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Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist es aufgrund der Berechnung der Gesamtpunkte mit der Formel wichtig, dass ihr alle eure Punkte verteilt. Dazu findet ihr weiter unten eine Schablone, die ihr zum Voten nutzen könnt. Des Weiteren sind Sympathievotes sowie Votes für die eigene Abgabe unerlaubt. Begründungen sind keine Pflicht, aber können geschrieben werden, sofern man möchte (ihr könnt euch als Hilfe unser "How-to-vote-Topic" anschauen).
Der Vote läuft bis zum 30.11.2013 um 23:59 Uhr.
Stil und Eleganz,
Ich werde niemals aufhören,
vertrau darauf.
Nun Willkommen im
Königinnenreich/Queendom!
Das Königinnenreich, wo die Könige
sich verbeugen,
und dann ihre Kronen abgeben.
Ihr werdet mich jetzt alle hassen,
aber ich werd’s einfach umdrehen und
euch dazu bringen,
mich zu lieben, lieben, lieben!
Long live the Queen
Style and Grace
I'm never gonna be done,
lean on it.
Now welcome to the Queendom!
The Queendom, where the kings bow down,
then relinquish your crown.
Y'all gonna hate me now,
I'll just turn that around and make you
Love me, love me, love me!
Jim Johnston- Welcome to the Queendom
Sechzehn Jahre. Sechzehn lange, schwierige Jahre, jetzt habe ich es geschafft.
Nach sechzehn Jahren in denen ich gelogen, gestohlen und betrogen habe. Sechzehn Jahre lang hart erkämpfte Rache. Aber es hat sich gelohnt.
Rache lohnt sich immer.
Sonnenlicht dringt durch die halbtransparenten Vorhänge meines Zimmers. Als ich die Augen öffne sehe ich meine Zofe, die mich mit einem so schlecht gekünstelten Lächeln begrüßt, dass ich unweigerlich die roten Lippen zu einem spöttischen Grinsen verziehe. Sie sieht es, spürt dass ich ihren Unwillen bemerke und flieht schnell aus meinem Sichtfeld.
Ich richte mich auf, Locken von langem, roten Haar fallen mir über Schulter und Körper, der nur umhüllt ist mit einem leichten Nachthemd, besetzt mit kunstvoller Spitze, die einen tiefen Blick in mein Dekolleté erlauben. Es ist verrutscht und am Blick meiner Zofe sehe ich, dass man mehr sieht als ihr lieb ist. Ich lächele sie an, mit meinem kleinen, verruchten Lächeln, das aus einem Engel einen Teufel macht, einen Dämonen, eine Diebin der Herzen, die schleichend kommt und alles nimmt was sie findet.
Als ich meine langen Beine über die Bettkante schwinge und mit starken Schritten zum Fenster gehe, weicht sie mir aus. Ich schenke ihr keine weitere Beachtung. Diese Mädchen sind unfähige Kinder, neidisch auf das, was ich habe. Aber ich habe es verdient. Ich habe gekämpft. Sie kriechen nur im Staub und lecken Stiefel.
Nichtsnützig.
Als ich die Vorhänge beiseiteschiebe, empfängt mich eine zarte Brise. Sie umfängt mein Gesicht, liebkost es und haucht mir sanfte, bezaubernde Beschwichtigung ins Ohr. Über mir strahlt die Sonne, viel zu grell, viel zu heiß, dass die Luft über dem Boden beginnt zu verschwimmen.
Nichts anderes hat dieses Königreich verdient. Eine Ankündigung auf das, was noch folgen wird. Denn heute ist mein Tag. Und mit mir kommt ihr Verderben.
Unwillkürlich beginne ich zu lächeln.
Wie dumm. Wie dumm, dumm, dumm.
Es gibt Einige, einige Wenige, die tatsächlich ein wenig Intellekt zu besitzen scheinen. Sie stehen an meiner Seite, beschützen mich, helfen mir bei meiner Rache. Weil sie genau wissen, dass diese Rache alle in den Abyss reißen wird, in die tiefste Hölle. Ihre Angst vor mir lässt sie zu kleinen Bauern werden, die mir aufs Wort gehorchen. Hunde, die vor mir im Staub kriechen und munter meine Befehle ausführen, um mich zu unterhalten.
Aber auch sie werden Teil werden von dem, was ich für dieses Land und seine Bewohner erdacht habe.
Denn sie alle haben meine Rache verdient. Keiner soll übrig bleiben, der meinen Zorn nicht gespürt hat. Niemand soll diesem kranken Kopf entgehen.
Ja, ich weiß durchaus, dass ich verrückt bin. Sie haben mich dazu gemacht, haben mich geformt wie einen Klumpen Lehm, in das verwandelt, das sie brauchten, mich zerbrochen und wieder zusammengeflickt.
Aber nun bin ich nicht länger Dreck. Ich bin stärker geworden, fester. Ein Edelstein, ein Diamant mit scharfen Kanten. Schön und strahlend, ein blendendes Trugbild, das ich nur allzu gut aufrecht zu erhalten weiß.
Sie dreht meine Haare zu Locken, steckt sie hoch mit Klammern, die besetzt sind mit Rubinen. Ich starre mir selbst in die Augen, kalte, harte Seelenspiegel, gezeichnet von Kummer und Genugtuung, von Hass und Arroganz, von niemals vergessenem Schmerz. Augen, die längst nicht mehr die eines Menschen sind. Augen, die andere nicht anschauen. Sie durchschauen.
„Eure Majestät?“
Ich hebe meinen Kopf. Vom Spiegel aus schaut mich das kleine, runde Gesicht meiner Zofe an, die zusammenzuckt als ich sie mit meinem Blick durchbohre.
„Wir sind fertig“, informiert sie mich. Ihre Finger bearbeiten sich gegenseitig, und so sehr sie es auch will, sie kann ihre Augen nicht von meinen losreißen. Ich beiße mich an ihrem Blick fest, nehme sie gefangen, wie einen Vogel im Käfig. Ein kleines Mädchen in der Gegenwart eines Monsters. Ein Mädchen, das Angst hat, aber zu fasziniert ist um wegzuschauen.
So war ich auch einst. Bevor ich zur Besinnung gekommen bin.
„Das Korsett“, weise ich sie an und wende mich wieder meinem Spiegelbild zu. Die Augen eines lieblichen Pfaus, mit langen, federleichten Wimpern, gefärbt zu tiefer Schwärze, die die leuchtende Smaragde umranden. Lippen von der Farbe von Kirschen, immer leicht geöffnet um den süßlichen Atem auszuhauchen. Ein Gesicht wie ein Engel, mit hohen, starken Wangenknochen, einer vornehmen Blässe und einem Hauch von Rot.
Und ein Gemüt wie ein Raubtier. Eine Hyäne vielleicht. Ja, eine Hyäne. Ein Aasfresser, ein schlaues Wesen. Lässt die Arbeit für sich machen und tut sich am Tode anderer gütlich.
Ja, ja. Eine Hyäne.
Welch glorreiche Tiere. Tödlich auf eine Weise, die schlimmer ist als der Tod selbst.
Der Tag ist heiß. Ein Vorbote des Höllenfeuers, das ausbrechen wird.
Die Hitze erinnert mich an die Öfen, die schwielige Luft, die damals wie eine dichte Decke über mir gelegen hat. Funken von knisterndem Feuer, die aus den pfeifenden Metalldingern stoben, sobald ich zitternd einen Holzbalken nachschob.
Rote Striemen über meinen Händen, wenn ich mich verbrannt habe.
Oder wenn der Koch dachte, ich hätte es verdient.
Er war der Erste, der meine Rache zu spüren bekommen hat. Irgendwann war er einfach verschwunden, still und heimlich, nie wieder aufgetaucht. Wie denn auch?
Die Öfen hatten ihre Arbeit gut getan. Alles was blieb war ein Häufchen Staub, ein schwarzes Zeugnis seiner Existenz, das von den Winden auseinander gerissen wurde.
Es dauerte lange, bis ich die nötigen Beziehungen hatte. Ein Mädchen unehelicher Abstammung, die Mutter einer hübschen, doch verzweifelten Zofe. So verzweifelt und so voller Trugbilder, dass ich entstand, in einer einsamen Nacht mit dem Monarchen. Eine Nacht, die mein Leben bestimmte. Mein Leben als kleine, schutzlose Zofe im Schloss, dann ausgesetzt in der Gosse, an die falschen Leute geraten, süßen Worten gelauscht, vertraut und verloren. Niemand an meiner Seite.
Ich war alleine. Eine Waise, eine Schande, ein bittersüßes Geschenk an andere, das sie auspacken und nutzen konnten, wie es ihnen beliebte. Bis ich irgendwann zurückschlug. Bis ich begriff, dass ich auf meine eigene Art mächtig war.
Denn Macht ist alles in dieser Welt.
Und ich bin im Inbegriff, jene Macht zu erhalten, die ich mir erarbeitet habe. Durch dieses unfaire Spiel, das sich Leben nennt. Und wenn es unfair ist, warum sollte ich es dann nicht auch sein?
„Eure Majestät!“
Ich bleibe im Gang stehen, doch drehe mich noch nicht um. Als die große Gestalt an mir vorbeieilt und sich mit gebührendem Abstand vor mir aufstellt, da verziehen sich meine Lippen zu einem kleinen, spöttischen Grinsen.
„Sir Lance“, zwitschere ich mit einer Stimme, die vor lauter Zucker trieft. „Ihr habt mich in der letzten Nacht schon viel zu früh verlassen, wie mir erscheint.“
Er wirkt peinlich berührt, kann mir nicht in die Augen sehen. Sie bleiben auf meinem Ausschnitt haften.
„Verzeiht mir“, raunt er mir leise zu. Seine Stirn wirft Falten und sein Mund ist merkwürdig verzogen, durch seinen Bart ziehen sich graue Strähnen, die er noch nicht hatte, als ich ihm das erste Mal begegnete.
Ich bereite ihm offenbar Sorgen und Kummer. Ein wundervolles Gefühl.
Er ist nur eine kleine Schachfigur, von doppelter Verwendung, denn er ist vom Volk geschätzt und dazu ein willkommenes Vergnügen am Rande für mich.
„Ich empfand es nicht als angemessen, ein Tag nach dem Tode des Königs…“
„Ja, in der Tat. Mein armer Edward“, säusele ich und streiche mir mit dem Finger über die Lippen. „Eine Tragödie, nicht wahr?“
Ich gebe mir nicht einmal die Mühe zu verbergen, wie gelegen mir das ach so tragische Ableben meines Ehegatten kam. Er war ein alter Sack gewesen, senil und ein Lüstling. Und ich weiß, wie ich mit solchen Menschen umzugehen habe.
„Es ist in der Tat eine Tragödie.“
Ich verdrehe die Augen, als ich diese Stimme höre. Doch als ich mich ihrem Ursprung zuwende, trage ich meine perfekte Maske, ein Ausdruck von nüchternem Wohlwollen.
„Lord Aster“, begrüße ich den Troll mit Schweinsgesicht. Seine speckigen Wangen sind mit roten Flecken besetzt und seine kleinen Äugelein mustern mich feindselig. Ich lächele nur.
„Was für ein Zufall, dass der König- Gott habe ihn selig- so kurz nach eurer Hochzeit verstirbt“, raunt er mir zu, als er die Distanz zwischen uns mit harten, schweren Schritten überbrückt. „Und was für ein Zufall, dass auch sein Bruder erst kürzlich verstorben ist, was euch zur direkten Nachfolgerin macht.“
„Wollt ihr mir etwas sagen, Lord Alistair?“, zwitschere ich. „Nur zu. Ich bin mir sicher, dass sich diese Art von Problemen mit einem netten Plausch aus dem Weg räumen lassen. Und wenn nicht, dann bleibt ja immer noch der Henker, nicht wahr?“
Als ich ihn anstrahle, ein wundervolles, unschuldiges Lächeln, da weicht jede Farbe aus seinem Gesicht.
„Es ist noch nicht vorbei!“, prustet er atemlos, die Worte hervor gepresst als bereiten sie ihm Mühe.
„Das stimmt“, antworte ich und lege meine Hand zärtlich auf seine bleichen Wangen. Als ich mich herunterbeuge beginnt er zu zittern. „Es ist erst dann vorbei, wenn ich meine Krone trage. Und, oh, Schreck. Wo wir gerade davon reden… Sir Lance?“
Der Schwarzhaarige, der bisher an der Seite gestanden hat und versuchte, nicht zuzuhören, richtete sich sofort auf.
„Würdet ihr mich zum Thronsaal begleiten?“
Ich hake mich bei ihm ein, als er mir seinen Arm anbietet.
„Auf Wiedersehen, Lord Aster“, raune ich dem kleinen Adeligen zu. „Und ich bin mir sicher, dass dieses Wiedersehen sehr erfreulich wird.“
Ich liebe den Thronsaal. Die hohen Decken, besetzt mit Fresken tobender Schlachten und rauschender Feste, Marmorsäulen, die sich in die Höhe schrauben, rot leuchtende Teppiche und Fenster, die die glänzenden Fliesen in ein Meer aus Silbern verwandeln.
Jetzt ist er gefüllt mit Menschen, gekleidet in Rüschen, Schleifen und Spitze, Seide und Satin, ein buntes Heer aus Schachfiguren, die mich mit aufgesetztem Lächeln still beglückwünschen.
Es ist still im Saal, eine Anspannung liegt in der Luft und dämpft alle Geräusche, wie die Erde das Geschrei eines Menschen.
Ich schreite durch ihre Mitte, alle Blicke ruhen auf meiner Gestalt, die sich langsam vorwärts bewegt, hoheitlich und anmutig, die Augen auf den Schatz gerichtet, den sie so lange erseht hat.
Es spielt keine Musik, denn heute ist kein fröhlicher Anlass. Ich habe Trompeten und Posaunen verboten. Sie nahmen an, ich täte es aus Respekt gegenüber meinem toten Gatten.
Doch ich verbat es, weil sie nicht feiern sollten. Weil es für sie keinen Grund zum Feiern gibt.
Bei jedem Schritt pocht mein Herz. Die Gesichter um mich herum verschwimmen, meine Sicht ist getränkt in Farben und Licht.
Dort vorne wartet sie. Wartet auf mich.
„Ihre Majestät, Königin Elisabetha Luciana Katharina.“
Es ist nicht mein Name, doch meine Schachfiguren wissen es nicht.
Ich lächele dem alten Geistlichen zu. Auch uns verbindet eine gewisse Vergangenheit. In seinen Augen glänzt das Wissen um mich.
Ich beuge mich herab, sinke auf meine Knie und falte die Hände vor meiner Brust, den Blick andächtig zur Decke erhoben, wo zwei Jünglinge die Schwerter kreuzen. Dunkles Blut sickert aus ihren Wunden. Blut, das die Erde wieder fruchtbar machen wird.
„Schwörst du, dass du alles in deiner Macht stehende tun wirst, um dieses Land in eine Zukunft voll Glück und Ehre zu führen, mein Kind? So antworte mit ‚Ja, so wahr mir Gott helfe‘.“
Ich öffne den Mund, die Augen geschlossen.
„Ja“, spreche ich laut und deutlich. Das Herz in meiner Brust rast vor Aufregung und Begierde. „So wahr mir Gott helfe.“
„So nenne ich dich bei deinem Titel, Königin Elisabetha Luciana Katharina, auf dass du regieren wirst mit Anstand und Würde.“
Ich spüre das Gewicht der Krone auf meinem Kopf, als er sie langsam auf mein Haupt setzt. Spüre die Kälte die von ihr ausgeht, die Schwere, die nun auf mir lastet.
Langsam öffne ich meine Augen und richte mich auf, mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, drehe mich um und blicke in die Gesichter meiner Untertanen.
„Lang lebe die Königin!“, verkündet der Geistliche hinter mir.
„Lang lebe die Königin!“, rufen die Menschen.
Ja. Lang, sehr lang lebe die Königin.
Und schnell brenne ihr Reich.
Nothing I have ever known von Bryan Adams
Right now I feel
Just like a leaf on a breeze
Who knows where it's blowin'?
Who knows where it's goin'?
I find myself somewhere
I never thought I'd be.
I'm going round in circles, yeah
Thinkin' bout you and me...
And how do I explain it when
I don't know what to say?
What do I do now?
So much has changed.
Nothing I have ever known
Has made me feel this way.
Nothing I have ever seen
Has made me want to stay.
Here I am, ready for you.
I'm torn and
I'm fallin',
I hear my home callin', hey!
I've never felt something so strong.
Oh no.
It's like nothing I've ever known...
You're the one I'm lookin' for,
You're the one I need.
You're the one that gives me
A reason to believe.
Followin' our star
Has lead to where you are.
I feel so strong now,
This can't be wrong now...
Nothing I have ever known
Has made me feel this way.
Nothing I have ever seen
Has made me want to stay.
Here I am, ready for you.
I'm torn and
I'm fallin',
I hear my home callin', hey!
I've never felt something so strong.
Oh no.
It's like nothing I've ever known,
It's like nothing I've ever known...
Right now I feel,
Like a leaf on a breeze.
Who knows where it's blowin'?
And who knows
Where I'm goin'...
Gerade jetzt fühle ich mich
Genauso wie ein Blatt in einer Brise.
Wer weiß, wohin es weht?
Wer weiß, wohin es geht?
Ich finde mich selbst irgendwo wieder,
Wo ich niemals gedacht hätte zu sein.
Ich drehe mich im Kreis,
Denke an dich und an mich.
Und wie erkläre ich es, wenn
Ich nicht weiß, was zu sagen ist?
Was tue ich nun?
So vieles hat sich verändert.
Nichts, das ich jemals gekannt habe,
Hat mich auf diese Art fühlen lassen.
Nichts, das ich jemals gesehen habe,
Hat mich bleiben lassen wollen.
Hier bin ich, bereit für dich.
Ich bin hin- und hergerissen und
Ich falle,
Ich höre meine Heimat rufen.
Nie habe ich etwas so stark gefühlt.
Oh, nein,
Es ist wie nichts, das ich jemals gekannt habe.
Du bist diejenige, die ich suche,
Du bist diejenige, die ich brauche.
Du bist diejenige, die mir
Einen Grund zum Glauben gibt.
Unserem Stern zu folgen,
Hat mich dahin geführt, wo du bist.
Nun fühle ich mich so stark,
Das kann jetzt nicht falsch sein …
Nichts, das ich jemals gekannt habe,
Hat mich auf diese Art fühlen lassen.
Nichts, das ich jemals gesehen habe,
Hat mich bleiben lassen wollen.
Hier bin ich, bereit für dich.
Ich bin hin- und hergerissen und
Ich falle,
Ich höre meine Heimat rufen.
Nie habe ich etwas so stark gefühlt.
Oh, nein,
Es ist wie nichts, das ich jemals gekannt habe.
Es ist wie nichts, das ich jemals gekannt habe.
Gerade jetzt fühle ich mich
Wie ein Blatt in einer Brise.
Wer weiß, wohin es weht?
Und wer weiß,
Wohin ich gehe …
Meine Schritte werden langsamer, als die rot geziegelten Dächer langsam über den herbstlichen Baumwipfeln Gestalt annehmen. Unter meinen Füßen knirscht das trockene, verwelkte Laub, und während ich stehen bleibe, zögernd, unschlüssig, fühlt es sich an, als wäre es stattdessen Glas, das unter meinem Gewicht zersplittert. Oder aber die Scherben eines zerbrochenen Herzens.
Kleoparda tritt neben mich und ihr Schnurren erfüllt die Stille um uns herum. Beinahe ist mir, als könnte ich bereits den Geruch von Holzfeuern in der kalten Novemberluft erahnen, und tatsächlich meine, ich in der Ferne, dort, wo Avenitia über den Wipfeln der silbern glänzenden Bäume im Licht des untergehenden Mondes erstrahlt, den ersten Rauch aus Schornsteinen aufsteigen zu sehen. Ein gleichsam vertrauter wie beunruhigender Anblick: Vertraut, weil er mich an meine Kindheit erinnert, an all die Jahre, die ich in diesem kleinen Ort verbracht habe, und an die Herbsttage, an denen ich zusammen mit Bell und Lotta durch das bunte Laub getobt bin. Beunruhigend, weil ich inzwischen so vieles verloren habe.
Weiße Wölkchen steigen auf, wo mein Atem an die kalte Luft trifft; unter meinen Füßen knirscht das tote Blattwerk, als ich mein Gewicht verlagere. Für einen Moment bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, endlich wieder nach Hause zu kommen, und dem Wunsch, ganz weit weg von hier zu sein, um der Versuchung nicht zu erliegen; der Versuchung, mich in die schützenden Arme der alten Erinnerungen zu stürzen, in der Hoffnung, die neuen damit überdecken zu können. Und dem Sog des Vergessens, der mich unweigerlich erfassen würde, sobald ich erst einmal über die Schwelle Avenitias getreten wäre.
Was ist es, das mich inne halten lässt, hier, einen knappen Kilometer von meiner mir so vertrauten Heimat entfernt, inmitten all des Laubes, das golden und silbern schimmert? Weswegen fällt es mir so schwer, auch nur einen weiteren Schritt zu wagen? Warum zögere ich?
Die Fragen schwirren durch meinen Kopf, lassen meine Gedanken rasen und meinen Herzschlag sich beschleunigen. Sorgsam verborgene Bilder der Geschehnisse, die vor gerade einmal zwei Wochen stattgefunden haben, steigen langsam empor, befreien sich aus dem Käfig, in den ich sie gezwängt habe, in der stillen Hoffnung, mich nie wieder mit ihnen beschäftigen zu müssen. Ein törichter Wunsch, wenn man bedenkt, dass es Augenblicke und Menschen gibt, die man niemals vergessen kann.
Wieder spüre ich dieses mir inzwischen so vertraute Ziehen in der Brust, jenes Gefühl wie von tausenden von Schmetterlingen, die in meinem Bauch aufsteigen. Ist es nicht seltsam, zugleich Trauer und Freude zu verspüren? Wie kann es sein, dass der Wunsch nach Tränen und der, wie ein kleines Kind Luftsprünge auszuführen, nebeneinander existieren können, im selben Moment, im gleichen Atemzug? Und wie soll man etwas beschreiben, das man nie zuvor gekannt hat?
Lotta, Bell und ich waren seit unserer Kindheit befreundet; Sandkastenfreunde, wenn man es so bezeichnen will. Wir haben stets alles gemeinsam unternommen, sind gemeinsam zur Schule gegangen und haben gemeinsam Zukunftspläne geschmiedet. Im Alter von zehn Jahren stand für uns fest, dass wir eines Tages gemeinsam auf Reisen gehen wollen. Und tatsächlich sollten wir sechs Jahre später die Möglichkeit bekommen, im Auftrag von Professor Esche und an der Seite treuer Pokémon durch Einall reisen zu dürfen: Ein Kindheitstraum wurde wahr.
Aber aus allen Kindern werden irgendwann Jugendliche, und mit dem Erwachsenwerden kommen auch die Zweifel. Sind die Ideale, die man nur wenige Jahre zuvor noch angestrebt hat, noch immer realistisch? Haben die Wünsche und Hoffnungen, einst im naiven Feuer der Kindheit geschmiedet, auch im wahren Leben eine Chance? Oder müssen sie weichen im Angesicht der Wirklichkeit, in dem Augenblick, wo man das erste Mal erkennt, wie grausam diese Welt sein kann?
Zweifel plagen irgendwann einen jeden Menschen, und so war es auch bei mir nicht anders. Mit der Erfüllung unseres Kindheitstraumes, dem Beginn unserer Reise vor weit mehr als einem Jahr, kamen auch mir Zweifel, inwieweit unser Versprechen von einst Bestand haben würde. Zwar ist es heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr, nach dem Abschluss der Mittelschule zusammen mit einem Pokémon und einigen Freunden auf Reisen zu gehen, doch wechseln ebenso viele Jugendliche sofort auf die Oberschule über wie jene, die ein Jahr lang fern der Heimat und Familie ihr Dasein fristen wollen. Wie also kann man sich sicher sein, dass dieses Leben das richtige für einen ist?
Tage und Wochen vergingen, in denen diese Zweifel an meinem Herzen nagten, und oft lag ich nachts noch viele Stunden lang wach und grübelte über den Sinn meines Vorhabens. Dann aber erreichten wir Stratos City, und auch wenn wir uns bislang in Bezug auf Kämpfe zurückgehalten hatten, wollten wir doch erst unsere Partner besser kennenlernen, so beschlossen wir doch nun, das erste Mal gegen einen Arenaleiter anzutreten. Und während Lotta und Bell noch zögerten, welcher von uns dreien als erstes die Herausforderung annehmen würde, da befiel mich ein eigenartiges Gefühl, vom Kopf bis in die Zehenspitzen; ein Prickeln, wunderbarer als Freude und stärker als Angst. Ich meldete mich freiwillig, forderte gemeinsam mit meinem Floink den Arenaleiter heraus – und gewann.
Noch heute verspüre ich, wenn ich an diesen ersten großen Kampf zurückdenke, Herzklopfen, vermischt mit Euphorie und dem Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Pokémon. Dieses eine Gefecht hat mir die verheißungsvolle Seite meines neuen Lebens gezeigt und zugleich die Zweifel in meinem Inneren verkümmern lassen. In diesem Moment, wo das Matrifol von Artie, dem Arenaleiter von Stratos City, zu Boden ging, da wusste ich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand; und diese Erkenntnis wuchs mit jeder weiteren Herausforderung, jedem weiteren Kampf. Selbst Niederlagen beflügelten mich eher als dass sie mich deprimierten, und für lange Zeit war das Gefühl der Pokémon an meiner Seite, wie sie mit mir kämpfen und die Welt erkunden, das schönste überhaupt.
Kleoparda stößt ein kleines Miauen aus und reißt mich aus meinen Gedanken. Für einen Moment habe ich Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden, und einen Atemzug lang fühle ich mich anderthalb Jahre zurückversetzt, wie damals, als unsere Reise begann. Dann aber bemerke ich das welke Herbstlaub zu meinen Füßen, den leichten Schimmer aus Frost, der sich über die Gräser gelegt hat, und den kalten Wind, der die bunten Blätter von den Bäumen reißt. Der Mond geht bereits am Horizont unter, und so wie damals die Reise gerade erst begann, erfüllt von den Gerüchen des Frühlings und der Wärme des nahenden Sommers, so endet sie nun, begleitet nur vom Absterben der Welt in Vorbereitung auf den eisigen Winter.
Ich beuge mich hinab und strecke eine Hand aus, und sogleich ist Kleoparda dort, schmiegt sich an mein Handgelenk und schnurrt, sobald ich ihr den Nacken kraule. Für sie hat es höchstwahrscheinlich so ausgesehen, als würde ich, einer steinernen Statue gleich, einfach dort stehen bleiben, wo sich meine Schritte verloren haben, starr und unbewegt. Dass sich meine Gedanken jedoch im Kreise drehen und in vergangen Zeiten schwelgen, ganz im Gegensatz zu meiner erstarrten, leblosen Haltung, konnte sie nicht wissen, und während ich das Katzenpokémon weiterhin streichle und ihm meine Aufmerksamkeit zuteilwerden lasse, schleicht sich ein wehmütiges Lächeln auf meine Lippen. Manchmal bereue ich so vieles von dem, was ich getan habe.
Inzwischen ist der Tag ganz nah, und wenngleich Avenitia noch immer nur knapp einen Kilometer entfernt ist, gelingt es mir doch nicht, diese kurze Distanz zu überbrücken. Wie könnte ich auch so tun, als wäre nichts geschehen, als könnte ich einfach nach Hause zurückkehren, der Welt die Tür vor der Nase zuschlagen und für immer vergessen, was ich so sehr vergessen will? Wie könnte ich mit einer solchen Lüge leben? Denn die Wahrheit ist, dass so vieles geschah in dieser Zeit, die ich gemeinsam mit Lotta und Bell verbracht habe. Wir reisten zusammen durch Einall, gingen gemeinsam durch dick und dünn und halfen mit vereinten Kräften dabei, Team Plasma, jenes Verbrechersyndikat, das den Menschen ihre Pokémon ausreden und die Welt beherrschen wollte, zu bekämpfen. Unser Wunsch, ausgesprochen vor so vielen Jahren, ging in Erfüllung, und auf unserem Weg durch Einall begegneten wir vielen anderen Menschen, die einst den gleichen Traum hatten wie wir und ihn nun verwirklichten. Wir übernachteten das erste Mal unter freiem Himmel, während um uns herum die Pokémon ihre nächtlichen Runden zogen, und wir erblickten zum ersten Mal die Schönheit so vieler Orte, die einmalig sind auf dieser Welt. Lotta fing ihr erstes Pokémon, während Bell und ich gerade ein Mittagsschläfen hielten, Bell versuchte sich das erste Mal und ziemlich erfolgreich am Angeln – und ich? Nun, ich verliebte mich zum ersten Mal.
Es war ein ähnlicher Tag wie der heutige, herbstlich und kalt, die Luft erfüllt von den Gerüchen der leuchtenden Jahreszeit. Ich erwachte morgens als erster, inmitten einer Wiese hoher Gräser, auf der wir unsere Zelte aufgeschlagen hatten. Einen Moment lang war ich orientierungslos, wusste nicht, weswegen ich hier draußen lag und nicht in meinem Zelt; doch da entdeckte ich die wärmende Decke, die über mir ausgebreitet war, und spürte das daunenbewehrte Kissen unter meinem Kopf. Bilder und Eindrücke der vergangenen Nacht stürmten auf mich ein, und ich erinnerte mich wieder daran, noch lange mit Lotta geredet zu haben, bevor ich augenscheinlich eingeschlafen war. Anscheinend hatte Lotta mir daraufhin Decke und Kissen aus meinem Zelt geholt und mich schlafen gelassen; eine Erkenntnis, die mich seltsam rührte und berührte. Ich richtete mich von meinem Lager auf und blickte lange auf das inzwischen verloschene Feuer, meine Gedanken irgendwo zwischen diesem Augenblick und letzter Nacht, mein Herz hin- und hergerissen zwischen Vernunft und jenem zarten Gefühl, welches ich zuvor noch nie gefühlt hatte.
An diesem Morgen musste ich mir eingestehen, dass ich etwas für Lotta empfand. Bereits zuvor hatte ich zwar Ahnungen gehabt, war mir doch schon seit längerem aufgefallen, dass ich öfter und lieber das Gespräch mit ihr suchte, als es jemals zuvor der Fall gewesen war, aber in diesen frühen Morgenstunden musste ich einsehen, was sich bereits seit Wochen angedeutet hatte. Und auch wenn mich diese Erkenntnis aufwühlte, ebenso wie es das seltsam liebevolle Verhalten Lottas in der vorigen Nacht getan hatte, so nahm ich das ganze doch mit einer erstaunlichen Gelassenheit hin; fast so, als würde mir die Einsicht meiner Gefühle eine ungeahnte Stärke geben. In diesem Augenblick, wo ich mir vor Augen hielt, dass ich mich tatsächlich in Lotta verliebt hatte, fühlte es sich richtig an, und selbst der Vernunft gelang es nicht, etwas daran zu ändern.
In den darauffolgenden Tagen ging ich wie auf Wolken, war ungewöhnlich gut aufgelegt und seltsam gesprächig. Meine Schritte waren federnd, mein Gang unbeirrt, und ich ertrug selbst die Niederlage gegen die Arenaleiterin von Panaero City mit einer Gelassenheit, die mich im Nachhinein selbst verwundert. Nichts konnte meine Freude schmälern in diesen Tagen des Glücks, und auch wenn ich es nicht wagte, Lotta meine Gefühle zu gestehen, so war ich doch mit mir und der Welt im reinen.
Zumindest bis zu dem Tag, an dem Lotta spurlos verschwand. Jenem Morgen, der unser Leben auf ewig verändern sollte.
Tränen benetzen meine trockenen Wangen und der beständig zunehmende Wind fährt mir unsanft durch das dunkle Haar, während ich an jenen Augenblick zurückdenke, in welchem ich voller Schrecken erwachte, schreckensbleich und von Angst gebeutelt. Furcht schnürte mir das Herz zu, und noch ehe ich aus meinem eigenen Zelt heraus und zu dem der Mädchen gegangen war, wusste ich bereits, was geschehen war. Vorsehung oder einfach nur Verlustängste, die zufälligerweise an ebendiesem Morgen zuschlagen hatten? Ich weiß es bis heute nicht; ich weiß nur, dass ich es noch immer bereue, nicht eher auf Lotta zugegangen zu sein, um ihr von meinen Gefühlen zu berichten. Vielleicht hätte sie dann einen Grund gehabt, um zu bleiben. Vielleicht wäre sie dann nicht aufgebrochen, während wir schliefen, um es alleine mit Team Plasma aufzunehmen. Vielleicht wäre unsere Welt dann noch ein klein bisschen länger heil und perfekt gewesen, anstatt in einem Meer aus Scherben zu zerbrechen, als wir erfuhren, dass es einen gewaltigen Kampf unterhalb der Pokémon-Liga gegeben hatte; einen Kampf, der die gesamte Liga zerstört und nur noch Trümmer aus Schutt und aus Asche zurückgelassen hatte, in denen es unmöglich war, auch nur einen einzigen Menschen zu finden.
Noch immer verfolgen mich diese Bilder, der Anblick der marmornen Säulen, die, umgeknickt wie tote Bäume im schweren Sturmwind, spielzeuggleich den einstigen Thronsaal des versteckten Schlosses unter der Pokémon-Liga füllten. Die Gerüche nach altem Gestein, Zerstörung und Blut hingen noch immer schwer in der Luft, als Bell und ich gemeinsam zum Platz der endgültigen Zerschlagung Team Plasmas reisten, um nach derjenigen zu suchen, die uns zurückließ, um die Welt ein wenig besser zu machen. Und während wir durch die Trümmer schritten und überall nach einem Lebenszeichen von ihr suchten, stellte ich mir die Frage: Wäre sie geblieben, wenn sie von meinen Gefühlen gewusst hätte?
Die Sonne geht auf und ich weiß, dass ich nun eine Entscheidung treffen muss. Ganz gleich, wie sehr ich es auch hinauszögern möchte, schlussendlich muss ich wählen: Gehe ich nach Avenitia, dessen warmen, lockenden Schein ich bereits von hier ausmachen kann; oder kehre ich zurück in die weite Welt, mache ich mich auf die Suche nach dem einen Mädchen, das meinem Leben einen weiteren Sinn gegeben hat?
Der Horizont erstrahlt in rotem Glanz und entscheide mich. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, nicht, ob dieses Gefühl in meinem Inneren, dass Lotta noch immer lebt, irgendwo dort draußen, mich vielleicht doch trügt; aber ich werde alles daran setzen, sie zu suchen, alles, um sie noch ein letztes Mal zu sehen.
Unter meinen Füßen knirscht das trockene Laub, als ich mich in Bewegung setze. Ich werfe einen letzten Blick auf Avenitia, die rot gezielten Dächer, die über den Baumwipfeln aufsteigen. Dann gehe ich nach Norden, die Sonne ein strahlender Stern, der mir den Weg leuchtet, während der kühle Wind meine Tränen trocknet und das tote Blattwerk spielerisch umher weht.
Mein Blick wandert rastlos über die Baumwipfel, die im Licht der aufgehenden Sonne rot und golden zu leuchten beginnen. Kalt weht der Wind von Osten und in der Luft liegt bereits jener verräterisch klare Hauch, der den nahen Winter prophezeit. In diesem Augenblick aber ist noch Herbst, die Jahreszeit, in der das Blattwerk als raschelndes Laub von den Bäumen fällt und alle Pflanzen verdorren. Die Zeit des Todes und des Endes.
Aber ich will nicht, dass es zu Ende geht. Nicht so.
Für einen kurzen Moment, vielleicht nur einen Wimpernschlag, meine ich, in der Ferne etwas zu erkennen; eine Gestalt vielleicht, schemenhaft, in der Begleitung einer anderen, kleineren. Einen Atemzug lang schlägt mein Herz schneller und Hoffnung macht sich in mir breit. Dann aber ist der Augenblick auch schon wieder vorüber und der Wind frischt auf. Grob zerrt er an den letzten trockenen Blättern der Bäume, reißt sie fort und trägt sie von dannen, weit weg von ihrer Heimat. Und von mir.
Manchmal frage ich mich, was ich sagen soll, wenn ich ihn wiedersehe. Wie soll ich erklären, was mich dazu angetrieben hat, damals zu gehen und ihn zurückzulassen?
Mein Blick wandert rastlos umher.
Wie soll man etwas beschreiben, das man nie zuvor gekannt hat?
beth crowley warrior
You fascinated me
cloacked in shadows and secrecy
the beauty of a broken angel
I ventured carefully
afraid of what you thought I'd be
but pretty soon I was entangled
You take me by the hand
I question who I am
Teach me how to fight
i'll show you how to win
you're my mortal flaw
and I'm your fatal sin
let me feel the sting
the pain
the burn
under my skin
Put me to the test
i'll prove that I'm strong
won't let myself believe
that what we feel is wrong
finally see what
you knew was inside me
all along
That behind this soft exterior
Lies a warrior
My memory refused
to separate the lies from truth
and search the past
my mind created
I kept on pushing through
standing resolute which you
in equal measure
loved and hated
You take me by the hand
I'm seeing who I am
Teach me how to fight
i'll show you how to win
you're my mortal flawn
and I'm your fatal sin
let me feel the sting
the pain
the burn
under my skin
Put me to the test
i'll prove that I'm strong
won't let myself believe
that what we feel is wrong
finally see what
you knew was inside me
all along
That behind this soft exterior
Lies a warrior
Lies a warrior
You take me by the hand
I'm sure of who I am
Teach me how to fight
i'll show you how to win
you're my mortal flawn
and I'm your fatal sin
let me feel the sting
the pain
the burn
under my skin
Put me to the test
I'll prove that I'm strong
won't let myself believe
that what we feel is wrong
finally see what
you knew was inside me
all along
That behind this soft exterior
Lies a warrior
The pictures come to life
make me in the dead of night
open my eyes
I must be dreaming
Clutch my pillow tight
brace myself for the fight
I've heard that seeing
is believing
Du fasziniertest mich,
gehüllt in Schatten und Verborgenheit.
Die Schönheit eines gefallenen Engels.
Ich wagte es vorsichtig,
Angst davor, was du von mir dachtest.
Doch sehr bald wurde ich umschlungen.
Du nimmst mich bei der Hand.
Ich frage mich wer ich bin.
Bring mir bei wie man kämpft,
Ich werde dir zeigen wie man gewinnt,
Du bist mein sterblicher Fehler
und ich deine fatale Sünde.
Lass mich den Stich,
den Schmerz, das Brennen
unter meiner Haut spüren.
Teste mich,
ich werde beweisen, dass ich stark bin.
Lass mich nicht glauben,
dass das, was wir fühlen, falsch ist.
Ich sehe endlich was du wusstest,
was die ganze Zeit in mir verborgen war.
Das hinter diesem sanften Äußeren
ein Kämpfer steckt.
Meine Erinnerungen weigern sich,
um die Lügen von der Wahrheit zu trennen,
und die Vergangenheit zu suchen,
die mein Geist erschuf.
Ich gehe weiter dadurch,
stehe resolut neben dir,
in gleichem Maße
geliebt und gehasst.
Du nimmst mich bei der Hand.
Ich sehe wer ich bin.
Bring mir bei wie man kämpft,
Ich werde dir zeigen wie man gewinnt,
Du bist mein sterblicher Fehler
und ich deine fatale Sünde.
Lass mich den Stich,
den Schmerz, das Brennen
unter meiner Haut spüren.
Teste mich,
ich werde beweisen, dass ich stark bin.
Lass mich nicht glauben,
dass das, was wir fühlen, falsch ist.
Ich sehe endlich was du wusstest,
was die ganze Zeit in mir verborgen war.
Das hinter diesem sanften Äußeren
ein Kämpfer liegt
ein Kämpfer liegt...
Du nimmst mich bei der Hand
Ich bin sicher, wer ich bin.
Bring mir bei wie man kämpft,
Ich werde dir zeigen wie man gewinnt,
Du bist mein sterblicher Fehler
und ich deine fatale Sünde.
Lass mich den Stich,
den Schmerz, das Brennen
unter meiner Haut spüren.
Teste mich,
ich werde beweisen, dass ich stark bin.
Lass mich nicht glauben,
dass das, was wir fühlen, falsch ist.
Ich sehe endlich was du wusstest,
was die ganze Zeit in mir verborgen war.
Das hinter diesem sanften Äußeren
ein Kämpfer liegt.
Die Bilder werden lebendig,
lassen mich in der toten Nacht
die Augen öffnen.
Ich muss träumen.
Ich halte mein Kissen fest,
bereite mich auf den Kampf vor.
Ich habe gehört, dass sehen glauben bedeutet.
Die nach Holz und Kerzenwachs duftende Luft schleicht sich beständig in meine Atemwege. Der vertraute Geruch meines Zimmers, welchen ich normalerweise gar nicht mehr wahrzunehmen vermochte, drängt sich mir mit einer Intensität auf, als befände ich mich zum ersten Mal hier. Doch normalerweise bin ich auch alleine in diesem quadratisch angelegten Zimmer.
Zum wiederholten Male öffne ich meine Augen. Das gedämmte Licht, einzig produziert vom flackernden Licht der vielen Kerzen, wirft eine angenehme und zugleich düstere Atmosphäre in den Raum. Viele Schatten werden an die Wände geworfen, wirken beinahe gespenstisch. Ich schaue fasziniert von diesem Lichtspiel in die mir am dunkelsten erscheinende Ecke des Raumes, von der aus mir abermals klar wird, nicht alleine anwesend zu sein.
Er steht dort, eingehüllt in Schatten und Verborgenheit, was mir beinahe unmöglich macht, sein Gesicht zu sehen. Seine Silhouette hebt sich nur minimal von der allgegenwärtigen Dunkelheit ab, sodass ich meine Augen zusammenkneifen muss, um einen Unterschied festmachen zu können. In diesem Moment wirkt er so bedrohlich wie ein Tier, das auf seine Beute wartet.
"Komm doch heraus, wie du da stehst macht mir Angst.", sage ich, meine Stimme wirft ein leises Echo in den sonst so stillen Raum. Sogleich tritt er hervor, hinein in den flackernden Kerzenschein. Er steht nun ganz ruhig da. Doch alleine seine Präsenz lässt meinen Hals trocken werden, mein Herz schnell gegen meine Brust schlagen, als wolle es erreichen, dass diese zerspringt. Meine Lippen werden trocken, es scheint, als werde ich bald den Boden unter den Füßen verlieren.
Er sieht aus wie ein Engel. Seine schwarzen Haare fallen ihm in die Stirn, unterstreichen die Wirkung seiner eisblauen Augen, die mich gefasst anblicken. Seine markanten Gesichtszüge strahlen Macht aus, eine so übermächtige Kraft, als könne ihn nichts erschüttern. Seine vollen Lippen wirken im einfallenden Licht rot wie Blut, als er beinahe gefährlich anfängt zu lächeln. Ich muss noch hinzufügen, dass er nicht aussieht wie ein herkömmlicher Engel, nein - es ist die Schönheit eines gefallenen Engels die mich so unglaublich an ihm fasziniert.
Langsam atme ich die angehaltene Luft wieder aus, meine Schläfen beginnen zu pochen. Ich weiß nicht, ob es an der stickig gewordenen Luft liegt oder an etwas Anderem. In dem Moment blickt er mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten kann. Skepsis zeichnet sich in seinen Zügen ab, die mich nervös macht. Ich beiße mir auf die Lippe, bis ich den rostigen Geschmack von Blut wahrnehme. Was soll ich tun? Will ich doch nur, dass er mich mag, mich genauso ansieht, wie ich ihn. Mich ebenso begehrt, wie ich ihn. Soll ich etwas sagen? Ihm sagen, wie ich fühle? Bei dem Gedanken schnürt sich meine Kehle zu. Doch ich will es vorsichtig wagen, auch wenn ich Angst habe, was er dann über mich denkt. Ich befeuchte mit meiner Zunge meine spröden Lippen, die sich wirklich ungemein trocken anfühlen. "Raphael, ich -" Doch plötzlich bin ich von ihm umschlungen. Mir ist unverständlich, wie er sich so schnell und unbemerkt hat bewegen können, nur um mich alsbald in seinen warmen Armen zu halten. Gleichzeitig bekomme ich eine Gänsehaut, meine Arme prickeln unter seiner zärtlichen Berührung. Er steht so nah bei mir, dass sich mir unwillkührlich sein Geruch aufdrängt - Seife, Vanille und sein eigener, individueller Duft. Ich spüre, wie sein süßer Atem mein Haar streift. Ich befinde mich in dieser wohltuenden Umarmung, eng an ihn gedrückt, und ich reiche ihm gerade mal bis zur Brust. Ein kleines, aufgeregtes Lachen entflieht meiner Kehle, welches sich nicht aufhalten lässt, bin ich doch gerade so glücklich. Und verwirrt. Er nimmt meine Hand in die seine, übt einen zärtlichen Druck darauf aus. Unverständlicherweise meldet sich gerade jetzt wieder mein Kopf - das unlogische Pochen in meinen Schläfen nimmt kein Ende. Will es mir etwas sagen? Das fröhliche Flattern in meiner Brust nimmt ab, eine Frage drängt sich mir auf: Ich frage mich, wer ich eigentlich bin. Ich war noch nie das Mädchen gewesen, welches sich beliebt nennen konnte. Ich ward noch nie von Menschen gemocht. Und jetzt gebe ich mich einer Umarmung hin von einem Jungen, welcher mich von Anbeginn fasziniert hat? Ich beiße mir auf die Lippe. Noch immer schmeckt sie rostig.
Sein Brustkorb vibriert und sendet elektrische Schauer durch meinen Körper, als er zu mir mit gedämpfter Stimme, tief und verführerisch, spricht: "Ich habe eine Idee, Melissa, eine einzigartige Idee, dir meine Gefühle zu beweisen. Mir deine Gefühle zu beweisen." Ich sehe verwirrt zu ihm auf. Er lächelt jedoch abermals sein bestialisches Lächeln. Diese Gefahr bringt meine Wangen zum Glühen. Ich war immer das schüchterne Mädchen gewesen, von diversen Menschen auf's Bitterste niedergemacht. Er ist eine Kämpfernatur. Bring mir bei wie man kämpft, denke ich entschlossen. Und ich werde dir zeigen, wie man gewinnt. Meine Nackenhärchen stellen sich warnend auf. Ich ignoriere es.
"Und die wäre?", frage ich mit bebender Stimme, flattert mein Herz doch vor Neugierde. Seine Augen leuchten im Kerzenschein beinahe grau, als er auf mich hinabsieht und flüstert: "Melissa, es wird wunderbar werden! Ein Test unserer Gefühle!"
"In Ordnung," antworte ich, meine Stimme klingt sicherer, als ich mich fühle. Dann grinst er abermals.
"Danke. Keine Sorge, du wirst es nicht als Fehler ansehen." Nein, weil du mein menschlicher Fehler bist. Ich hole tief Luft. Tränen sammeln sich in meinen Augenwinkeln. Ich blinzele sie kurzerhand weg. Und ich deine fatale Sünde.
Er löst sich langsam aus der Umarmung, hält meine Hand jedoch noch fest. Seine warme Handfläche wirkt ein wenig feucht, doch es stört mich nicht. Ich liebe das Gefühl, wenn er mich hält. Er zieht mich entschlossen in die Mitte des Raumes. Hier ist die von Kerzenrauch dominierende Luft am gesättigsten, sodass ich beginne, flacher zu atmen. Ein Schwindelgefühl bahnt sich an. Doch auch dies ignoriere ich.
Er setzt sich geschmeidig, und wieder schneller, als meine Augen sehen können, auf den weinroten Teppich meines Zimmers. Ich tue es ihm gleich. Der Teppich fühlt sich weich an meinen nackten Füßen an. Ich blicke zu Raphael, der noch immer eine Anziehungskraft auf mich ausübt, als sei er tatsächlich ein Engel. Zu meinem Erstaunen zieht er plötzlich etwas scharfes aus seiner Hosentasche. Es blitzt metallisch im Kerzenschein auf, und mir wird schwindelig. Ein Messer.
Bevor ich meine zitternde Stimme erheben kann, kommt der Junge mir zuvor. "Keine Sorge, es ist nichts schlimmes." Ich schlucke. Erneut spüre ich das drängende Pochen in meinen Schläfen, das warnende Gefühl in meiner Brust. Ich zittere. Er hält das Messer in seinen Händen, als hätte er nie etwas anderes getan. Bedrohlich zeigt die Klinge auf mein Herz. Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, lässt Haarsträhnen in dieser kleben. Raphaels Augen liegen im Schatten. Ich habe selten so etwas bedrohliches gesehen.
"Wir verbinden uns. Mit einem Blutsschwur. Unsere Liebe wird ewig währen. Blut gegen Blut." Seine Stimme klingt so tief und begehrend, dass es mir Angst macht. Ich blicke ihn an. Blicke in den Schatten, der eigentlich seine Augen beinhalten soll.
"Gut," sage ich entschlossen, mit Tränen in den Augen, die Zähne zusammenbeißend. "Tu es." Er beißt sich indes gierig auf die Lippe. Als ich seine Augen wiedersehe, scheinen sie keine Seele mehr zu besitzen. Ich halte ihm den Arm hin, den er verlangend mit seiner starken Hand packt. Ich will ihn aufgrund des mir unerklärlichen Hungers in seinen Augen wegziehen, doch es misslingt mir. Er ist um ein Vielfaches stärker als ich. Dann sticht er zu.
Ich fühle das Stechen, das Brennen, den Schmerz unter meiner Haut. Es raubt mir kurz den Atem, als ich sehe, wie das Messer meine blasse Haut rot färbt und die Klinge fast schwarz schimmert. Das Blut bahnt sich seinen Weg hinab bis zu meiner Hand, wo es sich sammelt und dann auf meinen Teppich tropft. Erneut dreht sich mein Kopf. Ich will es durchhalten. Ich muss. Ich liebe ihn doch. Und er mich auch. Oder?
Teste mich, ich werde beweisen, dass ich stark bin. Werde nicht glauben, dass das, was wir fühlen, falsch ist. Eine Träne läuft langsam meine Wange hinab, hinterlässt eine feuchte Spur. Der Schmerz, ausgehend von meinem Arm, nimmt bald mein ganzes Bewusstsein ein. Ich sehe Raphael an, obgleich die Sicht vor mir verschwimmt. Er sieht stolz aus, seine Gesichszüge wirken irgendwie...sanft. Verständnisvoll.
Ich sehe endlich, dass du die ganze Zeit wusstest, was in mir verborgen war. Das hinter diesem sanften Äußeren ein Kämpfer steckt. Glücklich senke ich meine Lider, die die Welt mit einem gütigen Schwarz bedecken. Meine Wimpern streifen über meine hohen Wangenknochen. Ich spüre, wie eine plötzliche Erschöpfung an mir nagt. Muss der Blutverlust sein. Dann höre ich schwach Raphaels Stimme, die so schön und lieblich klingt als wie zuvor. "Keine Sorge, meine Schöne, bald tut es nicht mehr weh." Ich höre ein Geräusch, welches ich nicht identifizieren kann. Doch als dann ein weiterer, aufdringlicher Schmerz folgt, der meiner Kehle einen spitzen Schrei entlockt, weiß ich, dass Raphael sich ebenfalls den Arm aufgeschnitten hat, um sich mit mir auf eine Art zu vereinen, die einzigartig ist. Ich lächele schwach. Das Brennen nimmt stetig zu, hält mich hartnäckig an der Oberfläche zur Wirklichkeit. Doch ich spüre mit Erschrecken, wie sich diese immer weiter mit der unwirklichen Fantasie vermischt. Was war Wahrheit, was Lüge? Ich merke, wie ich meine Erinnerungen ablehne, um die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden, und die Vergangenheit zu suchen, welche mein Geist erschaffen hat. War ich wirklich immer das schüchterne Mädchen gewesen? Oder hatte ich dies nur so empfunden? Mein Kopf droht zu explodieren, meine Brust zu bersten. Es tut alles so weh. Raphael, es soll aufhören...
Doch es scheint, als höre er meine Verzweiflung nicht. Als könne er sie nicht spüren. Ich beiße verzweifelt auf meine Lippe, die abermals nur Blut freigibt. Nur Blut. Der rostige Geruch steigt in meine Nase, dreht meinen Magen um. Es schmeckt nach Blut. Ich fühle, wie mein Arm das feuchte Rot beherbergt. Und wie Raphael ergriffen aufstöhnt.
"Unsere Liebe ist einzigartig! Niemand wird sie leugnen können!" Ich beginne mich vor ihm zu fürchten. Widersprüchliche Gedanken drängen sich mir auf, Tränen laufen unaufhörlich meine Wangen hinab. Ich muss da durch gehen. Resolut neben dir stehen. Und doch fühle ich in gleichem Maß Liebe und Hass. Hass. Mir wird abermals schwindelig, als ich das Wort geistig wiederhole. Es ist doch nur seine Art, mir seine Liebe zu beweisen. Liebe, Liebe...
Erneut nimmt er meine Hand. Noch immer ist die Seine feucht. Ich beginne aber zu zweifeln, ob es nur Schweiß ist. Die Flüssigkeit nimmt meine Sinne vollends ein. Er drückt meine Hand. Ich bin jedoch bereits zu schwach, seinen Druck zu erwidern. Plötzlich merke ich, wer ich wirklich bin. Ein Mädchen, welches nichtmal den Liebesbeweis eines Jungen wirklich ehren kann. Welches zu schwach ist, das alles ungeschadet zu überstehen. Welches den Test nicht bestehen kann. Welches nicht stark ist. Das einfach ein Nichts ist. Ich muss einsehen, dass ich kein Kämpfer bin. Kein Kämpfer...
Nach dieser Erkenntnis lässt Raphael meine Hand los. Schwach lasse ich sie auf den weichen Teppich fallen. Inzwischen muss das Blut getrocknet sein. Es fühlt sich zumindest hart an, mein Arm bleibt bewegungslos und starr. Doch nichtmal auf das kann ich mehr achten. Meine Augen fühlen sich an wie festgeklebt. Ich bin nicht mehr in der Lage sie zu öffnen. Ich höre nur noch, wie sich eine tiefe, verführerische Stimme erhebt: "Ich liebe dich. Wir sind für immer verbunden."
Plötzlich sehe ich Bilder, die vor meinen Lidern auf und ab tanzen. Bilder von Engeln. Gefallenen Engeln.
Die Bilder werden lebendig, bringen mich dazu, in der toten Nacht meine Augen zu öffnen. Ich muss träumen...
Plötzlich bin ich wieder in der Lage, meine Lider zu heben. Um mich herum herrscht eine allumfassende Dunkelheit, keine Kerzen, kein Licht. Kein Raphael.
Ich spüre, dass ich weine. Ich erinnere mich an das Geschehene. Doch überraschenderweise sticht kein Schmerz, welcher von meinem rechten Arm ausgehen müsste, durch mein Bewusstsein. Alles fühlt sich normal an. Kein Blut rinnt meinen Arm hinab, kein rostiger Geruch, der meine Nase verätzt. Es ist, als wäre nie etwas gewesen. Ich setze mich auf, feststellend, dass ich mich in meinem Bett befinde. Ich knipse die kleine Schreibtischlampe an, um einen Eindruck von der Umgebung zu bekommen. Das Licht blendet mich, ich muss die Augen zusammenkneifen. Tatsächlich sind keine Kerzen mehr vorhanden. Und kein Anzeichen, dass Raphael je existiert hat. Habe ich das alles wirklich nur geträumt?
Ich drücke mein Kissen fest, mache mich für den Kampf bereit. Den inneren Kampf, den ich austrage. Meine Brust scheint von innen zu brennen, als ich beginne, Tränen zu vergießen. Mit verschwommenen Augen begutachte ich meinen Arm, der in meiner Erinnerung blutgetränkt war. Und mein Herz bleibt stehen.
Ich habe gehört, dass sehen 'glauben' bedeutet.
Er muss existiert haben. Ich glaube fest daran. Auf meinem Arm prankt eine zuvor nicht dagewesene, rote Narbe.
Give me Novacaine von Green Day
Take away the sensation inside
Bitter sweet migraine in my head
Its like a throbbing tooth ache of the mind
I can't take this feeling anymore
Drain the pressure from the swelling,
The sensations overwhelming,
Give me a long kiss goodnight and everything will be alright
Tell me that I won't feel a thing
So give me Novacaine
Out of body and out of mind
Kiss the demons out of my dreams
I get the funny feeling, that's alright
Jimmy says it's better than here,
I'll tell you why
Drain the pressure from the swelling,
The sensations overwhelming,
Give me a long kiss goodnight and everything will be alright,
Tell me that I won't feel a thing,
So give me Novacaine
Oh Novacaine
Drain the pressure from the swelling,
The sensations overwhelming
Give me a kiss goodnight and everything will be alright,
Tell me Jimmy I won't feel a thing,
So give me Novacaine
Nimm die Sensation im inneren Weg
Bittersüße Migräne in meinem Kopf
Es ist wie ein pochender Zahnschmerz des Verstandes
Ich kann dieses Gefühl nicht mehr ertragen
Nimm den Druck von der Schwellung
Die Sensation ist überwältigend
Gib mir einen langen Gute-Nacht-Kuss
Und alles wird in Ordnung sein
Sag mir, dass ich nichts fühlen werde
So gib mir Novocain
Außerhalb des Körpers und des Geistes
Küsse die Dämonen aus meinen Träumen davon
Ich bekomme das lustige Gefühl, das ist gut
Jimmy sagt, es sei besser als hier
Ich werde dir sagen, wieso
Nimm den Druck von der Schwellung
Die Sensation ist überwältigend
Gib mir einen langen Gute-Nacht-Kuss
Und alles wird in Ordnung sein
Sag mir, dass ich nichts fühlen werde
So gib mir Novocain
Oh, Novocain
Nimm den Druck von der Schwellung
Die Sensation ist überwältigend
Gib mir einen langen Gute-Nacht-Kuss
Und alles wird in Ordnung sein
Sag mir, Jimmy, dass ich nichts fühlen werde
So gib mir Novocain
Ich rannte und schoss abermals einige Salven in Richtung Gegner. Wieder und wieder wich ich den herumfliegenden Bomben und Splittern aus Beton und Metall aus und kämpfte mir, so gut es ging, den Weg zu unserem Maschinengewehr-Laster durch. Dort würde ich endlich eine Verschnaufpause haben, endlich mich sammeln können, endlich mal die Augen schliessen vor all dem Übel. Ich atmete grauen Staub ein, aufgewirbelt von unzähligen Füssen aberhunderter Kämpfern. Stets vorwärts war mein einziger Gedanke.
Im Lauf nahm ich links von mir im Augenwinkel einen Feind hinter dem rostigen Maschendrahtzaun wahr, die Kalashnikov schon im Anschlag, der Lauf auf meinen Kopf gerichtet. Im letzten Moment konnte ich mich hinter eine zerbombte Betonsäule werfen, als die Kugeln mit lautem Aufprall tief in die Deckung eindrangen. Ich hörte das metallische Geräusch zu Boden fallender Patronenhülsen und atmete einen Bruchteil einer Sekunde durch.
Überall ertönten Schreie. Schreie, wenn Soldaten von einem Kugelhagel niedergestreckt wurden, Schreie, wenn sie von einem Panzer überfahren wurden, Schreie, wenn sie verwundet zurückgelassen wurden. Jeder rettete seine eigene Haut.
Ich blickte auf. Nur noch wenige Meter, und ich hatte es geschafft, hinter dem Stacheldraht und dem Auto warteten meine Freunde, angestrengt und erschöpft. Zwei Monate Irak hinterliessen ihre Spuren. Ich stand auf, rückte kurz meinen Combathelm zurecht und rannte los.
„Johnny, pass auf!“, schrie St. Jimmy, der neben dem MG-Laster im Staub kauerte, mit verschrecktem Gesichtsausdruck.
Ich drehte mich um, doch es war schon zu spät. Im Augenwinkel sah ich, wie die Granate in Zeitlupe auf mich zuschoss und ich wusste instinktiv, dass es jetzt aus war. Die letzten Worte von Soldaten werden oft zitiert; ich rief noch laut ‚Scheisse‘, als ich von der heftigen Druckwelle umgerissen wurde. Mir wurde schwarz vor Augen und meine Nerven versagten ihren Dienst, meine Beine wurden taub und ich fiel in den Staub.
Ich spürte nichts mehr.
***
Es ist plötzlich so still. Keine brummenden Motoren, keine Schüsse, keine Schreie, nur ein metallisches Quietschen. Es scheint weit entfernt zu sein. Ich öffne langsam die Augen und es ist dunkel. Erst erkenne ich nichts, aber mehr und mehr gewöhnt sich meine Netzhaut an die schlechten Lichtverhältnisse und ich sehe wieder Farben. Grauer Beton dominiert. Ich blinzle mehrmals, um meine Linsen scharfzustellen, worauf sich aus den verschwommenen Farbkonturen ein Raum materialisiert. Ich japse. Wo ist das Schlachtfeld hin, wo sind die anderen Soldaten? Wo ist der MG-Laster, und wo ist St. Jimmy? Wo ist der Krieg? Und wo zur Hölle bin ich?
Mein Körper wird von einer dünnen Wolldecke, braun mit bordeauxroten Streifen am oberen und unteren Ende, bedeckt, und trotzdem fühle ich, wie sich die Kälte meinen Rücken hochschleicht, sich in meinen Armen breitmacht und mein Kopf erobert. Und mit einem Mal spüre ich die Beine.
Höllischer Schmerz tritt ein, ein Brennen zieht sich von der offenbar zerfetzten Wade zum Oberschenkel hin. Es fühlt sich an, als wäre King Kong gekommen und hätte jede einzelne meiner Muskelfasern zerrissen. Ich beisse auf die Zähne, um nicht sofort aufzuschreien, denn ich bin ein Soldat, ich bin stark und abgehärtet, ich heule nicht. Dennoch getraue ich mich nicht, die Decke anzuheben und einen Blick auf die Verletzung zu werfen. Ich fürchte die Vorstellung meiner eigenen Zerstörung. Ein bestialisches Stechen quält die Stelle um mein Knie herum, ich spanne meine Fäuste an, um zu widerstehen, doch ich halte es nicht aus und ein kleiner Schmerzensschrei entweicht meiner Kehle.
Sofort höre ich Schritte im Gang, welcher von einer nackten Glühbirne in spärliches Gelblicht getaucht ist, und erkenne St. Jimmys Silhouette im Türrahmen stehen.
„Johnny, was ist?“, fragt er. Mit gepeinigter Miene blicke ich meinen alten Freund an.
„Es tut…“, ich atme schwer durch, „es tut weh… so weh. Hol Lieutenant Harris, er wird…“ Ich breche ab. Aus St. Jimmys Mienenspiel kann ich erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
„Was ist“, frage diesmal ich, das Gesicht schmerzverzerrt. Sein Blick wandert von meinem Gesicht in die untere linke Ecke, und er zögert einen Moment, bis er schliesslich sagt: „Lieutenant Harris ist beim Versuch, dich zu retten, ehrenhaft gefallen. Möge er in Frieden ruhen.“
Ich blicke St. Jimmy entgeistert an. Das kann nicht sein. Lieutenant Harris ist der letzte verbleibende Arzt unserer Kompanie gewesen. Wer sollte sich nun um mich kümmern?
„Wir haben bereits medizinische Verstärkung angefordert und zugesichert bekommen“, fährt St. Jimmy fort. „Doch es wird einige Tage gehen, bis sie hier eintreffen wird. Unterdessen versuchen wir, dich am Leben zu erhalten. Deine Wunden sind wüst.“
Er geht nochmals hinaus, und kurz darauf kehrt er mit einer kleiner Flasche und einem Stück Papier, das ganz offensichtlich die Packungsbeilage ist, zurück.
„Nun, das da ist Novacaine, ein Schmerz- und Betäubungsmittel. Ich verabreiche dir…“, er nestelt mit der Packungsbeilage herum, „ähm… 20 Milliliter in einer Spritze ins Bein. Das wird den Schmerz stillen. Wart mal, es hat auch einige Nebenwirkungen, wie ich grad sehe… Egal, wir müssen dir helfen.“
Er kramt eine Spritze hervor, füllt sie mit einer Pipette mit der glasklaren Flüssigkeit und tritt zu mir ans Bett.
„Schau weg, Johnny. Es ist nicht schön, und du bist zu sensibel dafür“, meint St. Jimmy, als er an mein Bett tritt. Ich presse die Augen zu und spüre, wie er die Decke zurückschlägt. Kurz ein Stich in beiden Beinen, nichts im Vergleich zu den bestehenden Schmerzen, und ich fühle sofort die Wirkung. Der Schmerz geht zurück, ganz allgemein merke ich, wie die Nervenleistung in meinen Beinen nachlässt, ich kann sie kaum mehr bewegen.
St. Jimmy geht aus dem fensterlosen Zimmerchen hinaus, und hinter ihm geht ein grüner Schimmer. Ich denke mir nichts dabei.
***
Drei Stunden später
Das Zimmer dreht sich. Das liegt wohl an der schnellen Bewegung der Erde. Anders kann ich mir das nicht erklären. Plötzlich ist die Glühbirne unten, hängt in den Beton hinein und tanzt zu einer mir unbekannten Polkamelodie in meinem Kopf Foxtrott, auf und ab, auf und ab. Grünlich schimmernde Strahlen gehen von ihr aus, erfüllen das Zimmer mit einer lieblichen, gleichzeitig abstossenden Atmosphäre. Es ist einerseits schön, andererseits kaum auszuhalten.
Dazu kommt unsägliches Kopfweh. Wie Splitter bohrt sich der Schmerz in meinen Schädel, mein Gehirn fühlt sich an, als hätte eine Bestie mit Vorschlaghammer gewütet. Und dennoch verspüre ich eine gewisse Befriedigung für das Werk dieser Bestie. Es ist fast Kunst, Kunst in Kombination mit der tanzenden Glühbirne und den Splittern. Es ist formvollendet und fantastisch, auf der anderen Seite schmerzhaft und schonungslos. Bittersüss.
Mit der Zeit verspüre ich immer mehr den Drang, meine Augen zu schliessen, mich meinen schweren Lidern zu ergeben, den Schlaf sich den Weg zu mir suchen lassen. Doch ich bin noch nicht bereit. Es fehlt etwas, etwas ganz wichtiges, etwas, ohne das ich nicht schlafen kann.
„St. Jimmy!“, rufe ich mit kratziger und leiser Stimme. Sofort hallen die schweren Kampfstiefel im Gang und St. Jimmy tritt zu mir ins Zimmer.
„Was fehlt dir, Johnny?“, fragt er.
„Du weisst das. Das weiss jeder“, gebe ich zurück. Er schaut mich fragend an. Zögerlich sagt er: „Nein… nicht wirklich. Sag es mir, Johnny, sag es mir.“
„Es braucht, ja St. Jimmy, es braucht Entlastung. Es braucht Entlastung von dieser Situation. Ich brauche Entlastung. Sie ist anstrengend für mich. Sie ist… Sie ist… Sie macht mich kaputt. Also gib mir… einen Gute-Nacht-Kuss, Jimmy. Jetzt. Er wird mich beleben, befriedigen, er wird mir helfen. Und sag mir, dass ich nachher nichts spüren werde. Gib mir Novacaine.“
***
Ich habe diese Nacht geträumt. Intensiv und lange, von irren Gestalten und Lebewesen mit zehn Armen und zwanzig Augen. Und sie alle haben mich gerufen. Ich soll doch zu ihnen kommen, ihrem Pfad folgen, mein Leiden beenden. Ich habe gewartet, lange gezögert, doch schliesslich habe ich sie geküsst, geküsst aus Liebe, aus Dankbarkeit. Aus Leidenschaft.
Die Kopfschmerzen haben nicht nachgelassen, ganz im Gegenteil. Die Splitter bohren sich tiefer in meine Knochen, sie höhlen sie regelrecht aus, kratzen am Fundament und zerstören es von innen. Die Bestie hat weiter gewütet, doch hat sie den Vorschlaghammer nicht mit jener Formvollendung und Perfektion geführt wie auch schon. Es ist keine Kunst mehr. Es ist Schaden. Schaden in meinem Kopf, Schaden an meinem Körper, Schaden an mir. Das Bittersüsse ist verschwunden, geblieben ist das Unverträgliche und Unverdauliche. Die Welt ist nicht schön, sondern schrecklich, denn nur noch der Schmerz dominiert in jener der Gedanken.
Die Gestalten und Lebewesen haben recht. Ich sollte ihnen folgen, folgen in ein Land der Ewigkeit, wo ich bewahrt sein werde vor meinem Schmerz, meinem Leiden, vor mir selbst. Sie würden mir die Splitter herausziehen, und nach jedem würde ich aufstöhnen vor Erleichterung. Sie würden die Bestie erlegen und den Vorschlaghammer einschmelzen, und ich würde froh sein und jauchzen. Es ist gut, was diese Lebewesen wollen. Ich spüre es. Es ist gut.
St. Jimmy tritt ein, zur morgendlichen Kontrolle. Bevor er überhaupt etwas sagen kann, drängen mich die Lebewesen zum Wort: „St. Jimmy, ich habe dir gestern von Entlastung erzählt. Niemand hat mich entlastet. Ich nehme nun den Druck von mir selbst weg. Ich habe sie geküsst, sie haben mir den langen Gute-Nacht-Kuss gewährt, den du mir verwehrt hast. Sie werden mir helfen, sie werden mich befriedigen und beleben.“
St. Jimmy blickt mich irritiert an und schüttelt fragend den Kopf. Die Armeeuniform ist noch voller Staub vom morgendlichen Exerzieren, er scheint geschafft und ausgelaugt.
„Johnny, alter Freund, ich verstehe dich nicht“, gibt er schliesslich zurück.
„Sag mir, Jimmy, ich fühle nichts. Ich will aber fühlen, das Leben, die Freude. Es ist alles in Ordnung. Gib mir Novacaine.“
„Nein, nicht die normale Dosis“, fügte Johnny an, „alles.“
The Suburbs von Arcade Fire
In the suburbs I
I learned to drive
And you told me we'd never survive
Grab your mother's keys we're leavin'
You always seemed so sure
That one day we'd be fighting
In a suburban war
Your part of town against mine
I saw you standing on the opposite shore
But by the time the first bombs fell
We were already bored
We were already, already bored
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling again
Kids wanna be so hard
But in my dreams we're still screamin' and runnin' through the yard
And all of the walls that they built in the seventies finally fall
And all of the houses they built in the seventies finally fall
Meant nothin' at all
Meant nothin' at all
It meant nothin
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling and into the night
So can you understand?
Why I want a daughter while I'm still young
I wanna hold her hand
And show her some beauty
Before all this damage is done
But if it's too much to ask, it's too much to ask
Then send me a son
Under the overpass
In the parking lot we're still waiting
It's already past
So move your feet from hot pavement and into the grass
Cause it's already past
It's already, already past
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling
Sometimes I can't believe it
I'm movin' past the feeling again
I'm movin' past the feeling
I'm movin' past the feeling
In my dreams we're still screamin'
We're still screamin'
We're still screamin'
Im Vorort, da
Lernte ich zu fahren
Und du sagtest mir, dass wir niemals überleben würden
Schnapp dir die Schlüssel deiner Mutter, wir gehen
Du schienst dir immer so sicher zu sein
Dass wir eines Tages kämpfen würden
In einem Vorstadtkrieg
Dein Teil der Stadt gegen meinen
Ich sah dich am anderen Ufer stehen
Doch zu der Zeit, als die ersten Bomben fielen,
Waren wir schon gelangweilt
Wir waren schon gelangweilt
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich lasse die Gefühle hinter mir
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich lasse die Gefühle hinter mir, erneut
Kinder wollen so hart sein
Doch in meinen Träumen schreien wir immer noch und rennen durchs Feld
Und all die Mauern, die sie in den Siebzigern gebaut haben, fallen endlich
Und all die Häuser, die sie in den Siebzigern gebaut haben, fallen endlich
Bedeutete gar nichts
Bedeutete gar nichts
Es bedeutete nichts
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich lasse die Gefühle hinter mir
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich bewege mich an den Gefühlen vorbei und in die Nacht hinein
Kannst du also verstehen,
Warum ich eine Tochter will,
Während ich noch jung bin?
Ich möchte ihre Hand halten
Und ihr etwas von der Schönheit zeigen
Bevor dieser Schaden angerichtet wird
Doch wenn es zuviel verlangt ist,
Wenn es zuviel verlangt ist
Dann schick mir einen Sohn
Unter der Überführung,
Auf dem Parkplatz warten wir noch immer
Es liegt schon hinter uns
Also bewege deine Füße vom heißen Bürgersteig und ins Gras hinein
Weil es schon hinter uns liegt
Es liegt schon, liegt schon hinter uns
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich lasse die Gefühle hinter mir
Manchmal kann ich es nicht glauben
Ich lasse die Gefühle hinter mir, erneut
Ich lasse die Gefühle hinter mir
Ich lasse die Gefühle hinter mir
In meinen Träumen schreien wir immer noch
Wir schreien immer noch
Wir schreien immer noch
Es war der dreihundertvierundneunzigste Tag.
Seit diesem einen Jahr und Monat, in denen ich in einem kleinen Verlag am Stadtrand arbeitete, hatte ich sie an jedem einzelnen Morgen zu ignorieren versucht: die Umrisse unseres Vorortes, die sich am Horizont abzeichneten. Nur aus diesem Winkel konnte man die unscheinbaren, heruntergekommenen Häuser meiner Nachbarn und die Straßen, in denen ich das Autofahren im gebrechlichen, rostigen Ford Cortina meiner Mutter erlernt hatte, erkennen. Die riesige Wiese, auf der wir Stunden damit verbracht hatten, die Träume in unseren Köpfen wahr werden zu lassen und die Furcht vor der unüberwindlichen Zukunft vorübergehend zu verscheuchen, war verschwunden, ebenso mein früheres Zuhause.
Der Apartmentblock, in dessen drittem Stockwerk ich die erste Geschichte geschrieben, das erste Mädchen geküsst, den ersten schändlichen Gedanken gedacht hatte, existierte schon seit vier Jahren und sechs Monaten nicht mehr. Oft dachte ich daran, wie ich damals auf meinem Balkon gestanden und neidisch auf die angrenzende Großstadt geschielt hatte.
Als ich noch so jung war. Idealistisch, querköpfig und glücklich.
In der Frühe war ich daran vorbeigegangen, den Nacken von der schweren Last gebeugt, und am Abend hatte ich gespürt, wie sich ihre unauslöschliche Präsenz in meinen Rücken bohrte.
Vom ersten Tag an.
Heute jedoch nicht.
Müde schloss ich die Augen und ließ meine Brust von der kühlen, süßen Herbstluft anschwellen. Mein Atem ging rasselnd und als er sich zu blassen Dampfwölkchen verformte, entkam mir ein knurrendes Husten.
Ein verirrtes Laubblatt tanzte und drehte sich vor mir in der Luft. Ich streckte den Arm aus und griff danach, und als es endlich aufhörte, zwischen meinen Fingern hindurchzuschlüpfen, und auf meiner Handfläche verweilte, betrachtete ich seine intensive, blutrote Farbe und die feinen Äderchen, die an die Handgelenke meiner Großmutter erinnerten, ebenso an ihre Haarfarbe, die ihr ganzes Leben lang kräftig geblieben war.
Wie von selbst glitt es nach einigen Sekunden wieder davon. Weder hatte ich die Kraft, es zu behalten, gar an mich zu binden, noch den Willen.
Meine vernarbten Hände zitterten kaum, als sie in den Untiefen meiner Manteltaschen forschend umherwanderten und endlich auf ihre ersehnte Beute stießen.
Wie an jedem anderen gewöhnlichen Arbeitstag zuvor plante ich, die zehnminütige Reise zu meinem Schreibtisch durch eine rasche Ruhepause auf der Bank, die sich am Anfang meiner Zielgerade in einem kleinen Flecken Gras befand, zu unterbrechen. Meine persönliche Oase in der Hauptstadt der Kopflosigkeit.
Sie war ein Relikt aus der alten Zeit, über und über mit Schmierereien und Einkerbungen versehen. Sämtliche Einwohner unseres Quartiers hatten sich zusammengetan, gemeinsam erst darum gebeten und dann gefleht, es möge doch wenigstens dieses eine, unverwechselbare, geschichtsträchtige Holzkonstrukt gerettet und in einen Stadtteil, wo es ganz sicher niemand beschädigen würde, gebracht werden. Wenn schon der Ort, an dem sie, ihre Eltern und selbst die Großeltern aufgewachsen waren, dem Erdboden gleichgemacht würde, so tobten sie, wollten sie doch wenigstens ein Andenken an die schlichte Harmonie, die wir für unzerstörbar gehalten hatten.
Stets hatte ich mich gern darauf niedergelassen und war mit den Fingerspitzen den glatten Maserungen nachgefahren, auf denen sich sämliche meiner damaligen Freunde verewigt hatten, und reflektierte über das, was mich beschäftigte und manchmal sogar mit meiner Zukunft zu tun hatte.
Ich klaubte die Zigarettenschachtel hervor, ließ sie aufschnappen, fischte nach einem der Stäbchen und klemmte mir dessen Ende zwischen die Zähne. Das Feuerzeug wollte nicht so recht und setzte anscheinend lieber meine Finger als das anvisierte Objekt in Brand, doch beim fünften Versuch klappte es. Der erste dunkle Rauch verschlang meine zerschundene Lunge und gelangte über meine Nase wieder ins Freie, was sich zwar scheußlich anfühlte, aber eine gute Übung zu meinem endlosen Streben nach einem schmerzlosen Selbst darstellte. Ich plante, mir so lange selbst Leid zuzufügen, bis Körper und Seele ertaubten. Bisher erfolglos.
Als sich meine entspannt geschlossenen Augen langsam wieder öffneten, war ich bereits automatisch ans Ende des verkehrsarmen Weges gegangen.
Das Tabakröllchen fiel zwischen meinen rissigen Lippen hervor und traf auf den Boden. Die Glut pulsierte noch ein wenig, bevor sie durch einen kalten Luftzug gelöscht wurde.
'Kalopsia', dachte ich. Ein Wort, dessen Ursprung im Griechischen liegt und einen Zustand beschreibt, in dem die Dinge schöner erscheinen, als sie sind.
Wenige Menschen kannten diesen Begriff, doch ich gehörte dazu. Mir kam sofort eine Bezeichnung in den Sinn für das, wonach ich mich sehnte, nämlich Illusion, eine Erscheinung, die mich glauben lassen würde, dass der Tod in keinem Fall besser sein würde als dieses Leben. Welche die zweifelnden Stimmen in meinem Kopf verstummen lassen würde, die nun laut wurden, immer lauter, sich explosionsartig vermehrten und alsbald gemeinsam in meine Ohren kreischten:
"Zu spät."
Nach einundzwanzig Schritten war das kahle Stück Erde, auf dem noch am vorherigen Tag eine leicht versehrte Holzbank gestanden hatte, aus meinem Blickfeld verschwunden; die einzige Insel des Gestern, auf der ich einen guten Blick auf Morgen hatte. Und auch dann ging ich einfach weiter, selbst als die Glastür, durch die ich an jedem anderen Morgen gegangen wäre, stummzürnend nach meiner Aufmerksamkeit verlangte.
Ziellos, dennoch angetrieben.
Ich blickte zu Boden und versah die sich vermehrenden dunklen Punkte auf dem Asphalt im Geiste mit Ziffern, bis ich bei vierhundertzwölf angelangt war und ein sanfter Nieselregen eingesetzt hatte. Er fühlte sich kühl an auf der Haut, beruhigend und verlässlich.
Das Wasser würde nicht von der Erde verschwinden, so lange ich lebte. Er würde mich nicht im Stich lassen, deshalb mochte ich ihn so sehr.
Ein Mädchen mit braunem Lockenkopf, das am ganzen Körper von Sommersprossen übersät war, betrachtete mein Gesicht mit einem versonnenen Lächeln. Sie verengte die Augen wie eine kleine Katze und ergriff meine Hand.
"Na los, Tristan. Wer die meisten Regentropfen zählt, gewinnt. So wie in alten Zeiten."
Eine tiefe, unkontrollierbare Traurigkeit drängte sich zwischen meine Rippen und machte meine Kehle eng. Ich dachte an Brody und daran, dass sie für die erste meiner etlichen Neurosen verantwortlich war.
Es war sechs Jahre, acht Monate, eine Woche, fünf Tage und dreizehn Stunden her, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Der Umzug ihrer Familie sollte bloß vorübergehend sein, bis die Miete, die abrupt und rapide in die Höhe geschnellt war, wieder erträglich wurde, doch sie kehrte nicht zurück und bald taten es ihr alle Nachbarn gleich.
Die schreienden Kinder, die früher immer in den Straßen der Vorstadt gewesen waren, wurden weniger und weniger, bis ich allein zurückblieb. Manchmal erwachte ich nachts, wenn ihr Geschrei in meinen Träumen nachhallte.
"Suburban War", las ich laut. Die grellrote Wandschmiererei war am ersten Tag der Wirtschaftskrise auf dieser Mauer aufgetaucht, die ich so unter tausend anderen wiedererkannte. Ich wusste also genau, wo ich mich befand, und bei diesem Gedanken wurde ich erfüllt von einer schrecklichen, aufflammenden Furcht.
Ich tat es. Es gab kein Zurück mehr, für mich schon lange nicht.
Sechsundzwanzig Meter und ich ließ die Stadtgrenze hinter mir. Diesen Weg hatte unsere Gruppe von meist zwölf Jungen und Mädchen, die wir allesamt eng beieinander gewohnt hatten, oft bewandert, besonders am Wochenende. Wir liebten es, aus unseren beschaulichen Reihenhäusern auszubrechen und in den Farben und Lichtern der Großstadt zu ertrinken.
Wie es schien, waren die äußersten Gebiete dieses Vororts, die ich auf meinem morgendlichen Weg stets beobachtete, tatsächlich die letzten, die davon noch übrig waren. Wie ein Parasit, der in einen Körper kriecht und diesen von innen auffrisst, hatten sich die Baufahrzeuge ihren Weg vom Zentrum aus methodisch gebahnt. Die Umgebung erinnerte mehr und mehr an ein Skelett, je weiter man vordrang. Bald musste ich über größere Schuttbrocken steigen.
Da und dort sprachen Hinweise dafür, dass sich hier kürzlich schon vor mir jemand durchgekämpft hatte – manchmal zog sich sogar deutlich eine Spur über die Erde.
Mein merkwürdigerweise noch logisch arbeitender Verstand sagte mir, dass die Renovationsarbeiten des Gebiets wohl angefangen, aber dank mangelnder Zahlungsmittel nie fertiggestellt wurde, da westlich von meinem Standpunkt ein ausgebleichtes Plakat aufgespannt war, das die schwachen Umrisse einer Art Urlauberparadies darstellte. Die traumhaften Sonnenuntergänge an der Küste würde wohl kein Tourist mehr sehen.
Schlagartig wurde mir das gigantische Ausmaß des Schadens, der hier angerichtet worden war, bewusst. Zahllose Familien hatten ihre Unterkunft verloren, die vielleicht schon seit Generationen weitergegeben worden war, Häuser waren zerstört worden und die paradiesische Atmosphäre, die hier geherrscht hatte, ließ sich nicht einmal mehr erahnen.
Hier, nur wenige Kilometer vom Zentrum des Landes entfernt, existierte eine Grabesstätte meiner Kindheit und derer so vieler anderer Menschen. Und keiner, der dort lebte, wusste vermutlich davon. Waren sie so isoliert, wie wir es damals gewesen waren?
Wie vom Schlag getroffen blieb ich stehen, hielt schwer atmend inne beim Versuch, einen Blick auf das Meer zu erhaschen. Meine Sicht verschwamm und mein Herz drohte, sich zu überschlagen, weswegen ich mir schnell eine neue Zigarette anzündete. Die dichten Teerschwaden betäubten mich beinahe genug.
Das Schlimmste war, dass ich bei allem, was in meine Sicht kam, augenblicklich an etwas erinnert wurde, was mich vor all den Jahren erfreut und geprägt hatte. Nun war es zerstört, alles zerstört.
Als ich mich einigermaßen bereit fühlte, meine Reise in die Trümmer der besten Zeit meines Lebens fortzusetzen, verspürte ich keine Furcht mehr, kein Misstrauen, nichts.
"Du bist so ein Feigling."
Win feixte mich an, doch es war klar, dass er es nicht ernst meinte. Er suchte den Kitzel, die Herausforderung. Immer lebte er in den Tag hinein, nichts bereitete ihm Sorgen. Deshalb war er auch mein bester Freund.
"Das sind nicht mal zehn Meter! Hier kommen doch jeden Tag dutzende Leute her und springen hinunter. Und noch nie hat sich jemand verletzt. Es ist absolut ungefährlich, also hab dich nicht so."
"Ich weiß nicht." Zögerlich sah ich auf die steilen Klippen hinab, die unverhohlen zurückstarrten. Etwas weiter unten brachen sich aquamarinblaue Wellen an den Felsen. Win hatte recht, die Wand fiel steil genug ab, dass man sie unter keinen Umständen versehentlich streifen konnte, und das Wasser war tief.
Worauf wartete ich dann?
"Komm, wir gehen zusammen." Sie packte meine knochige Schulter und ballte die andere Hand siegesgewiss zur Faust. "Zeigen wir es ihm!"
Noch immer hielt mich irgendetwas zurück. Da beugte sie sich vor und raunte in mein Ohr, ihr warmer Atem kitzelte auf meiner Haut.
"Ich lasse nicht los, niemals. Wir schaffen das zusammen. Ich lasse dich nicht allein, versprochen."
Drei, zwei, ein Schritt und ich spürte keinen Boden mehr unter meinen Füßen.
Ich ging schneller. Bald war ich außer Atem, es kümmerte mich nicht.
In diesem Moment hielt ich mir selbst vor, was ich schon lange wusste.
Ich war vollständig verloren in meiner Vergangenheit und zerstörte mich selbst, indem ich mich dennoch davor versteckte. Auch mein Blick auf meine Jugend war in Wahrheit nichts als eine kalopsia. Schönheit, so ausgeprägt, wie ich sie in meiner Erinnerung hatte, konnte nicht in der Koexistenz von Menschen erreicht werden... Mir wurde klar, dass das, was ich suchte, selbst dann nicht zum Vorschein kommen würde, wenn ich sie nochmals erleben könnte. Sie war längst vorbei.
Im Gegenteil.
Das, was ich begehrte, lag direkt vor mir, zum Greifen nah.
Doch stand es in ihrer Macht, mich von einem kaputten, zugleich destruktiven Biest in den weltnahen, uneigennützigen, liebevollen Tristan zurückzuverwandeln, der ich einst gewesen war?
"Brody."
Zwischen den Trümmern von Neuem und Altem, zwischen Schuttbergen und dem kristallfunkelnden Meer, zwischen der Erde und dem Nichts stand eine einzelne, abgewetzte Holzbank. Die Spuren im Dreck, die zu diesem Ort führten, waren noch immer frisch.
Und auf der Bank saß, den Blick zum Himmel über dem Wasser gerichtet, eine junge Frau mit braunem, lockigem Haar und solch sommersprossiger Haut, dass sie an die Milchstraße erinnerte.
Der Blick, den sie mir zuwarf, ließ mich an eine furchtsame Katze denken. Dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck erst zu schierem Unglauben und dann zu einer Mischung aus Freude und Verzweiflung. Sie erhob sich und schlang ihre Arme um mich, drückte so fest zu, als wollte sie mit mir verschmelzen. Noch immer haftete der Geruch von Sommer und frischer Hoffnung an ihr.
"Du bist gekommen", sprach sie leise zu meiner Brust. "Endlich bin ich nicht mehr allein."
Meine Antwort erreichte sie nicht. Ich weinte.
"An jedem Tag meines Lebens frage ich mich, was die anderen machen", fährt sie unbeirrt fort, noch immer eng bei mir. "Ob sie es auch nie geschafft haben, diesen Ort hinter sich zu lassen. Ob sie erfolgreich sind, vielleicht sogar glücklich.
Jon, Camille, Michael, Dean, Stu, Jane, Hazel, Kat, Mary... Win. Und du, Tristan. Wir haben uns geschworen, einander nie aus den Augen zu verlieren, selbst wenn uns das Leben komplett verschlucken würde. Dennoch ist es über sechs Jahre her, dass ich irgendeinen von euch gesehen habe."
Ich murmelte erstickt die genaue Nummer und sie lächelte. "Du machst das immer noch, hm. Das mit den Zahlen."
Als ich mich einigermaßen gefasst hatte, nahm ich meinen Mut zusammen, blickte in ihre Augen, die blauer waren als das von uns unbeachtete Meer, und fragte: "Sind wir die Gewinner, weil wir das, was wichtig war, nicht vergessen haben, oder sie, die sie niemals zurückgekehrt sind?"
Sie dachte kurz nach und antwortete: "Dies ist kein Spiel. Es gibt keine Gewinner oder Verlierer. Ob es gut ist oder schlecht, dass wir Fortschritt haben und Opfer, die dafür gemacht werden müssen, weiß ich nicht."
Ich blieb stumm, überlegte, wunderte mich über das Unding ihrer Präsenz.
"Wieso hast du die Bank hergebracht?", sagte ich, plötzlich skeptisch.
"Sie hat nicht dort hingehört. Hier sollte sie stehen."
Der Regen hatte aufgehört. Die Wasseroberfläche war wieder ruhig, doch wir beide waren durchnässt.
"Und wo gehören wir hin?"
"Ich weiß es nicht. Finden wir es doch gemeinsam heraus." Das vierzehnjährige Mädchen, das ich gekannt hatte, schimmerte überdeutlich in ihr hervor. Noch immer war sie manchmal von einer kindlichen Freude erfasst, manchmal von reiner Trauer. "Den Fehler, von dir wegzugehen, werde ich nicht noch einmal machen. Schließlich habe ich in all den Jahren keinen Menschen getroffen, der mir ähnlicher war als du, damals wie heute, so scheint es."
Ich nickte.
"Diesmal bleibe ich. Ganz sicher."
Und ohne uns auch nur einen Meter voneinander zu entfernen, harrten wir auf dieser Bank aus, bis die Sonne verschwunden und das Meer zu einer zähflüssigen, dunklen Masse geworden war.
Ihr leeres Versprechen hing in der Luft wie ihr sommerlicher Duft, der Duft einer Erscheinung, der ich mein Leben lang nachgejagt war.
Wir bewegten uns nicht von der Stelle.
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