Journey through my Life

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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  • -20-

    The Journey goes on

    ~Maike~


    Es gab kein Licht, keinen Raum, keine Zeit. Vor mir schwebten Dialga und Palkia. In meinen Gedanken erklangen zwei Stimmen.
    „Unheil wird kommen!“ „Du musst es verhindern.“ „Wir geben dir die Möglichkeit!“
    „Nutze sie weise!“ „Du bist auserwählt“ „Du bist auserwählt.“
    Sie klangen hohl und tief, aber mächtig und laut.
    Was wollten sie von mir? Warum ausgerechnet ich?
    „Lasst mich gehen!“, flüsterte ich. Ich hatte Angst. Panik!
    Was wollten sie von mir? Wie sollte ich denn schon wieder alles retten?
    „Ich kann das doch nicht.“, murmelte ich.
    „Du bist die einzige…“ „… die dazu in der Lage ist.“
    „Ich kann nicht.“

    Ich schlug die Augen auf. Ich hatte fast vergessen, was sie damals zu mir gesagt hatten.
    Wie lange war es jetzt her?
    Es war bereits September. Als ich in dieser Welt angekommen war, hatte der Sommer erst angefangen. Juni, Juli, August.
    Das hier war schon der vierte Monat in der Vergangenheit. Es war wirklich unglaublich, was in dieser Zeit alles Passiert war. Ich hatte so viel erlebt und doch hatte ich die Zeit wie im Nebel verbracht, ohne viel davon mitzubekommen.
    „Maike?“ Lucia neben mir war wohl auch wachgeworden.
    „Ja?“, fragte ich leise in die Dunkelheit.
    „Wie spät ist es?“ Eine gute Frage. Es war noch dunkel.
    „Zu früh zum Aufstehen. Schlaf weiter.“, sagte ich ruhig. Ich erinnerte mich an früher.
    Als wir noch klein gewesen waren, war Max manchmal zu mir ins Zimmer gekommen. Bei Gewittern, oder wenn er Albträume gehabt hatte.
    Es hatte Zeiten gegeben, da hatte er bei mir Schutz gesucht anstatt bei unseren Eltern.
    Wie jetzt mit Lucia hatten wir uns zusammengekuschelt. So wie damals meinen Bruder hielt ich jetzt meine kleine Freundin. Ich strich ihr über die Haare und kurz darauf war sie wieder fest eingeschlafen.
    Ich fühlte mich glücklich, wenngleich noch immer etwas fehlte.
    Andererseits: Es waren noch zwei Tage, dann würden wir in Erzelingen ankommen.
    Vielleicht würde ich dort endlich etwas herausfinden. Vielleicht könnte ich schon bald wieder wirklich zu Hause sein.
    Schon bald…

    „Steh auf! Steh auf!“ Lucia turnte fröhlich auf dem Bett herum, stolperte dabei mehrmals fast über meine Beine und selbst im schlaftrunkenen Zustand erkannte ich, dass sie mehr Glück als Verstand hatte, sonst wäre sie längst gefallen und hätte sich verletzt.
    „Halt still!“, murmelte ich, rieb mir die Augen und streckte mich.
    Lucia sprang ein letztes Mal in die Luft und ließ sich auf die Matratze fallen, sodass ich ein wenig nach oben gedrückt wurde.
    „Mach das Bett doch nicht kaputt.“, murmelte ich. Das war mir zu Hause mal passiert.
    Der Bettkasten war durchgebrochen und ich konnte mich leider nur zu gut erinnern, wie wütend mein Vater gewesen war.
    „Lass mir doch einmal den Spaß.“, schmollte die kleine, strich sich ein Paar der blauen Strähnen aus dem Gesicht und kletterte aus dem Bett.
    „Steh schon endlich auf. Sonst kriegen wir kein Frühstück mehr.“, rief sie. Hing hier nicht irgendwo eine Uhr? Wie spät war es denn?
    Wenn man das wenige Licht im Zimmer bedachte, musste es noch sehr früh sein.
    Im Halbdunkel erkannte ich, dass Fukano, Flemmli und Plinfa noch ruhig auf dem Teppich in der Mitte des Zimmers lagen und schliefen.
    „Wieso sollten wir jetzt schon nichts mehr zum Frühstücken kriegen?“, fragte ich verwundert.
    „Chrissie hat das gesagt.“, erklärte Lucia.
    Wie hatte Chrissie sie überhaupt wach bekommen, ohne, dass ich dabei auch aufgewacht war?
    „Wenn’s denn sein muss.“, murmelte ich seufzend und stand langsam auf. Noch einmal streckte ich die Glieder, gähnte und rief meine Pokémon in ihre Bälle zurück. Gerade, als ich heraussuchte, was ich anziehen sollte, kam Chrissie wieder ins Zimmer.
    „Du kannst dich später umziehen. Wir müssen fertig sein, bevor die Dienstmädchen anfangen, Frühstück zu machen.“ Das ergab Sinn. Irgendwie.
    „Los, komm jetzt.“, rief sie und ging wieder nach draußen. Wir folgten ihr.
    Auch Chrissie war noch im Nachthemd. Es sah wirklich merkwürdig an ihr aus. Rüschen passten zwar wunderbar zu Lucia, aber an Chris, die ihre Kleider nach dem praktischen Aspekt auswählte, wirkte es fehlplatziert. Waren ihre Sachen so dreckig?
    Andererseits hatte sie uns ja auch frische Schlafsachen gebracht. Sie führte uns zielstrebig durch das übergroße Anwesen, bis in die Küche. Sie holte einige Handtücher aus den Schränken, wickelte eines der großen Küchenmesser ein und holte dann einige Plastiktüten und zwei Rollen Frischhaltefolie hervor. Dann bedeutete sie uns, mitzukommen.
    Aus den Vorratskammern holte sie Brot, Äpfel und Wasser, packte alles in eine der Plastiktüten und schickte uns damit wieder nach oben. Wir sollten alles einpacken und uns umziehen. Sie würde bald nachkommen. Sie hatte spontan entschieden, wir würden unterwegs frühstücken.
    Ich sammelte die Kleidungsstücke und Waschsachen auf, die auf dem Boden lagen, teilte sie in zwei Haufen auf – Lucias und meine eigenen – und packte meine Sachen ein. Ich zog mich an, machte gewohnheitsmäßig die Betten und folgte dann meiner Freundin ins Badezimmer.
    Wir wuschen uns, putzten unsere Zähne und dann war ich wieder einmal damit beschäftigt, Lucias viel zu widerspenstige Haare in den Griff zu bekommen.
    Irgendwie standen die mal wieder in alle Richtungen ab und damit, sie einfach schnell zusammenzubinden gab sich die Jüngere ja nicht zufrieden.
    Nachdem das dann irgendwann endlich geschafft war, band ich mir mein Kopftuch um, packte meine Waschsachen ein und versuchte, gemeinsam mit Lucia, Chris‘ Zimmer in dem riesigen Haus wiederzufinden.
    „Das sind echt viel zu viele Türen.“, murmelte Lucia seufzend.
    „Solltest du dich hier nicht auskennen?“
    Verwundert blickte ich sie an.
    „Wieso das denn?“
    „Na ja, von wegen schon mal gelebt und alles. Bei mir kennst du dich doch auch aus, oder nicht?“
    Ich kicherte vergnügt. Sie zog einen Schmollmund.
    „Ja, aber dich kenne ich ja auch aus meiner Zeit. Chrissie hab ich hier das erste Mal gesehen. Ich bin auch zum ersten Mal hier. Außer um Lucia zu besuchen, war ich ja nur einmal in Sinnoh und da hatte ich keine Zeit, um hierher zu kommen.“
    „Erzähl mal was davon.“
    „Wovon?“
    „Von mir.“ Ich lachte leise auf. Hatte ich mir etwa umsonst Sorgen gemacht? Lucia schien jedenfalls völlig begeistert von der ganzen Zeitreisen-Sache.
    Es war merkwürdig, aber es machte mich irgendwie glücklich.
    „Okay, Lucia ist extrem lebhaft. Ich kenne jedenfalls keinen, der mich so oft zu irgendetwas überredet hat, was ich nie machen wollte.“
    „Was denn zum Beispiel?“, unterbrach sie mich.
    „Na ja. Abenteuerurlaub auf den Strudelinseln in Kanto zum Beispiel. Und einmal hat sie mich dazu gezwungen, die ganze Nacht im Wald zu verbringen, obwohl ich echt lieber sofort nach Hause gerannt wäre. Geistergeschichten sind wohl nicht so ganz meins.
    Aber andererseits kann ich sie ja auch ganz gut ärgern.“ Ich lachte wieder.
    „Wie denn?“ Es war auf einmal ein bisschen, als wären es wirklich zwei verschiedene Personen.
    „Was glaubst du, Luci?“ Ich wusste, dass sie diesen Namen hasste. Er hing mit einer eher unliebsamen Erinnerung aus frühen Kindertagen zusammen und nur deswegen betonte ich ihn besonders
    Für einen Moment fühlte ich mich in mein altes Leben zurückversetzt. Lucia starrte mich völlig entgeistert an.
    „Woher weißt du davon?“ Ich wuschelte ihr durch die Haare, lächelte.
    „Von einem alten Freund von dir, Loosie. Außerdem ist Lucia meine beste Freundin. Ich weiß so einiges.“ Sie wirkte auf einmal unsicher. Natürlich kannte ich auch diesen ebenfalls verhassten Spitznamen.
    „Kenny kennst du auch noch? Oje. Was weißt du denn noch alles?“ Ich erzählte ihr von unserem ersten Treffen beim Wassilicup, von meiner Niederlage und wie wir uns in der nächsten Saison wiedergetroffen hatten, nachdem ich beschlossen hatte, nun endlich auch Sinnoh zu bereisen.
    Wir waren irgendwann gemeinsam gereist, so, wie jetzt.
    „In der Saison danach habe ich aber nicht mehr mitgemacht. Ich bin dann nach Hause gereist und habe wieder bei meiner Familie gelebt und wir haben uns immer mal an den Wochenenden gesehen. Sie ist ganz oft zu uns gekommen.“
    Ich sah, wie Lucia das Gesicht verzog, jedes Mal, wenn ich ‚sie‘ sagte.
    „Was ist los?“, fragte ich. „Sie, Lucia. Ist sie dir wichtiger als ich und Chris?“
    Ihre Augen wirkten Sorgenvoll. Diese Frage hatte ich mir eigentlich nie gestellt.
    War mir meine Vergangenheit wichtiger, als das Leben, welches ich jetzt lebte?
    „Also.. ähm…“
    „Lucia, Maike. Was trödelt ihr denn hier rum? Habt ihr eure Sachen?“
    Chris kam um die Ecke.
    „Redet doch nicht so laut. Sonst macht ihr irgendwen wach.“
    Ich nickte und schloss mich ihr an, als sie uns nach unten führte.
    Von oben hörten wir Schritte, als die ersten Dienstmädchen ihre Arbeit begannen, dann schloss Chrissie so leise wie möglich die schwere Eingangstür.

    Während der Weiterreise schwiegen wir.
    Jetzt, da die Aufregung verflogen war, fand die Müdigkeit ihren Weg zu uns zurück.
    Lucia sah aus, als würde sie jeden Augenblick noch während wir liefen einschlafen.
    „Hey, Chrissie. Können wir nicht mal ‘ne Pause einlegen?“, fragte ich.
    Meine Lider waren schwer und ich glaubte, ich würde sofort einschlafen, wenn ich mich hinlegte.
    Sie drehte sich zu uns um. Auch sie sah fertig aus.
    Ihre Augen wirkten trüb und ihr Gesicht war ein bisschen fahl.
    „Ein Stück noch, okay?“ Ich war nicht glücklich mit der Antwort. Lucia ebenfalls nicht.
    Zwar sah sie aus, als würde sie überhaupt nichts mehr mitbekommen, aber man merkte daran, dass sie noch langsamer vor sich hin schlurfte, dass sie nicht weiter wollte.
    „Chris, jetzt. Wir werden sonst nie ankommen.“, sagte ich scharf. Vielleicht ein bisschen aggressiver, als beabsichtigt, aber in meinem übermüdeten Zustand war ich nun einmal zu leicht reizbar.
    Mürrisch stimmte sie zu und wir ließen uns erschöpft uns Gras sinken. Tatsächlich schlief ich kurz darauf ein.


    ~Chris~


    Wie konnten die beiden hier nur so ruhig schlafen. Ich wusste ganz genau, warum ich weg wollte.
    Ich wollte nicht, dass sie uns fanden. Wie wahrscheinlich war es, dass uns jemand folgte?
    Eigentlich fast unmöglich, oder nicht?
    Zugegeben, ich hatte etwas Geld mitgehen lassen, aber das war sowieso nur ein kleiner Teil dessen, was sowieso zu viel bei ihnen herumlag.
    Und bald würden sie es sowieso nicht mehr brauchen.
    Ich wusste doch, was passieren würde. Hatte ich es deshalb so eilig gehabt, das Haus wieder zu verlassen? Nicht, um mich davor zu schützen. Um mich vor ihnen zu schützen. Vor meinen Gefühlen.
    Ich hatte das alles längst verdrängt. Den Schmerz und den Verlust.
    Und sie waren ja schließlich nicht echt.
    Ich zwang mich zu einem kleinen Lächeln.
    Alles lief gut. Alles lief so, wie ich es geplant hatte.
    Ich hatte sie gefunden und ich würde sicherstellen, dass nichts schief ging.
    „Nicht wahr, Partner?“, murmelte ich und rollte einen Pokéball in meinen Händen.


    ~Drew~


    „Lass uns endlich aufbrechen.“, sagte ich genervt.
    Warum trödelte der Kerl denn nur so?
    „Du hast es ja echt eilig. Es ist doch gerade mal acht.“, murmelte Julius. Er grinste schelmisch.
    „Denkst du dabei an was bestimmtes, oder warum willst du so unbedingt los?“
    Natürlich gab es da nichts. Ich wollte nur pünktlich zu dem Wettbewerb nach Herzhofen kommen.
    Das sagte ich ihm auch.
    „Ich bin gleich fertig.“, erklärte Ju und stopfte die letzten Kleidungsstücke in seinen Rucksack. Dann strich er die hellen Haare zurecht, setzte seine Kappe auf und machte sich daran, sein Plaudagei zu füttern.
    Roselia hatte ich längst sein Futter gegeben. Jetzt saß es neben mir auf dem Bett, ließ die Beine baumeln und schwenkte die Rosen-hände herum.
    Beim Anblick der Rosen, musste ich wieder an gestern denken. Warum hatte ich ihr diese Rose gegeben? Was dachte sie jetzt?
    Es war wegen dem Abend gewesen, als wir zusammen die Sterne betrachtet hatten.
    Ihre Geschichte war zwar merkwürdig gewesen, aber ich hatte gespürt, dass es ihr wichtig war.
    Aber das, was mich am meisten verwirrte, war erst später passiert.
    Ich hatte sie zurück getragen, weil sie schon fast geschlafen hatte.
    Plötzlich hatte sie die Augen geöffnet, mich kurz angesehen und sich dann eng an mich gekuschelt.
    In ihrem Blick war irgendetwas gewesen, was mich berührt hatte.
    So viele Gefühle, die ich nicht zuordnen konnte. Ich hatte sowieso schon schwerlich denken können, bei dieser Nähe.
    Als sie dann noch angefangen hatte, im Schlaf meinen Namen zu murmeln, war es um jegliche Konzentration geschehen gewesen. Was an diesem merkwürdigen Mädchen faszinierte mich nur so?
    So sehr, dass ich deswegen extra nach Sinnoh gekommen war, obwohl ich in Hoenn schon einige Bänder besaß. Ich verstand nicht, wo diese Vertrautheit zwischen uns herkam. Wieso ich glaubte, ihr vertrauen zu können, obwohl ich sie erst seit so wenigen Tagen kannte.
    „Du denkst schon wieder an sie, oder?“, fragte Ju und riss mich damit aus meinen Gedanken.
    „Nein. Wie kommst du darauf?“ Vielleicht hatte ich das ein wenig zu schnell gesagt, um glaubhaft zu wirken, aber er beließ es dabei.
    „Ich bin fertig. Los geht’s!“, erklärte er und stand auf.
    Jetzt konnte die Reise weitergehen.


    ~Maike~


    Ich schlug die Augen auf, streckte mich und sah mich um.
    Ich brauchte einige Sekunden, bis ich mich erinnerte, wo ich war.
    Route 208. Wir hatten das Haus von Chrissie’s Familie verlassen und waren wieder unterwegs nach Erzelingen. Wir hatten noch nicht gefrühstückt, weil wir in aller Frühe aufgebrochen waren und hatten dann hier, direkt am Wegesrand eine Pause gemacht, weil die Erschöpfung uns irgendwann einfach überwältigt hatte.
    Aber, obwohl wir einige Stunden an Zeit verloren hatten, war es gut gewesen, dass wir da gewesen waren. Ich hatte Chrissie und Lucia endlich in mein Geheimnis eingeweiht.
    Ich war endlich nicht mehr allein mit meiner Last. Lucia war ja schließlich richtig begeistert gewesen.
    Aber andererseits gab es da noch diese eine Frage:
    Welche Welt war mir wichtiger? Sollte ich mein Ziel, diese Welt zu verlassen, weiter verfolgen?
    Diese Frage war wohl diejenige, welche ich eigentlich lösen musste.
    Es ging nicht mehr darum wie ich diese Welt verlassen konnte, sondern ob ich das wirklich noch wollte.

  • Cooles Kapitel :D
    Lucia ist echt süß^^
    Und hmm jetzt bin ich ja mal wirklich gespannt, was im nächsten Kapitel, in Erzelingen, so alles passiert :)

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    Würde mich freuen wenn ihr mich addet, falls ihr eines dieser Pokemon habt: LuxioBisaknospIgastarnishRutenaIgnivor

  • So nach langer Zeit melde ich mich auch mal wieder :grin:
    Zum Kapi: ich habe mal so eine vaage vermutung; ist Chris eventuell irgendwie eine Verbindung zwischen dem Vorfall der Zeitreise von Maike?
    bin echt gespannt was dann letztendlich ihr Geheimnis ist :)
    Was mir auch noch aufgefallen ist ist das hier:

    Zitat

    Ich hatte nicht gemerkt, dass ich angefangen hatte, zu Zittern.„Danke Kirlia. Es tut mir leid, aber es ist alles so… unwirklich. Sie so zu sehen…“Kirlia nickte. Es stimmte mir zu. Wie immer. Es sah zum Mond hinauf.„Ki-kirlia.“, murmelte es.„Stimmt, das ist wirklich schön.“, gab ich ihm recht.„Aber du darfst nicht vergessen, dass nichts von all dem echt ist. Und ich darf es auch nicht.“


    Das hat mich irgendwie nochmal in meiner Vermutung bestärkt, das Chris irgendwas mit der Sache zu tun hat ^-^


    Naja ich lasse mich einfach mal überraschen ;) Mach weiter so, dein Schreibstil ist wirklich spannend :)


    LG: Shiny-Mewtu XY

    Für Rechtschreibfehler haftet mein Handy!!!
    Dann möchte ich einmal Werbung für meine FF machen! lasst mir doch bitte nen Kommi da,
    ich würde mich freuen
    :D ;)



  • -21-

    Dialga and Palkia (1)

    ~Maike~


    In der Ferne konnte ich bereits die Häuser von Erzelingen ausmachen.
    Ich war sehr aufgeregt. Vielleicht würde ich hier endlich etwas herausfinden.
    Der Gedanke gab mir ein wenig Hoffnung. Noch immer beschäftigte mich die Frage von Lucia, was mir eigentlich wichtiger war, aber das kam mir nun nebensächlich vor.
    Alles, was ich immer für die Realität gehalten hatte, erschien in dieser Welt wie ein Hirngespinst. Aber es musste doch echt sein. Wieso sonst stimmte das, was ich über die verschiedenen Menschen wusste? Und obwohl ich mich Chrissie und Lucia gegenüber schuldig fühlte, wollte ich noch immer zurück.
    Meine Eltern, Max, Ash, Lucia, Drew, Harley, Solidad, Rocko.
    Es gab so viele Menschen, die dort geblieben waren.
    Vermissten sie mich? Wie viele von ihnen hatten mich vergessen? Wer dachte noch an mich?
    Wer würde mir glauben, was passiert war, falls ich jemals wieder zurückkommen sollte?
    Nur noch wenige Minuten, dann würden wir den Stadtrand erreicht haben.
    Ich freute mich darauf, endlich wieder ausruhen zu können, weil die Reise wegen des fehlenden Schlafes so anstrengend gewesen war.
    Aber ich freute mich auch, dass ich endlich etwas herausfinden konnte. Und dass mir die beiden anderen helfen würden.
    „Na endlich.“ Chrissie gähnte, streckte die Arme in die Luft und setzte ein Lächeln auf.
    „Ich hab schon gedacht, wir würden nie ankommen.“
    Ich lachte. Es fühlte sich freier an, als jemals in den letzten Monaten, seit ich hier war.
    Endlich musste ich nicht mehr mein Geheimnis hüten. Endlich wusste ich, dass sie mir glaubten.
    „Was hast du vor, wenn wir da sind?“, fragte Lucia neugierig.
    „Hmm. Ich würde sagen, wir sichern uns erst mal ein Zimmer im Pokémoncenter. Wer weiß, wie lange da noch was frei ist. Und dann will ich mich mal da umsehen, wo man Dialga gesehen hat. Bestimmt ist Palkia dann auch hier in der Nähe!
    Oder vielleicht ins Museum. Die müssten da doch auch was drüber wissen, oder was meint ihr?“
    „Ja, wäre schon möglich.“, stimmte Chris zu.
    Ich beließ es dabei, richtete meinen Blick wieder geradeaus.

    Wir verließen das Pokémoncenter von Erzelingen. Wir hatten es noch geschafft, ein Zimmer für drei zu bekommen und hatten unser ganzes Zeug bereits quer über die Betten ausgebreitet.
    Anders als in Jubelstadt gab es keine Stockbetten.
    Wenigstens wäre es so nicht mehr so schwer, Lucia aufzuwecken.
    Es Nervte nun mal leider gewaltig, jedes Mal hinzufallen, wenn man versuchte, nicht von ihr geschlagen zu werden, wenn sie im Halbschlaf versuchte, uns zum Aufhören zu bewegen.
    Jetzt waren wir umgezogen, hatten etwas gegessen und waren motiviert genug, um nach Informationen zu suchen.
    „Weißt du denn, wo wir hinmüssen?“, fragte Lucia.
    Ich überlegte kurz. Erzelingen war nicht so extrem weit von Zweiblattdorf entfernt, aber da es außer dem Museum nicht besonders viel zu sehen gab und sie sich auch dafür wenig interessierte, war sie nur sehr selten da gewesen.
    Ich selbst war auch eigentlich immer nur auf der Durchreise gewesen, wenn ich mit Lucia nach Herzhofen gewollt hatte.
    „Nicht wirklich.“, beantwortete ich die Frage meiner Freundin.
    „Chrissie, kennst du dich hier aus?“ Sie zuckte die Schultern.
    „Ich glaube, ich war nicht mehr hier seit…“ Sie schien zu überlegen.
    „Etwas mehr als zehn Jahren. Aber in Erzelingen verändert sich so selten etwas. Vielleicht finde ich ja noch die Wege. Wo wollt ihr denn jetzt hin?“
    Ich rechnete. Sie erinnerte sich daran wirklich noch, obwohl sie erst fünf gewesen war?
    Meine Güte, was hatte dieses Mädchen bloß für ein Gedächtnis?
    „Warst du früher oft hier?“
    „Mit meiner Großmutter manchmal. Bis sie gestorben ist. Warum fragst du?“
    „Na ja, wenn du damals erst fünf warst, dann musst du ja echt oft hier gewesen sein, wenn du dich noch erinnerst.“
    Sie sah mich skeptisch an, dann schien sie zu verstehen.
    „Ach so, ja. Wir waren sehr oft hier. Hier hatte man wenigstens Ruhe, vor meiner Mutter.“ Ihr Lachen klang ein wenig aufgesetzt.
    Trotzdem kümmerte ich mich nicht weiter darum. Ich war viel zu neugierig auf das, was ich hier erfahren würde.
    „Lasst uns zuerst mal zu den Minen gehen.“, schlug ich vor.
    „Vielleicht können wir ja mit den Arbeitern sprechen, die da waren.
    Die anderen hatten nichts einzuwenden, also machten wir uns auf den Weg.
    Erzelingen war nicht besonders groß. Schon gar nicht, wenn man die verworrenen Gassen von Jubelstadt gesehen hatte.
    Es würde nicht lange dauern, zu den Minen zu kommen. Vielleicht eine Viertelstunde.
    Ich schaute mich ein wenig verträumt um, während wir liefen.
    Es gab hier zwar eher wenig zu sehen, aber ich hatte gute Laune, sodass sogar die staubigen Straßen dieser kleinen Stadt ungemein freundlich und einladend aussahen.
    Dann plötzlich sah ich etwas, das mich stocken ließ. Das Schicksal wollte mich doch verarschen.
    Ein Stück entfernt sah ich zwei mir leider viel zu gut bekannte Gesichter.
    Ich sollte mir jetzt nichts anmerken lassen. Das könnte ich Lucia doch nie erklären.
    „Was ist denn los?“, fragte die blauhaarige. Die anderen beiden hatten sich zu mir umgedreht.
    „Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“, erklärte Chrissie.
    „Oder zwei.“, fügte sie noch hinzu, als sie sah, wen ich anstarrte.
    „Kennst du die?“ Ich nickte steif.
    „Wer ist das?“, fragte Lucia. In diesem Moment wurde leider auch der ältere der beiden auf uns aufmerksam.
    „Kann ich euch helfen?“, fragte er freundlich und kam auf uns zu.
    Sein jüngerer Bruder folgte. Lucia lächelte beiden freundlich zu, aber der kleine starrte sie nur finster an. Als ich die beiden kennengelernt hatte, waren beide schon älter gewesen, aber aus den Erzählungen meiner Freundin wusste ich bereits, dass sie unterschiedlicher kaum hätten sein können.
    „Wir suchen die Minen. Können sie uns sagen, wo die sind?“, fragte ich höflich.
    „Du kannst mich ruhig duzen. Ich bin Reggie und das hier ist mein kleiner Bruder. Paul“, stellte er sich vor. Ich lächelte, aber von Paul kam nach wie vor nur dieses feindselige Starren.
    Was hatte Lucia bloß mit dem angestellt, dass er inzwischen beinahe nett geworden war?
    „Ich bin Maike, das ist Chris und sie hier heißt Lucia.“, stellte ich uns vor.
    „Nett, euch kennenzulernen. Seid ihr Trainer?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Ich und Lucia sind Koordinatoren.“, erklärte ich. Reggie betrachtete die Blauhaarige.
    „Du hast dir ja ganz schön was vorgenommen, dass du so früh schon anfängst.“, sagte er beeindruckt. Sie grinste. Natürlich gefiel ihr das.
    Von Paul hörte man nur ein abschätziges Schnauben und sofort verzog Lucia das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Chrissie, Reggie uns ich betrachteten das ganze amüsiert.
    „Ich kann euch zu den Minen bringen.“, bot Reggie dann an und schubste seinen jüngeren Bruder leicht in die Richtung, in die wir gehen würden.
    „Du kannst später noch mit deiner kleinen Freundin spielen.“, sagte er. Von Lucia kam nur ein empörtes schnauben.
    „Sie ist nicht meine Freundin. Als ob ich mich mit so einem Schwächling abgeben würde!“, sagte er.
    Böse sah er über die Schulter zu uns nach hinten.
    Ich musste Lucia wirklich unbedingt mal fragen, wie sie überhaupt mit diesem Jungen klargekommen war. Ich lief ein paar Schritte schneller, bis ich neben Reggie und Paul ging.
    War er noch Trainer oder bereits Züchter?
    „Was macht ihr beide eigentlich so?“, fragte ich, um nicht unnötig aufzufallen.
    „Ich bin Trainer und er hier will Trainer werden. Wir sind unterwegs nach Sandgemme, damit er endlich sein erstes Pokémon bekommen kann.“
    „Ich kann auch selbst reden.“, beschwerte er sich.
    Ich ignorierte den Einwand und lächelte ihn stattdessen an. Anders als Drew erkannte ich Paul kaum wieder.
    „Welches Pokémon willst du denn haben?“, fragte ich.
    „Das, was am stärksten ist. Was soll ich denn mit so schwachen Viechern?“ Ash hätte sich darüber wohl richtig aufgeregt. Er und Paul hatten sich noch nie leiden können, was vor allem an den sehr unterschiedlichen Vorstellung davon lag, wie man mit seinen Pokémon umgehen durfte und wie nicht.
    Ich seufzte. Mit diesem Kind konnte man nicht reden.
    „Reggie, kannst du sie nicht einfach wegschicken? Die Hühner nerven.“, erklärte er.
    Natürlich entschuldigte sich sein Bruder sofort für sein Verhalten.
    Der weitere Fußmarsch verlief still. Ich unterhielt mich ein wenig mit Reggie über Pokémon und er erzählte, dass er bald wieder zurück nach Kanto wollte, weil er bereits die Abzeichen der Kampfzone dort sammelte. Er war nur hier in Sinnoh, weil er nicht verpassen wollte, wie sein kleiner Bruder ein Trainer wurde. Fröhlich wuschelte er ihm durch die Haare.
    Paul schaute noch grimmiger drein.
    Wüsste ich es nicht, hätte ich wohl nie geglaubt, dass diese beiden Geschwister sein sollten.
    „Danke, dass du uns den Weg gezeigt hast. Viel Glück in der Kampfpyramide und lass dich nicht unterkriegen, auch, wenn es schwer ist.
    Brandon ist echt ein harter Brocken.“, verabschiedete ich mich.
    „Bitte sag mir nicht, du hast auch mal Arenakämpfe gemacht.“, sagte Chris, als die beiden außer Hörweite waren. Ich schüttelte fröhlich den Kopf.
    „Ich bin aber doch mit einem Trainer gereist, der in den Arenen gekämpft hat und als wir unsere Reise in Hoenn beendet hatten, sind wir weiter nach Kanto gereist.“, erklärte ich ihr.
    „Warum hast du eigentlich nach dem Weg gefragt? Chrissie kannte ihn doch sowieso.“, wollte Lucia wissen. Ich lächelte verlegen.
    „Ich hätte doch schlecht sagen können: ‚Hallo ihr da. Ich kenn euch aus der Zukunft‘.“
    „Ja, aber du hättest sie doch auch anders abwimmeln können.“, beschwerte sie sich.
    „Mir ist halt nichts anderes eingefallen.“
    „Wer waren die überhaupt?“, fragte sie dann. Oje. Man sah doch, dass Lucia Paul nicht ausstehen konnte. Sollte ich ihr sagen, dass Paul und Lucia aus meiner Zeit ein Paar waren?
    Lieber nicht.
    „Reggie ist in meiner Zeit Pokémonzüchter. Und sein Bruder wird mal ein echt starker Trainer. Und er wird auch mal netter.“ Sie starrte mich ungläubig an.
    „Das denkst du dir doch gerade aus!“, unterstellte sie mir.
    „Nein. Warum sollte ich?“ „Warum verteidigst du ihn? Bist du etwa mit dem befreundet?“
    Konnte man das so sagen? Jedenfalls war er immer willkommen, wenn Lucia ihn mal wieder mitbrachte, um mich zu besuchen.
    „Na ja. Vielleicht irgendwie.“ „Buuuääärgh!“, machte die kleine Blauhaarige.
    „Wie ist das denn passiert?“ Ich überlegte ernsthaft, ob ich das lustig oder traurig finden sollte.
    Einerseits war es eine wirklich merkwürdige Situation, andererseits waren diese Lucia und die, die in meiner Zeit lebte ja irgendwie dieselben. Von daher war dieser Unterschied ihrer Gefühle fast traurig.
    „Ich kenne ihn, weil Lucia ihn mir vorgestellt hat.“
    „Dann bin ich auch mit ihm befreundet?“ Sie wirkte extrem schockiert.
    „Gewissermaßen. Ja.“ Ich beließ es dabei. Außerdem lenkte Chrissie’s Gekicher die kleine ab, sodass sie sich jetzt mit ihr stritt, anstatt mit mir.
    Ich konnte nur hoffen, dass ich ihr das in nächster Zeit nicht würde erklären müssen.
    Ich ließ meine beiden Freundinnen weiter diskutieren und betrat das Gelände der Erzelingen-Mine.
    Der Eingang zum Hauptstollen schien völlig normal. Arbeiter in Schutzkleidung schoben Schubkarren oder schleppten Koffer mit ihren Werkzeugen. Dazwischen bahnten sich einige Machollo mit schweren Kisten ihren Weg.
    Dafür fiel mir nach einem Moment auf, dass am anderen Ende des Platzes rot-weißes Absperrband gespannt war. Das konnte das sein, was ich suchte.
    „Entschuldigung.“, sprach ich einen jungen Mann im staubigen, grau-braunen Overall an.
    „Könnten sie mir sagen, warum da hinten Abgesperrt ist?“, fragte ich freundlich.
    Er sah in die Richtung, in welche ich zeigte, schien einen Augenblick zu überlegen, dann zuckte er die Schultern und erklärte:
    „Das da hinten is die Stelle, wo man Dialga gesehen ham will. War ja in ‘n Nachrichten. Weiß aber auch net, was da dran is.“
    „Okay, Dankeschön.“, sagte ich und er ging weiter. Ich hatte spontan beschlossen, mir erst mal selbst anzuschauen, ob ich dort etwas fand. Danach würde ich im Museum und bei den Leuten nachfragen, die vor Ort gewesen waren.
    Wir gingen also bis ans Absperrband. Der Anblick, der sich vor uns auftat, war sowohl erschreckend, als auch beeindruckend. Die Mine lag in Trümmern. Das, was von ihr übrig geblieben war, zeigte sich in halb verschütteten Gräben, die schließlich in eingestürzten Höhlen im grauen Gestein des Kraterbergs. Vor allem in Anbetracht dieser Steinwüste wirkte der Berg noch gewaltiger, wie er sich bis weit über die Dächer der Stadt erhob, sodass man ihn sogar aus Herzhofen, Trostu oder Schleiede noch sehen konnte.
    Trotz der Verwüstung, wurde dem Bild etwas von seinem Schrecken genommen.
    Überall zwischen Schutt und Staub glänzten helle Lichtpunkte.
    „Ich glaube, das sind Kristalle.“, stellte Chrissie fest.
    Das helle Gestein glitzerte in allen Farben des Regenbogens, wo das helle Sonnenlicht darauf traf.
    Für einige Sekunden betrachteten wir das alles, dann duckte ich mich unter der Absperrung hindurch und lief weiter in die Mitte des Geländes.
    „Hey, warte, Maike!“, rief Chris überrascht.
    „Du kannst doch nicht einfach…“, setzte Lucia an, aber da war Chrissie mir schon gefolgt und auch der jüngsten in unserer Truppe blieb nicht viel anders übrig, als ebenfalls mitzukommen.
    Wie war das noch gewesen? Wo hatte man Dialga gesehen?
    Ich konnte mich nicht erinnern. Wir suchten, so gut es ging, ohne aufzufallen, den Platz ab, aber finden konnten wir nichts. Erschöpft ließ ich mich gegen einen der weniger kantigen Felsen sinken.
    „Dialga… was soll das alles?“, murmelte ich.
    Ich wusste nicht, warum ich so enttäuscht war. Was hatte ich denn erwartet, zu finden?
    Warum hatten wir Menschen nur die bescheuerte Art, und immer Hoffnungen zu machen, die man mit ein wenig Logik und Vernunft sofort als unsinnig befinden könnte?
    Na ja, meine Lage war mit Logik auch nicht zu erfassen, aber wieso sollte das auf alles zutreffen, was mir wiederfuhr?
    „Warum hast du mich hergebracht?“, murmelte ich enttäuscht. Ich nahm einen der Kieselsteine zu meinen Füßen zwischen die Finger, rollte ihn herum.
    „Hast du immer noch keinen Anhaltspunkt?“, fragte Chris und setzte sich zu mir.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Ich weiß eigentlich auch gar nicht, was ich erwartet habe. Es war doch von Anfang an Aussichtslos.“
    „Wieso gibst du jetzt schon auf?“, fragte sie verständnisvoll.
    Ich blickte zu ihr. Für eine Sekunde glaubte ich, ein merkwürdiges Grinsen auf ihrem Gesicht zu sehen, aber dann schlug ich mir das aus dem Kopf.
    Das war bestimmt der Erschöpfung zu verdanken, dass es mir vorkam, als mache sich die ganze Welt über mich lustig.
    „Ich versuche jetzt seit Monaten, endlich Antworten zu finden, aber ich habe nicht erreicht. Rein gar nichts! Glaubst du nicht, es wird langsam Zeit, diese leeren Hoffnungen zu begraben?“, fragte ich.
    Ich war nicht in der Lage, in diesem Leben glücklich zu sein, wenn ich weiterhin an meiner Vergangenheit festhielt und während sich ein immer kleiner werdender Teil von mir noch immer weigerte, das aufzugeben, wollte ich immer mehr vergessen.
    Ich wollte die zehnjährige sein, als die mich die ganze Welt sah.
    Ich wollte endlich frei sein.
    „Maike!“, rief Lucia und rannte über die Steine auf uns zu, stolperte fast und kam dann keuchend vor uns zum Stehen. Ich erschrak, als ich dachte, sie würde fallen, aber dann sah ich nur, wie sie lächelte.
    „Was ist denn los mit euch? Das ist doch total cool hier.“, rief sie fröhlich.
    Ihre Bedenken, weil wir die Absperrung ignoriert hatten, hatte sie längst vergessen. Voller Begeisterung suchte sie zwischen den Steinen nach Kristallen. Die meisten davon waren kaum größer, als ein Apfelkern und steckten noch im Stein fest, was aber ihrer Freude daran keinen Abbruch tat. Ich beneidete sie um die Sorglosigkeit. Mein wirkliches Zehnjähriges Ich würde mich auslachen oder wäre zutiefst bestürzt, wenn es sähe, zu welchem Wrack ich geworden war.
    „Ja, du hast Recht.“, stimmte ich der kleinen seufzend zu und rappelte mich hoch.
    „Aber hier finden wir wohl nichts mehr. Ich denke, wir sollten erst mal zurück zum Pokémoncenter gehen. Ich muss noch dem Professor Bescheid sagen, dass ich hier bin. Und nach dem Mittagessen will ich mir das Museum anschauen.“, erklärte ich.
    Die beiden erklärten sich einverstanden und so schlichen wir uns glücklicherweise unbemerkt wieder an der Absperrung vorbei und verließen das Gebiet der Minen.

    „Wir sollten endlich losgehen.“, rief Lucia. Ich fragte mich jedes Mal wieder, woher sie auf einmal all diese Motivation hatte.
    Und ich wünschte mir, es wäre möglich, dass sie mir einen Teil davon hätte abgeben können.
    Ich war neugierig, aber es hatte mich auch entmutigt, dass wir bisher nichts weiter geschafft hatten.
    „Wir gehen bald.“, antwortete ich ihr. „Ich muss nur vorher noch mit dem Professor reden.“
    Während die anderen also im Zimmer auf mich warteten, ging ich nach unten in die Eingangshalle.
    Neben Tischen, Bänken und dem Empfangstresen gab es in einer Ecke auch einige Videotelefone.
    Daneben war mit Klebeband ein Zettel an der Wand befestigt, auf dem die wichtigsten Nummern notiert waren. Neben der Nummer des Labors standen noch die Nummern eines Pokémonkrankenhauses abseits von Sonnewik, die der Pokémonpension und die Nummer der Polizewache von Erzelingen. Außerdem die Nummern sämtlicher Pokémoncentren in Sinnoh.
    Ich wählte an einem der Telefone.
    Es dauerte nicht lange, dann hob ein Assistent des Professors ab.
    „Ich würde gerne Professor Eibe sprechen.“

  • Sehr cooles Kapitel, wie immer :)
    Oh man, Maike tut mir leid ... ich hätte auch gedacht, dass sie etwas in Erzelingen herausfinden ... na ja^^
    Ich bin sehr gespannt was als nächstes passiert, weiter so ;)
    Lg Glaziola

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  • -22-

    Dialga and Palkia (2)

    ~Maike~


    „Hallo Professor.“, begrüßte ich den Pokémonforscher mit einem Lächeln.
    Er wirkte ein wenig verwirrt und es dauerte einige Sekunden, bis er sich erinnerte. Dann erkannte ich die Aufregung in seinen Zügen.
    „Maike. Die Tochter von Norman. Richtig?
    Hätte dich Dimitri nicht im Fernsehen gesehen, hätte ich schon gedacht, es wäre etwas passiert.
    Johanna hat so lange nichts von euch gehört.“
    Ich grinste verlegen.
    „Ich rede mit Lucia und wir melden uns öfters. Ich rufe an, weil ich mich ja melden wollte, wenn ich in Erzelingen bin.“
    Er nickte ernst. Einen Augenblick lang zögerte ich, ehe ich fragte:
    „Professor Eibe, haben sie etwas Neues herausgefunden?“ Er wusste, dass ich von meiner Lage sprach. Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, ob er mir das mit der Zeitreise glaubte.
    Aber obwohl ich nicht wusste, was er von meiner Geschichte hielt, war er nun einmal leider der Einzige, der mir noch helfen konnte. Die Professoren Eich und Birk hätte ich zwar auch um Hilfe bitten können, aber in Kanto oder Hoenn fehlte nun einmal ein bisschen der Bezug zu Dialga und Palkia.
    Ich selbst konnte nichts weiter tun, als zu Reisen und an unterschiedlichsten Orten nach Informationen zu suchen, aber es fragte sich wirklich, ob und wann ich damit jemals Erfolg haben würde.
    „Es gibt nicht viele bekannte Sichtungen von Dialga oder Palkia.“, begann er.
    „Wenn sie sich doch einmal zeigen, dann hat das einen besonderen Grund. Vielleicht steht uns wirklich Gefahr bevor und dann müssten wir unbedingt herausfinden, wovor sie uns warnen wollten.“
    „Aber wie sollen wir das denn anstellen?“ Ich fühlte mich ein wenig hilflos angesichts dieser Aufgabe.
    „Wie viel haben sie dir gesagt?“, fragte er ernst.
    „Dass Unheil kommen würde.“, sagte ich langsam. Ich dachte nach, versuchte, mich wieder an alles zu Erinnern. Aber es gab fast nichts, was ich wissen könnte. Warum nur hatte ich sie nicht weiter danach gefragt?
    „Dass ich es verhindern soll und dass sie mir dazu eine Möglichkeit geben wollen. Und als ich dann aufgewacht bin, war ich wieder zehn und im unwahrscheinlichsten Albtraum meines ganzen Lebens.“
    Obwohl es fehl am Platz war, konnte ich mir die sarkastische Bemerkung am Ende nicht verkneifen.
    „Wenn du dafür in die Vergangenheit musstest, heißt das wohl, dass es in deiner Zeit keine Möglichkeit mehr dazu gab.“, schlussfolgerte Professor Eibe ohne auf meine Missstimmung einzugehen. „Das heißt, dass wir bald herausfinden müssen, um was es geht. Ich fürchte, wir werden die, wie vielen Jahre nochmal? Die Zeit brauchen, um die Katastrophe zu verhindern.“
    „Vier Jahre.“, antwortete ich. „Ich wünschte nur, ich wüsste, worin die Katastrophe besteht.“
    Er nickte zustimmend. Dann schien er eine Idee zu haben.
    „Warst du schon im Museum?“, fragte er. „Sie stellen da zurzeit den Adamantorb aus. Vielleicht kannst du den benutzen, um mit Dialga in Kontakt zu treten.“

    Gesagt, getan.
    Da wir sowieso ins Museum gewollt hatten, war es sofort beschlossen.
    Ich fühlte mich fast ein bisschen schuldig, dass die beiden nur wegen mir mit durch die Gegend irrten um erfolglos nach Informationen zu suchen, aber da sie mir jedes Mal, wenn ich das ansprach versicherten, sie wollten es so, beließ ich es dabei.
    Dort angekommen bezahlten wir den Eintritt und sahen uns um. Den Adamantorb zu finden, war nicht besonders schwierig. Von den nicht allzu vielen Besuchern des Museums standen die meisten um eine einzelne Vitrine herum.
    Darin befand sich ein großer Kristall, von dem ein blau-weißes Leuchten auszugehen schien.
    Ich steuerte direkt darauf zu. Wenn mir etwas helfen konnte, mit Dialga zu sprechen, dann dieser Stein. Ich hielt die Hände direkt vor dem Glas.
    „Dialga, bitte…“, flüsterte ich. Ich musste unbedingt mehr wissen.
    Dass mich einige der Besucher, inklusive Chris und Lucia, verwirrt oder ärgerlich anstarrten, ignorierte ich. Es ging schließlich nicht anders und ich fasste ja weder die Vitrine noch eines der Ausstellungstücke wirklich an.
    Einige Sekunden passierte nichts, dann verschwanden plötzlich die Geräusche der Umgebung. Nur noch mein Atem war zu hören.
    Ich blinzelte, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    „Dialga.“, murmelte ich ehrfurchtsvoll, als ich das gigantische Pokémon erblickte.
    „Ich brauche Informationen. Wovor wolltet ihr mich warnen? Was wird passieren?“
    Meine Stimme zitterte ein wenig. Obwohl ich darauf vorbereitet gewesen war, hatte ich noch immer Angst. Was, wenn ich Dialga aus Versehen verärgerte?
    „Du hast dich also endlich entschieden, die Mission anzunehmen?“ Dialga’s Stimme in meinem Kopf klang noch immer merkwürdig hohl und fast unerträglich laut.
    Trotzdem gab ich mir einen Ruck, schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und nickte.
    „Dann sollst du es wissen. Eine Gefahr, die vernichtet geglaubt war, wird sich wieder erheben. Jetzt sind sich noch schwach genug. Ihr müsst sie endgültig auseinander bringen, damit die Welt der Zukunft nicht von Rachsucht und Gewalt regiert werden wird.“
    Mein erster Gedanke war: Man kann sich ja auch in Rätseln ausdrücken. Es wird schließlich lustiger, wenn man erst die Rätsel lösen muss.
    Mein zweiter Gedanke war: Na super. Das wird ja einfach. Rachsucht und Gewalt klangen nach einer genialen Aufgabe für jemanden, der sowieso schon eigene Probleme hatte.
    Ich seufzte unmerklich. Aus irgendeinem Grund musste ich es sein. Warum sollte ich mich also länger dagegenstellen?
    „Ich danke dir.“, sagte ich. „Aber wer sind sie? Worin besteht die Gefahr?“

    Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass mich alle anstarrten.
    Zu meiner Erleichterung, hatte ich nicht laut gesprochen. Ich hatte nur vor mich hin geflüstert, hatte nicht einmal geblinzelt, als mich die anderen Besucher angesprochen hatten.
    „Du sahst aus, als würdest du gleich zusammenbrechen.“, erklärte Chris.
    Wenigstens geistig war ich wohl wirklich an einem anderen Ort gewesen.
    „Ist alles okay. Dafür muss ich euch jetzt was erzählen. Kommt mit!“, erklärte ich aufgeregt.
    So schnell ich konnte ging ich nach draußen. Meine Freundinnen folgten.
    „Also“, setzte Lucia an. „Was hast du herausgefunden?“
    Ich begann also, ihnen alles zu erklären. Was ich mit dem Professor besprochen hatte wiederholte ich nur kurz. Davon hatte ich ihnen ja bereits vorhin erzählt.
    Dafür erklärte ich umso ausführlicher, was ich von Dialga erfahren hatte.
    Ich wusste nun, worin die Gefahr bestand und ich wusste in etwa, wie ich dagegen vorgehen konnte.
    Natürlich müsste ich vorher noch mit dem Professor sprechen, aber irgendwie würde alles schon klappen. Dieser riesige Fortschritt gab mir einiges an neuer Motivation und erleichterte mich.
    Es befreite mich aus meinem vorherigen Zustand der Niedergeschlagenheit.
    „Das ist großartig.“, freute sich Chris mit mir mit.
    „Aber… was hast du jetzt als nächstes vor?“ Ihre Frage war berechtigt.
    Ich konnte alle Hebel für ein Vorgehen gegen die Gefahr umlegen, aber weiter konnte ich nichts tun.
    „Ich denke mal… als erstes möchte ich mit Officer Rocky sprechen.“, überlegte ich.
    „Und eben mit dem Professor. Ansonsten können wir ja noch ein bisschen trainieren und uns nach Herzhofen aufmachen.“, schlug ich fröhlich vor.
    Lucia war einverstanden. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, Drew beim nächsten Wettbewerb fertig zu machen. Es war wirklich merkwürdig, mitanzusehen, wie sie sich genauso verhielt, wie ich es damals getan hatte. Nur eben, dass es nicht ich war.
    „Von mir aus.“, erklärte sich auch Chrissie einverstanden.
    „Je eher wir hier wegkommen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir diesen Jungs hier begegnen.“
    Ich konnte noch immer nicht verstehen, woher sie diese Abneigung gegenüber den beiden hatte.
    Es konnte unmöglich nur daran liegen, dass ich solche Probleme mit Drew gehabt hatte.
    Schließlich hatten wir uns vertragen. Schließlich konnte er nichts dafür.
    Was war es, was sie so an den beiden störte?
    Während ich meine Sachen packte, ließ ich meine Gedanken schweifen. Ich überlegte, was Dialga gemeint haben könnte. Ich fragte mich, ob wir die Jungs wiedertreffen würden.
    Und wieder einmal kam mir die Frage in den Sinn, die mich seit Monaten beschäftigte.
    Wenn all das hier überstanden war, würde ich dann wieder nach Hause kommen?
    Ich fragte mich wieder, ob meine Zeit noch existieren konnte, aber irgendwie konnte ich nicht anders, als daran zu glauben.
    Das hing auch damit zusammen, dass Zeitreisen nun einmal eigentlich zu komplex waren, um zu funktionieren. Je mehr ich darüber nachdachte, desto komplizierter erschien mir das Ganze.
    „Hey, Chris. Was glaubst du, wie das mit den Zeitreisen funktioniert?“, fragte ich über die Schulter.
    „Hättest du sowas nicht eher Dialga fragen sollen?“
    Ich zuckte die Schultern.
    „Es war erst einmal wichtiger, herauszufinden, warum es mich hierher geschickt hat.“
    „Ich glaube, dass man einfach einen Weg in die Vergangenheit bekommt. Und dann lebt man halt da weiter.“, erklärte Lucia. Ich schüttelte den Kopf.
    „Es ist irgendwie komplizierter.“, murmelte ich. Sie sah ich groß an.
    „Wieso?“, wollte sie wissen. Ich überlegte einen kurzen Moment, dann fiel mir ein geeignetes Beispiel ein.
    „Stell dir vor, du würdest in der Zeit zurückreisen um zu verhindern, dass irgendetwas ganz schlimmes passiert. Etwas, das ganz lange her ist. Vielleicht noch vor der Geburt deiner Mutter oder deiner Großmutter. Und es gelingt dir und du rettest vielen Menschen das Leben. Aber…“
    „Das wäre doch gut, wenn ich den Menschen das Leben retten könnte.“, unterbrach sie mich.
    „Ja, das wäre es.“, stimmte ich zu. „Aber es könnte auch passieren, dass einer deiner Vorfahren sich so in jemand anderen verlieben würde. Vielleicht hätte deine Oma nie deinen Opa geheiratet. Dann wäre nie deine Mutter zur Welt gekommen und dann würde es dich auch nicht geben.
    Wenn du aber nicht da wärst, könntest du die Leute nicht retten. Dann würde deine Oma doch deinen Opa heiraten und du würdest geboren werden und könntest das alles verhindern.“
    „Aber dann würde ich ja doch nicht existieren. Oder doch?“, fragte sie verwirrt.
    „Das ist es, worauf ich hinaus will. Das stände im absoluten Widerspruch. Ich glaube, es ist völlig unmöglich, die Vergangenheit zu verändern. Es muss noch irgendetwas anderes dahinter stecken.
    Dialga will nicht, dass ich die Vergangenheit verändere, weil es unmöglich ist. Es will irgendetwas anderes von mir.“, sprach ich meine Vermutung aus.
    „Und was soll das sein?“ Ich zuckte die Schultern. Ich wusste es nicht, aber ich würde es bestimmt noch herausfinden.
    „Das klingt völlig unsinnig.“, murmelte Chris.
    „Wie solltest du denn die Gegenwart verändern, wenn du nicht die Vergangenheit ändern kannst.“
    Sie hatte schon Recht. Es klang unmöglich. Und es war verwirrend. Wenn ich nichts verändern konnte, wie sollte ich es dann schaffen, irgendetwas zu retten?
    Außerdem, selbst wenn ich darauf eine Antwort finden sollte, gab es noch eine Frage, die ungelöst blieb. Wenn es sich so verhielt, wie ich es mit Lucia besprochen hatte, dann könnte ich, so, wie ich hier war, gar nicht existieren. Ich steckte im Körper einer Zehnjährigen. Aber mein Verstand war vier Jahre älter. Wenn ich aber eigentlich so, wie ich war noch gar nicht sein konnte, was war mit dem ich passiert, das damals hier gereist war. Steckte sie noch irgendwo in mir drin?
    Denn ohne das, was sie erlebt hatte, konnte ich nicht existieren.
    Das hieß doch, wenn ich wirklich in der Zeit gereist war, hätte mich das vernichten müssen.
    Irgendetwas gab es noch, von dem ich nichts wusste und dass ich vielleicht unbedingt herausfinden musste und das ganze Thema bereitete mir mehr und mehr Kopfschmerzen.
    Ich beließ es dabei, legte meine ganzen Sachen auf dem Bett bereit und ging nach unten in die Eingangshalle. Wieder lief ich zu den Videotelefonen und rief den Professor an.
    Er bestätigte mir, dass ich mit Officer Rocky darüber sprechen sollte und erklärte mir, dass auch er sich umhören wollte, was er mir darüber erzählen würde.
    Dafür musste ich versprechen, mich wieder zu melden, sobald wir in Herzhofen angekommen waren.
    Danach rief ich zu Hause an.
    „Hey Mum.“, sagte ich lächelnd, als das Gesicht meiner Mutter auf dem Bildschirm auftauchte.
    Ich fühlte mich ein bisschen schuldig, weil ich mich ewig nicht gemeldet hatte. Das letzte Mal, als wir auf dem Weg nach Jubelstadt in Sandgemme gewesen waren.
    Entsprechend reagierte sie.
    „Maike, wieso hören wir denn so lange nichts von dir? Weißt du, was wir uns für Sorgen machen, wenn du dich nie meldest?
    ,Es tut mir leid.“, sagte ich resigniert.
    „Es ist so viel passiert und…“ „Das ist trotzdem kein Grund, dich ewig nicht zu melden.“
    Ich seufzte. War ja klar, dass das keine gute Idee war. Andererseits hätte es ja doch nur noch schlimmer werden können, wenn ich noch länger gewartet hätte.
    Nachdem sich meine Mutter noch ein wenig weiter aufgeregt hatte, wechselte sie plötzlich das Thema.
    „Wann willst du eigentlich mal wieder an einem Wettbewerb teilnehmen?
    Wir haben ja jetzt ewig nichts mehr von dir gesehen. Alle sagen nur, du bist ein Wunderkind und wir sollen mal was dazu erzählen, aber wir können es ja nie, weil wir selbst nichts davon zu sehen kriegen. Beim letzten Mal hast du ja auch nicht teilgenommen. Wo bist du jetzt überhaupt? Und…“
    Ich unterbrach ihren Redeschwall.
    „Ich bin in Erzelingen und ich habe so lange nicht teilgenommen, weil ich bis vor einer Weile in Jubelstadt war und da habe ich ja schon ein Band.
    Wir wollen heute Abend weiter nach Herzhofen und da will ich dann wieder mitmachen.
    Wenn es gut läuft, habe ich bald alle Bänder und vielleicht komme ich dann mal nach Hause, wenn die Zeit noch reicht, bevor ich zum großen Festival muss. Vorher ist dafür glaub ich keine Zeit.“
    Dann wechselte ich das Thema.
    „Wie geht es denn allen? Sind Dad und Max auch da?“ Sie nickte.
    „Dein Vater ist in der Arena, er hat gerade einen Herausforderer da und Max ist auch da und will ihn anfeuern. Soll ich ihn holen?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Lass ihn ruhig. Er will das bestimmt sehen. Aber… meinst du, der Kampf dauert noch lange?“
    Ich wollte und konnte meinen Vater jetzt nicht aus dem Kampf holen, aber ich hätte doch gerne mal wieder mit ihm gesprochen.
    „Ich fürchte, das dauert noch. Der Junge ist gerade erst gekommen.“, sagte meine Mutter.
    „Schade. Ich rufe heute Abend nochmal kurz an, bevor wir aufbrechen.“
    „In Ordnung. Ich bin sicher, dein Vater wird sich freuen.“ Ich nickte.
    „Bis dann. Ich hab dich lieb.“
    „Ich hab dich auch lieb. Bis heute Abend.“
    Dann legte ich auf. Es hatte mich mehr berührt, als ich gedacht hätte, wieder die Stimme meiner Mutter zu hören. Es war beruhigend, auch, wenn ich mich noch ein bisschen schuldiger fühlte, dass ich so lange nicht angerufen hatte.
    Nun musste ich nur noch mit Officer Rocky sprechen, dann wäre alles erledigt und wir könnten aufbrechen. Ich atmete tief durch, strich meine Haare zurück und ging nach draußen.
    „Und los.“, murmelte ich, etwas unwillig aber doch entschlossen.

    Das Gespräch mit Officer Rocky war recht kurz gewesen.
    Nachdem ich ihr alles erklärt hatte, hatte sie noch einmal kurz Professor Eibe angerufen, um sich meine Geschichte bestätigen zu lassen. Dann hatte sie zugestimmt.
    „In Ordnung, wir werden uns darum kümmern.“
    Zwar glaubte ich, dass es mehr ein Nebenprojekt war, weil sie mit dem, was um sie herum passierte, mehr zu tun hatte, aber sie würde sicher etwas unternehmen.
    Zudem war ich froh, dass ich endlich alles erledigt hatte.
    So aufgeregt ich auch gewesen war, die Stadt zu erreichen, so schnell war ich des vielen Staubs und die Steine überdrüssig geworden.
    Als ich zurück ins Pokémoncenter kam, warf ich einen Blick auf die Uhr über dem Empfangstresen.
    Es war gleich fünf. Ob die anderen beiden wohl noch Oben im Zimmer waren?
    Oder waren sie ausgegangen?
    Viel zu packen hatten sie ja nicht gehabt. Zwar hatten wir ursprünglich vorgehabt wenigstens zwei oder drei Tage zu bleiben, aber letzten Endes waren wir ja nur knapp einen Tag geblieben.
    Ich bedauerte, dass ich nicht einmal eine Nacht lang in einem normalen Bett schlafen konnte, aber zu streiten hätte keinen Sinn gehabt und außerdem gefiel die Stadt mir selbst ja auch nicht so sehr.
    Zwar war es bei weitem nicht so voll, wie in Jubelstadt, aber dafür wirkte alles irgendwie grau, selbst dann, wenn die Sonne schien und das tat sie schließlich schon den ganzen Tag lang.
    Ich ging nach oben und betrat das Zimmer.
    „Na endlich.“, rief Lucia mir erfreut entgegen, als sie mich sah.
    „Wo warst du denn so lange?“
    „Ich habe mit dem Professor geredet und dann kur meine Mutter angerufen – solltest du übrigens auch mal wieder machen – und dann musste ich ja noch zu Officer Rocky. Das hat sich dann halt ein bisschen hingezogen. Wo ist den Chrissie?“
    „Jaja, ist ja schon gut. Ich ruf sie gleich an. Ähm… Chrissie wollte dich eigentlich mal suchen, weil du so lange gebraucht hast. Hast du sie etwa nicht gesehen?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Sie wird schon kommen. Wenn wir jetzt auch noch rausrennen, verpassen wir uns wahrscheinlich sowieso nur.“, vermutete ich. „Hast du deine Sachen wieder alle zusammengepackt?“
    Sie nickte.
    „Dann würde ich sagen, wir gehen runter. Ich wollte nochmal zu Hause anrufen, weil mein Vater vorhin keine Zeit hatte und du kannst dich ja auch mal melden.“
    „Reg‘ dich ab.“, beschwerte sie sich. „Ich ruf ja schon an.“
    Als wir unten waren, wollte sie zuerst anrufen. Wahrscheinlich einfach, weil sie glaubte, ich würde sie sonst noch dreimal daran erinnern und vermutlich hatte sie Recht damit.
    „Hallo ihr beiden.“, begrüßte uns Johanna, nachdem sie den Hörer abgenommen hatte.
    „Hallo.“, sagte ich lächelnd.
    „Hey Mama.“ Lucia grinste.
    „Hast du den Wettbewerb gesehen?“
    „Du warst großartig.“, erklärte Johanna stolz.
    „Schau!“ Lucia zog das Kästchen mit dem Wettbewerbsband aus ihrer Tasche, öffnete es und hielt es in die Kamera. Für eine Weile unterhielt sie sich mit ihrer Mutter über den Wettbewerb, dann über die Reise und schließlich über dieses und jenes.
    Natürlich hielt auch Johanna ihre tochter dazu an, sich öfters zu melden, aber da ich zum Professor Kontakt hielt und Lucia mit Chrissie und mir nicht alleine war, hielt sich ihre Besorgnis in Grenzen.
    Meine Mutter wusste zwar, dass ich nicht allein unterwegs war, aber sie kannte weder Chris noch Lucia und das war es wohl, was sie beunruhigte.
    Sie wusste nicht, wie es mir während den Reisen erging.
    Schließlich beendete Lucia das Telefonat. Johanna wünschte uns noch alles Gute für die Reise nach Herzhofen und bat darum, dass wir anrufen sollten, wenn wir dort waren.
    Ich hoffte inständig, dass diesmal kein Herausforderer in der Arena war.
    Wenn es heute Abend nicht klappte, würde ich erst in einigen Wochen mit meinem Vater sprechen können, wenn wir in Herzhofen waren. Insgeheim hoffte ich ja bei jeder Reise, wenigstens in dieser Zeit niemals am Ziel ankommen zu müssen,
    Deswegen war es mir wichtig, auch mit Dad und Max sprechen zu können.
    Ich wählte, es tutete einen Augenblick, dann nahm meine Mutter ab.
    „Hallo.“
    „Hallo, mein Schatz.“
    „Haben die anderen beiden jetzt Zeit?“, fragte ich. Meine Mutter nickte.
    „Max, Norman, kommt her.“
    „Wer ist denn das?“, hörte man Max‘ gedämpfte Stimme aus einem der anderen Zimmer.
    „Deine Schwester. Jetzt komm schon her.“
    Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe die Gesichter meines Bruders und meines Vaters auf dem Bildschirm auftauchten.
    „Na, ihr beiden…“, begrüßte ich sie. Wie schon heute Mittag, empfand ich es als sehr beruhigend, mit meiner Familie zu sprechen.
    „Hey, Schwesterherz.“, rief Max frech grinsend.
    „Wie geht’s dir so?“, fragte mein Vater. Er hatte, so wie ich sie kannte, schon das meiste von meiner Mutter gehört, aber ein Paar Sachen gab es wohl doch, zu denen er mich noch etwas fragen wollte.
    „Alles super. Ich…“ Ich hörte laute Stimmen hinter mir und sah mich um.
    Anscheinend war Chris wieder da. Lucia redete wegen irgendetwas lautstark auf sie ein. Ich seufzte.
    „Was ist denn da los?“, fragte meine Mutter.
    „Chrissie, Lucia, kommt mal her!“, rief ich.
    „Die beiden sind los.“, sagte ich dann zu meiner Mutter, während meine Freundinnen näherkamen.
    „Das sind Chrissie und Lucia, wir reisen zusammen.“, erklärte ich kurz.
    „Und das ist meine Familie.“
    In einer kurzen Runde begrüßten sich alle. Meine Mutter wollte ein Paar Sachen über die Mädchen wissen, dann sprach ich noch kurz mit meinem Vater über das Training.
    „Hat sich dein Flemmli denn schon entwickelt?“, fragte Max neugierig.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Wie langweilig.“, murrte er. „Dafür hab ich ein zweites Pokémon gefangen.“, erklärte ich.
    Obwohl es eigentlich nichts so besonderes sein sollte, machte es mich stolz, meiner Familie von meinen Fortschritten berichten zu können.
    „Komm raus und sag Hallo!“, rief ich und ließ Fukano aus seinem Pokéball.
    Es bellte freudig, als es mich sah.
    „Leise. Schau mal, Fukano. Das ist meine Familie.“
    Neugierig folgte sein Blick in die Richtung, in welche ich zeigte, dann tapste es heran und stellte sich auf die Hinterpfoten. Die Vorderpfoten stützte es auf der Ablage neben der Wählscheibe ab und starrte fasziniert auf den Bildschirm.
    „Cool!“, rief mein Bruder begeistert. Mein Vater gab mir noch einige Tipps, wie ich mit ihm weiter trainieren könnte und ließ sich auch noch mein Flemmli zeigen.
    Wir sprachen noch über dieses und jenes, als Chrissie und Lucia längst wieder nach draußen gegangen waren. Die Blauhaarige wollte wohl noch etwas mit ihrem Plinfa trainieren und Kirlia konnte ein bisschen helfen, auch, wenn es sich weigerte, zu kämpfen.
    Erst, als meine Mutter aus der Küche zum Abendessen rief, legten wir auf.
    Ich hatte ein bisschen die Zeit vergessen. Auch für uns war es an der Zeit, die Stadt zu verlassen.

  • Mal wieder ein cooles Kapitel :)
    Aber vielleicht sollte langsam mal etwas mehr Action reinkommen^^
    Du baust immer mehr und mehr Spannung auf, aber die Story kommt nicht so richtig vorwärts.
    Hoffentlich klingt das nicht allzu komisch und du verstehst was ich meine ...
    Soll ja nur ein Tipp sein ;)


    Übrigens: Hast du schon mal daran gedacht, sich auf wattpad.de anzumelden und deine Story da zu veröffentlichen? Die Seite ist echt cool, ich bin da auch :)


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  • -23-

    Eruption

    ~Chris~


    „Weißt du Kirlia, es dauert nicht mehr lange. Ich gebe der Sache höchstens noch ein oder zwei Wochen.“, erklärte ich meiner Freundin.
    „Kirlia.“, antwortete sie euphorisch. Sie hatte sich genau so sehr wie ich gewünscht, es möge endlich aufhören.
    „Du bist ja optimistisch.“, bemerkte Lucia lachend. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie und Maike zu uns aufgeschlossen hatten, waren Kirlia und ich doch seit Stunden immer zehn bis fünfzehn Meter vor ihnen gelaufen.
    „Ja, irgendwer muss doch auch dran glauben, dass was passiert.“, antwortete ich ihr.
    „Hey, Chrissie. Du hast doch die Karte. Wie weit ist es denn noch bis Herzhofen?“, fragte Maike.
    Ich verstand sie. Es war schrecklich langweilig und vor allem anstrengend, den ganzen Tag zu laufen.
    „Wartet kurz.“ Ich setzte meinen Rucksack ab, legte den Schlafsack daneben und kramte nach der Karte. Es war tatsächlich nicht mehr sehr weit. Ich überlegte einen Augenblick, dann erklärte ich:
    „Ich schätze mal, heute Nachmittag sollten wir ankommen.“
    „Yay.“, rief die kleine Blauhaarige erfreut.
    „Also, jetzt bloß nicht schlappmachen.“, neckte ich sie und schulterte meine Sachen, ehe ich wieder loslief.


    ~Maike~


    „Weitere Neuigkeiten erfahren sie zu jeder vollen Stunde, hier in un…“ Ich schaltete den Fernseher aus.
    Vor nur wenigen Stunden war alles noch völlig friedlich gewesen und jetzt auf einmal schien es, als würde ganz Sinnoh im Chaos versinken.
    Überall in Sinnoh hatte es Überfälle gegeben. Wettbewerbshallen, Arenen, das Museum und Professor Eibes Labor, nichts war verschont geblieben.
    Zudem hatte man überall in Sinnoh Übergriffe auf Passanten festgestellt.
    Uniformierte Männer und Frauen hatten, zusammen mit ihren Pokémon, überall Chaos gestiftet und ihre eigene, schreckliche Botschaft verbreitet.
    Sie wollten an die Macht und zu diesem Zeitpunkt sah es so aus, als würde ihnen das ohne weitere Probleme gelingen. Zwar hatten wir von der Gefahr gewusst, aber nicht, dass die es bereits so ernst war.
    „Schrecklich.“, murmelte ich. Team Galaktik, wie sich die Verbrecher nannten, waren also aktiv geworden und verängstigen jetzt das ganze Land.
    Allem Anschein nach, war diese Organisation, so ähnlich wie Team Rocket, Team Aqua und Team Magma, mit denen ich ja bereits zu tun gehabt hatte.
    Irgendwie musste ich das Pech anziehen, da ich mir anders nicht erklären konnte, dass ich immer an diese Verbrecher geriet.
    „Was sollen wir jetzt machen?“, fragte Lucia.
    „Was sollen wir schon machen? Aufpassen, dass sie nicht ins Pokémoncenter einfallen und versuchen, uns nicht von ihnen angreifen zu lassen. Die Kerle sind bewaffnet, ergo wären wir tot, wenn wir versuchen, uns mit denen zu streiten.“, sagte Chrissie streng.
    So sehr es mir auch widerstrebte, sie hatte Recht.
    „Das heißt, der Wettbewerb fällt flach und wir werden auch sonst nicht öfter rausgehen, als nötig. Sobald wir wissen, wo es sicher ist, machen wir uns auf den Weg dahin.“
    Einerseits fand ich es gut, dass sie das vorschlug. Ich hatte schon Angst, angegriffen zu werden.
    Aber ein Teil von mir dachte auch noch immer an die Mission, die mir aufgetragen worden war. Konnte ich dieses Vertrauen wirklich so einfach enttäuschen?
    Resigniert stimmte ich trotzdem zu. Ich würde es auch nicht fertig bringen, Lucia und Chris weiter mit hineinzuziehen. Nicht, solange die Dinge so standen.
    Ich glaubte fest, dass ich so wenigstens ein bisschen besser mit dem Gefühl umgehen konnte, mitschuldig zu sein, weil ich nicht früher etwas unternommen hatte, als wenn den beiden etwas passiert wäre.
    Entsprechend Chrissies Anordnung verbrachten wir also die Zeit auf unserem Zimmer, verfolgten die Nachrichten und gaben uns Mühe, nicht aufzufallen.
    Ich war angespannt und fühlte mich gar nicht wohl dabei, nichts tun zu können.
    Die Hilflosigkeit schien mich mehr unter Strom zu setzen, als jegliche Aufregung, die ich bisher erlebt hatte. Lucia ging es ebenso.
    Es verging kaum eine halbe Stunde, in der nicht wenigstens eine von uns nervös mit den Schuhen auf den Boden oder mit den Fingern an den Holzrahmen des Bettes trommelte, in der nicht mindestens eine von uns ununterbrochen seufzte und etwas murmelte, von wegen, ihr sei langweilig und sie habe keine Lust mehr auf das Chaos.
    Chris stöhnte dafür jedes Mal noch genervter auf, wenn eine von uns das Thema aufgriff.
    Ich hätte am liebsten wenigstens trainiert. Fukano und Flemmli hätten mich auf andere Gedanken gebracht, aber ich konnte nicht riskieren, zu kämpfen.
    Was, wenn sich die Galaktikrüpel einmischten?
    Was, wenn sie versuchten, mir meine Partner wegzunehmen?
    Es reichte doch schon, dass ich Papinella, Eneco und die anderen vielleicht nie mehr sehen würde.
    Gelangweilt gähnte ich, streckte mich und stand auf.
    „Ich geh nach unten. Vielleicht weiß jemand von den anderen inzwischen mehr, die nicht hier eingesperrt werden.“
    Als Antwort hörte ich von Chrissie nur ein entnervtes Schnauben.
    „Ich komme mit!“, rief Lucia im krassen Gegensatz dazu voller Begeisterung. Obwohl ich wusste, wie anstrengend wir sein mussten, konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen, wenn ich Chris üble Laune beobachtete. Vermutlich war auch das nur eine Reaktion die auf meiner dauernden Anspannung und Nervosität beruhte, aber was sollte ich dagegen schon tun?
    Immerhin wollte sie es ja so, dass wir im Zimmer blieben und ich konnte auch sowieso nichts ausrichten, weil Officer Rocky keine Zivilisten als Hilfe wollte.
    Schließlich war es ihr Job, uns zu schützen, anstatt Unbefugte in Gefahr zu bringen.
    Unten in der Halle war es leer. Kein Wunder.
    Die Verbrecher hatten im ganzen Land Angst und Schrecken verbreitet.
    Selbst hier in Herzhofen oder in Jubelstadt waren die Straßen so leer wie sonst nur mitten in der Nacht. Nur wenige kleine Gruppen von Jugendlichen oder wichtig aussehenden Erwachsenen hatten sich an den Tischen versammelt.
    Ich ließ den Blick schweifen. Obwohl die Sonne draußen strahlte, erschien die Welt irgendwie trüb.
    Es dauerte nicht lange, da fiel mir etwas auf. Ein Lächeln breitete sich über mein Gesicht und ich steuerte auf den Tisch in der Ecke zu.
    „Na, ihr beiden.“, begrüßte ich die Jungs, die uns anscheinend endlich eingeholt hatten.
    Überrascht sahen sie auf. Ju grinste, Drew dagegen wirkte ein wenig verlegen. Das brachte mich zum Lachen.
    „Wie war die Reise? Ist euch was passiert?“, fragte ich.
    „Hey.“, begrüßte Lucia die beiden und schob sich neben Ju auf die Bank.
    „Na meine Kleine.“, sagte er freundlich und verwuschelte ihre Haare.
    „Hey, lass das!“, beschwerte sie sich, aber sie lachte. Drew beantwortete meine Frage:
    „Es war nicht besonders aufregend. Wir haben ja schon in Erzelingen von den Vorkommnissen erfahren und waren Praktisch vor Ort, als sie den Adamantorb gestohlen haben.“
    „Vor Ort?“, fragte ich erschrocken.
    „Wart ihr im Museum?“ Er schüttelte den Kopf. Mir entwich ein erleichtertes Seufzen.
    Ich hatte mir natürlich auch um die beiden Jungs Sorgen gemacht. Lucia war es ebenso ergangen und Chris… das konnte ich in ihrem Fall beurteilen.
    Mal davon abgesehen, dass sie, wie sie betonte, nicht wollte, dass wir uns in Gefahr begaben, wurde sie für mich mit jedem Tag undurchsichtiger.
    Sie verschloss sie stetig mehr vor uns und das machte mir Sorgen.
    Es war nicht zu übersehen, dass irgendetwas sie beschäftigte, aber sie beharrte darauf, es sei nichts weiter, außer, dass das Land eben im Chaos versinke.
    Es sei ja nur natürlich, dass sie sich deswegen Gedanken machte.
    Natürlich stimmte das, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie ein Geheimnis hatte.
    „Ist euch bei eurer Reise denn auch nichts passierte?“, fragte Ju und riss mich damit wieder aus meinen Gedanken. Sofort setzte ich mein Lächeln wieder auf.
    „Ja, alles in Ordnung.“, sagte ich. „Wir haben das überhaupt erst mitbekommen, als wir schon hier waren.“ Lucia sah mich groß an.
    „Aber, im Museum war doch…“ „Lucia!“, rief ich.
    Für einen Augenblick guckte sie irritiert. Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.
    Dann endlich begriff sie. Leider war es jetzt schon zu spät und ich musste wieder mal einen Weg finden, mich herauszureden.
    „Was ist denn im Museum gewesen?“, fragte Ju, genau wie ich erwartet hatte.
    Ich konnte ihnen doch unmöglich hier und jetzt von meiner Zeitreise erzählen. Es war nicht der richtige Ort und schon gar nicht die richtige Zeit dafür.
    „Das… das ist kompliziert.“, murmelte ich. Verzweifelt suchte ich nach einer Ausrede, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen. Für den Augenblick wäre mir alles Recht gewesen, um sie von der Frage abzulenken. Vielleicht hatte ich mich auch viel zu sehr darauf verbissen, mein Geheimnis zu verbergen, sodass ich in manchen Situationen alles tun würde, um nicht darüber sprechen zu müssen.
    „Hey, hey.“, rief Lucia plötzlich und zog an Jus Ärmel. „Kann ich dein Plaudagei mal sehen? Es war immer so lustig und mir ist sooo langweilig.“, sagte sie mit einem Zuckersüßen Lächeln auf den Lippen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
    So konnte man es natürlich auch ausnutzen, noch ein Kind zu sein. Mir hätte das keiner mehr abgekauft. Dadurch, dass sie weiter auf Ju einredete, lenkte sie ihn auch von der Frage ab.
    „Danke.“, formte ich mit den Lippen, als sie kurz zu mir sah. Sie nickte, grinste und wandte sich dann Plaudagei, welches fröhlich auf dem Tisch herumhüpfte.
    Wenn man die Situation bedachte, in der sich Sinnoh befand, waren wir vielleicht ein bisschen zu ausgelassen und zu laut, aber anders wäre ich wahrscheinlich entweder an Langeweile oder an Verbitterung eingegangen.
    Als könnte ich die Gedanken so loswerden, schüttelte ich den Kopf und wandte mich wieder meinen Freunden zu. Wir würden schon irgendwie alles überstehen.
    Ich war lange genug pessimistisch gewesen.
    Mit einem seufzen zwang ich mich, mich gänzlich dem Gespräch mit Lucia und den Jungs zuzuwenden.


    ~Chris~


    Eigentlich hatte ich ja nur nach den Mädchen sehen wollen, weil sie schon so lange weg waren. Das hatte ich nicht erwartet. Warum mussten es ausgerechnet diese Nerv tötenden, zu nichts nützlichen Möchtegerntrainer sein. Ich hatte Drew Kämpfen sehen. Er war nicht schlecht, aber viel zu verbissen.
    Obwohl er sich vor Maike so hoch lobte, fehlte es ihm an Sicherheit und das war seine Schwäche. Wenn man hinter seine Fassade blickte, war es keine Kunst mehr, ihn aus dem Konzept zu bringen und dann war er kein Gegner mehr.
    Ju hatte ich zwar noch nie Kämpfen sehen und er hatte ja auch nur das Plaudagei, aber auch in ihm vermutete ich keinen ernstzunehmenden Gegner.
    Ich atmete tief durch und zwang mich zu einem Lächeln. Dann ging ich zu den anderen herüber.
    „Hey, ihr.“, murmelte ich und stützte die Hände auf den Tisch. Maike rutschte sofort und machte mir Platz. Anders als ihr entging mir Drews Blick nicht.
    Er schien nervös, dass sie jetzt so eng neben ihm saß. Ich grinste. Wie süß, dachte ich. Reiner Sarkasmus. Es war wirklich erbärmlich, sich so leicht aus der Fassung bringen zu lassen.
    Zu schade, dass ihm und meiner Freundin absolut keine Zukunft bestimmt war.
    Außerdem hatte sie ja schon jemanden.
    Ich saß jetzt zwar bei ihnen, konzentrierte mich aber nicht auf die Unterhaltung. Was interessierte es mich, ob diese Kinder unterwegs einer Truppe Galaktikrüpel über den Weg gelaufen waren?
    Innerlich stöhnte ich auf. Wie lange sollte das denn bitte noch dauern, bis endlich etwas passierte?
    Es war ja wohl wirklich genug Zeit vergangen, als dass endlich jemand etwas hätte unternehmen können. Ich sollte ihnen beim nächsten Mal meine Meinung deutlicher machen.


    ~Maike~


    Durch die Unterhaltung mit meinen Freunden war ich Abgelenkt. Umso mehr erschreckte es mich, als ein plötzlicher Knall die ganze Stadt zu erschüttern schien.
    Einem Impuls folgend, wollte ich sofort aufspringen, stieß mir dabei aber die Knie am Tisch an.
    Ich musste warten, bis Chris endlich aufgestanden war. Sie sah zwar ebenfalls erschrocken aus, fasste sich aber in Sekundenschnelle wieder.
    Wir liefen nach draußen, wo schon sämtliche Bewohner der umliegenden Häuser versammelt zu sein schienen. Einige Häuserblocks weiter entfernt stieg dichter, grauer Rauch auf.
    Panisches Gemurmel erfüllte die ganze Straße.
    Für einige Minuten war das Chaos perfekt, dann erschallte eine laute, strenge Stimme über dem Platz:
    „Stehenbleiben! Alle Schnauze halten. Verschwindet wieder in euren Löchern, sonst gibt’s Verletzte!“
    Alle Blicke richteten sich auf den Sprecher.
    Ein dünner, aber doch muskulöser Mann in grauer Uniform führte eine große Gruppe weiterer Uniformierter Verbrecher an. Aus kalten, grauen Augen starrte er in die verängstigte Menge.
    Das war also Team Galaktik.
    „Diese Leute wollten nicht hören, das war das Ergebnis. Wenn ihr euch nicht bewegt, passiert euch das gleiche! Los jetzt!“
    Sollte das heißen, sie hatten die Leute mit der Explosion getötet? Was taten diese Widerlinge den unschuldigen Zivilisten nur an?
    Auf einmal drehte sich der Anführer der Gruppe in unsere Richtung. Ein schleimiges, siegessicheres Lächeln verunstaltete sein Gesicht und jagte mir einen Schauer über den Rücken.
    „Lass uns gehen!“, drängte ich. Ich wollte nicht länger diesem Blick ausgesetzt sein.
    „Nein.“, knurrte Chris. „Ich will wissen, was da los ist.“
    Mit diesen Worten verschwand sie in der Menge.
    „Chris!“, schrie ich über den Lärm hinweg. Alle hatten sich wieder in Bewegung gesetzt und verschwanden wieder in den Häusern.
    „Verdammt.“, zischte ich und wollte ebenfalls losrennen, aber Ju hielt mich zurück.
    „Bleib hier!“ Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte sie doch jetzt nicht alleine lassen, wenn sie diesen wahnsinnigen hinterherrannte.
    „Was, wenn ihr was passiert?“ Ich zerrte an ihm, versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien.
    Endlich gelang es mir und ich stürmte über die immer leerer werdende Straße davon.
    Die beiden Jungs würden schon auf Lucia aufpassen und ich musste Chris finden.
    Ich kannte ihr Temperament und es konnte nicht gut gehen, wenn sie diesen Typen die Meinung sagte. Sie hatte bereits einen beachtlichen Vorsprung und ich musste mich beeilen, wenn ich noch eine Chance haben wollte, das schlimmste zu verhindern.

  • Supertolles Kapitel :D
    Cool, dass du dir meinen Rat zu Herzen genommen hast :)
    Es ist jetzt auch wirklich besser geworden, finde ich ;)
    Und gern geschehen :)

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  • An dieser Stelle:
    Ich bin zwar einen Tag zu früh, aber ich möchte trotzdem schon mal allen Frohe Weihnachten wünschen, feiert schön und habt einen guten Rutsch ins neue Jahr ;)



    -24-

    A Dream?

    ~Maike~


    Ich rannte durch die inzwischen wieder menschenleeren Straßen.
    Wo war sie nur hingelaufen? Sie war doch lebensmüde. Verrückt. Völlig durchgedreht.
    Und ich war mindestens genauso irre, dass ich ihr auch noch hinterherrannte.
    Was wusste ich? Sie war diesen Verbrechern hinterhergerannt. Wo könnten diese hingegangen sein?
    Ich blieb stehen. Mir fiel nichts weiter ein. Ich kannte mich ja kaum aus in dieser Stadt.
    Ich hatte keine Chance gehabt, Chrissie zu finden, seit ich sie aus den Augen verloren hatte.
    Seufzend schaute ich mich noch einmal um.
    Etwas stimmte nicht. Nicht einfach, dass der Himmel immer dunkler zu werden schien.
    Es waren nicht einfach Wolken. Es sah aus, als verschwinde alles Licht um mich herum.
    Ich konnte die Häuser, die Straßen, alles um mich herum nur noch schemenhaft erkennen.
    Was passierte hier denn nur?
    Ich konnte mich kaum erinnern, was gerade noch hatte tun wollen.
    Alles, was noch Platz in meinem Verstand hatte, war die Angst. Ich wusste nicht, was passierte. Ich konnte nichts mehr sehen. Ich wollte schreien, aber ich hörte nichts.
    Es war, als wäre ich auf einmal gefangen. Unfähig, etwas zu tun.
    Unwissend, was um mich herum war. Unwissend über das, was gerade geschah.
    Es gab nur ein Gefühl, das noch stärker war, als die Angst vor dem, was jetzt gerade passierte:
    Die Angst vor dem, was passieren würde.
    Was, wenn ich wieder alles verlieren würde? Vielleicht dieses Mal nicht durch eine Zeitreise.
    Vielleicht würde es diesmal anders passieren.
    Würde es nicht einfach reichen, uns zu trennen? Ihnen etwas anzutun?
    Was, wenn uns Schicksal bevorstand?
    Das letzte, woran ich mich erinnerte, war diese Unsicherheit und die Vorahnung, die mich quälten.


    Erst viel später waren die Dunkelheit und das bedrückende Gefühl endlich verschwunden.
    Es gab wieder Licht, Geräusche, Leben um mich herum.
    Das verhasste Klingeln meines Weckers riss mich aus der Trance, in die ich seit diesem merkwürdigen Vorfall vorhin verfallen war.
    Wieso war überhaupt mein Wecker an? Wieso weckten mich Chrissie und Lucia nicht einfach.
    Unwillig schaltete ich den Wecker aus, rollte mich auf die andere Seite und zog mir die Decke bis unters Kinn hoch. Irgendetwas fühlte sich falsch an, machte mich nervös, aber ich gab mir größte Mühe, dieses Gefühl nicht weiter zu beachten.
    Es dauerte nicht lange, bis ich wieder in Halbschlaf verfiel.
    Erst später wurde ich richtig wach.
    „Maike. Echt unglaublich, dass du es doch geschafft hast, zu verschlafen.“
    Ich murrte etwas vor mich hin, rollte mich noch weiter zusammen.
    „Na, steh schon auf.“ Es schien, als verliere er langsam die Geduld, aber noch Klang die Missstimmung in seiner Stimme gespielt.
    Es dauerte noch einige weitere Sekunden, bis mir etwas klar wurde:
    Was machte eigentlich Drew in meinem Zimmer? Sollten mich nicht Chris und Lucia wecken?
    Blitzartig rollte ich mich zu ihm herum. Einen Augenblick lang starrte. wir uns an. Langsam setzte ich mich auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    „Sag mal... das bist wirklich du, oder?“, fragte ich. Das könnte doch unmöglich wahr sein.
    Jetzt schaute mich Drew noch ein bisschen verwirrter an.
    „Wer sollte ich denn sonst sein?“
    Ohne ihm zu antworte. sprang ich aus dem Bett, quetschte mich an ihm vorbei und stürmte ins Bad.
    Völlig außer Atem starrte ich in den Spiegel. Nach den ersten Sekunden, die ich gebraucht hatte, um wirklich zu glauben, was ich sah, entfuhr mir ein Freudenschrei.
    Das Mädchen im Spiegel war ich, aber nicht so, wie es sein sollte.
    Sie sah erwachsener aus, hatte lange, braune Haare und von nicht richtig entfernter Schminke schwarz verschmierte Augen.
    Ungläubig betastete ich mein Gesicht.
    Wenn das hier wirklich wahr war, dann steckte ich wieder in meinem alten Körper. Das bedeutete, ich war zurück. In meiner eigenen Zeit!
    „Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte Drew als er hinter mir ins Bad kam.
    Ich konnte seine Besorgnis verstehen. Ich musste wirklich wie eine Verrückte aussehen, wie ich freudestrahlend und mit Tränen in den Augen mein Spiegelbild anstarrte. Aber anstatt ihm zu antworten, fiel ich ihm um den Hals.
    „Ich hab dich so vermisst!“, murmelte ich leise. Er legte die Arme um mich, unsicher, wie er reagieren sollte.
    Erst nach einer Weile, in der ich einfach still in seinen Armen geblieben war, fragte er:
    „Möchtest du mir erklären, was passiert ist?“
    Ich sah ihn schuldbewusst an.
    „Das sollte ich wohl. Aber vorher noch eine Sache: War ich weg?“
    „Weg?“
    „Ja, du weißt schon. Verschwunden?“ Er schüttelte den Kopf.
    „Deine Mutter meinte, sie hat gestern gar nicht bemerkt, wann du nach Hause gekommen bist, aber das ist auch schon alles.“
    Irritiert starrte ich ihn an. Ich war überhaupt nicht weg gewesen? Obwohl ich beinahe ein halbes Jahr in der Vergangenheit verbracht hatte?
    „Oh.“, war alles, was ich dazu sagte.
    „Was ist denn los? Ist gestern Abend irgendetwas passiert?"
    „Das wirst du nie glauben.“
    Ich begann zu erzählen und Drew hatte wirklich Mühe, mitzukommen. Ich sprach schnell und vor Aufregung überschlug sich meine Stimme ein ums andere Mal.
    Als ich endlich meine abenteuerliche Erzählung beendet hatte, starrte er mich skeptisch an.
    Natürlich konnte er es nicht glauben. Das war ja auch viel zu verrückt gewesen.
    Ich hatte es ja selbst für ein absolutes Wunder gehalten, dass Chrissie und Lucia mir sofort geglaubt hatten.
    „Ist schon gut. Du glaubst mir nicht, oder? War wahrscheinlich sowieso nur ein blöder Traum.“, trat ich den Rückzug an. Er wirkte verunsichert, nickte zögernd.
    Was hatte ich denn erwartet? Das war schließlich mindestens genau so verrückt, als wenn ich ihm erzählt hätte, ich hätte ein rosarotes Relaxo durch die Arena fliegen sehen.
    Noch einmal atmete ich tief durch. Dann zwang ich mich zu einem Lächeln, hinter dem ich meine Enttäuschung zu verbergen versuchte.
    „Gib mir ‘ne Viertelstunde, dann bin ich fertig, okay?“ Er nickte, und ging nach unten.
    Unschlüssig kramte ich in meinem Kleiderschrank. Allerdings kreisten meine Gedanken nicht darum, was ich anziehen, sondern darum, wie ich mit der Situation am besten umgehen sollte.
    Auf einmal glaubte ich selbst fast nicht mehr daran, dass das, was ich erzählte, wirklich geschehen war. Es fühlte sich unwirklich an. Woher wusste man, dass man träumte, wenn man es tat?
    Wenn ich es auf mich selbst bezog, dann war es kaum möglich, das zu erkennen.
    Diese Sache mit dem Kneifen war Blödsinn. Im Traum dachte ich daran nicht.
    Ich konnte mich noch gut erinnern, dass ich einmal geträumt hatte, ich sei in einem Haus voller Monster. Schrecklich deformierte Geschöpfe, die nach Blut dürsteten.
    Zwar hatte mein Unterbewusstsein die Thematik ein wenig ins Lächerliche gezogen, dadurch, dass die Auseinandersetzung mit den Wesen kaum skurriler hätte sein können – ich hatte mich irgendwann mit einem dicken Buch bewaffnet mit ihnen geprügelt – aber es hatte sich wirklich so angefühlt, als wäre es real. Ich wusste noch, dass ich, nachdem ich es irgendwie geschafft hatte, das Haus zu verlassen, gedacht hatte, dass das doch überhaupt nicht real sein konnte. Immer wieder.
    Und doch war es real gewesen, bis zu dem Moment, in dem ich aufgewacht war und gespürt hatte, wie sich die Illusion um mich herum aufgelöst hatte.
    Woher also wollte ich wissen, dass ich das alles nicht doch geträumt hatte?
    Nachdem ich endlich angezogen war, ging ich ins Bad und spritzte mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Obwohl ich es mir nur ungern eingestand, fühlte es sich nun fast wie ein Albtraum an, wieder hier zu sein. Ich hatte schon befürchtet, dass es nach all der Zeit ein Problem sein könnte.
    Ich vermisste Lucia und Chris, ich machte mir Sorgen um sie.
    Lucia war bei Ju und Drew gewesen. Sie war den Umständen entsprechend sicher.
    Chris dagegen war wahrscheinlich in Gefahr. Sie war schließlich einfach den Verbrechern hinterher gestürmt. Musste ich mir Sorgen machen?
    War das alles echt gewesen? Ratlos starrte ich mein Spiegelbild an.
    Ich sah schrecklich müde aus. Zerzaust und blass sah mir das mir fremd gewordene Mädchen ins Gesicht. Wie konnte es sein, dass ich es einfach nicht richtig schaffte, mich zu freuen, dass ich wieder zurück war?
    Ich hatte fast ein halbes Jahr darauf gewartet. Es mir unzählige Male gewünscht.
    Wie oft hatte ich gehofft, beim Aufwachen wieder hier zu sein?
    Und jetzt war es mir egal. Es bedeutete nichts.
    „Verdammt!“, knurrte ich. Wieso nur war ich so verdammt dämlich?
    Wieso konnte ich immer nur jammern, wenn mir irgendetwas zustieß? Etwas, das oft gar nicht so schlimm war, wie ich mir einredete. Wie oft hatte ich das schon getan? Mir alles schlecht geredet.
    Die ganze Situation machte mich unruhig. Meine Gedanken schweiften und ich war unfähig, mich lange auf etwas zu konzentrieren. Mit zittrigen Händen machte ich mich fertig, wusch mich, putze mir die Zähne und band meine Haare zusammen.
    Dann stand ich für einige Sekunden vor dem Schrank, wo meine Schminksachen ihren Platz hatten.
    Ich hatte so etwas so lange nicht gebraucht.
    Eigentlich hatte ich keine Lust darauf. Andererseits war ich nie ungeschminkt aus dem Haus gegangen, wenn ich irgendeine Unternehmung vorhatte.
    Ich wollte nicht, dass jemand fragte. Sie würden auch so merken, dass ich nicht ich selbst war.
    Oder machte ich mir zu viele Gedanken?
    Seufzend begann ich, das Make-up aufzutragen. So, wie ich jetzt war, konnte ich eigentlich wirklich nicht gehen. Ich sah aus, als hätte mich ein Relaxo überrollt.
    Zögerlich warf ich meinem Spiegelbild ein kleines Lächeln zu. Es war komisch, mich wieder so zu sehen. Alles verwirrte mich. Ich hatte Angst, dass es zu sehr auffallen würde. Dass ich mich merkwürdig verhalten könnte. Dass ich von Ereignissen und Menschen sprechen könnte, von denen ich eigentlich nicht wissen dürfte.
    Ich schloss für einige Sekunden die Augen, atmete tief durch.
    „Und los!“, murmelte ich. Ich war wieder da, wo ich sein wollte. Ich musste wieder am Leben teilnehmen, so, wie ich es auch nach meiner ersten Zeitreise hätte tun sollen.
    Für schlechte Laune hatte ich keine Zeit. Wie war das gewesen? Es gab bald einen Wettbewerb.
    Das hieß, ich musste trainieren. Ich hatte meine Freunde, meine Familie und meine Pokémon wieder.
    Das hier könnte die beste Zeit meines Lebens werden, wenn ich es nur zuließ.
    Und obwohl ich wirklich glaubte, dass es so sein konnte, fühlte es sich nicht richtig an.

    „Wir können los.“, erklärte ich Drew, der in der Küche saß und sich mit meinem Vater über irgendetwas unterhielt.
    Wir verabschiedeten uns und gingen nach draußen.
    Ich fröstelte, als mir der kalte Wind ins Gesicht wehte. Dafür, dass es bald März würde, war es wirklich noch verdammt eisig. Ich wünschte mir, die Kälte würde mich wenigstens richtig wach machen.
    Irgendwie fühlte ich mich taub, als wäre ich nicht in der Lage, alles um mich herum wahrzunehmen.
    Ich kannte das Gefühl, aber normalerweise ging es mir nur so, wenn ich zu wenig Schlaf gehabt hatte.
    Da es aber schon Mittag war, konnte es daran nicht liegen.
    Ich blinzelte im Licht der Sonne, das auf dem Schnee, der überall lag hell glitzerte.
    Es war wirklich schön und eigentlich sollte ich wirklich enthusiastischer sein.
    „Reiß dich zusammen!“, sagte ich mir.
    „Also, wo wollen wir hin?“, fragte ich Drew. Ich versuchte, fröhlich zu klingen. Aufgeregt.
    Gelang mir das? Falls ihm etwas auffiel, so ließ er es sich nicht anmerken.
    „Du hast gestern noch gesagt, du wolltest zum Eislaufen. Hast du das schon vergessen?“
    Er klang belustigt.
    „Oder hast du etwas anderes vor?“
    Ich schüttelte Lächelnd den Kopf. Ich musste heute einfach versuchen, Spaß zu haben.
    Ich konnte nicht an etwas festhalten, das vielleicht nie mehr als ein langer, verrückter Traum gewesen war. Ich konnte mich nicht von der Vergangenheit fesseln lassen.
    War es nicht genau das, was ich so mühsam gelernt hatte, als ich mit Chris und Lucia gereist war?
    „Nein, das klingt super.“, stimmte ich also zu.
    Ich hatte mir fest vorgenommen, mich darauf einzulassen und es zu genießen, dass mein Wunsch endlich erfüllt war.

    Inzwischen waren zwei Wochen vergangen. Ich lebte immer mehr in dem Glauben, dass vielleicht alles nur ein Traum gewesen war.
    In mir gab es noch immer etwas, das mir sagte, es sei real gewesen, aber so, wie ich es jetzt tat, konnte ich einfacher damit umgehen. Ich würde doch sowieso nie wieder dorthin zurückkommen, oder? Jetzt gerade war ich auf dem Weg zum Pokémoncenter.
    Der Wettbewerb würde in drei Tagen, pünktlich zum Märzanfang stattfinden und ich wollte nach dem Training meine Pokémon durchchecken lassen.
    Ich hatte mich wieder fast völlig eingelebt und war fest entschlossen, zu gewinnen.
    Wie lange war es her, dass ich ernsthaft gegen Drew gekämpft hatte?
    Außerdem freute ich mich noch auf etwas anderes.
    Lucia wollte auch an dem Wettbewerb teilnehmen. Sie würde wahrscheinlich heute Nachmittag ankommen und ich konnte es kaum erwarten, sie mal wieder persönlich zu sehen.
    Wir hatten in den letzten Tagen einige Male telefoniert, aber wieder richtig etwas mit ihr Unternehmen zu können, würde richtig toll werden.
    Aber leider musste mir das Schicksal wie immer einen Strich durch die Rechnung machen.
    Gerade, als ich das Pokémoncenter betreten wollte, stürmte ein junges Mädchen heraus, übersah mich und riss mich mit um.
    „Ach Mann.“, jammerte sie, während sie sich die schmerzenden Knie rieb.
    Erst dann sah sie mich richtig an.
    „Tut mir leid. Ich hab dich nicht… warte mal…“
    Sie musterte mich.
    „Ich glaub’s ja nicht.“, murmelte ich Kopfschüttelnd. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein.
    Die Kleine strich sich verwirrt die langen blauen Haare hinters Ohr.
    „Du siehst aus wie…“ Sie schien zu überlegen, zu zweifeln.
    „Sag mal, bist du das, Maike?“, fragte sie vorsichtig.

  • Oh wow!
    Richtig super!
    Als ich das Kapitel gelesen habe, konnte ich alles mitfühlen, was Maike erlebt hat und ich war total froh, als sie endlich wieder in ihrer Zeit war.
    Der ältere Drew ist richtig sympathisch, sowie du ihn beschrieben hast :)
    Und die Spannung ist nicht mehr auszuhalten - ist das jetzt Lucia? Und wieso ist Maike auf einmal wieder in ihrer Zeit?
    Richtig gut gemacht ;)
    Lg Glaziola


    PS: Schöne Weihnachten^^

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  • -25-

    Confusion

    ~Maike~


    Was hatte ich getan, dass das Schicksal immer noch eins draufsetzen musste?
    Wieso konnte es nicht einfach bleiben, wie es war, wenn endlich mal alles in Ordnung erschien?
    „Lucia?“, fragte ich ungläubig. Vor mir stand die achtjährige Version meiner besten Freundin, grinste mich fröhlich an und schien so sorglos wie eh und je.
    Ich hatte mich darauf gefreut, Lucia endlich mal wieder zu treffen, aber doch nicht so.
    Und doch, trotz meines Entsetzens angesichts der Lage freute ich mich, die Kleine zu sehen.
    „Du siehst anders aus.“, stellte sie fest. Unwillkürlich musste ich lachen.
    „Ich bin älter. Allem Anschein nach sind wir jetzt in meiner Zeit.“
    Was war schlimmer?
    Dass das Chaos, welches mein Leben war, immer noch schlimmer wurde, oder dass ich es wie selbstverständlich hinnahm.
    „Wie bist du hierhergekommen? Und wo sind die anderen?“, sprach ich das aus, was mir am meisten auf der Seele brannte. Was war passiert?
    „Ich habe keine Ahnung. Chris ist nicht bei uns. Nachdem du ihr nachgerannt bist, ist plötzlich alles dunkel geworden, wie bei einem Gewitter.
    Dann waren da ganz viele Blitze und irgendwie waren wir plötzlich hier.
    Warum ist es denn hier so kalt?“
    Ich konnte nicht anders, als zu lachen.
    „Es ist Winter.“, erklärte ich kichernd. „Natürlich ist es da kalt.“
    Nachdem wir einige Sekunden still geblieben waren, fragte ich schließlich:
    „Sind die Jungs bei dir? Ist irgendwem etwas passiert?“
    Irgendwie musste ich versuchen, die Lage zu analysieren.
    „Die sind im Pokémoncenter. Wir sind heute angekommen. Warum gucken uns eigentlich alle so doof an? Als wären wir von ‘nem anderen Planeten.
    Jedenfalls haben wir eine ganze Weile gebraucht, um von Sinnoh hierher zu kommen.
    Dabei konnten wir nicht einmal sicher sagen, dass du hier sein würdest.
    Übrigens habe ich den Jungs von deiner Zeitreise erzählt. Sorry, aber ich hätte ihnen anders nicht wirklich erklären können, warum ich dich finden musste. Und…“
    „Ist ja gut.“, unterbracht ich ihren Redeschwall. Mich beschäftigte etwas anderes gerade viel mehr.
    Wie sollte ich nur erklären, wo die drei herkamen?
    Dass mir Ju mal auf einer Reise begegnet war, würden mir die anderen abnehmen. Ich war schließlich oft genug nach Sinnoh gereist, wenn ich mit Lucia etwas hatte unternehmen wollen.
    Aber mit den Miniaturen von Drew und meiner besten Freundin würde das viel schwieriger werden.
    Während mir dieser Vorfall bestätigt hatte, dass tatsächlich alles, was passiert war, echt war, hatte er weiterhin viel zu viele neue Fragen aufgeworfen.
    Und obwohl es vieles gab, was jetzt wichtiger gewesen wäre, kam mir nur eine davon über die Lippen:
    „Ihr hattet noch meine Tasche. Habt ihr Fukano und Flemmli bei euch?“
    Was würde aus den beiden wären, wenn sie alleine in der anderen Zeit zurückgeblieben sein sollten?
    Angestrengt versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen.
    Ich würde mich mit den dreien mal in Ruhe unterhalten müssen. So hätten wir vielleicht eine Möglichkeit, herauszufinden, was los war.
    Außerdem sollte ich mit Professor Birk reden. Oder mit Professor Eibe.
    Zusätzlich wollte ich dringend herausfinden, was mit Chrissie geschehen war.
    Wo war sie jetzt? Oder wann?
    Und als ob das alles noch nicht reichen würde, war da noch immer der Wettbewerb, den ich nicht einfach absagen konnte. Tatsächlich freute ich mich wirklich sehr drauf.
    Es hatte sich immer ein bisschen falsch angefühlt, Bänder zu sammeln, die ich zum Teil schon einmal gewonnen hatte.
    Was sollte ich jetzt also am besten tun? Zuerst mit den anderen reden?
    Aber ich musste auch schnell nach Hause, weil Lucia – die ältere – bald ankommen würde.
    Ich musste noch das Gästezimmer vorbereiten. Oder vielmehr zwei, weil sie Paul überredet hatte, sie zu begleiten.
    „Oh mein Gott!“, murmelte ich. Das würde ein Problem geben.
    Wenn Lucia mit ihrer kleinen Doppelgängerin aufeinandertraf, dann würde es schon schwierig werden. Aber wenn Paul die kleine kennenlernte…
    Ich erinnerte mich noch lebendig daran, wie wenig sie sein jüngeres Ich hatte ausstehen können.
    Vielleicht sollte ich doch lieber alle voneinander fern halten.
    Blitzschnell fasste ich einen Entschluss.
    „Lucia, ich komme später nochmal. Bis dahin: Bleibt auf euren Zimmern, ganz egal, was passiert!
    Ich habe jetzt keine Zeit, aber man darf euch auf keinen Fall in der Stadt sehen.
    Es gäbe nur Probleme, weil du und Drew nun mal nicht ganz unbekannt hier seid.“
    „Aber…“, setzte sie zum Protest an.
    „Kein Aber. Los, rein. Ich bin in spätestens zwei Stunden hier.“
    Mit diesen Worten schob ich sie in Richtung Eingang und rannte los.
    Ich musste nach Hause.
    Ich musste mit Lucia reden. Und mit meinen Eltern.
    Oder hätte ich eher zuerst mit meinen Freunden aus der Vergangenheit sprechen sollen?
    Verwirrt war gar kein Ausdruck, um meinen momentanen Geisteszustand zu umschreiben.
    Vielmehr war ich völlig orientierungslos, ratlos und verzweifelt.
    Ohne zu einem Schluss gekommen zu sein, kam ich zu Hause an.
    Ich wollte gerade reinkommen, da hörte ich Lucias Stimme hinter mir:
    „Maile, jetzt warte doch endlich!“
    Ich fuhr herum. Schwer atmend kam sie endlich am Haus an.
    „Warum rennst du denn so?“, fragte sie Vorwurfsvoll.
    Entsetzt starrte ich sie an. Meine Hände zitterten.
    „Was soll ich denn jetzt machen?“, flüsterte ich zu mir selbst.
    „Mich reinlassen. Es ist echt eisig.“
    „Was?“, fragte ich irritiert.
    „Lass uns reingehen! Bitte.“
    Langsam kramte ich meinen Schlüssel aus der Manteltasche.
    Zitternd versuchte ich, aufzuschließen.
    Ich konnte sie hier nicht stehenlassen. Aber ich konnte sie auch unmöglich mit hinein nehmen, wenn ich nicht mit den anderen gesprochen hatte.
    Bevor ich die Tür öffnete, drehte ich mich noch einmal zu ihr um.
    „Was ist? Worauf wartest du? Mach auf!“ Ungeduldig trat sie von einem Fu auf den anderen.
    „Bevor wir reingehen: Versprich mir, dass du nicht einfach losrennst. Ich weiß nicht, wie meine Familie reagiert, wenn sie dich sehen. Ich möchte vorher mit ihnen sprechen.
    Ich bring dich in mein Zimmer und da wartest du, bis ich dich hole.
    Sie nickte wenig begeistert und folgte mir schließlich durch den Flur.
    Vor der Wohnzimmertür stoppte ich und bedeutete ihr, zu warten.
    Im Wohnzimmer hatte Paul es sich auf dem Sofa bequem gemacht.
    „Ihr seid schon hier? Wo ist Lucia?“, fragte ich von der Tür aus.
    „Aber ich bin doch…“, flüsterte die jüngere Lucia. „Pscht!“, machte ich.
    „Was ist?“, fragte Paul. „Ist was passiert?“ Nervös lachend wehrte ich ab.
    „Nein. Nein, alles okay. Wie war die Reise?“
    „Ganz gut. Lucia hat Stress gemacht, ohne Ende. Sie ist sofort losgestürmt, weil du nicht da warst. Hast du sie nicht gesehen?“ Natürlich hatte ich sie nicht gesehen.
    So durch den Wind wie ich war, hatte ich überhaupt nichts bemerkt.
    „Okay. Ich muss kurz nach oben, dann geh ich mal nach ihr schauen.“ Er zuckte die Schultern und ich bedeutete Lucia, mir zu folgen. Was ich leider nicht bedacht hatte, war, dass sie einfach in der Tür stehen bleiben würde.
    Mit gerunzelter Stirn starrte sie ins Wohnzimmer.
    „Warte mal… Maike?“ Panisch starrte ich sie an.
    „Komm her!“, sagte ich fast lautlos, während ich hilflos mit den Armen in der Luft wedelte, während sie mich einfach ignorierte.
    Nur wenige Sekunden später stand ich neben ihr.
    „Komm jetzt mit hoch!“, forderte ich.
    „Maike…“, fragte Paul irritiert. „Was ist hier los?“
    Man sah ihm an, dass er überhaupt nichts verstand. Natürlich erkannte er Lucia… irgendwie.
    „Wer ist das?“, fragte die Kleine grübelnd.
    „Lucia?“, fragte Paul.
    „Stimmt. Also, wer bist du?“ fragte sie.
    „Das ist Paul.“, erklärte ich ihr. Für einen Augenblick überlegte sie. Dann begann sie zu kreischen.
    „Was macht der denn hier? Warum schmeißt du das Ekel nicht raus?“
    „Tja… also…“
    „Ekel? Was soll das, du freche Göre?“, fragte er wütend.
    Aufbrausend wie er nun einmal war, konnte das unmöglich gut gehen.
    „Lucia, setz ich. Ich muss das wohl doch alles jetzt schon aufklären.“, murmelte ich seufzend.
    „Gebt mir nur bitte fünf Minuten, ich will sehen, ob Lucia langsam wieder da ist. Und bitte, fangt nicht wieder an zu streiten.“ Beide starrten sich böse an.
    Es war wie eine Szene aus einer dieser Fernseh-Seifenopern.
    Nachdem ich den beiden einen letzten bittenden Blick zugeworfen hatte, lief ich wieder nach draußen in den Schnee. Ich lief ein wenig, aber es dauerte nicht lange, Lucia zu finden.
    Oder vielmehr, bis sie mich fand.
    Dann rannte sie schreiend auf mich zu. Lachend umarmte sie mich.
    Es lief fast immer so ab, wenn wir uns nach langer Zeit wieder einmal trafen.
    Nur leider war ich dieses Mal nicht wirklich in der Stimmung, mit ihr irgendwelchen Blödsinn zu machen.
    „Lucia, wir müssen nach Hause.“, erklärte ich knapp und zog sie hinter mir her.
    „Was ist denn passiert?“, fragte sie überrascht.
    „Das ist schwer zu erklären. Aber ich bin mir nicht sicher, wie lange das Haus noch steht, wenn wir hier trödeln.“ Lucia hatte zwar nur Plinfa, aber es war inzwischen deutlich stärker geworden und außerdem waren meine Pokémon ja auch noch da.
    Wenige Minuten später kam ich keuchend wieder am Haus an und stürmte hinein.
    Es schien alles in Ordnung. Zu meinem Erstaunen saßen Paul und Lucia immer noch ruhig im Wohnzimmer, auch wenn die Spannung zwischen ihnen fast spürbar war.
    Ich atmete tief durch, drehte mich zur älteren Lucia um und erklärte leise:
    „Du wirst das jetzt nicht glauben. Ich erkläre euch gleich alles, aber bitte flipp nicht aus.“
    „Warum sollte ich…?“, fragte sie skeptisch, schob sich an mir vorbei und betrachtete unschlüssig das Bild, dass sich ihr darbot.
    „Was…?“ Jetzt schien sie überhaupt nichts mehr zu verstehen.
    „Lucia. Endlich.“, rief Paul erleichtert.
    „Hey.“, murmelte seine Freundin leise. Sie ließ sich neben ihm aufs Sofa fallen und lehnte sich an ihn.
    Sie sah plötzlich schrecklich erschöpft aus.
    Mir entging der angewiderte Blick ihres jüngeren Ichs nicht, die den Jungen auf den Tod nicht ausstehen konnte. Das konnte ja noch lustig werden.
    „Darf ich vorstellen: Lucia, das bist du mit acht.“, sagte ich, als würde ich eine Attraktion ankünden, nicht ohne eine Spur von Sarkasmus in der Stimme.
    Sie schien es nicht ganz glauben zu wollen, obwohl es zurzeit als einzig logische Erklärung erschien, wenn man das alles überhaupt irgendwie als ‚logisch‘ bezeichnen konnte.
    Fragend starrten sie und Paul mich an, während die achtjährige friedlich vor sich hin grinste.
    Sie kannte die Geschichte bereits. Sie verstand zum Großteil, was hier los war und sie schien ihren Spaß daran zu haben.
    „Ich habe dir von diesem ‚Traum‘ erzählt. Allem Anschein nach, war es doch keiner.
    Sie ist der Beweis, dass ich, warum auch immer, ein bisschen in der Zeit herumgesprungen bin.“
    Ich seufzte und erzählte Paul und Lucia von Anfang an, was passiert war.
    Erst, als ich dazu kam, als wir in Erzelingen gewesen waren und dort Paul und Reggie getroffen hatten, wurde ich unterbrochen.
    Die kleinere Lucia beschwerte sich:
    „Wie kann es eigentlich sein, dass du mit diesem Grobklotz befreundet bist?“
    Sie sah mich vorwurfsvoll an, die Hände demonstrativ in die Hüften gestemmt.
    „Na ja… ich weiß schon, was du meinst. Er war früher echt schrecklich…“
    Ein wütendes Schnauben war aus seiner Richtung zu hören.
    „…aber…“ An dieser Stelle unterbrach mich die ältere Lucia.
    „Du hast ihr das nicht erzählt?“ Der schockierte Ausdruck auf ihrem Gesicht war Vergnügen gewichen.
    Wäre ich nicht so darin verwickelt gewesen, hätte ich das ganze wahrscheinlich auch lustig gefunden.
    „Was erzählt?“, fragte die Kleine.
    „Das!“, erklärte die ältere vielsagend, legte die Arme um Pauls Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Der wirkte zuerst ein wenig verwirrt, ließ es sich aber gefallen.
    Dafür konnte man der jüngeren Lucia das Entsetzen nur zu gut ansehen.
    Wortlos starrte sie die beiden an. Dann begann sie zu schreien:
    „Wieso? Soll das etwa heißen… dieses Ekel … und ich…?“
    „Nicht ganz.“, konterte die Ältere. „Du bist noch viel zu Klein.“
    Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass das hier mir langsam aus den Fingern glitt. Wenn sie jetzt anfangen würden, sich hier zu streiten, dann würde das nie funktionieren.
    Ich wusste, dass Lucia nur mit der Kleinen spielte. Sie war nicht wirklich Böse, sie wollte sie nur ein wenig ärgern, aber ich bezweifelte, dass die jüngere das ebenso verstand.
    „Hey, Lucia…“, versuchte ich, sie zum Aufhören zu bewegen.
    Aber natürlich reagierten beide.
    Genervt schüttelte ich den Kopf.
    „Zuerst einmal: Vertragt euch. Ich weiß nicht, wie lange sie hier bleiben wird, also müsst ihr miteinander auskommen.
    Sie ist nicht die Einzige aus der Vergangenheit, die hier ist, also könnte ich eure Unterstützung echt gebrauchen.
    Außerdem muss ich das noch meinen Eltern erklären und dem Professor und Drew.
    „Warte… Drew ist auch hier? Aber er war doch…“
    „Lucia, nicht der Drew. Der, aus meiner Zeit.“
    Sie grinste schelmisch. Ihr älteres Ich schien sich ebenfalls darüber zu amüsieren.
    „Ist ja schön, wenn ihr das lustig findet, aber wie zur Hölle soll ich das ihm erklären? Wenn das so ein Chaos gibt, wie mit euch beiden, dann halt ich sie besser auf ewig voneinander fern.“
    Ich seufzte. Das war echt zu anstrengend.
    Wir diskutierten noch eine Weile weiter und am Ende hatte ich wenigstens einen Erfolg:
    Die beiden vertrugen sich, so lange es nicht um Lucias Beziehung zu Paul ging.
    Was ihn anging blieben ihren Ansichten gegenteilig.
    „Nachdem das jetzt geklärt ist, gibt es noch eine Sache:
    Eine von euch braucht echt ‘nen Spitznamen. Sonst werd‘ ich noch irre.“
    „Luci.“, schlug die ältere vor, woraufhin die jüngere beleidigt das Gesicht verzog.
    „Niemals.“, knurrte sie.
    „Nicht schon wieder.“, stöhnte ich auf, als die nächste nicht enden wollende Diskussion begann.
    Erst nach einer Ewigkeit entschieden sie sich für Lulu, wieso auch immer.
    „Dann nenn‘ ich dich ab jetzt so.“, erklärte die ältere grinsend.
    „Warum ich? Warum nicht du?“, fragte die Kleine.
    „Weil ich die ältere bin.“ Provozierend streckte sie ihr die Zunge heraus.
    „Ich geb‘s auf.“, murmelte ich. Das konnte noch lustig werden mit den beiden.
    Erst die Klingel unterbrach das Gezanke.
    „Wartet hier.“, sagte ich, bemüht, ruhig zu bleiben. Dann ging ich, um zu öffnen.

  • Cool :)
    Und damit, dass Lucia, Ju und Drew jetzt auch in Maiks Zeit hast du eindeutig noch mehr Interesse geweckt - ich bin sehr gespannt darauf, was passieren wird, wenn die zwei Drews aufeinandertreffen ... ^^
    Irgendwie tut mir der jüngere Drew leid, es ist bestimmt hart für ihn, Maike mit seinem älteren Ich zusammen zu sehen ...
    Mach weiter so, dass war wieder mal ein ganz tolles Kapi ;)
    Glg Glaziola

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    Würde mich freuen wenn ihr mich addet, falls ihr eines dieser Pokemon habt: LuxioBisaknospIgastarnishRutenaIgnivor



  • -26-

    Explain

    ~Maike~


    „Drew.“, sagte ich nervös. Über all den Trubel hatte ich völlig vergessen, dass er heute auch vorgehabt hatte, vorbeizukommen.
    War das jetzt ein Vorteil, dass er hier war? Oder nicht doch eher eine Katastrophe? Wieder ertönte Gezanke aus dem Wohnzimmer.
    „Und ich bin nicht mal eine Minute weg.“, murmelte ich leise zu mir selbst.
    „Was ist denn los?“, fragte mein Freund. Ein Blick in die tiefgrünen Augen zeigte mir, dass er sowohl neugierig, als auch besorgt war. Ich atmete zischend aus, bevor ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpresste:
    „Glaub‘ mir, das willst du gar nicht wissen.“ Er schien nicht zu verstehen. Wie sollte er auch?
    Ich seufzte. Es hatte ja doch keinen Sinn.
    „Komm mit. Wenn du es nicht siehst, wirst du es mir ja sowieso nicht glauben.“
    Skeptisch folgte er mir ins Wohnzimmer.
    Dort standen sich die beiden Lucias wütend gegenüber.
    „Dabei hattet ihr euch doch gerade vertragen.“, stöhnte ich auf.
    Wie lange war es jetzt her, dass ich die jüngere getroffen hatte?
    Vielleicht zwei Stunden und doch fühlte ich mich so entkräftet, als hätte ich Tagelang geschuftet und trainiert.
    „Das ist ihre Schuld!“, sagte die kleine störrisch. „Sie muss mich ja dauernd nerven.“
    Ich war mir nicht sicher, ob ich das ganze zum Lachen oder doch eher zum Heulen finden sollte.
    Um mich nicht weiter damit zu beschäftigen, wandte ich mich zu Drew um, der die Szene verständnislos beobachtete. Paul schien sich bereits mit allem abgefunden haben, obwohl das Ganze auch für ihn extrem surreal sein musste. Er lag völlig desinteressiert im Sessel und starrte gelangweilt ins Nichts. Nach einigen Sekunden des Zögerns, begann ich schließlich, zu erklären:
    „Weißt du noch, von dem ‚Traum‘, von dem ich dir erzählt habe? Scheint so, als hätte ich mich doch nicht so getäuscht. Jedenfalls ist Lucia jetzt irgendwie hierhergekommen und die anderen auch.“
    Er schien etwas sagen zu wollen, schwieg dann aber. Ich wartete einige Sekunden ab, ehe ich fortfuhr.
    „Jedenfalls will ich sichergehen, dass nichts passiert, weil in der anderen Zeit Team Galaktik gerade dabei war, Sinnoh zu verwüsten.
    Dazu brauch ich deine Hilfe, aber vorher muss ich noch den anderen beiden alles erklären.“
    Ich traute mich kaum, auszusprechen, wer die ‚anderen beiden‘ waren.
    Warum störte es mich so? Empfand ich für den jüngeren am Ende doch mehr als Freundschaft?
    Aber das war doch Blödsinn. Ich war nur panisch, weil diese ganze verdammte Situation so, wie sie war, nicht sein dürfte. Es dürfte ihn nicht einfach doppelt geben.
    Ich hatte doch sowieso schon die ganzen letzten Wochen vergeblich versucht, mit der inneren Verwirrung klarzukommen. Ich hatte das Gefühl, dass meine Empfindungen durch die lange Trennung schwächer geworden waren. Ich hatte unbewusst versucht, mich von ihm zu lösen, weil ich schließlich nie hätte sagen können, ob ich jemals zurückkommen konnte.
    Das konnte ich nicht bewusst entschieden haben, oder? Ich fühlte mich schuldig gegenüber beiden.
    Einen von ihnen hatte ich als Ersatz betrachtet, während ich nicht einmal mehr daran geglaubt hatte, den anderen jemals wiederzusehen.
    Wie konnte ich nur so ein schrecklicher Mensch sein? Es fühlte sich unausweichlich an, einen von beiden zu verletzen und ich hatte Angst davor.
    Aber noch im gleichen Moment fühlte es sich auch absurd an. Die Angst kam mir unbegründet vor.
    Völlig unsinnig. Unbehaglich trat ich von einem Fuß auf den anderen, ehe ich es endlich sagen wollte, aber Lucia, die wir von jetzt an ja Lulu nannten, kam mir zuvor:
    „Heißt das, das ist Drews Doppelgänger? Und gehen wir ihn und Ju jetzt endlich abholen?“
    Drew sah mich fragend an. Ich zuckte nervös mit den Schultern.
    „Also… Lucia ist nicht die einzige, die mir in der Vergangenheit über den Weg gelaufen ist.
    Ju ist ein Freund von mir und ist mit dir zusammen gereist, als wir sie kennengelernt haben… irgendwie…“
    Er sah noch immer so aus, als täte er schwer daran, mich zu verstehen.
    „Wir sollten einfach gehen.“, sagte ich und zog Lulu an der Hand hinter mir her, während die anderen schweigend folgten. Ich war froh, dass die beiden Lucias endlich aufgehört hatten, zu streiten, wenn man das überhaupt so sagen konnte.
    Die Ältere provozierte die Jüngere, und man sah ihr an, wie sehr deren beleidigte Reaktionen sie amüsierten. Ich konnte nur hoffen, dass Drew sich besser mit seinem anderen Ich vertragen würde, sonst würde ich noch durchdrehen.
    „Bleibt bitte in der Eingangshalle. Lucia, du kannst mitkommen, aber lass mich alles erklären.“
    Die Jüngere nickte eifrig, während die Ältere nur gelangweilt gähnte.
    Sie würde warten müssen.


    Zögernd klopfte ich an das Zimmer der Jungs. Es dauerte nur kurz, bis geöffnet wurde.
    Während Lucia fröhlich herein stürmte, blieb ich unsicher in der Tür stehen.
    Die Jungs starrten mir verständnislos ins Gesicht. Sekundenlang herrschte absolute Stille, aber es fühlte sich zeitlos an. Ich zwang mich, zu Lächeln, während ich sie unsicher begrüßte.
    „Hey, Jungs. Lange nicht gesehen.“
    Wie schaffte ich es eigentlich, immer solchen Blödsinn von mir zu geben?
    Sie sagten noch immer kein Wort. Nervös huschte mein Blick umher, von einem Gesicht zum anderen, ohne viel zu erkennen.
    Drew und Ju wirkten perplex. Lucia hinter ihnen hatte sich inzwischen auch umgedreht. Neugierig beobachtete sie uns. Erst nach einigen weiteren Sekunden der Stille ergriff sie das Wort.
    „Erkennt ihr sie nicht? Und das nach allem, was los war. Maike! Du musst ihnen doch etwas sagen und…“ Ich unterbrach sie.
    „Ja, richtig. Ich…“
    „Maike?“, fragte Drew. „Was ist mit dir passiert?“
    „Dazu wollte ich gerade kommen.“ Ich fühlte mich unwohl, so angestarrt zu werden.
    Ich schloss die Tür, schob mich an ihnen vorbei und hockte mich vor einem der Betten auf den Boden.
    „Ihr habt bestimmt schon gemerkt, dass hier einiges anders ist. Und... na ja… Willkommen in der Zukunft.“ Schon wieder so ein bekloppter Satz. Was war nur los mit mir?
    „Das hier ist meine Zeit und dass ihr hier seid, kann nur bedeuten, dass es jetzt noch mehr Chaos gibt.“ Ein sarkastisches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.
    „Chaos?“, fragte Drew. Er und Ju schienen beide große Schwierigkeiten zu haben, zu verstehen.
    Nur langsam sickerten meine Worte zu ihnen durch.
    „Und… was ist mit dir passiert?“, fragte Ju vorsichtig.
    „Na ja… Lucia hat euch ja alles erzählt, oder? Ich bin vierzehn, also bin ich ein bisschen älter, als vor vier Jahren. Gewöhnt euch lieber dran, es wird noch verrückter.“ Ich grinste zwar, aber eigentlich war ich kein bisschen amüsiert.
    „Hier ist noch die andere… Ich… äh… noch eine Lucia und die ist auch so alt wie Maike und“, sie schüttelte sich, als sie das folgende aussprach:
    „Ihr werdet nie glauben, wer ihr Freund ist und…“
    Ich unterbrach sie: „Jedenfalls… jetzt will ich wissen, warum ihr hier seid und was aus dieser Gefahr geworden ist. Ihr habt ja gesehen, was in Herzhofen los war. Es kann nicht einfach alles vorbei sein.
    Es gibt einige Leute, die uns helfen werden, aber ich wollte euch vorwarnen: Es gibt nicht nur von Lucia noch eine ältere Version. Drew, mach dich auf was gefasst.“
    Jetzt plötzlich belustigte es mich doch ein wenig. Er sah auf einmal völlig verstört aus.
    „Tut mir Leid für dich, aber da musst du durch. Kommt bitte mit, die anderen warten unten schon lange genug.“


    Als wir herunterkamen, dauerte es einen Augenblick, ehe ich Lucia, Paul und Drew entdeckte. Sie hatten sich in einer Ecke des Saales an einen Tisch gesetzt und unterhielten sich leise über irgendetwas. Ich wollte das ganze so schnell wie nur möglich hinter mich bringen.
    „Bitte, rastet jetzt nicht aus.“, murmelte ich, so leise, dass die anderen es nicht hören konnten.
    Ich lief voraus zu den anderen und blieb neben ihrem Tisch stehen.
    „Hey Leute.“, machte ich sie auf mich aufmerksam.
    „Darf ich vorstellen: Julius und Drew.“ Mit dem Kopf deutete ich in Richtung der Jungs, die mit Lulu im Schlepptau hinter mir herkamen.
    Drew starrte sein jüngeres Ich an, als hätte er noch nie einen Menschen gesehen. Verwirrung wäre wohl zu wenig, um zu beschreiben, wie viele Emotionen abwechselnd über sein Gesicht huschten.
    Der jüngere reagierte ähnlich durcheinander.
    Lucia begann zu kichern und auch Paul grinste schwach. Die anderen hatten ihren Spaß dabei, Drew schien die Welt nicht mehr ganz zu verstehen.
    Ich hatte es ihm erzählt, aber es gab wohl Situationen, auf die man Menschen nicht vorbereiten konnte. Und trotz dieser Verwirrung schienen die beiden es deutlich besser aufzunehmen, als Lucia.
    Vielleicht, weil ich ihnen schon vorher alles erklärt hatte, vielleicht, weil keiner von ihnen das Bedürfnis verspürte, den anderen zu ärgern. Welchen Grund auch immer es haben mochte, ich war erleichtert, dass sie sich nicht auch wegen allem stritten.
    Das machte die Sache ein wenig einfacher. Es bedurfte keiner großen Überredungskünste, die anderen davon zu überzeugen, uns zu helfen.
    Jetzt musste ich nur noch meine Familie einweihen und dann alles dem Professor erklären.
    Vielleicht würde ich das sogar alles auf einmal hinbekommen.
    Ohne es weiter zu erklären sprang ich auf und rannte zu den Telefonen in einer Ecke der großen Halle. Ich lud den Professor unter dem Vorwand ein, mein Vater habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Tatsächlich willigte er ein, seine Arbeit zu unterbrechen und uns am Abend zu besuchen.
    „Glaubst du wirklich, das ist eine gute Idee?“, fragte der ältere Drew hinter mir. Die anderen standen ein Stück weiter abseits und beobachteten uns.
    Es war mir ein wenig peinlich, vor ihnen die Pärchen-Nummer abzuziehen, deswegen wechselte ich das Thema.
    „Anders geht es nicht. Aber, was fürs erste wichtiger ist: Entweder du oder Drew brauchst einen Spitznamen, sonst komm ich noch völlig durcheinander.“
    Für einen Moment wirkte er irritiert, aber dann lächelte er.
    „Anders geht es wohl nicht.“ Ihm schien es ein wenig unangenehm zu sein, dass ich ihm ausgewichen war, aber er ließ es sich kaum anmerken.

    ~Chris~


    „Kirlia, ich glaube, das da vorne ist wirklich Blütenburg. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, haben wir sie endlich gefunden.“
    Ich freute mich darauf. Ich hatte alle schon seit Wochen nicht gesehen.
    Es war offensichtlich, dass es ein unglaubliches Wiedersehen werden würde.
    „Weißt du, Kirlia, wir werden bald mal wieder richtig unseren Spaß haben.“, rief ich fröhlich.
    Mein Lächeln war aufrichtig. Die Vorfreude machte mich nervös und ich beschleunigte meine Schritte.
    „Kirlia!“, stimmte mir mein Partner fröhlich zu.
    „Beeilt euch, Leute!“, rief ich den anderen zu, die in einigen Metern Entfernung hinter mir liefen.

    ~Maike~


    Einen Spitznamen für Drew zu finden war wirklich eine schwierige Aufgabe.
    Der Kleine nörgelte ununterbrochen herum, ihm gefalle der Name nicht. Irgendwann war es mir egal geworden. Den älteren von ihnen konnte ich auch einfach Schatz nennen, so, wie ich es sowieso immer mal wieder tat. Nach einer halben Stunde Streit hatte ich absolut keinen Nerv mehr dafür.
    „Lasst es einfach gut sein.“, murmelte ich mies gelaunt.
    „Wir gehen jetzt endlich zu mir und ihr wartet dann in meinem Zimmer. Ganz besonders du, Lulu!“, sagte ich streng. Ich musste erst einmal meinen Eltern alles erklären und sie überzeugen, dass ich weiterhin die Sache mit den Zeitreisen untersuchen konnte.
    Wenn Ju bei uns auftauchte, würden sie einfach von einem neuen Freund ausgehen, aber im Fall von Drew und Lulu war es schwieriger, sie darauf vorzubereiten.
    Als wir bei mir zu Hause angekommen waren, brachte ich alle in mein Zimmer, schloss die Tür und überlegte sogar einen Augenblick lang, abzuschließen. Andererseits sollten die anderen in der Lage sein, sich gegenseitig im Zaum zu halten. Hoffte ich wenigstens.
    Dann ging ich nach unten zu meinen Eltern, die gerade mit Max in der Küche standen und sich über irgendetwas unterhielten.
    „Mum, Dad. Ich muss mit euch reden.“, sagte ich angespannt.
    Drei erstaunte Augenpaare richteten sich auf mich.
    „Setzt euch vielleicht erst mal.“, sagte ich vorsichtig. „Das könnte schockierend werden.“
    Mein Vater sah mich prüfend an.
    „Was ist passiert? Hat er irgendeinen Mist gebaut?“ Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass er von Drew sprach. Obwohl wir nun schon seit einer ganzen Weile ein Paar waren, war mein Vater immer noch skeptisch. Es war das übliche Klischee eines Mannes, dem es schwer fiel, sein kleines Mädchen endlich loszulassen. Ich seufzte resigniert.
    „Nein, Drew hat nichts getan. Aber ihn betrifft es auch. Und Lucia.
    Setzt euch und ich erklär euch alles. Max, du solltest am besten auch gleich dazu kommen. Ach ja, und Professor Birk müsste auch gleich kommen.“
    Sie wirkten verwirrt und ich brauchte eine Weile, sie zu überzeugen, zu warten, damit ich nicht alles doppelt erklären musste. Umso erleichterter war ich, als es endlich an der Tür klingelte.
    Noch bevor einer der anderen reagieren konnte, war ich schon aufgesprungen, um zu öffnen.
    Als dann endlich alle im Wohnzimmer versammelt waren und mich erwartungsvoll anstarrten, formulierte ich in Gedanken bestimmt zum tausendsten Mal neu, wie ich alles erklären konnte.
    Unwohl trat ich von einem Fuß auf den anderen, holte tief Luft, bevor ich endlich mit meiner Erklärung rausrückte, schwieg dann aber doch.
    „Maike, jetzt sag schon endlich, was du willst.“, beschwerte sich mein kleiner Bruder.
    „Ich will heute nochmal weg und hab echt keine Lust wegen dir zu spät zu kommen.“
    Ich seufzte. Ich würde ja gerne anfangen, aber ich wusste einfach nicht, wo.
    Es Lucia und Paul zu erklären war einfacher gewesen. Sie hatten Lulu ja schon gesehen gehabt.
    Genauso war es nicht besonders kompliziert gewesen, Drew alles zu erklären, weil ich ihm die ganze Geschichte ja vorher schon einmal erzählt hatte, auch, wenn ich damals tatsächlich noch davon ausgegangen war, es hätte ein Traum sein können.
    „Also… es ist echt kompliziert…“, setzte ich an. Ich zögerte.
    „Ich habe sozusagen… ich war das letzte halbe Jahr… also…“
    Warum konnte ich es nicht einfach sagen?
    ‚Ich habe eine Zeitreise gemacht und jetzt sind hier Leute aus der Vergangenheit und wir haben anscheinend eine Mission zu erfüllen und dazu brauche ich vielleicht eure Hilfe. ‘
    Es war nur ein einziger Satz mit dem das meiste schon gesagt wäre, aber es klang so völlig dämlich und falsch. Das würden sie mir doch nie glauben.
    „Was ist denn los, Maike? Sonst redest du doch auch ohne Punkt und Komma.“, gab meine Mutter zu bedenken.
    „Ist was passiert? Habt ihr euch gestritten?“
    „Dann würde ich wohl kaum noch den Professor herbestellen.“, gab ich wohl ein wenig zu pampig zurück. Meine Mutter sah mich warnend an und ich machte sofort einen Rückzieher.
    „Es ist viel komplizierter, aber ich fürchte, niemand von hier… aus dieser…Welt… hat etwas bemerkt.“
    „Aus dieser Welt?“, fragte Max. „Soll das heißen, du bist so ein Supergenie, dass mehr merkt, als die dummen Leute um dich herum?“ Ich sah ihn Böse an.
    „Sehr witzig. Natürlich nicht. Ich hab doch selbst keine Ahnung, wie ich da reingeraten bin. So ‘ne Zeitreise macht keinen Spaß, weißt du?“, zickte ich ihn an.
    Es dauerte einige Sekunden, ehe ich realisierte, dass mich alle anstarrten, als hätte ich den Verstand verloren. Ich konnte es ihnen nicht verübeln.
    Wenn ich nicht am eigenen Leib erfahren hätte, dass alles echt gewesen war, hätte ich genauso gedacht.
    „Ich fang wohl besser nochmal von vorne an.“, sagte ich seufzend.
    „Das ist für mich jetzt etwas mehr als ein halbes Jahr her und für euch vielleicht ein paar Wochen.
    Ich weiß nicht wie und warum, aber ich habe Palkia und Dialga gesehen und danach erinnere ich mich erstmal an nichts. Nur, als ich wieder aufgewacht bin war ich auf einmal zehn Jahre alt und es war der Tag, an dem ich meine Reise begonnen hab. Jedenfalls bin ich dann erstmal zu Professor Birk gefahren, wie damals auch und hab mir mein Pokémon abgeholt. Flemmli.
    „Warum hast du dir denn nicht mal ein anderes geholt?“, unterbrach mich Max.
    Ich ignorierte das, holte stattdessen einen Pokéball hervor und ließ zum Beweis mein Flemmli erscheinen. Es sah sich verwirrt um, als alle es anstarrten.
    „Das ist das Flemmli, was ich von dem Professor Birk aus der Vergangenheit bekommen habe.
    Dann bin ich wieder nach Hause gekommen, aber anstatt mit Ash - der war übrigens auch da – durch Hoenn zu reisen bin ich direkt nach Sinnoh gefahren, weil Dialga und Palkia da ja eigentlich hingehören… irgendwie. Da habe ich aber erst mal nicht viel gefunden und habe stattdessen einfach mit den Wettbewerben weitergemacht, weil ich ja auch nicht wusste, ob ich überhaupt wieder hierher zurückkommen würde und dann hab ich da ein Paar Leute kennengelernt.
    Erst mal Chris, aber keine Ahnung, wo sie jetzt ist und dann war da noch Lucia.“
    Jetzt schienen alle aufzuhorchen.
    „Und später dann noch Drew.“, fügte ich hinzu. „Die sind jetzt übrigens alle oben und warten, dass ich fertig werde, mit der Erklärung.
    Irgendwann hab ich dann nochmal Dialga gesehen und es hat mir irgendetwas von einer Gefahr erzählt, die wir aufhalten sollten und dann ist Chaos ausgebrochen und überall waren Leute von Team Galaktik und dann… war ich plötzlich wieder hier.“
    Ich spürte vier völlig verwirrte Augenpaare auf mir ruhen, als müsste jetzt noch etwas kommen. Als müsste ich jetzt lachen und sagen, dass ich sie reingelegt hatte.
    Zu schade, dass es nicht so war.
    Da niemand etwas sagte, beschloss ich, dass ich jetzt auch Lulu auf sie loslassen konnte.
    Wenigstens würden sie mir dann glauben müssen.
    „Wartet bitte kurz hier.“, bat ich und ging nach oben. Hoffentlich hatten sie das Problem verstanden.
    Selbst wenn Team Galaktik hier nicht auftauchen würde, was ich sowieso für unwahrscheinlich hielt, weil es in dieser Zeit schon längst nicht mehr existierte, musste ich Drew, Ju und Lulu irgendwie in ihre Zeit zurückschicken. So, wie ich nicht auf ewig in der Vergangenheit hätte bleiben können, konnten sie nicht hier bleiben. Und vorher musste ich Chrissie finden, oder vielmehr herausfinden, ob sie überhaupt hier war.
    Ich öffnete meine Zimmertür.
    „Ich denke, ihr könnt jetzt runterkommen. Sie sollten alles wissen und so glauben die mir wenigstens.“
    Ich grinste nervös, fühlte mich in meiner Rolle völlig dämlich.
    Ein Glück, dass ich das weiterhin niemandem mehr erklären musste.
    Der schlimmste Teil war fast geschafft und ich war mit meinen Nerven völlig am Ende.
    Dabei hatte der Tag so gut angefangen. So völlig normal, nur um dann wieder einmal mein Leben im Chaos versinken zu lassen.
    Seufzend versuchte ich mir einzureden, dass es nur besser werden konnte.
    Falsch gedacht.

  • Hihi jetzt wird's ja richtig schön kompliziert XD


    Nein ehrlich, diese verwirrtheit die du beschreibst konnte ich mir so richtig gut vorstellen :)


    Die Tatsache dass es jetzt zwei mal drew und zwei mal Lucia gibt, erschwert das ganze ein wenig, und man muss jetzt richtig genau lesen. Das gefällt mir ^-^


    Ich hoffe das bleibt jetzt erstmal weiterhin so spannend, und ich hoffe ich schaffe es mal wieder regelmäßig rein zu schauen^.^'


    Naja, mach weiter so ;) LG: Shiny-Mewtu XY

    Für Rechtschreibfehler haftet mein Handy!!!
    Dann möchte ich einmal Werbung für meine FF machen! lasst mir doch bitte nen Kommi da,
    ich würde mich freuen
    :D ;)

  • Mal wieder ein richtig cooles Kapitel :)
    Dein Cut war ja mal wieder richtig gut/fies gesetzt - ich bin mal echt gespannt, wie der Professor und Maikes Familie das mit Drew und Lucia aufnehmen^^
    Und Shiny-Mewtu XY hat Recht - du beschreibst das alles super, ich habe mich echt so gefühlt, als ob ich auch mit am Tisch sitzen würde und Maike zuhören würde.
    Und ich freue mich total auf das Finale. Mach weiter so!
    Glg Glaziola

    FC: 2723-8395-6602
    Kontaktsafari: (Normal) KrakeeloDummiselEvoli
    Würde mich freuen wenn ihr mich addet, falls ihr eines dieser Pokemon habt: LuxioBisaknospIgastarnishRutenaIgnivor


  • -27-

    All day’s normal life

    ~Maike~


    Die wenigen Tage seit der Ankunft meiner Freunde aus der anderen Zeit waren von Tag zu Tag ruhiger verlaufen, aber doch waren sie anstrengender gewesen, als alles, was ich bisher erlebt hatte.
    Nicht nur, dass Lucia es nicht lassen wollte, Lulu zu ärgern, die beinahe die ganze Zeit wegen irgendetwas beleidigt war, was ihr älteres ich ihr gesagt hatte, dazu kam noch, das jeder ständig irgendetwas von mir wollte. Wann wir endlich etwas Neues wissen würden. Ob sie wieder nach Hause in ihre Zeit kommen könnten. Ob wir nicht doch mal herumfragen sollten, ob jemand Chris gesehen hatte. Wann es essen gab. Ob ich Lucia nicht dazu bringen könnte, endlich mal die Klappe zu halten.
    Ich war es gewohnt, dass es zu Streitereien kam, wenn man vierundzwanzig Stunden am Tag zusammenhockte, aber jetzt wurde es mir zu viel.
    „Jetzt haltet doch endlich mal die Klappe!“, schnauzte ich Lulu und Lucia an, die zum bestimmt 120. Mal an diesem Tag eine ihrer ständigen Streitereien angefangen hatten.
    Ich war nicht einfach aufgebracht, ich war mit den Nerven völlig am Ende.
    Die Polizei, alle Pokémoncenter und alle Professoren wussten Bescheid. Überall wurde auf verdächtige Personen geachtet, nichts mehr schien verborgen bleiben zu können und doch hatten wir keine weiteren Spuren. Manchmal fragte ich mich, ob wir nicht einfach alle überreagierten.
    Es war bisher nichts passiert. Es würde nichts passieren.
    Es war alles Sinnlos.
    Ich musste hier raus. Ich hielt das alles nicht mehr aus.
    Ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie sich alle nur stritten. Ich brauchte endlich mal wieder etwas, das mich auf andere Gedanken brachte. Mal wieder einen Tag, der nicht von Streit, unendlich langem Warten auf nichts und ewigem herumsitzen geprägt war.
    „Ich bin weg. Wir sehen uns zum Essen.“, sagte ich knapp, gerade so laut, dass mich Ju verstehen konnte, der am nächsten an meiner Zimmertür hockte, dann war ich auch schon zur Tür hinaus und rannte aus dem Haus.

    Wenn ich ehrlich war, hatte ich keine Ahnung, wo ich eigentlich hin wollte.
    Vielleicht sollte ich einfach mal für einige Stunden die Stadt verlassen und davor auf den Wiesen bleiben. Niemand war dort um diese Uhrzeit – es war Mittagszeit und alle waren zu Hause um mit ihren Familien zu Mittag zu essen.
    Niemand würde mich dort stören. Nur ich wäre da und die Pokémon, die ich immer bei mir hatte.
    Glaziola, Flemmli und Fukano begleiteten mich meistens. Die anderen waren in der Arena geblieben.
    Ihnen gegenüber fühlte ich mich auch schuldig.
    Ich trainierte viel weniger mit ihnen, seit ich wieder hier war. Ich hatte generell für nichts mehr Zeit was sonst fester Bestand meines Alltags gewesen war.
    Ich hatte keine Zeit mehr für Drew, weil immer jemand der anderen um uns herum war. Ich hatte einfach keine Zeit, mir über meine Gefühle klar zu werden.
    Erschöpft ließ ich mich unter einem Baum ins Gras fallen.
    Wie sollte das alles nur weitergehen?
    Ich blieb lange sitzen. Es wurde bereits dunkel und noch immer verspürte ich keine Lust, aufzustehen und zurückzugehen.
    Mir war langweilig und ich fühlte mich inkomplett, irgendwie leer.
    Etwas fehlte, ohne dass ich hätte sagen können, was es war. Manchmal fragte ich mich, ob die anderen vielleicht nach mir suchten? Ich wollte zum Essen zurücksein. Da ich kurz vor dem Mittagessen gegangen war, hätte ich schon vor Stunden wieder zurücksein sollen. Nun war bestimmt auch das Abendessen längst vorüber und noch immer fand ich keinen Antrieb, zurückzugehen.
    Ob sich jemand Sorgen machte? Konnte ich es denn niemandem einfach machen?
    Warum musste ich ihnen denn auch noch Sorgen bereiten?
    Ich zog die Knie an und ließ den Kopf darauf sinken.
    Die Emotionen, die sich seit Tagen in mir aufgestaut hatten, drohten, auszubrechen.
    Für den Moment war ich alles so leid.
    „Maike?“ Leise und vorsichtig trug der Wind seine Stimme zu mir herüber.
    Ich hob den Kopf.
    „Drew.“, begrüßte ich ihn. Das war alles was ich sagte. Ich stand nicht auf und auch er bewegte sich einen Moment nicht.
    Wir sahen uns nur schweigend an und doch befreite es mich, dass er da war.
    Schließlich kam er die wenigen Schritte zu mir herüber und setzte sich neben mich.
    „Alles okay bei dir?“, fragte er. Erst nach einigen Sekunden antwortete ich:
    „Ich weiß es nicht. Mir geht so viel durch den Kopf.“
    Stumm nahm er meine Hand. Ich wusste, ich könnte ihm alles erzählen, aber ich hatte Angst.
    Wie sollte ich ihm klarmachen, dass ich versucht hatte, ihn zu vergessen. Dass ich nicht sicher war, was ich jetzt empfand?
    Ich liebte ihn, aber es war anders, als früher. Ich glaubte, auch Gefühle für sein jüngeres Ich zu haben. Das einzige, worin ich mir sicher war, war, dass ich ihn verletzen würde.
    Stattdessen sprach ich etwas anderes an.
    „Was glaubst du, wie lange es noch dauert? Das ewige warten und nichts tun zu können macht mich echt fertig.“ Es war die Wahrheit, auch, wenn ich das Wichtigste verschwieg.
    Er schüttelte ratlos den Kopf.
    „Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, dass sich bald alles klärt. Es kann so nicht auf ewig weitergehen.“
    Ich nickte zustimmend. Dann fiel mir etwas ein, was mir schon mehrmals aufgefallen war.
    „Sag mal… Als ich in die Vergangenheit gekommen bin, gab es nur mich. Einfach in einem anderen Körper. Aber die anderen haben sich kein bisschen verändert.
    Woran könnte das liegen?“
    Er wirkte nachdenklich, aber auch er schien keine Antwort zu finden.
    Schließlich lehnte ich mich gegen ihn.
    „Können wir wieder irgendetwas unternehmen? So wie früher.“
    Man konnte schon an seiner Stimme hören, dass es lächelte.
    „Ja. Ich glaube, es wäre gut, mal für einen Tag etwas Ablenkung zu bekommen. Was möchtest du denn machen?“
    Ich war auf einmal so aufgeregt, als stünde das wichtigste Ereignis meines Lebens vor mir.
    „Nicht irgendwann.“, rief ich mit der freudigen Begeisterung eines Kindes.
    „Jetzt. Lass uns jetzt irgendetwas machen.“
    „Jetzt?“, fragte er irritiert. „Wo willst du denn jetzt noch hin?“
    Ich zuckte mit den Schultern.
    „Komm einfach mit!“ Ich sprang auf und zog ihn mit mir. Es war mir jetzt völlig egal, wohin wir gingen.
    Ich fühlte mich frei, zu tun, was ich wollte und wollte diesen Moment auf keinen Fall vorbeiziehen lassen, ohne etwas zu tun.


    ~Chris~


    Ich hatte noch einige Tage lang im Pokémoncenter ausgeharrt. Ich wollte erst wissen, wie die Lage für mich aussah, ehe ich wieder zu unserer Gruppe dazu stieß.
    Jetzt war es an der Zeit. Es war zwar spät, aber es brannte noch Licht im Haus. Sie würden keine Fragen stellen. Sie würden sich eher freuen, dass ich da war. Ich war mir sicher.
    Außerdem war ich mit ja selbst nicht sicher, warum ich mich bisher kaum getraut hatte, mich ihnen zu zeigen. Entschlossen klopfte ich an die Tür des kleinen Wohnhauses neben der Arena.
    Eine Frau mittleren Alters mit hellen braunen Haaren und freundlichen, wenngleich müden Augen öffnete. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte ich knapp:
    „Ich bin Chris, eine Freundin von Maike. Ist sie da?“
    Die Frau, vermutlich ihre Mutter, verneinte, bat mich aber dennoch herein.
    Es dauerte nicht lange, da erfuhr ich auch schon, wieso.
    Alle außer Maike waren hier versammelt. Zu meiner Verwunderung gab es Lucia sogar doppelt, aber da das hier die Zukunft war, fragte ich nicht weiter nach. Hauptsache von mir gab es hier kein zweites Ich.


    ~Lucia / Lulu ~


    „Chris!“, rief ich fröhlich, als meine Freundin ins Zimmer trat.
    Mit ihr hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
    Dass Drew endlich mit Maike zurückkommen würde, darauf warteten wir eigentlich alle.
    Sie war schon seit Stunden weg und dass er sie hatte suchen wollen, hatte nur bewirkt, dass jetzt beide verschwunden schienen.
    Ich sprang auf und umarmte die Ältere. Wie lange hatten wir sie nicht gesehen? Wie lange war der Überfall durch Team Galaktik her?
    Irgendetwas an ihr kam mir merkwürdig vor. Ich betrachtete sie genau. Irgendwie wirkte sie so groß. Es fiel nicht so sehr auf, wie bei Maike, aber sie hatte sich sehr verändert, seit sie in diese Zeit gekommen war.
    „Wie bist du hierhergekommen?“, fragte Ju. Gespielt beleidigt antwortete sie:
    „Welch überwältigende Freude. Aber ja, ich hab euch auch vermisst.“
    Drew sah sie ernst an.
    „Das ist kein Spaß Chris. Was ist passiert, wie bist du Team Galaktik entkommen? Haben sie dir nichts getan?“
    Alle sahen die Blonde erwartungsvoll an. Sie strich sich durch die Haare, schien einen Augenblick zu überlegen.
    „Hmm. Also eigentlich kann ich es gar nicht so genau sagen. Ich weiß noch, dass ich den Rüpeln nachgerannt bin und dann ist auf einmal alles schwarz gewesen.
    Dann war ich hier und ich hab mir gedacht, ich versuche es einfach mal hier bei Maike. Wenn sie wieder hier war, müsste sie doch wieder in Hoenn sein, oder? Also rein logisch gesehen, weil wir ja in ihrer Gegenwart gelandet sind.“
    Das klang logisch. Aber eine Sache störte mich noch. Etwas an ihr war anders.
    „Sag mal, du bist doch fünfzehn, oder?“, fragte Paul. Er betrachtete sie prüfend.
    „Du siehst viel älter aus.“ Es klang beinahe ein wenig anerkennend.
    „Ich glaub, mir wird schlecht.“, flüsterte ich angewidert. Was sollte das denn jetzt?
    Wie hatte sich Lucia jemals mit diesem Typen einlassen können?
    Ich konnte ihn auf den Tod nicht leiden. Weder die Abweisende Art seines jüngeren Ichs noch die mürrische und doch so sarkastische Art, mit der er mich hier behandelte.
    Es schien ihn sehr zu amüsieren, dass ich hier war und ich hatte stets das Gefühl, von oben herab angesehen zu werden. Als würde ich nichts zählen, nur, weil ich die Jüngste war.
    „Was anderes: Ihr seid alle hier… doppelt…“ Chris nickte in Lucias Richtung.
    „Aber wo ist Maike?“
    „Die ist vorhin weggegangen. Drew wollte sie ja eigentlich holen, aber wahrscheinlich haben sich die beiden jetzt zusammen irgendwo verkrochen.“, erklärte Ju gelangweilt.
    Irritiert starrte Chris Drew an.
    „Nicht ich. Der andere.“, erklärte er knapp. Ihm schien das Ganze nicht zu gefallen. Genauso wenig, wie mir. Wenn man doppelt vorhanden war, fühlte man sich irgendwie überflüssig.
    Vor allem dann, wenn man jünger war und von allen behandelt wurde, als wüsste man nichts.
    Chris seufzte, ließ sich neben Ju aufs Bett fallen und streckte sich aus.
    „Dabei wollte ich ihr unbedingt was erzählen.“, murmelte sie.
    „Ich geh sie suchen. So weit können sie ja kaum sein.“, sagte Drew leise und mehr zu sich selbst, dann ging er nach draußen.
    Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er immer schlechter gelaunt war, je länger wir hier waren.


    ~Drew~


    Ich hatte wirklich genug von dem Gerede. Maike hier, Maike da.
    Wen interessierte das denn bitte?
    Sie war nicht die, die sie vorgab, zu sein.
    Sie hatte uns die ganze Zeit belogen!
    Sie hatte sich doch nur mit mir abgegeben, weil ich ihrem Freund so ähnlich sah. Ich war nicht so, wie dieser arrogante Weiberheld. Und ich würde auch niemals so sein.
    Vielleicht sollte ich auch einfach von hier verschwinden?
    Ich würde schon einen Weg finden, um wieder in meine Zeit zurück zu kommen. Dort war ich jemand.
    Ich hatte Erfolg, obwohl ich noch so jung war. Niemand behandelte mich wie ein unwissendes Kind.
    Stattdessen musste ich es mir hier bieten lassen, dass mich alle hinter ihn stellten. Hinter diesen älteren Drew. Und obwohl ich ihn dafür hasste, wusste ich, dass er alles erreicht hatte, was ich mir wünschte.
    Er war erfolgreich, auch, wenn er noch nie das Festival gewonnen hatte. Das war nur noch eine Frage der Zeit. Er war stark und er wusste, was er tat.
    Er hatte zwar Rivalen aber auch einige gute Freunde, die ihn unterstützten.
    Er hatte es nicht nötig, sich hinter einem falschen Lachen und falscher Arroganz zu verstecken. Und er hatte jemanden, für den er alles geben würde. Und sie würde das Gleiche tun.
    Schon die ganze Woche über fiel es mir von Minute zu Minute schwerer, die Blicke zu ertragen, die sie teilten, wenn sie sich unbeobachtet fühlten.
    Es musste schwer für sie gewesen sein, so lange von ihm getrennt gewesen zu sein.
    Ich hatte erkannt, wovon sie damals gesprochen hatte.
    Die Geschichte mit den Engeln, die sie mir erzählt hatte.
    Sie hatte ihn nie aufgeben können und vermutlich hätte sie es auch nie gekonnt, wenn sie in meiner Zeit geblieben wäre.
    Sie hatte gesagt, sie wünschte sich, dass ich sie mochte. Warum ließ sie mir dann nicht die Chance?
    Es war das einzige Mal gewesen, dass wir so vertraut miteinander gesprochen hatten.
    Ich war mir ziemlich sicher gewesen, dass sie noch mit keinem darüber gesprochen hatte.
    Und doch war der einzige Grund, warum sie mir so vertraute gewesen, dass ich ein bisschen war, wie er. Der Bessere von uns beiden. Der Erwachsene.
    Der, den sie liebte, seit sie so alt gewesen war, wie ich.
    Es war unsinnig, mich weiter darüber aufzuregen. Ich konnte nicht gewinnen.
    Warum nur hatte sie sich mir so freundlich zeigen müssen?
    Warum nur hatte ich damals zu ihr hingehen müssen? Warum hatte sie mich überhaupt so fasziniert, dass ich meine gesamten Pläne geändert hatte?
    Wegen einer fremden nach Sinnoh zu gehen, nur, weil sie eben gut war? Blödsinn!
    Auch in Hoenn hatte es viele gute Koordinatoren und Trainer gegeben.
    Wäre ich nur nich so dumm gewesen.
    Ich wäre niemals da mit hineingezogen worden. Ich hätte niemals angefangen, sie zu mögen.
    Wütend und doch völlig Kraftlos trottete ich durch die leeren Straßen Blütenburgs. Nur wenige Menschen waren noch unterwegs. Es würde bald dunkel werden und das leuchtend orange Licht der untergehenden Sonne wich langsam einem seichten Grau, das alles zu verschlucken drohte, während es immer schwärzer wurde.
    Die Luft war ziemlich kalt, wenn man bedachte, dass bald der März beginnen würde.
    Dieser Frühling würde vermutlich kalt werden.
    Das passte irgendwie zu meiner Stimmung.
    Wieso hatte das alles passieren müssen?
    Ich lief lange Zeit Ziellos herum. Einen Augenblick lang überlegte ich auch, einfach die Stadt zu verlassen. Ich hatte meine Pokémon ja sowieso immer bei mir und ein paar Tage unter freiem Himmel zu schlafen würde mich nicht umbringen. Ich müsste mir nur einen neuen Schlafsack besorgen, das war alles. Hatte Chris das nicht auch gemacht?
    Ihr altes Leben gänzlich hinter sich gelassen?
    Wer sollte mich davon abhalten? Ich musste mir nicht erst das Herz brechen lassen, um zu realisieren, dass ich hier sowieso nicht hingehörte. Es gab hier keinen Platz für mich.
    Grübelnd ließ ich mich ein Stück vom Fußweg entfernt im Gras nieder. Ich ließ mich auf die Wiese fallen, starrte nach oben in die Sterne. Der Himmel war so klar, wie in dieser Nacht, die ich mit Maike zusammen bei Jubelstadt verbracht hatte.
    Ich spürte die Kälte, wie es sie tiefer in meinen Körper zog. Es fühlte sich lähmend an, aber ich wollte noch nicht weg. Ich wollte nicht zurück. Und dann sah ich sie.
    Und wieder war er bei ihr, hielt sie im Arm, lachte mit ihr, als sie in wenigen Metern Entfernung an mir vorübergingen, ohne mich in der Dunkelheit zu sehen.
    Und obwohl es etwas war, das ich schon seit Tagen immer wieder gesehen hatte, glaubte ich, etwas in mir brechen zu spüren.


    ~Maike~


    Glücklich kuschelte ich mich in Drews Arme.
    Es hatte mir wirklich gefehlt, so Zeit mit ihm zu verbringen. Unbeschwert.
    Sorglos. Ganz so, wie früher.
    Es tat gut, etwas Abstand von dem zu bekommen, was mein Leben in letzter Zeit bestimmt hatte.
    Die mögliche Gefahr durch Team Galaktik schien so fern wie niemals zuvor.
    „Drew?“, fragte ich leise. Glaubst du, es kann bald wieder immer so sein, wie jetzt?“
    „Ich weiß es nicht, aber es wäre schön.“, gab er mir Recht.
    Ich hatte Lulu und Ju lieb gewonnen, ich würde auch gerne Chrissie wiedertreffen und auch Drews jüngeres Ich bedeutete mir einiges. Trotzdem wünschte ich mir mehr und mehr mein altes Leben zurück.
    „Meinst du, wir sollten langsam wieder zurück? Meine Mutter bringt mich um, wenn ich so lange wegbleibe, ohne etwas zu sagen.“
    Er lachte, als er meinen Blick sah.
    „Ja, vielleicht sollten wir sie nicht länger warten lassen. Außerdem lässt Lulu dir sonst wieder nichts vom Essen übrig.“, scherzte er.
    „Ja.“, sagte ich lächelnd. Zuzutrauen wäre es meiner kleinen Freundin schließlich.
    Als wir ankamen, war ich so entspannt, wie schon lange nicht mehr.
    Morgen würde ich endlich wieder neue Energie haben, um endlich etwas zu unternehmen.

    Es war eine riesige Überraschung gewesen, Chrissie bei den anderen in meinem Zimmer vorzufinden und ich hatte mich sehr gefreut, sie sicher bei uns zu wissen.
    Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass eine Person mehr es nicht gerade weniger stressig machte, hier zu sitzen und nichts tun zu können.
    Während die meistens sich genauso verhielten, wie schon die ganze Zeit über, stritt sich Chrissie jetzt die ganze Zeit über mit Ju, weil ihr irgendetwas an ihm nicht passte.
    Es war das Gleiche wie jedes Mal, wenn sie aufeinandergetroffen waren und würde sich wohl auch nie ändern. Das einzige beruhigende daran war, dass sie bei weitem nicht mehr so feindselig dabei wirkte, wie noch am Anfang. Es war einfach zu ihrer Art geworden, mit ihm zu kommunizieren.
    Das machte es nicht viel besser, aber wenigstens ein wenig.
    Was mir viel mehr Sorgen bereitete war, dass sich Drew – der jüngere von beiden – immer mehr von uns zu distanzieren schien. Er antwortete immer einsilbiger, sprach nur noch manchmal mit Ju und dann so leise, als hüteten sie ein Geheimnis vor uns.
    Er sah mich kaum noch an und wenn sich unsere Blicke doch einmal kreuzten, verzog er das Gesicht und sah zu Boden.
    Es war nicht zu übersehen, dass ihn etwas beschäftigte. Wenn er nur mit mir sprechen würde.
    Oder wenn schon nicht mit mir, dann mit jemand anderem. Lulu oder Ju wären ja auch für ihn da und bestimmt auch Chrissie. Sie gab es zwar nicht zu, aber auch sie schien die Jungs nicht nur akzeptiert sondern auch irgendwie liebgewonnen zu haben.
    Ich lachte mit den anderen, ließ mich ablenken, scherzte und beschäftigte mich genauso Ernst mit unserem Problem, wie alle anderen Beteiligten auch, aber letzten Endes fiel es mir immer stärker auf.
    Ich würde wirklich mal mit ihm darüber sprechen müssen.

    Es war eine weitere Woche vergangen. Ergebnislos.
    Ich zweifelte immer mehr daran, ob wir nicht überreagiert hatten.
    Nirgends gab es Anzeichen, dass irgendetwas passieren würde.
    Man hatte weder Palkia noch Dialga gesichtet. Nicht in Hoenn und auch nicht in Sinnoh oder einer der anderen Regionen. Die einzigen Orte, an denen sich mehr Menschen aufhielten als sonst waren die, an denen Wettbewerbe oder Feste stattfanden. Alles schien so friedlich zu sein, wie immer.
    Vielleicht lag es daran, dass wir unvorsichtig geworden waren.
    Vielleicht hätten wir es nicht erkennen können, egal, was wir gemacht hätten.
    Es war der Morgen des Tages, an welchem alles ein Ende finden sollte.
    Des Tages, an dem über das weitere Schicksal des Landes und vielleicht der Welt entschieden werden sollte.
    Das Schlimmste daran ist wohl, dass die Tage, deren Beginn so unscheinbar ist wie an keinem anderen Morgen, die sind, die die meisten Überraschungen mit sich bringen.
    Man hat keine Chance, sich vorzubereiten.
    An diesem Morgen ging ich mit Lucia mal wieder zum Supermarkt.
    Die Verkäuferinnen begrüßten uns nach zwei Wochen schon fast wie alte Freundinnen, so oft waren wir hier gewesen um meine Familie und die ganzen Gäste versorgen zu können.
    Immerhin gab man uns schon Rabatte, sonst hätte die Versorgung von elf hungrigen Mäulern meine Eltern in den Ruin getrieben.
    Wir redeten über alles Mögliche, tratschten, lachten und überlegten, ob wir nicht noch einen kurzen Umweg durch die Stadt machen wollten um noch eine Stunde in den kleinen Kleiderläden zu stöbern, die wir jetzt seit Ewigkeiten nicht mehr aufgesucht hatten.
    Was dann passierte war etwas, womit niemand hätte rechnen können.
    Es war fast wie in Herzhofen.
    Die Erde bebte, Menschen wurden panisch und rannten ziellos umher auf der Suche nach einem Ort, der sicher schien.
    Und dann tauchten sie auf. Überall Galaktik Rüpel.
    Sie terrorisierten die Bevölkerung meiner Heimatstadt, scheuchten Menschen herum, griffen wahllos an. Innerhalb von kürzester Zeit schienen Chaos und Entsetzen die Straßen zu regieren.

  • -28-

    Traitor

    ~Maike~


    Bevor ich wirklich realisierte, was passiert war, waren die Straßen voll von Rüpeln. Sie schubsten unschuldige Passanten herum, entrissen ihnen ihre Pokébälle und tyrannisierten die Bevölkerung meiner Heimatstadt. Die ganze Situation schien zu unwirklich. Ich konnte mich kaum konzentrieren.
    Wie sollten wir vorgehen? Wir mussten zu den anderen. Zu zweit würden wir niemals hier durchkommen. Gab es überhaupt eine Chance, zurück zur Arena zu gelangen, ohne angegriffen zu werden? Wir mussten auf jeden Fall so vorsichtig wie nur möglich vorgehen.
    „Hey, meinst du, es ist besser, wenn wir durch die Gassen gehen?“
    Lucia wusste, was ich meinte. Es war ein Umweg, durch die vielen kleinen Seitenstraßen von Blütenburg zu schleichen, aber vielleicht schafften wir es so, de Rüpeln, die hier überall waren, zu entkommen. Bisher hatten wir Glück gehabt, aber sie konnten jeden Augenblick auf uns aufmerksam werden. Sie nickte hektisch, aber schien ebenso ratlos zu sein, wie ich.
    So taten wir das einzige, was uns in diesem Augenblick einfiel.
    Während wir uns die größte Mühe gaben, nicht zum Ziel eines der Angriffe zu werden, versuchte ich mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was genau ihre Absicht sein könnte.
    Sie provozierten, kämpften und entrissen den Menschen ihre Pokébälle. Sie hielten sie fest, taten ihnen Gewalt an. Es schmerzte mir in der Seele, mitanzusehen, wie sie sogar Kinder grob umherschubsten, bestahlen und sie verletzten und doch konnte ich nichts tun.
    Es war zu gefährlich. Und obwohl mir der Gedanke kein bisschen missfiel, hatte ich auch Angst.
    Ich wollte nach Hause, wo ich mich wenigstens ein wenig sicherer fühlen würde.
    Das Chaos in der Stadt wurde immer schlimmer.
    Es waren, abgesehen von den Rüpeln, kaum noch Menschen auf der Straße und wenn wir es nicht bald zurückschaffen würden, würde all das ein böses Ende für uns nehmen.
    Kampflos würde ich nicht aufgeben, aber wie sollte ich eine Chance haben, wenn sowohl Lucia als auch ich selbst nur zwei Pokémon dabei hatten, während wir von einer gewaltigen Überzahl an Feinden umzingelt waren?
    Doch noch während ich so verzweifelt nach einem Ausweg suchte, entdeckte uns schließlich doch eine von ihnen. Ein dürres Mädchen mit leuchtend roten Augen, die einen gefährlichen Kontrast zu den türkis gefärbten Haaren darstellten, die ein Teil der Galaktik-Uniform zu sein schienen.
    „Wo wollt ihr zwei Schäfchen denn hin?“, fragte sie höhnisch. Ihre hohe Stimmte klang nasal.
    „Schäfchen?“, flüsterte ich skeptisch.
    Ich würde es nicht wagen, ihr zu wiedersprechen, aber wütend machte es mich trotzdem.
    Sie spuckte uns vor die Füße, kam einige Schritte auf uns zu und musterte uns prüfend.
    „Ach, wie niedlich.“, sagte sie sarkastisch.
    „Ihr müsst ja ganz schön mutig sein, jetzt noch hier draußen rumzuschleichen.“, sagte sie lachend.
    Ich bemerkte, wie Lucia neben mir sich anspannte. Sie krallte ihre Hände um Pliprins Pokéball.
    Ich ahnte, wie sie sich fühlen musste. Pliprin und Igelavar waren jetzt ihre einzige Sicherheit, genauso wie es mir ging, wenn ich an Lohgock und Glaziola dachte.
    Ohne zu antworten starrte ich der kleinen Rotzgöre ins Gesicht. Ich war entschlossen, nicht kampflos aufzugeben. Selbst wenn hunderte von ihnen angreifen würden, würde ich mich zur Wehr setzten.
    Ich glaubte fest daran, dass es das war, was auch meine Freunde tun und von mir erwarten würden.
    „Los geht’s.“, murmelte ich zu mir selbst und griff Lohgocks Pokéball.
    Selbst, wenn meine Chancen zu gewinnen minimal waren, so verlangte es mein Stolz, es zu versuchen. Lucia tat es mir gleich.


    ~Drew~


    Ich konnte nicht leugnen, dass ich noch immer wütend auf Maike war.
    Sie sagte immer, sie verstünde nicht, warum ich mich ihr gegenüber so abweisend verhielt.
    Und eigentlich wollte ich es ihr auch nicht erklären. Es fühlte sich falsch an, ihr etwas zu sagen, was sie selbst längst wissen müsste.
    Trotz meines Grolls war ich schrecklich besorgt um sie.
    Wir alle machten uns größte Sorgen.
    Paul lief schon die ganze Zeit mit grimmiger Miene im Zimmer auf und ab.
    Drew, Lulu und Ju saßen unruhig in den Ecken, während Chris am Fenster stand und hinter den Gardinen hervor nach draußen spähte.
    Von unten konnte ich Norman und Caroline streiten hören. Sie als Eltern mussten es besonders schwer haben, solange sie nicht wussten, was mit ihrer Tochter passierte.
    Kannten die Gangster irgendwelche Grenzen?
    Was würden sie ihr antun?
    Wir alle hatten bereits beobachtet, dass sie für irgendetwas Pokémon zu sammeln schienen?
    Aber würden sie sich damit zufrieden geben?
    In Gedanken versunken kauerte ich auf dem Boden, versuchte verzweifelt einen Ausweg zu erfinden, aber es schien hoffnungslos.
    Umso überraschter war ich, als Chris plötzlich aufsprang.
    „Ich kann hier nicht länger untätig rumsitzen!“, sagte sie grimmig und noch bevor irgendwer von uns reagieren konnte, war sie auch schon zur Tür hinaus gerannt.
    „Verdammt!“, zischte ich zwischen den Zähnen hindurch.
    Ich war zutiefst verletzt, aber das war nicht der Zeitpunkt um tatenlos zuzusehen, wie die Menschen hier alles verloren. Nur, weil das hier nicht meine Zeit war und es vielleicht auch niemals werden würde, konnte ich das nicht einfach passieren lassen.
    „Wir gehen auch!“, bestimmte ich. Die anderen sahen mich an, als wäre ich völlig bescheuert.
    „Ich will hier nicht mehr warten. Begreift ihr nicht, dass sie nicht kommen werden, wenn wir nicht endlich losgehen?
    Irgendwie gelang es mir schließlich doch noch, sie zu überreden.
    Wir gingen in kleinen Gruppen nach draußen, um nicht zu sehr aufzufallen, aber wir gaben uns die größte Mühe, uns nicht zu verlieren. Wenn etwas passierte, brauchten wir die Stärke unserer Gruppe. Zu unserem Glück waren die Rüpel eher auf die Innenstadt konzentriert, weswegen hier um die Arena herum kaum einer von ihnen zu sehen war.
    Es machte mich zuversichtlich, dass wir es sicherlich in die Stadt schaffen würden und somit eine Chance hatten, die beiden Mädchen zu finden. Außerdem hatten wir ihre sämtlichen Pokébälle mitgenommen. Jede Verstärkung war in dieser Situation von nutzen.
    Wenn wir ein wenig Glück hatten, würde Chris sie schon gefunden haben, das würde einiges erleichtern. Ich lief zusammen mit Lulu und Ju, vermutlich aus reiner Gewohnheit.
    Paul hatte sich mit meinem älteren Ich zusammen getan. Norman und Caroline waren in der Arena geblieben. Sie kümmerten sich um die Trainer, die sich dorthin geflüchtet hatten.
    Max hatte zwar laut protestiert, aber sie hatten dennoch nicht nachgegeben und so musste auch er dort bleiben. Jetzt galt es, keine Zeit mehr zu verschwenden.


    ~Maike~


    Es schien zum Verzweifeln. Ich dachte nicht im Traum daran, aufzugeben, aber die Angst übermannte mich mehr und mehr. Unsere Pokémon kämpften bereits mit aller Kraft, aber es schien, als kämen auf jeden Gegner, den wir besiegten mindestens drei neue.
    Es war zwecklos. Ich gestand es mir nicht gerne ein, aber wir hatten keine Chance, hier zu gewinnen.
    Die Polizei mischte sich bereits ein und ich glaubte, noch andere Trainer kämpfen zu sehen, wenn sie die Masse an Rüpeln mal für einen kurzen Augenblick lichtete.
    Umso erleichterter war ich, als ich plötzlich jemanden sprechen hörte.
    „Genug jetzt!“, rief sie und tatsächlich wurde es augenblicklich ruhig um uns herum.
    Sogar die Rötzgöre, die uns zuvor noch angegriffen hatte, schwieg und wartete.
    Sie blickte respektvoll in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
    Wie konnte das nur sein? Irgendetwas stimmte nicht.
    „Es reicht. Wir haben genug. Lasst sie laufen, sie stellt keine Gefahr mehr dar.“
    Die Massen teilten sich und eine mir nur zu vertraute Gestalt zeigte sich.
    „Maike, meine liebe.“, sagte die junge Frau spöttisch.
    „Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dir auch deine letzten Fragen zu beantworten.
    Du kannst jetzt nichts mehr tun. Ich habe gewonnen.“
    Ich zuckte zusammen, als ich die Kälte in ihrer Stimme hörte. Vor mir stand Chrissie in einer Art Uniform, die denen von Team Galaktik gefährlich ähnelte. Sie trug einen hautengen grauen Anzug, der irgendwie einer Rüstung ähnelte. Mit dem blauen Rock und dem Brustpanzer wirkte das Ganze Outfit irgendwie zu ausgefallen. Was bedeutete das alles?
    „Was guckst du so geschockt? Hast du wirklich geglaubt, das alles wäre Zufall gewesen? Zugegeben, dass du mit in der Vergangenheit gelandet bist war nicht geplant.“ Sie lachte.
    „Wieso?“, fragte ich kraftlos.
    „Wieso tust du das?“
    Traurig und enttäuscht betrachtete ich sie. Ich hatte nicht mehr die Kraft, wütend zu werden.
    Ich wollte schreien, aber meine Stimme versagte und auch Lucia schien viel zu erschrocken über den Anblick dieser neuen Feindin.
    Chrissie hatte sich vor uns aufgebaut. Sie hob sich stark von der Menge ab.
    Sie wirkte so selbstbewusst wie noch nie, obwohl man sie wirklich nicht als schüchtern beschreiben konnte. Sie war sich sicher, dass jeder einzelne von den Rüpeln ihr aufs Wort gehorchen würde.
    Sie war völlig ruhig. Sie wusste, dass sie gewinnen würde.
    Und wir wussten es auch. Team Galaktik war übermächtig.
    Doch was uns wirklich schwächte waren nicht einfach die Müdigkeit und die Hoffnungslosigkeit.
    Es war die Enttäuschung ihres Verrats.
    Obwohl ich es so klar vor mir sah, konnte ich es einfach nicht begreifen.
    „Wieso?“, schrie ich sie an.
    Ohne darüber nachzudenken brüllte ich all meine Wut heraus.
    „Was soll diese Scheiße? Warum machst du das? Warst du nicht immer diejenige, die ach so tolle Ratschläge hatte? Hast du uns die ganze Zeit nur was vorgespielt?“
    Meine Augen brannten und wenn Lucia mich nicht am Handgelenk gefasst hätte, wäre ich wohl auf sie losgegangen.
    Sie kniff wütend die Augen zusammen.
    „Ich soll euch etwas vorgespielt haben? Warst du nicht diejenige, die uns von Anfang an belogen hat?
    Denkst du, ich hätte es nicht gesehen?“ Sie wirkte nicht verbittert. Sie lachte noch immer.
    „Weißt du, mir war es egal. Aber was denkst du, wie sehr es die anderen verletzt hat?
    Du spielst mit ihren Gefühlen? Warum also machst du mir Vorwürfe?“
    Das schlimmste an allem war, dass sie Recht hatte.
    Ich hatte alle die ganze Zeit belogen.
    Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Mein Kopf schmerzte, ich war verwirrt und mir war schwindelig. Wie sollten wir da nur wieder rauskommen?
    „Hey du!“, Chrissie drehte sich zu dem Mädchen um, welches und vorhin angegriffen hatte.
    „Ist alles soweit?“ Sie überbrückte die wenigen Meter, die uns trennten und entriss mir meine Pokébälle.
    Lohgock knurrte sie wütend an.
    „Kein Mucks mehr, Piepmatz, sonst wird sie leiden.“
    Ein Schauer lief mir über den Rücken. Meinte sie das etwa ernst?
    Sie schnappte sich auch noch Lucias Pokémon.
    „Bring die hier ins Labor zu den anderen.“, befahl sie dem Mädchen. Die Rotzgöre sah Chrissie aus großen Augen voller Respekt an, als sie nickte. Sie nahm ihr unsere Pokébälle ab und verschwand in der Menge.
    „Ich danke dir für deine Hilfe.“, erklärte Chrissie, aber in ihrer Stimme klangen nach wie vor nur Spott und Verachtung mit.
    Ohne ein weiteres Wort verschwand auch sie.
    Die Rüpel ließen uns zurück und folgten ihr.


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    Hab übrigens vor Ewigkeiten mal Versucht, Chris Uniform zu zeichnen. Hab das Leider nicht sooo gut hinbekommen, sie zu beschreiben,
    wer möchte kann sich also gerne mal anschauen, wie genau ich sie mir vorgestellt habe ^^'

  • Oh wow, du kannst ja mal megagut zeichnen <3
    Und die beiden Kapis waren richtig spannend, du hast dich nochmal selbst übertroffen :)
    Und ja du hast recht: Das war eindeutig ein seeehr fieser Cut^^
    Das hat mich wirklich geschockt, das Chrissie zu Team Plasma gehört, aber irgendwie kam sie mir von anfang an leicht komisch vor.
    Na ja, jetzt wird das große Geheimnis um die Zeitreise endlich aufgelöst :)
    Mach weiter so!

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    Würde mich freuen wenn ihr mich addet, falls ihr eines dieser Pokemon habt: LuxioBisaknospIgastarnishRutenaIgnivor


  • Ich habe für mich beschlossen, dass ich ab jetzt wieder schneller uploade, einmal die woche, wenn ich es schaffe, weil ich 1) schon wieder einige kapits vorgearbeitet habe :) und
    2) endlich fertig werden will :)
    ich hoffe trotzdem auf kleine kommis, damit ich noch ein bisschen fleissiger dran arbeite :)
    Genug geschwätzt, viel spaß beim lesen >___<

    -29-

    Despair

    ~Drew~


    Entgegen unseren Vermutungen waren auch in der Innenstadt immer weniger Rüpel. Was war hier passiert?
    Überall konnte man sehen, dass hier gekämpft worden war.
    Scheiben und Schaufenster waren zu Bruch gegangen, Bänke, Mülltonnen und Straßenschilder waren beschädigt, umgeworfen und zerstört. Blumenbeete waren zertrampelt worden und überall waren Spuren von Attacken zu sehen. Pfützen, Sand, Brandflecken überall.
    Was war nur passiert? Die anderen waren genauso geschockt von dem Anblick, wie ich. Wir versammelten uns hier wieder als Gruppe, um uns zu beraten. Wo konnten sie nur sein?
    Wohl kaum noch auf der Einkaufsstraße.
    Uns viel nur eine Idee ein, wie wir sie vielleicht finden konnten, auch wenn es gefährlich war.
    „Fukano.“, erklärte mein älteres Ich.
    „Es könnte vielleicht ihre Spur aufnehmen.“ Wir waren nicht wirklich zufrieden mit dieser Möglichkeit, aber es war die einzige, die wir zu Zeit hatten.
    Somit erklärten sich alle einverstanden und Lulu ließ Fukano aus dem Pokéball.
    Hier waren nicht mehr so viele Rüpel. Sie würden es nicht gefangen nehmen können. Dazu hatten wir zu viele Pokémon bei uns, die kämpfen konnten.
    Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.
    Zu langsam, um es richtig zu sehen schien sich der Himmel zu verdunkeln. Es war noch zu früh für die Dämmerung. Irgendetwas passierte und wir hatten keine Zeit, erst herauszufinden, was es war.
    Wir mussten es aufhalten.

    Fukano fand tatsächlich sehr schnell ihre Fährte und führte uns eifrig mit dem Schwanz wedelnd durch die Menschenleeren Straßen.
    Ich fragte mich, ob es den Ernst der Lage verstanden hatte.
    Wir liefen bestimmt zehn Minuten, wahrscheinlich länger, bis Fukano sie endlich fand.
    Die Mädchen saßen in einer Seitenstraße auf dem Bürgersteig.
    Maike hatte die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf darauf gebettet.
    Als wir näher kamen sah ich, dass sie zitterte. Es brach mir das Herz, sie so zu sehen, doch noch viel mehr schmerzte es, dass nicht ich es sein konnte, der sie jetzt tröstete.
    Lucia war sofort aufgesprungen als sie uns bemerkt hatte. Paul hielt sie im Arm. Auch sie zitterte.
    Was auch immer den Mädchen passiert war, es hatte sie zutiefst erschüttert.
    Ich ignorierte die Blauhaarige und ihren Freund. Ich konnte meine Augen nicht von Maike wenden, die in den Armen ihres Freundes leise schluchzte.
    Sie murmelte irgendetwas vor sich hin, was ich von hier aus nicht verstehen konnte.
    Die Mine des älteren Drew verhärtete sich.
    In mir kämpften zwei Gefühle. Ich wollte ihr helfen, wollte unbedingt wissen, was ihr passiert war. Wollte den bestrafen, der ihr das angetan hatte.
    Doch gleichzeitig lähmte mich der Schmerz, den der Anblick der beiden in mir auslöste.
    Und wieder fragte ich mich, wieso ich damals nicht einfach in Hoenn geblieben war.
    Tatsächlich war ich ja nur nach Sinnoh gegangen, weil sie ein unbegreifliches Interesse in mir geweckt hatte. Jemand, der von Beginn seiner Reise an so gut war, das wollte ich einfach mit eigenen Augen sehen. Ich hatte keinen Zweifel daran gehabt, dass es egal war, ob ich nun in Sinnoh noch einmal anfing, Bänder zu sammeln. Es wäre ein leichtes für mich.
    Wie hätte ich auch daran denken können, dass mir so etwas passieren würde?
    Unglücklich verliebt zu sein war etwas, was wohl jeder schon mal erlebt hatte. Wieso musste es in meinem Fall so aussichtslos sein?
    Wenn man gegen sich selbst verlor, was sollte man dann tun?
    Diese Gedanken überwältigten mich. Ich spannte den Kiefer an. Das war nicht der richtige Moment, sich diesen Gefühlen hinzugeben.
    Ich hasste mich dafür, dass ich am liebsten geweint hätte. Nicht um sie, sondern weil ich den wichtigsten Kampf meines Lebens verloren hatte.
    Ich hatte mir geschworen, nie wieder zu weinen. Nicht wegen einem albernen Kampf.
    Nicht einmal dann, wenn er meine gesamte Zukunft entschied.
    Nicht einmal, wenn ich wusste, dass ich eigentlich dazu bestimmt war, mit ihr zusammen zu sein.
    War das, was ich hier vor mir sah nicht der Beweis? Sie hatte sich in mich verliebt. Wir waren Glücklich. In einer anderen Zeit. In einer, in die ich nicht hineingehörte.
    Wie oft hatte ich jetzt mit ansehen müssen, wie sie sich in den Armen hielten?
    Wieso musste es jetzt immer noch so wehtun?
    „Wer hat das getan?“, fragte ich laut. Ich ging hinüber zu den beiden.
    „Was ist euch passiert?“


    ~Maike~


    Drew zitterte vor Wut. Wie würde er reagieren, wenn ich ihm von Chrissie erzählte?
    Ich konnte es ja selbst kaum glauben.
    Mir ging so viel durch den Kopf. Hilfesuchend schmiegte ich mich enger an meinen Freund an, während ein jüngeres Ich mich noch immer durchdringend anstarrte.
    Ich schluckte nervös. Was sollte ich ihm erzählen?
    Ich wusste es doch selbst nicht. Was sollten wir jetzt tun?
    Chrissie hatte etwas von einem Labor gesagt. Wären wir in der Lage diesen Ort zu finden?
    Oder war es schon zu spät dafür?
    „Ich weiß es nicht.“, brachte ich schließlich heraus.
    „Es waren zu viele und…“
    „Maike!“, unterbrach mich Lucia. Ich sah sie an. Meine Freundin wirkte entschlossen.
    „Wir werden es schaffen. Auch, wenn wir jetzt eine Verbündete weniger haben.“
    Die anderen starrten sich verständnislos an.
    „Ist Chris etwas passiert?“, fragte Lulu besorgt. Traurig schüttelte ich den Kopf.
    „Sie ist in Ordnung. Aber…“ Wie sollte ich ihnen das nur erklären. Ich schluckte noch einmal.
    Meine Kehle war wie zugeschnürt, aber irgendwie brachte ich es dann doch heraus:
    „Sie hat uns verraten. Sie ist eine von ihnen. Sie ist unser Feind.“
    Es dauerte, bis meine Worte wirklich zu ihnen durchdrangen.
    Lucia schien am meisten mitgenommen. Es war auch kein Wunder. Ich hatte gesehen, wie sehr sie sie bewundert hatte. Für ihren Mut, alles hinter sich zu lassen.
    Für ihre Art, immer ihren Siegeswillen zu behalten. Dafür, dass sie sich so für uns eingesetzt hatte?
    Sollte das alles nur gespielt gewesen sein?
    Die Enttäuschung wallte in mir wieder auf und mir stiegen schon wieder diese verdammten Tränen in die Augen. Das hier war nicht die Zeit, zu heulen.
    Warum hatte ich nicht früher begriffen, dass etwas mit ihr nicht stimmte?
    War sie nicht die einzige außer mir gewesen, die plötzlich verändert gewesen war? Älter.
    Wieso hatte ich das als Zufall abgetan?
    Oder war es das wirklich? Hatte sie sich nicht immer von uns abgehoben?
    Das konnte ich mir doch jetzt nicht alles einbilden, oder?
    „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte ich schwach. Ich hatte keine Kraft mehr.
    Ich fühlte mich betrogen und zugleich wie eine Betrügerin. Ich war doch wie sie. Ich hatte sie alle belogen. Welches Recht hatte ausgerechnet ich, sie zu verurteilen.
    „Sei jetzt still!“ Drew jüngeres ich schien an die Grenze seiner Geduld zu kommen.
    Er wirkte langsam wirklich furchteinflößend auf mich. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück.
    „Hör endlich auf zu heulen.“, blaffte er mich an.
    Merkst du nicht, dass du das die ganze Zeit machst? Bei jeder verdammten Niederlage heulst du wie ein kleines Kind. Steh auf, mach etwas! Oder hast du nichts gelernt in all der Zeit.“
    Er warf dem älteren einen scharfen Blick zu.
    „Hast du nicht immer gesagt, es sei genau das, was er dir beigebracht hat. Dein ach so toller Engel?“
    Jetzt schwang fast die gleiche Kälte in seiner Stimme mit, die ich zuvor bei Chrissie gehört hatte.
    Das schlimmste daran war aber, dass er Recht hatte. Schuldbewusst nickte ich.
    „Es tut mir leid.“ Meine Stimme war leise und rau, aber ich gab mir größte Mühe, entschlossen zu klingen.
    „Los geht’s!“ Ich wünschte nur, ich würde mir selbst glauben können. Ich war bei weitem nicht so stark, wie ich gerade vorgab, zu sein.

    Obwohl ich mich wenigstens nach außen hin endlich hatte überzeugen können, waren wir ratlos.
    Wo sollten wir anfangen?
    Wir wussten doch überhaupt nicht, wo dieses Labor sein sollte.
    Ich konnte es mir in etwa vorstellen. Ein leerer Ort, man würde wohl kaum zu viel Platz brauchen, schließlich war Chris noch nicht sehr lange hier?
    Auch wenn Blütenburg verglichen mit manchen Städten wie zum Beispiel Flori oder Wurzelheim groß war, war es wirklich möglich, dass sie sich Tagelang versteckt hatte?
    Andererseits hatten Lulu und Drew jüngere Version Wochenlang in meinem Zimmer gelebt, weil sie nicht nach draußen durften. Man kannte beide hier zu gut und es hätte würde nur alles komplizierter gemacht, wenn man sie gesehen hätte.
    Ob man es jetzt Glück nennen wollte oder doch eher eine Katastrophe konnte letztlich jeder selbst entscheiden, aber die Zeit befreite uns von diesem Problem.
    Der Himmel verdunkelte sich endgültig und es wurde für einige Sekunden unmöglich, überhaupt etwas zu erkennen. Dann stabilisierten sich die Sichtverhältnisse und nach einem Moment, in dem sich meine Augen daran gewöhnten konnte ich wieder mehr oder weniger in dem schwachen Dämmerlicht sehen, dass über der Stadt lag.
    Ich wünschte, es wäre dabei geblieben.
    Eine Art Donnern zerriss die Stille. Unwillkürlich zuckte ich zusammen.
    Alle Augen richteten sich gen Himmel. Die Wolken, die das helle Blau des Tages für uns unsichtbar machten schienen völlig unbeweglich.
    Als wären wir hier gefangen. Kein Wind wehte und kein Ton war zu hören. Nur unser angestrengtes Atmen. Dann brach die Stille endgültig. Wie bei einem Erdbeben rissen die Straßen auf, alles schien sich zu verschieben und ich ließ mich auf die Knie fallen, um mir wenigstens nicht den Kopf zu stoßen, falls ich mein Gleichgewicht verloren hätte.
    Ohne Vorwarnung riss die Wolkendecke auf, doch anstelle des Himmels sahen wir dahinter ein undefinierbares Nichts. Eine alles verschlingende Dunkelheit, die sich von dort aus auszubreiten schien. Das schlimmste war, dass mir dieses Nichts schon viel zu vertraut war.
    Nicht schon wieder. Ich wollte nicht schon wieder von hier weggerissen werden.
    Ich wollte endlich in Frieden leben und nicht immer in der Zeit herumreisen.
    Ich wollte nicht mehr länger vorgeben, jemand zu sein, der ich nicht war.
    Dann erblickte ich sie. Nacheinander tauchten beide auf.
    Es war nicht zu erkennen, woher die beiden kamen. Erst Dialga, dann Palkia.
    Egal, was jetzt passieren würde, Team Galaktik hatte gewonnen. Gegen diese beiden konnte niemand von uns etwas ausrichten. Die winzige Hoffnung, sie würden mir wieder helfen, so wie bei unserer letzten Begegnung löste sich sofort wieder in Luft auf.
    Sie schienen außer Kontrolle und zerstörten Wahllos einige der wenigen hohen Gebäude in Blütenburg. Stumm flehte ich, dass niemand verletzt wurde.
    Es war zu spät. Uns alle erwartete nun nur noch das Verderben. Es gab keine Chance mehr zur Flucht und keine Chancen, zu gewinnen. Wir waren geliefert.
    Ich verlor alle Zuversicht, die die anderen mir mühsam eingeredet hatten.
    „Es ist zu spät.“, flüsterte ich und ich las in ihren Gesichtern, dass sie alle es wussten.
    Somit endeten wir damit, uns alle zusammen zu setzen. Ich lag in Drews Armen, schloss die Augen und wartete. Wir alle warteten nur noch auf das Ende.

    Ein Ruf ließ mich hochschrecken.
    „Was zum Teufel macht ihr denn da? Das ist ja wohl kaum die richtige Zeit zum Schlafen!“
    Vor uns Stand ein Mädchen. Sie war vermutlich älter als ich, wenn auch nur einige Jahre.
    Ihre langen, violetten Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden und hingen ihr dennoch zerzaust über die Schultern, als sie sich zu uns herunter beugte.
    „Ist einer von euch verletzt?“ Ich schüttelte den Kopf.
    „Dann ist ja alles gut. Los jetzt.“ Sie blinzelte.
    „Ihr habt noch eure Pokémon? Super. Dann müsst ihr mitkommen und mir helfen.“
    Sie sah uns eindringlich aus großen, bernsteinfarbenen Augen an.
    Wir starrten zurück. In etwa so, wie man eine Verrückte ansieht.
    „Was willst du bitte machen? Sie haben doch schon gewonnen.“
    Sie kniff wütend die Augen zusammen.
    „Wow.“, sagte sie sarkastisch. „Euer Enthusiasmus wirft mich ja fast um. Jetzt kriegt endlich eure Ärsche hoch und tut was. Du!“ Sie sah mich scharf an.
    „Du warst doch mit ihr unterwegs. Willst du wirklich sagen, das alles hier geht dich nichts an?“
    Sprach sie von Chrissie? Wer war dieses Mädchen?
    Langsam hievte ich mich hoch.
    Sie sah noch einmal durch die Menge.
    „Ihr auch. Wollt ihr auf ewig hier festhängen? In einer Zeit, in der für euch kein Platz ist?“
    Drew zuckte zusammen. Ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte.
    Ich vermutete, dieser Gedanke war ihm auch schon gekommen. Ging es ihm deshalb seit Tagen so schlecht?
    „Na geht doch!“ Sie grinste. Dieses Mädchen war verdammt merkwürdig, aber es schien, als könnte sie uns helfen. Ich betete, dass wir ihr vertrauen konnten. Es war eine letzte Chance, die ich ergreifen konnte. Ich wollte diese Chance nutzen.
    Schließlich war es meine Schuld, dass auch Lulu, Ju und Drew mit hier drinsteckten.
    Schließlich hatte ich nicht verstanden, dass nichts was Chris jemals gesagt hatte, die Wahrheit gewesen war. War es wirklich so?
    Gab es nicht Momente, in denen sie sie selbst gewesen war?
    Ich wusste es nicht. Darauf kam es jetzt auch nicht an.
    „Ich folge dir.“, erklärte ich. „Ich will etwas tun.“, sagte ich mit aller Entschlossenheit, die ich noch aufbringen konnte.
    „Klasse.“, strahlte sie. „Ich bin Celia. Schön, euch kennen zu lernen.“
    Sie ist wirklich merkwürdig, dachte ich mir und ich sah den anderen an, dass sie ähnlich dachten.
    „Dann kommt mit. Ich weiß, wo das Labor ist. Da halten sie sich auf!“