai in das Gespräch ein. „Oder habt ihr das schon überprüft?“
    __„Nein, das sollten wir sofort erledigen!“, stimmte Cedric dem zu. Eigentlich hätte er auch gleich daran denken können.
    __„Aber würde das nicht bedeuten, dass Ida doch etwas mit seinem Verschwinden zu tun hat?!“, erkundigte sich Johann, bevor sein Neffe sich auf den Weg zurück in den Pferdestall machen konnte.
    __„Sicher hat sie das. Ich habe sie schließlich gebeten, ihn zu entführen und für ein paar Tage zu verstecken.“
    __Inzwischen waren die Kinder bereits in das noch nicht brennende Erdgeschoss des Pferdestalls getreten, und dort waren sie gerade dabei sich einen Überblick über mögliche Verstecke zu machen. Als Cedric und Johann nach kamen, bemerkte Conan gerade: „Ich glaube, wir sollten zuerst oben nachsehen. Dort hat das Feuer angefangen, also wäre Nouel dort am gefährdetsten. Und vielleicht hat er es ja auch selbst gelegt, um auf sich aufmerksam zu machen. Dann wäre er auf jeden Fall oben.“
    __Ai hatte offensichtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen. Sie hatte eine Leiter entdeckt und war an dieser nach oben zu einer Falltür geklettert. „Könnt ihr mir mal helfen? Ich bekomme das hier nicht auf“, fragte sie. Dabei deutete sie auf einen Holzriegel, der sich anscheinend etwas verzogen hatte.
    __„Bist du das, Anna?“, kam von oben die Stimme eines jungen Mannes. Also war Nouel - oder irgend jemand anderes - tatsächlich oben auf dem Dachboden.
    __„Einen Moment“, antwortete Johann. Anschließend ergriff er aus einem Werkzeugkasten neben dem Tor eine Axt, ging damit zur Leiter und kletterte ein paar Sprossen hoch. „Finger weg!“, befahl er dem Mädchen und hieb dann mit der Axt auf den Holzriegel ein. Dieser zersplitterte, und schon konnten sie die Falltür anheben.
    __Im ersten Moment kam ihnen eine dicke Rauchschwade entgegen, aber wenig später steckte jemand von oben einen Fuß durch die Falltür. „Ich glaube, es ist am besten, wenn du jetzt herunter kletterst“, sagte Johann daraufhin zu Ai. „Wenn Nouel auf der Leiter Hilfe braucht, reicht es, wenn ich da bin, und ich will nicht, dass du den Halt verlierst und herunter fällst.“
    __Tatsächlich war Nouel zwar entkräftet und durch den Rauch spürbar angeschlagen, aber er schafte es dennoch, mit Johanns Hilfe sicher auf dem Fußboden anzukommen. Bevor sie den Stall verließen, erkundigte sich Cedric: „Ist sonst noch jemand oben?“
    __„Nein, ich war alleine dort eingesperrt“, antwortete Nouel und fügte dann noch hinzu: „Danke fürs Befreien, und Entschuldigung dafür, dass ich mit der Kerze unvorsichtig war.“
    __„Ich denke, wir sollten jetzt alle gemeinsam zur Abtei zurück kehren“, schlug Cedrics Onkel vor. „Speziell Nouel sollte sich nicht alleine auf den Weg machen. Und wir müssen den Sheriff benachrichtigen. Aber vielleicht können wir das auch von der Abtei aus erledigen.“
    __„Wollt ihr mich etwa anzeigen, weil ich hier Feuer gelegt habe?“ erkundigte sich Nouel.
    __„Nein, aber der Sheriff sucht dich, weil er denkt, dass du meine Leibeigene Ida ermordet hast.“

  • KAPITEL 18
    Feldarbeit


    Am nächsten Vormittag arbeiteten Professor Agasa, Bruder Cadfael und Oswin auf einem der zur Abtei gehörenden Felder. Nachdem Nouel beim Sheriff seine Aussage zu der vermeintlichen Entführung gemacht hatte, war der Professor nun von jeglichem Verdacht befreit, und außerhalb der Klostermauern gab es für Bruder Cadfael und seine beiden Helfer noch genug zu tun. Conan und die Detective Boys sahen den Erwachsenen zu und unterhielten sich nebenbei mit dem Professor und Bruder Cadfael über die neuesten Entwicklungen in dem Entführungsfall und dem damit irgendwie zusammenhängenden Mordfall. „So wie es aussieht, ist der Fall damit wohl gelöst“, mutmaßte der ältere Mönch. „Es spricht eigentlich alles dafür, dass Johanns Falkner Ida tatsächlich getötet hat.“
    __„Genau wissen wir das aber erst, wenn Johann wieder zurück kommt“, wandte Conan ein. Tatsächlich hatte sich Cedrics Onkel nach ihrer Ankunft bei der Abtei wieder auf den Weg zu seinem Herrenhaus gemacht, um seinen Bediensteten zu befragen. „Was mir aber nicht so ganz klar ist“, fuhr der kleine Detektiv fort, „ist die Frage, wie sie Nouel entführen konnte, ohne dass es irgendjemand mitbekommen hat.“
    __„Das kann ich dir erklären. Ich bin freiwillig mitgekommen“, mischte sich Nouel in das Gespräch ein. Tatsächlich waren er und sein Vater gerade eben bei dem Feld angekommen. Im Folgenden erklärte der Junge, dass er mit der bevorstehenden Vermählung mit Rebekka nicht wirklich glücklich war und sich gedacht hatte, dass es vielleicht einfacher war, seinen Vater davon abzubringen, wenn man die Angelegenheit etwas hinaus zögerte.
    __„Wie ich dir bereits gesagt habe, ändert das nichts daran, dass ich auf einer Hochzeit von euch beiden bestehen muss“, ging de Somme daraufhin auf diese Andeutungen ein. „Aber so wie es aussieht muss ich mich wohl bei jemandem entschuldigen.” Er wandte sich kurz an Professor Agasa: „Es tut mir leid, dass ich Sie zu Unecht verdächtigt habe, meinen Sohn entführt - oder nach der Sache mit der Strohpuppe sogar ermordet - zu haben.“
    __„Entschuldigung angenommen“, bemerkte der Angesprochene. „Da der Unbekannte meinen Laborkittel getragen hat, lag der Verdacht ja leider auch klar auf der Hand.“
    __Nachdem diese Sache geklärt war, sagte eine kurze Zeit lang keiner mehr etwas. Conan hätte sich zwar sehr gerne erkundigt, was Nouels Vater mit der Formulierung „..., dass ich auf einer Hochzeit von euch beiden bestehen muss“ gemeint hatte und ob es hier irgend welche Hintergründe gab, aber er wollte jetzt nicht plötzlich das Thema wechseln. Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass an der Sache insgesamt noch mehr war als sie bis jetzt heraus gefunden hatten.
    __Schließlich brach Nouel das Schweigen, indem er fragte: „Ist eigentlich Dafydd hier in der Gegend unterwegs? Kurz nach Idas letztem Besuch habe ich gehört, dass sie sich mit irgend jemandem unterhalten hat, und ich meine, das war seine Stimme.“
    __„Das muss wohl irgend jemand Anderes gewesen sein. Dafydd ist bei unserem westlichen Herrenhaus. Hier in Shrewsbury hat er nichts zu suchen.“
    __„Sind Sie sich da sicher?“, mischte sich Oswin in das Gespräch ein. „Vorgestern habe ich zufälligerweise gesehen, wie Sie sich vor der Abtei mit jemandem unterhalten haben. Ich habe zwar nicht mitbekommen, worum es dabei ging, aber ich glaube, sie haben den Unbekannten Dafydd genannt.“
    __„Ist das wahr?“, fragte Nouel. „Dann wäre er also tatsächlich hier gewesen.“
    __„Naja, ...“, antwortete de Somme, „das ist schon irgendwie wahr. Ich hatte ihn gebeten, unauffällig die Abtei zu beobachten und dafür zu sorgen, dass Anna uns nicht in die Quere kommt. Und weil Rebekkas Eltern ...“
    __„Ist Anna etwa auch hier?!“, fiel Nouel ihm ins Wort.
    __„Nein, ich denke nicht, dass sie hier ist“, fuhr de Somme fort. „Ich hatte ihn nur vorsichtshalber damit beauftragt, weil ich nicht wollte, dass sie sich in die Hochzeitsvorbereitungen einmischt.“
    __„Aber Dafydd kann Anna doch überhaupt nicht kennen!“, wandte Nouel ein. „Dadydd gehört zu unserem westlichen Herrenhaus, und Anna wohnt in der Nähe unseres südöstlichen Herrenhauses.“
    __„Ich weiß. Aber gerade deshalb habe ich ihn für eine gute Wahl gehalten. Falls er sich doch einmal zeigt und sie ihn dabei beobachtet, ist sie nicht gleich vorgewarnt.“
    __„Wer ist denn eigentlich Anna?“, mischte sich nun Ai in das Gespräch ein. Zu Nouel gewandt fügte sie noch hinzu: „Bei unserer Befreiungsaktion gestern hast du so etwas gefragt wie: ‚Bist du das, Anna?‘“, nachdem du meine Stimme gehört hattest.
    __„Anna ist Nouels Freundin“, erklärte de Somme. „Er hat sie vor ein paar Jahren kennen gelernt, und ich würde sogar sagen, dass die beiden sehr gut zusammen passen.“ Zu Nouel gewandt fügte er noch hinzu: „Wenn Rebekkas Eltern nicht auf der schon kurz nach deiner Geburt verabredeten Hochzeit bestehen würden, hätte ich sofort mein Einverständnis für eine Vermählung zwischen euch beiden gegeben, aber so geht das leider nicht.“
    __„Wie war das?“, fragte Bruder Cadfael. „Rebekkas Eltern bestehen auf der Hochzeit?! So wie ich Cedric gestern verstanden habe, war das eher anders herum. Rebekkas Eltern wären mit einer Hochzeit zwischen Cedric und Rebekka einverstanden gewesen, wenn Sie nicht auf einer Vermählung von Nouel und Rebekka bestehen würden.“
    __„Aber ich hatte unseren Pfarrer doch ausdrücklich gebeten, bei ihnen per Brief nachzufragen, ob sie noch auf der Hochzeit bestehen, und sie haben in ihrer Antwort geschrieben, dass sie die Hochzeit wie geplant durchführen wollen.“
    __„Und hat Ihnen Ihr Pfarrer seinen Brief an Rebekkas Eltern und ihre Antwort zu lesen gegeben?“, fragte Conan nach.
    __„Nein. Ich kann nicht lesen. Aber ich gehe doch davon aus, dass mein Pfarrer mir nichts falsches erzählt. Und ich gehe davon aus, dass Rebekkas Eltern ihrem Pfarrer ebenfalls vertrauen - denn soweit ich weiß können die auch nicht lesen.“
    __„Das sollte man meinen“, pflichtete Bruder Cadfael dem zu.
    __„Aber vielleicht gab es in der Gesprächskette irgendwo ein unbeabsichtigtes Missverständnis“, gab der junge Detektiv zu bedenken. „Bei uns Zuhause gibt es da so ein Spiel mit dem Namen Flüsterpost, bei dem ein Wort oder ein einfacher Satz auf die Reise geht, indem jeweils ein Mitspieler es dem nächsten zuflüstert. Der letzte Mitspieler spricht es dann am Ende laut aus, und nicht selten kommt am Ende etwas völlig anderes heraus als das, was sich der erste Mitspieler ausgedacht hat. Vielleicht war es hier ja so ähnlich?“
    __„Da könnte was dran sein“, meinte der Mönch und wandte sich an de Somme: „Vielleicht sollten Sie das direkt mit Rebekkas Eltern besprechen - und nicht über den Umweg von zwei Priestern, die vielleicht den Sinn der Frage falsch verstehen und daher einen falschen Kontext vermitteln.“
    __„Ja, ich denke, das sollten wir machen. Aber wenn ich mich nicht täusche, müsste Johann bald zurück kommen - er hat ja gemeint, dass er noch vor dem Mittagessen zurück ist.“ Er zögerte einen Moment und wandte sich dann an seinen Sohn: „Nouel, kannst du schon einmal zum Gästehaus laufen und Waldemar mitteilen, dass ich etwas mit ihm und seiner Frau besprechen will? Falls ich nicht vorher zu ihnen ins Gästehaus komme, während des Mittagessens oder kurz danach?“
    __„Ich bin schon auf dem Weg“, erklärte der junge Mann und machte sich auf den Weg zur Abtei.

    Nur wenig später betrat ein junger, dunkelblonder Mann das Feld. „Kann es sein, dass Nouel wieder frei ist?“, erkundigte er sich. „Ich habe eben ihn - oder jemanden, der ihm zum Verwechseln ähnelt - bei der Klosterpforte gesehen.“
    __„Dann wird er das auch gewesen sein“, antwortete de Somme. „Verwandte von Rebekka haben gestern Abend heraus gefunden, wo er versteckt war und ihn befreit.“
    __„Heißt das, dass die Probleme damit gelöst sind und wieder alles nach Plan verläuft?“
    __„Nein, die Probleme sind damit noch lange nicht gelöst. Und so wie die Dinge im Moment liegen, kann es durchaus sein, dass wir den Plan komplett fallen lassen.“
    __„Aber Sie haben mir doch lang und breit erklärt, warum wir den Plan durchführen müssen.“
    __„Die Situation hat sich geändert. Und außerdem brauchst du als Leibeigener meine Anweisungen an dich nicht zu hinterfragen, Dafydd. Das solltest du doch eigentlich ganz genau wissen.“
    __„Natürlich weiß ich das. Aber Sie haben mich auch schon ein paar mal bei besonderen Situationen nach meiner Meinung gefragt.“
    __„Das heißt aber nicht, dass ich dir alles erklären muss.“

    Ein paar Augenblicke später betrat Johann das Feld. „So wie es aussieht, stehen wir in unserem Mordfall wieder ganz am Anfang“, berichtete er. „Ich habe meinen Falkner gefragt, und er hat mir bestätigt, dass Ida vor ein paar Tagen den Hof verlassen hat und seitdem nicht mehr zurück gekommen ist. Dass sie tot ist, hat er erst erfahren als ich es ihm mitgeteilt habe, und ich glaube ihm wenn er sagt, dass er damit nichts zu tun hat.“
    __„Damit haben wir es also tatsächlich mit einem richtigen Mordfall zu tun und nicht nur mit einem aus einem Missverständnis heraus getöteten Kollegen“, fasste Bruder Cadfael diese Aussage zusammen.
    __„Ganz genau. Und deshalb ist das auch eine Sache für den Sheriff. Der Mörder hat mich mit der Tat um eine Leibeigene gebracht, und ich verlange, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen wird.“ Er zögerte kurz und fragte dann: „Ich vermute mal, dass der Sheriff ist im Moment im Schloss anzutreffen ist?“
    __„Wahrscheinlich ja“, antwortete Bruder Cadfael. „Und wenn nicht, können die Ihnen sagen, wo Sie ihn finden oder ihn auch benachrichtigen, wenn Sie mit einem seiner Untergebenen reden.“
    __„Vielen Dank“, sagte Johann und machte sich auf den Weg in die Stadt.

  • KAPITEL 19
    Eine Reihe von Missverständnissen


    Nachdem Johann sich auf den Weg zum Sheriff gemacht hatte, sagte erst einmal eine Zeit lang keiner mehr etwas. Anscheinend waren die Anwesenden von den neuen Informationen noch zu überwältigt - sofern sie sich überhaupt an dem Gespräch beteiligt hatten. Auch für Conan gab es im Moment nichts, was er zur Klärung der Situation beitragen konnte. Oder hatte er irgendwo einen Hinweis übersehen? Während er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass Dafydd ja die Abtei beobachtet hatte, um dafür zu sorgen, dass sich Nouels Freundin nicht in die Hochzeitsvorbereitungen einmischen konnte. Nouel hatte ihn ja auch vom Dachboden des Pferdestalls aus gehört. Vielleicht könnte es also sein, dass de Sommes Hausdiener irgend etwas beobachtet hatte, was bei der Lösung des Mordfalls weiter helfen konnte?
    __Aber bevor der kleine Detektiv sich entschieden hatte, ob er Dafydd selbst befragen oder statt dessen irgendwie den Erwachsenen einen Hinweis geben sollte, betrat Nouel erneut das Feld. In seiner Begleitung befanden sich Rebekkas Eltern.
    __„Sie wollten mit uns sprechen?“, fragte Waldemar. Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Nouel hat uns schon erklärt, worum es geht, und wir können durchaus nachvollziehen, wenn Sie nicht gleich zur Abtei zurückkehren, sondern erst einmal Johanns Antwort abwarten wollen.“
    __„Johan war schon hier“, antwortete de Somme. „Anscheinend hat sein Falkner nichts mit dem Mord zu tun.“
    __„Ach, so ist das“, bemerkte Waldemar.
    __„Aber Sie haben recht. Was wir zu besprechen haben, können wir auch hier bereden. Immerhin sind das keine Geheimnisse, und die beiden Mönche hier und Professor Agasa und die Kinder haben sowieso schon mitbekommen, worum es geht. Bruder Cadfael hat mich übrigens dazu gebracht, die Sache noch einmal mit Ihnen persönlich zu klären, indem er gemeint hat, dass Sie den Hochzeitsplänen nur zugestimmt hätten, weil Sie den Vertrag nicht einseitig aufkündigen wollten.“
    __„So ist es ja auch. Sie haben uns mit Ihrem Brief daran erinnert, dass wir damals diese Abmachung getroffen hatten. Und weil wir den Vertrag nicht einseitig aufkündigen wollten, haben wir unseren Pfarrer gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass wir uns daran halten werden.“
    __„Aber ich hatte doch nur deshalb diesen Brief schreiben lassen, um mich zu erkundigen, ob Sie darauf bestehen, dass wir Nouel und Rebekka miteinander vermählen.“
    __„Soweit ich weiß, stand davon nichts in Ihrem Brief. Unser Pfarrer hat ihn sich durchgelesen und dann gemeint, dass der nur aus einer einzigen Frage bestand: ‚Wollen Sie die Vermählung von Nouel und Rebekka wie geplant durchführen?‘, oder so ähnlich. Kein Kontext oder sonst etwas, nur diese eine Frage. Also haben wir unsere Situation mit unserem Pfarrer besprochen, und der hat gemeint, dass wir uns an den Vertrag halten müssen.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Aber es wäre mir genauso recht, wenn wir Rebekka statt dessen mit Cedric verheiraten.“
    __„Um ehrlich zu sein, wäre es auch mir lieber, wenn ich Nouel mit seiner Freundin Anna vermählen könnte.“
    __„Darf ich mich einmal in das Gespräch einmischen?“, erkundigte sich Dafydd.
    __„Nein, das darfst du nicht“, versetzte de Somme.
    __„Aber es könnte sein, dass eine Hochzeit von Nouel und Anna nicht mehr möglich ist“, erwiderte Dafydd.
    __„Wieso? Haben ihre Eltern sie bereits jemand Anderem versprochen?“
    __„Nein, das nicht, aber ...“ Er zögerte.
    __„Na dann ist doch alles in Ordnung. Stör uns gefälligst nicht weiter“, verkündete de Somme.
    __Nach kurzem Zögern griff Waldemar das ursprüngliche Gesprächsthema wieder auf: „Also heben wir den Hochzeitsvertrag damit einvernehmlich auf?“
    __„Allerdings.“
    __Einen Moment lang sagte keiner der Anwesenden etwas, doch dann wandte sich Waldemar an Bruder Cadfael: „Meinen Sie, dass wir hier in der Klosterkirche die Verlobung von Cedric und Rebekka feiern können?“
    __„Vielleicht sollten Sie das zuerst mit Ihrem Priester besprechen. Ihnen ist doch sicher bekannt, dass die Verwandtschaft zwischen Cousin und Cousine ein Ehehinderungsgrund ist?“
    __„Von dem die Kirche einen allerdings befreien kann. Ja das ist mir bekannt.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Bevor de Somme seinen Brief geschickt hatte, hatten wir das bereits mit unserem Priester geklärt, und außerdem sind Cedric und Rebekka ja genau genommen nicht Cousin und Cousine, sondern Stiefcousin und Stiefcousine.“
    __„Wenn das so ist, sollten Sie die Sache am besten mit Abt Radulfus besprechen.“
    __„Gut, dann werden wir das machen“, meinte Waldemar und verließ zusammen mit seiner Frau das Feld.


    „Ich denke, wir können auch schon einmal unsere Pläne für Nouels Hochzeit in die Wege leiten“, sagte de Somme und wandte sich nun an Dafydd: „Du gehst bitte zu Annas Eltern und informierst sie, dass ich mich demnächst bei ihnen melden und für Nouel um Annas Hand anhalten werde.“
    __„Wie ich schon sagte“, begann Dafydd, aber sein Herr ließ ihn nicht ausreden.
    __„Vorher möchte ich allerdings noch wegen dem Mordfall hier etwas abwarten. Vielleicht braucht der Sheriff mich ja noch als Zeugen oder so. Immerhin hatte Ida ja kurz vor dem Mord Nouel entführt.“
    __„Ida?“, bemerkte Dafydd, und fügte murmelnd noch hinzu: „Dann war das also nicht ...“ Aber dann brach er ab, ganz so als hätte er bemerkt, dass er aus Versehen laut gesprochen hatte. Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Spielt es eine Rolle, wer sie ermordet hat?“
    __„Allerdings“, antwortete de Somme. „Du hast doch mit bekommen, dass Johann verlangt, dass wir den Täter zur Rechenschaft ziehen. Und ich bin da ganz seiner Meinung. Ich dulde es nicht, dass man meinen Sohn einfach so entführt. Und auch wenn er freiwillig mitgegangen ist, bleibt doch die Tatsache, dass nur sie wusste, wo er versteckt war. Der Mörder hat die Befreiung also durch die Tat deutlich schwieriger gemacht.“
    __„Ja, aber es könnte doch Umstände geben, die den Fall in einem anderen Licht erscheinen lassen.“
    __„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für Johann eine Rolle spielt. Und auch ich lasse mich von irgendwelchen möglichen Umständen nicht beeinflussen.“
    __„Vielleicht hat der Täter nicht gewusst, dass sie Nouel irgendwo versteckt hat?“, fragte Dafydd noch einmal nach.
    __„Wieso sollte jemand Ida ermorden, wenn er nicht das Ziel hat zu verhindern, dass Nouel befreit wird?“
    __„Also, da könnte es schon ein paar Gründe geben. Vielleicht hat die Tat ja gar nichts mit Nouel zu tun, oder der Mörder könnte sie mit irgend jemandem verwechselt haben.“
    __„Also, das ist aber jetzt zu weit her geholt!“, bemerkte de Somme.
    __Conan fand diese Bemerkungen allerdings gar nicht weit her geholt. So wie Dafydd auf einmal als Anwalt für den Mörder auftrat, hatte er einen sehr starken Verdacht, wer der Täter sein könnte. Aber leider fehlten ihm sämtliche Beweise, und auch das eigentliche Motiv war ihm noch rätselhaft. Außerdem war sich der junge Detektiv nicht einmal sicher, ob er tatsächlich einen Mörder der mittelalterlichen Justiz ausliefern wollte.
    __Ganz als ob sie Conans Gedanken gelesen hätte, fragte Ayumi auf einmal: „Eine Sache verstehe ich aber nicht so ganz. Wieso ist das Ganze auf einmal ‚eine Sache für den Sheriff‘, nur weil Johanns Falkner nicht den Auftrag falsch verstanden und Ida deshalb umgebracht hat?“
    __„Ich denke, dass können wir auch später noch besprechen“, raunte Ai ihr zu. „Immerhin ist das hier ein Gespräch zwischen Erwachsenen, und da sollten wir Kinder uns nicht einmischen.“
    __„Nun, ich finde durchaus, dass das eine berechtigte Frage ist, wenn dich das interessiert“, widersprach Bruder Cadfael Ais Bemerkung. „Wenn der Falkner Ida tatsächlich getötet hätte, hätte Johann selbst über die mögliche Strafe für den Falkner entscheiden können. Alternativ hätte er sich damit natürlich auch an das lokale Gericht wenden können, aber das wäre für ihn nur teurer geworden. Wahrscheinlich hätte er ihn aber einfach nur ermahnt, und damit wäre es gut gewesen.“
    __Tatsächlich hatte Ayumi Conan mit ihrer Frage auf der Suche nach einem Tatmotiv auf eine Idee gebracht: Der Täter könnte tatsächlich einen Auftrag falsch verstanden haben. Aber auch wenn sich dadurch ein Gesamtbild zusammen setzen ließ, fehlten ihm immer noch die Beweise, und ohne solche hatte er das Gefühl, dass de Somme das Ganze ebenfalls als unglaubwürdige Konstruktion bezeichnen würde. Um sich zumindest zu vergewissern, wer in diesem Fall die Strafe festlegen musste, fragte er nun einmal nach: „Und was ist, wenn ein Leibeigener eines anderen Herrn den Mord begangen hat, ohne dass sein Herr ihm dazu einen Auftrag gegeben hat?“
    __„Dann muss Johann sich an den Herrn wenden, zu dessen Ländereien der Leibeigene gehört“, antwortete Bruder Cadfael, fügte aber nach kurzem Zögern noch hinzu: „Das kann der direkte Herr des Leibeigenen oder dessen Lehnsherr sein. Aber Johann kann alternativ auch wieder den Sheriff ermitteln lassen und die Sache wird dann beim Gericht ausgehandelt.“
    __„Aber das wäre dann das Gericht, zu dessen Gebiet der Leibeigene gehört“, ergänzte de Somme. „Es kann gut sein, dass der Herr des Leibeigenen sich gut mit den Mitgliedern der Jury versteht - und in so einem Fall kommt es durchaus vor, dass das Urteil milde ausfällt.“
    __„Ach, so ist das“, murmelte Conan. Tatsächlich schien das mittelalterliche Rechtssystem zwar klare Zuständigkeiten zu haben, aber ansonsten viel im Ermessen einzelner Personen zu liegen. Vielleicht sollte er wieder einmal den Professor bitten, für ihn den Detektiv zu spielen?
    __Aber bevor er sich dazu durchgerungen hatte, den Professor um seine Mithilfe zu bitten, fragte Bruder Cadfael: „Worauf willst du eigentlich hinaus, Conan? Ich habe irgendwie das Gefühl, dass du das nicht nur aus reinem Interesse fragst. Oder täusche ich mich da?“
    __„Nun ja, ich habe da so einen Verdacht“, antwortete der junge Detektiv. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich damit richtig liege, schließlich ist das Ganze ziemlich weit her geholt - und Beweise habe ich auch nicht.“
    __„Was ist denn los mit dir, dass du deine Schlussfolgerungen so abschwächst“, unterbrach ihn Ai. „Normalerweise wartest du doch, bis dir alles klar ist und du im besten Fall auch einen guten Beweis in der Hand hast.“
    __„Wir sind hier nicht zu Hause, sondern in einer uns unbekannten Zeit mit einem mir weitgehend unbekannten Rechtssystem. Und da war ich halt nicht so ganz sicher, ob ich mich hier einmischen will“, antwortete Conan. Aber dann ging er doch wieder auf den Fall ein. „Jedenfalls könnte es sein, dass der ganze Fall nur durch eine unglückliche Verkettung von Missverständnissen entstanden ist. Wir wissen ja inzwischen, dass ursprünglich Nouel und Rebekka mit einander verheiratet werden sollten. Herr de Somme hat allerdings eine bessere Braut für seinen Sohn gefunden und deshalb seinen Priester gebeten, per Brief nachzufragen, ob Rebekkas Eltern noch auf der Hochzeit bestehen. Diese haben die Frage missverstanden und gedacht, dass Nouels Vater auf die Einhaltung des Vertrags besteht.“
    __„Ja, das wissen wir“, antwortete de Somme. „Wir wissen auch, dass Cedric etwas gegen die Hochzeitspläne hatte und deshalb Ida gebeten hat, Nouel zu entführen. Und auch, dass Nouel freiwillig mitgekommen ist, weil er die Pläne seinerseits hinaus zögern wollte. Aber was hat das mit dem Mord zu tun?“
    __„Nun, dazu komme ich noch. Vorher muss ich aber noch auf das nächste Missverständnis hinweisen. Sie hatten doch gewusst, dass Ihr Sohn lieber Anna heiraten würde und deshalb Ihren Hausdiener gebeten, dass er dafür sorgt, dass sie sich nicht einmischt.“ Er schwieg kurz und wandte sich dann an Dafydd: „Wussten Sie eigentlich, wer diese Anna ist und wie sie aussieht?“
    __„Nein. Aber mein Herr hat mir beschrieben, worum es bei dem Auftrag geht, und dann habe ich die Abtei beobachtet, um zu sehen, ob irgend ein Mädchen sich nach Nouel erkundigt oder so. Ich habe mir nämlich gedacht, dass sie sich nur einmischen kann, wenn sie zur Abtei kommt.“
    __„Ach so, ich verstehe“, sagte der junge Detektiv. Tatsächlich hatte er schon mit so einer Antwort gerechnet. „Und dann haben Sie gesehen, wie Ida und Nouel gemeinsam die Abtei verließen und Johanns Leibeigene für Nouels Geliebte gehalten“, fuhr er fort.
    __„Du hast was, Dafydd?!“, versetzte de Somme.
    __„Ich habe gedacht, dass das Mädchen, welches da so vertraulich zusammen mit Nouel die Abtei verlassen hat, niemand anderes als Anna sein kann“, antwortete der Hausdiener. „Weil ich mich Nouel gegenüber aber nicht zeigen wollte, habe ich erst noch etwas abgewartet und ...“ er brach ab, ohne den Satz zu beenden.
    __„Sie haben da wohl Ihren Auftrag etwas missverstanden“, fuhr Conan fort. „Sie hatten gedacht, dass Ihr Herr generell etwas gegen Anna einzuwenden hat und sie deshalb umgebracht. Eine Tote kann sich nirgendwo mehr einmischen. Oder täusche ich mich da?“
    __„Nein, das war kein Missverständnis“, erwiderte Dafydd und wandte sich nun an de Somme: „Ihr Auftrag lautete, dass ich mit allen Mitteln verhindern sollte, dass Anna sich in die Hochzeitspläne einmischt. Ja genau. Mit allen Mitteln. Also auch mit Mord, falls das erforderlich sein sollte.“
    __„Doch, da hast du mich falsch verstanden, und zwar gründlich. Ein Mordauftrag habe ich dir niemals erteilen wollen - ganz im Gegenteil. Ich habe nie daran gedacht, dass du so weit gehen und eine Unschuldige einfach so aus einem Missverständnis heraus umbringen würdest.“ Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Zur Strafe für das Missverständnis wirst du jetzt sofort nach Hause reisen und die nächsten zwei Monate das Haus nicht mehr verlassen. Sämtliche Sonderaufträge sind für die nächste Zeit gestrichen.“ Nach kurzem Zögern fügte er schließlich noch hinzu: „Und falls Johann oder der Sheriff tatsächlich so weit gehen und dich für den Mord vor das Gericht ziehen, werde ich dich ohne zu zögern ausliefern. Ich will dich zwar nicht als Arbeitskraft verlieren, aber so ist es mir immer noch lieber als wenn die statt dessen mich anklagen, nur weil ich dich laufen gelassen habe. Haben wir uns verstanden?“
    __Dafydd nickte nur.
    __Einige Momente lang sagte keiner der Anwesenden etwas aber dann ergriff Bruder Cadfael das Wort: „Wenn wir die Einzelheiten nicht überall herum erzählen, dann kann es gut sein, dass dieser Fall überhaupt nicht aufgeklärt wird - zumindest nicht offiziell. Der Sheriff ist zwar recht schnell damit, einen nur halbwegs Verdächtigen als überführten Täter zu behandeln, aber von alleine kommt er in diesem Fall sicher nicht weiter. Und auch Johann und Rebekkas Eltern haben den wesentlichen Teil des Gespräches nicht mitbekommen, sie können ihm also auch keinen entscheidenden Hinweis geben.“ Er wandte sich noch einmal an de Somme: „Es wäre sinnvoll, wenn Sie sich bald auf Ihren Heimweg machen. Aber überstürzen Sie Ihre Abreise bitte nicht, das würde wiederum verdächtig wirken. Und Dafydd sollte sich tatsächlich sofort auf den Heimweg machen, er hat hier keine Beziehungen, seine Abwesenheit würde also niemandem auffallen.“
    __„Gut, ich denke, ich werde heute Nachmittag mit Bruder Daniel über meine Abreise reden und mich dann morgen auf den Weg zu Annas Eltern machen.“ Mit einem Blick auf seinen Sohn fügte er noch hinzu: „Ich muss ja mit denen die Einzelheiten für eine Hochzeit besprechen.“