Besuch in der Residenz Romono
geschrieben von 12.04. - 26.04.22
Die Abenddämmerung setzte bereits ein, als Evoli dem Pfad durch den Immergrünwald folgte. Mit zunehmender Nervosität fragte es sich, ob es noch rechtzeitig vor Einbruch der Nacht an seinem Ziel ankommen würde. Vor wenigen Tagen hatte Evoli ein Schreiben per Pelipper-Post erhalten, dass es sich doch bitte pünktlich am Dienstag zur Residenz Romono begeben sollte. Obwohl für den Zeitraum bereits eine Unternehmung angestanden hatte, wollte Evoli diese Einladung nicht aus dem Wind schlagen. Es wusste, dass die besagte Residenz mit illustren Zusammenkommen bekannter Persönlichkeiten prahlte, allerdings war es selbst nie zugegen gewesen.
Die Pokémon des Waldes blickten Evoli neugierig hinterher, was nicht spurlos an ihm vorbei ging. Schließlich erreichte es die Residenz Romono, gerade als die Dunkelheit den Himmel einzunehmen versuchte. Die hohen Bäume um die Residenz herum ließen das Gebäude schauriger wirken und Evoli wusste nicht recht, ob es sich nun wirklich nähern sollte. Von außen machte die geisterhausartige Fassade nicht den Eindruck, den es erwartet hatte.
Als es schon fast kehrt machen wollte, wurde plötzlich der Weg zur Residenz mit bläulich schimmerndem Licht erhellt. Evoli erschrak aufgrund des hellen Scheins und bemerkte erst bei genauerem Hinsehen, dass sich zu beiden Seiten des Weges Lichtel aufgereiht hatten. Ehrfurchtsvoll trat Evoli einen kleinen Schritt nach vorne, schließlich noch einen und einen weiteren. Die Lichtel beobachteten es still und luden mit ihren kleinen Händen dazu ein, in Richtung der Residenz zu gehen.
Nun etwas mehr überzeugt setzte sich Evoli in Bewegung und trat näher an das Gebäude heran. Anders als die Behausungen in seiner Heimat war dieser Eingang etwas höher und so hätte es springen müssen, um die Klinke zu erreichen. Bevor es jedoch dazu kam, wurde die Tür auch schon geöffnet und Evoli blickte in die Finsternis.
„Hallo?“, fragte es verwirrt und setzte eine Pfote vor die andere. Das Holz unter ihm knarrte bei jeder Bewegung, obwohl es besonders vorsichtig war. Mit einem Mal wurde helles Licht in den nahen Lampen entzündet und die Tür schloss sich sanft. Evoli war nun deutlich nervöser als zuvor.
„Hallo? Bin ich hier richtig in der Residenz Romono?“, fragte es erneut und machte sich bereits Sorgen, ob es nicht einem Scherz auferlegen war. Just in diesem Moment meldete sich eine tiefe, aber freundliche Stimme hinter ihm.
„Guten Abend.“
Evoli machte einen Satz nach vorne und drehte sich schnurstracks um. Dort erblickte es ein Servol, das sich nun verbeugte.
„Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie erschreckt habe. Das lag natürlich nicht in meiner Absicht. Wie es scheint, wurden Sie noch nicht über unsere Gepflogenheiten informiert?“
„Äh, das kommt darauf an, was diese Gepflogenheiten sind. Also, ich …“
Evoli war sprachlos und Servol übernahm glücklicherweise die Unterhaltung.
„Gewiss. Sie müssen verstehen, dass in dieser Residenz hauptsächlich Geist-Pokémon beheimatet sind. Natürlich jene, die nicht nur zum Scherzen aufgelegt sind“, fügte es noch hinzu, als Evoli bereits ein ängstliches Gesicht machte. „Jedenfalls würde ich Sie bitten, in jedem Fall Ruhe zu bewahren. Wenn Sie mir bitte folgen würden, ich führe Sie nun in die Haupthalle. Die Hausherrin möchte Sie später übrigens ebenfalls sprechen.“
„O-okay“, sagte Evoli lediglich und versuchte, sich zu beherrschen. Servol ging voran und trat durch mehrere Türen, die scheinbar willkürlich Räume verbanden. In kürzester Zeit wusste Evoli schon nicht mehr, wo es sich genau befand oder wie der Weg zurück war.
Alsbald vernahm es allerdings Musik sowie ausgelassene Stimmen. Zwei Räume weiter war es schließlich auch so weit, dass Evoli in eine große Halle trat, in der sich eine große Anzahl Pokémon befanden und tanzten. Anders als erwartet waren es jedoch nicht nur Geist-Pokémon, sondern auch viele andere, die es teilweise noch nie zuvor gesehen hatte.
„Ich lasse Sie nun allein. Haben Sie bitte Spaß“, vernahm Evoli noch von Servol und als es sich umdrehte, war seine Begleitung auch bereits weg. Verwirrt wurde es von anderen Pokémon geschubst, bis es sich inmitten der Menge wiederfand und die Orientierung verloren hatte. Evoli beschloss, sich erst einmal in eine Richtung durchzukämpfen und zu verschnaufen.
Als es am Rand des Tanzfeldes angekommen war, fand es sich in einer gemütlichen Sitzecke wieder. Hier war es etwas ruhiger und Evoli konnte sich neben den zwei anwesenden Pokémon ausruhen.
„Oh, ist das unser Ehrengast?“, fragte eines der beiden Pokémon, ein Ampharos, seinen Gesprächspartner, ein Mortipot. Dessen Augen weiteten sich und es begann zu lachen.
„Ja, du hast es erfasst! Willkommen, Evoli! Wie es scheint, hat dich Servol genau auf den richtigen Weg geführt.“
„Eigentlich hat es mich allein gelassen und …“
„Gestatten: Mortipot, die Hausherrin. Sehr erfreut, deine Bekanntschaft zu machen!“
Evoli wurde eine Hand gereicht, auf die es nur zögerlich seine eigene Pfote erwiderte.
„Sehr schön. Möchtest du etwas Tee? Nicht von mir natürlich, der würde dir nicht gut bekommen“, sagte Mortipot und schickte sich an, den Kopf durch den Hals der Teekanne zu stecken.
„Äh, nein, eher nicht“, meinte Evoli nur und richtete den Blick zur Seite. Mortipot achtete nicht darauf und ließ derweil ein Getränk einschenken.
„Kind, du musst etwas mehr in Feierlaune kommen. Wir haben heute noch Großes vor!“
Als Evoli den Kopf schief legte, deutete Ampharos mit einem Arm zur tanzenden Meute. Wie sich herausstellte, kam aus dem Getümmel ein Pichu hervor, das sich freudestrahlend auf Evoli warf.
„Bist du auch endlich da? Das freut mich!“, rief Pichu und ließ durch den Wangenrubbler unbeabsichtigt einige Elektroschocks los. Evoli stand daraufhin das Fell zu Berge.
„Ja, aber schock mich bitte nicht so! Was machst du denn hier? Ich dachte, du besuchst deine Familie?“
Pichu sah nun betreten zu Boden und wusste nicht recht, was es sagen sollte.
„Also, naja, weißt du … Wir haben etwas geplant. Also, eigentlich hat Libelldra etwas geplant und alle seine Bekannten eingeladen, sich daran zu beteiligen. Und es hat mit dir zu tun.“
Bevor Evoli noch etwas erwidern konnte, sprang Ampharos auf, setzte sich eine Sonnenbrille auf und nahm eine merkwürdige Pose ein.
„Das ist mein Stichwort. Lasst mich durch, ich bin Reporterin!“
Mit einer scheinbar geübten Tackle-Taktik bahnte sich Ampharos einen Weg durch die Pokémon. Auf Mortipots Befehl setzte die Musik aus und Servol, das aus einem unbestimmten Grund neben Evoli wieder aufgetaucht war, bat mit lauter Stimme um Ruhe. Währenddessen kletterte Ampharos ungelenk auf die nahe Bühne und nahm das dort befindliche Standmikrofon in die Hand.
„Liebe Anwesende, Pokémon, Geister, Ampharosse und alle, die ich jetzt aus unerfindlichen Gründen vergessen haben sollte. Es ist endlich so weit! Ich als rasende Reporterin Ampharos darf nun verkünden, dass unser Ehrengast Evoli endlich angekommen ist. Ich bitte euch, nun einmal kurz Luft zu holen, damit wir … Ja, Pichu, du darfst auch lang Luft holen! Also dann, 3, 2, 1 …“
„Alles Gute zum Geburtstag!“, riefen alle Pokémon im Raum freudig und Evoli blickte sich verwirrt um. Es wusste nicht, wo es zuerst hinblicken sollte und war erleichtert, dass sich Pichu seinen Weg zu ihm bahnte.
„Und, wie findest du es?“
„Es … ist eine großartige Überraschung. Danke euch allen!“, rief Evoli und fühlte sich nun nicht mehr so angespannt wie einige Momente zuvor. Pichu führte es an den Glückwünschenden vorbei zu den Speisen, wo sie kräftig zulangten. Schließlich wollte bei dieser Party noch gefeiert werden!
Ein Geburtstagstext für Evoluna. Die Prämisse war recht schnell fertig, die teilnehmenden Pokémon wurden allerdings einige Male geändert. So ganz zufrieden bin ich mit dem Ergebnis nicht, aber ich habe mir sagen lassen, dass die Beschenkte glücklich darüber war.