Wir sind auch in eine sehr anstrengende Zeit reingeboren worden. In den letzten 30 Jahren haben sich alte Weltanschauungen und neue Erkenntnisse so dermaßen überschnitten, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der teilweise widersprüchliche Einstellungen parallel existieren. Einerseits sind viele von uns mit dem alten Weltbild aufgewachsen, deswegen ist es uns vertraut und wir "verstehen es", andererseits haben viele von uns den Fortschritt und die Erkenntnisse nicht ignoriert und sich diese auch einverleibt und wir wissen, dass es normal ist. In 100 Jahren werden wohl einige darüber lachen, wie wir uns damit schwer getan haben, offene Diskriminierung nicht zu bekämpfen, weil es für uns eben noch eine vertraute Meinung war. Aber letztendlich, wenn man sich von den Beispielen loslöst, weil diese einen oft zu persönlich ansprechen und wir dann anfangen die Definition zu verzerren, und nur die reinen Merkmale von Diskriminierung, Hetze, Hassreden etc. anschaut, merkt man, wie zahlreich vertreten die sind. Auch hier im Forum und auch aus dem Mund von Menschen, die sonst eigentlich keiner Fliege etwas zu Leide tun würden.
Interessant finde ich auch, wie die eigene Meinung von betroffenen Personen abgetrennt wird und man die Einstellung vertritt, dass man ja niemandem etwas persönlich tut, also tut man nichts Unrechtes? Das dürfte vor allem in der Politik und in solche YouTube-Videos relevant sein. Ich kann mir vorstellen, dass viele die Distanz fühlen und dadurch sich der Verantwortung ihrer Worte entziehen. Sie selber haben ja nie was persönlich gegen die Betroffenen getan. Sie haben sie nicht angerührt. Dass hier mit jeder unwahren Rede gleichzeitig auch weitere Menschen bewegt werden oder gar motiviert, das wird nicht als eigenes Tun gesehen. Wundert mich auch nicht, weil teilweise schalten die sicher ihre Kamera aus und leben privat ein völlig unscheinbares Leben, in dem sie tatsächlich nie irgendwas schädliches in die Richtung tun. Trotzdem muss man sich halt auch bewusst sein, dass man Einfluss nehmen kann. Jederzeit und auch mit Worten.
Diesbezüglich frage ich mich manchmal, wie ich eigentlich mit Satire gegen Politiker umgehen soll. Ich liebe Satire, die sich wirklich auf Fakten bezieht und dann halt sarkastisch ist, wenn jemand sich gegen die Fakten stellt. Jedoch nutzen Satiriker oft Dinge, die nichts mit der Sache zu tun haben. Bekanntes Beispiel wären Trumps angeblich kleine Hände. Oder die Tatsache, dass er zwischen rechts und links nicht unterscheiden kann (wahrscheinlich, weil er vor den Reportern nervös ist). Und DAS wird dann weiter als Argument verwendet, um gegen seine Kompetenz zu argumentieren. Warum? Es gibt so viele objektiv nachvollziehbare Dinge, um das zu tun. Ja, auch mit etwas Witz dahinter. Stattdessen werden eigene Wahrnehmungen, Einstellungen und Vorurteile zu einem Fundament vermischt und dann wird wie wild gegen eine Person oder Gruppe genörgelt.
Anderes Beispiel mit ähnlichem Konzept: Ich hatte letztes Jahr eine Arbeitskollegin - sehr freundliches Mädchen! - der die Familie (also allgemein) sehr am Herzen lag. Sie hat sich auch dafür eingesetzt, dass diese geschützt wird. Finde ich gut. Meiner Meinung nach ist die Familie - egal wie sie aussieht - eine schützenswerte Instanz und der wichtigste kleine Sozialisationskreis für Menschen. Und dann drückt sie mir eine Broschüre in die Hand, die eben Spenden für Familien sammelt. Und das erste was da oben steht "Ein Fisch kann kein Fahrrad sein. Eine Frau kann kein Mann sein." … … … Like srsly? Ich finde das furchtbar, wenn man Dinge so instrumentalisiert und dann seinen Blödsinn verbreitet. Und ja, dieses Beispiel ist für mich ganz klar Hetze. Nur weil sie nicht leidenschaftlich und brüllend durch die Straßen erfolgt, sondern still und hübsch verpackt, ist es nicht plötzlich nur eine sanfte Meinung.