Show, don't tell? Die unumstößliche Wahrheit?

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • Show, don't tell? Die unumstößliche Wahrheit?


    Wollen wir mal eine Schreibweisheit hinterfragen, anstatt sie blind hinzunehmen. =)


    Was bedeutet "Show, don't tell"?
    Übersetzt bedeutet dies "Zeigen, nicht erzählen".
    Tell beschreibt einen erzählerischen Schreibstil. Ein Beispiel hierfür wäre: Ich hatte Angst / Lea war ein nettes Mädchen.
    Show bedeutet dementsprechend, dass dem Leser die Angst gezeigt wird oder Lea etwas Nettes tut. Wenn man tief in den Gedanken einer Person drinnen ist, kann diese durchaus Personen im Tell charakterisieren. Wenn unser Prota Lea als nett, süß, höflich… empfindet, kann er das genauso aussprechen, da er das Recht auf seine eigene Meinung hat. "Tim ist der beste Freund, den ich je hatte." Ist Tell, aber vollkommen in Ordnung, da Tim die ganze Geschichte über Zeit hat, die Aussage des Protas zu beweisen.
    Vorneweg sei gesagt, dass Show etwas sehr Wichtiges ist, Lea muss auch über ihre Worte und Taten charakterisiert werden, aber darum geht es nun nicht. ;)


    Aber…
    Hinterfragen wir doch einmal
    Wozu kann man das Tell gebrauchen? Ich persönliche empfinde Tell nicht als Tabu, sondern als eine Möglichkeit des Schreibens, die man gut verwenden kann. Deswegen wollen wir diesmal nicht auf die altbekannten Vorteile des Shows eingehen.


    (Beachte: das ist meine persönliche, subjektive Meinung, die nur zum Diskussionsanstoß dient!)


    - Plusquamperfect: steht sehr oft im Tell, da der Leser die Geschehnisse nicht aktiv erleben kann, und nicht alles Vergangene ist eine Rückblende Wert. Beispiel: Damals, als ich ihn kennengelernt hatte, war ich bereits hin und weg gewesen. - Vielleicht könnte man eine Szene im Show dazu zeigen, aber wenn man das bei jeder Kleinigkeit macht, bläht das den Text auf. Wenn etwas in der Vorvergangenheit erzählt werden soll, ist das PQP grammatikalisch absolut notwendig.


    - Zusammenfassungen: Szenen, die man nicht ausformulieren muss; nicht ab jedem neuen Tag muss man den Morgen einer Person, ihr Training oder alltäglichen Schulablauf schildern, aber man kann Routinen durchaus kurz zusammenfassen, also erzählen.
    Wenn ein Hauptcharakter seine Lebensgeschichte dem Leser bereits offenbart hat und sich nun einem anderen Charakter öffnet, reicht es nur Teile im Dialog zu zeigen oder das Gespräch zusammenzufassen.


    - Gedanken eines Charakters: Natürlich ist Show wichtig, aber man zwischendurch durchaus schreiben kann "Sie war verunsichert, dass Ereignis X geschehen würde." oder der Charakter erzählt durch seine Gedanken aktiv von sich.


    - Spielen mit dem Tell
    X: Anna ist ein höfliches Mädchen.
    Y: Anna ist eine dumme Ziege.
    Wir haben hier zwei Charakterisierungen im Tell, im Show verhält sich Anna vll. ganz anders und der Leser kann sich seine eigene, dritte Meinung von Anna bilden.


    Die Mischung macht's: nicht jedes Mal muss der Regen ausführlich und poetisch beschrieben werden. *hust* shatter me */hust xD*
    Zwischendurch ein normales "Es regnete *+ ev. Zusatzinformationen*" ist ab und an, meiner Meinung nach, erfrischend einfach und ist absolut legitim. Es regnete, isso, weiter im Text. =D
    Das ist absolute Geschmacksfrage! Es gibt in der Ausführlichkeit einer Beschreibung keine richtig und keine falsche Lösung. Manche lesen eine ausführliche Beschreibung eines Berges, die 500 Worte lang ist, sehr gerne und für andere reicht es zu wissen, dass da ein Berg steht. Beides hat natürlich seine Berechtigung und erlaubt ist immer, was einem selbst gefällt. ;)


    Eure Meinung ist nun gefragt! =)
    Wie steht ihr zu "Show, don't tell?"
    Kennt ihr andere "goldene Regeln", was denkt ihr von denen?
    Setzt ihr es gewollt um, oder achtet ihr nicht darauf?
    Wie steht ihr zu den oben angegebenen Beispielen?

  • Ich glaube nicht, dass der Sinn hinter der Phrase »Show, don't tell« ist, den Leuten zu sagen, sie sollen nur den Show-Part verwenden. Eher ist es so, dass man vor allem als Novize dem Tell-Stil verfällt, weil man so auch mit Menschen spricht und es generell leichter ist, Ereignisse einfach zu erzählen, als sie durch Handlungen aufzuzeigen. »Show, don't tell« ist als prägnante, kurze Faustregel gedacht und selbstverständlich nicht als unumstößliche Wahrheit. Die Handlung durch Taten voranzutreiben bringt mehr Tiefe in die Geschichte, als sie einfach zu erzählen. Eben, damit dem Leser nicht langweilig wird, weil er gezwungen ist auf empathische Weise am Handlungsgeschehen teilzuhaben, sonst kann er die Handlung nicht verstehen.
    Der Grund, warum man diese Regel so oft hört und sie so vielgepriesen ist, liegt darin, dass es nicht intuitiv ist, eine Geschichte zu zeigen. Es ist leicht, zu sagen, dass die hypothetische Emma wütend war und deshalb auszog. Will man es zeigen, muss man die Beziehung zu ihrer Familie darstellen, beispielsweise einen kohärenten Dialog aufzeigen, der ihre Gefühle rüberbringt und dabei Gestik, einen Beziehungskontext, frühere Ereignisse, Gedanken und Wissen der Figuren einbeziehen - kurzum: Die Handlung zu zeigen bringt Tiefe, Färbung und Spannung in die Geschichte. Sinnvoll ist das natürlich nur dann, wenn das Ereignis eine relevante Rolle für den Plot spielt. Für den Anfang ist es aber ganz gut, sich vor Augen zu führen, dass der größte Teil der Geschichte, die man darlegen möchte, im Show-Stil stattfinden sollte (außer man schreib zB. ein Märchen). Alleine deswegen, damit man diesen Stil üben kann und um ein Gefühl dafür zu kriegen, wann welcher Darstellungsstil angemessener ist.

  • Zitat von Aprikose

    Eher ist es so, dass man vor allem als Novize dem Tell-Stil verfällt, weil man so auch mit Menschen spricht und es generell leichter ist, Ereignisse einfach zu erzählen, als sie durch Handlungen aufzuzeigen [...]


    Hm jein. Einerseits muss ich dir natürlich Recht geben, aber nicht, weil man es nicht besser kann, sondern weil man die Anforderungen der "Autorenwelt" noch nicht kennt.
    Andererseits sind viele Märchen aus unserer Kindheit und andere ältere Texte mit sehr viel Tell geschrieben, was ihnen nicht weniger Tiefe gibt und die Autoren von damals nicht zu Novizen macht, die Mode war damals nur eine andere.


    Was auch nicht vergessen werden darf: Auch Sätze im Tell können angenehm formuliert sein, auch wenn ein großer Teil im Show sein sollte.
    Mit zu viel habe ich die Erfahrung, dass der Text einfach extrem aufbläht. Siehe "Es regnete *vll. noch ein, zwei Zusatzsätze für die Atmosphäre, die dann eig schon Show sind* vs. seitenlange Beschreibung des Regens. Bei mir löst das eher ein "Who cares?"-Gefühl aus. :D ERZÄHLE mir lieber, dass es regnet, wenn es öfter in der Story regnet, anstatt es mir jedes Mal über mehrere Zeilen zu zeigen.


    Das Thema habe ich aufgemacht, dass ich Kritiken gelesen habe: Ich-Perspektiven und personaler Erzähler sollten nicht behaupten: X war ein attraktiver Mann (Tell aus der Sicht) *insert Beschreibung von X (dann erst Show)*.
    Das Ding ist ja: Alles, was aus einer subjektiven Sicht geschrieben wird, trägt auch eine verzerrte, subjektive Brille. Wenn ich jemanden fesch finde, sag ich auch: der IST echt ein schöner Mann und beschreibe ihn dann.

  • *gräbt das Topic mal wieder aus und überwindet ihre Inaktivität*





    Siehe "Es regnete *vll. noch ein, zwei Zusatzsätze für die Atmosphäre, die dann eig schon Show sind* vs. seitenlange Beschreibung des Regens. Bei mir löst das eher ein "Who cares?"-Gefühl aus. ERZÄHLE mir lieber, dass es regnet, wenn es öfter in der Story regnet, anstatt es mir jedes Mal über mehrere Zeilen zu zeigen.

    Das ist bei uns beiden ja immer so eine Sache, nicht wahr? x)
    Obwohl ich mich inzwischen dank dir ja auch schon etwas gebessert habe, finde ich, dass dieser kurze Satz "Es regnete" eben auch nur in der richtigen Atmosphäre passt. Wenn du zum Beispiel Spannung aufbauen willst oder eine eher eintönige, vielleicht auch traurige Situation einleiten. Soll es hingegen eher romantisch angehaucht werden, kann es doch nicht schaden, das Ganze etwas auszuführen, gerade bei der personalen Sicht, weil man solche Umwelteindrücke gut mit Gedanken oder Emotionen verknüpfen kann, bestimmten Erinnerungen oder Ähnlichem. Aber nun gut, da teilen sich die Meinungen cx


    Ich persönlich tendiere/gehöre wohl auch eher zur Show-Fraktion, das Tell finde ich in einigen Situationen einfach... unmöglich. Beispiel: Person X (im Idealfall ein 13jähriges Mädchen, das völlig übertrieben und charakterlos dargestellt wird) wird sich bewusst, dass sie Person Y sehr mag, ständig an besagte Person denkt und so weiter. Und dann fällt der Satz: "Bin ich etwa in ihn verliebt...????!!!"
    Da ist es für mich absolut vorbei. So was macht einfach die komplette - in dem Fall restlich verbliebene - Romantik kaputt und nimmt der gesamten Situation den Zauber. Viel besser wäre es doch, die typischen Symptome dieses Gefühlszustandes zu beschreiben, anstatt damit direkt auf den Punkt zu kommen X:


    Klar, kurze Zusammenfassungen oder Erlebnisse schreibe ich natürlich im Plusquamperfekt oder hin und wieder direkte Aussagen als Statements zu Charakteren, um die Beziehungen meiner Protagonisten untereinander zu verdeutlichen, doch generell finde ich es schöner, so was anhand des Verhaltens oder der Sprechweise deutlich zu machen. Man sagt ja auch nicht im echten Leben zu jedem, der einem nicht gefällt "Du bist blöd", sondern verhält sich demjenigen gegenüber zumeist distanzierter, abweisender, schlichtweg anders als bei seinen Freunden. Und meinen Freunden sage ich in der Regel auch nicht ständig "Du bist so toll", weil sie doch über meinen Redefluss oder mein Verhalten merken, wie ich zu ihnen stehe.


    In gewissem Maße ist Tell sicherlich nicht schlecht, solange man nicht komplett in die Sahne haut. Aber Show hat doch imo ein bisschen mehr Reiz x3

  • @Namine
    Das ist aber nichtmal wirklich Tell, sondern nur ein bescheuerter Gedanke. :D
    Aber eine endgültige Wahrheit kann oft sehr "stark" wirken. Dass die Protagonistin ihren Schwarm / Freund muss sie sowieso das ganze Buch über durch ihre Handlung zeigen, wenn sie aber in Gedanken eingesteht oder sagt "Ich liebe dich / Sie liebte ihn (je nach Erzählperspektive)", hat das einfach eine ... endgültige Wirkung und kann durchaus schön zu lesen sein. ^^
    Das Problem, das du ansprichst, ist eher jenes, dass die Protagonistin unsympathisch, unglaubwürdig und flach ist und sowieso keine Liebesgeschichte (oder irgendeine andere Geschichte) tragen kann.

    Zitat von Namine

    Klar, kurze Zusammenfassungen oder Erlebnisse schreibe ich natürlich im Plusquamperfekt oder hin und wieder direkte Aussagen als Statements zu Charakteren, um die Beziehungen meiner Protagonisten untereinander zu verdeutlichen, doch generell finde ich es schöner, so was anhand des Verhaltens oder der Sprechweise deutlich zu machen.


    This ^^

    Ich kann mich an eine Geschichte erinnern, in der über etliche Zeilen der Duft von Zimt beschrieben wird. Eigentlich ist das ja eine Kunst für sich, da mir bei vielen Gerüchen höchstens zwei bis fünf Adjektive einfallen. Sprich, würzig und weihnachtlich. Da sitz ich verzweifelt da "ich WEISS, wie Zimt riecht, sag doch einfach "Es roch weihnachtlich nach Zimt und Apfelstrudel (whatever you want) / Ihn empfing der weihnachtliche / würzige Zimtduft' und wir kommen super miteinander aus, lieber Autor :O" haha ^^

  • Mit zu viel habe ich die Erfahrung, dass der Text einfach extrem aufbläht. Siehe "Es regnete *vll. noch ein, zwei Zusatzsätze für die Atmosphäre, die dann eig schon Show sind* vs. seitenlange Beschreibung des Regens. Bei mir löst das eher ein "Who cares?"-Gefühl aus.

    Bei solchen und ähnlichen Situationen kommt es mir persönlich immer drauf an, worauf denn eigentlich der Fokus der Geschichte liegt. Wenn sie ein eher schnelles Pacing verfolgt, dann möchte man da schließlich ungern eine langatmige Beschreibung der Umgebung lesen; es sei denn, es werden die umliegenden Gebiete dabei auch etwas erklärt, denn das ist ja für die Vorstellung im Kopf und für das spätere Wissen, wie die Welt aufgebaut ist, gar nicht so uninteressant.


    Grundsätzlich muss so eine ausführliche Beschreibung einfach zur Situation passen, etwa wenn ich jetzt etwas sehr Gefühlvolles, Romantisches oder einfach Atmosphärisches zur Beruhigung und zur Anschauung liefern möchte. Auch das Stadtleben kann darunter fallen, einfach mal seinen Blick schweifen zu lassen und dann später wieder in die Geschichte einzusteigen und dann geht es ja direkt mit den Charakteren im Dialog weiter, die sich eben dadurch definieren. Am Ende wechseln sich beide Arten, wenn man einmal die Erfahrung und das entsprechende Gefühl dafür hat, aber sowieso fließend ab und so gesehen gibt es kein Richtig oder Falsch, weil es den einen Schreibern so besser geht und den anderen so.

  • Willi00

    Hat das Label Diskussion hinzugefügt.
  • *buddelt dieses Thema aus* *bläst Staub und Spinnenweben weg*


    Ich habe vor relativ kurzem eine interessante Sache über "Show, don't Tell" und darüber warum es so omnirepräsent zu sein scheint, erfahren. Und dieser Grund ist .... Propaganda!


    Das ganze grob zusammengefasst: Der zweite Weltkrieg war vorbei. Der kalte Krieg war in vollem Gange. Kommunismus vs Kapitalismus. 1, 2, Go! Und Amerika hatte einen großen Nachteil: Die Amerikaner waren die Propaganda leid. Jedenfalls die Propaganda im klassischen Sinne. Sowohl die guten alten Poster, die zur Vaterlandsliebe aufgefordert haben, als auch die tollen Geschichten - in Buch-, Film- und Fernsehform - die so etwas als explizite Nachricht beinhaltet haben. Schon gar nicht ... nun, die Propaganda, die Amerika gerne gehabt hätte. Dagegen war es eher möglich russische Propaganda (also kommunistische Propaganda) an die Leute heranzubringen, nicht zuletzt, weil viele Kunstschaffende auch eher dahinter standen ...


    Und so finanzierte die CIA Professoren, die bestimmte ... Ideen vertreten haben. In den Kunstbereichen. Prinzipiell sollte Kunst ... “sensations, not doctrines; ­experiences, not dogmas; memories, not philosophies.” sein. Na ja, und daraus kam dann eben auch "Show, don't tell", dass ursprünglich effektiv heißen sollte: "Wenn du eine politische Meinung hast, dann versteck die verdammt noch mal gut in deinem Film, anstatt sie so explizit dem Zuschauer zu präsentieren! Das ist voll das Zeichen eines miesen Autors/Regisseurs/Whatever!!!" Und auch wenn diverses davon wohl bekannt geworden ist, war es nicht der allgemeinheit bewusst genug und ... es ist halt stecken geblieben. Und "Show, don't tell" ist halt Teil davon - und hieß dabei nicht einmal das, wofür es heute oft verwendet wird.


    Spannendes Thema. Link, Link und auf einen anderen Kontext bezogen noch ein Link.


    Auf das eigentliche Thema und die moderne Interpretation gesehen, muss ich sagen: Geschichten sind natürlich immer erzählt. Und ich mag es schon bei jedem Aspekt darüber nachzudenken, was ich damit von den Charakteren nach vorne stellen oder - anders gesagt - "zeigen" kann. Das finde ich immer spannend. Und natürlich gibt es eben Dinge, wo das, was man heute als "tell" bezeichnen würde, störend sein kann. Für mich sind Klassiker Beschreibungen, die mit einem "das war hübsch" abgetan werden oder ein Charakter der mit einer Eigenschaft beschrieben wird, die wir aber nie zu sehen bekommen. (KA. House of Night. Aphrodite sei eine Bitch. Aber wir sehen sie immer als recht nettes Mädchen. Doofes Beispiel. Habe gestern mit jemanden drüber gelästert. Daher fällt es mir ein.) Und natürlich kann es stören, wenn man die halbe Handlung nur als Zusammenfassung liest, anstatt ... dass sie passiert.


    Aber ich denke halt auch, dass dahingehend öfter übertrieben wird - eben was auch angesprochen wird. Wenn jedes kleinste Detail beschrieben wird. ...