Oder auch: Der Pokémon-Anime und das Executive Meddling.
Ja, dieser Thread geht ein wenig in die Richtung von anderen Threads, da ich das Thema schon häufiger angesprochen habe.
Immerhin habe ich in den Unterhaltungsmedien schon einmal ein Topic zu Executive Meddling allgemein erstellt und auch hier im Bereich schon einmal über die Pokémon-Romane, die in Japan erschienen sind, geredet. Aber ja, ein eigenes Topic dazu gibt es noch nicht und da Executive Meddling auch außerhalb von Kanto existierte, dachte ich, es wäre durchaus ein interessantes Thema.
Also *seufz* Executive Meddling... Für diejenigen, die keine Lust haben, sich durch genannten allgemeinen Beitrag (den ich sehr empfehle!) zu lesen, hier mal das zentrale Problem kurz dargestellt:
Executive Meddling beschreibt es, wenn bei einer Produktion (Serie, Film, Spiel, was auch immer) die Produzenten sich in den kreativen Prozess einmischen, um ein besser zu vermarktendes Produkt zu erschaffen. Sprich: Es geht nur daurm, dass Produkt am Ende vermarkten zu können. Dafür werden dann zum Beispiel bestimmte Features (wie 3D in Filmen) hereingezwungen, Charaktere gestrichen oder komplett umgeschrieben und manchmal auch Fortsetzungen an eigentlich abgeschlossene Serien gesetzt (oder Fortsetzungen von Serien, die eigentlich auf eine Fortsetzung ausgelegt waren verboten). Dabei sei hier betont: Die Produzenten sind normal bei egal was nicht am kreativen Prozess beteiligt. Dafür gibt es die Autoren, die Designer und Regisseure. Die Produzenten haben vorrangig die Aufgabe, Management zu betreiben und Ressourcen (Geld) zu besorgen. Sie sind meist nicht dafür ausgebildet, kreative Aufgaben zu übernehmen, da (gerade bei Anime) die meisten Produzenten Managementausbildungen haben.
Und Pokémon hat darunter auch gelitten - und zwar sehr.
Am meisten davon wissen wir, inwieweit die Produzenten sich bei Kanto und Johto eingemischt haben, da der mittlerweile verstorbene Takeshi Shudo, der sozusagen der Erschaffer der Pokémon Anime-Welt, sich irgendwann von diesem Anime distanziert und in seinem Weblog viele, viele Einträge darüber geschrieben hat, wo sich Produzenten eingemischt haben und wieso dies ihn schließlich dazu gebracht hat, ins Freelancing (Selbstständigkeit von Künstlern, die dann nur noch für Produktionen "gemietet" werden können) zu gehen. Und hier liegt auch der Grund begraben, warum wir so viel mehr über das Executive Meddling in Kanto und Johto wissen, als über den Rest des Anime: Da Shudo Freelancer war, konnte man ihn nicht mehr knebeln und er konnte Munter darüber schreiben, was da falsch lief - was festangestellte normal nicht oder nur eingeschränkt dürfen.
Und nun, das erste, was da zu sehen ist, ist wohl die Zielgruppenbeschreibung. Denn Shudo hatte eigentlich vor einen "Familienfreundlichen" Anime zu machen. Sprich einen Anime, den Kinder und Eltern zusammenschauen können. Produzenten waren aber der Meinung, dass die Serie vorrangig Kinderfreundlich sein soll.
Dies beeinflusste dann auch andere Dinge. Zum Beispiel, die Charaktere. Shudo wollte die Charaktere komplexer und mit mehr Problemen schreiben, was aber laut den Produzenten für Kinder zu schwer zu verstehen war (leider eine häufige Produzentenansicht...) So musste Shudo unsere drei Hauptcharaktere (Satoshi, Kasumi und Takeshi) stark vereinfachen und "slapstick-lastiger" machen. Dies resultierte vor allem darin, dass er ziemlich begann Kasumi zu hassen, deren Motive in der Serie komplett anders von denen, seiner Kasumi waren. Während seine Kasumi die Arena verlassen hatte, weil sie so wenig Geld hatten und sie ihren Schwestern nicht auf der Tasche liegen wollte, war die letztenendliche Kasumi unterwegs, weil sie mit ihren Schwestern nicht klar kam und - wie Shudo es so schön in seinem Blog ausdrückte - einfach keinen Sinn im Leben hatte.
Auch die Tatsache, dass die Folgen sehr redundant ("Wir kommen wohin, lernen neues Pokémon kennen, Team Rocket greift an, ich will immer noch Pokémon Meister werden!") waren, ist auf das Executive Meddling zurückzuführen.
Von diesem waren übrigens drei Charaktere wohl am wenigsten betroffen: Team Rocket. Da sie die "Gegenspieler" waren und somit die Produzenten es nicht für nötig hielten, sie für Kinder sympathisch zu machen, hatte man den Autoren bei dem TRio recht viel freie Hand gelassen.
Doch auch ein anderer Punkt wurde stark von Executive Meddling beeinflusst: Die Länge der Serie.
Denn die ursprüngliche Serie war dazu geschrieben, eineinhalb Jahre zu laufen. Sprich: Kanto war die ursprünglich geplante Serie. Doch dann kamen neue Pokémon-Spiele und da der Anime eigentlich noch recht erfolgreich war, hat man sich entschlossen, ihn fortzusetzen und dabei erst einmal Satoshi als Hauptcharakter zu behalten. Auch die Tatsache, dass Satoshi noch immer 10 ist, lässt sich hiermit erklären - denn diverse Autoren wollten ihn entwickeln und älter werden lassen.
Danach gab es immer wieder Punkte, wo man über eine grobe Konzeptänderung der Serie diskutierte - also speziell unter den Autoren - die natürlich ein Rausschreiben von Satoshi aus der laufenden Serie enthalten hätte... Doch dagegen hat man sich entschieden.
Stattdessen wurde viel mit diversen anderen Aspekten gespielt, die in Augen von diversen Produzenten die Beliebtheit der Serie steigern sollten. So wurde Kasumi (die zu dem Zeitpunkt zusammen mit dem TRio zu den unbeliebtesten Charakteren gehörte) herausgeschrieben.
Über Hoenn wissen wir allerdings wenig, weil es hier gar keinen Zentralen Autor gab, da Shudo zu diesem Zeitpunkt die Produktion des Anime verlassen hatte, aber auch niemand so wirklich nachgekommen war.
Anders sieht es mit Sinnoh aus, wo schließlich am Teamaufbau mehr geändert wurde und einige Rollen neu, andere überhaupt zum ersten Mal besetzt wurden.
Und man braucht keinen Abschluss in Storytelling zu sehen, wohin der neue Hauptautor der Serie, Atsuhiro Tomioka, wollte, als er Satoshis Pokémon Team ausarbeitete und gleichzeitig Hikari als neuen Hauptcharakter einführte, der ein wirkliches Ziel hatte: Satoshi rausschreiben (und Team Rocket gleich mit). Das sollte selbst dem letzten, der die Serie gesehen hat, ins Auge gestochen sein, der die Serie gesehen hat. Doch gerade hier war das Executive Meddling schon deutlich und klar zu sehen, als Takuto innerhalb einer Folge Satoshis Team mit einem Team von legendären plättet. Das wäre wohl den meisten selbst aufgefallen, wäre es Tomioka nicht später "versehentlich" rausgerutscht, dass dies so eignetlich nicht geplant war.
Allgemein war das sehr gehetzte Ende von Sinnoh und der nicht minder gehetzte Anfang der Best Wishes Folgen wohl ein reines Ergebnis von Executive Meddling.
Und Best Wishes hat es dahingehend noch schlimmer erwischt. Denn natürlich verlor Best Wishes langsam, aber sicher seine Quoten... Und Executive Meddling war schon recht früh nötig, als Folgen wegen Fukushima gestrichen wurden.
Doch auch später kam hier einiges zusammen. Vor allem "Best Wishes Season 2" und alles was danach kam, scheint eigentlich nur das Ergebnis von einem Wettkampf von Autoren und Produzenten zu sein, da man leicht merkt, wo wer das Ruder herumgerissen hat (ehe es wieder von der anderen Partei zurückgerissen wurde).
Kurz gesagt: Pokémon als Anime existiert so, wie er ist, sowieso nur dank Executive Meddling. Wäre es nach diversen Autoren gegangen, wäre die Serie sehr anders gewesen (und seid versichert: Die Bespiele, die ich genannt habe, waren sicherlich nicht die einzigen!)
Übrigens: Wusstet ihr, dass Satoshis erstes Pokémon ursprünglich Piepi sein sollte und nicht Pikachu, dies aber aufgrund von persönlichen Präferenzen der Produzenten abgeändert wurde?
Damit die Fragen an euch:
- Hättet ihr einen Anime ohne genanntes Executive Meddling lieber gesehen?
- Gibt es noch andere Sachen, hinter denen ihr Executive Meddling vermutet?
- Glaubt ihr einige der Executive Änderungen waren vielleicht besser?
- Was haltet ihr allgemein von dem Konzept Executive Meddling?