Love is a battlefield [Wedlocke Challenge]

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • [Blockierte Grafik: http://i59.tinypic.com/2wftpn8.png]
    [Blockierte Grafik: http://i57.tinypic.com/24evwxu.jpg]
    Quelle: http://www.deviantart.com/#/art/Pokemon-BW2-330969810?hf=1


    We are strong
    No one can tell us we're wrong
    Searching our hearts for so long
    Both of us knowing
    Love is a battlefield


    - Pat Benatar - Love is a battlefield


    ~Vorwort~

    Hallo, lieber Leser.
    Ich freue mich, dass es dich zu diesem kleinen Projekt von mir verschlagen hat. Wie der Titel schon vermuten lässt, ist eine Wedlocke Challenge zu Schwarz 2 die Inspiration für diese Geschichte. Ich wollte schon immer die Handlung einer Nuzlocke, die ich spiele, aufschreiben. Nun ist dieser Schritt endlich getan. Parallel zum Spielen der Edition, wird diese Geschichte wachsen. Ihr Ausgang ist gänzlich ungewiss, aber ich hoffe, dass es zu keinem vorzeitigen, sondern zu einem erfreulichen Ende kommt.
    Ich habe mich absichtlich für eine Wedlocke, anstelle einer Nuzlocke Challenge entschieden, da ich diese etwas emotionaler in Szene setzen kann.
    Und nun wünsche ich dir viel Spaß und Freude beim Lesen.




    ~Handlung~

    Vidars Leben wird komplett auf den Kopf gestellt, als er plötzlich ungewollt den Weg eines Pokémontrainers einschlagen muss. Die Reise ist lang und der junge Trainer und sein ebenso unerfahrenes Team sind aufeinander angewiesen. Schnell wird nicht nur die Beziehung der Pokémon zu Vidar enger. Auch untereinander knüpfen sie zarte Bande und schon bald empfinden einige Teammitglieder mehr füreinander, als bloße Freundschaft. Doch mit der vermeintlichen Stärke, die ihre Gefühle den Pokémon schenken, gehen auch große Probleme einher. Denn Liebe ist nicht immer leicht. Diese Erfahrung muss auch Vidar machen, als er sich plötzlich inmitten eines Kampfes zwischen Gut und Böse wiederfindet, der die Existenz der Einall Region bedroht. .




    Charakterbeschreibungen und Zusammenfassungen der Kapitel folgen…


    ~Copyright~

    Dies ist eine reine Fangeschichte. Pokémon ist das geistige Eigentum von Game Freak, Nintendo und ihrem Schöpfer, Satoshi Tajiri.
    Handlung, sowie Charaktere stammen von mir, sodass ich die Rechte an diesen besitze. Teile dieser Fanfiction zu kopieren, zu verändern oder (Teile davon) unter einem anderen Namen als meinem zu veröffentlichen ist daher verboten.

  • Kapitel 1


    Ein ungewolltes Geschenk



    In Einall lag eine Veränderung in der Luft. Keine außergewöhnliche, es handelte sich dabei lediglich um den alljährlichen Wechsel der Jahreszeiten. Die Sonne zog sich an diesem Tag ungewohnt früh zurück und tauchte das abgelegene Eventura City in ein zauberhaftes Dämmerlicht. Ein kräftiger Windstoß fuhr durch die zu dieser Tageszeit noch belebten Straßen und zerrte an den Blättern der zahlreichen Bäume, die die Stadt umgaben. Einige lösten sich, alt geworden und zu schwach, um sich noch länger halten zu können, obwohl sie eigentlich noch recht frisch aussahen, auch wenn das Grün ihrer Haut allmählich zu verblassen schien. Hilflos wirbelten sie in den Fängen der Winde um ihre eigene Achse und entfernten sich immer weiter von den Bäumen, die ihre Heimat gewesen waren, bis der Wind urplötzlich das Interesse an den alten Blättern verlor und sie fallen ließ wie ein Spielzeug, das nicht länger benötigt wurde. Spielerisch fegte er sie noch ein wenig durch die Gassen der Stadt oder die Treppen hinauf, die zu der nahegelegenen Aussichtsplattform führten. Letztendlich jedoch blieben die Blätter reglos liegen, erschöpft aber auch glücklich, dass der Wind ihnen eine Verschnaufpause gönnte. Der Herbst hielt Einzug und forderte seinen alljährlichen Tribut. Rücksichtslos begann er damit, aus der Welt ein farbenfrohes Kunstwerk zu machen, das der Winter später doch wieder mit tödlicher Präzision in eine weiße, leere Leinwand verwandeln würde.
    In Eventura City nahm man dies, teils mit leichter Schwermut, zur Kenntnis und trug luftige Jacken, anstatt sich allein auf knappe Shirts zu verlassen. So hatte sich auch die aufgeweckte Frau, die schnell durch die Straßen lief, einen Mantel übergeworfen bevor sie aus dem Haus gegangen war. Nun war sie bereits wieder auf den Rückweg, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, während sie der Stimme einer alten Bekannten am Telefon lauschte. Sie brachte gute Nachrichten, die das Herz der Mutter höher schlagen ließen. Denn in diesem Augenblick wurde ihr verkündet, dass ihr Sohn erwachsen werden würde.


    Vidar saß träumerisch auf seinem Bett und genoss das Nichtstun. Es lag nicht daran, dass er faul war. Viel mehr war es so, dass der recht scheue Junge gerne seinen Gedanken lauschte, was sich meist schwierig gestaltete, da er mit seiner Mutter in einem ziemlich kleinen Haus lebte. Die geräumige Wohnküche grenzte direkt an das Schlafzimmer an, in dem er sich zu dieser Zeit befand. Mehr hatte sein Zuhause kaum zu bieten. Dennoch fühlte er sich wohl. Seine Mutter hatte viel Zeit damit verbracht, die Wohnung einzurichten. Dementsprechend geschmackvoll fiel die Einrichtung aus, obwohl sie recht simpel erschien. Vasen mit gesunden wachsenden Pflanzen standen auf jeder Fensterbank, der Bücherschrank war gefüllt mit bunten Romanen und Gemälde von Einall, die die Liebe seiner Mutter zu dieser Region bezeugten, hingen an den Wänden. An dem hölzernen Tisch, der sich im Wohnzimmer befand, standen stets mehr Stühle als eigentlich nötig, so als erwarte man immerzu Besuch. Vidar mochte diese einladende Art seiner Mutter, die sich über scheinbar jeden Menschen freute, der ihr begegnete. Er hatte eine sehr gute Beziehung zu ihr, sodass ihm die Enge trotz seines Alters meist nicht störte auch wenn Vidar manchmal das ungute Gefühl überkam, dass sie wünschte er würde seine eigenen Wege gehen.
    »Vidar! Ich bin wieder zu Hause! «
    Vidar setzte sich auf, als er den Ruf seiner Mutter hörte und trat in den Flur, um sie zu begrüßen. Etwas überrascht bemerkte er den freudestrahlenden Ausdruck auf ihrem Gesicht und die Aufregung in ihrer Stimme als Worte aus ihr heraus sprudelten, bevor er selbst auch nur ein “Hallo“ hervor bringen konnte.
    »Kennst du Prof. Esche? Sie ist eine Pokémon-Wissenschaftlerin und ich kenne sie schon ewig! Ich habe mich vorher endlich mal wieder mit ihr unterhalten. Das kommt jetzt ein wenig plötzlich, Vidar aber«, etwas unentschlossen zögerte sie und fuhr nur zaghaft fort, »möchtest du einen Pokémon-Partner?«
    Vidar versuchte, sich die Aufregung nicht anmerken zu lassen, die ihn bei diesen Worten übermannte. Er hatte gewusst, dass seine Mutter ihn eines Tages fragen würde. Aber irgendwo hatte er gehofft, dass es nie dazu kommen würde. Das er eine Ausbildung beginnen würde, anstatt die Trainerlaufbahn einschlagen zu müssen. Sein Herz raste in seiner Brust und er wagte nicht, seiner Mutter in die glänzenden Augen zu sehen, als er vorsichtig den Kopf schüttelte.
    »Das überrascht mich jetzt doch etwas …«, sagte sie nach kurzem Schweigen.
    Vidar konnte die Enttäuschung in ihrer Stimme hören. Er erinnerte sich an den Pokémonkampf, der vor einigen Tagen im Fernsehen ausgestrahlt worden war und an das erschöpfte Keuchen des besiegten Branawarz, als es von seinem Gegner in die Knie gezwungen worden war. An sich gefiel ihm die Vorstellung, ein Pokémon zur Seite zu haben sehr. Aber vor den anstehenden Kämpfen grauste ihm. Doch wog die Last, seine Mutter zu enttäuschen noch schwerer.
    »Doch schon, aber … «, begann er und wurde direkt wieder überschwänglich unterbrochen.
    » Sehr schön! Das hätten wir also schon mal geklärt! Und sag, weißt du, was ein Pokédex ist?«
    Er nickte. Jedes Kind wusste, was ein Pokédex war. Seine Mutter ließ es sich dennoch nicht nehmen, ihn ein weiteres Mal über dieses automatische Lexikon aufzuklären, dass die Daten eines jeden Pokémon zu speichern vermochte, denen der Träger eines solchen Dexes begegnete.
    »Und noch eine Frage! Möchtest du einen Pokédex?«
    Vidar wusste, worauf dies hinaus lief. Vielleicht wurde es ja wirklich Zeit, das Haus zu verlassen. Vielleicht war es wirklich zu klein geworden für zwei Personen. Und vielleicht konnte er vorgeben, eine klassische Trainerlaufbahn einzuschlagen, während er in Wahrheit in einer der Nachbarstädten nach einer bodenständigen Ausbildung Ausschau hielt. Er kannte sich gut genug um zu wissen, dass er eine mühselige Diskussion mit seiner Mutter so oder so verlieren würde. Also zwang er sich ein taktisches Lächeln auf die Lippen und strahlte sie an, so gut es ihm möglich war.
    »Sehr gerne, Mama!«
    » Damit steht fest, was du tun musst!«, lachend klopfte sie ihm auf die Schulter. »Ein Mädchen namens Bell ist bereits hier, um dich zu treffen! Sie ist Professor Esches Assistentin. Du erkennst sie an ihrer großen Mütze! Von ihr bekommst du deinen Pokémon-Partner und einen Pokédex!«
    Vidar hatte schon viel von Professor Esche gehört. Nicht nur, weil seine Mutter sie persönlich kannte. Es war schlichtweg nicht möglich, den Namen dieser Frau nicht zu kennen. Sie wurde als absolute Koryphäe in dem Gebiet der Pokémonforschung gefeiert, einer Domäne, die eigentlich den Männern vorbehalten zu sein schien. Aber dass sie eine Assistentin hatte, war ihm nicht bewusst gewesen.
    »Oh, bevor ich es vergesse«, unterbrach seine Mutter ein weiteres Mal seine Gedanken, »Dein Viso-Caster ist in deiner Tasche, nicht wahr?«
    Vidar seufzte. Er hatte seine Tasche noch nicht einmal gepackt. Der Viso-Caster lag auf dem Nachttisch im Schlafzimmer, wie er es immer tat. Er wandte sich kurzzeitig von seiner Mutter ab um das mobile Gerät zu holen und hielt es ihr dann demonstrativ vor die Nase.
    »Mama, du überrumpelst mich total und erwartest dann, dass ich bereits meine Sachen zusammen gepackt habe?«, fragte er, etwas vorwurfsvoll, während er nach seiner Umhängetasche suchte.
    Seine Mutter lachte unbekümmert.
    »Tut mir Leid, Schatz, aber ich bin so aufgeregt. Und dabei geht es nicht einmal um mich, sondern um dich.«, sie schob ihren perplexen Sohn in Richtung Tür, wo er zu seinem Glück endlich seine Tasche fand »Nun geh schon, bevor ich dich noch länger aufhalte. Die arme Bell wartet sicher schon auf dich«
    Ein paar Augenblicke später fand sich Vidar in der Kälte des nahenden Herbstes wieder. Die Sonne war inzwischen fast vollkommen hinter dem Horizont verschwunden und die nun leuchtenden Straßenlaternen strahlten mit ihr um die Wette. Noch immer konnte er nicht fassen, was in den letzten fünf Minuten geschehen war. Sein ganzes Leben: Auf den Kopf gestellt. Er spürte, wie ein Funken Wut in ihm aufglomm. Von wegen, es ging um ihn! Im Endeffekt ging es doch nur um seine Mutter, die ihn schon immer als Trainer sehen wollte. Aber da hatte sie sich geschnitten! Er würde den Weg gehen, den er für sich vorgesehen hatte und darin waren keine Pokémonkämpfe geplant.
    Frustriert stapfte er auf die Straße, auf die der Wind einzelne Blätter geweht hatte. Vidar musste die Händen in den Hosentaschen vergraben, damit ihm nicht fröstelte. Wo sollte er überhaupt nach dieser dubiosen Bell suchen? Seine Mutter hätte ihre alte Professoren-Freundin doch zumindest fragen können, wo ihre Assistentin sich denn versteckt hielt. Aber an so etwas dachte sie natürlich nicht. Sie dachte nie an so etwas.
    Als Vidar, schmollend in Gedanken versunken, um die Straßenecke bog, stieß er beinahe mit zwei anderen Kindern zusammen.
    »Hallo, Vidar!«, begrüßte ihn der ältere der beiden.
    »Hi, Hödur«
    Vidar bemühte sich, nicht allzu niedergeschlagen zu klingen auch wenn er kaum Hoffnung hatte, dass ihm dies gelang. Doch Hödur war ein immerzu aufgedrehter, etwas ungeduldiger Junge der sich benahm, als befinde er sich auf einer lebenslangen Flucht. So bemerkte er die Unruhe seines Gegenübers nicht und seine kleine Schwester, die Vidar freudig lächeln begrüßte, war noch zu jung um ein solch feines Gespür für Emotionen ausgebildet zu haben. Es gab nicht allzu viele Kinder in Eventura City, vor allen Dingen nicht in Vidars unmittelbarer Nachbarschaft, und so hatte er durchaus öfter mit den beiden zu tun. Gerade Hödur kannte er schon viele Jahre, immerhin waren die beiden zusammen aufgewachsen. Trotzdem war ihre Freundschaft, wenn man sie denn so bezeichnen wollte, immer etwas brüchig erschienen und mit dem Eintritt der Pubertät hatte Hödur sein gesundes Maß an Selbstvertrauen genutzt, um eine jugendliche Rivalität gegen Vidar auszubilden. Doch selbst wenn sein unfreiwillig dazu ernannter Rivale Interesse an den kleinen Machtkämpfchen gezeigt hätte, so hatten sie beiden Jungen doch nie wirklich etwas gehabt, in dem sie sich miteinander hätten messen können. Im Laufe der Zeit war Hödur unruhig geworden. Nach einer Herausforderung lechzend hatte er Vidar immer wieder dazu angetrieben, sich doch ein Pokémon zuzulegen. Sein eigener Pokémonpartner begleitete ihn schon seit Langem, doch aus Mangel an Gegnern war er nie wirklich stärker geworden. So hatte sich Vidar schließlich immer weiter von Hödur distanziert und sich noch weiter in sein imaginäres Schneckenhaus zurück gezogen. Doch selbst dort erreichte ihn sein Kindheitsfreund dann und wann. Dies war so ein Augenblick und wie immer begann er mit derselben Frage, die inzwischen schon so oft gestellt worden war, dass sie beinahe rhetorisch klang.
    »Hast du jetzt endlich ein Pokémon?«
    Einen Moment lang zögerte Vidar, ob er Hödur die “guten“ Neuigkeiten überbringen sollte. Letztendlich würde er es sowieso erfahren und ihn dann womöglich eines Tages aus dem Nichts mit einem Pokémonkampf überraschen. Lieber begab sich Vidar freiwillig in die Höhle des Löwen, als hinterrücks in seine Krallen zu geraten.
    »Noch nicht«, begann er zögerlich, »Aber ich bin gerade auf der Suche nach einem Mädchen namens Bell. Sie soll wohl Professor Esches Assistentin sein und mein erstes Pokémon dabei haben«, möglichst beiläufig zuckte er mit den Schultern, »Auf jeden Fall habe ich keine Ahnung, wer sie überhaupt ist. Ihr habt nicht zufällig ein Mädchen mit einem großen, grünen Hut gesehen, oder?«
    Er hatte kaum geendet, da blitzte eine aufgeregte Vorfreude in Hödurs Augen auf, die Vidar ein wenig Sorge machte.
    »Wenn du ein Pokémon bekommst, musst du ganz lieb zu ihm sein!« kreischte Hödurs Schwester entzückt.
    Ihr großer Bruder nickte zustimmend.
    »Genau …«, er klang plötzlich etwas nachdenklich, doch seine Stimme schwoll so schnell wieder an dass Vidar glaubte, er habe es sich nur eingebildet. » Alles klar! Dann wollen wir mal dein Pokémon abholen gehen!«
    Ungeduldig schob er den überrumpelten Vidar vorwärts und warf nur einen kurzen Blick zurück, um seiner Schwester zuzurufen, dass sie nach Hause gehen sollte. Anders als viele andere Kinder ihres Alters, bekundete sie ihrem Bruder nickend ihr Einverständnis und lief winkend in die entgegen gesetzter Richtung davon.
    »Hey! Was soll denn das?«, Vidar war es inzwischen gelungen, Hödur abzuwimmeln. »Ich kann sehr gut selber laufen«
    Sein Kindheitsfreund hob beschwichtigend die Arme.
    »Tut mir Leid, Vidar. Aber ich habe noch einiges vor und dafür brauche ich nicht nur meinen Partner«, seine Hand fuhr kurz an den rot weißen Pokéball, der an seinem Gürtel befestigt war, »sondern auch einen menschlichen Kameraden. Und damit meine ich dich!«
    Vidar schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß doch nicht einmal, was du überhaupt von mir willst«, sagte er, wohl etwas zu leise, denn Hödur ging gar nicht auf ihn ein, sondern lief stur weiter.
    »Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, ein Pokémon zu bekommen. Glaub mir, sobald du deines hast wirst du sofort auf Reisen gehen können«, er warf einen Blick zurück und lächelte Vidar an. »Nun trödle doch nicht so! Suchen wir diese Bell!«
    Seufzend ergab sich Vidar seinem Schicksal. Anders als sein selbst ernannter Rivale hastete er allerdings nicht ungeduldig über den Asphalt, sondern trottete unmotiviert vor sich hin und ignorierte die anderen Passanten, die die beiden Jungs nach dem Grund ihrer (oder besser gesagt; auf Hödurs) Aufregung fragten. Er wünschte, sie würden diese Bell endlich finden, damit diese Farce möglichst schnell vorbei war. Den Gedanken, dass der wirkliche Stress mit dem Erhalt seines Pokémon erst wirklich beginnen würde, wollte er nicht zulassen.
    »Wo könnten wir noch suchen?«, Hödur sinnierte vor sich hin, also machte sich Vidar erst gar nicht die Mühe, zu antworten. »Im Pokémoncenter müssen wir erst gar nicht nachschauen, da war ich gerade erst. Kein Mädchen mit grüner Mütze weit und breit. Die Trainerschule fällt auch weg, also wo könnten wir als nächstes nachsehen?«
    Selbstverständlich war die Trainerschule keine Option. Immerhin war sie noch gar nicht eröffnet worden. Seit einigen Monaten wartete Eventura City nun schon auf einen Arenaleiter der sich dazu bereit erklärte, die Schule zu führen und zugleich dort eine Arena einzurichten. Das Ziel dahinter war, die Einnahmen der Stadt durch Tourismus zu vervielfachen. Eventura war zwar am Fuße eines hohen Berges gelegen, an dem ein geschäftstüchtiger Mann irgendwann eine Aussichtsplattform errichtet hatte um Menschen anzulocken, die den traumhaften Ausblick auf die gesamte Einall Region genießen wollten, doch lag die Stadt dennoch zu abgelegen und viele Touristen verbrachten ihre freien Tage lieber in Stratos oder Rayono City. Aber wenn ein Fremder in Eventura landete, dann zumeist wegen der Aussichtsplattform.
    »Ich glaube, ich weiß, wo sie sein könnte« sagte Vidar zaghaft.
    Sofort hatte er Hödurs Aufmerksamkeit.
    »Wo denn? Auf Route 19? Da hatte ich auch schon drüber nachgedacht. Wenn wir sie nicht bald finden, werde ich mich dort umsehen. Schließlich habe ich meinen Partner dabei«
    »Eigentlich hatte ich an die Aussichtsplattform gedacht«
    Hödur schien fast schon peinlich berührt.
    »Also wirklich, dass ich daran nicht schon früher gedacht habe. Die Aussichtsplattform ist wohl der bekannteste Platz in Eventura City. Diese Bell ist also bestimmt dort oben und genießt die fantastische Aussicht!«, er lachte auf. »Naja, dann sollten wir jetzt nicht mehr trödeln. Komm, Vidar, sehen wir nach!«
    Er stürmte voraus, ein Stück weit aus der Stadt hinaus wo eine in den Stein des Berges gehauene Treppe, bestehend aus gefühlten tausend Stufen, in die Höhe ragte. Vidar hätte sich lieber in den Wald zurück gezogen, anstatt den anstrengenden Aufstieg zu wagen doch Hödurs Haltung ließ keinen Zweifel daran, dass er seinen Freund wenn nötig eigenhändig zur Aufsichtplattform hinauf tragen würde.
    »Nun komm schon, Vidar!«, brüllte er, da er bereits auf dem ersten Treppenabsatz angekommen war. »Ich habe auf jeden Fall recht. Bell muss hier oben sein. Hol dir endlich dein Pokémon ab!«


    Der Aufstieg war weniger anstrengend, als er auf den ersten Blick wirken mochte. Nicht tausend Schritte trennten die beiden Jungen von der Aussichtsplattform, sondern lediglich ein paar dutzend. Es war eher seine schlechte Stimmung und ein langsam wachsendes Gefühl von Furcht, die Vidars Beine schwer werden ließen. Je näher er dem Ende der Treppe kam, desto niedergeschlagener fühlte er sich. Während andere Kinder schon in den jüngsten Jahren dem Tag entgegenfieberten, an dem sie ihr erstes Pokémon erhielten, hatte er sich immer vor diesem Moment gefürchtet. Er fürchtete die Kämpfe, die eine Reise als Trainer mit sich brachte und die Reise selbst. Er fürchtete, abzustumpfen und den Schrecken von Gewalt nicht länger erkennen zu können, wenn er seine Partner ständig in irgendwelche sinnlosen Kämpfe schickte. Er fürchtete, dass kein Pokémon ihm je gehorchen würde und er irgendwann schwer verletzt auf irgendeiner Route enden würde. Er verstand nicht, wie man den Mut aufbringen konnte, sich all dem zu stellen. Vor allen Dingen verstand er nicht, wie man sich darauf auch noch freuen konnte. Er würde sich dem nicht stellen. Er würde auf direkten Weg in die nächste Stadt laufen und einen vernünftigen Job finden. Vielleicht konnte er das alles vor seiner Mutter verbergen und es ihr irgendwann beichten, wenn er den Mut dazu fand. In diesem Moment, mit dem aufgedrehten Hödur in seinem Rücken der ihm auf dem letzten Treppenabsatz dazu animiert hatte, allein weiterzugehen, konnte er dieser Situation nicht aus dem Weg gehen. Aber das war ihm ja schon zuvor bewusst gewesen.
    Als Vidar die Aussichtsplattform betrat, erreichten nur noch sehr wenige Sonnenstrahlen die Erde. Dennoch war der Ausblick atemberaubend. Vor ihm lag die gesamte Einall Region, die Bäume in der Ferne klein wie Ameisen, die schneebedeckten Berge griffen nach den Wolken. Ein großer See schien nicht mehr zu sein, als ein kleiner Teich. An diesem Ort konnte ein Mensch auf zweierlei Arten empfinden: Er konnte sich groß fühlen wie ein König, oder gar wie ein Gott, der auf sein Reich hinab blickt und dabei in völliger Klarheit erkennt, wie perfekt es doch ist. Oder aber, er konnte sich klein und unbedeutend vorkommen, nur ein nicht zu Ende gedachter Gedanke in dem Bewusstsein der Natur. So unterschiedlich diese beiden Gefühle auch zu sein schienen, so weckten sie doch meist ein und denselben Wunsch in den Menschen: Den Wunsch, diese wunderschöne Region zu bereisen, jeden Winkel von ihr zu erforschen, neue Orte kennen zu lernen und unterzugehen in den Weiten der Natur. Auch Vidar konnte sich dem nicht verwehren, auch wenn seine Furcht noch schwerer wog, als die Faszination Einalls. Ganz anders als das Mädchen, das ihm den Rücken gewandt hatte und wie hypnotisiert in die Ferne sah.
    »Ist das schön!« seufzte sie.
    Dann schien sie die Anwesenheit Vidars zu bemerken und wandte sich um.
    »Oh, hallo«, begrüßte sie ihn ohne jede Spur von Misstrauen, das man normalerweise Fremden gegenüber zu hegen pflegt. »Hast du dir schon einmal diesen Ausblick angesehen?«
    Vidar nickte, während er immer wieder auf die große, grüne Mütze des Mädchens schielte. Eine weiße Schleife zierte die auffällige Kopfbedeckung. Kein Zweifel, die Frau musste Bell sein, auch wenn er sie sich gänzlich anders vorgestellt hatte. Er hatte mit einer Assistentin gerechnet, die auch wie eine solche aussah, weiße Kleidung tragend und eher streng wirkend. Doch Bell war jung und ihre Kleidungsstücke strahlten, eine Farbe heller, als die andere. Die orange Jacke, die sie trug war dem kühler werdenden Wetter angemessen, aber biss sich ein wenig mit der grünen Hose, die nur knapp über ihre Knie reichte. Bell wirkte viel jünger, als Vidar gedacht hätte und nur die rote Brille, die sie trug, kam seiner Vorstellung einer klassischen Assistentin zumindest ein wenig nah. Obwohl sie jung erschien, hatte Vidar doch das Gefühl eine gestandene, selbstbewusste Frau vor sich zu haben, die ihren Platz im Leben vor langer Zeit gefunden hatte.
    »Ich wohne hier«, beantwortete Vidar Bells Frage endlich, wenn auch etwas unbeholfen, weil ihm das Schweigen langsam peinlich wurde.
    »Wirklich? Das ist ja prima!«, das Mädchen lächelte noch immer. »Ich suche nämlich jemanden. Kennst du zufällig einen gewissen “Vidar“?«
    Jetzt gab es wohl keinen Zweifel mehr, dass es sich tatsächlich um die Assistentin Professor Esches handelte. Nur schwer konnte sich Vidar dazu überwinden, sich ihr vorzustellen.
    »Ich bin Vidar«
    »Oh, wirklich?«, Bell schien entzückt und umfasste seine Hände. »Ich bin Bell. Schön dich kennenzulernen. Professor Esche schickt mich, um dich zu fragen ob du uns dabei helfen willst, den Pokédex zu vervollständigen«, ein gewichtiges Schweigen lag für kurze Zeit in der Luft. »Würdest du uns helfen?«
    Vidar nickte wie fremdgesteuert. Doch Bell schien seine Unsicherheit vor lauter Erleichterung nicht zu bemerken.
    »Das ist ja großartig! Dankeschön!«
    Vidar zuckte mit den Schultern: »Naja, das ist eine einmalige Gelegenheit, nicht wahr? Da könnte ich doch gar nicht Nein sagen«
    »Es freut mich, dass du das so siehst«, strahlend wühlte Bell in ihrer grünen Umhängetasche und zerrte eine kleine Box hervor. Gehorsam öffnete sie sich auf Knopfdruck und gab den Blick auf drei nebeneinander liegende Pokébälle frei. »Hier, bitte. Eines davon soll dein Partner sein. Serpifeu, Floink, Ottaro. Welches möchtest du?«
    Sie zeigte auf einen der Bälle nach dem anderen, doch Vidar hatte nicht damit gerechnet, dass er sich auch noch für ein Pokémon entscheiden müssen würde. Alle drei Arten waren ihm bekannt. Serpifeu, das Pflanzenpokémon. Floink, ein Feuertyp. Und Ottaro, das man normalerweise im Wasser antraf. Er hatte keine Idee, für welches der drei er sich entscheiden sollte. Hilflos blickte er Bell an, doch die nickte nur bekräftigend. Er wünschte, sie hätte ihm nicht offenbart, in welchem Pokéball welches Pokémon war. Dann hätte er zufällig irgendeinen Ball wählen können. Nun blickte er unentschlossen auf die kleine Box hinab. Er redete sich ein, dass es ihm ja egal sein konnte. Er würde “sein“ Pokémon sowieso in naher Zukunft jemandem anvertrauen, der sich besser darum kümmern würde. Doch beim Anblick der Pokébälle war Vidar endlich klar geworden, was für ein großer Moment das war. Es war der Moment, in dem er sein erstes Pokémon wählen würde. Und vielleicht auch sein letztes. Unschlüssig ließ er die Hand über den Bällen schweben. Er schloss die Augen und rief sich das Bild der drei Pokémon ins Gedächtnis, wie er sie aus dem Fernsehen, Büchern und eines von ihnen sogar aus der Realität kannte. Seine Hand fuhr nach rechts. Er umklammerte den rotweißen Ball zitternd, als hinge sein Leben daran.
    »Oh, Ottaro, eine gute Wahl. Es passt ganz ausgezeichnet zu dir«, Bell strahlte ihn an und Vidar war sich nicht sicher, ob er sich beleidigt fühlen oder geschmeichelt sein sollte. »Willst du ihm noch einen Spitznamen geben?«
    Vidar blickte auf den Pokéball in seiner Hand, in dem ein kleines, lebendes Wesen darauf wartete, in die Freiheit entlassen zu werden. Plötzlich erschien ihm die Vorstellung, es nur nach dem Namen seiner Art zu rufen, äußerst erschreckend.
    »Hydrictis«, sagte er leise, mehr zu sich selbst und dem Ottaro, als zu Bell, »Es soll Hydrictis heißen«
    Einen Moment lang schämte er sich für seine vorliebe für außergewöhnliche und hochgestochen klingende Namen. Doch Bell schien davon in keiner Weise überrascht.
    »Ein wunderbarer Name! Jetzt fehlt nur noch der Pokédex«
    Ein weiteres Mal grub sie in ihrer Tasche, doch Vidar konnte den Blick kaum von dem Pokéball in seiner Hand abwenden. So bemerkte er erst nach ein paar Sekunden, dass Bell ihm einen roten, schmalen Gegenstand reichte, der ein wenig an ein zu klein geratenes Buch erinnerte. Er ergriff ihn und wunderte sich, wie schwer das kleine Gerät war.
    » Er ist ein hochmodernes Gerät, das alle Pokémon, denen du begegnest, automatisch erfasst. Daher möchte ich dich bitten, die gesamte Einall-Region zu durchforsten und sämtliche hier heimischen Pokémon auszuspüren!«, erklärte die junge Frau ihm, jetzt ganz Forscherin. »Das ist Prof. Esches Wunsch!«
    »Hey, wie lange willst du mich eigentlich noch warten lassen?«, Bei dem empörten Ruf Höndurs, drehte sich Vidar augenblicklich um. Der Blick seines Kindheitsfreundes lag auf dem Pokéball. »Das ist also dein Partner? Herzlichen Glückwunsch! Kümmere dich bloß gut um den Kleinen! Und was ist das?«
    Hödur hatte den Pokédex entdeckt und betrachtete das rote Gerät interessiert.
    »Das ist ein Pokédex«, mischte Bell sich ein und nahm Vidar die Antwort ab.
    Ein seltsamer Ausdruck schlich sich plötzlich auf Hödurs Gesicht. Er sah in die Ferne, vorbei an Vidar und Bell, hinaus auf die Einall Region, doch wirkte er dabei nicht sehnsüchtig. Da war etwas Finsteres in seinem Blick, etwas, dass Vidar frösteln ließ und als Hödur sprach, klang seine Stimme ungewohnt ernst: » Ich will auch einen Pokédex, bitte!« er wandte sich Bell zu. » Ich will stärker werden! Wenn ich einen Pokédex hätte, könnte ich mehr über Pokémon lernen! Ich würde stärker werden, nicht?«
    Die junge Assistentin wirkte ein wenig überrumpelt.
    »Und wer bist du?«
    »Ich bin Hödur! Ich bereise mit meinem Pokémon-Partner die Einall-Region, auf der Suche nach etwas sehr Wichtigem«
    Vidar glaubte kaum, dass Hödur schon jemals weiter als bis in die nächste Stadt gereist war. Doch er ließ seinem Freund die kleine Notlüge durchgehen. So oder so glaubte er kaum, dass Bell auf den Wunsch des anderen Jungen eingehen würde. Aber vielleicht war gerade das der Ausweg, den Vidar gesucht hatte. Er könnte seinen Dex an Hödur weitergeben und so der Verantwortung entgehen, die schon jetzt schwer auf seinen Schultern lastete.
    Umso mehr überraschte es ihn, als Bell einen zweiten Pokédex aus ihrer Tasche zog.
    »Na gut! Ich kenne zwar deine Beweggründe nicht, aber eine Reise ist immer etwas Gutes! Und wie der Zufall so will, habe ich noch einen Reserve-Pokédex dabei!«, sie reichte Hödur das Gerät und blickte dann von einem Jungen zum anderen. »Die Verbreitung der Pokémon ist ganz anders als noch vor zwei Jahren, je mehr wir also sind, desto besser!«
    Vidar hatte das Gefühl, dass sie das nur sagte, um sich vor ihr selbst für ihr überstürztes Handeln zu rechtfertigen. Einen so wertvollen Gegenstand einfach irgendeinem Fremden zu geben war sicher nicht die beste Idee. Vor allen Dingen stellte sie ihn selbst wieder vor das Problem, diesen Pokédex am Hals zu haben. In Gedanken versunken merkte er nicht, wie Hödur den Pokéball an seinem Gürtel löste und einsatzbereit in seiner Hand wiegte.
    »Dann wollen wir mal sehen, was du als Trainer so draufhast! Ich trete mit meinem Serpifeu an, das ich schon seit seinen Tagen als Ei kenne!«
    Vidar sah die Entschlossenheit und Gier in den braunen Augen seines Rivalen. Hödur wirkte angespannt. Der Wind fuhr durch sein schwarzes Haar und zerzauste es noch mehr, als es das sowieso immer war. Doch trotz seiner dünnen, rot weißen Jacke und der kaum wärmer wirkenden Jeans schien er nicht zu frieren. Vidar hingegen fröstelte. Er hatte das Gefühl, seinen Kindheitsfreund noch nie wirklich gesehen zu haben und erst jetzt, hier im Dämmerlicht des langsam aufgehenden Mondes, sein wahres Ich zu erkennen. Seine Hand umfasste den Pokéball fester, in dem sein Ottaro ruhte. Sein erstes Pokémon. Sein Hydrictis. Er hatte immer gewusst, dass dieser Moment irgendwann kommen würde. Und auch wenn die Unsicherheit an seinen Nerven nagte fühlte er sich bereiter, als er es jemals zu hoffen gewagt hatte.