Fremde Welten

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  • Hey Shira, ich stolperte zufällig vorbei und sah dein Drabbleprojekt.


    Wie es der Zufall will, bin ich stolzer Besitzer jenes tollen Buches, allerdings habe ich es sicherlich bereits seit einem Jahr nicht mehr angeschaut und will es auch nicht sofort tun, um mich hier nicht zu spoilern.


    Ich finde deine Idee absolut gelungen. Auch wenn nicht immer klar wird, was das ursprüngliche Wort genau bedeuten soll, so ist das Werk, dass du hier geschaffen hast, wie ein grosses Haus mit vielen Fensterlein, durch die ich in ein kleines Zimmerlein einen Blick auf eine kleine Szene erhaschen kann. Dadurch, dass bekannte Figuren wiederkehren, gewinnt man als Leser schnell ein Attachment, man ist neugierig wie bei einem Adventskalender, was sich hinter dem nächsten Türchen befindet, man will wissen, wie es mit Maya und Erik etc weitergeht. Gleichzeitig ist es ein besonderer Spass, nicht zu wissen, an welcher Stelle das Türchen aufgeht, welche Personen drin mitspielen und an welchem Zeitpunkt der Handlung der Drabble situiert ist. Das kreiert ein neuartiges Spannungsfeld, das man von herkömmlichen Geschichten eher weniger kennt (foreshadowing bzw Flashbacks sind zwar bekannte Stilmittel, aber es kommt imo nie an die zeitliche Lückenhaftigkeit heran, die du hier zelebrierst). Wer ist Erik? Wer ist Halim? Was haben die mit Maya zu tun? Wie kommt Sabia von Afrika nach Schweden oder Norwegen oder wo auch immer der Fjord liegt? Man will als Leser unbedingt die nächsten Türchen lesen, um auf diese Fragen eine Antwort zu bekommen; eine Hoffnung, die wohl vergeblich ist, doch genau da liegt für mich der besondere Reiz, dass man eben nicht den vollständigen Überblick hat über die Leben der Figuren, sondern dass genügend Platz für eigene Fantasie bleibt.


    Es ist allerdings nicht ganz alles positiv, vom ein oder anderen Tipp- und Grammatikfehler abgesehen (zB in Ubuntu: "das ist das Schöne an Afrika" anstatt "das schöne", in Wabi-Sabi "sie Ame" statt "sieb Ame") finde ich, dass manche Drabbles etwas gar forciert um das Wort herumgebaut sind. Als schlechtestes Beispiel ist mir hierbei Wabi-Sabi aufgefallen, dass sich weder natürlich in die anderen Fensterchen einbettet (es ist Ames einziger Auftritt), was per se nicht so schlimm ist, vllt gibt's ja später mehr dazu, aber in Kombination mit dem plump wirkenden Einbau des Wortes selbst verliert dieser Drabble den leichten Zauber der Natürlichkeit, der den meisten anderen wie angeboren scheint. Auch Tiám leidet etwas an dieser Krankheit, wieso genau braucht Maya dieses Wort an der Hochzeitsfeier? Es scheint mir ja nicht die lokale Sprache zu sein, aber vielleicht täusche ich mich hier. Und wenn es in der Sprache von Manoj ist, so fühlt sich auch dieser Ausweg so an, als hätte man Manoj extra die Nationalität für dieses Wort verliehen und nicht umgekehrt.


    Alles in allem eine wirklich tolle Arbeit, auf deren Fortsetzung ich nicht kurz genug warten kann. Als Verbesserungspunkte für die Zukunft mitnehmem, dass die Worte in jedem Fall möglichst natürlich in die Welt eingebaut werden, und nicht die Welt um die Worte herumgebaut wird. Das gelingt dir schon in den meisten Fällen ausserordentlich gut, doch eine Quote von 100% wäre noch schöner.


    Gruss, Buxi

  • XIX d


    Fröhliche Weihnachten! An alle, die es noch heute am zweiten Feiertag lesen. Ansonsten einfach einen schönen Tag/Resttag/wann auch immer ihr hier seid. Ich hoffe ihr habt und hatte eine schöne Zeit!
    Heute sind wir schon beim vorletzten Teil meiner Drabbles angekommen. Geschrieben habe ich das letzte am 21. Dezember. Es war eine sehr interessante, häufig anstrengende, aber doch sehr schöne Erfahrung und ich danke @Buxi vielmals dafür, dass diese Drabbles, die teilweise um halb zwölf (nachts) innerhalb von zwanzig Minuten entstanden sind, zu seinen Lieblingswerken diesen Jahres zählen. Das ehrt mich sehr! Ich hoffe, dass auch alle, die mit vielleicht zu hohen Erwartungen aus diesem Topic hierher gefunden haben, nicht enttäuscht wurden. Und dass alle, die dies lesen, sich über weitere Ausschnitte aus Mayas Leben freuen. Wie gewohnt ist das Vorwort gleich. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!



    Lost in Translation


    1. Dezember
    Poronkusema
    Die Sonne schien, doch die Hitze war verschwunden. Vielleicht lag es daran, dass der Sommer endete, wahrscheinlicher war, dass es in Finnland nicht so heiß wurde. Der Wald stand noch in voller Pracht und Maya lief einfach hindurch. Immer weiter. So lange sie konnte. Es war verrückt. Sie hatte es nicht glauben wollen, als ihr Gastgeber es vorschlug.
    „Das klingt gar nicht gut“, hatte er gesagt, als Maya ihm von ihrer Trennung erzählte. „Du solltest es machen wie die Rentiere. Du läufst einfach so lange, bis du eine Pause brauchst.“
    Genau das tat sie. Und es half ihr wirklich.



    2. Dezember
    Nunchi
    „Sie schaffen es einfach nicht.“
    Überrascht blickte Maya auf, als der Koreaner neben ihnen plötzlich Deutsch sprach.
    „Und was?“, fragte Halim ungeniert, als sei es ganz natürlich, dass er die Menschen überall verstand.
    „Das Paar dort.“ Der Mann zeigte auf einen Tisch etwas weiter hinten. „Sie hören einander nicht mehr zu“, erklärte er und fuhr seufzend fort: „Es ist eine unbeachtete Kunst.“
    Mit diesen Worten stand er auf, verließ das Lokal und ließ Maya und Halim mit dieser Aussage alleine.
    In Mayas Kopf hallten die Worte nach, bis sie den Mut fand, sich einzugestehen, dass sie nicht anders waren.



    3. Dezember
    ’akihi
    „Bin auf dem Weg. Bis gleich!“
    Als Maya auflegte, kam ein Mädchen, nicht älter als sie selbst, auf sie zu.
    „Gott sei Dank, jemand, den ich verstehe“, sagte es, als es Maya erreichte. „Ich hab’ mich verlaufen. Kannst du mir sagen, wie ich zu dem Fischrestaurant komme?“
    „Klar. Du folgst diesem Weg bis zur Kreuzung. Dann links und gleich wieder rechts. Da ist es auf der linken Seite.“
    „Kannst du mir das aufschreiben? Ich kenn’ mich, ich geh sonst ’akihi.”
    „Weißt du was? Ich muss auch dahin. Ich begleite dich, aber du musst mir erklären, was das bedeutete.”
    „Einverstanden.”



    4. Dezember
    Murr-ma
    „Was tust du da?“
    „Warte.“
    „Was?“
    „Warte!“
    Halim klang genervt, doch Maya war mir dieser Antwort alles andere als zufrieden. Skeptisch musterte sie ihren Freund, der durch den flachen Bach watete, als suchte er etwas. Er schaute sehr konzentriert; nur nicht nach unten.
    „Hab’s gleich“, sagte er und ging noch etwas weiter.
    Auf Mayas Gesicht blieben Fragezeichen. Eine seltsame Art, Australien zu erkunden.
    „Ja!“, rief Halim triumphierend und fischte einen hellen Stein aus dem Wasser. Dann reichte er ihn Maya und lächelte entschuldigend. „Für dich. Ich wollte einen perfekt runden Stein finden - hätte nur gedacht, dass es schneller geht.“



    5. Dezember
    Goya
    Strahlend schien die Sonne auf das Land, wo wilde Pferde noch frei waren. Soweit man sehen konnte, erstreckte sich die Prärie. Das junge Pferd galoppierte. Es lief mit dem Adler um die Wette und spürte den Wind in seiner Mähne. Es war wild und frei.


    „Warum kann Tarachí nicht mit dem Adler zusammen fliegen?“
    Die helle Kinderstimme ließ das Bild der Prärie verblassen und Maya musste sich kurz orientieren, wo sie war.
    „Ist Tarachí ein so besonderes Pferd?“, fragte Manoj die kleine Lena, die nickte und ihr Spielzeugpferd durch die Luft galoppieren ließ.
    „Okay“, sagte er und erzählte weiter.



    6. Dezember
    Iktsuapok
    „Könntest du bitte endlich damit aufhören?“
    Halim saß ausgestreckt auf dem Sofa und sah genervt zu Ame, der im Wohnzimmer auf und ab lief. Gelegentlich sah er aus dem Fenster; einmal war er sogar vor die Tür gegangen. Er war sichtlich nervös.
    „Er ist halt aufgeregt“, nahm Maya Ame in Schutz, ehe sie ihn direkt ansprach: „Brauchst du aber nicht zu sein. Sie wird kommen.“
    Doch Ame lief weiter, als hätte er sie nicht gehört.
    „Inuit machen das auch“, meinte Halim plötzlich.
    „Ja?“
    „Hab ich irgendwo mal gelesen. Oder so.“
    „Oder so“, echote Maya.
    In diesem Moment klingelte es.



    7. Dezember
    Forelket
    „Du verwirrst mich, Maya.“
    „Tut mir leid“, sagte diese, konnte jedoch trotzdem nicht aufhören, zu grinsen.
    „Das sollte dir nicht leidtun müssen. Es ist ungewohnt, aber doch wundervoll, dass du wieder glücklich sein kannst.“ Von Mayas Euphorie angesteckt musste auch Svenja lächeln.
    Nachdem sie aus Norwegen zurückgekehrt war, war Maya sofort zu ihrer Schwester gefahren. Sie hatte das Gefühl gehabt, gleich platzen zu müssen, wenn sie nicht irgendwem von ihrem Glück erzählen würde.
    „Er ist wunderbar“, verfiel sie wieder ins Schwärmen. „Und es ist anders; aber es fühlt sich so richtig an.“
    „Maya“, betonte Svenja eindringlich, „es ist richtig.“



    8. Dezember
    Tretåg
    „Deine wievielte Tasse ist das?“
    Maya blickte auf, als sie Eriks Stimme hörte; er stand im Eingang zur Wohnküche und blickte fragend zu Svenja, die sich gerade Kaffee nachschenkte.
    „Das eben war påtåg, also tretåg“, antwortete diese und setzte sie wieder zu ihrer Schwester.
    „Und es war sicher nicht die letzte.“ Erik kannte sie gut genug, um nicht fragen zu müssen. Entschuldigend lächelte Maya ihm zu.
    „Lasst euch nicht aufhalten“, seufzte er. „Ich wird’ wohl ins Kino gehen.“
    „Ich liebe dich“, sagte Maya und Erik schenkte ihr einen Blick, in dem reines Verständnis lag.
    „Viel Spaß euch beiden noch.“



    9. Dezember
    Tsundoku
    „Und das ist mein Raum der ungelesenen Bücher“, präsentierte Ame sein Wohnzimmer, einen Raum mit einem gemütlichen Sofa, einem kleinen Fernseher und einem riesigen Bücherregal.
    „Hast du wirklich keins davon gelesen?“, fragte Maya, als sie noch weitere Bücherstapel entdeckte.
    „Doch, ein paar schon“, antwortete Ame, „aber ich komme nicht hinterher. Ich sehe ein Buch, das interessant klingt, und muss es einfach kaufen, egal wie viele Bücher ich sonst noch habe. Immer mehr tsundoku.“
    „Deutsche sagen Teufelskreis“, meinte Maya, auch wenn sie sich sicher war, dass Ames japanisches Wort genauer war.
    „Ja, das ist es auch“, stimmte Ame ihr zu.



    10. Dezember
    Sgríob
    „Das müssen wir feiern!“, meinte Helen und drückte Ame ein Whiskeyglas in die Hand. Dann schenkte sie auch den anderen ein.
    „Whiskey?“, fragte Luka wenig überzeugt.
    „Probier ihn“, war Helens schlichte Antwort.
    Doch als Luka zum Trinken ansetzte, hielt Helen ihn auf, noch bevor er den ersten Schluck nehmen konnte.
    „Was ist denn noch?“
    „Wir haben nicht angestoßen“, riet Erik.
    „Ja, das haben wir auch noch nicht“, sagte Helen, „aber ich meinte, du musst ihn genießen. Du musst Sgríob spüren.“
    Prüfend hob Maya nun selbst ihr Glas zum Mund und spürte, wie der Geruch ihre Oberlippe zu streifen schien.

  • XIX e

    So sind wir nun also am Ende meiner kleinen Drabblereihe angekommen. Ich hoffe, euch hat es gefallen und ihr hattet ein besseres Jahr 2017 als ich. Wenn nicht: Es ist bald vorbei.^^ Also guten Rutsch euch allen! Und ab morgen dann ein frohes neues Jahr!
    Ich werde übrigens das versprochene Nachwort erst nächstes Jahr nachtragen. Ich hab meine Zeit die letzten Tage einfach nicht vernünftig eingeteilt ... Aber ihr kriegt noch die Liste mit den Bedeutungen der Wörter und einer groben Reihenfolge der Drabbles, keine Sorge.
    Was ich hingegen geschafft habe (nach knapp zwei Jahren, aber das übergehen wir jetzt) ist die Entfernung der Tabmenus. Das bedeutet, dass sich in diesem Thema kein einziges mehr finden lässt. Ich tu so, als wäre das eine viel zu große Sache. xD Auf jeden Fall bin ich nun endlich damit fertig und kann es nicht mehr vor mir herschieben. Und es war so ziemlich das Produktivste, was ich die letzten Tage getan habe ...
    Also dann: Einmal noch das gleiche Vorwort, einmal noch eine Ladung an Drabbles rund um Maya und ihre Freunde. Ich hoffe, ihr habt Freude daran und wir sehen uns im neuen Jahr!



    Lost in Translation


    11. Dezember
    Naz
    Ruhige Musik ließ diesen wunderschönen Abend ausklingen, als Maya sich zu Erik setzte. Ihr Blick streifte die verbliebenen Tänzer und blieb am Brautpaar hängen. Lächelnd sah Maya, dass Svenja die Augen geschlossen hatte, sich ganz auf ihren Mann verließ. Die beiden gehörten zusammen und jetzt konnte sie nichts mehr trennen.
    Maya durchströmte das Gefühl, angekommen zu sein. Es gab keinen Ort, wo sie lieber wäre als genau hier. Und neben Erik.
    „Ich liebe dich“, flüsterte sie.
    „Ich liebe dich auch.“
    Das Gefühl der Vollkommenheit verstärkte sich und Maya legte ihren Kopf auf Eriks Schulter. Genau hier wollte sie sein.



    12. Dezember
    Luftmensch
    „Danke, dass du mitgekommen bist. Ein Paar Augen mehr kann nicht schaden.“
    „Mach ich gerne. So schlimm kann dein Bruder nicht sein.“
    „Überhaupt nicht. Aber er ist ein Chaot. – Na, bleib mir schön hier.“
    Helen hielt ihren kleinen Bruder an der Kapuze fest, ehe er einem Schmetterling in die Menschenmasse folgen konnte. An diesem schönen Sommertag hatten offensichtlich viele die Idee eines Zoobesuchs gehabt.
    „Aber ich will zu den Löwen!“, quengelte Toby und wandte sich stolz zu Maya: „Wenn ich groß bin, wird’ ich Löwendompteur.“
    „Ein Chaot und ein Luftmensch“, kommentierte Helen. „Dann gehen wir mal deine Kollegen suchen.“



    13. Dezember
    Saudade
    „Und wenn du sonst noch irgendwas brauchst, sag Bescheid.“
    Mit diesen Worten gab Maya Marcos die Decken, die sie gerade aus dem Schrank geholt hatte.
    „Vielen Dank. Ihr habt eine schöne Wohnung. Manchmal wünschte ich, ich hätte auch sowas.“
    „Eine Wohnung?“
    „Ein Zuhause. Ich reise immer nur herum.“
    „Ich dachte, du magst das“, wunderte sich Maya.
    „Ich liebe es. Aber ich habe nie etwas anderes gemacht. Durch die Arbeit meines Vaters mussten wir früher oft umziehen und als meine Eltern starben, habe ich einfach weitergemacht. Manchmal spüre ich diese Sehnsucht nach dem Ort, an dem ich niemals ankommen werde.“



    14. Dezember
    Cotisuelto
    „Na, was gibt’s zum Frühstück?“
    „Guten Morgen auch dir. Ist dir klar, dass es acht ist?“, fragte Maya Halim, der plötzlich vor ihrer Tür aufgetaucht war.
    „Ich hab mein Portemonnaie gestern in Eriks Rucksack vergessen.“
    „Ach ja, ich hol’s schnell“, sagte Erik und verschwand.
    „Wer ist das?“ Halim deutete auf Marcos, der hinter Maya stand.
    „Oh, das ist Marcos. Er hat hier übernachtet. Marcos, das ist Halim.“
    „Ein Cotisuelto. Sehr erfreut“, begrüßte Marcos ihn.
    „Ein Cosi-was?“
    „Mir gefällt, dass du dein Hemd nicht in die Hose steckst.“
    Halim musterte ihn. Dann fällte er sein Urteil: „Ich mag den Typ.“



    15. Dezember
    Cafuné
    Es war ein ruhiger Abend. Maya saß neben Erik auf dem Sofa. Sie hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt und genoss es, dass er ihr sanft durchs Haar fuhr.
    „Marcos hat übrigens geschrieben.“, sagte Maya nach einer Weile. „Er ist in Brasilien und wünscht frohe Weihnachten.“
    „Er sagte, Brasilien gefällt ihm sehr. Schön, dass er jetzt da ist.“ Als er Mayas Zögern spürte, setzte Erik hinzu: „Marcos findet seinen Weg, das weiß ich.“
    Ohne klare Worte murmelte Maya ihre Zustimmung und konzentrierte sich auf Eriks Finger in ihrem Haar. Sie hatten es geschafft, also würde Marcos das auch.



    16. Dezember
    Kalpa
    „Und? Wie war die Reise?“
    Svenja und Manoj waren gerade aus ihren Flitterwochen in Rom zurück und Maya wollte natürlich alles wissen.
    „Unglaublich!“, fasste Svenja zusammen.
    „Und könntest du Luka bitte danken? Sein Tipp war Gold wert.“
    „Ja. Manoj redet kaum noch von was anderem.“
    „Dieser Uhrladen?“, hakte Maya nach.
    „Ja genau. Man entwickelt dort ein ganz anderes Zeitgefühl“, schwärmte Manoj. „Es gibt da keine Minuten oder Sekunden. Man erkennt, dass seine eigene Zeit nur ein Sandkorn ist im Verlauf des Universums. Das Sandkorn fällt und schon ist unsere Zeit vorbei. Es war unglaublich.“
    „Unglaublich“, wiederholte Svenja und lächelte.



    17. Dezember
    Kummerspeck
    Helen saß auf dem Sofa, als Maya und Halim eintrafen. Vor ihr stand ein großer Becher Eis.
    „Du hast schon ein bisschen zugenommen“, kommentierte Halim die Szene wenig gefühlvoll.
    „Halt die Klappe!“
    „Tut mir leid“, entschuldigte sich Maya für ihren Freund. „Wir waren halt gerade zusammen unterwegs. Ist es wirklich so schlimm?“
    „Mhm“, machte Helen und schob sich noch einen Löffel Eiscreme in den Mund.
    „Also gut“, meinte Maya, „wie wäre es, wenn wir den unsensiblen Idioten hier vor den Fernseher setzen und uns in deinem Zimmer etwas unterhalten, okay?“
    Langsam nickte Helen. „Aber das Eis nehmen wir mit.“



    18. Dezember
    Warmduscher
    Maya schreckte von ihrem Buch auf, als ein Schrei aus dem Badezimmer kam. „Alles in Ordnung?“, rief sie Richtung Flur.
    Eine Zeitlang konnte man nur Geraschel hören, dann kam Halim im Bademantel ins Wohnzimmer des Ferienhauses. Anklagend schaute er zu Erik: „Das Wasser ist eiskalt!“
    „Ich hätte dich nicht für einen Warmduscher gehalten“, kommentierte dieser.
    „Pass auf was du sagst!“
    „Du willst doch mit warmem Wasser duschen, oder? Ich hab’ ja nicht Weichei gesagt.“
    „Jungs! Friede!“, schritt Maya ein. „Ich zeig’ dir, wie du das Wasser warm kriegst.“ Im Gehen warf sie einen warnenden Blick zu ihrem grinsenden Freund.



    19. Dezember
    Drachenfutter
    „Ist das für Svenja?“ Maya deutete auf das Paket in Manojs Hand.
    „Ja“, antwortete er. „Drachenfutter.“
    „Woher hast du denn das Wort?“
    „Von eurer Mutter.“
    „Das passt zu ihr“, lachte Maya. „Und was hast du angestellt?“
    „Eigentlich gar nichts. Manchmal haben wir einfach etwas unterschiedliche Ansichten.“
    „Ihr hattet also Streit“, fasste Maya zusammen.
    „Nichts Schlimmes“, betonte Manoj, „aber du kennst doch deine Schwester. Versöhnung ist leichter, wenn man nicht mit leeren Händen kommt.“
    „Na dann wünsch’ ich dir viel Glück“, meinte Maya und fügte dann noch hinzu: „Lass dich nur niemals dabei erwischen, wie du Svenja als Drache bezeichnest.“



    20. Dezember
    Kabelsalat
    „Mann!“, stöhnte Erik.
    „Was hast du?“
    „Das hier.“ Genervt präsentiert Erik Maya einen großen Haufen Kabel – von keinem konnte man sagen, wo es begann oder endete. Es war das reinste Chaos. „Ich hab dir gesagt, du sollst sie nicht alle in eine Schublade schmeißen.“
    „Ja, hast du“, sagte Maya, „aber woher sollte ich wissen, dass es so schlimm wird?“
    „Hattest du noch nie Kopfhörer in deiner Hosentasche?“
    „Ich hab irgendwo mal gehört, man müsse nur an einem ziehen, dann löst sich alles wieder.“
    „Na dann“, meinte Erik und drückte ihr das Knäuel in die Hand, „viel Spaß beim Suchen.“



    21. Dezember
    Waldeinsamkeit
    Sanfter Wind wehte durch die grünen Blätter der Bäume und spielte mit den Mustern, die die Sonne auf den Waldboden malte. Maya atmete tief ein und genoss die frische Luft. Es kam ihr vor, als sei sie der einzige Mensch auf der Welt. Es gab nur sie und den Wald.
    Die Vögel zwitscherten ein fröhliches Lied und ein bisschen wirkte es für Maya so, als sängen sie nur für sie.
    Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und Maya genoss diese Auszeit. Hier war niemand außer ihr. Niemand der mit ihr sprach, außer der Natur.
    Es war anders, aber wunderschön.

  • Na meine Liebe,
    ich hab jetzt ne ganze Weile rum überlegt, mit welchen Worten ich diesen Kommi beginnen soll. Aber letztendlich läuft es immer auf ein und die selbe Quintessenz hinaus: Ich hab dich unglaublich lieb und hoffe, dir hiermit eine Freude bereiten zu können <3


    Allgemein
    Mir gefallen diese kleinen Ausschnitte, aus Mayas Leben, auch wenn ich mich ein wenig mitten rein geworfen fühlte und anfangs etwas überfordert mit den zig Namen war (gut, das mag auch daran liegen, dass ich nur auszugsweise ein paar der Drabble gelesen hab). Mit jedem Drabble wird eine andere Szene beleuchtet und wie bei einem Puzzle hilft jedes Teil dabei das Gesamtwerk bzw. einen Gesamteindruck der Personen zu bekommen.
    Abgesehen davon sind so tägliche kleine Werke natürlich praktisch, um regelmäßig beim Schreiben zu bleiben. Mir gefällt die Idee sogar so gut, dass ich sie mir vielleicht von dir abgucke.


    Kabelsalat
    Oh ja, das Problem mit verknoteten Kabeln dürfte so ziemlich allen nur allzu gut bekannt sein. Mir gefällt Mayas Gelassenheit hinsichtlich des Chaos, das sie aus Versehen verursacht hat. Aber auch dieses "viel Spaß beim Suchen" von Erik hat mir gut gefallen und mich zum Lachen gebracht.
    So sehr ich Erik auch verstehen kann, dass er es lieber hätte, dass man von Anfang an versucht solch ein Chaos zu vermeiden, meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass auch wenn ich versuche alle Kabel aufzurollen und irgendwie Ordnung in meiner Kabelkiste zu halten, es doch immer wieder in einem Knäul endet.


    Waldeinsamkeit
    Diese angenehme ruhige Stille, wenn mal der Lärm der Zivilisation oder auch anderer Menschen nicht da ist und man auf die schönen Melodien der Natur lauschen kann, hast du sehr schön eingefangen.
    Ein bisschen frage ich mich, worauf sich dieses "anders" im letzten Satz bezieht. Es könnte sich entweder darauf beziehen, dass nur die Natur mit ihr spricht und das anders ist als Gespräche mit Menschen. Oder aber es bezieht sich auf die Einsamkeit, die eben auch anders ist, da man zwar einsam ist, aber eben auch noch beispielsweise Vögel um sich hat und damit nicht ganz allein ist.


    Ich weiß, der Kommi ist kürzer als die, die ich bisher geschrieben hab. Aber ich dachte mir, ich passe meinen Kommi ein bisschen an deine Werke an, was bei Kabelsalat sogar auf Anhieb geklappt hat o/
    Liebe Grüße,
    Caroit

  • Hallo Shira. :)


    Also, ich wollte dir eigentlich schon die ganze Zeit einen Kommentar zu deinem Drabbleprojekt dalassen - irgendwann habe ich es leider vergessen, muss ich zugeben, aber es ist mir jetzt wieder eingefallen (wieso wohl?) und da wollte ich dann jetzt auch nicht zulassen, dass das wieder meinem Gedächtnis entgleitet.
    Zunächst einmal muss ich sagen, ich finde die den Drabbles zugrundeliegende Idee echt toll. Dieses Phänomen mit den Wörtern, die sich nicht übersetzen lassen, ist echt interessant - tatsächlich kannte ich sogar ein paar der Wörter aus einem Buch, das heißt: Dort werden ein paar davon leicht abgewandelt verwendet und machen sogar einen zentralen Bestandteil der Geschichte aus (das Buch heißt Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr - falls du es noch nicht kennst, ich glaube, es könnte dir gefallen).
    Jedenfalls, wenn man hier dann auch noch sieht, was du aus dieser Idee gemacht hast, kann man sich eigentlich schon richtig für dich freuen, dass du offenbar so eine gute Inspirationsquelle gefunden hast. Du bringst hier in den wenigen Worten, die ein Drabble naturgemäß haben kann, enorm viel rüber - es hat mich doch echt positiv überrascht, dass da immer so viel mitschwingt. Die Bedeutung der titelgebenden Worte kann ich mir vielleicht nicht immer zweifellos erschließen, aber das ist gar nicht notwendig, um sich von den Drabbles verzaubern zu lassen. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht, wie ich diese Wirkung genauer beschreiben soll. Alles ist irgendwie so vielfältig und doch scheint es mir fast, als würde es eine Art von gemeinsamem Grundton geben - was merkwürdig ist, weil manche Drabbles ein wenig lockerer anmuten und andere ein bisschen ernster. Vielleicht ist diese Gemeinsamkeit einfach dein schöner Schreibstil, ich weiß es nicht. Es ist ... seltsam, aber auf eine positive Art.
    Ein wenig unübersichtlich erscheint vielleicht die Anzahl der Personen, aber letztlich ist auch das hier nicht schlimm, da jedes Drabble für sich allein stehen kann und man auch hier nicht zwangsläufig alle Verbindungen aufdecken muss, um die kleinen Ausschnitte genießen zu können - auch wenn es hier und da natürlich Verbindungen gibt, die man entdecken kann, was sich schlussendlich ja auch lohnt. Ich mag es nämlich auch immer ganz gerne, wenn man sich aus mehreren kleinen Dingen ein größeres Gesamtbild zusammensetzen kann, was hier ja der Fall ist.
    Übrigens habe ich hierdurch wohl auch ein Wort meiner eigenen Sprache gelernt, oder vielmehr eine neue Bedeutung eines Wortes, weil ich Drachenfutter mit dem hier anscheinend verwendeten Sinn ehrlich gesagt gar nicht kannte. Nun, man lernt wohl in der Tat nie aus, haha.
    Und damit will ich dann elegant überleiten zu einzelnen Drabbles, auch wenn ich wohl nicht auf allzu viele einzeln eingehen werde. Ich finde irgendwie Kummerspeck und Kabelsalat gerade besonders interessant, weil mich bei beiden der letzte Satz sehr anspricht. Während das erste von diesen beiden natürlich generell etwas ernster ist, hat der letzte Satz auch dort für mich etwas Lustiges - nicht in dem Sinne, dass man laut lacht, sondern eher auf eine tragikomische Art. Das Drabble mit dem Kabelsalat geht da im Vergleich wohl schon eher in eine "lockerere" Richtung. Wobei hier wiederum wohl auch mit der humoristischen Dimension nur ein Teil des größeren und irgendwie niedlichen Moments zwischen den beiden Charakteren aufgezeigt ist. Andere Drabbles haben mir gefallen, weil ich da die Beschreibung von Mayas Eindrücken besonders stark fand - da wären wohl besonders Commouvere und Waldeinsamkeit zu nennen, wobei Letzteres eigentlich auch schon wieder ein Wort ist, das ich nicht kannte, jedenfalls nicht wirklich.
    Insgesamt - es war echt schön, all diese Drabbles zu lesen und man hat dabei auch deutlich gemerkt, dass es dir offenbar auch sehr viel Spaß gemacht hat, diese zu schreiben. Das schimmert einfach irgendwie durch, würde ich meinen.


    Bis demnächst!

  • XX


    Willkommen in 2018. Ja, ich weiß, dieses Jahr hat nur noch ein paar wenige Stunden, aber da ich vor fast genau einem Jahr von "nächstes Jahr" und nicht "übernächstes Jahr" sprach hatte ich eine gewisse Motivation es noch zu schaffen. Das führte allerdings dazu, dass ich die letzten beiden Tage viel machen musste, weil ich ja davor keine 363 Tage Zeit hatte ... Ich weiß, man sieht mich nicht mehr häufig hier, was an all den vielen Änderungen lag und liegt, mit denen ich erstmal umzugehen lernen muss. Außerdem hab ich bis gestern kaum wirklich geschrieben dieses Jahr. Das muss ich mal wieder ändern. Ich hab keine Ahnung, ob überhaupt irgendjemand außer mir noch ein Interesse an diesem Topic hat. Wenn ja, wäre es schön, wenn ihr das irgendwie zum Ausdruck bringen könntet. Wenn nein ... dann weiß ich auch nicht. Aber wer weiß, was 2019 uns so bringen wird. Jetzt wünsche ich denen, die noch hier sind, viel Spaß bei dem Werk, was schon vor (über) einem Jahr fertig sein sollte!



    Shine

    Irgendwo musste gerade der Mond aufgehen; ich spürte ihn, auch wenn ich ihn nicht sah. Die Lichter an unserem Pavillon erhellten die noch junge Nacht.

    „Darf ich bitten?“, hörte ich eine tiefe Stimme und sah Sven vor mir stehen. Meine Tanzpause war damit offiziell vorbei. Ich nahm seine Hand und ließ mich von ihm zur Tanzfläche führen. Das neue Lied begann und wir ließen uns vom Rhythmus führen.

    „Also, nochmal Willkommen in der Familie, kleine Schwester!“

    „Offiziell bin ich nicht deine Schwester“, erwiderte ich.

    „Offiziell ist dein Mann auch nicht mein Bruder, aber wir sind trotzdem eine Familie.

    Mein Mann. Das klang immer noch so neu und aufregend. Ungewohnt, aber irgendwie doch richtig.

    „Danke nochmal, dass du mich gefunden hast“, sagte Sven nun mitten in meinen Überlegungen.

    „Unsere Hochzeit schien unmöglich ohne dich. Wie du schon sagtest: Du gehörst zur Familie.“


    Es kann ziemlich nervenaufreibend sein, wenn man vor dem wohl größten Schritt seines Lebens alleine in einer riesigen Empfangshalle steht. Es war eine sehr schöne Empfangshalle, sehr hell und mit fast Antik wirkenden Säulen, aber selbst bei ihrer Größe hatte ich das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen.

    Plötzlich ging die Eingangstür auf und eine junge, dunkelhaarige Frau in einem grünen Kleid schlüpfte herein.

    „Hope!“ Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Ihr habt es doch noch geschafft!“ Alleine die Anwesenheit meiner Freundin sorgte dafür, dass ich wieder atmen konnte.

    „Das würden wir uns doch niemals entgehen lassen. Egal, welche Airline mal wieder Probleme macht“, erwiderte sie mit einem offenen Lachen.

    „Wo ist -?“

    „Er kommt gleich, parkt nur noch den Mietwagen. Keine Sorge!“

    Fast im gleichen Moment öffnete sich die Tür ein zweites Mal und Hopes Freund trat formvollendet in seinem besten Anzug herein.

    „Wow“, sagte ich. So schick hatte ich ihn noch nie gesehen.

    „Du solltest dich mal ansehen! Du bist eine wunderschöne Braut. Gott sei Dank sind wir nicht zu spät gekommen!“

    „Ich hab immer gesagt, wir schaffen es!“, mischte sich Hope ein.

    „Du hast aber auch dreimal gesagt, dass wir falsch abbiegen sollen.“

    „Darf ich um ein bisschen Frieden an meinem Hochzeitstag bitten?“, schaltete ich mich nun wieder ein. „Dort vorne, die erste Tür links. Das hat nicht viel Platz für ‘akihi und ihr könnt etwas unauffälliger in den Saal schleichen.“

    „Danke. Und viel Glück!“ Ame kannte mich einfach zu gut. Er winkte mir noch einmal zu und verschwand dann in dem Raum, in dem meine Zukunft wartete.

    „Entschuldige, entschuldige. Ich bin schon da, ich bin schon da“, hörte ich meine Mutter, noch bevor ich sie die Treppe herunter huschen sah.

    „Schon okay“, sagte ich und meinte es inzwischen auch wieder so, „so konnten unsere Nachzügler noch ankommen.“

    „Ach, da bin ich ja froh!“, sagte sie und nahm meinen Arm. „Bereit?“

    „Nicht wirklich“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

    „Ich weiß, dass es Mut braucht“, begann meine Mutter. „Und ich weiß, dass dein Vater ein viel leichteres Spiel gehabt hätte, ihn dir zu schenken, aber du darfst nicht vergessen, dass er immer bei dir ist. Und dass es sowieso nicht um ihn geht, sosehr wir ihn auch vermissen, sondern um dich. Und jetzt will ich, dass du tief einatmest, unser aller Liebe spürst und den ersten Schritt machst.“

    Wow. Meine Mutter verfiel normalerweise so leicht der Romantik, wodurch bei ihr alles nur noch rosarot leuchtete, dass ich ihr eine solche Rede gar nicht zugetraut hatte. Aber sie hatte recht. Also schloss ich die Augen, sog die Luft in meine Lunge und ließ mich von meinen Füßen – und meinem Herzen leiten.


    Ich war nicht darauf vorbereitet, als mein Schwager auf mich zukam.

    „Schickt Svenja dich?“

    „Ich bin selbst auf die Idee gekommen. Du solltest nicht auf diesen Tanz verzichten müssen.“

    Der Vater-Tochter-Tanz. Oder bei uns eher der Mutter-Sohn-Tanz. Ich wünschte, ich hätte mit meinem Vater tanzen können, verstand aber nicht ganz, was Manoj jetzt von mir wollte.

    „Abgesehen von deinem Bräutigam, der ja schon mit seiner Mutter tanzt, bin ich die einzige männliche Person in deiner Familie“, beantwortete er mir meine ungestellte Frage. „Also tanzen wir.“

    Und ehe ich noch irgendetwas hätte sagen können, zog er mich auf die Tanzfläche. Das Licht schien hell auf uns und ich wusste, dass alle uns sehen konntet, Schwager und Schwägerin bei einem Tanz, der für Eltern und Kinder bestimmt war. Doch das war nicht wichtig. Plötzlich war es völlig unwichtig, dass Manoj nicht mein Vater war. Meine Mutter hatte recht behalten. Ich vermisste ihn, aber er war immer bei mir. Und er freute sich für mich. Deshalb tanzte ich einfach.


    „Oh mein Gott, ich kann das nicht. Ich hätte das andere Kleid nehmen sollen ...“

    „Jetzt reiß dich mal zusammen!“

    „Sagt die Königin im Sich-Sorgen-Machen.“

    Wütend funkelte ich meine Schwester an. Aber es half, dass ich mich ein wenig beruhigte. Keine Ahnung, ob das ihre Absicht gewesen war.

    „Du siehst wundervoll aus. Wie eine Prinzessin“, mischte sich Helen ein.

    „Mach mir nur noch mehr Druck ...“

    „Keine Sorge, deine Hochzeit wird nicht im Fernsehen übertragen“, kommentierte Svenja trocken.

    „Aber sie könnte ...“

    „Ma!“ Jetzt funkelte ich meine Mutter wütend an. Brachte es auch Unglück, sich vor seiner Hochzeit mit seiner Familie zu streiten?

    „Jetzt beruhigen sich hier aber alle mal wieder, okay?“, versuchte Helen zu schlichten. „Hier wird nichts im Fernsehen übertragen. Und du“ – sie sah mich eindringlich an – „siehst perfekt aus. Ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann zu meiner Hochzeit so schön aussähe und so strahlen würde. Es geht nur um dich. Na ja, fast. Dies ist dein Tag. Geh da runter und hau sie alle um, ja?“

    Ich atmete. Ein und aus. „Ja.“

    „Sehr schön“, sagte sie und auf ihrem Gesicht zeigte sich ein breites Grinsen. Dann nahm sie den Brautstrauß vom Bett und reichte ihn mir. „Scheine!“

    Ich lächelte zurück. Dafür liebte ich Helen.

    „Komm, wir sagen den anderen, dass es losgeht“, wandte sie sich dann an meine Schwester und verschwand.

    „Perfekt“, flüsterte Svenja mir zu, ehe auch sie durch die Tür ging.

    Perfekt ... perfekt war alles, was auf mich wartete. Wir würden scheinen.


    Die Welt drehte sich um mich. Ein Meer aus Farben und Gesichtern. Wobei genau genommen ich es war, die sich drehte und plötzlich nicht mehr Manoj, sondern meine Mutter als Tanzpartnerin hatte.

    „Wir sind alle da“, lächelte sie und ließ mich wieder drehen, sodass ich bei meiner Schwester landete.

    Ich wusste, was sie taten. Und ich genoss es, tanzte mit meiner Familie. Mit allen, ob anwesend oder nicht.

    So wundervoll dieser Tag auch gewesen war, das Fehlen meines Vaters hatte mich immer begleitet. Doch jetzt spürte ich, dass er nicht nur vom Ende der Mondstraße zusah, sondern genau hier war.


    „Meinst du, du könntest mir diesen Tanz schenken?“

    „Und du hast extra gewartet, bis ...“

    „... bis dein Herzallerliebster auf dem Klo ist, ja. Ich will ja nicht euer Glücklich-bis ans-Lebensende zerstören.“ Halim grinste mich an und streckte mir die Hand entgegen. So was konnte auch nur er bringen.

    Ich überlegte. Völlig daneben lag er nämlich nicht. Ich konnte nicht einfach so mit ihm tanzen. Ich weiß, es heißt, man solle keine Exe zu seiner Hochzeit einladen, aber Halim ist doch immer ein sehr guter Freund geblieben und es wäre falsch gewesen ohne ihn.

    „Warte kurz“, sagte ich und ging zu unserem DJ, um ihm meinen Liederwunsch zu nennen. Halims Augenbrauen wanderten höher als ich es je für möglich gehalten hatte, als die ersten Takte des Liedes erklangen.

    „Du willst ernsthaft auf deiner Hochzeit den Ententanz tanzen?“

    „Nein. Ich will auf meiner Hochzeit mit dir den Ententanz tanzen.“

    Und mit diesen Worten ergriff ich seine Hand und zog ihn auf die Tanzfläche.

    „Das sieht unglaublich elegant aus!“

    Ich wackelte gerade zum gefühlt tausendsten Mal mit den Flügeln und hatte einen Riesenspaß dabei, als diese Stimme mich völlig aus dem Konzept brachte. Mein Gehirn wollte sie noch nicht recht zuordnen und meine Augen konnten im Dunkel außerhalb der Tanzfläche kaum etwas erkennen. Dann traf es mich wie ein Schlag: „Marcos!“, rief ich und lief ihm entgegen. „Ich dachte, du kommst nicht!“

    „Na ja, dieses Ziel war dann doch wichtiger als die Reise“, antwortete Marcos, während er mich zur Begrüßung umarmte.

    „Es ist toll, dass du hier bist“, strahlte ich. „Und ich weiß auch schon, wie wir das feiern!“

    Und so kam es, dass auch er mit mir auf meiner Hochzeit den Ententanz tanzte. Und zwar unglaublich elegant.


    „Es ist gar nicht so lange her, dass die Rollen umgekehrt waren und meine kleine Schwester für mich eine Rede hielt. ‚Tiám‘, sagte sie damals. Tiám, das Leuchten in den Augen, wenn man jemanden zum ersten Mal sieht. Ich war nicht dabei, als sich unser Brautpaar zum ersten Mal begegnete, aber diese beiden haben seither nie aufgehört, zu leuchten. Plötzlich schien alles, was sie bedrückte als leuchtender Glitzer von ihnen abzufallen. Die Euphorie des Verliebens, ihr forelsket haben sie bis heute behalten. Und ehrlich gesagt kann ich mir auch nicht vorstellen, dass sie es irgendwann verlieren.“

    Ich strahlte Svenja an und unterstrich damit eigentlich nur, was sie gerade gesagt hatte. Ich erinnerte mich daran, wie verloren ich mich vor meiner Trauung gefühlt hatte, obwohl das überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Meine Liebe hatte mich genau dorthin geführt, wo ich sein wollte: Zwischen meinen Schwestern, meiner echten Schwester Svenja und meiner Wahlschwester Helen, und dem Mann, den ich den Rest meines Lebens lieben würde. Und er mich genauso.

    Svenja hob ihr Glas. „Auf Maya und Erik!“


    „Hey.“

    Das Essen war beendet und ich hatte mir ein Kleid zum Tanzen angezogen. Die untergehende Sonne ließ alles in einem flammenden Licht erstrahlen, als ich Erik erreichte.

    „Hey“, erwiderte er und sein Lächeln umfing mich.

    „Schenkst du mir diesen Tanz?“

    „Es gibt nichts, was ich jetzt lieber täte.“

    In dem Moment, bevor die Musik einsetzte, war alles ruhig. Nichts um uns schien sich zu regen. Alles, was ich spürte, war Erik, bereit mit mir zu tanzen. Und ich wusste, dass es ihm genauso ging.

    Mit den ersten Tönen, die erklangen, und den ersten Tanzschritten, die wir machten, begannen auch die Lichter, die wir am Pavillon um die Tanzfläche angebracht hatten, zu leuchten. Ich musste an die Situation denken, als ich zum ersten Mal so gefühlt hatte, als mir zum ersten Mal klar wurde, dass Erik und mich nichts trennen konnte. Damals hatte meine Schwester mit ihrem frisch vermählten Mann getanzt. Nun war ich an ihrer Stelle. Und alles was zählte, waren wir. Erik und ich.

    Immer stärker erhellten die Lichter die Nacht, während allmählich die ersten Sterne zu funkeln begannen. Und jeder konnte uns beim Tanzen beobachten. Aber das war mir egal. Denn wir waren perfekt.


    Und wir tanzen und tanzen.

    Wir alle feiern die Liebe, die Erik und ich gefunden haben.

    Unsere Freunde, Hope und Ame, Luka, Marcos, Halim und Helen; seine Familie, seine Eltern, sein Ziehbruder Sven und dessen Frau sowie meine Familie, meine Tante und meine Cousine Lena, Svenja und Manoj, meine Ma – und auch die Anwesenheit meines Vaters kann ich spüren. Alle sind da. Alle leuchten.

    Aber am hellsten strahlen Erik und ich. Die ganze Welt kann es sehen. Dies ist wie der perfekte Abschluss zu unserer Geschichte. Doch liegt noch ein ganzes Leben vor uns.

    Aber jetzt, jetzt tanzen wir einfach.


  • XXI

    Dies ist mein goldenes Update. Ja, das meine ich ernst, denn das ist der Inhalt meiner Texte. Sie sind vermutlich beide etwas kryptisch, aber ich mag sie, vor allem den ersten, den man ja auch schon im Neujahrssprint betrachten konnte. Sie sind beide aus diesem Jahr, was mich, obwohl sie nicht so lang sind, hoffen lässt, dass ich wieder etwas mehr schreibe.

    An dieser Stelle noch einen besonderen Dank an Flocon! Offensichtlich haben doch noch mehr Leute Interesse an meinem Topic. ^-^ Jetzt auf jeden Fall viel Spaß mit diesem Gold!



    Goldenes Weiß

    Ein Flügelschlag und sanft legten sich ihre Federn um die Bäume. Sie liebte es, wenn sie endlich zeigen durfte, was sie konnte. Wohlwollend sah ihr Vater ihr bei ihrer Arbeit zu. Sein fahles Licht ließ ihre weißen Federn leuchten, während sie sanft auf die Erde segelten. Manchmal war sie neidisch auf ihn gewesen. Er konnte seinen Kristall jede Nacht erleuchten lassen, während sie sich ihre Aufgabe mit ihrem Zwillingsbruder teilen musste und er in ihren Freundschaftskämpfen meistens gewann. Es war aber auch unfair, dass er von Natur aus viel agiler war als sie, wenn sie ihm sowieso schon den ganzen Sommer lang unterlag, weil sie sich in der Hitze kaum bewegen konnte. Bei besonders harten Kämpfen schaffte sie es manchmal, seine Tropfen mit ihren Federn zu umschließen - was nur leider nicht immer bedeutete, dass sie auch die Oberhand gewann.

    Heute aber schon und die weißen Kugeln wurden von ihren Federn abgelöst. Sie liebte ihre Brüder, auch wenn sie sie manchmal zur Weißglut trieben, aber sie war schon oft verärgert, wenn sie mal wieder von einem von ihnen übermannt wurde. Umso glücklicher war sie, dass sie nun freie Bahn hatte und sich auch ihr älterer Bruder nirgendwo zeigte. Diese Nacht war ihre Bühne. Sie erschuf ein Kunstwerk, komponierte das Grün der Tannen mit den hellen Federn, mit denen sie die Zweige umfing, und malte Bilder in den kahlen Ästen. Sie bedeckte das welke Laub, das von früheren Flügelschlägen von den Bäumen geweht wurde und besprenkelte das tapfere Gras.

    Die ganze Nacht hindurch arbeitete sie an ihrem Werk. Wenn sie das erste Mal in einem neuen Jahr gewann, war sie immer besonders gründlich, versuchte immer eine besonders schöne Landschaft zu gestalten. Sie war so beschäftigt mit ihrer Aufgabe, ihrer Leidenschaft, dass sie zunächst gar nicht merkte, wie ihr Vater sein Licht dimmte und der Himmel im Osten heller wurde.

    Gerade als sie die letzten Feder an den richtigen Platz gebracht hatte, spürte sie eine warme Berührung an ihrem Rücken. Lächelnd drehte sie sich um, legte ihren Hals um seinen und umschlang ihn mit ihren Flügeln, während seine Strahlen ihre Federn küssten und sie zum leuchten brachten, als wären die Bäume um sie in einer eisig glühenden Glut gefangen. Seine Aufgabe währte nicht lange, ehe seine Eltern das Licht übernahmen, aber das machte diesen Moment nur noch wertvoller, denn sie hatte das Gefühl, nur in seinem Glanz sei ihr Kunstwerk perfekt. Nur in diesem seinem goldenen Glanz ergab alles einen Sinn. Für diesen Moment lebte sie.

    Und sie liebte ihn. Seit sie das erste Mal seine goldenen Schwingen gesehen hatte, war sie von einer Faszination besessen gewesen, hatte ihn kennen lernen müssen. Es war ein Tag wie dieser gewesen. Ihre Mutter hatte sich zurückgezogen und sie zum ersten Mal alleine malen lassen - in der Nacht, damit ihr Vater ein Auge auf sie haben konnte. Es war etwas besonderes gewesen, ihre Federn in seinem Licht erstrahlen zu sehen, aber nichts gegen den Moment, in dem das Gold ihn ablöste. Noch nie hatte sie ein so perfektes Zusammenspiel gesehen. Alles in ihr kribbelte, als sie ihm endlich gegenüberstand. Sie hatte ihn kennengelernt und gewusst, dass sie nie wieder ohne ihn sein wollte.

    Manchmal war es die Aufgabe ihrer Mutter, sein Licht zu verdecken. Aber sie war ihr nicht böse, denn sie wusste, dass sie es nur für ihre Kinder tat. Dennoch oder gerade deswegen war dieser Morgen etwas Besonderes. Spielerisch tat er ein paar Flügelschläge und schwebte ein paar Meter über ihr. Er forderte sie zum Tanzen auf. Nur zu gerne kam sie der Bitte nach und in einer unbeschreiblichen Eleganz umkreisten sie sich mit perfekt harmonischen Flügelschlägen. Ab und zu lachte sie vor Glück und ließ aus lauter Freude vereinzelte Federn fallen, die sein Licht zum Leuchten brachte.

    Viel zu bald kamen seine Eltern. Sie übernahmen sein Licht, machten es weiß. Ihre Federn glänzten noch immer, aber es würde niemals mit dem goldenen Schein vergleichbar sein. Dennoch zogen sich beide ohne Protest zurück. So war nun einmal der Lauf der Welt. Sie hatten ihre Arbeit getan, nun waren andere an der Reihe. Aber sie wusste, solange er konnte, würde er ihr Werk zum leuchten bringen. Und sie würde mit ihm tanzen. Bis sie nicht mehr konnte. Und vielleicht sogar noch länger.



    Der Schlüssel

    Das Gold verschwindet im Schwarz. Es ist, als wäre alles dunkel.

    Ein Drehen, ein Klacken und das mächtige Braun bewegt sich. Und plötzlich ist doch wieder alles gold. Trotz des Regenbogens, der mir entgegenschlägt.

    Ich nehme das Gold wieder an mich, wiege es mit dem Bunt in meiner Hand.

    Alles ist Farbe. Ich sehe, höre, schmecke und rieche das Gold, das so bunt leuchtet. Und ich fühle es. Es ist weich. Wie Federn und Hoffnung.

    "Oh Herr der Farben. Danke für das Gold und das Bunt, das ich in meiner Hand trage, damit ich dich mit der Welt versöhnen darf."

  • Hallo Shiralya,


    Da hier schon länger keine Kommentare mehr geschrieben wurden, dachte ich, ich bin so frei und schaue mir die letzten paar Kurzgeschichten hier an.


    Zugegebenermaßen fällt es mir sehr schwer, die beiden Geschichten aus dem "goldenen Update" zu kommentieren, da mir halt ein wenig der Kontext fehlt und ich generell nicht besonders gut darin bin solche eher poetischen Texte zu bewerten. Ich bin und bleibe halt doch eher der Prosa-Mensch. :saint: Dennoch fand ich Goldenes Weiß sehr schön geschrieben, rein von der Wortmelodie her und allem, selbst wenn ich teilweise Probleme hatte mir vorzustellen, was da überhaupt passierte, da ich doch sehr einige Anhaltspunkte handelt, was da passiert. Magische Vögel mit Kristallen? Waren die eine Metapher für Sterne? Haha. Ich bin wirklich nicht dazu zu gebrauchen, so etwas zu interpretieren, fürchte ich. :biggrin: Da komme ich mir doch ein wenig dumm vor.


    Daher habe ich mir dann aber noch Shine vorgenommen. Ich gebe offen zu, dass ich etwas verwirrt war über einige Dinge, bis ich Vor- und Nachwort gelesen habe. Denn ein wenig kam es mir seltsam vor, wie wenig die Charaktere beschrieben wurden, so dass ich halt wenig vor Augen hatte, wie jemand aussieht. Betrachtet man es aber als Drabble-Sammlung beginnt es, Sinn zu machen. (zgm. muss ich dennoch sagen, dass es mir besser gefallen hätte, hätte es mehr Beschreibungen gegeben. Aber ich bin ja eh ein großer Fan von Beschreibungen, daher ...) Ich fand es auf jeden Fall sehr schön sehr viele diverse Charaktere zu sehen, also auch PoC. Gerade da man es eben im BB sonst sehr selten sieht. Daher war ich dahingehend sehr positiv überrascht! :)


    Ansonsten: Inhaltlich konnte ich gerade sehr wenig sagen, weil ich das Gefühl hatte, dass mir ein wenig der Hintergrund fehlt.


    Ich hatte aber noch vier Stellen rausgesucht, zu denen mir irgendwas aufgefallen war.


    Irgendwo musste gerade der Mond aufgehen; ich spürte ihn, auch wenn ich ihn nicht sah.

    Hier denke ich mir ohne Kontext: Okay, warum kann sie das spüren? Das kam mir irgendwie komisch vor. Ich habe schon mit Werwölfen gerechnet deswegen ;P


    „Darf ich bitten?“, hörte ich eine tiefe Stimme und sah Sven vor mir stehen

    Die Stelle ist mir aufgefallen, weil in einem Satz gleich zwei Mal Filter genutzt werden. Und ich bleibe dabei, dass ich Filterworte unschön finde. Gerade das "sah Sven vor mir stehen" fand ich ... Steht er vor ihr oder sieht sie ihn nur?

    Was ich an der Stelle schöner gefunden hätte, wäre eine Beschreibung ihrer Reaktion darauf, dass er da ist. Wie fühlt sie sich etc.


    Also sicher, wahrscheinlich wieder durch die Drabble Struktur bedingt, aber die Stelle ist mir wirklich unangenehm aufgefallen ^^"


    „Komm, wir sagen den anderen, dass es losgeht“, wandte sie sich dann an meine Schwester und verschwand.

    Hier ist das "wandte" wieder ein Fall von etwas, das ich gestern in einem anderen Kommentar angesprochen hatte. "zuwenden" ist ein unschönes Wort für eine Inquit-Formel. Zumal es hier auch im Rahmen von Drabble Struktur wenig Sinn in meinen Augen macht, da du durch das Umstellen von Inquit-Formel auf Hauptsatz keinen Unterschied an Worten hättest. :confused:


    Viel mehr fällt mir an der Stelle allerdings auch nicht ein.


    Prinzipiell finde ich aber diese Idee "Geschichten aus Drabbles" immer wieder cool!:thumbup:

  • Hallöchen Shiralya,

    wie versprochen - ich habe mich nämlich noch dran erinnert! - möchte ich deine letzte Kurzgeschichte kommentieren.
    Zuerst, ich habe die ganzen ausführlich sowie recht emotional geschriebenen Beschreibungen sehr genossen und konnte mir dadurch im Kopf ein sehr detailliertes Bild von alldem machen. Ansonsten, ich finde es sehr interessant, wie du deine Kurzgeschichte gestaltet hast, denn nach mehrmaligen Lesen hab ich noch immer keine genaue Vorstellung davon, was ich da überhaupt gelesen habe, haha! Wie dem auch sei, beim ersten Lesen dachte ich tatsächlich an magisch-begabte Vögel, doch jetzt denke ich, dass du die Jahreszeiten beschrieben hast, sodass die Protagonistin womöglich die Manifestierung des Winters ist. Die Mutter stellt dann entweder die Sonne bzw. den Tag dar, während der Vater der Mond oder die Nacht ist. Die genannten anderen Brüder sind dann die anderen Jahreszeiten außerhalb des Winters. Ich hoffe, ich liege mit dieser Interpretation nicht allzu daneben … (':


    Heute aber schon

    Dieser Ausdruck hat mich kurz aus dem Lesefluss gerissen, weil ich nicht wusste, was damit jetzt gemeint ist. Zurückblickend, ja, dem Ganzen kann ich jetzt zwar schon folgen, hätte aber eventuell statt aber ein jedoch gesetzt, zumal du in der nächsten Zeile nochmals ein aber verwendest und es rein subjektiv gesehen besser klingt.


    ihre Brüder

    An dieser Stelle musste ich kurz überlegen, da bis dahin nur die Rede von einem Zwillingsbruder der Protagonistin gewesen ist - im Nachhinein macht das, wenn denn meine Interpretation stimmt, alles einen Sinn - es handelt sich um Frühling, Sommer und Herbst.


    Lächelnd drehte sie sich um, legte ihren Hals um seinen und umschlang ihn mit ihren Flügeln, während seine Strahlen ihre Federn küssten und sie zum leuchten brachten, als wären die Bäume um sie in einer eisig glühenden Glut gefangen.

    Ich hätte aus diesem einen längeren Satz tatsächlich zwei gemacht, einfach, weil die anderen nicht so ausführlich sind, d.h. im wahrsten Sinne des Wortes schnell auf den Punkt kommen, und sich dadurch die Lesedynamik besser anhören würde, als wenn zwischen kurzen, prägnanten Sätzen plötzlich ein recht komplexer wie dieser stehen würde.

    Ansonsten, es hat mir wirklich viel Freude bereitet, deine Kurzgeschichte zu lesen - gerne mehr davon! (:

  • XXII


    Ich fühle mich wie im Dezember. Ich wollte im April dieses Update machen und habe mal wieder nur zwei Tage übrig. Aber dieses Update gehört einfach in den April, weshalb ich das jetzt noch zusammensetzen muss. Ansonsten nochmal ein Dankeschön für die Kommentare! Es ist schön, mal wieder andere Leute hier zu sehen. :3 Und dann noch ein kleiner Hinweis zu den Texten: Beide Titel sind mehr Platzhalter als Titel. Genauere Infos dazu gibt es in den jeweiligen Vorworten. (P.S. Ich bin absolut unzufrieden mit der Farbwahl. Ich hab keine Ahnung, was es ist, aber ich kriege es gerade einfach nicht besser hin ...) Ohne weitere Umschweife beginnt nun mein 2019ter Post mit zwei Texten im April. Viel Spaß beim Lesen!



    Frühling lässt sein blaues Band – von wegen!

    Frühling lässt sein blaues Band – von wegen!

    Am Himmel über uns’rem Land schwebt Regen,

    In den dunklen Grauen Wolken gut versteckt,

    Dass man auch ja kein bisschen Blau entdeckt.


    Drauf warten, dass der Lenz uns grüßt? Vergebens.

    So sehr du, Sonne, dich bemühst, des Lebens

    Neubeginn war kaum erschienen und verschwand;

    Noch haben Wind und Kälte Überhand.


    Leise rieselt morgens Schnee hernieder

    Und dann die Sonne blendet, eh – schon wieder –

    Starker Wind das Wolkenbild verschiebt,

    Sodass es nunmehr Regenschauer gibt.


    Ach, komm doch, lieber Mai und mach vergessen,

    Wie lang uns hat des Winters Schmach besessen,

    Und mach die Welt um uns auch endlich grün,

    Auf dass die träumend Veilchen balde blüh’n.



    Herbst am See

    Sanft legt sich der Morgennebel auf den See, als wollte er das andere Ufer hinter einem Schleier verstecken. Ein heftiger Windstoß fegt durch die fast kahlen Bäume und lässt vereinzelt die trockenen Blätter rauschen, als wollte er uns wecken. Aber wir sind noch wach. Ich weiß nicht genau, wieso, aber wir beide stehen hier nach dieser langen Nacht. Eine dunkle Nacht, eine Feier – nur für wen?
    Es ist kalt. Viel zu kalt. Wir sind beide zu dünn angezogen für dieses Wetter. Und obwohl wir das wissen, trifft uns der Wind jedes Mal unvorbereitet. Manchmal glaube ich, wir hätten nichts machen können, um das alles zu verhindern. Als wäre es einfach immer schon eine Frage der Zeit gewesen. Und manchmal sehe ich in die Nachbarländer und frage mich, warum es bei ihnen so viel besser läuft, frage mich, was wir falsch gemacht haben. Ich friere nicht, weil ich die Sonne nicht sehen kann. Ich friere, weil ich dabei bin, die Hoffnung zu verlieren. Ich habe Angst, dass sie nie wieder schiene.
    Lautes Geschnatter löst mich aus meinen Gedanken. Fast gleichzeitig schauen wir nach oben und beobachten einen Gänseschwarm; es wirkte fast, als flöhen sie. Wer weiß wohin.
    „Warum bist du noch hier?“, frage ich unvermittelt in die Stille hinein.
    „Ich will nicht gehen.“
    Du wartest nicht mit deiner Antwort, du kanntest sie schon vorher. Und ich kann sie verstehen. Ich bin die Prinzessin, ich darf nicht gehen. Du könntest, aber du willst nicht. Und ich würde auch nicht wollen. Dies ist doch unsere Heimat. Trotz allem gehören wir doch hierher. Oder?
    Wieder weht der Wind etwas stärker, als wollte er uns daran erinnern, wo wir sind, wer wir sind, warum wir hier sind. Er trägt die lauten Rufe aus der Stadt zu uns, genauso wie er das tote Laub über das Wasser fliegen lässt. Er fegt den Boden frei und unsere Gedanken. Als könnten wir an etwas anderes Denken. Egal, was der Wald versucht, wir können uns nicht in seinem Anblick verlieren. Nicht dass die Kälte des Windes so etwas jemals zugelassen hätte. Wir können nicht so tun, als würden wir es nicht sehen. Es ist überall.
    Im Zwielicht des anbrechenden Tages wirkst du blass. Viel blasser als dich die Ereignisse der letzten Tage eh schon gemacht haben. Trotzdem wirkst du nicht eingeschüchtert, nur erschöpft. Manchmal glaube ich, wir haben vergessen, wofür wir kämpfen.
    „Warum bist du noch hier?“, fragst du, obwohl du die Antwort kennst.
    „Das Wetter ändert sich“, erwidere ich. „Sie lassen uns nicht die Zeit, uns auch zu ändern. Es ist zu Ende. Ich weiß nicht, warum ich bleibe. Aber ich will nicht, ich kann nicht gehen.“
    Ich habe nichts gesagt, was du nicht selbst schon wusstest, aber ich habe es aussprechen müssen. Der Druck in meinem Inneren war zu groß. Er ist immer noch da, aber es ist leichter, wenn man weiß, dass man nicht alleine ist. Und wir beide wissen, dass wir nicht gehen werden. Trotzdem tut es gut, es zu hören.
    „Wow.“ Du drehst dich um und ich tue es dir nach. „Wunderschön, nicht wahr?“
    „Ja.“
    Schweigend betrachten wir, wie sich die roten Flammen über der Stadt ausbreiten, in den Himmel züngeln und Funken sprühen. Alles brennt. Und trotzdem, obwohl alles, was wir kannten und liebten in Flammen aufgeht, ist es doch ein Anblick so voller Schönheit, dass wir fast vergessen wollen, was er bedeutet. ‚Nur der Rest.‘ Die Worte schießen durch meinen Kopf und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, die der Wind auch nicht mehr verstärken kann. Ich habe es verstanden, auch wenn ich es nicht wahrhaben will. Es wird nie mehr so sein, wie es einmal war.
    Wie ein Feuerwerk stieben die Funken Richtung Himmel. Ich kann nicht sagen, wie lange wir nur da stehen, und zusehen, wie der Nebel weniger und das Feuer immer deutlicher wird. Vielleicht hätten wir noch etwas machen können. Vielleicht auch nicht.
    Vor unseren Füßen zerrt der Wind an den hellen Blüten der Glockenblumen. Man konnte fast vergessen, dass Frühling ist.

  • Ähem, ein Gedicht - hi:blush:


    Ich mag diese "Kommentare" im Gedicht xD Das hat sowas von nem Poetry Slam Beitrag Man merkt wirklich die Frustration über das schlechte Wetter und in Anlehnung an das Gedicht "Er ist's" ist das wirklich cool gemacht ^^ In der ersten Zeile das altbekannte Gedicht und dann einfach nur noch Beschwerde und Bitten, dass doch endlich mal gutes Wetter kommen soll. Ich mag das! Und dann auch nochmal mit den Veilchen die Schleife zum Originalgedicht geschlagen, wirklich schön ^^


    Auch so förmlich finde ich es wirklich schön. Es liest sich leicht und flüssig runter und die "Kommentare" und Einwürfe einzelner Wörter am Ende des Verses brechen die Struktur schön auf und lassen es nicht zu monoton wirken ^^


    Also ja, mehr qualifiziertes kann ich an der Stelle auch nicht mehr sagen, außer dass ich dein Gedicht (wie so ziemlich alle deine Gedichte) wirklich mag! <3

  • XXIII


    Ich habe vergessen, dass mein letztes Update im April war. Damals fand ich mich noch so produktiv am Schreiben, ich hatte immerhin schon zwei Updates mit drei in diesem Jahr geschriebenen Texten online gestellt. Offensichtlich habe ich mich zu sehr darauf ausgeruht ... Auf jeden Fall kam dann der achte Wettbewerb und ich dachte: "Ich find das Thema des Wettbewerbs toll, hab aber keine Ideen. Kann mir jemand helfen?" Und ich bekam tatsächlich Hilfe, sodass eine Abgabe enstanden ist. Im neunten Wettbewerb ganz ähnlich; da hat es mir geholfen, auszudrücken, dass ich keine Ideen hatte.

    Eigentlich hatte ich ja vorerst nicht vorgehabt, an Wettbewerben teilzunehmen (die meisten SF-Sieger verschwinden nach ihrem Sieg erstmal. Das könnt ihr nachprüfen, es stimmt), aber die Themen waren irgendwie doch zu ansprechend und es war auch gut, mal wieder etwas zu schreiben. Außerdem kann ich jetzt nach einem halben Jahr mal wieder mein Topic updaten. Also eigentlich eine Win-Win-Situation (völlig unabhängig davon, dass ich beide gewonnen habe, was, wie ich jetzt feststelle, der Aussage eine völlig andere Bedeutung geben kann, die nicht beabsichtig war xD). Ich hoffe, sie gefallen euch auch.



    Heute fallen tausend Sterne

    Heute fallen tausend Sterne,

    Schweben durch den Lauf der Zeit,

    In die Nähe aus der Ferne;

    Jeder ist zum Wunsch bereit.


    Fragst du dich, was einst geschehen,

    Als die Sternschnuppe entsprang?

    Sag, was bleibt wohl, wenn wir gehen?

    Sternenstaub und Zeitgesang.


    Neue Lichter, neue Töne,

    Ferner als das End’ der Welt,

    Einstmals Kinder, Töchter, Söhne,

    Jetzt in neuem Schein erhellt.


    Nichts ist jemals ganz verloren,

    Eine and’re Form entsteht.

    Funkelnd wird ein Stern geboren,

    Da die Zeit niemals vergeht.


    Und in manchen klaren Nächten

    Fällt herab vom Himmelszelt

    Mit solch ungeahnten Mächten

    Etwas Glück in uns’re Welt.


    Sieh den Sternenstaub dort brennen,

    Öffne ihm und lass ihn ein,

    Deinen Wunsch für sich erkennen,

    Starten, was gemacht zu sein.


    Hör die Stunden zu dir singen,

    Fühl die Wärme, sieh das Licht.

    Träume haben zarte Schwingen,

    Anders spürst du ihrer nicht.


    Wenn die Wünsche Träume werden,

    Strahlt der Sternenhimmel klar,

    Dann ist Sternenstaub auf Erden;

    Schließlich werden Träume wahr.


    Doch auch hier wird es nicht enden;

    Zeitgesang beschreibt den Kreis,

    Sternenstaub mag Leben spenden:

    Alt wird neu und schwarz aus weiß.


    Was vergangen ist, wird bleiben,

    Eine stumme Melodie,

    So die Ewigkeit beschreiben.

    Sternenlicht verliert sich nie.


    Sind wir Nähe, sind wir Ferne?

    Hörst du den Gesang der Zeit?

    Heute fallen tausend Sterne,

    Jeder ist zum Wunsch bereit.




    Epistolí

    Mein liebstes Leanchen,

    du fragst dich sicherlich, was das ist, was du jetzt in den Händen hältst. Die Bevölkerung dieses Planeten nannte es einen επιστολή, eine epistolí, neben vielen anderen Bezeichnungen – die intelligente Lebensform scheint niemals einen Sprachausgleich durchgeführt zu haben. Was ich schreibe, stellt wohl eine frühe Form der Kommunikation dar, welche notwendigerweise physisch war und dieses Pflanzenfasermaterials bedurfte. Deshalb hege ich die Hoffnung, dass es trotz des Teletransports unbeschadet bei dir angekommen ist.

    Wie ich dich kenne, sitzt du nun da und verziehst das Gesicht, fragst dich, warum ich dir ein seltsames epistolí und keine digitale Nachricht sende. Ich habe viel über die intelligente Lebensform, die άνθρωποι oder ánthropoi herausgefunden; sie legten viel Wert auf Dinge, die sie überdauerten. Eine digitale Nachricht würde sich auflösen, sobald du sie abgerufen hättest, dieses Pflanzenmaterial, χαρτί (chartí), soll dir über die Zeit hinweghelfen, die ich für den Rückweg zu dir brauchen werde.

    Ánthropoi versandten viele epistolí an ihre Liebsten; ein Brauch den ich gerne für dich übernehme. Sie waren letztlich eine der größten Quellen für unsere Forschung. Aber die ánthropoi nutzten chartí auch für andere Dinge, sie banden sie zusammen zu βιβλία bzw. vivlía. Vielleicht hilft uns das sogar bei unserer Forschung zu den alten Kantei-Zivilisationen unseres Planeten. Viele Steinbilder aus dieser Epoche weisen erstaunliche Ähnlichkeit zu den hier gefundenen vivlía auf. Möglicherweise waren sich unsere Planeten einst sehr ähnlich. Darum ist es, sosehr ich mich auch nach dir sehne, umso frustrierender diesen Planeten verlassen zu müssen, ohne den Grund für das Ableben der ánthropoi zu kennen. Ihre heimische Fauna und Flora scheint nicht von dem Ereignis betroffen gewesen zu sein, denn die meisten der in den vivlía abgebildeten Tierarten konnten unsere Forscher in den verschiedenen Regionen des Planeten ausfindig machen. Wir konnten noch nicht alle Schriften entziffern, aber es scheint, dass sich einige Spezies weiterentwickelten, um sich an die veränderten Lebensbedingungen ohne ánthropoi anzupassen. Diese evolutionären Tendenzen ...

    Das ist wohl das Faszinierendste an epistolí: Wenn man einmal etwas geschrieben hat, so lässt es sich nicht mehr entfernen. Entschuldige deshalb meine wissenschaftlichen Ausführungen, ich weiß, dass sie dich langweilen. Dennoch wünsche ich mir, dass du von den Gegebenheiten ebenso fasziniert wirst wie ich. Also lass mich dir mit meinen Worten ein Bild malen:

    Die Entfernung zu seiner Sonne hat diesen Planeten zu einem grünen Planeten gemacht. Das seltene Gras wächst hier an vielen Stellen und paart sich mit Moos, sodass ein weicher, grüner Teppich entsteht, auf dem man tatsächlich barfuß laufen kann. Er ist kühl und weich. Moos scheint generell die Pflanze zu sein, die sich am weitesten verbreitet hat; fast jede Steinfläche ist mit ihr überzogen. Wir mussten viele Artefakte aus ihrem Griff befreien. Die meisten Häuser der ánthropoi hatten in früheren Zeiten scharfe Kanten und gerade oder gar seltsame Formen, welche wahrscheinlich weit in den Himmel ragten. Einige vivlía zeigten Bilder von ihnen, aber auf ihre tatsächliche Größe konnten wir nur anhand der Masse an Trümmern schließen, die um die stabileren Fundamente zu finden waren. Viele Tierarten haben sich diese Trümmer als Wohnstätte ausgesucht, Gras, Moos, vereinzelte Bäume und eine Vielzahl an Efeuranken bieten ihnen zusätzlich Schutz, Futter und Baumaterial. An einigen Stellen war ein Vorankommen am Boden unmöglich, wodurch uns eine authentische Erfahrung verwehrt blieb, denn es scheint, dass die ánthropoi sich in Bodennähe auf unebenen schwarzen Wegen bewegten. Wobei einige Kollegen die Theorie vertreten, sie seien früher einmal glatt gewesen und erst nach dem Verschwinden der ánthropoi aufgeplatzt. Doch die Antwort auf die Frage nach der Fortbewegung ist noch unsicher, denn einige Stellen mit eingefallenem Boden, an welchen die Trümmer selbst für die Tierwelt oftmals kaum noch zugänglich sind, legen die Vermutung nahe, dass ánthropoi vielleicht auch unterirdisch reisten. Es mangelte uns allerdings an Zeit und Personal, um diese Stellen näher zu untersuchen.

    Im Zusammenhang mit den Häusern hatte ich den Himmel ja schon einmal erwähnt, aber es wird ihm nicht gerecht, da sein tiefes, dunkles Blau alles in den Schatten stellt, was du dir vorstellen kannst. Ich kann es kaum erwarten, dass unsere Forschungsmaterialien freigegeben werden und ich dir die Bilder zeigen kann. Denn eine andere faszinierende Eigenart des Himmels dieses Planeten sind die Wolken, welche alle paar Wochen auftauchen und zum Teil einfach nur am Himmel ziehen, ohne dass aus ihnen Regen fließt. Wir waren alle äußerst überrascht von diesem Phänomen.

    Wasser ist generell eine Besonderheit dieses Planeten. Deutlich über die Hälfte seiner Oberfläche ist mit Wasser bedeckt, wobei man es nur in Ausnahmefällen trinken kann. Entweder ist es mit zu viel Salzmineral gefüllt oder besitzt einen zu hohen Säuregehalt. Die einheimische Fauna scheint sich daran angepasst zu haben und auch die ánthropoi schienen zumindest eine Vorliebe für Kohlenstoffdioxid besessen zu haben, da wir einige Gerätschaften gefunden haben, welche dieses herstellen. Allerdings waren sie zumeist verfallen, verrostet und anderweitig beschädigt, dass erst eine exakte Rekonstruktion in unseren Heimatlaboren genauere Erkenntnisse bringen kann. Bevor ich aber wieder abschweife, lass dir sagen, dass wir diese Gerätschaften in Unmengen an den verschiedensten Plätzen gefunden haben: In Trümmerhaufen, bei den schwarzen Wegen, in den Wassern – sie sind überall. Möglicherweise hatten sich sogar einige Gebäude speziell der Herstellung von Kohlendioxid verschrieben. Aber um noch einmal zum Wasser zurückzukommen: Die besterhaltenen Gebäude dieses Planeten finden sich hinter dem Rand der Landmasse in den riesigen Salzgewässern. Einige vivlía zeigen Bilder einer fischähnlichen Abzweigung der ánthropoi, wobei hierzu die Meinungen auseinandergehen, denn die gefundenen Unterwasserstädte scheinen keinerlei Vorteile aus ihrer Umgebung zu ziehen und einige Dinge scheinen auch nur über der Oberfläche überhaupt zu funktionieren. Außerdem würde sich die Frage stellen, was zwei Unterarten der ánthropoi aus verschiedenen Lebensräumen ausrottete, nicht aber die dazugehörige Tierwelt, denn wir fanden sowohl Fische als auch Säugetiere. Aber auch einige Vögel bevölkern den Planteten. Du würdest ihre Gesänge lieben. Sie erfüllen die Stille.

    Die ánthropoi waren ein faszinierendes Volk und ich kann es nicht erwarten, unsere Ergebnisse auszuwerten und eines Tages widerzukehren und neue Erkenntnisse zu sammeln. Noch weniger kann ich jedoch erwarten, dich wiederzusehen. Der Platz auf dem chartí, dass ich in einem der ehemaligen Häuser gefunden habe, neigt sich nun auch dem Ende. Ich hoffe, du hast deine Freude an dieser fremdartigen Kommunikationsform und dass sie dir die lange Zeit meiner Reise verkürzt.

    Ich freue mich darauf, dich bald wieder in die Arme schließen zu können.

    In Liebe,

    Luan


  • XXIV

    Ja, das mit dem Nicht-an-Wettbewerben-teilnehmen hat ja nur so bedingt geklappt. Aber durch das Saisonfinale hatte ich die Möglichkeit auf alte Ideen einzugehen (weil mir keine neuen einfielen). Alte Dämonen war offensichtlich eine Fortführung von Selas Geschichte aus dem SF16 (die vielleicht irgendwann auch noch hier ausgestellt wird, wer weiß), Der Anfang war das Gegenteil von Dies Illa - Jener Tag (was übrigens auch zu einer etwas größeren Idee gehört, die ich hoffentlich irgendwann so weit fertig habe, dass ich sie hier ausstellen kann) und der nun hier ausgestellte Waldwächter ist quasi eine Erweiterung meines Wichtelgeschenkes von 2015 für Roque, die bestimmt vergessen hatte, dass ich zu ihrem Bild etwas schreiben wollte. Nun ja, ich nicht. Und so ist dieses Drama entstanden.

    Und weil es ja irgendwie um Wichtelgeschenke geht, hier eine kurze Auflistung, damit ich in Zukunft nicht mehr so viel suchen muss: 2011 - Das perfekte Foto | 2013 - Winterwunder [Ersatzwichtel] | 2014 - Das Wunder der Route 123 | 2015 - Die Erben des Wassers | 2016 - About Life and Death | 2019 - *unschuldig pfeif*



    Die Geister des Waldes



    Der Waldwächter von Roque


    1. Szene

    Nacht. Ein Wald im Winter. Es liegt Schnee. Auf einer Lichtung steht eine Gruppe Pokémon, die durcheinander reden. PUMPDJINN stimmt einen unheimlichen Gesang an.


    HYPNO. Muss das wirklich sein?

    GENGAR. So oft, wie es uns schon verflucht hat, kommt es auf einmal mehr auch nicht mehr an ...

    PUMPDJINN. (hört auf zu singen) Schön, dass ich jetzt eure volle Aufmerksamkeit habe.

    HYPNO. (nuschelnd) Was man ja auch nicht anders hätte schaffen können.

    PUMPDJINN. Es freut mich, dass ihr alle zu unserer monatlichen Vollversammlung erschienen seid. Als erster Punkt auf der Tagesordnung freut es mich, verkünden zu können, dass der Konflikt zwischen Zwirrklop und Gengar geschlichtet werden konnte. Dementsprechend wird Gengar seine Arbeit in Zukunft auf die Dörfer beschränken, während Zwirrklop nur verirrte Seelen in den Wäldern in sich aufnimmt. Nehmt diesen Konflikt als strahlendes Beispiel. Wenn ihr vernünftig miteinander sprecht, müssen Auseinandersetzungen nicht in Kämpfen oder gar Flüchen enden.

    HYPNO. (nuschelnd) Wir sind ja so schon genug verflucht.

    PUMPDJINN. Möchtest du etwas sagen, Hypno?


    Alle Augen richten sich auf HYPNO, das einzige Psychopokémon in der Gruppe der Geister.


    HYPNO. (leicht panisch) Nein, nein. Alles super. Es freut mich, dass sich Konflikte in dieser Gruppe so leicht lösen lassen!

    PUMPDJINN. Gut. Dann können wir jetzt mit den Berichten weitermachten. Drifzepeli, möchtest du beginnen?

    DRIFZEPELI. Sehr gerne. Ich habe in diesem Monat fünfzehn Menschen ins Jenseits transportiert. Das sind fünf mehr als durchschnittlich im letzten Jahr. Ich bin sehr zufrieden. Gerade Kinder sind oft so dumm, mich für einen Ballon zu halten ...


    Während die Pokémon berichten, steht TROMBORK etwas abseits.


    UNBEKANNTE STIMME. (singend) Ah ah ah ah ...

    TROMBORK. Was ist los?

    SKELABRA. Halt die Klappe, ich hab nichts gesagt.

    UNBEKANNTE STIMME. (singend) Ah ah ah ah ...

    TROMBORK. Aber da ist doch irgendwas!

    SKELABRA und ECHNATOLL. Sch!

    UNBEKANNTE STIMME. (singend) Ah ah ah ah ...

    TROMBORK. (lauter) Hört ihr das denn nicht?

    PUMPDJINN. Was ist da hinten los?

    SKELABRA. Trombork macht mal wieder Schwierigkeiten.

    GENGAR. (zu sich selbst) Wie immer ...

    PUMPDJINN. Trombork, du weißt, was mit denen passiert, die diese Arbeit nicht ernst nehmen.

    TROMBORK. Nein, ich, da war wirklich eine Stimme, sie singt.

    GENGAR. Ja klar ...

    SKELABRA. Ich hab nichts gehört.

    TROMBORK. Doch, wirklich. Sie hat gesungen!

    UNBEKANNTE STIMME. (singend) Ah ah ah ah ...

    TROMBORK. Da! Da war sie wieder!

    SKELABRA. Nope. Immer noch nichts.

    PUMPDJINN. Trombork, langsam gehen mir deine Geschichten auf die Nerven. Jeden Monat stehst du abseits und hast kaum entführte oder verfluchte Seelen vorzuweisen.

    TROMBORK. Ich sagte doch schon, ich verfluche niemanden, der dem Wald nicht schadet!

    ECHNATOLL. (TROMBORK nachäffend) Niemanden, der dem Wald nicht schadet!

    ZWIRRKLOP. Echnatoll hat recht, so jemand wie du ist erbärmlich!

    GENGAR. Genau, du gehörst hier einfach nicht her. Das versuche ich dir schon seit Ewigkeiten klar zu machen!

    SKELABRA. Also wirklich, Trombork. Du solltest wissen, dass es nicht um gut und böse geht. So ist das nun mal.

    PUMPDJINN. Ruhe! (die anderen Pokémon verstummen und schauen aufmerksam zu PUMPDJINN) Trombork, ich hatte Geduld mit dir, aber ich muss den anderen leider zustimmen, langsam gehst du wirklich zu weit.

    TROMBORK. Aber da war wirklich eine –

    PUMPDJINN. SCHWEIG! Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass es so nicht weitergehen kann. So leid es mir tut, ich muss dich aus der Gruppe verbannen.

    TROMBORK. (voller Angst) Nein! Nein, wirklich. Pumpdjinn. Ich bin doch auch einer von euch Geistern! Da war keine Stimme. Es tut mir leid. Ich werde mich bessern!

    PUMPDJINN. Es tut mir wirklich leid. Es ist immer hart, jemandem aus der eigenen Gruppe die Lebensenergie zu nehmen, aber du kennst die Regeln. Uns bleibt keine andere Wahl.

    TROMBORK. Nein, nein bitte. Bitte!


    Alle Pokémon sammeln sich um TROMBORK, da erscheint ein helles Licht. Als es wieder verlöscht, ist TROMBORK verschwunden.


    PUMPDJINN. Was -?

    HYPNO. Die letzten Male sah das aber anders aus ...

    PUMPDJINN. (wütend zu HYPNO) Willst du der nächste sein?

    HYPNO. (zurückrudernd) Nein, nein, ich hab nur sagen wollen, dass ich letzten Monat fast eine ganze Schulklasse hypnotisiert und weggeführt habe!



    2. Szene

    Dieselbe Waldlichtung im Sommer. Die Sonne scheint. TROMBORK steht alleine in ihrer Mitte.


    TROMBORK. Hallo? Pumpdjinn? Skelabra? Wo seid ihr? Bin ich schon tot?

    UNBEKANNTE STIMME. (singend) Ah ah ah ah ...

    TROMBORK. Du! Wer bist du? Wo bin ich hier? Antworte mir endlich!


    CELEBI taucht von TROMBORK auf der Lichtung auf.


    CELEBI. Hallo Trombork. Mein Name ist Celebi. Es freut mich, dich endlich persönlich zu treffen.

    TROMBORK. (verwirrt) Was – wie – wo kommst du her?

    CELEBI. Aus dem Wald. (kichert) Du musst wissen, ich bin die Stimme des Waldes. Und ich versuche schon so lange, dich zu erreichen. Es freut mich, dass du mir endlich zugehört hast.

    TROMBORK. Dann warst du das immer? Du hast gesungen? Ich dachte, das wären nur Schwalbini ...

    CELEBI. Nein, das war ich.

    TROMBORK. Aber warum ich? Warum konnten die anderen es nicht hören?

    CELEBI. Nun, du bist der Einzige, der die Stimme des Waldes hören konnte, weil du mir als einziger zugehört hast natürlich. Du bist der Einzige, dem der Wald wichtig genug war dafür. Deshalb hast du mich gehört. Und ich hatte es mir so gewünscht. Ich wollte dich schon so lange von diesen finsteren Gestalten wegholen.

    TROMBORK. Dann hast du das gemacht? Wohin hast du mich gebracht?

    CELEBI. Nicht wohin. (kichert) Die richtige Frage lautet. Wann?

    TROMBORK. Wann?

    CELEBI. Ja, genau. Das ist meine zweite Fähigkeit. Ich kann durch die Zeit reisen, um immer für den Wald da sein zu können. Also habe ich uns einfach ein bisschen weiter in der Zeit geführt. Nur ein paar Jahrzehnte. Gerade genug, um deine Peiniger über ihren Schock hinwegkommen zu lassen. (kichert wieder)

    TROMBORK. Meine Peiniger?

    CELEBI. Ja, die fiesen Pokémon, die dir deine Seele rauben wollten. Für dich ist das gerade erst geschehen, das kannst du doch noch nicht vergessen haben.

    TROMBORK. (verwirrt) Ja, ich meine nein, ich meine ... Weshalb hast du mich gerettet?

    CELEBI. Ach ja, das hab ich ja noch gar nicht gesagt! (lächelnd) Ich habe dich ausgewählt, um mein Waldwächter in dieser Zeit zu werden?

    TROMBORK. Ei-ein Waldwächter? Was ist das?

    CELEBI. Nun, ich hab ja gesagt, dass ich auf den Wald in verschiedenen Zeiten aufpasse, aber trotz des Zeitreisens kann ich nicht überall gleichzeitig sein. Also brauche ich jemanden, der für mich vor Ort ist, jemanden, der aufpasst, kurz. Jemanden wie dich.

    TROMBORK. Jemanden wie mich ... (plötzlich aufmerksam) Moment, du willst mir eine solch große Verantwortung übergeben? Wirklich?

    CELEBI. Ja, aber natürlich. Du erfüllst alle Voraussetzungen! Du achtest auf den Wald und seine Bewohner, bestrafst all jene, die ihm Leid zufügen und – was am allerwichtigsten ist – du hast mein Lied gehört. Dein Herz ist rein. Und du lässt es zu. Du bist perfekt!

    TROMBORK. Perfekt ... ich war noch nie perfekt für irgendwas. Ich war immer nur der Außenseiter. Immer haben sie mir gesagt, ich sei nicht gut genug, weil ich nicht genug Seelen fange.

    CELEBI. (stöhnt) Wie ich es hasse, dass mir die besten Kandidaten immer schlecht gemacht werden ... Du hast es in dir, glaub mir! Und was die anderen angeht, die dich immer niedergemacht haben ... da hab ich auch schon einen Plan. (zwinkert TROMBORK verschwörerisch zu)

    TROMBORK. (sieht CELEBI skeptisch an) Ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Ich will eigentlich niemandem Schaden, der nichts Schlechtes getan hat ...

    CELEBI. ... der nichts Schlechtes getan hat? (starrt TROMBORK mit großen Augen an) Sie wollten dich UMBRINGEN! Nur wegen dieser Einstellung! Die haben eine Lektion verdient! Und jetzt, da sie glauben, du wärst wirklich tot, können wir ihnen einen wunderbaren Schrecken einjagen. (lächelt auffordernd)

    TROMBORK. Na gut. Vielleicht hast du recht ...

    CELEBI. Natürlich hab ich recht! Ich bin die Stimme des Waldes! Ich habe immer recht! Aber bevor wir uns an die Arbeit machen, musst du mir noch diese Frage beantworten. Möchtest du denn mein Wächter des Waldes werden? Du müsstest einfach so weitermachen wie bisher, nur mit dem Unterschied, dass du mich jederzeit rufen könntest, wenn du Hilfe brauchst.

    TROMBORK. (nach einem kurzen Moment voller Überzeugung) Ja. Ich will dem Wald helfen. Ich will ihn beschützen. Ich werde dein Waldwächter!

    CELEBI. (quietscht vor Glück) Yeay! Ich hatte so gehofft, dass du Ja sagst. (aufgeregter) Das wird wunderbar! Wir werden ein tolles Team. Ich zeig dir all die wichtigen Stellen, die du kennen musst und die Orte, auf die du besonders achten musst. Es gibt da zum Beispiel diese Dartiri-Familie, die immer wieder Probleme mit den lauten Autos der Menschen hat, und ... Ach, (bremst sich) alles zu seiner Zeit. Erst sag ich dir, wie wir die schrecklichsten Gestalten des Waldes mal so richtig erschrecken.



    3. Szene

    Die Waldlichtung in einer Sommernacht. Die Pokémon um PUMPDJINN versammeln sich. PUMPDJINN singt nur die ersten Töne seines Liedes und auf der Lichtung wird es mucksmäuschenstill.


    PUMPDJINN. Wie schön, dass sich in letzter Zeit so schnell die Ruhe einfindet. Das spart uns alle Zeit und Nerven.

    HYPNO. (fast unhörbar) Und Flüche ...

    PUMPDJINN. Wie jedes Jahr, ist auch dieser Sommer wieder eine sehr ergiebige Jahreszeit. Ich selbst habe bestimmt zwei duzend Menschen in der letzten Neumondnacht meinem Lied lauschen sehen. Ich bin äußerst zufrieden mit meiner Quote.

    GENGAR. Geht mir genauso. Zwar sind die Sommernächte kürzer, aber sie locken deutlich mehr Menschen auf die Straßen, mit denen ich meine Späße treiben kann.

    ZWIRRKLOP. Und erst der Wald! So voller Zelte war er noch nie! Und es gibt immer wieder Wanderer, die ihren Rastpunkt nicht mehr finden.

    SKELABRA. Ich stimme absolut zu. Dieser Sommer –


    Ein helles Licht blendet die Pokémon und TROMBORK erscheint in ihrer Mitte und wendet sich zu PUMPDJINN.


    TROMBORK. Guten Abend Pumpdjinn. Habt ihr mich vermisst?

    PUMPDJINN. Tr-Tro-Trombork? Ich dachte, du wärst tot?

    HYPNO. Ich wusste doch, dass das Lebensenergieaussaugen anders aussieht!

    SKELABRA. Wo warst du?

    GENGAR. Wo kommst du her?

    ECHNATOLL. Bist du überhaupt gealtert?

    TROMBORK. (mit unheimlicher Stimme) Ihr solltet so etwas doch kennen. Ich bin überall und nirgends. Ich erscheine aus dem Nichts und verschwinde genauso schnell. (flüstert) Und ich habe ungeheure Kräfte.


    Mit einer winzigen Bewegung von TROMBORK beginnen die Bäume am Rande der Lichtung zu zucken.


    SKELABRA. Was?

    ZWIRRKLOP. Wie?

    TROMBORK. Oh, ihr habt ja keine Ahnung, wozu ich fähig bin ...

    PUMPDJINN. Trombork ...

    TROMBORK. (hält inne und schaut PUMPDJINN prüfend an) Ich warte ...

    PUMPDJINN. (unterwürfig) Was verlangst du von uns?


    Die umstehen Pokémon atmen erschreckt ein.


    ZWIRRKLOP. Sowas hat er ja noch nie gemacht.

    ECHNATOLL. Er hat Angst?

    GENGAR. Pumpdjinn?

    PUMPDJINN. Trombork ist unserer gebündelten Macht entkommen. Jetzt liegt unser Schicksal in seiner Hand.

    TROMBORK. Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Aber es ist, wie es ist. Also verlasst diesen Wald!

    ZWIRRKLOP. Was???

    DRIFZEPELI. Auf keinen Fall! Dieser Wald ist die reinste Goldgrube!


    Dröhnend biegen sich die Äste einer Tanne und umklammern DRIFZEPELI.


    DRIFZEPELI. (röchelnd) Hilf- L-l-lass mich r-runter! I-ich k-krieg- kein-e Luft!

    PUMPDJINN. Bitte, Trombork! Lass ihn gehen! Wir tun, was du verlangst!

    GENGAR. Ja.

    ZWIRRKLOP. Absolut!

    HYPNO. Ich hatte eh keine Lust mehr auf diesen Wald ...

    ECHNATOLL. Ja, es wird Zeit für etwas Neues.

    TROMBORK. Na gut. (löst den Griff um DRIFZEPELI) Dieses Mal will ich die Gnade walten lassen, die mir versagt wurde.

    PUMPDJINN. Danke Trombork, vielen Dank.

    TROMBORK. Jetzt geht. Ich will euch hier nie wieder sehen.

    PUMPDJINN. Ja, Trombork, sofort.


    PUMPDJINN, ECHNATOLL, GENGAR, HYPNOPNO, DRIFZEPELI, ZWIRRKLOP und SKELABRA verschwinden im Wald. CELEBI erscheint.


    TROMBORK. War das gut so?

    CELEBI. Es war perfekt. (kichert) Sie haben es dir absolut abgekauft!

    TROMBORK. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das schaffe, aber irgendwie hat es mir sogar Spaß gemacht. Zumindest ein ganz kleines bisschen ...

    CELEBI. Glaub mir, sie hatten es verdient. Sie haben dem Wald so viel Schaden zugefügt. Das hier war deine allererste Mission als Waldwächter. Und du hast sie mir Bravour gemeistert!

    TROMBORK. Danke Celebi. Danke für alles. Jetzt kann alles besser werden!

    CELEBI. Ich danke dir. Denn du bist es, der alles besser machen wird. Glaub mir. Ich war in der Zukunft. (kichert) Ich hab es gesehen.



    4. Szene

    Die Waldlichtung im Winter. Es liegt Schnee. Einige DARTIRI fliegen durch die Luft. TROMBORK kommt mit zwei jungen PARAGONI aus dem Wald. Die DARTIRI fliegen um sie herum.


    DARTIRI. (zwitschernd) Trombork! Trombork! Es ist perfekt! Danke, dass du unsere Nester hergebracht hast!

    TROMBORK. Das ist meine Aufgabe. Und die Lichtung brauchte sowieso eine neue Bestimmung.

    ERSTES PARAGONI. Das sind also die Dartiri, die du umgesiedelt hast?

    ZWEITES PARAGONI. War das schwer?

    TROMBORK. Überhaupt nicht. Wisst ihr, wenn euch der Wald wichtig genug ist, dann ist es ganz einfach auf ihn aufzupassen.

    ERSTES PARAGONI. Und woher wissen wir, dass wir so weit sind?

    TROMBORK. Schließt die Augen und lauscht. (schließt die Augen)


    Die PARAGONI schließen die Augen. Auch die DARTIRI werden still.


    CELEBI. (singend) Ah ah ah ah ...

    ZWEITES PARAGONI. (schreckt auf) Da war was!

    ERSTES PARAGONI. Was ist das?

    TROMBORK. (lächelnd) Das ist die Stimme des Waldes. Wenn ihr sie hört, dann seid ihr bereit.

    ERSTES PARAGONI. War das bei dir auch so?

    TROMBORK. Oh ja. Diese Stimme hat mir ein neues Leben geschenkt. Ihr verdanke ich, dass ich heute hier sein kann, um euch zu zeigen, wie man auf den Wald achten kann.

    ZWEITES PARAGONI. Und zeigst du uns noch mehr?

    ERSTES PARAGONI. Ja! Wir wollen alles wissen!

    TROMBORK. Schon gut, nicht so stürmisch. Ihr werdet schon alles lernen.

    ERSTES PARAGONI. Werden wir dann auch eines Tages Waldwächter?

    ZWEITES PARAGONI. Und lernen wir dann auch die Stimme des Waldes kennen?

    ERSTES PARAGONI. Und ...


    Weiterhin Fragen stellend verlassen TROMBORK und die PARAGONI die Lichtung. Zwischen den Bäumen hockt CELEBI und lächelt. Dann verschwindet es in einem hellen Licht.


  • XXV

    Und noch ein Wettbewerbstext. Aber das musste irgendwie sein. Und ich kann gar nicht viel sagen, ohne sehr spezifisch zu werden. Wer also gar nichts zu dem Inhalt wissen will, sollte vielleicht das Vorwort auslassen. Und ich nehme sehr gerne Feedback entgegen, bezweifle aber, dass ich in nächster Zeit nochmal über diesen Text gehen kann. Dafür ist er zu emotional aufgeladen. - Und ohne dies an dieser Stelle weiter zu spezifizieren, wünsche ich euch einfach viel Freude beim Lesen.



    Die Welt, die wir nicht sehen


    Es war hell und dennoch nicht kalt. Aber auch nicht warm. Das Zimmer strahlte irgendwas dazwischen aus. Jedes Mal, wenn Katja ihren Großvater im Heim besuchte, hatte sie dieses Gefühl. Es war freundlich und irgendwie einladend, aber nicht zuhause.

    Als sie an sein Bett trat, versetzte ihr der Anblick ihres Großvaters, der mit eingefallenen Gesichtszügen dalag, zu schwach, um aufzustehen, einen schmerzlichen Stich. Auch das war jedes Mal gleich.

    „Hallo Opa“, sagte sie freundlich, setzte sich zu ihm und nahm seine Hand. Und er drückte sie. So wie immer. Katja war sich nicht sicher, ob sie über diese Routine glücklich sein sollte oder verzweifelt, weil das alles war, was ihr von dem Mann geblieben war, der sie großgezogen hatte.

    Nachdem sie ihre Eltern früh bei einem Autounfall verloren hatte, waren es immer nur sie beide gewesen. Zwei Seelen in dieser großen Welt. Ihre Großmutter war schon kurz nach Katjas Geburt an Krebs verstorben. Und dennoch hatten sie und ihr Großvater ein schönes Leben gehabt. Er hatte ihr gezeigt, wie man in dieser verwirrenden Welt zurechtkam. Wann immer sie etwas nicht verstand oder nicht weiterwusste, war sie zu ihm gekommen. Und jetzt zerrte seine Demenz ihn fort von ihr. Weit weg, in eine ganz andere Welt, die sie nicht verstand und wahrscheinlich auch nie verstehen konnte. Eine Welt mit unheimlichen Gestalten und fröhlichen Festen. Eine Welt, die sie nicht sehen konnte. Aber immer dann, wenn er ihre Hand nahm, waren sie verbunden – so, als wären ihre Hände die Brücke zwischen den Welten.

    „Katja“, sagte er nur, als er sie sah, doch seine Augen waren klar und wach. Zumindest wacher und klarer als sie ihn in den letzten Tagen und Wochen erlebt hatte. Fast hatte sie die Hoffnung schon aufgeben, noch einmal wirklich mit ihm zu sprechen.

    „Du – du bist wach“, sagte Katja mit einem Lächeln, auch wenn fast die Worte ‚Du erkennst mich‘ aus ihrem Mund gekommen wären.

    „Aber ja“, entgegnete der alte Mann, „auch wenn ich gestern Abend noch lange auf war.“

    „Ach ja?“, fragte Katja und Klaus sah die Verwunderung im Gesicht seiner Enkelin aufblitzen. Daraufhin musste er lächeln und begann zu erklären: „Hier war gestern bunter Abend. Und sogar ich bin auf die Bühne gegangen. Ich! Kannst du dir das vorstellen?“

    „Ähm, nein“, antwortete Katja.

    Ein neues Detail aus seiner Welt. Aber das würde sie ihm nicht sagen. Immerhin würde die schöne Erinnerung ihm nicht schaden.

    „Es gab auch Akrobaten“, berichtete Klaus weiter von seinen Erlebnissen, „und einen Clown mit Pferd. Und dann hab ich etwas vorgetragen. Wir hatten sehr viel Spaß.“

    „Das kann ich mir vorstellen.“

    „Und weißt du was, wenn man einen Krüppel vor den Backofen setzt, kommt da noch lange kein Schwarzbrot bei raus.“

    „Was?“, fragte Katja verdattert und musste unwillkürlich lachen. „Ich meine, nein, du hast recht. Aber wie kommst du da drauf?“

    „Keine Ahnung“, entgegnete ihr Großvater mit matter Stimme und sein Blick wurde wieder etwas leerer, als reichte seine Kraft nur noch für kurze Phasen klarer Gedanken.

    Katja wusste nie genau, was sie erwartete, wenn sie ihren Großvater besuchte. Er hatte gute Tage, schlechte Tage und alles dazwischen. Eigentlich hatte sie gehofft, dass er heute einen guten Tag haben würde – trotz der Halluzinationen vom vergangenen Abend.

    Irgendwo hatte sie einmal gelesen, dass der Mensch verlernt habe, einfach nur still zu sitzen und mit seinen Gedanken alleine zu sein. Und nie hätte sie dieser Aussage mehr zugestimmt als während der vielen Male, die sie einfach nur schweigend neben ihrem Großvater saß und seine Hand hielt. Es war während eines solchen Momentes gewesen, dass sie angefangen hat, sich vorzustellen, was er alles sah und dass dies vielleicht ja gar nicht so viel anders war, als das, was sie sah. Dass es vielleicht einfach nur eine andere Welt war. Die Menschen glaubten an so viel; warum dann nicht auch an das?

    „Wer ist das?“, fragte Klaus nach einiger Zeit, als er hinter seiner Enkelin eine Gestalt entdeckte.

    „Wer?“, fragte Katja reflexartig, als sie sich zum Fenster wand und niemanden entdeckte. „Ich weiß es nicht, Opa“, sagte sie dann, „ich sehe da niemanden.“

    „Aber das heißt nicht, dass keiner da ist“, beharrte Klaus.

    „Nein“, stimmte seine Enkelin dann zu.

    „Nur weil du es nicht siehst, heißt es nicht, dass ich falsch liege.“

    „Nein“, wiederholte Katja. „Du siehst mehr als ich.“

    „Eine andere Welt“, erinnerte sich Klaus an die Gespräche, die sie schon darüber geführt hatten.

    „Ja, genau, eine andere Welt“, sagte Katja mehr zu sich selbst. „Ich würde gerne irgendwann darüber schreiben.“ Die Worte waren aus ihrem Mund gekommen, ohne dass sie es wirklich beabsichtigt hatte, also setzte sie noch eine Erklärung hinterher: „Über das hier, über uns beide und über die Welt, die nur du sehen kannst. Ist das okay für dich?“

    Wieder starrte ihr Großvater an Katja vorbei, beobachtete die fremde Person, den sie nicht sehen konnte, und Katja war sich nicht sicher, ob er ihre letzten Worte überhaupt noch gehört hatte.

    „Elke“, flüsterte er.

    „Nein, Opa, ich bin -“, versuchte Katja ihm zu sagen, dass sie nicht ihre Mutter war, als die Erkenntnis sie mit einem Schlag traf. Abrupt drehte sie sich um, aber natürlich sah sie nur eine Leere weiße Wand. „Wo ist sie?“

    „In der Ecke“, antwortete Klaus, konnte aber seine Augen nicht von seiner Tochter lassen. Seine Stimme kam nur schwerfällig aus seinem Hals, auch wenn er nicht genau wusste, warum. Vielleicht waren es die ihn überwältigenden Emotionen, die sie brechen ließen. Ein Teil von ihm hatte immer gewusst, dass sie nicht mehr da war, jedes Mal, wenn er sie und Katja verwechselt hatte. Umso überwältigender war es, sie in diesem Moment sehen zu können.

    Katjas Augen füllten sich mit Tränen. ‚Du weißt, warum sie hier ist, oder?‘, fragte sie in Gedanken, weil sie nicht die Kraft fand, es auszusprechen. Sie verstärkte den Druck ihrer Hand ein wenig. Ihre Stimme war kaum mehr als das Rauschen des Windes in der Ferne. „Du solltest zu ihr gehen.“

    Es war eine Erkenntnis, die Katja immer Trost spenden würde. So sehr ihr Großvater ihr auch fehlte, sie wusste, dass er wieder mit seiner Familie vereint war.

    Für Klaus wurde es immer schwieriger, die Augen offen zu halten. Alles was er wollte, war die lächerliche Strecke zwischen sich und seiner Tochter zu überwinden, aber er hatte es seit Tagen nicht geschafft, aus dem Bett aufzustehen. Wenn er geschlafen hatte, würde er wieder mehr Kraft haben. Also gab er dem Schlaf schließlich nach, ohne dabei Katjas Hand loszulassen. Er genoss ihre Nähe.


    Er konnte nicht lange geschlafen haben, denn als er die Augen wieder aufschlug, saß Katja noch immer neben ihm. Nur anstelle seiner Tochter war eine andere Gestalt vor ihm aufgetaucht.

    „Hey“, sagte er vorsichtig, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, seine Gedanken waren so klar, wie schon lange nicht mehr, „wenn du über uns schreibst, solltest du auf jeden Fall auch diesen Geist einbauen. Er ist bräunlich mit gelben Streifen und hat nur ein rotes Auge. Aber irgendwie wirkt er gar nicht unheimlich; fast freundlich.“

    „Sie kann dich nicht hören“, erwiderte der Geist.

    Verwundert starrte Klaus ihn an. Es war das erste Mal, dass jemand aus der anderen Welt mit ihm sprach. Dann drehte er sich zu seiner Enkelin. Sie saß nicht mehr einfach nur an seinem Bett. Sie lag über ihn gebeugt und weinte. Es war nicht nur so, dass sie ihn nicht mehr hörte, sie konnte ihn auch nicht mehr sehen. Es selbst war Teil dieser anderen Welt geworden. „Was passiert jetzt?“, fragte er den Geist, als ihn eine Welle der Angst überkam.

    „Jetzt bringe ich dich zu deiner Familie“, entgegnete dieser und reichte Klaus seine Hand.

    Nur diese wenigen Worte sorgten dafür, dass sich die Angst in Klaus‘ Herz in Freude wandelte. Nur der Anblick seiner Enkelin versetzte ihm einen Stich.

    Er bedeutete dem Geist, dass er noch einen Moment bräuchte und beugte sich zu Katja hinunter. „Du weißt doch“, flüsterte er ihr ins Ohr, „nur weil du etwas nicht siehst, heißt das nicht, es ist nicht da.“ Und auch in seinen Augen sammelten sich Tränen, als er sich bereit machte, dem Geist zu folgen. „Ich hab dich lieb, meine Kleine.“

    Und wann immer Katja an diesen Moment zurückdachte, war sie sich sicher, dass ihr Großvater ihre Hand noch einmal gedrückt hatte, ehe sie sich von ihm löste, wie um ihr zu sagen, dass alles gut werden würde. Dass er noch bei ihr ist. Nur nicht mehr hier, sondern in der Welt, die wir nicht sehen.



  • Hallo ^^

    Wenn mir schon die Ehre erfährt, dass du hier so ausführlich auf meinen Kommentar eingehst, dann schreibe ich kurz zurück. Dass deine eigenen Erlebnisse in die Geschichte eingeflossen sind, konnte ich natürlich nicht wissen. Irgendwie ist es ja öfters so, dass die unwahrscheinlich klingenden Dinge gerade die sind, die wirklich passiert sind. Tatsache ist aber auch, dass du jetzt selbst schreibst, dass du die Demenz deines Großvaters und das Sehen von verstorbenen Familienmitgliedern bei deiner Oma kurzerhand verbunden hast, und ich denke schon, dass hier meine geäußerte Kritik greift. Das sind einfach zwei verschiedene Dinge, die ich intuitiv nicht zusammenbringen kann, auch wenn es vielleicht diese seltenen Krankheitsbilder gibt.

    Auch meine Sicht ist natürlich eine subjektive, die Erfahrungen mit meiner dementen Großmutter waren etwas anders als das, was du hier geschildert hast. Ich glaube, hier ist auch einer meiner Punkte, an denen ich mich aufgehangen habe, der aber im Kommentar nicht wirklich rauskam: Der Großvater ist dafür, dass er gleich stirbt, einfach noch zu gut drauf für meinen Geschmack. Er erkennt Katja sogar noch, was ich bei fortgeschrittener Demenz für fast ausgeschlossen halte. Solches aber immer nur unter Vorbehalt, ich habe nur meine Erfahrungen und kenne deine nicht.

    Die Stärke der Geschichte sehe ich in jedem Fall bei Katjas Perspektive und ihrer Schilderung des (Leidens-)Weges mit ihrem Großvater, darum hättest du diesen Teil vielleicht noch ausbauen und seine Sicht, mit der du ohnehin nicht wirklich zufrieden bist, weglassen können. Beiden Sichtweisen wird die Geschichte irgendwie nicht gerecht, darum bleibt sie für mich auf halber Strecke stehen. Und ja, ich merke gerade selbst, dass es dann gut hätte sein können, dass der Text einen Teil von der fremden Welt eingebüßt hätte, aber so ist es eben.


    So wie ich das sehe, wurde die Punktetabelle bei diesem Saisonfinale ganz gut ausgenutzt. Buxi war, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, auch nicht gerade zimperlich mit seinen 3,5 Punkten für Thrawns Geschichte. Daran habe ich mich nicht ganz orientiert, aber doch so ungefähr, darum würde ich die Punktzahl im Kontext dieses Saisonfinales auch weiter so vertreten. Mag sein, dass es, verglichen mit anderen Wettbewerben, etwas niedrig ist, aber das war auch nicht mein Ziel, hier Vergleichbarkeit mit dem zu schaffen, "was in letzter Zeit üblich war".

    Tatsächlich war und ist es mir unangenehm, dass meine Bewertungen durch die wenigen Votes ein so hohes Gewicht bekommen haben, so habe ich es ja auch geschrieben. Aber ich habe mir meine Begründungen nach der Abfassung durchgelesen und stehe dann doch soweit dahinter, dass ich den Kommentar abgeschickt habe.


    Jetzt muss ich aber aufhören, sonst klingt es, als würde ich wirklich kein gutes Haar mehr an deiner Geschichte lassen. Schreiben kannst du ja, am Stil liegt es nicht, und ich wollte mich sowieso hier mal noch etwas umschauen und auch mal in deine Dramen, Gedichte und anderen Kurzgeschichten reinlesen. Darauf freue ich mich wirklich ^^

    Mit "kurz zurückschreiben" hat es auch nicht so ganz geklappt. Wenn du noch was wissen möchtest oder ich mich unklar ausgedrückt habe, dann frag gerne nach. Ich fühle mich in jedem Fall sehr geehrt, dass du so intensiv auf meine Worte eingegangen bist, und hoffe, man trifft sich hier und da im Forum mal wieder.

    Und plötzlich schien ein neuer Kontinent

    am Horizont, wir sind noch lange nicht am End’!
    _________________________________________________- Flocon

    Vielen Dank an Evoluna für diesen wunderbaren Avatar ^-^

    Einmal editiert, zuletzt von Mandelev ()

  • Hallo, Shira!


    Ich glaube, ich hatte mal irgendwann damals gesagt, dass ich ja noch etwas zu deiner Saisonfinalgeschichte schreiben wollte. Ich hatte das jetzt lange vergessen, aber wollte das dann heute einfach mal nachholen.


    Also, die fremde Welt wird hier ja interpretiert als das, was Klaus sehen kann, Katja aber eben nicht. Auslöser des Ganzen ist dabei anscheinend der im Alter einsetzende geistige Verfall, woran sich die Frage anschließt, inwiefern das, was Katja nicht sehen kann, real ist oder nicht - sie selbst interpretiert es offenbar mehr als Hoffnung denn als Wirklichkeit, wogegen natürlich der aus Klaus' Perspektive geschilderte Teil dann eher deutlich machen würde, dass durchaus ein Stück Realität an dieser Welt ist - wenngleich man auch argumentieren könnte, dass er notwendigerweise ein "unzuverlässiger Erzähler" wäre. Ich fand grundsätzlich aber diesen Aspekt der Frage, ob es Dinge gibt, die manche Menschen eben sehen können, während andere sie nicht sehen, ziemlich interessant, weil ich immer finde, dass in dieser Idee so viel steckt, was man damit machen kann.

    Bezüglich einiger Aussagen von Klaus habe ich mich übrigens auch ein wenig an meine eigenen Großeltern mütterlicherseits erinnert - hatte mit denen tbh nie wirklich eine engere Beziehung, aber später habe ich sie halt doch gelegentlich besucht, als es ihnen nicht mehr so gut ging und mein Großvater hat durchaus die eine oder andere anscheinend sinnfreie Bemerkung gemacht, die bei uns in der Familie seither kursiert und immer mal wieder gerne zitiert wird. So von der Art her haben mich die Aussagen von Klaus schon ganz gut daran erinnert.


    Sprechen muss ich dann (leider) noch über den Elefant im Raum, d.h. eigentlich das Zwirrfinst im Raum. Wobei ich hier sagen möchte: So schlecht finde ich die Idee eigentlich gar nicht und ich halte es durchaus für passend, dieses Pokémon in dem Kontext einzubinden, weil das mit den Seelen von der einen in die nächste Welt zu begleiten nun einmal das ist, was dieses Pokémon macht. Der mögliche Grund, warum aber vielleicht einige und anscheinend auch du selbst ein bisschen davon abgeschreckt sind, liegt vielleicht einfach darin, dass dieser Pokémonbezug ein wenig plötzlich in der Geschichte kommt. Das heißt, wenn es vielleicht schon vorher stärkere Verweise auf die Welt gegeben hätte, wäre das eventuell weniger überraschend und etwas natürlicher vorgekommen. Ich weiß nicht genau, wie man das hätte machen können, aber vielleicht hätten da ein paar kleinere Verweise ausgereicht wie etwa am Anfang eine kurze Beschreibung, dass draußen die Taubsi zwitschern oder - je nachdem, welchen Ton man setzen will - die Kramurx krähen. Oder Katja hätte vielleicht ein eigenes Pokémon dabei haben können (ich dachte ja spontan an irgendetwas Kleines und Kuscheliges als Trostspender wie Evoli, Mauzi oder Felilou oder so, aber ka). Will also nur sagen: Die Idee mit dem Zwirrfinst finde ich jetzt nicht so schlecht, wie sie gemacht wird, ggf. hätte da nur die Umsetzung den harten Pokémonbezug am Ende etwas mehr ankündigen und somit weicher gestalten sollen. Ist jetzt aber natürlich auch nur meine Einschätzung.

  • XXVI


    Keine Ahnung, ob ich hiermit jetzt Flocon nachmache, aber zumindest eine Auswahl an Gedichten, die ich im NPM geschrieben habe, wollte ich gerne hier ausstellen. Drei Dinge habe ich im vergangenen Monat gelernt: 1. Fantasien sind nicht mein Fall. 2. Sonette sind gar nicht so schlimm, wie ich immer dachte. Und 3. Statistiken können auch böse sein! Insgesamt hab ich heute eine Auswahl aus 18 Haiku, 2 Couplets, 2 Fatrasien, 4 Sonetten, 2 fremdsprachigen Trioletts inklusive Übersetzungen sowie 2 andere Gedichte für euch.

    Ich entschuldige mich jetzt schon bei allen, die sich dieses Update mit dem Handy oder auf einem anderen kleinen Bildschirm ansehen - ich fand eine Tabelle einfach übersichtlicher, da ich so ein paar Gedichte nebeneinander setzen kann und der Post nicht übetrieben lang wird. (Ein Rekommi zu den Gedichten hier kommt hoffentlich bald im Diskussionstopic.)
    Wer den NPM verfolgt hat, dem sollte aufgefallen sein, dass meine Kreativität in ästhetischer Hinsicht nicht gerade stark vorhanden war. Die allermeisten meiner Gedichte hatten aktuelle Themen (z.B. die Medaillen im Board oder meine Unfähigkeit, Sachen richtig zu sichern) und wenn nicht, hab ich mich zumeist von anderen Sachen inspirieren lassen und versucht, damit meine Kreativlosigkeit zu verschleiern. Ich meine, meine ersten beiden Sonette sagen einfach mal grundlegend dasselbe aus, ohne dass ich es mitbekommen hatte ... Ein paar Werke gefallen mir trotzdem gut genug, dass ich sie hier ausstelle. (Wobei die Fantasien eigentlich nur der Vollständigkeit halber dabei sind.) Nun ja, für alle, die sie noch nicht kennen: Viel Spaß beim Lesen dieser Gedichte!



    Haiku

    Müdigkeit erreicht
    bald den Höhepunkt, doch ich
    muss hier noch schreiben.
    Täglich nur ein Stück -
    Welch wilder Ritt es doch war.
    Woche eins geschafft!
    Gehen den Weg
    Gemeinsam finden wir dies
    Ziel für uns beide
    Siehst du die Schönheit?
    In der Lyrik bleibt der Platz
    für Philosophie!
    Statistiken sind
    auch nur so gut wie jener,
    der sie selber fälscht.
    Oh, was läuft denn da?
    Noch schüchtern versteckt es sich,
    ein kleines Sonett.
    Immer der Moment,
    Wenn alle guten Ideen
    Aus dem Kopfe flieh'n ...
    Die Blumen blühen -
    Zu Ostern spiel'n Schafe mit
    Hasen Verstecken!
    Zwei Frauen gehen
    Zusammen spazieren je
    Am Rand des Weges


    Ein einzelnes Kind
    Spielt alleine Basketball
    Auf einem Spielplatz


    Ist es Corona?
    Ist es die späte Stunde?
    Ist es Einsamkeit?
    Schon wieder so spät,
    Die Uhr tickt unermüdlich;
    Doch wo bleibt die Zeit?

    Variante:
    Es tick, tickt die Uhr.
    Doch wo bleibt die Zeit dabei?
    Niemand weiß es je.

    Variante 2:
    Sag, was ist die Zeit?
    Ich weiß nur, niemand wird es
    Je wirklich wissen.
    Wie kommt es wohl, dass
    Die Zeit anders vergeht, wenn
    Man zuhause sitzt?
    „Hört ihr mich vielleicht?“
    Keine Reaktion. - Ein Text:
    „Die Verbindung: schlecht“
    Wenn ich am System
    scheiter', bin ich nicht gut o-
    der nicht kaputt genug?
    Kalte Winde weh'n;
    Die Welt trägt eine Maske
    Zum Schutz vorm Frieren.

    Couplet

    Kreuz(binnen)reim:
    Es war ein König, den man verbannt',
    Weil er zu wenig vom Regieren verstand.
    Umarmender (Binnen)Reim:
    Es war einmal dort eine Königin,
    Die lebte froh dahin - ihr Gemahl war fort.

    Fatrasie

    Oh mein Lummerland,
    Schön und stets galant;
    Jeder mag dich sehr.
    Bringst um den Verstand,
    Jeden, der dich kannt',
    Und vielleicht noch mehr.

    Rings um dich liegt Meer;
    Dein "Leuchtturm" - imposant!
    Hast, wonach ich mich verzehr':
    Zwei Berge und ein Strand
    Und den Eisenbahnverkehr!
    Wieso war denn scho-
    n der Chatabend, wo
    wir in dem Streben,
    an ganz viele to-
    lle User die Ro-
    sen ham vergeben?

    Nun, ist dieses Leben
    wohl so wie gewoh-
    nt gemein, man muss eben
    einen Neuen starten, so
    die Steine sich erheben!

    Sonett

    Wandel
    Ich lass' das Alt', schau nur, was vor mir liegt,
    Ich geh' den Weg nun langsam Schritt für Schritt
    Und nehme nichts als meine Seele mit;
    Vielleicht bin ich einst wie der Spatz, der fliegt.

    Doch welche Steine hindern meinen Gang?
    Doch welche Stimmen rufen mich zurück?
    Ein altes, ja ein längst vergang'nes Glück
    Stimmt an in dem hypnotischen Gesang.

    Ich spür das Straucheln, spür den Zweifel nah'n,
    Ich fühle mich verloren, fast im Wahn;
    Jedoch ich weiß, die Zukunft kommt herbei.

    Und einsern setze ich mein Streben fort,
    Und schließlich ende ich an jenem Ort -
    Ich geb mich allem hin, nun bin ich frei.
    Verheißung
    Wird Zeit, dass ich das Abschiednehmen lerne.
    Die alte Macht hat viel zu lang regiert,
    Erinnerung zu lang hypnotisiert;
    Ich schieb sie weg, verbann' sie in die Ferne.

    Und doch an manchem Abend ruft ihr Klang,
    Verheißend flüsternd zieht es mich zurück;
    Ach könnt ich doch zurückgehn, nur ein Stück
    Dorthin, wo süßer Nebel mich verschlang.

    Es fehlt mir nur ein einz'ger Schritt zum Wandel,
    Nur noch ein bisschen und dann bin ich frei.
    Den Blick nach vorne schreite ich voran.

    Und niemals wieder schließ' ich diesen Handel,
    Ich lass es hinter mir, es ist vorbei.
    Die neue Zeit bricht schließlich für mich an.
    Gute Gedanken
    Heute ist ein Freudentag und ich bin nicht bedrückt.
    Heut' seh' ich die Sonn', die für mich scheint
    Denn heute wird gar nichts verneint
    Das wäre ja verrückt

    Und auch wenn die Luft schon drückt und schwerer wird vom Regen
    Und auch wenn die kalten Winde beißen
    Ja ich weiß, auch das kann Glück verheißen
    Denn nur Balance bringt Segen

    Hier um uns erhebt sich eine Welt
    Umgeben von den unbekannten Hüllen
    Und stets mit eine Gleichgewicht bestückt

    Es nützt uns kein Besitz und auch kein Geld
    Wenn du dran glaubst, kannst du den Wunsch erfüllen
    Denn ich weiß, was ich mir wünsch', das glückt
    Sonett 14 – Was bisher geschah
    Ich werde beenden, was ich begann.
    Nun hatte auch ich ein Sonett geschrieben,
    Verstand das, was die anderen getrieben,
    Und die neue Zeit brach für mich an.

    Selbst wenn nun das Abschiednehmen ruft,
    Weiß ich un'sre Liebe bleibt bestehen,
    All die Dichtkunst wird nie mehr vergehen -
    Aus der Dämm'rung stieg ein neuer Duft.

    Wir werden diese Freiheit nie vergessen!
    Als hätte die Statistik uns besessen -
    Nie war'n die richt'gen Zeiten für mich hier.

    Ich fühle die Erinnerung der Gedichte.
    Ist dies das End' uns'rer Geschichte?
    Es breitet sich der Himmel über mir!

    Triolett

    Ouvre tes ailes
    J'entends un souffle qui m'apelle
    Alors, vers le ciel je vole
    Je vois l'horizon - éternel
    J'entends un souffle qui m'apelle
    Je nage dans les nuages du ciel
    Car aujourd'hui c'est la parole
    J'entends un souffle qui m'apelle
    Alors, vers le ciel je vole
    Just once
    Another day, another try
    I'm begging you, please let me live
    I am still here, a silent sigh
    Another day, another try
    How long have I forgotten why?
    Remembering how to forgive
    Another day, another try
    I'm begging you, please let me live!

    Gedichte

    Das Tageswechsel-Paradox
    Was ist heute, was ist morgen?
    Was bereitet uns die Sorgen?
    Ist im ganzen Alltagsstresse
    Das verlorn, was ich vergesse?

    Was trifft den finalen Schlag?
    Wie viel Stunden hat ein Tag?
    "Vierundzwanzig" wird gelacht -
    Doch was bleibt dann für die Nacht?

    Zeit ist nichts als ein Konstrukt,
    Schnell noch auf die Uhr geguckt,
    Wo man 0 Uhr 12 erblickt -
    Während sie stur weiter tickt.

    Scheitert's schon am neunten Tage?
    Das hängt ab von einer Frage:
    Was ist jetzt für eine Zeit?
    Ist „heut'“ schon Vergangenheit?

    Fragt man mich, was ich so denke:
    Sind die Stunden nicht Geschenke?
    Noch war mein Tag nicht zu Ende;
    Doch wann sonst ist Tageswende?

    Ob der auferlegten Grenze
    Zeigt sich nun in voller Gänze
    Was Probleme uns bereitet,
    Wenn die Zeit vorüberschreitet.

    Wählt für euch selbst, was sie ist,
    Ob die Arbeit sie gar frisst,
    Ob ihr sie stets nur verschwendet,
    Ob ein Tag um Null Uhr endet.

    Ich seh einen halben Sieg.
    Ohne Opfer, ohne Krieg,
    Kämpfe ich nur gegen mich.
    Und ich sag: Dort scheitert's nich'!
    Sonnenaufgang
    Das Dämmerlicht weicht neuem Duft - es tagt,
    Die Nacht wird ihrer alten Kraft beraubt,
    Und auch das Wunder, das ich einst geglaubt,
    Verschwand bei einer ungerechten Jagd.

    Wenn mein Verstand vom Fühlen ganz verzagt
    Des Tages Licht entdeckt und in sich spürt
    Und hofft, dass er des Himmels Blau berührt,
    Vergisst er, was die Antwort ihn gefragt.

    Ist dies das End' meiner Geschichte?
    Lässt dieser Morgen alte Zeit vergeh'n?
    Kann das, was war, den Wechsel des Tags übersteh'n?
    Oder bleibt nur, was ich berichte?

    Bleibt mein Wort für all dies letzte Zier?
    Was glaubt der Tag, das er uns hier verspricht?
    Ein neues Leben? - Nein, ich glaub' ihm nicht;
    Es breitet sich der Himmel über mir.
  • Hey meine Liebe,


    nach unserem langen Gespräch am Wochenende hatte ich bereits Lust, mal wieder nach langer Zeit einen Kommentar zu schreiben und bei wem wäre es naheliegender nach einem Werk dafür zu suchen, als bei der Person, die mich dazu motiviert hat (auch wenn wir gar nicht darüber gesprochen hatten). Ich hatte mir da auch direkt zwei Werke von dir rausgesucht, die ich gerne kommentieren möchte (nachdem ich meinte, dass ich mich schon viel zu lange nicht mehr mit Gedichten auseinandergesetzt habe, sind es natürlich beides Gedichte geworden ^-^). Die Frage war jetzt nur, mit welchem anfangen? Und da kommen die zwei dreistelligen Zufallsziffern ins Spiel, nach denen ich dich heut random gefragt hatte (weil es erst bei dreistelligen Zufallsziffern der Fall ist, dass man nicht bereits anhand der Zahl selbst unbewusst eine Reihenfolge festlegt, weswegen ernstzunehmende Sensorik-Prüfungen die Proben auch immer mit dreistelligen Zufallsziffern codieren). Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen =*


    Ouvre tes ailes


    Zunächst einmal ist dieses Gedicht in gewisser Weise eine Herausforderung, weil ich mich nicht mehr viel mit Französisch beschäftigt habe, seit ich es 2014 in der Schule abgewählt hab. Du hast zwar auch eine Übersetzung angeboten, aber ich hab mir trotzdem mal die Mühe gemacht und meinen Französischkenntnissen bei unbekannten Wörtern auf die Sprünge geholfen, weil im Original einige Feinheiten bei den Wörtern zu finden sind, die bei der Übersetzung dadurch verloren gegangen sind, dass das Reimschema identisch gehalten wurde. Allerdings ist es auch sehr schön, sich mal wieder mit der Sprache zu beschäftigen.


    Nun aber endlich zum eigentlichen Gedicht:


    Ouvre tes ailes


    Ein – wie ich finde – sehr schöner und supportender Titel. Es ist eine Aufforderung seine Flügel zu öffnen und sich damit seiner eigenen Kraft/ seinen eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden. Vor meinem inneren Auge hab ich da das Bild eines Vogeljungen, welches die Flügel öffnet, bevor es zu seinem ersten Flug ansetzt.



    J’entends un souffle qui m‘apelle


    Bei der Stelle ist mir besonders die Diskrepanz zwischen Original und Übersetzung aufgefallen. „souffle“ kann als Luftzug, Atem, Windhauch übersetzt werden, was einen viel zarteren Eindruck als das Wort „Wind“ macht. Der Ruf ist damit sehr viel weniger dominant. Es wirkt eher wie ein leises, kaum wahrnehmbares Flüstern. Und doch vernimmt das lyrische Ich diesen Ruf und scheint mit ihm eine Art Sehnsucht zu verspüren.



    Alors, vers le ciel je vole


    Besonders durch das „Alors“ am Anfang wirkt dieser Vers im Vergleich zum Vorherigen um ein Vielfaches kräftiger. Das lyrische Ich hört nicht mehr nur einen leisen Windhauch rufen, es beginnt dementsprechend zu handeln und sich in die Luft zu heben. Während der Wind zuvor die Sehnsucht nach dem Fliegen geweckt hat, wird hier nun direkt dieser Sehnsucht nachgegeben.

    In Verbindung mit dem Titel währe es demnach so, dass das lyrische Ich durch den leisen Ruf im ersten Vers erstmals die eigene Kraft/ die eigenen Fähigkeiten entdeckt und nun dabei ist, diese näher zu entdecken, indem die entsprechende Tätigkeit ausgeführt wird.



    Je vois l’horizon – éternel


    Abgesehen vom ersten Vers ist mir der Unterschied zwischen Übersetzung und Original hier auch nochmal deutlich aufgefallen. Ich empfinde das „éternel“ als sehr wichtig an der Stelle und so wirklich hat es das Wort leider nicht in die Übersetzung geschafft.

    Der Blick auf den Horizont in Verbindung mit dem Wort "ewig" wecken bei mir die Assoziationen von Ruhe und Ehrfurcht. Es ist wie eine erste Bestätigung für das lyrische Ich, dass es richtig war durch das Handeln den entdeckten Fähigkeiten nachzugehen und zugleich ein Ausblick auf eine Vielzahl von Möglichkeiten, in welche Richtung sich das lyrische Ich nun noch weiterentwickeln könnte. Wie die Vielzahl von Richtungen, in die das lyrische Ich fliegen könnte.



    J'entends un souffle qui m'apelle


    Diese erste Bestätigung aus dem vorherigen Vers wird durch diesen nochmals verstärkt, indem wieder auf den Ruf aufmerksam gemacht wird, der das lyrische Ich erst zum Fliegen veranlasst hat. Die Sehnsucht des lyrischen Ichs ist nicht erloschen indem es sich selbst in der Richtung ausprobiert hat. Viel mehr verspürt es sie immer noch oder vielleicht wurde sie auch nochmal verstärkt.



    Je nage dans le nuages du ciel


    Ohne es explizit zu sagen, vermittelt der Vers zum einen ein Bild von Ruhe und zum anderen eine gewisse Freude. Das lyrische Ich ist seiner Sehnsucht nachgegangen bzw. benutzt seine neu entdecken Fähigkeiten und genießt jetzt die Freude, welche es ihm bereitet.



    Car aujourd'hui c'est la parole


    Zum Ende hin ist dies die Aufforderung, im Hier und Jetzt zu leben und im Zusammenhang mit dem Bild vom in den Wolken schwimmen vielleicht auch, als Konsequenz daraus sich nicht ständig Sorgen um Vergangenes oder Zukünftiges zu machen. Denn in dem Moment ist es nur wichtig in den Wolken zu schwimmen und dies zu genießen.



    J'entends un souffle qui m'apelle

    Alors, vers le ciel je vole


    Mit den beiden Versen wird meiner Ansicht nach nochmals die Kernaussage des Gedichts wiederholt. Bei einer linearen Erörterung soll das stärkste Argument zum Schluss kommen, damit dieses am längsten im Gedächtnis bleibt. So macht es Sinn, auch hier die Kernaussage nochmals am Schluss zu nennen als Quintessenz dessen, was der Leser aus dem Gedicht mitnehmen soll.

    In diesem Fall geht es darum auf sich selbst und auch auf die leisen Stimmen in einem zu hören und dementsprechend zu handeln.



    Ich hab dich lieb <3

  • Hallo,


    der Herbst am See lässt grüßen. Ich fand's schwierig in den Text reinzufinden, weil du viele äußerliche Eindrücke aneinander gereiht hast und erst einmal nicht klar war, worauf das hinauslaufen soll. Bei der Prinzessin wurde ich schließlich hellhörig und das Ende hat meinen Verdacht bestätigt, dass ihr Königreich wohl von einem anderen Land eingenommen wurde. Als sich dieser Gedanke gefestigt hat, haben die Eindrücke gewirkt und für ein regelrechtes Farbenspiel gesorgt, passend zum titelgebenden Herbst. Den Erwähnung des Frühlings zum Schluss hin deute ich mal als Neuanfang für die beiden. Hoffentlich einen guten.


    In diesem Sinn: Wir lesen uns!

  • XXVII


    Es wirkt mal wieder so trostlos hier, weil ich wieder ein halbes Jahr nicht wirklich geschrieben hatte. Es erinnert mich stark an das letzte Jahr. Ob ich wohl im nächsten mal wieder aktiver sein werde?

    Ich habe allerdings seit dem letzten Update auch nicht gar nicht geschrieben. Im November, im Rahmen des NaNoWriMo habe ich sogar ziemlich viel geschrieben - eine vollständige Geschichte mit über 26.000 Wörtern. Sie besteht aus 30 kürzeren Kapiteln (eins für jeden Tag und jedes Thema von Flocons Liste), welche ich hier verlinken werde. Für ein komplettes Posten in dieser Sammlung ist sie zu lang; da bräuchte sie schon eher ein eigenes FF-Topic. Und vielleicht kommt das auch irgendwann noch, aber dafür sollte ich mich vielleicht dran setzen und sie überarbeiten. Und das ist nicht wirklich meine Stärke. Also müssen wir erstmal mit einem Verlinken des Aktionstopics auskommen: 1-2; 3-6; 7-9; 10-13; 14-18; 19-21; 22-24; 25-27; 28-30 (Es geht übrigens grob gesagt um ein Mädchen und ihr Schaf, das in eine Parallelwelt stolpern und dort helfen sollen, sie zu retten. Ich hab den Plot allerdings erst während des Schreibens entwickelt und die Kapitel so gepostet, wie ich sie runtergeschrieben habe. Also etwas nachsichtig sein und sich vielleicht einfach auf die Fahrt einlassen.) Für Feedback zu dieser Geschichte dürft ihr gerne auch dieses Topic nutzen, wenn ihr mögt.

    Zuletzt habe ich (neben einem kleinen Weihnachtsgeschenk für Aka) den Text geschrieben, den ich heute ausstellen möchte. Wie der Titel gleich vermuten lässt, ist es ein Weihnachtstext, allerdings habe ich mich dagegen entschieden, ihn morgen erst zu posten. Zum einen weil er vor Weihnachten spielt und zum anderen weil "Ich schenk euch einen Regenbogen" an Heiligabend gepostet wurde und das als einziges so sein soll - immerhin war es ein Geschenk. Ach und das war äußerst anstregend, den Post an dem Tag noch fertig zu bekommen, auch wenn dieses Jahr zumindest der Gang in die Kirche wegfällt, weil die nichts mehr machen dürfen. Zumindest nicht in Präsens. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt wünche ich auf jeden Fall viel Freude mit diesem kleinen Text.



    Weihnachtsmanngeschenke


    Es klopfte.

    „Komm einfach rein, Pantifrost“, rief Svenja von ihrem Schreibtisch aus dem Pokémon zu, das ihren Eltern im Haushalt half. „Aber ich hätte die Wäsche eh gleich rausgebracht.“

    Doch die Tür öffnete sich nicht. Stattdessen war draußen ein leises Schluchzen zu hören.

    Alarmiert stand Svenja auf, durchquerte mit schnellen Schritten ihr Zimmer und öffnete die Tür. Dort stand ihre kleine Schwester Nicky mit verweinten, roten Augen. Sie drückte ihr Plüsch-Evoli dicht an sich.

    „Nicky! Was ist passiert?“ Sanft zog Svenja ihre Schwester ins Zimmer und setzte sich mit ihr auf ihre Kuschelecke.

    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Nicky sich so weit beruhigt hatte, dass sie sprechen konnte. „Finn“, flüsterte sie, „Finn hat gesagt, Botogel wären blöde Pokémon. Ich hab gemeint, dass sie gar nicht blöd sein können, weil sie ja dem Weihnachtsmann helfen. Da hat er mich ausgelacht und gesagt, dass nur noch Babys an den Weihnachtsmann glauben würden, weil es ihn eigentlich gar nicht gibt und die Eltern die Geschenke kaufen. Ich hab ihm nicht geglaubt, aber eben hab ich Mama und Papa mit meinem Wunschzettel gesehen. Dabei hatten sie doch versprochen, ihn an den Weihnachtsmann zu schicken!“ Ein weiteres Schluchzen ließ ihren Körper erzittern und tröstend legte Svenja ihren Arm um das kleine Mädchen.

    „Weißt du“, sagte sie nachdenklich, „das mit dem Weihnachtsmann ist etwas komplizierter. Ich glaube, früher hat er den Kindern wirklich einmal Geschenke gebracht, aber die Erwachsenen haben irgendwann aufgehört, an ihn zu glauben und selbst angefangen, die Geschenke zu kaufen.“

    Nicky sah ihre Schwester mit großen Augen an. „Bedeutet das, der Weihnachtsmann kann den Kindern jetzt keine Freude mehr machen, weil die Erwachsenen nicht mehr an ihn glauben.“

    Lächelnd schüttelte Svenja den Kopf. „Aber nein“, erwiderte sie, „es gibt ja auch noch die Wünsche, die man nicht mit Geld kaufen kann. Weißt du, als ich so alt war wie du, hatte ich schreckliche Angst vor Pokémon?“

    „Was?“ Nickys Augen wurden noch größer. „Aber du liebst Pokémon!“

    Wie aufs Stichwort, schlüpfte ihr Folipurba durch die Tür und rollte sich auf Svenjas Schoß zusammen, um sich von ihr kraulen zu lassen. „Ja“, sagte sie, „jetzt liebe ich Pokémon wieder, aber damals hatte ich ein schlimmes Erlebnis. Das war bevor du geboren wurdest, in einer Gasse, da haben mich ein paar wilde Hunduster angefallen. Sie haben ganz laut gebellt und mir schreckliche Angst gemacht. Als wir dann an Weihnachten zu Oma und Opa gegangen sind, mussten wir an dieser Gasse vorbei. Ich bin immer langsamer geworden, weil ich solche Angst hatte. Deshalb waren Mama und Papa schon ein Stückchen weiter vorne, als ich zu dieser Gasse kam, und sie hörten auch nicht das Fiepen, das von dort aus der Dunkelheit kam. Das Fiepen war so traurig, dass ich mir ganz doll Mut wünschte, um dem armen kleinen Wesen helfen zu können. Plötzlich hörte ich leise Schlittenglöckchen und im nächsten Moment betrat ich die Gasse – meine Angst war wie weggeblasen. Mama und Papa kamen mir schnell hinterher, weil ich nicht alleine in die Dunkelheit gehen sollte, und so fanden wir alle drei gemeinsam das kleine Hunduster, das unter alten Brettern eingeklemmt war. Die anderen schienen es im Stich gelassen zu haben. Es sah überhaupt nicht mehr unheimlich aus. Nur traurig und einsam. Also haben wir es befreit und mitgenommen, um es wieder gesund zu pflegen.“

    „Und das war dein Hundemon“, fragte Nicky ehrfürchtig.

    „Das war mein Hundemon.“

    „Und das nur, weil der Weihnachtsmann dir Mut geschenkt hat?“

    „Ganz genau“, bestätigte Svenja. „Seitdem weiß ich, dass der Weihnachtsmann und seine Botogel-Helfer immer noch Geschenke verteilen. Nur eben die, die wir nicht sehen oder anfassen können. Aber wir können sie spüren. Genau hier.“ Svenja tippte auf Nickys Herz und ein Lächeln breitete sich im Gesicht des kleinen Mädchens aus. Dann nickte es langsam.

    „Ich glaube, dann weiß ich jetzt, was ich mir wirklich vom Weihnachtsmann wünsche!“

    „Sehr schön.“ Auch Svenjas Lippen formten ein Lächeln. „Du musst es einfach nur denken und er wird alles dafür tun, um es zu erfüllen.“

    Dann waren beide Schwestern einen Moment lang still. Und hinterher waren sie sich einig, dass genau in diesem Moment, leise Schlittenglöckchen zu hören waren.