Jurassicscream und Foxhound: Random Story

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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  • "Random Story"
    - Zufälle gibt es immer. Freundschaft ist einer davon. -
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    - Vorwort -


    Herzlich willkommen im Fanfiction-Topic von Jurassicscream und mir, Foxhound`71.


    Nachdem wir beide uns über das Forenspiel "Welches Pokémon?" kennengelernt haben, wurde die Idee geboren, ein gemeinsames Topic zu eröffnen, in welchem wir uns literarisch ausleben und eigene Welten mit ihren individuellen Regeln erschaffen können.



    - Worum geht es? -


    Ein Shiny-Rettan verirrt sich in das Haus des Jungen Max, welcher es schnell lieb gewinnt und als sein erstes Pokémon bald darauf sein eigen nennen darf. Ab diesem Zeitpunkt durchlebt das Rettan den Alltag der Menschen um ihn herum, erlebt Freudenmomente und Verluste, und macht neue Erfahrungen, die sein, aber auch das Leben von Max, bereichern.



    - Kapitelgestaltung -



    Jedes Kapitel wird abwechselnd von Jurassicscream und mir in Eigenarbeit geschrieben, von dem der andere nichts über dessen Inhalt erfährt. Wird dieses Kapitel dann gepostet, muss einer von uns dort ansetzen, wo die Geschichte ihr vorläufiges Ende gefunden hat und diese weiterführen.
    Mit Beginn eines Kapitels findet wahlweise ein Perspektivenwechsel statt, sodass sich der Blickwinkel auf bestimmte Handlungen und Geschehnisse, sowie der Charakterentwicklung ändert und dem Leser damit Einblicke in zuvor unbekannte Sphären bietet.



    - Anmerkungen zu bestimmten Inhalten -


    Wir legen uns auf kein spezielles Genre fest, sondern versuchen vielmehr eine Geschichte zu schreiben, die von jeder Eigenschaft eine Prise enthält. So bleibt sie überschau- und gut dosierbar.
    Dennoch wollen wir anmerken, dass auch wir der Gewalt und der Darstellung von Blut nicht ganz abgeneigt sind, aber keine detailierten Beschreibungen erwähnen werden, damit der Jugendschutz erhalten bleibt.



    - Random Story - Kapitelauswahl -


    Kapitel 1 - Bekanntschaft unter Schmerz uns Tränen
    Kapitel 2 - Uneigennützigkeit
    Kapitel 3 - Eine schwere Stunde
    Kapitel 4 - Abschied?
    Kapitel 5 - Loslassen
    Kapitel 6 - Der nächste Verlust?
    Kapitel 7 - Unerhofftes Glück
    Kapitel 8 - Gefährlicher Wald
    Kapitel 9 - Elend und Hoffnung
    Kapitel 10 - Tränen der Freundschaft

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


    [Astor, Pokémon - Schwarze Edition]

    Nur noch sporadisch im BisaBoard.

    40 Mal editiert, zuletzt von Foxhound () aus folgendem Grund: Startpostbearbeitung

  • Kapitel 1: Bekanntschaft unter Schmerz und Tränen


    Vogelgezwitscher. Sonne strahlt auf meinen Körper. Ich höre lachende Kinder. Lecker.


    Ich krieche durch das vom Tau noch nasse Gras. Immer der Nase nach. Oder der Zunge, wie mans nimmt. Die Kindergeräusche kommen näher, und ich gelange an eine Straße. Gegenüber steht ein Haus, die Tür ist offen, der Hof mit Luftballons und Girlanden geschmückt. Und es riecht verdammt lecker. Ich überquere die Straße, noch immer unentdeckt, was bei meiner Größe von zwei Metern ein ziemliches Kunststück ist. Ich linse durch eines der Fenster, es ist das der Küche. Übers Fensterbrett und ran an die Leckereien! Gerade will ich ein köstlich aussehendes Ei beißen, da höre ich eine unnatürlich klingende Stimme hinter mir:


    “ Rettan – Das Schlange-Pokemon. Rettan ist sehr geschickt darin, sich unbemerkt fortzubewegen. Das nutzt es zur Jagd, wobei seine Nahrung auch aus Eiern besteht. Nimm dich vor seinem Biss in Acht, er ist zwar
    harmlos, aber äußerst schmerzhaft.”


    Verdammt.
    Dabei war ich so knapp dran. Meine Güte hab ich einen Kohldampf, mir ist schon so viel Wasser im Maul zusammengelaufen, dass ich meinen Kiefer aushängen wollte. Aber nein, es soll wohl nicht sein. Jetzt vernehme
    ich noch eine menschliche Stimme:
    “Guck mal Mama, ein Rettan! Das sieht ja cool aus!”
    Ja, da hast du verdammt recht. Ich drehe meinen Kopf und erkenne, dass die Stimme einem jungen Menschen gehört, vielleicht 10 Jahre alt. Er steht mit riesigen Glotzaugen da und hält verdutzt einen Pokedex in der Hand. Als noch eine ältere Frau auf mich zugestürmt kommt, widerstehe ich dem Drang, ihr die Kehle durchzubeißen, und rolle mich gelassen um den Henkel eines Küchenschranks. Ich beschließe, die Situation erst einmal
    abzuwägen. Die Frau, offensichtlich die Mutter des Jungen, ist mittlerweile angekommen, ein Emolga auf der Schulter und einen Pokeball in der Hand. Sie gebietet ihrem Kind, zurückzubleiben, und lässt Emolga Donnerwelle einsetzen. Verstehe, die Kaffeemaschine funktioniert wohl nicht richtig. Da trifft mich ein Stromschlag mitten in die Flanke. Autsch! Das ist verdammt uncool, und das lasse ich Emolga auch mit einer mehr oder weniger bedachten Wortwahl wissen.
    Es versucht mich zu beruhigen und erzählt mir, dass seine Trainerin mich unbedingt fangen will.
    Wozu der Stress? Schon immer wurde ich diskriminiert, nur weil ich nicht wie alle anderen Rettan lila, sondern goldgrün bin. Ich sehe den Pokéball auf mich zufliegen, und in dem Moment lässt die Lähmung nach. Stimmt ja, das habe ich einmal irgendwo aufgeschnappt, anscheinend habe ich die Fähigkeit Expidermis. Von mir aus.


    Ich rolle mich ein wenig ab und schlage den Pokeball locker mit dem Schwanz weg. Denkste!
    Das scheint die Frau zu beeindrucken. Sie ruft ihr Emolga wieder zu sich, hebt den Pokéball auf und steckt ihn weg. Ich beobachte sie auf dem Weg zu einem weiteren Schrank, gleich neben dem, an dem ich hänge, und holt etwas heraus. Ich erkenne nicht sofort was es ist, aber meine Zunge schlägt aus! Die Frau scheint meinen Hunger erkannt zu haben, denn sie legt einige Eier auf die Arbeitsfläche, über der ich baumele.
    Lecker, Flemmli-Eier, die hab ich am liebsten! Ich haue ordentlich rein und wenig später sind die Eier weg und mein Körper dreimal so dick. Toll, muss ich jetzt für immer auf dem Küchentisch liegen bleiben?


    Die Frau hat sich währenddessen einen Stuhl geholt und schaut mich ruhig an. Dann beginnt sie zu reden:


    “Hallo Rettan, ich bin Theresa. Da hast du dich aber verlaufen, oder eher verkrochen, nicht wahr?”


    Eigentlich nicht, ich war nur von dem Geruch, den dieses Haus ausstrahlt, sehr angetan. Außerdem, meine Liebe, war dieser Wortwitz verdammt schlecht.


    “Wie dem auch sei, jetzt bist du hier. Weißt du, mein Sohn, Max, den du vorher bereits kennen gelernt hast, hat heute Geburtstag. Und er wünscht sich so sehr ein Pokemon. Bisher habe ich es ihm immer verboten, aber weißt
    du, nachdem du heute hier hereinspaziert bist, und auch noch so toll aussiehst, habe ich meine Meinung geändert. Möchtest du sein erstes Pokemon sein? Fürs erste würdest du einfach bei uns wohnen, hier
    bekommst du auch zu Fressen, so viel und so lange du willst!”


    Was ich verstehe ist “blablablaFRESSENblablabla”, daher nicke ich heftig. Die Frau scheint sich darüber sehr zu freuen, und ruft gleich wieder Max zu sich. Als er erfährt, dass ich sein erstes Pokemon sein werde, bricht er in Tränen aus. Na toll, das nenn ich mal Begeisterung. Doch als Max auf mich zukommt und über meinen Kopf streicht, merke ich, dass es Tränen der Freude waren. Ich züngle einmal schnell, um zu zeigen, dass ich Max und das was er da tut mag. Ja, ich glaube, wir können gute Freunde werden.

  • Kapitel 2 – Uneigennützigkeit


    „Max! Du kommst zu spät zur Schule. Nun steh endlich auf!“
    Mit der Lautstärke eines Presslufthammers prallt die Stimme meiner Mutter an meine Ohren und lässt das Innenleben meines Kopfes vibrieren. Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck und völlig verschlafen drehe ich mich auf die Seite, greife unbeholfen nach dem kleinen, hässlichen Wecker und lese mit verschwommenen Blick die ebenso viel zu kleinen, viel zu hässlichen Zahlen ab: 07:05 Uhr. Och menno.
    Ich drehe mich auf den Rücken zurück, hole tief Luft und atme ebenso kräftig wieder aus. Ich will nicht zur Schule. Warum muss ausgerechnet heute wieder Montag sein? Die Wochenenden gehen immer viel zu schnell vorbei. Dabei habe ich am Samstag erst Geburtstag gefeiert und gestern den ganzen Tag mit meinem neuen Freund verbracht. Voll unfair!
    „Max!“ Ja ja, ich hab es doch gehört.
    Plötzlich spüre ich einen sanften Druck auf meinem Kopfkissen, welches sich mir langsam entgegen schmiegt und ein störendes Gefühl in mir auslöst. Ich öffne meine schweren Augenlider, schaue auf und blicke in das verkehrt herum gehaltene Gesicht eines goldgrünen Rettans, das mich mit großen, wachen Augen neugierig taxiert. Ich muss unwillkürlich lächeln.
    „Morgen...“
    Freudig begrüße meinen neuen Freund, der mir an meinem Geburtstag zufällig ins Haus gekrochen ist und welcher ebenso zufällig noch völlig anders ausschaut, als alle anderen Rettan.
    Behutsam streichle ich ihm über den Kopf und sehe, dass es ihm gefällt, denn er züngelt und die Spitze seiner gespreizten Zunge fährt mir dabei mehrmals über die Nase. Es kitzelt und ich muss grinsen. So bin ich noch nie geweckt worden. Und mit einem Mal ist die Müdigkeit wie fortgespült.
    „Max! Zum letzten Mal: Steh auf!“
    „Ist gut Mama, bin schon wach!“
    Genervt erhebe ich mich und stehe auf. Ich beobachte mit Belustigung, wie das Kissen mit Rettan in sich zusammensinkt. Verdutzt blickt es zu mir hoch, aber nur kurz, ehe es unter der Bettdecke verschwindet. Mit Neugier hebe ich die Bettdecke an und bemerke, dass sich das Pokémon eingerollt hat und die angestaute Wärme zu genießen scheint. Ich lasse Rettan in Ruhe und gehe ins Bad. Schnell mache ich mich zurecht und ziehe mich an. Von unten höre ich erneut meine Mutter, die genervt nach mir ruft und fragt, ob ich langsam fertig sei. Ich gebe Entwarnung und beruhige sie damit.
    Wieder in meinem Zimmer greife ich zum Schulranzen, werfe ihn mir über die Schultern und wollte gerade gehen, da blickt mich Rettan mit einem etwas dümmlichen, aber scheinbar äußert zufriedenen Gesichtsausdruck an. Ich hocke mich hin und verabschiede mich von ihm, sage, dass ich zur Schule muss, ich aber in ein paar Stunden wieder zu Hause sein würde.
    Rettan gibt zischende Laute von sich, züngelt kräftig und schmiegt seine Wange an meine. Meine Hand gleitet über seinen mit Schuppen übersäten Körper. Man spürt förmlich die kräftigen Muskeln und die intensive Wärme, die sich in ihnen eingespeichert hat.
    Ich mag dich auch.
    Fast schon wehmütig löse ich mich von der ungewöhnlichen Umarmung – wenn man dies so nennen darf – , erheben mich und gehe mit einem letzten Blick zum Wecker aus dem Zimmer:
    07:42 Uhr. Jetzt aber los.


    „Hey, Max!“
    Meine halbwegs gute Laune verfliegt, als ich diese Stimme höre. Diese Stimme, die wie das Kratzen auf einer Tafel klingt, gehört einem Jungen aus meiner Klasse, für den ich weitaus weniger Sympathie empfinde, als für einen ausgelatschten Turnschuh.
    Mit Unwillen drehe ich mich in die Richtung, aus welcher die Stimme kam und entdecke die Wurzel allen Übels, welche sich energisch einen Weg zu mir bahnt. Unbewusst mache ich mich kleiner und anscheinend setze ich sogar noch eine Miene auf, die dem Jungen, der nun vor mir steht, gefällt, denn auf seinem Gesicht spiegelt sich so was wie Bestätigung ab. Verdammt.
    „Na, Max? Alles gut bei meinem Kumpel?“
    Linus nimmt mich in den Schwitzkasten und drückt so stark zu, dass ich kaum Luft bekomme. Doch ich habe Angst davor, mich zu wehren. Schreien tu ich erst recht nicht. Ich will mich nicht prügeln, aber ich hasse mich für meine schwache Seite.
    Leider geschieht dieses Szenario fast täglich, wenn ich zur Schule gehe. Daher freue ich mich immer auf die Wochenenden. Da herrscht Ruhe.
    „Was ist denn? Nicht fest genug?“
    Ich antworte nicht, merke nur, wie er stärker zudrückt. Mir schmerzt der Hals und aus den Augenwinkeln sehe ich plötzlich, wie sich andere Kinder aus der Schule um uns drängen. Mir wird die Situation vollkommen unangenehm. Linus dagegen fühlt sich dadurch wohl bestärkt, denn er ruft und markiert den Starken. Hornochse, murmle ich leise.
    Und in diesem Moment hätte mich mir am liebsten die Zunge abgebissen, denn Linus wirft mir einen bösen Blick zu.
    „Was hast du gesagt, Max?!“
    Ich zucke zusammen, rechne jeden Moment damit, dass er mich unsanft zu Boden wirft, doch ich warte vergebens. Stattdessen vernehme ich eine hohe Stimme.
    „Linus, lass ihn los!“
    Vor uns hat sich eines der Mädchen aus meiner Klasse aufgebaut. Ihr Name ist Sarah und ich verstehe mich eigentlich ganz gut mit ihr. Aber es ist das erste Mal, dass jemand versucht, mir zu helfen. Zuschauen ist Volkssport.
    „Warum sollte ich? Dieser Feigling hat es nicht anders verdient.“
    „Wie würdest du dich fühlen, wenn man dich ständig so schikaniert?“
    Sie bleibt standhaft. Ich selber spüre, wie der Druck um meinen Hals nachlässt. Erst jetzt lasse ich mich darauf ein, meinen Kopf aus dieser Zwickmühle zu befreien. Ich verlagere mein Gewicht ein bisschen zur Seite und bringe Linus damit selbst aus dem Gleichgewicht. Doch er lässt nicht los. Komm schon.
    Und noch ehe ich mich weiter abmühen muss, schreit Linus plötzlich auf. Schlagartig lockert sich der Griff und ich kann wieder frei atmen. Ich gehe zu Boden, hole keuchend Luft. Mir brennt der ganze Hals.
    Linus schreit weiter. Und auch ein paar andere Schüler tun es ihm gleich. Einige laufen sogar weg. Ich schaue auf und sehe den Grund dafür. An seinem rechten Arm hat sich ein Pokémon verbissen. Und mir wird fast schwarz vor Augen, als ich sehe, um was für ein Pokémon es sich handelt. Es ist ein goldgrünes Rettan.
    Die Erkenntnis, dass es mir gefolgt ist, erschlägt mich fast.
    „Lass los, du blödes Vieh! Das tut weh!“
    Tränen vor Schmerz und Wut kämpfen sich aus Linus' Augen, doch das Pokémon lässt nicht von ihm ab. Aber als er beginnt, auf den Kopf von Rettan einzuschlagen, werde ich aus meiner Starre losgelöst. Ich sprinte zu beiden hin.
    „Rettan, lass los!“
    Doch Rettan nimmt keine Notiz von mir. Beißt sogar fester zu.
    „Rettan! Bitte! Lass! Los!“
    Ich schreie die Worte raus, so gut es geht. Und endlich hört das Schlangen-Pokémon meine Stimme und lässt tatsächlich sofort los. Mit angespannten Muskeln kriecht es auf mich zu und baut sich beschützend vor mir auf. Zeigt auf beeindruckende Weise seine Größe und Entschlossenheit. Es reißt sein Maul weit auf, zeigt Linus die Zähne.
    Linus selber weint und hält sich den Arm. Zwischen seinen Fingen quillt Blut hervor. Und obwohl ich mich darüber freuen müsste, den Streithahn aus meiner Klasse winselnd am Boden zu sehen, zu sehen, wie er weint, empfinde ich Mitleid mit ihm.
    Ich streiche Rettan besänftigend über den Kopf, höre, wie es zischelt und bösartige, brummende Laute von sich gibt.
    „Rettan, ist doch gut. Er tut mir nichts mehr.“
    Das schuppige Gesicht dreht sich zu mir und die stechenden Augen blicken in meine. Rettan versteht und entspannt sich langsam. Es sinkt herab, bleibt aber bei mir.
    Ich hocke mich neben Linus, berühre ihn vorsichtig an der Schulter. Er zuckt zusammen und sieht mich an. In seinem Gesicht spiegeln sich die unterschiedlichsten Emotionen, allen voran Wut und Scham.
    „Verzieh dich! Das ist alles deine Schuld!“
    Ich gebe darauf keine Antwort, bleibe einfach nur still bei ihm. Sarah ist ebenfalls da und kniet sich hin.
    „Nein, Linus, es ist deine Schuld. Das Pokémon hätte niemals zugebissen, wenn du nicht so ein großer Idiot gewesen wärst und Max einfach in Ruhe gelassen hättest.“
    Linus verzieht das Gesicht, erwidert aber nichts. Ich spüre eine intensive Wärme an meinem Bein und sehe, wie sich Rettan plötzlich zu Linus hinstreckt. Völlig erstaunt beobachten Sarah und ich, wie Rettan sich vor Linus aufbaut und ihn mit gurrenden Lauten und schnellen Züngeln seiner Zunge auf sich aufmerksam machen möchte. Warum?
    „Was ist hier los?“
    Unsere Klassenlehrerin steht vor uns und sieht auf die Szenerie vor sich herab. Und ab da geht alles recht flott. Linus wird zu unserer kleinen Krankenstation gebracht und behandelt. Sarah und ich werden währenddessen im Rektorzimmer ausgefragt, was los gewesen sei. Da ich mich ein wenig wortkarg gebe, plaudert Sarah die ganze Wahrheit aus. Ich werde unwillkürlich rot im Gesicht. Ich schäme mir für diese dumme Situation.
    Rettan liegt eingerollt neben mir und beobachtet uns. Ich habe das Bedürfnis, meinen Freund, der mich bloß beschützen wollte, zu umarmen, aber das wäre unpassend.
    Es klopft an der Tür des Rektors. Sie wird von der Sekretärin geöffnet und meine Mutter tritt herein. Ich werde noch röter im Gesicht und sehe ihr die Wut an. Ihr Blick wechselt zwischen mir, Rettan und dem Rektor ab. Ich kann mich auf eine saftige Schimpftirade freuen, sobald wir zu Hause sind.


    Ein paar Augenblicke später sitzen Sarah, Linus und ich vor dem Zimmer des Rektors, während sich unsere Eltern mit dem Rektor unterhalten. Rettan weicht mir nicht von der Seite, beäugt aber Linus, der sich den bandagierten Arm hält. Laut seiner Aussage ist der Biss wohl nicht so schlimm und musste nicht mal genäht werden. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
    Rettan kriecht langsam zu Linus hin, ich halte es nicht auf. Ich bemerke aber den Gesichtsausdruck meines „Peinigers“. Wieder gibt Rettan gurrende Laute von sich, züngelt schnell und stubst mit der Nase sanft gegen die Hand von Linus, welche den verletzten Arm hält. Sarah versteht sofort.
    „Rettan möchte sich wohl bei dir entschuldigen.“
    Linus horcht auf, sagt aber nichts. Er überwindet sich und fährt Rettan kurz über den Kopf. Ein Zeichen, dass er die Entschuldigung annimmt. Bin ich froh.


    Die Tür zum Rektor geht auf und wieder steht meine Mutter vor mir. Kommentarlos gibt sie mir zu verstehen, dass wir nach Hause gehen. Mit hängendem Kopf folgen Rettan und ich ihr.
    Das kann ja was werden.

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


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    4 Mal editiert, zuletzt von Foxhound ()

  • Hallo!
    Wie ich ja versprochen hatte, folgt nun der verdiente Kommentar. Ich werde die drei Beiträge einzeln betrachten, den ersten Post aber für den Anfang nur anschneiden und dann am Ende noch einmal aufgreifen; dies nur für eure Verständnis, bevor ihr lest, weil ich natürlich keine Verwirrung verursachen möchte.


    Kreativ ist eure Idee auf jeden Fall. Zwar kenne ich schon das ein oder andere Beispiel einer solchen Geschichte, tatsächlich aber eher in Form von Satz-Reihungen, die von mehr als zwei Benutzern betrieben werden. Das führt oftmals zu den verrücktesten und leider unrealistischsten Endergebnissen; demnach hoffe ich, dass ihr bei der Sache bleibt und nicht zu übertreibt, was schwierig ist, wenn ihr noch nicht so eingespielt ist. Teilweise tritt dann ein Ehrgeiz hervor, den anderen zu übertrumpfen, was dieser Art der Geschichten dann doch einen ziemlichen Abbruch tut. Da ich euch aber so einschätze, dass ihr wisst, worauf ihr euch hier eingelassen habt, erwarte ich das erst einmal nicht, komme darauf aber zurück, sollte sich das ändern.


    Der Startpost an sich ist natürlich sehr schlicht und nicht übertrieben formatiert. Eigentlich bin ich absolut kein Fan gelber Hintergründe, weil Gelb sehr schnell die Wirkung von dreckigem Weiß hat und das dann natürlich billig wirkt. Durch die Verwendung von Chartreuse und dunkleren Nuancen dieser Farbrichtung ist das aber durchaus unterbunden, da es sich in das Gesamtbild einfügt. Dass der erste Buchstabe jedes Mal etwas größer ist, ist jetzt ein nettes Gimmick, aber nicht unbedingt nötig. Hier sollte man vielleicht darauf achten, eher Highlights zu setzen und nicht zu viel zu machen. Das fehlt mir dadurch schon ein wenig, schmälert den insgesamt positiven Eindruck aber nicht. Einerseits erklärt ihr hier nämlich Grundsätzliches, andererseits zeigt ihr eure Beweggründe für ein solches Thema auf. Das ist so absolut ausreichend und gerade bei einem E&S-Thema kann man ja nicht wirklich mehr wiedergeben, ohne dass es zu viel wird. Das Konzept ist wie erwähnt durchaus gewagt, besonders weil es auch darauf aufbaut, dass die beiden Autoren ein ähnliches Niveau an den Tag legen, um ein dauerhaft qualitativ gleichwertiges Erlebnis als Leser verspüren zu dürfen.


    Und damit kommen wir auch direkt zum ersten Kapitel.
    Es ist sehr schön, aus der Perspektive eines Pokémon zu schreiben. Dadurch hast du (ich werde euch bei den euch zugedachten Abschnitten direkt ansprechen) natürlich andere Mittel zur Verfügung als bei einem Menschen, kannst auf Aspekte eingehen, die ein Rettan durch seine anders ausgeprägten Sinne anders wahrnimmt, die uns Lesern also völlig unbekannt oder neu, fremd oder mysteriös erscheinen. Daher ist es gut, dass du direkt den Punkt mit der Zunge aufgegriffen hat. Rettan nimmt Gerüche über die Zunge auf, ein markantes und wichtiges Beispiel der Besonderheiten dieses Pokémon aufgegriffen.
    Die meiste Zeit verbleibst du auch im Imperfekt/Präteritum, es fällt jedoch sehr stark auf, dass du hier und da in den Zeiten wechselst, wo ein solcher Wechsel nicht angebracht ist. Natürlich spürt das Pokémon etwas in einem Moment; dieser Moment ist jedoch bereits vorbei und damit im Präteritum zu schreiben. Du hättest natürlich insgesamt im Präsens schreiben können, aber das stellt eine große Herausforderung dar. Gehe ich recht in der Annahme, dass du relativ (nicht zu verwechseln mit absolut betrachtet) neu im Autorenkreis bist? Gerade hier kannst du nämlich von deiner Partnerin profitieren, die eine gewisse Professionalität durch und mit Erfahrung an den Tag legt. Da ihr zwar einander überrascht, was im nächsten Kapitel passieren wird, aber eben doch in einer Zusammenarbeit steckt, kannst du gerade dabei lernen, wie du Zeitensprünge verhinderst, noch mehr beschreibst und insgesamt einfach mehr Sicherheit zeigst. Denn das Kapitel an sich ist lesenswert und der Inhalt ist interessant; er wird jedoch nur im begrenzten Maße beschrieben und kann dadurch nicht die Menge an Spannung aufbauen, die noch entstehen kann, wenn du etwas übst. Konzentriere dich also darauf.
    Ansonsten sei noch zu erwähnen, dass man im Deutschen keine Kurzformen wie "mans" benutzt. Zwar kannst du das sagen, schreiben jedoch solltest du es komplett als "man es"; Ausnahmen bestätigen hier die Regel, da "fürs" beispielsweise ein vom Duden anerkanntes Wort und damit stilistisch in manchen Fällen sogar problemlos nutzbar ist. Und bitte lasse deinen Text erst dann umbrechen, wenn der Absatz auch vorbei ist, weil es sonst den Leser stört, in manchen Situationen aber sogar verwirren kann.
    Der Inhalt ist also bei dir bereits gut und grundsätzlich ist auch das Gesamtprodukt absolut überzeugend; im Vergleich zu deiner Partnerin und mit den Zeitenwechseln fällt jedoch natürlich mehr auf. Das sollte dir aber nicht Mut nehmen, sondern Mut machen. Du hast auf jeden Fall Potenzial, das auch deine Partnerin schon anerkannt hat, da sie sonst kaum mit dir zusammenarbeiten würde. Das solltest du einfach noch etwas weiter verfeinern und ich bin mir sicher, dass du ihr früher oder später sogar das Wasser reichen kannst.


    Beim zweiten Kapitel kommt es dann zu einer größeren Ladung Text. Zwar passiert hier auch sehr viel mehr, die Beschreibungen sind jedoch auch schon weiter ausgeführt, die Absätze mit Leben gefüllt. Dabei schaffst du es die meiste Zeit über die Innenwelt des neuen Erzählers, Max, zu inszenieren und etablieren, bringst neue Charaktere ein und machst dabei kaum nennenswerte Fehler. Das ist natürlich für einen Leser interessant und spannend zu verfolgen, man kann sich ein Bild vom Geschehen machen und stellt sich die Szenen vor. Aber auch hier gibt es ein paar Stellen, die mir zu farblos erscheinen. Wie beispielsweise sieht das Zimmer des Rektors aus? Ist es mit Holz ausgekleidet? Sind es weiße Wände, die keinerlei Wärme versprühen lassen? Wo steht der Platz, an dem die Schüler dort sitzen? Ist der Direktor direkt gegenüber oder steht er an einer Bücherwand? Natürlich musst du nicht alles einbringen und zu viele Beschreibungen können den Stil der Situation abschwächen; Max befindet sich aber nicht in Eile und selbst als (möglicher) Klotz erkennt man zumindest ein paar Eigenschaften. Zwar zeigst du uns die meiste Zeit die Welt, in der sich diese Charaktere bewegen, aber gerade zum Ende hin verlieren die Beschreibungen an Farbe und Wichtigkeit, weichen zurück und lassen der bloßen Handlung Platz. Doch dieser Platz wird nicht vollständig von der Handlung eingenommen, ist sie an sich betrachtet schließlich doch gar nicht so spannend oder getrieben, dass es von Nöten wäre.
    Hier und da findet sich der ein oder andere Fehler, beispielsweise trennst du das vergleichende "als" vom Hauptsatz ab, obwohl dieser Vergleich nicht als Hauptsatz-Nebensatz-Gefüge konzipiert ist. (Vierter Abschnitt, der anderthalb Zeilen umfassende)


    Ansonsten habe ich aber nicht zu meckern und wahrscheinlich wirkt der Kommentar negativer als meine Gesamtauffassung war. Ich glaube aber, dass ihr hier noch nicht alles gezeigt habt, was ihr eigentlich könnt, noch viel mehr zu zeigen habt und genau darauf warte ich. Ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Kapitel und hoffe, dass ihr dann genau das macht: Noch mehr zeigen.


    Beim ersten, dem Start-Beitrag verstehe ich nur nicht ganz, warum es in einem schrittweise verlaufenden Gradienten beginnt, aber nicht mit einem solchen endet. Gibt es einen speziellen Grund dafür? So wirkt es nämlich ein wenig unabgeschlossen.


    Mit freundlichen Grüßen,
    Dusk

  • Kapitel 3: Eine schwere Stunde


    Als wir aus dem Schulgebäude kommen, scheint noch immer die Sonne. Die Schwalbini sitzen auf den Bäumen und zwitschern, auf dem Feld neben der Schule grasen einige Miltank. Eigentlich ein schöner Tag, und über einen solchen Anblick würde ich mich normalerweise freuen. Und trotzdem habe ich dieses Gefühl im Bauch, das mir sagt, dass es gleich ungemütlich wird. Der Grund dafür ist das vorher Geschehene und vor allem der Gesichtsausdruck meiner Mutter. Sie setzt sich wortlos ins Auto, während ich hinten einsteige, um ihr nicht zu nahe zu kommen. Rettan schlängelt sich neben mich und rollt sich zusammen, so dass ich ihm über den schuppigen Kopf streichen kann. Ich frage mich, ob Rettan überhaupt weiß, was hier los ist. Er müsste eigentlich stolz auf sich sein, weil er ja mir, seinem Besitzer, geholfen hat. Allerdings halte ich ihn für klug genug, um die angespannte Stimmung zu bemerken. Jedenfalls lässt er sich nichts anmerken, aber er schaut mich mit einem Blick an, der mir sagt, dass er immer bei mir ist. Immerhin ein kleiner Lichtblick.
    Wir fahren los und im Radio läuft Highway to Hell. Was für eine Ironie. Allerdings nur kurz, denn sofort hämmert meine Mutter so auf den AUS-Knopf des Radios, dass es eigentlich kaputt gehen müsste. Rettan und ich zucken gleichermaßen zusammen.
    Die Uhr zeigt 10:30, jetzt hätte ich eigentlich PKK, Pokémon-Kampfkunde. Mein Lieblingsfach, schließlich will ich ja einmal Trainer werden. Dafür muss ich mich natürlich auskennen mit Pokémontypen, Items und Beeren. Schade, dass ich ausgerechnet diese Stunde verpasse, wir wollten uns eigentlich eine Aufzeichnung eines Freundschaftskampfes zwischen Siegfried, dem Drachenmeister, und Wassili, dem Wasserillusionskünstler anschauen. Mann, hätte ich gern die Drachenpokemon von Siegfried gesehen... Allein sein Dragoran sieht schon so majestätisch aus. Auf der anderen Seite würde Wassilis Milotic alle Blicke auf sich ziehen. Verdammt.
    Meine Mutter biegt in unsere Straße ein, und mein Herzschlag beschleunigt sich, als wir aussteigen und unser Haus betreten. Rettan liegt locker um meinem Hals, und ich fühle mich ein bisschen wohler. Im Wohnzimmer gebietet mir meine Mutter mit einem einzigen scharfen Blick, mich zu setzen. Ich folge ihrer Aufforderung, während sich Rettan um die Lehne des Stuhls neben mir wickelt. Meine Mutter ergreift sichtlich um Ruhe bemüht das Wort:
    "Ich bin wahnsinnig enttäuscht von dir. Wie in Gottes Namen kommst du auf die Idee, ein Pokémon mit in die Schule zu nehmen?! Und ich will keine Ausrede hören, es sei dir gefolgt, dann hättest du es eben einsperren müssen! Das alles musst du wissen, wenn du die Verantwortung über ein Pokémon übernimmst! Aber dafür bist du anscheinend nicht fähig!"
    Jetzt schreit sie. Ich will sie nicht noch mehr ärgern, also sage ich einfach
    "Es tut mir Leid, Mama".
    Sie verspricht mir, dass das Konsequenzen haben wird, über die sie noch nachdenken muss. Ich verziehe mich nach oben, Rettan um die Schultern, setze mich auf mein Bett und plötzlich fange ich an zu weinen. Ich hasse weinen, aber ich komme einfach nicht darum herum. Rettan zischt mir leise ins Ohr und versucht mich zu beruhigen. Er schafft es auch, zumindest höre ich mit dem Weinen auf. Ich stehe auf und gehe zum Fenster, schaue in den schönen Tag, und überlege, mit Rettan abzuhauen. Wir könnten aus dem Fenster klettern, über die Wiese in den den Wald laufen, und...
    "Rettan muss weg"
    Mit diesem Knaller unterbricht Mama meine Gedanken.
    "Wie bitte?!"
    "Du kannst nicht mit Rettan umgehen. Du bist eben noch zu klein für ein Pokémon."
    Jetzt weine ich wieder, aber richtig. Ich flehe meine Mutter an, dass ich Rettan behalten darf.
    "Es ist doch mein erstes Pokémon! Und es sieht so toll aus! Bitte Mama, lass es mich behalten!"
    Wir halten noch eine längere Argumentation darüber, aber am Ende gibt mir meine Mutter noch eine zweite Chance. Ich darf Rettan behalten, wenn ich beweise, dass ich mit ihm umgehen kann. Das heißt, aber jetzt werde ich mich allein um Rettan kümmern, muss aber auch auf ihn aufpassen.
    Mit diesem Kompromiss bin ich absolut einverstanden, und Rettan scheinbar auch. Erleichtert gehe ich wieder an mein Fenster, und schaue in den jetzt wieder einigermaßen schönen Tag. Rettan schaut über meine Schulter und tut es mir gleich.


  • Kapitel 4 – Abschied?


    Durch meine stechenden Augen hindurch beobachte ich Max, der auf die Fensterbank gestützt nach draußen schaut. Nach draußen in eine Welt, die ich nur zu gut kenne und die mich – so scheint es mir – immer wieder zu sich ruft. Sanft wiegen sich die Bäume im sommerlichen Wind und ihre Blätter tanzen unbeschwert durch die Lüfte. Doch Max selbst ist noch immer sehr niedergeschlagen, dabei trifft ihn keine Schuld. Auch wenn seine Mutter oder er es mir nicht ansehen mögen oder vielleicht nicht können, ich bin sehr empfindsam für derlei Gefühle und kann diese geruchlich unterscheiden. Sie besitzen eine Farbe, die nur ich sehen kann.
    Wieso aber traf ihr Zorn ausschließlich Max? Er hat doch nichts falsch gemacht. Sie müsste mich ausschimpfen... mich... und nicht ihn.
    Ich habe mehrmals versucht, mich ihnen verständlich zu machen, aber sie haben mich beide nicht beachtet. Haben meine nonverbalen Signale nicht erkannt oder diese nicht verstanden. Muss ich erst sprechen können wie sie, damit sie mir zu hören?
    Ich krieche langsam zu Max, schlängle mich an ihn empor und lege mich um seine Schultern, meine Wange an seine geschmiegt. Ihr gebe beruhigende Laute von mir und merke, wie sich Max entspannt, seine Muskeln werden lockerer und auch sein Herzschlag und seine Atmung werden ruhiger. Ich bin bei dir, Max. Und es tut mir leid.
    Er schweigt, weil er meine Gedankengänge wohl nicht erfassen kann. Schweigt, weil er meine Körpersprache nicht versteht. Zumindest noch nicht.
    Es ist alles meine Schuld. Mich hätte man bestrafen müssen. Ich hätte nicht auf den Gedanken kommen sollen Max hinterher zu kriechen, wollte aber bei ihm sein. Ist das denn verboten? Aber das ist es ja weniger, worauf seine Mutter so wütend ist. Es ist wohl, dass ich versucht habe, meinem Freund zu beschützen. Nein, viel mehr wie ich versucht habe ihn zu beschützen.. Ich habe den anderen Jungen angegriffen... und Max ignoriert, als er mich darum bat loszulassen. Wegen mir wurde ein Mensch verletzt, wegen mir hat Max Ärger bekommen. Wäre ich nicht gewesen, dann könnten wir jetzt vielleicht ungestört da unten im Garten spielen und es wäre niemals etwas passiert.
    Doch ich konnte nicht anders.
    Als ich sah, wie der andere Junge Max bedrängte, da gingen instinktiv meine Sinne in die Höhe, mein Herz schlug schneller und mein ganzer Körper spannte sich an. Die Schuppen stellten sich auf und sahen aus wie spitze Stacheln. Meine Pupillen verengten sich und nahmen außer der Gefahrenquelle nichts anderes mehr wahr. Ich schloss automatisch alle anderen störenden Geräusche und Lebewesen um mich herum aus und war nur noch auf diesen Jungen fixiert. Diesen Jungen, der meinem Freund wehtat.
    Es ist das gleiche unbeschreibliche Gefühl, wie wenn ich einem Artgenossen in Not sehe. In diesem Falle einen Menschen, der mich gern hat. Schon seltsam...


    Als es jenseits des Fenster allmählich dämmert, liegen Max und ich auf seinem Bett und er drückt mich an sich. Er hat den ganzen Tag über kaum mit mir gesprochen, dabei gab ich ihm genug sichtbare Impulse dazu. Aber er hat lieber geschwiegen, als etwas falsches zu sagen, was er vielleicht bereuen könnte. Wie tief muss er bloß verletzt sein, dass er mich kaum wahrnimmt?
    Ich sehe ihm an, dass er noch immer aufgewühlt und sogar wütend ist. Seine Trauer ist einem anderen, stärkerem Gefühl gewichen, aber ich fühle mich plötzlich selbst so alleine.
    Ich gurre sanft und schaue ihm in die traurigen, grauen Augen. Und zum ersten Mal seit Stunden sieht er mich wieder richtig an... und was ich sehe, macht mir ein wenig Angst. Mir bleiben trotz meiner sensiblen Sinne seine Gedankengänge und seine nonverbalen Signale verborgen. Ich verstehe ihn nicht...
    Was ist nur los?
    Und als ob Max meine Unsicherheit spüren würde, drückt er mich fester an sich, streicht mir liebevoll über den Kopf und meint daraufhin mit leiser, etwas brüchiger Stimme:
    „Alles wird gut, Rettan. Ich bin bei dir.“
    Max unterbricht sich und fängt ebenso leise erneut zu weinen an. Nein, Max...
    Ich sehe, wie ihm Tränen über die Wangen laufen und plötzlich regt sich auch in mir ein seltsames Gefühl, welches ich nicht wirklich beschreiben kann. Doch es ist befremdlich, nichts, was ich zuvor schon einmal empfunden hätte. Dieses Gefühl sagt mir aber, das etwas geschehen wird. Etwas, das ich nicht kontrollieren kann. Aber er könnte es zu bestimmter Zeit ändern.


    Mitten in der Nacht werde ich wach. Meine Pupillen weiten sich automatisch, um besser sehen zu können. Ich spüre Max' Herzschlag neben mir und seine Atmung ist sehr ruhig. Es scheint, als würde zumindest der Schlaf alle Sorgen fortwischen. Doch ich selber finde keine Ruhe.
    Vielleicht ist es besser, wenn... wenn ich...
    Geräuschlos krieche ich vom Bett und auf das noch sperrangelweit geöffnete Fenster zu, durch welches eine kühle Sommernachtbrise hereinweht. Kurz blicke ich zu Max, der in seinem großen Bett verloren wirkt... so verloren wie ich selbst.
    Es tut mir leid, Max. Aber vielleicht hat deine Mutter doch Recht. Vielleicht ist es so besser. Vielleicht... ist ein Abschied...
    Weiter komme ich mit diesen Gedanken nicht, so sehr schmerzt er.
    Ohne Spuren zu hinterlassen, schlängle ich mich durchs Fenster ins Freie... In die Welt, die ich nur allzu gut kenne... und die mich wieder zu sich ruft.
    Es tut mir leid, mein Freund.

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


    [Astor, Pokémon - Schwarze Edition]

    Nur noch sporadisch im BisaBoard.

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  • Kapitel 5 - Loslassen


    Ich träume schön. Rettan und ich haben eine schöne Zeit, und nichts und niemand kann uns davon abhalten. Diesen Gedanken hänge ich immer noch nach, als mich Mamas Quaputzi mit Weckruf aufweckt. Was danach kommt, lässt mir jedoch die Farbe aus dem Gesicht weichen und meine Gedanken werden plötzlich grau.
    "Rettan ist weg."
    Das sind die Worte meiner Mutter, doch was sie danach sagt, verstehe ich nicht. Ein Piepsen macht sich in meinem Ohr breit und ich sehe verschwommen. Rettan kann nicht weg sein. Ich schaue gehetzt unter mein Bett, im Schrank, im mein Regal. Doch nirgends sehe ich eine goldene Schwanzspitze, einen grünlichen Körper. Ich setze mich zurück auf mein Bett, um wieder zu Atem zu kommen. Langsam nehme ich auch die Stimme von meiner Mutter wieder wahr.
    "... kam ich mit Quaputzi in dein Zimmer, und sah Rettan nirgends. Max, es tut mir furchtbar Leid. Ich habe dir eine zweite Chance mit Rettan gegeben, und ich hätte dir sehr gegönnt, dass du mit ihm glücklich wirst und gut zurecht kommst."
    Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Meine Mutter hatte Rettan ausgesetzt!
    "Mama, du hast doch nicht wirklich mein Rettan freigelassen! Wie konntest du nur! Du hast mir gesagt, wir dürfen es noch einmal versuchen, und trotzdem hast du über meinen Kopf hinweg entschieden! Und nun sagst du, Rettan wäre geflohen!"
    Ich fange wieder an zu weinen, so wie letztes Mal, als Rettan Probleme machte.
    "Aber nein Max. Das habe ich nicht getan. Ich verspreche es dir, ich habe letzte Nacht geschlafen wie ein Stein. Wenn du mir nicht glaubst, geh nach unten und frag Bissbark, er war wach und hat aufgepasst."
    "Ist schon gut Mama. Tut mir Leid. Aber weißt du, ich habe mich so darüber gefreut dass Rettan und ich doch zusammen bleiben dürfen, und nun ist er fort. Er kann doch nicht abgehauen sein! Wieso sollte er das tun?"
    Ich fange an laut zu weinen, woraufhin sich meine Mutter neben mich setzt und mir tröstend einen Arm um die Schultern legt. Quaputzi steht ein wenig verloren im Raum, bis ich ihm zeige, dass es sich auch auf mein Bett setzen darf. Dass das danach nass ist, ist mir egal. Es dreht die Spirale auf seinem Bauch und ich beruhige mich langsam.
    "Max. Hör mir zu. Wir verstehen die Pokémon nicht. Wir wissen fast nichts über sie, die Professoren geben ihr bestes, und trotzdem machen wir nur langsam Fortschritte. Vielleicht hat sich Rettan nicht mehr wohlgefühlt, und wollte wieder zurück in seinen natürlichen Lebensraum."
    Wenn es so ist, dann soll es wohl so sein. Und trotzdem tut es furchtbar weh, dass mein Freund ohne irgendwelche Anzeichen verschwunden ist.
    "Mama, ich möchte Rettan suchen gehen."
    "Auf keinen Fall. Max, das ist überstürzt und unvernünftig. Du bist zu jung, und außerdem wirst du Rettan unmöglich finden. Er könnte überall da draußen sein. Wer weiß, vielleicht haben ihn schon die Grypheldis geholt. Nicht dass ich es heraufbeschwören möchte. Lass es gut sein Max, ja? Wenn Rettan aus freien Stücken gegangen ist, dann geht es ihm jetzt besser als vorher. Und es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass Rettan zurückkommt, als dass du ihn findest, wenn du jetzt losgehst um ihn zu suchen. Du musst lernen loszulassen."
    Sie merkt, dass ich jetzt allein sein will, und steht auf. "Kopf hoch, Max. Alles wird gut."
    Mit diesen Worten verlässt sie mein Zimmer, und ich bleibe allein mit Quaputzi zurück. Seine kühle Nässe beruhigt mich ungemein, und ich merke, wie ich wieder zur Ruhe komme. "Danke, Quaputzi."
    Ich glaube nicht, dass es mich verstanden hat, aber in diesem Moment bin ich einfach sehr froh, jemanden zu haben, der mich beruhigt, aber nicht reden kann.

  • Kapitel 6 - Der nächste Verlust?


    Als sich die Tür hinter mir schließt und ich leicht wankend in die Küche gehe, habe ich zum ersten Mal das Gefühl etwas wirklich wichtiges verloren zu haben, etwas, das ich mit aller Macht versucht habe zu behüten, doch nun ist es weg. Ich habe das Vertrauen meines Jungen verloren, und das schmerzt sehr. Trotz des Gesprächs spüre ich, dass er mir misstraut, dass er mich irgendwo tief in seinem innersten langsam beginnt zu hassen... Bin ich Schuld daran, dass Rettan weg ist? Bin ich Schuld an diesem Unglück?
    Ich blicke durchs leicht beschlagene Küchenfenster hinaus in den Garten und sehe die Spuren der kindlichen Rangeleien und der schier unendlich fließenden Energie der Jugend, die durch Spiele und andere körperliche Aktivitäten gemildert wird. Das Ergebnis ist ein zerfurchter, platt getretener Rasen, ein achtlos ins Gebüsch gestelltes Fahrrad und jede Menge Spielsachen, die kreuz und quer auf dem Gras herumliegen, wie eine aufgewühlte, kopflose Armee, die ihren General verloren hat.
    Mein Blick wandert daran vorbei, geht höher, erkennt die raue Straße aus Pflasterstein mit ihren riesigen Schlaglöchern, die bunten Häuserreihen dahinter, bis er auf den immergrünen Wald trifft. Ich sehe wie der Wind die Wipfel der Bäume hin und her wiegt und die Blätter zum Tanz aufgefordert werden. Wie die Sonne die Kronen erhellt und die verschiedenen Grüntöne aufglühen lässt. Der Tag könnte so schön sein...
    Wie herrlich und wie unterschiedlich emotional der Anblick auch ist, er weiß nicht meine Unruhe zu überdecken.
    Was soll ich bloß tun?


    Die Tage vergehen ruhig, aber glanzlos, denn mein Sohn wirkt immer trauriger und wortkarger. Sein Weg führt ihn morgens zur Schule und wenn er wieder zur Hause ist, verschanzt er sich in seinem Zimmer. Sperrt mich sogar aus. Das Essen muss ich ihm vor die Tür stellen.
    Auch wenn er erst zehn Jahre alt ist, er kommt mit mit einem Mal so viel älter vor.
    Doch nach einer Woche halte ich diese Stille nicht mehr aus und klopfe abends leise an seine Tür.
    „Max?“
    Ich bekomme keine Antwort. Höre nur den strömenden Regen, der mit voller Wucht aufs Dach klatscht.
    „Bitte Max.“
    Er ignoriert mich... und versetzt mir so einen Stich ins Herz. Ich lehne meine Stirn an die Tür, spüre die Kühle des rauen Holzes, rieche die alte Farbe und horche in mich hinein. Ein letzter Versuch.
    „Max?“
    Wieder bleibt alles still. Und es macht mich nun wütend. Ich greife zur Türklinke und rüttle an ihr... nur um festzustellen, dass die Tür nicht verschlossen ist. Was zum?
    Wieder rufe ich nach Max und trete dabei langsam ein, nur um festzustellen, dass das Zimmer leer ist.
    Und plötzlich erhalte ich den Schock meines Lebens. Das Fenster steht komplett offen und der Regen fällt ungehindert ins Zimmer. Der graue Teppich davor schon völlig aufgeweicht. Wieder rufe ich nach Max, obwohl mir allmählich bewusst wird, dass das keinen Sinn macht.
    Max ist weg.

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


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  • [tabmenu][tab='Vorwort']
    Huhu, @jurassicscream und @Foxhound`71!


    Ihr habt ja leider noch nicht viele Kommentare bekommen – ändern wir das! >:3


    Ich schreibe erst etwas allgemeiner und befasse mich mit dem aktuellsten Kapitel dann detaillierter. Auf geht’s!
    [tab='Allgemeiner Kommentar']
    Idee
    Der Gedanke, sich nicht abzusprechen, während man zusammen eine Geschichte verfasst, ist wirklich interessant. Vor allem für euch als Autoren dürfte das eine überaus spaßige Angelegenheit sein, fast wie bei einem RPG oder einem ausformulierteren Schreibspiel wisst ihr nicht, was euch beim nächsten Mal erwartet und wie ihr selbst weitermachen könnt/sollt/wollt. Dadurch erhöht ihr nicht nur die Spannung für den Leser, sondern auch für euch selbst. Es könnte euch aber trotzdem helfen, wenn ihr ganz vage Sachen überlegt – nicht die direkte Handlung betreffend, das würde eurer Grundidee entgegenlaufen. Eher in Richtung, „hey, irgendwann will ich aber mal ein Arceus gegen ein Karpador kämpfen lassen“ oder, „Charakter xy würde ich auch gern mal sehen“ - sprich dass das, was ihr euren Lesern ermöglichen wollt (Einbindung eigener Ideen in die Geschichte) auch für euch selbst offen haltet. Das kann auch helfen, falls ihr handlungstechnishc mal feststeckt und nicht wisst, wie ihr weitermachen sollt.


    Startpost
    Da offenbar gestalterisch noch gefeilt wird, werde ich dazu nicht allzu viel sagen. Auch das Titelbild möchte ich nicht näher besprechen, weil es darum letztlich nicht geht (wenngleich du enormes Talent hast, Fuchshund). Letzteres passt allerdings (noch) nicht wirklich zur Geschichte … der Zufall birgt eben das Problem, dass er abstrakt ist und schwierig darzustellen. Das Bild von Cressellia und Hundemon wirkt eher wie der Auftakt zur Beschreibung einer Feindschaft/Rivalität, von verletzten Gefühlen und/oder generell gegenüberstehender Parteien. Zwar kann das alles noch kommen, aber da ihr nicht lange vorausplanen könnt, würde ich eher ein Cover vorschlagen, dass der Grundidee mehr entspricht. Ein Würfel mit Pokémongesichtern z.B., oder eine Personifikation der Attacke Metronom, eine sich drehende Münze, oder so etwas wie eine diffuse Gestalt, die auf verschiedene Ideen blickt (symbolisiert z.B. durch Spielkarten oder Fotos) und so aussieht, als würde sie sich entscheiden, was sie auswählt. Irgendwie sowas in der Richtung. Etwas Richtung Schmetterlingseffekt wäre auch eine Überlegung wert, finde ich.


    Beschreibungen
    Die Beschreibungen sind recht schön, sie vermitteln ein Gefühl für die Umgebung, binden teilweise tiefere Bedeutungen in die Handlung ein (die Beschreibung des Gartens etwa). Die gut dosierte Verwendung von Personifikationen (z.B. die zum Tanz aufgeforderten Blätter) und Adjektiven kreieren farbenfrohe Bilder, die die Handlung eurer Geschichte unterstützen. Allerdings kommen die einzelnen Sinnesperspektiven in meinen Augen etwas zu kurz. Ich vergesse nicht, dass die Geschichte den Charakter von etwas hat, das vor allem Spaß machen soll und aus spontanen Einfällen heraus entsteht. Aber ihr könnt das Gesamtbild eures Werkes trotzdem ab und an noch stärker würzen, wenn ihr andere Empfindungen mit beschreibt. Gefühle bzw. allgemeine, „innere“ Wahrnehmung (innere Unruhe, Aufregung, wie-fühlt-sich-diese-und-jene-Situation-an) können da ebenso mögliche Aspekte sein wie die klassischen körperlichen Sinne Sehen (s.o.), Hören, Riechen, (körperliches) Fühlen oder sogar Schmecken. Wenn man einmal überlegt, wie sich der Körper in bestimmten Situationen reagiert, wie er sich „anfühlt“, kommen nette Details zu den Beschreibungen hinzu, die eine Geschichte noch lebendiger machen (mitunter macht ihr das schon, natürlich; aber ich finde, ihr könntet noch ein bisschen mehr davon zeigen :)). Balanciert das stärker aus, das würde die Handlung noch weiter abrunden.


    Bisherige Handlung
    Natürlich darf man bei einem solchen Projekt keinen strikten, monatelang geplanten roten Faden erwarten, das geht aus Prinzip schon nicht. Trotzdem gibt es bestimmte Dinge, auf die geachtet werden sollte.
    Der Anfang z.B. wirkt auf mich etwas holprig – wie das schillernde Rettan in „Besitz“ des jungen Max gelangt wirkt noch zu 'spontan' (im Sinne von aufgeregt niedergeschrieben). Im Verlauf, als ihr aufeinander eingehen könnt, spielt sich so langsam eine genauere Vorstellung von den Charakteren und der ungefähren Richtung ein, die ihr jeweils einschlagen wollt – das ist zumindest mein Eindruck.
    Auffällig war auch die Veränderung in Rettans Charakter. Im ersten Kapitel ist er noch sehr unbedarft, geradezu 'cool' im ursprünglichen Sinn des Wortes, und schließt sich der Familie nur an, weil er auf leckere Mahlzeiten aus ist. Dass sich die Fressgier im Laufe der Zeit durch Sympathie und Freundschaft ergänzt sieht, ist schön und logisch, allerdings wird darauf nicht eingegangen. Rettan ist ab Kapitel 2 einfach anders – anschmiegsamer, anhänglicher, zweifelnder usw. Man bekommt fast den Eindruck, es handle sich um ein völlig anderes Pokémon – und es sind ja nur 2, 3 Tage, die die Handlung am Anfang umfasst. Da müsste mehr vom „ersten Rettan“ zu spüren sein. Ihr solltet also darauf achten, die Charakterentwicklungen nicht zu abrupt zu vollziehen, sondern Stück für Stück und gut nachvollziehbar.
    Dass das Schlangenpokémon schillernd ist, ist ein interessanter Aspekt. Aber es verwundert ein wenig, dass gerade ein angehender Trainer wie Max, der so viel wie möglich über die Monster lernen will, keinen Arg aus dieser auffällig anderen Färbung schließt. Natürlich kann man sich überlegen, dass Shinys in einer „realen“ Pokemonwelt noch seltener wären als in unseren Spielen, aber so gar keine richtige Reaktion … es wäre jedenfalls schön, wenn sich irgendjemand noch stärker für Rettan, allein aufgrund der Färbung, interessieren würde.
    Dass letztlich beide verschwinden, lässt den weiteren Verlauf der Geschichte sehr offen. Ihr seid beide in der Lage, völlig freie Wege zu gehen und zu überlegen, wie ihr weiter vorgehen wollt (ich kann mir vorstellen, wie euch vor tausenden von Ideen schon die Tastaturfinger kribbeln, hehe).


    [tab='K. 6: Der nächste Verlust?']
    Perspektivenwechsel
    Nach Rettan und Max rückt nun auch die Mutter ins erzählerische Blickfeld. Das erweitert den Blickwinkel auf die Handlung und fügt ihr neue Facetten hinzu. Außerdem kann es spannend auf den Leser wirken, dass mit jedem neuen Kapitel auch eine neue Perspektive auf ihn warten kann. Ihr solltet aber trotz allem darauf achten, Figuren zu wählen, die interessante Aspekte für die Handlung hinzufügen. Beobachtungen eines Passanten auf der Straße z.B. können mitunter sehr aufschlussreich sein, aber er wird kaum mehr hergeben, wenn er nichts Direktes mit der Storyführung oder den Charakteren zu tun hat. Das liegt noch nicht vor und ist somit präventiv formuliert, aber gebt bei der Perspektivenwahl darauf Acht, damit ihr den kreativen Ansatz der „Random Story“ nicht abschwächt.


    Emotionalität

    Zitat

    Wie herrlich und wie unterschiedlich emotional der Anblick auch ist, er weiß nicht meine Unruhe zu überdecken.


    Ich muss gestehen, ich verstehe nicht, was hier mit „unterschiedlich emotional“ gemeint ist. Im Vorfeld werden der Garten der Familie und das Umfeld, die sichtbare Nachbarschaft bis hin zum Wald, näher beschrieben. Meinst du hier einen Kontrast zu dem „herrlich“? Ich finde die Ausdrucksweise hier leider etwas umständlich, ehrlich gesagt. Du willst sicher sagen, dass der Anblick in der Mutter gemischte Gefühle auslöst, unterschiedlichste Emotionen in ihr aufwühlt – vielleicht könnte man diese Stelle ja mit ein paar wenigen Worten mehr etwas deutlicher formulieren. Der Gedankengang ist nämlich schön, wird meiner Ansicht nach aber nicht so klar.


    [tab=Nachwort]
    Ich weiß, was für einen Charakter eure Geschichte auf Basis der Grundidee hat, dass sie etwas freier erzählt wird und weniger strukturiert ist als bei einer geplanteren FF. Dennoch habe ich sie wenig anders behandelt, weil euch solche Beobachtungen sicherlich trotzdem hilfreich sein werden. Sprich: Ich will euch mit Kritteleien nicht den Spaß an eurem Projekt verderben (der ja im Vordergrund steht), sondern euch helfen, noch mehr Potential aus dem Ganzen herauszuholen – was ihr nun davon umsetzt, entscheidet ihr.
    Eure Geschichte ist ja schon relativ weit fortgeschritten, zumindest, was die Kapitelzahl anbelangt. Ihr solltet vielleicht überlegen, ob sie nicht in einem anderen FF-Bereich besser aufgehoben ist – für ein E&S-Topic wird das Projekt langsam etwas zu ausführlich für meinen Geschmack. Vor allem merkt man aber, dass ihr euren Spaß habt, und das ist wundervoll! Außerdem inspiriert ihr regelrecht zu ähnlichen Projekten – ein schönes Werk, an dem ihr hoffentlich noch lange eure Freude haben werdet!


    Lg


    ~ Sheo



    [/tabmenu]


  • Kapitel 7: Unerhofftes Glück


    Ich renne und renne, sehe mich nicht um, laufe einfach weiter. Meine Schritte schmatzen im Matsch der durch den Regen völlig aufgeweichten Wiese. Der Regen ist kalt auf meinem Gesicht, doch weil mir heiß ist und ich renne und schwitze, kommt mir das sehr entgegen. Keinerlei Gedanken schießen durch meinen Kopf, ich renne einfach nur. Ich steuere auf den Wald zu und laufe querfeldein hinein. Irgendwann kann ich nicht mehr, hustend und keuchend bleibe ich stehen und setze mich auf einen Baumstumpf. Ich schweige und horche einfach den Geräuschen des Waldes. Irgendwo höre ich den Ruf eines Hoothoots, allerlei Webarak krabbeln durch das Unterholz. Und dazu der Regen, er prasselt herunter auf das Blätterdach des Waldes, und doch bin ich einigermaßen trocken darunter. Ich sehe mich um und sehe nichts als Dunkelheit. Das hat ein bisschen etwas beängstigendes, doch mir ist das egal. Angst kann ich im Moment nicht spüren. Ich bin wütend auf mich, auf meine Mutter, auf Rettan, auf diesen blöden Felsen, den ich jetzt, da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, doch ausmachen kann. Und plötzlich überkommt mich eine unglaubliche Erschöpfung. Ich laufe auf allen vieren und versuche, eine bemooste Stelle unter einem Baum zu finden. Als ich eine erreicht habe, rolle ich mich dort zusammen und schlafe sofort ein.


    Geweckt werde ich von etwas Weichem, das meine Nase kitzelt, wie eine Feder. Natürlich verspüre ich sofort den Drang zu niesen, und als ich das tue, höre ich einen erschreckten Ausruf in einer hohen Stimmlage. Ich öffne die Augen und blinzele einige Male, um mich an das Sonnenlicht, das durch die Baumkronen fällt, zu gewöhnen. Schlagartig fallen mir die Geschehnisse des letzten Tages wieder ein, und ich erinnere mich daran, in den Wald gerannt zu sein, fern von allem was mir Schmerzen bereitet. Und ich fühle mich tatsächlich besser als die Tage zuvor.


    Ich sehe mich um und versuche, meinen Wecker zu finden. Hinter einem Baum lugt eine braun-weiße Schwanzspitze hervor. Als ich nachsehen will, huscht der Schwanz um den Baum herum, der einen recht großen Umfang hat. Und so geht das Spiel einige Zeit weiter, bis es mir zu bunt wird und mich zum gehen wende. Da werde ich von hinten überholt und jetzt sehe ich, was mir auf der Nase herumgetanzt ist: ein freches Evoli.
    Ich hole den Pokédex heraus, den ich mitgenommen hatte.
    "Evoli - Das Evolution Pokémon. Aufgrund einer genetischen Anomalie kann es sich je nach Umständen in eines von 8 Pokémon weiterentwickeln."
    Das Evoli nickt mir heftig zu, als hätte es verstanden, was der Pokédex über seine Art ausgespuckt hat.
    "Hallo, Evoli", sage ich und gehe auf die Knie. Evoli scheint sehr zutraulich zu sein, denn es kommt sofort auf mich zu und wuselt um mich herum. "Bist du ganz allein im Wald unterwegs? Genau wie ich! Möchtest du mich ein wenig begleiten?"
    Ich lächele dem Pokémon zu, und es stimmt mir zu, indem es mir auf die Schulter hüft. Ich wende mich zum Gehen, doch ein lautes "Evoliii" lässt mich innehalten. Evoli weist mit dem Kopf in eine andere Richtung, und da ich sowieso keine Idee davon habe, wo ich bin und wo ich hin will, folge ich der Richtung von Evoli.


    Einige Zeit später kommen wir an einem Bach an, wo wir rasten. Mein neuer Freund hüpft von meinen Schultern und nimmt ein paar kräftige Züge des kalten, klaren Wassers. Ich verspüre auch einen großen Durst, also tue ich es ihm gleich. Danach lege ich mich hin und ruhe mich etwas aus, während Evoli die Umgebung begutachtet. Als ich merke, dass es sich von mir entfernt, stehe ich auf und gehe hinterher. "Evoli?", frage ich, doch es beachtet mich nicht. Immer tiefer in den Wald geraten wir, bis wir an eine Lichtung kommen. Dieser Ort hat etwas traumhaftes, finde ich.
    Auch hier fließt ein Bach, allerdings recht groß. Am Rande dessen sehe ich einige Quapsel sitzen, auf den Baumkronen singen Staralili und Schwalbini, während in einer dunklen Ecke ein Ursaring grimmig aufpasst, während sein Nachwuchs am Fluss spielt. Und in der Mitte des Geschehens thront ein sehr großer Fels, der über und über mit Moos bewachsen ist. Und darauf steuert Evoli schnurrstracks zu, ich hinterher.


    Dort angekommen, vollführt es eine seltsame Prozedur. Erst schmiegt es sich an diesen Stein, dann gräbt es ein kleines Loch, anschließend hüft es auf den Stein und klettert an ihm hoch. Und dann geschieht etwas mit Evoli, es wird in einen hellen Lichtschein gehüllt.
    Erst wächst es auf eine Größe von etwa einem Meter an, seine Augen werden golden, und plötzlich schießen Blätter und kleine Triebe überall aus seinem Körper. Dann verschwindet das Licht um Evoli herum, und eine wohltuende Atmosphäre aus klarer, reiner Luft breitet sich aus.
    "Folipurba!", ruft das nicht-mehr-Evoli, und ich bin begeistert. Noch nie hatte ich eine Pokémon-Entwicklung miterlebt! Ich hatte nur davon in der Schule gehört, und aus Erzählungen meiner Mutter über die Entwicklung von Quaputzi aus Quapsel habe ich auch etwas mitgenommen. Doch das eben war schon etwas ganz besonderes.
    Folipurba kommt nun auf mich zu und stupst mich mit seinem Kopf an.


    "Na, du? Deshalb wolltest du also in diese bestimmte Richtung! Nun gut, es scheint ja das richtige gewesen zu sein!"
    Folipurba nickt und wedelt mit seinem Schwanz, der nun ein Blatt ist. Wir entscheiden uns, eine Weile an diesem wunderbaren Ort zu bleiben, und legen uns zur Rast an den Bach, in die Nähe der Quapsel. Von Ursaring halten wir uns lieber fern, doch als ich in seine Richtung schaue, ist es schon wieder verschwunden.


    Folipurba

  • Kapitel 8 - Gefährlicher Wald

    Geräuschlos krieche ich durch das vom Tau benetzte Gras und erblicke die tausend verschiedenen Lichtbrechungen, als die Sonnenstrahlen die kleinen Tropfen erfassen und ihr Licht darin zerbirst. Ein für sich schöner Anblick, doch er tröstet mich kaum. Ich fühle mich alleine, trotz der anderen Pokémon um mich herum, denen ich immer wieder mal über den Weg krieche.
    Doch seit meiner Rückkehr scheinen sie mich mehr zu meiden als sonst. Liegt es daran, dass ich nun den Geruch eines Menschen an mir haften habe? Ich wurde schon wegen meiner Farbe von den anderen kaum akzeptiert und nun werde ganz ins Abseits gestellt. Ich weiß nicht, was ich tun soll... Ich vermisse Max...


    Ich krieche immer weiter und folge dabei einem ausgetretenen Pfad, auf welchem oft eine Herde Tauros entlang läuft. Ich halte kurz inne, lege mich ganz flach hin, strecke meine unteren Bauchschuppen so weit es geht nach außen und nehme so jede kleinste Vibration im Erdboden auf. Meine Zunge schnellt dabei unruhig hin und her und nimmt selbst ganz schwache Geruchsfetzen auf. Und ich spüre etwas, rieche etwas... und es ist mir vollkommen vertraut.
    Ich entferne mich vom Pfad und weiter in den Wald hinein, irgendwo in die Büsche. Dorthin wohin mich meine empfindliche Zunge führt und von wo die Vibrationen herzukommen scheinen. Lautlos und mit größter Anspannung in den Muskeln wage ich mich weiter voran... und dann erblicke ich es. Ein kleines Taubsi, welches unaufhörlich mit seinen ebenso kleinen Flügeln schlägt und trotz aller Macht nicht in die Lüfte emporsteigen kann. Ist es aus einem Nest gefallen?
    Ich stelle mich so gut es geht aufrecht hin und blicke in die Baumkronen. Genau über dem jungen Taubsi, ganz oben im Blätterdach, erkenne ich die Überreste eines großen Geflechts aus Zweigen und Blättern. Dort scheint es raus gefallen zu sein. Und nun ist das arme Ding leichte Beute.
    Mein Körper setzt sich wieder in die Anfangsposition zurück und bahnt sich seinen Weg zu dem Vogeljungen. Noch hat es mich nicht bemerkt, aber es macht mit den schlagenden Flügeln solch einen Lärm, dass es mich unmöglich entdecken könnte, bevor ich hinter es auftauchen würde. Es muss zurück in sein Nest, sonst ist es verloren. Ich könnte es vorsichtig ins Maul nehmen und dann hoch tragen. Bin ja recht gut im klettern. Das wird ziemlich anstrengend, aber ich muss es versuchen. Das arme Taubis kann ja nicht von alleine hoch fliegen, es ist noch zu jung.


    Doch bevor ich es erreichen kann, erkenne ich aus den Augenwinkeln eine schnelle Bewegung. Meine Pupillen weiten sich schlagartig, meine Zunge schlägt aus und ich nehme den bedrohlichen Geruch eines großen Pokémon wahr. Eines Pokémon mit feindlichen Absichten.
    Und wie aus dem Nichts schnellt ein Ibitak aus dem Blätterwerk hervor und spreizt seine mit langen Klauen bewährten Greifer aus und will sich das junge Taubsi holen, welches nun völlig verängstigt auf den Angreifer schaut und sich vor Schreck nicht rühren kann.
    Instinktiv schnelle ich nun auch hervor und erreiche das junge Vogelküken tatsächlich vor dem Ibitak. Mit voller Wucht schubse ich es aus der Angriffsfläche und rette ihm somit das Leben. Doch plötzlich spüre ich einen intensiven Schmerz in der Flanke und verliere den Boden unter mir.
    Das Ibitak hat sich meiner angenommen und zugepackt. Die Klauen dringen mir in die Haut und verletzen mich empfindlich. Ich zappel herum, versuche verzweifelt mich von diesem furchtbaren Griff zu befreien, doch das Pokémon verfestigt seinen Griff immer mehr und jagt mir einen Schmerzimpuls nach dem anderen durch den Körper. Ich fauche so bedrohlich wie ich kann, doch das Ibitak nimmt davon keine Notiz. Nein...
    Und weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, wirble ich in einem letzten Kraftakt mit dem Kopf herum, ziehe die Lefzen hoch und beiße meinem Peiniger in eines seiner Beine .Das Ibitak schreit auf und lässt mich erschrocken los.


    Ich falle. Ich falle sehr tief. Und in diesem Moment wünsche ich mir, ich wäre bei Max. Und ehe ich unten aufpralle, wird es plötzlich sehr kalt um mich herum und meine Muskeln ziehen sich schlagartig zusammen. Ich habe das Gefühl, als wäre mein Körper völlig zerschmettert, als wäre ich auf dem Erdboden aufgeschlagen. Es tut schrecklich weh...
    Immer tiefer tauche ich in diese nasse Umarmung ab, ehe ich von selbst wieder auftreibe und durch die Wasseroberfläche eines kleinen Bachs breche. Mir ist fürchterlich kalt und der Schmerz ist unerträglich. Ich kann mich nicht mehr bewegen.
    Plötzlich spüre ich, wie mich kleine Körper anheben und aus dem Wasser tragen. Ich sehe nur verschwommen, doch ich erkenne die Quapsel, die immer in dem kleinen Bach auf der Lichtung spielen.
    Ich werde von ihnen ins Gras gelegt und ich fühle die Aufregung der Pokémon, die um mich herum stehen, mich trösten wollen oder sich mit den anderen austauschen, was wohl passiert sei und wie sie mir helfen könnten. Ich frage mich, welchen Anblick ich ihnen biete und wie schlimm es wirklich ist. Es tut weh, es tut einfach nur schrecklich weh. Max... Wo bist du nur? Bitte hilf mir....
    Und ehe ich vor Erschöpfung, Schmerz und Angst einschlafe, vernehme ich eine mir vertraute Stimme, doch sie klingt wie aus weiter Ferne. Das kann nicht sein? Oder doch?


    „Rettan!“

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


    [Astor, Pokémon - Schwarze Edition]

    Nur noch sporadisch im BisaBoard.

  • Kapitel 9 - Elend und Hoffnung


    Wie lange ist es her, dass Max verschwunden ist? Ich weiß es nicht. Ich habe vergessen, wann der Tag beginnt und die Nacht aufhört. Ich kann es nicht an meinem Schlafrhythmus messen. Schlafen kann ich ohnehin nicht, zu besorgt bin ich. Ich kann meine eigenen Gefühle nicht beschreiben. Natürlich vermisse ich meinen Sohn, doch gleichzeitig bin ich wütend auf ihn, weil er dem Pokémon hinterher gerannt ist. Ich schäme mich dafür, sauer auf ihn zu sein.
    Ich habe die letzten Tage weinend im Bett verbracht, unfähig aufzustehen. Ich sollte vielleicht zur Polizei gehen, doch insgeheim hoffe ich, dass Max zurückkehrt. Er wurde schließlich nicht entführt. Meine Zeitgenossen sind Emolga und Quaputzi, die ihr bestes geben mich aufzumuntern. Doch nichts funktioniert. Nicht Emolga, das mir Beeren bringt und diese mit seinem Wangenrubbler röstet, und auch nicht Quaputzi, das mich bereits versucht hat schlafen zu legen. Doch ich kann mich nicht auf seine spiralförmigen Eingeweide konzentrieren, und die Hypnose-Attacke schlägt ebenso fehl. Ich sehe den beiden an, dass auch sie Max schmerzlich vermissen. Und wer weiß, vielleicht fehlt Rettan ihnen auch.
    Am nächsten Tag halte ich es nicht mehr aus. Ich kann nicht nur tatenlos herumsitzen, verdammt nochmal! Also stehe ich auf, und gehe entschlossen aus dem Haus. Emolga sitzt auf meiner Schulter, fröhlich, auch einmal wieder aus dem Haus zu kommen. Quaputzi habe ich allein daheim gelassen, aber das ist es gewöhnt. "Mach es dir gemütlich", habe ich zuletzt zu ihm gesagt. Das hat die Kaulquappe natürlich gleich wörtlich genommen und sich in das Planschbecken im Garten geschmissen.
    Ich habe mir bereits im Vorraus überlegt, wo ich mit meiner Suche beginnen möchte. Es gibt einen Wald, ganz in der Nähe unseres Hauses. Dort leben viele Pokémon, die Emolga um Rat fragen könnte, und so erhoffe ich mir viel von diesem Ort. An der Wiese vor dem Wald angekommen, schwingt sich Emolga in die Lüfte, um ein bisschen Bewegung zu haben und das ganze von oben aus zu beobachten. Doch kurz nachdem es in den Himmel gestartet ist, übermannt mich wieder die Einsamkeit. Und mit ihr die Traurigkeit. Mein Blick wandert über den Waldrand. Dort! Genau vor dem ersten Baum am Boden! Da glitzert etwas! Ich komme näher, um das Etwas zu untersuchen. Als ich es erkenne, fühle ich mich, als hätte mir jemand einen Eiszapfen ins Herz gerammt. Es ist eine Kette mit Metallanhänger. Darauf drei Inkognito, die das Wort MAX bilden.
    Er muss hier vorbei gekommen sein! Plötzlich fließt Adrenalin durch meinen Körper, und die Chance, Max wieder zu finden, erscheint zum Greifen nah! Ich renne los, auf dem niedergetrampelten Gras, und sehe die Silhouette von Emolga über mir. Ich blicke nach oben und rufe; "Folge mir, Emolga! Max muss irgendwo hier sein!" Doch Emolga bleibt flügelschlagend in der Luft stehen und macht keine Anstalten, mir zu folgen. Dann, ein ängstlicher Schrei: "EMOLGA!!" Was hat es denn? Ich drehe mich um, und das letzte was ich sehe, sind die drei Hörner eines Tauros, dass, seine Herde im Schlepptau, auf mich zugerannt kommt. Und es macht in keinster Weise Anstalten, abzubremsen.

  • Hallo ihr beiden,


    da sich insbesondere Miss Fox gerade beim Kommentarmarathon sehr engagiert und ich eure Geschichte sowieso schon lange auf dem Schirm habe, möchte ich euch einmal etwas Feedback zukommen lassen. Grundsätzlich ist die Idee dazu sehr frisch und abwechslungsreich, da man es nicht oft hat, dass aus der Sicht eines Pokémons, das mit Menschen zusammenkommt, geschrieben wird, noch dazu mit einem Shiny-Rettan! Das macht es wohl noch besonderer und an der Stelle möchte ich euch auch gleich für den gut strukturierten Startpost loben. Man findet alles Wichtige vor und kann sich so auch schnell einen Überblick verschaffen.


    Wie erwähnt fühlt sich die Idee neuartig an und das setzt ihr auch genauso um. Ein wildlebendes Rettan, das sich durch seinen Hunger zu den Menschen treiben lässt und dort fortan leben darf. Mir gefällt es, dass es schlussendlich nicht gefangen wurde, sondern ohne Pokéball im Haus leben darf und schlussendlich war das auch nötig, um die Geschichte so verlaufen zu lassen, wie sie ist. Worauf ihr dabei in Zukunft achten könntet, wäre, dass auch Rettan Gespräche mit anderen Pokémon aufbauen kann. Bisher ist eigentlich alles aus seiner Sicht recht simpel beschrieben worden; auch Interaktionen mit anderen und das macht es eher distanziert zu lesen. Falls das nicht etwa dadurch beabsichtigt war, dass Rettan und allgemein Pokémon auf die Körpersprache bauen, könntet ihr hieran arbeiten.
    Generell weiß der Verlauf zu gefallen. Ein Zwischenfall in der Schule ist dahingehend nicht neu, aber es bringt tatsächlich Würze in die Geschichte, weil sich unvorhergesehene Dinge entwickeln können. Dass es schlussendlich darauf hinausläuft, dasss sich Rettan, Max und seine Mutter allesamt in die Wildnis begeben, ist durchaus interessant. Jeder von seinem eigenen Ziel angetrieben und besonders mit den letzten Ereignissen bleibt es ungemein spannend, was als nächstes passieren wird. Das liegt womöglich auch an den Charakteren, die recht simpel gestrickt sind, aber doch vielschichtig sein können. Man merkt hier, wie ihr auf Emotionen und das Zusammenspiel der Charaktere baut; wie sie sich gegenseitig aufbauen und unterstützen. Und das ist euch gut gelungen.
    Interessant ist auch der beständige Sichtwechsel in den Kapiteln. Diese wird klar unterschieden und dennoch merkt man im Ausdruck schnell, wer gerade spricht. Das habt ihr ganz gefinkelt gelöst, da es ohne Bezugsnamen meist recht schwer ist, das eindeutig zu erkennen. Achtet dabei aber darauf, dass eure Charaktere von der Sprache auch authentisch wirken. Rettan darf gerne etwas ausführlicher werden, während Max eine kindliche Sichtweise behalten sollte. Besonders Kapitel 6 war recht ungewohnt, denn auch als Mutter wird man eher kaum so eine Ausdrucksweise verwenden, um ein Erlebnis zu erzählen. Wie auch bei Max darf hier gerne Umgangssprache verwendet; Alltägliches, so wie man es kennt, denn es wirkt einfach natürlich. Das müsst ihr nicht umsetzen, könnt ihr aber gerne, wenn euch die Idee dazu gefallen sollte.


    Ich hoffe, dass euch der Kommentar fürs weitere Schreiben hilfreich ist und man liest sich ja vielleicht bald wieder. Bis dahin!


    ~Rusalka

  • Kapitel 10 - Tränen der Freundschaft


    „Rettan!“
    Ängstlich renne ich zu der kleinen Pokémontraube, die sich um meinem schuppigen Freund gebildet hat. Ohne ein Wort zu sagen, weichen sie auseinander und machen mir Platz. Folipurba hechtet mir hinterher, bleibt aber auf Abstand, als ich zu Boden sinke und Rettan beschaue. Es liegt vollkommen still und regungslos im Gras. Immer wieder rufe ich dessen Namen, doch es reagiert nicht. An seiner linken und rechten Flanke sehe ich tiefe Wunden, aus denen Blut läuft.
    Meine Augen füllen sich mit Tränen. Vorsichtig nehme ich Rettan in meine zitternden Arme und drücke es an mich. Dessen Körper fühlt sich eiskalt und steif an, und diese Erkenntnis macht mir noch mehr Angst. Ohne es zu wollen, fange ich richtig an zu weinen und die dicken Tränen kullern meine Wangen hinab. Ich schließe die Augen und schmiege meinen Kopf an Rettans. Ich will es irgendwie wärmen und ziehe deshalb meine Jacke über dessen Körper. Ich spüre schlagartig, wie die Kälte durch mein dünnes T-Shirt dringt und mich frösteln lässt.
    „Rettan, bitte wach auf!“
    Doch es reagiert nicht. Seine Augen bleiben geschlossen, die Zunge schnellt nicht hervor. Es liegt wie tot in meinen Armen und mich überkommt die völlig verzweifelte Angst, das es vielleicht nicht mehr aufwachen könnte. Mein Herz rast vor Anspannung und drückt schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Ich bitte im Stillen, dass man mir helfen möge, dass man Rettan retten möge.
    Bitte.
    Ich spüre, wie Folipurba sich neben mich niederlässt und seinen Schweif um mich legt. Es gibt beruhigende Laute von sich und sieht mich mitleidig an. Auch die anderen Pokémon machen ein betrübtes Gesicht.
    Schluchzend ziehe ich die Luft ein und mit jedem Atemzug fällt eine Träne von meiner Nasensitze oder meinem Kinn und landet auf Rettans Kopf. Mit einem Ärmel wische ich mir über das Gesicht, versuche den Rotz und das Wasser wegzuwischen. Ich fühle mich zu unendlich hilflos und keines der Pokémon scheint helfen zu können.
    „Bitte, Rettan, wach auf. Bitte.“
    Doch noch immer kommt von ihm keine Reaktion. Erneut bricht ein Schwall Tränen aus meinen Augen und ich vergrabe mein Gesicht zwischen Rettan und meinen Knien. Sinke mit dem Kopf fast bis auf den Boden. Tief schluchzend erbeben meine Schultern, und obwohl die Pokémon mich trösten möchten, blende ich sie nun aus und konzentriere mich allein nur auf Rettan. Mir wird innerlich kalt und ich habe das Gefühl zu Eis zu werden. Rettan wird einfach nicht warm und dessen Muskeln wirken steinhart.
    Bitte gib nicht auf.


    Eine starke Erschütterung reißt mich aus meiner Lethargie und lässt mich hochfahren. Folipurba ist aufgesprungen und steht wachsam an meiner Seite. Die anderen Pokémon wirken ebenso irritiert und einige flüchten sogar ins Wasser oder in den Wald hinter mir. Andere dagegen weichen mir nicht von der Seite.
    Die Erschütterungen ziehen sich gleichmäßig durch den Boden, folgen ihrem eigenen Rhythmus und lassen die Bäume um uns herum bedrohlich wanken. Doch ich bin mir sicher, dass deren mächtige Wurzeln sich fest genug in der Erde verankert haben.
    Folipurba und die anderen Pokémon blicken gespannt zu einer bestimmten Stelle am Waldesrand. Zuerst kann ich nichts Bestimmtes erkennen, doch nach einer Weile sehe ich einen Schatten zwischen den mächtigen Stämmen. Diese biegen sich auseinander, als ob sich etwas Großes zwischen ihnen bewegt und ihre Blätter rascheln voller Protest.
    Und mit einen Mal bricht aus dem Wald ein riesiges Pokémon hervor, welches behäbig ein Bein nach dem anderen aufsetzt und auf uns zu läuft. Auf seinem gewaltigen Rücken thront eine ebenso gewaltige Blüte, deren rosafarbene Blätter sich sanft hin und her wiegen. Auf seinem Kopf sitzt ein kleines Taubsi und schlägt aufgeregt mit seinen kleinen Flügelchen.
    Etwa zehn Meter von mir entfernt bleibt der Riese stehen und blickt mich unverwandt an. Folipurba und die anderen Pokémon verneigen sich volle Ehrfurcht vor dem großen Wesen. Das kleine Taubsi dagegen hüpft von dessen Kopf und läuft unbeholfen und stolpernd zu mir.
    Als es vor mir steht, fiept es mir zu und schlägt weiterhin mit seinen Flügelchen. Es hüpft mir auf die Knie und blickt auf Rettan hinab, welches sich bisher immer noch nicht gerührt hat. Es fiept weiterhin und versucht wohl, es auch aufwecken zu wollen, doch das Ergebnis ist das Gleiche.
    Kennt es Rettan etwa?


    Und ehe ich mich versehe, steht der Riese nun direkt vor mir und mich überkommt eine schier gewaltige Angst. Ich fühle mich fast wie gelähmt. Folipurba und auch die anderen Pokémon sind zurückgewichen, sodass nur noch das kleine Taubsi zwischen mir und dem Koloss steht.
    „Bisa-flor.“
    Eine gewaltige Atemwolke schlägt mir entgegen und lässt mich ängstlich zusammenzucken. Unbewusst drücke ich Rettan fester an mich und will es schützen. Doch das Taubsi flattert unermüdlich hin und her und lenkt mich ab. Und als ich es endlich richtig anschaue, hält es in seiner Bewegung inne und ich spüre, dass es mir nicht feindlich gesinnt ist. Mein Blick geht zurück zu Bisaflor und meine Worte kommen sehr kleinlaut über meine Lippen, fast schon flüsternd.
    „Bitte, Bisaflor, hilf Rettan. Bitte, bitte!“
    Das große Pokémon schaut mich ausdruckslos an. Es öffnet sein riesiges Maul ein Stück, doch ihm entfliehen keine Laute. Stattdessen richten sich seine Blütenblätter auf und seine roten Pupillen fixieren mich. Doch in ihnen liegt keine Bosheit, sondern eine tiefe Milde.
    Das kleine Taubsi stubst mich an und endlich verstehe ich. Vorsichtig lege ich Rettan ins Gras, sodass Bisaflor es genau sehen kann. Und da hebt es seinen massigen Kopf und lässt ein tiefes Brüllen in den Himmel los. Erschrocken halte ich mir die Ohren zu.
    Urplötzlich streift mich ein sanfter Windzug und ein süßer blumiger Duft erfüllt die Luft. Es riecht wundervoll und als es an meinen Armen kitzelt, blicke ich nach unten und sehe, dass das Gras um mindestens das doppelte gewachsen ist und Rettan vollständig einhüllt. Die Grashalme wickeln sich um dessen Körper und lassen es praktisch verschwinden. Die Sonne scheint auf einmal intensiver zu scheinen und die Wärme durchflutet mich.
    Ich strecke meine Hand aus und möchte meinen Freund berühren, doch das junge Taubsi hüpft auf meine Hand und schaut mich, als ob es mir sagen wollte, dass ich keine Angst zu haben brauche.
    „Bisa!“
    Ich blicke zu dem sanften Riesen auf und erkenne auch in dessen Blick nach wie vor keine bösen Absichten. Und auf einmal fühle ich mich unsagbar müde. Meine Hand sinkt nach unten, sodass das Taubsi abspringen muss. Meine Augen werden immer schwerer, und ehe ich mich versehe, sinke ich auf den weichen Grasboden. Ich habe keine Kontrolle darüber, doch ich habe seltsame Weise keine Angst, sondern empfinde eine tiefe Ruhe, die sich durch jede Faser meines Körpers bewegt. Ein letztes Mal versuche ich zu Rettan zu schauen, doch ich erkenne es in dem Meer grüner Halme nicht mehr, und dann versinke ich in einen friedlichen Schlaf.



    [tabmenu]
    [tab=Vorwort]
    Jetzt erstmal wieder 'nen Rekommi posten. Wir haben dich nicht vergessen @Rusalka
    [tab=Rekommi]
    Hallo @Rusalka
    Erstmal vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Nachdem mein erstes Tabmenü nicht funktioniert hat, will ich nun einen zweiten Versuch starten und hoffe, dass es diesmal besser wird.


    Ich glaube, das Problem mit der fehlenden Interaktion von Rettan mit anderen Pokémon ist, dass wir uns zu Anfang viel zu sehr auf die Menschen um Rettan fixiert haben und dadurch die Aktionsmöglichkeiten auch nur da zum Erliegen kamen. Aber du hast schon recht damit, immerhin haben Pokémon ihre eigene Sprache und im Haus leben ja auch noch Emolga und Quaputzi, mit denen sich das Schlangen-Pokémon hätte austauschen können. Bei Menschen ist es dann schwieriger, denn die meisten verstehen die Pokémon eher über die Körper, denn die Lautsprache. Aber da kann man in Zukunft aufbauen. Im neu geposteten Kapitel wird die Interaktion zwar immer noch nicht gegeben sein, aber wir wollen es in den nachfolgenden auf jeden Fall tun.


    Danke für dein Lob :blush:
    Uns ist es gerade so wichtig, die Gefühle betont hervorzubringen, damit man mit den Personen und den Pokémon mitfühlen kann. Und es freut uns auch, dass dir der Sichtwechsel gefällt. Da wir uns auf einen kleinen Charakterkreis konzentrieren, bleiben Verwechslungen eher ausgeschlossen, weshalb dann auch die Betonung entsprechend gelegt wird.


    Was der sprachliche Ausdruck angeht, habe ich vermutlich eher die größeren Schwierigkeiten, als mein FF-Partner. Zumindest sehe ich das so. Gerade im sechsten Kapitel habe ich mir durch meine seltsame Schreibweise ein Eigentor geschossen. Mir selbst ist das natürlich erst mit Verweis darauf bewusst geworden. Ich glaube, dass es mir gerade bei Max schwerfällt, kindlich zu bleiben, da meine anderen FFs meistens ernste Thematiken aufweisen und daher auch erwachsener werden. Doch ich merke, ich muss umdenken, damit sich alles harmonisch liest. Ich hoffe aber, dass ich dies im neuen Kapitel einigermaßen gut hinbekommen habe.


    Nochmals vielen lieben Dank und es tut mir leid, dass du solange auf einen Rekommi warten musstest.
    Evtl. bis zum nächsten Mal.


    Mfg Miss Fox
    [/tabmenu]

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


    [Astor, Pokémon - Schwarze Edition]

    Nur noch sporadisch im BisaBoard.

    5 Mal editiert, zuletzt von Foxhound ()

  • Hallo ihr beiden,


    danke für den Re-Kommentar und die Versicherung, dass der Charakterkreis eher klein bleiben wird. Dadurch kann ich mich selbst auch etwas besser einstellen und je nachdem, wie die nächsten Kapitel werden, kann sich das sicherlich nur bessern.


    Der Ausdruck war in diesem Kapitel übrigens okay und wirkte fast schon märchenhaft in Anbetracht der Situation, in der sich Max befindet. Bisaflors Auftauchen war sehr eindrucksvoll geschrieben und auch seine Präsenz wurde von den Pokémon mit Würde wahrgenommen. Wenn ich es nicht genauer wüsste, könnte es so etwas wie eine Art Waldgott oder einfach ein Heiler für die Anwesenden sein, zu dem sie aufblicken und ihn um Rat fragen. Taubsi als das vermutlich Jüngste hat dabei wohl die wenigste Angst, was eine gute Darstellung dieser kindlichen Atmosphäre darstellt. Kindern oder allgemein Jüngeren wird ja gerne nachgesagt, dass sie Emotionen und Gesinnungen leichter wahrnehmen und daher leichter Zutrauen finden; das habt ihr gut umgesetzt!
    Die anschließende Heilung erinnert an diverse Filme, die eine ähnliche Technik anwenden. Konkret fühlte ich mich auf merkwürdige Weise an Avatar erinnert, in der etwas ähnliches praktiziert wird. Vermutlich spielen hier aber mehrere Aspekte hinein als nur der süßliche Duft in der Luft, der als Beruhigung dienen soll. Ein Schlafpuder vielleicht? Das wachsende Gras könnte auf eine Aromakur oder etwas dergleichen hinweisen. Aber was es auch ist, die Bilder entstehen mit Leichtigkeit vor dem geistigen Auge und das macht die Szene sehr ansprechend.
    Eine Sache ist mir aufgefallen:

    Versinke mit dem Kopf fast bis auf den Boden.

    Da reicht es, nur "Sinke" zu schreiben. Versinken kann man im Meer oder im Boden vor Scham, wenn es die Situation zulässt.


    Ich hoffe daher, dass euch beiden der Kommentar gefällt und wir lesen uns dann wohl mit dem nächsten Update wieder. Bis dahin!


    ~Rusalka

  • Kapitel 11 - Frischer Wind


    Ich atme tief ein.
    Die klare, frische Luft füllt meine Lungen, bis ich sie mit einem Pusten wieder ausatme. Ich stehe am Abgrund, unter mir 50 Meter nichts, danach die steinige Landschaft des angehenden Gebirges. Ich beobachte eine Gruppe Georok, die scheinbar großen Spaß daran finden, die vielen Hänge herab zu rollen. Es liegt der Sommer in der Luft, die wenigen bewachsenen Flecken sind gesäumt von Wadribie und Papinella.
    Acht Jahre.
    Acht Jahre ist es her, seit ich meine Mutter verloren habe.
    Acht Jahre mache ich mir Vorwürfe, weil sie wegen mir losgezogen ist, wegen mir an jenem Waldrand war, wegen mir den Weg der Herde Tauros kreuzte. Wegen mir starb.
    Acht Jahre und ich kann nicht sagen, wie sehr sich alles verändert hat in dieser Zeit. Und irgendwie ist es doch so viel. Nach Mamas Tod bin ich zu meinem Vater gezogen, hier am Rand der Berge. Es ist wunderschön, doch er nimmt sich nie Zeit für mich. Vor allem, seitdem er seine neue Freundin hat. Nadja ist schon ganz in Ordnung, aber sie nimmt ihn sehr viel in Anspruch, daher sind meine Symphatien ihr gegenüber begrenzt.
    Während ich meinen Gedanken nachgehe, spüre ich etwas an meinem Bein. Ich muss nicht nachschauen, um zu wissen, was es ist. Es ist mein Freund. Mein einziger Freund, seitdem ich weggezogen bin und dadurch von Sarah getrennt wurde. Ich lasse meine Hand hängen und streichele über die Schuppen, woraufhin ich ein zufriedenes Zischen vernehme. Jetzt sehe ich doch hinunter.
    Da liegt er, in seiner ganzen Länge. Ein goldenes Arbok, halb zwischen meinen Beinen zusammengerollt. Auch Arbok kenne ich seit acht Jahren, damals war es noch ein Rettan. Ein besonderes Rettan. Ein Rettan mit Konsequenzen, und doch würde ich nicht auf meinen Freund verzichten wollen. Ich könnte nicht.
    Ich verlasse die Klippe, meinen Rückzugsort, und mache mich auf den Rückweg durch den Wald, Arbok schlängelt hinter mir her. Ich bin schon so oft diesen Weg gegangen, doch jedes Mal aufs neue bin ich von der Vielfalt der Pflanzen und Pokémon überwältigt. Die Hornliu kraxeln Bäume hinauf, oben sitzen Noctuh mit den Köpfen unter den Flügeln, von Zeit zu Zeit säumen Knilz den Weg. Manchmal lässt sich ein einzelnes Folipurba blicken, bevor es wieder in den Schatten der Bäume verschwindet. Ich mag diese Pokémon.
    Ich fange wieder an nachzudenken, während wir uns unseren Weg durch den Wald bahnen. Ich denke an die Schule; meine höchstens mittelmäßigen Noten, an Dominik, den Rüpel, der sich immer über mich lustig macht. Ich denke an Theresa. Ob sie mich so mag wie ich sie? Wahrscheinlich nicht. Wir haben doch so wenig miteinander zu tun. Wenigstens ist sie nett zu mir.
    Bei diesen Gedanken könnte ich mich ohrfeigen. Ich finde mich selbst traurig.
    Doch so kann es nicht weitergehen. Seit acht Jahren versinke ich in Selbstmitleid und Trauer.
    "So kann es nicht weitergehen, Arbok. Etwas muss sich ändern."