Jeder Zocker, der sein Hobby liebt, kennt die leidige Diskussion, die nach jeder Gewalttat eines Jugendlichen in den Medien und von unseren Politikern von neuem begonnen wird. Plötzlich wird wieder der Frage nachgegangen, ob Videospiele gewalttätig machen. Aber hier soll es zum Glück nicht um Gewalt in Videospielen oder deren Auswirkung gehen. Nein, wir Gamer wissen es ohnehin besser, denn nicht brutale Videospiele machen aggressiv, sondern frustrierende. Die Opfer sind in der Regel irgendwelche Controller oder Einrichtungsgegenstände im Wohnzimmer, die als Wurfgeschosse durch den Raum fliegen.
Wir alle kennen die Situation: Nach dem x-ten Versuch, eine verzwickte Stelle in einem Shooter zu überstehen, in der eine große Zahl an Feinden einem das Leben schwer macht, konnte man endlich seinen Plan umsetzen und mit viel Bedacht jeden einzelnen Gegner gekonnt ausschalten. Doch dann, BUMM! Irgendein Mistkerl hatte sich doch noch irgendwo versteckt und erschießt einen hinterrücks im Moment des vermeintlichen Triumphs und man darf die Stelle noch einmal von vorne beginnen. Die Methoden um mit dieser Situation umzugehen sind mannigfaltig: Viele Leute begnügen sich mit lautem Fluchen, aber einige hartgesottene Zocker donnern auch mal einen Controller gegen die Wand oder wenn sie es etwas sanfter mögen gegen die Lehne des Sofas. Ich persönlich bevorzuge lautes Fluchen mit Kraftausdrücken, die verschiedene Synonyme für Genitalien, Koitus und Prostituierte, sowie das Wort „Mutter“ in den verschiedensten Variationen und Kombinationen beinhalten, aber da hat bekanntlich jeder so seine eigenen Vorlieben…
Jetzt bieten ja die meisten Spiele heutzutage verschiedene Schwierigkeitsgrade und auf „leicht“ bzw. „einfach“ ist das Spiel für einen geübten Spieler wie mich wirklich keine allzu große Herausforderung. Dennoch packt mich doch jedes Mal irgendwie der Ehrgeiz, ein Spiel zumindest auf „mittel“ durchzuspielen. Da wäre zum einen mein persönlicher Stolz das Spiel nicht wie eine kleine Muschi zu spielen, zum anderen besteht der Fluch der heutigen Achievement-Systeme. Wenn man das Spiel nur auf einfach durchspielt, bleibt einem schon einmal die Trophy für den Durchlauf auf normalem Schwierigkeitsgrad verwahrt, häufig aber auch noch andere Trophies.
In der Herausforderung liegt aber auch der Reiz von Videospielen, denn ansonsten könnte man sich auch einen Film ansehen. Während im Film das Happy End (bis auf wenige Ausnahmen) von ganz alleine eintritt, hat man im Spiel noch selber für Selbiges zu sorgen. Das Kunststück, dass der Gamedesigner jetzt vollbringen muss, ist den Schwierigkeitsgrad eigentlich genau so festzulegen, dass die Herausforderung hoch genug ist, um den Spieler zu fordern, aber gleichzeitig nicht zu hoch, um den Spieler unnötig zu frustrieren. Um diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen, besitzt jedes Spiel heutzutage mehrere Schwierigkeitsgrade, so dass sich der Spieler den Grad der Herausforderung selbst bestimmen kann. Die klassische Methode, um den Schwierigkeitsgrad zu variieren besteht hierbei darin, den Schaden, den Gegner austeilen und einstecken können zu erhöhen und auch die Menge der Gegner zu steigern.
Das ist alles schön und gut und jeder Zocker, der die Herausforderung sucht, die er sich wünscht, wird zufriedengestellt. Jetzt bin ich aber als Nörgler und Nostalgiker gleichermaßen bekannt. Immerhin war früher alles besser! Das erste Spiel, das mir in den Sinn kommt, ist die Mega Man-Serie auf dem NES. Schwierige Levels und fordernde Bosskämpfe haben dem Spieler alles abverlangt. Und dennoch: Irgendwie fällt es mir leichter, ein Mega Man-Level zu meistern, als in irgendeinem Shooter souverän ein Level zu überstehen. Aus irgendeinem Grund sind heutige Spiele auf hohen Schwierigkeitsgraden schon schwerer als viele ältere Spiele, aber auf eine gänzlich andere Art und Weise.
Wenn ich mir wieder Mega Man betrachte, so fällt auf, dass die Level allesamt nicht sonderlich lang sind und die Bosskämpfe auch nur einige Sekunden oder wenige Minuten dauern. Jedes Level hat zwei Checkpoints, einen etwa nach der Hälfte und einen zweiten direkt vor dem Boss. Das Spiel beginnt man mit drei Leben. Sind diese Leben aufgebraucht, nützen die Checkpoints auch nichts mehr, weil man das Level wieder von vorne beginnen muss.
Viele heutige Spiele bieten unendlich viele Versuche und ein sehr humanes Checkpointsystem. So sind zwar etliche Abschnitte extrem schwierig, aber sobald man sie irgendwie geschafft hat, kann man auch dieses Kapitel abschließen und sich auf den nächsten Abschnitt konzentrieren. Auffällig ist das zum Beispiel bei der Uncharted-Reihe. Hier kämpft man sich oft genug durch Unmengen an Gegnern, stirbt etliche Tode, weil man von irgendeinem Gegner hinterrücks mit einer Schrotflinte erwischt wird oder nicht konsequent genug die Gegner auf Distanz gehalten hat und umzingelt wurde, aber dafür startet man das Gefecht dank dem Autosave direkt von vorne und kann so in etlichen Versuchen von seinen Fehlern lernen. Das Resultat ist das, dass man deutlich sorgloser spielt. Ich stürme halt einfach mal los, stürz mich ins Getümmel und versuche ohne große Taktik erst einmal mein Glück. Ich kann es mir leisten, wenn der Tod keinerlei Konsequenzen hat. Einen besonderen grad der Perversion nimmt es ein, wenn man mit Mühe und Not gerade noch den nächsten Checkpoint erreicht, mit gerade noch so viel Energie, dass man beim nächsten Treffer verliert. Anschließend stirbt man am nächstbesten Gegner und startet vom Checkpoint mit voller Energie. Möglich ist dies z.B. in den neueren Resident Evil-Teilen. Die Kunst besteht nicht mehr darin, wirklich gut zu sein oder gar vorausschauend zu spielen, stattdessen reicht es, dass man einen Abschnitt so lange versucht, bis man glücklich weiterkommt.
Eben dies war in den alten Spielen nicht möglich. Sie waren nicht schwierig, weil die Gegner übermächtig waren (wobei auch das oft genug der Fall war), sondern weil Versagen tatsächlich noch Konsequenzen hatte. Wenn ich in Mega Man das gesamte Level von vorne machen muss, weil ich beim Boss mein letztes Leben verloren habe, hindert mich das vor allem effektiv daran, den Endboss so lange zu probieren, bis ich ihn kann. Stattdessen muss ich gleichermaßen versuchen, das Level davor bereits souveräner zu meistern, um dann mehr Leben beim Endboss übrig zu haben, um auch hier ein bisschen trainieren zu können.
Zumindest ich habe ein deutlich größeres Erfolgsgefühl, wenn ich ein Spiel schaffe, weil ich tatsächlich gut gespielt habe und die Herausforderung gemeistert habe, als wenn ich ständig auf dem Zahnfleisch kriechend den nächsten Checkpoint erreiche und dies nur dem Umstand zu verdanken habe, dass ich den letzten Abschnitt beliebig oft versuchen durfte, bis ich entweder die zündende Idee hatte oder aber einfach nur Glück.
Selbst Spiele, in denen man tatsächlich noch eine begrenzte Anzahl an Leben hat, erzielen nicht mehr denselben Effekt, wie noch vor 15 Jahren. Man nehme nur einmal die New Super Mario Bros.-Reihe. Hier erreicht man eher 99 Leben (oder eben mehr, je nach Limit), als dass man den Game Over Bildschirm auch nur einmal zu sehen bekommt. Zwar werden die Levels gerade gegen Ende des Spiels doch ziemlich anspruchsvoll, aber zu diesem Zeitpunkt hat man längst so viele Extraleben angehäuft, dass der Game Over-Screen längst vollkommen unwahrscheinlich geworden ist.
Aber natürlich war früher nicht alles besser (oder schwieriger)! Auch heute gibt es noch Spiele, deren Schwierigkeitsgrad sich nicht dadurch auszeichnet, dass man den letzten Abschnitt noch ein paar Mal öfter versucht. Populärstes Beispiel dürfte wohl Demon‘s Souls sein, bei dem man nach seinem Ableben erst einmal ohne Ausrüstung startet und zu der Stelle gelangen muss, an der man zuletzt starb, um seine Ausrüstung wieder zu bergen. Dasselbe Prinzip wendet auch ZombiU an: Wenn man stirbt, mutiert der zuletzt gespielte Charakter zum Zombie und man muss mit dem neuen Spielcharakter erst den dahingeschiedenen und zu neuem Leben erwachten Kameraden niederknüppeln, um an die Ausrüstung zu gelangen. Besonders bitter hierbei ist, dass die gesamte Ausrüstung unwiederbringlich verloren ist, wenn man beim Bergungsversuch selbst auch stirbt, bevor man die Ausrüstung wieder hat. Dadurch sind die Konsequenzen des virtuellen Todes extrem hoch, was beim Spieler für eine gewisse Anspannung und vor allem dafür sorgt, dass man sich jeden weiteren Schritt sehr genau überlegt.
Egal wie es dazu kommt: Ein schwieriges Spiel wird oft genug für Frust sorgen, wichtig ist aber das Erfolgsgefühl hinterher. Ich persönlich empfinde das Gefühl doch deutlich befriedigender, wenn ich eine ernsthafte Herausforderung dann auch durch Können geschafft habe und nicht, indem ich es so oft probiert habe, bis es endlich irgendwie geklappt hat.
Wie empfindet ihr Schwierigkeitsgrade in Spielen? Legt ihr Wert auf einen hohen Schwierigkeitsgrad? Wie empfindet ihr die Gestaltung des Schwierigkeitsgrad bei alten und neuen Spielen?
Und als besondere Herausforderung: Um sich den von mir beschriebenen Sachverhalt mal zu verdeutlichen, empfehle ich einen Mega Man-Teil vom NES auf der Virtual Console der Wii U zu spielen. Einmal mit der Quick Save-Funktion immer an der Stelle, an der auch ingame die Checkpoints sind, so dass man diese Checkpoints aber beliebig oft nutzen kann. Danach das Ganze aber auch ohne Quick Save und plötzlich sieht die Welt ganz anders aus ;)