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[tabmenu][tab=Vote Fanfiction]
Herzlich willkommen zum Vote der Disziplin Fanfiction in Runde 5! Hier entscheidet sich, welches Team den Sieg in dieser Disziplin davontragen wird.
Bitte beachtet beim Voten, dass ...
- ihr eure Votes angemessen begründet,
- Sympathievotes untersagt sind,
- ihr nicht für die Abgabe eures eigenen Teams abstimmen dürft,
- ihr bei der Punktevergabe sowohl das Treffen der Themenvorgabe, den Inhalt und die Ausführung einbezieht und bewertet,
- ihr das richtige Punkteschema verwendet (siehe unten),
- ihr die im Vote-/Feedback-Tutorial genannten Punkte beachtet.
Selbstverständlich darf jeder voten, auch wenn man nicht selber an der Olympiade teilnimmt!
Themenvorgabe:
ZitatDas Thema der fünften Runde der Olympiade für die Disziplin Fanfiction lautet ...
Gut oder Böse
Schreibe eine kurze Geschichte (max. 1500 Wörter) zum Thema "Gut oder Böse?", in der entweder ein Bisaflor, Turtok oder Glurak vorkommt.
Punkteschema:
- WICHTIG: Nutzt für euren Vote die untenstehende Schablone. Dies erleichtert uns die Auswertung. ID ist die Team-ID eures Teams (das ist die Nummer eures internen Teamforums). Voter, die nicht an der Olympiade teilnehmen, geben als ID bitte 0 an.
- Wenn ihr einem Team angehört, dann werden die Punkte, die ihr an euren Gegner verteilt, nicht gewertet. Ihr braucht also keine Angst haben, den Gegner durch eure Votes gewinnen zu lassen.
ZitatAlles anzeigenID: 12
A3: 5
A5: 4
A9: 3
A13: 2
A6: 1
Begründungen
Der Vote geht bis zum 05.06.2015 um 23:59!
[tab=Abgaben]
Traurig saß er in einer Ecke, an die kalte Steinwand gelehnt, und versuchte, sich etwas Mut zu machen, obwohl er die Tränen unterdrücken musste. "Er" das war ein junges Schiggy, gerade ein Jahr alt, aber schon sehr abenteuerlustig. Von seinen Freunden wurde er ironisch "Vogel" genannt, weil es sein größter Wunsch war, fliegen zu können wie ein Vogel, um seiner unbändigen Abenteuerlust nachkommen zu können, obwohl er wusste, dass das niemals möglich sein würde.
Seine Situation war wirklich vertrackt, denn die Steinwand, an der er lehnte, gehörte zu einem Höhlengefängnis des Glurak-Stammes und der Eingang war mit einem schweren Felsen blockiert. Nur durch einen winzigen Spalt in der Decke fiel etwas Licht in den kleinen Raum. Es war nicht gerade gemütlich, denn die Höhle war eindeutig natürlich, nicht durch eines der Gluraks in den Berg getrieben. Nicht, dass Steine irgendwie gemütlich sein könnten.
Wie es dazu kam, dass er hier eingesperrt war? Nun, das ist eine etwas längere Geschichte. deshalb möglichst kurz gefasst.
Es war ein schöner Morgen gewesen. Sonnig und warm, ideal für seine Erkundungen. Heute wollte er in Richtung der Berge gehen, denn das Territorium der Turtoks, ein großes Areal mit heißen Quellen, einigen zwischenliegenden Waldstücken und einem schmalen Fluss, der aus einer Quelle von den Bergen hinab in eine Meeresbucht floss, hatte er bereits von vorne bis hinten erkundet. Nun wollte er die Quelle des Flusses finden.
Ohne irgendjemandem zu erzählen, wohin Vogel gehen wollte, denn das Betreten von Gebieten, die nicht zum eigenen Stamm gehörten, war den Jüngeren verboten, machte er sich bereits früh morgens auf zu den Bergen, immer in der Nähe des Flusses bleibend, damit er ihn nicht verlor. Er kam gut voran und schon bald kam er in bergigere Gefilde, der dichte Wald, der den Rand des Gewässers säumte, wurde nach und nach von Stein abgelöst.
Als die Sonne bereits ein gutes Stück gestiegen war, verschwand der deutlich schmaler gewordene Fluss plötzlich als Rinnsal im Fels. Vornedran hatte sich eine kleine Pfütze im Steinboden gebildet, in die sich der dünne Strahl ergoss und die zum Fluss wurde.
"Mist, hier geht es ja gar nicht weiter. Wo soll ich jetzt hin?"
Vogel entschied sich schließlich, die Gegend auszukundschaften und entfernte sich etwas von der Quelle, aber nicht soweit, dass er diese nicht mehr eindeutig erkennen konnte. Er ging ein Stück weiter den Berg hinauf und stellte sich auf einen felsenen Vorsprung, dann blickte er hinaus in die Ferne.
Das meiste, was er sah, war Meer, denn er und der Rest der drei großen Stämme - neben Glurak und Turtok gab es noch Bisaflor - lebten auf einer großen Insel, die weit von jeglichem sonstigen Land entfernt lag. Zumindest nahm er das an, da er auf all seinen Erkundungsgängen noch keinerlei andere Inseln gesehen hatte. Es gab noch andere Pokémon auf dieser Insel, aber sie lebten nicht in richtigen Stämmen, da es sehr wenige waren. Welche das wusste er nicht so genau, denn er interessierte sich mehr für die Landschaft als andere Pokémon. Deshalb wanderte er auch so viel herum und...
WUMM!
Der Boden bebte und hinter sich fühlte er deutlich ein anderes Pokémon. Die ausstrahlende Wärme und das plötzliche Auftauchen sprachen für ein Glurak.
Verdammt, bin ich etwa schon in ihrem Stammesgebiet?
"Was tust du hier?", brüllte eine tiefe, rauchige Stimme. Ganz eindeutig ein Glurak. "Weißt du überhaupt, wo du dich hier befindest?"
Vorsichtig drehte Vogel sich um. "I-ich w-wollte nur d-den U-ursprung d-der Quelle e-erkunden... I-ich wusste n-nicht, dass d-as bereits e-euer G-gebiet ist, e-ehrlich!"
"Erkunden? Wofür hältst du dich eigentlich! Niemals würden deine Stammesältesten soetwas erlauben. Du wolltest die Feuerkugel stehlen, die das Gleichgewicht der Insel wahrt, oder etwa nicht?" Grob packte das Glurak ihn und urplötzlich hob es ab. "Du kommst jetzt erstmal in unser Gefängnis, den Rest klären wir mit deinen Stammesältesten!"
Tja und hier befand sich Vogel nun. Eingesperrt in einem Gefängnis und beschuldigt, irgendeine Kugel stehlen zu wollen. Naja, irgendeine Kugel war es eigentlich nicht. Viel wusste er nicht darüber, aber die Ältesten hatten mal erzählt, dass jeder Stamm der Insel eine mystische Kugel besaß, die deren primäre Typen repräsentierten, also Pflanze, Feuer und Wasser. Diese Kugeln waren für das Gleichgewicht der Elemente zuständig und stieße diesen etwas zu oder würden sie von ihrem Platz genommen, so wäre das das Ende der Insel. Es war ihm wie ein Märchen vorgekommen, aber irgendetwas war wohl doch an dieser Geschichte dran.
In diesem Moment ruckte der Stein. Es knirschte, dann wurde dieser langsam weggeschoben.
"Komm heraus, die Anhörung beginnt jetzt!"
Ohne zu murren, trat Vogel hinaus und folgte dem Glurak, das gekommen war, um ihn abzuholen. Er war sich nicht ganz sicher, glaubte aber, dass es sich um dasselbe handelte, dass ihn in den Bergen aufgefunden hatte. Er wurde durch ein Höhlensystem geführt mit sehr großen Gängen, sonst hätten die Gluraks hier ja auch gar keinen Platz zum Laufen gehabt.
Der Weg endete schließlich in einer größeren Kaverne. Es war das erste Mal, dass das kleine Schiggy sich in einer Höhle befand und wäre er nicht in einer so furchtbaren Situation, so hätte er sicherlich große Freude an diesem wunderbaren Anblick gehabt. Die Felsstrukturen waren wirklich atemberaubend.
In dem Raum befanden sich mehrere Glurak - und drei Turtoks. Die Ältesten seines Stammes.
Ohoh, das wird gewaltigen Ärger geben...
"Wir haben bereits mit den Glurakältesten gesprochen, kleines Schiggy. Du hast einen großen Fehler begangen und wir hoffen, dass du daraus lernst, doch wir wollen dir auch die Chance dazu geben, überhaupt daraus zu lernen. Da du noch jung und ungestüm bist, sehen wir von der üblichen Strafe ab, doch du wirst in Zukunft unter ständiger Betreuung stehen und keine Entdeckerunternehmungen mehr durchführen. Daran wirst du nicths ändern können."
Für Vogel brach eine Welt zusammen, war es etwas böses gewesen, das er getan hatte? War es falsch, die Landschaft erkunden zu wollen? Das konnte er nicht glauben, doch er konnte nichts tun...
Weinend brach das kleine Schiggy zusammen.
Schreie.
Seit Monaten höre ich nichts mehr als Schreie. Am Morgen, wenn die ersten Attacken unsere Linien erreichen, am Mittag, wenn die Schlacht voll entbrannt ist, am Abend, wenn der Staub sich legt. Wenn wir uns in den Gräben verstecken, die verletzten Körper gegen den harten Dreck pressen und dumpf vor uns herschauen, fallen unsere starren Blicke auf die Erdwälle vor uns. Die ganze Nacht starren wir sie an, bewegen uns kaum. Das Stöhnen unserer Kameraden bewegt uns nicht mehr. Die Schreie sind nur noch Nebengeräusche.
Ich habe längst aufgehört die Tage zu zählen. Irgendwann hatte ich die Zahl in meinem Kopf einfach vergessen. Dieser Krieg wütet schon viel zu lange. Ich weiß nicht, wie lange er noch andauern wird. Ich weiß nicht, wie er enden wird. Es ist mir egal. Einfach egal, ob wir gewinnen oder Jotho. Ich will nur endlich die Schreie nicht mehr hören müssen.
Ich zucke zurück, als ich eine Berührung an meiner Schulter spüre. Ein kleiner, trockener Schrei entkommt mir und alle meine Muskeln spannen sich an. Aber es ist nur Glurak. Nur Glurak, sage ich mir. Mein Kamerad, mein letzter. Ich zwinge mein Herz zur Ruhe und lehne mich wieder zurück. Der Drache starrt mich aus stumpfen Augen an.
Dann bricht er zusammen.
Ich erschrecke mich kaum, als sein massiger Körper vor mir in den Staub fällt. Ich sehe heißen Dampf aus seinem Maul quellen, sehe seine Krallen rastlos den Boden bearbeiten. Die orangene Haut ist mit Wunden überzogen, blutige Krallenabdrücke, Schnitte, große, schmerzhafte Schürfwunden, alles nur notdürftig versorgt. Aber am schlimmsten hat es seinen Flügel getroffen. Ein großes Loch klafft in der ledrigen Flughaut. Eine Wunde, erlitten im Kugelhagel, die aber niemals wieder heilen wird. Glurak wird nie wieder fliegen können, sagten unsere Sanitäter, als ich es damals zu ihnen brachte. Der Drache probierte es dennoch. Einmal, zweimal, hundert Mal. Aber irgendwann gab er auf. Die Gewissheit machte sich in meinem Pokémon breit. Der Glanz in seinen Augen verschwand. Aber er blieb an meiner Seite.
Ich drücke mich von dem Erdwall hinter mir ab, krieche kraftlos auf meinen Partner zu. Als ich über seinen kräftigen Hals streiche wird er panisch und schlägt um sich. Die Rückseite seiner Pranke schlägt gegen meinen Arm, aber ich spüre es kaum. Er ist zu geschwächt und ich zu abgestumpft.
„Ich bin es nur“, raune ich ihm mit meiner staubigen Stimme zu. Glurak erstarrt, als es sie hört. Es dreht den Kopf, legt ihn in meinen Schoß. Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine flatternden Augen. Glurak ist müde und erschöpft. Und trotzdem rafft es sich jeden Morgen auf. Weil die Höhergestellten es so wollen. All diese Würdenträger. Drei meiner Kameraden waren ihnen schon zum Opfer gefallen. Drei meiner Pokémon-Freunde, die ich mit in diesen Krieg genommen hatte, diesen sinnlosen, dummen Krieg. Ich hatte sie losgeschickt, auf Geheiß unseres Majors. Aber zurück kamen nur noch ihre leblosen Hüllen. Rasaff, dessen Körper verbrannt war, so stark, dass ich es kaum mehr erkannte, Tauboga, das doch nur einen Brief überbringen sollte, doch vom Donnerblitz eines Elekteks getroffen wurde, nur wenige Sekunden, nachdem es sich in die Lüfte erhoben hatte. Und Maschok... Maschok war einfach nicht mehr zurückgekommen. Gefallen hinter den feindlichen Linien.
Es ist meine Schuld. Erst wollte ich mich damit herausreden, dass ich es doch nicht habe ahnen können. Aber das war eine Lüge. Eine dreiste, dumme Lüge.
Ich hätte es wissen müssen, als ich mich für die Armee einschrieb. Als ich die Plakate sah, die überall im Prismania hingen. „Kämpfe für dein Land“ stand darauf, darunter Bilder von mutigen Männern in Uniformen und Pokémon, die stolz neben ihnen standen. Und ich? Ich starrte die Plakate an, träumte davon, endlich meinen Platz zu finden. Träumte davon, dass ich bejubelt wurde, sobald dieser Krieg gewonnen war. Ein Held würde ich sein, strahlend und rechtschaffend und gut. Immerhin waren wir im Recht. Und das Gute siegt doch immer.
Wie naiv. Wie furchtbar naiv.
Aber Naivität war ein Luxus, den ich schnell verloren hatte. Als der erste Körper tot neben mir zu Boden fiel und ich erstarrte, direkt in den Lauf eines Gewehrs schauend. Schon damals hätte ich sterben müssen. Aber Glurak war zur Stelle. Es stürzte sich aus der Luft auf den Schützen herunter. Ich erinnere mich an diesen Anblick, wie seine Krallen sich in den Körper des Feindes schlugen. Damals konnte ich nur starren, der Kopf war vollkommen leer. Ein Kamerad zog mich zurück in den Graben und schrie mich an, dass ich lebensmüde wäre. Meine Antwort war ein hässlicher, stinkender Fleck auf seiner Uniform.
Mittlerweile schockieren mich diese Bilder nicht mehr. Man stumpft ab, so grausam das auch klingt. Wunden, Blut, verstorbene Kameraden. Ich fühle nichts mehr, wenn ich es sehe. Nur eine Kälte, die mir selbst Angst einjagt.
Ich atme aus. Die Nacht bricht herein, der Staub legt sich. Glurak zittert im Schlaf, aber nicht vor Kälte. Ich bin müde und erschöpft, aber ich habe es aufgegeben, zu schlafen. Die Albträume sind wenig erholsam.
Ich wollte ein Held sein. Derjenige, der für die Guten kämpft. Aber das hier ist es nicht wert. Das hier war es niemals wert. All die Leben, die ausgelöscht wurden, all die Männer die ich eigenhändig erschoss. Soldaten, die Glurak mit seinem Feuer in Brand steckte. Wie viele hatten wir gemeinsam wohl getötet?… Ich möchte um sie trauern, aber ich kann es nicht. Ich weiß ja nicht einmal mehr, was mich selbst noch am Leben erhält. Die Angst vor dem Tod vielleicht. Die Angst davor, durchbohrt zu werden von einer Kugel, am Boden aufzuschlagen und mir das Genick zu brechen oder bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden.
Ich möchte mich nur noch verstecken hier im Graben. In dem Graben, den wir erobert hatten, nicht lange, nachdem ich hierher versetzt wurde. Feindliche Leiche lagen in ihm, als ich ihn zum ersten Mal betrat, den Kopf eingezogen im Kugelhagel. Sie sahen alle ganz anders aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Viel zu sehr wie ich selbst. Gestopft in eine zu große Uniform, die Gesichter im Schock verzogen. Sie hatten genauso viel Angst vor dem Tod gehabt wie ich auch. Diese kleine, kleine Erkenntnis hätte nichts ändern sollen. Aber das tat sie. Sie änderte alles.
Was ist schon gut, was ist böse? Warum bekämpfen wir Jotho?
Weil unser Major es uns sagt. Weil unser Land sagt, dass sie die Bösen seien. Aber warum sind sie das? Was haben sie getan?
All diese Fragen kamen zu spät. Ich hätte sie mir stellen sollen, bevor ich mich einschrieb. Bevor ich meine Pokémon und mich in den sicheren Tod verfrachtete, aus dem egoistischen Wunsch heraus, ein Kriegsheld zu werden. Bevor ich vor dem ehrenwerten Major Bob salutierte, die Waffen in die Hand nahm und in den Krieg zog. Bevor ich hinnahm, dass sie die Bösen sind.
Glurak zuckt. Aus meinen Gedanken gerissen schaue ich mich um. Ist das gerade ein Geräusch gewesen? Die Augen des Drachen öffnen sich. Er richtet sich auf, sieht sich um.
Ich habe mich nicht geirrt.
Mein Puls rast. Es ist mitten in der Nacht. Der Kampf ruht. Der Feind hat sich zurückgezogen, formiert sich und-
Ein Schuss. Ich bemerke es zu spät. Glurak nicht.
Das Gewicht des Drachen drückt mich zu Boden. Ich höre sein Brüllen, seinen letzten Schrei, als die Kugel in seinem Hals einschlägt. Aller Atem entweicht meinen Lungen. Er liegt direkt auf meiner Brust. Ich strampele und schlage um mich, panisch und angsterfüllt, aber ich weiß schon längst, dass ich es nicht schaffen werde. Der Schütze steht über mir am Rande des Grabens. Ich kann sein Gesicht nicht genau erkennen. Nur die Emotionen darin. Seine Unterlippe zittert, seine Hand auch.
Ich atme heftig. Tränen steigen mir in die Augen.
Ich wollte doch nur einer der Guten sein. Genauso, wie er es wohl sein wollte.
Aber am Ende sind wir bloß Mörder. Dumme Menschen mit Waffen in der Hand, die mit ihren Pokémon an der Seite in den Krieg ziehen und töten, was auch immer auf der anderen Seite steht. Weil wir die Guten sind, und die anderen die Bösen.
Der feindliche Soldat schaut mich für einen letzten Moment an. Dann wendet er sein Gesicht von mir ab. Er zuckt zusammen, als der Knall der Pistole ertönt.
Der letzte Laut, den ich höre, ist mein eigener, verzerrter Schrei.
Ein leichter Wind kommt auf. Mit tiefen Zügen atme ich ein. Ich liebe die frische Luft nach einem Regenschauer.
„Riechst du das, Blaster?“, schwärme ich. Blaster ist ein Turtok und gleichzeitig mein bester Freund. Er hat mich begleitet, seit ich ein kleines Kind war. Sein zustimmendes Grollen erfüllt die Stille. Ich streiche ihm sacht über den Kopf und sehe nach vorn über die Klippe, wo es hundert Meter in die Tiefe geht. Dahinter erstreckt sich ein endloser Wald. Ein Blick über die Schulter zeigt mir, dass es da ähnlich aussieht. In der Ferne erkenne ich die Berge, in denen die Siegesstraße liegt. Dunkle Wolken hängen über dem Land und warten nur darauf, weitere Fluten auf uns niedergehen zu lassen. Ich lehne mich zurück und stütze mich mit den Händen auf dem nassen Stein ab.
Viel zu lange schien in den letzten Wochen die Sonne. Alles muss sich ausgleichen.
„Entschuldigung, könnten Sie mir helfen, junge Dame?“, fragt die Stimme eines älteren Mannes hinter mir. Ich drehe mich überrascht um. Wer verirrt sich denn so früh am Tag auf eine einsame Klippe?
Außer mir, meine ich. Eigentlich dachte ich, ich wäre allein. Der Mann hat eine Glatze und einen weißen Bart, ist zudem recht groß. Er sieht mich an und scheint meine Zustimmung zu erwarten.
Blitzschnell rekapituliere ich die letzten 24 Stunden. Gestern Abend hatte mich ein kleines Mädchen im Pokémoncenter von Vertania City um einen Gefallen gebeten, und ich hatte ja gesagt.
Ich muss meine Regel befolgen: Perfekte Balance.
„Nein“, sage ich dann, und wende mich wieder ab. Hinter mir ist es für einige Momente still.
„Sie wissen doch nicht einmal, worum es geht!“, beschwert der Alte sich. Ich nicke langsam.
„Das ist richtig. Meine Antwort ist trotzdem nein.“ Erneut kehrt Ruhe ein, dann höre ich verärgertes Gemurmel hinter mir. Schritte entfernen sich. Blaster grollt leise. Ich habe ein schlechtes Gewissen, das habe ich immer, wenn ich jemanden abweise. Das wird vergehen. Wie immer.
„Du kennst mich. Wenn ich einmal ja sage, muss ich danach nein sagen. So ist die Regel“, seufze ich, ziehe die Knie an und stütze das Kinn darauf. Dieses Mal klingt das Grollen zustimmend. Seit so vielen Jahren sind wir schon Partner, und wir haben gelernt, einander zu vertrauen. Bedingungslos. Es gibt kein Pokémon, das zuverlässiger ist als Blaster.
Der Wolkenbruch beginnt. Von einem auf den nächsten Moment rauschen Wassermassen biblischer Ausmaße auf uns herab. Binnen Sekunden sind meine langen Haare, mein Hemd und die Jeans komplett durchnässt. Blaster mag das Wasser genauso sehr wie ich und freut sich über jeden Regenschauer, den wir kriegen können.
Nach viel Sonne kommt genauso viel Regen. Nach einer guten kommt eine schlechte Tat. Wo Licht ist, ist auch Schatten. So funktioniert die Welt. Und so funktioniere ich.
Meine Gedanken kehren kurz zu dem Mann zurück. Zum Glück hatte das Mädchen gestern keinen allzu großen Gefallen eingefordert, sonst hätte ich den Alten womöglich auch noch beleidigen müssen. Ich gestatte mir keine weiteren Gewissensbisse und erhebe mich. Zeit für den Aufbruch.
Mit einem Handgriff packe ich den abgenutzten Rucksack, der neben meinem Felsen liegt, und schwinge ihn auf meinen Rücken.
Wenig später befindet Blaster sich sicher in seinem Pokéball, während ich an der Felswand hänge und daran nach unten klettere. Unser Weg fand an der Klippe ein abruptes Ende, und ich habe keine Zeit, um nach einer Umgehung zu suchen. Also muss ich den Abstieg wagen. Allerdings habe ich ein verdammt flaues Gefühl bei der Sache. In letzter Zeit hatte ich mehr Glück als Pech, und womöglich kommt bald der unausweichliche Ausgleich. Mit zusammengebissenen Zähnen spähe ich zwischen meinen Beinen hindurch nach unten. Es sind bestimmt noch mehr als fünfzig Meter bis zum Erdboden. Die Felswand ist außerdem ziemlich nass und rutschig, was mein Vorhaben erschwert.
Ich achte genauestens darauf, wo ich hintrete und wo ich mich festhalte. Meine Kraft verlässt mich nach und nach. Es wird Zeit, dass ich unten ankomme.
Als ich nach dem nächsten Stein greife, merke ich zu spät, dass er locker ist. Er löst sich und fällt. Meine Balance ist im Eimer. Dann rutscht auch noch mein rechter Fuß ab, weil ich mein Gewicht verlagert hatte. Es fühlt sich an, als würde ein Teil meines Bauchs an Ort und Stelle bleiben, während der Rest meines Körpers in die Tiefe stürzt.
Geistesgegenwärtig löse ich Blasters Ball von meinem Gürtel.
„Hydropumpe, schnell“, rufe ich, während ich weitere sechs Meter falle. Blaster materialisiert sich genau unter mir, ich kralle mich an seinem Panzer fest, während er die Kanonen gen Erdboden richtet und wartet. Wir fallen gemeinsam sogar noch schneller. Ich kneife die Augen zu und vertraue auf Blasters Intuition.
Fünf Meter über dem Erdboden feuert Blaster seine Hydropumpe ab. Wasserstrahlen, die so stark sind, dass sie sogar Stahl schneiden können, treffen den Waldboden und stemmen sich gegen die Fallenergie. Die vom Regen bereits aufgeweichte Erde spritzt in alle möglichen Richtungen. Der Gegendruck ist stärker als ich erwartet habe. Durch den plötzlichen Richtungswechsel knallt mein Kinn gegen Blasters Panzer. Ich rufe ihn kurz über dem Boden wieder zurück und lande mit den Füßen voran auf der Erde. Meine Trekkingstiefel versinken im Schlamm.
„Du hast mir das Leben gerettet...mal wieder. Danke.“
Zum Glück ist nichts weiter passiert, nur mein Kinn schmerzt. Der kleine Trick eben hat dafür gesorgt, dass mir nichts zugestoßen ist.
Erleichtert stoße ich die Luft aus. Ich wusste es. Der nächste Unfall war überfällig. Ohne meine Reflexe und die starken Kanonen von Blaster wäre ich hinüber. Wir sind ein wirklich gutes Team. Ich fühle mich lebendig und erfrischt, ohne dass ich sagen kann, ob das vom Sturz oder vom Regen kommt.
Auf einmal höre ich undeutliches Geschrei von rechts. Ich versuche, die Ursache ausfindig zu machen, kann jedoch nicht hinter die Felsnase sehen, die weiter vorn aus der Wand ragt. Ich renne los. Irgendjemand steckt in der Klemme.
„Das kann nicht sein Ernst sein“, murmele ich, als ich den Mann von vorhin erkenne, der sich mithilfe eines Bisasams an der Felswand abseilen wollte. Das Wesen steht oben auf der Felsnase, und anscheinend hat es nicht mehr genug Kraft, seinen Meister weiter festzuhalten.
„Zu Hilfe! So helft mir doch!“, schreit er, ganz offensichtlich in Panik.
Diesmal brauche ich gar nicht lange nachzudenken. Vorhin habe ich nein gesagt, darum werde ich ihm diesmal helfen müssen.
„Blaster, fang ihn auf“, befehle ich im Lauf, werfe den Ball mit Wucht nach vorn und sehe zu, wie Turtok genau unter dem Alten erscheint. Blaster schießt eine Aquaknarre nach oben, die den Mann auffängt, der im selben Moment den Halt verloren hat und gestürzt ist.
„Druck verringern!“ Nach meinem Ruf wird der Wasserstrahl immer schwächer, sodass der Mann langsam zu Boden sinkt.
„Noch einmal danke. Ruh dich aus“, sage ich, und rufe Blaster zurück.
„Ich danke Ihnen ebenso, junge Dame“, sagt der Mann, und kommt näher. Ich sehe zu ihm hoch und bemerke nun eine Narbe, die einmal senkrecht über seine rechte Wange läuft. Sein Atem geht schwer. Er muss den Schreck erst einmal verdauen, das sehe ich ihm deutlich an. Außerdem ist auch er jetzt klatschnass.
„Kein Problem.“
„Sie sind gar nicht so unfreundlich, wie ich dachte. Dabei trügt mich mein Gespür nur selten“, bemerkt er, und dann: „Wie heißen Sie? Ich bin Tom.“
„Mein Name ist Mathilda, und ich hatte keine Wahl. Wir müssen die Balance halten.“
„Reden Sie von Karma?“
„So in etwa. Nur noch einfacher“, erwidere ich, und lächele kurz.
„Sie sind eine mysteriöse Frau, Mathilda. Wollen Sie zur Pokémonliga?“
„Ja.“
„Haben Sie deswegen dort oben meditiert? Sie sahen aus, als könnte Sie nichts aus der Ruhe bringen“, sagt er mit ernstem Gesichtsausdruck.
„Nein. Ich muss weiter. Passen Sie auf sich auf.“ Mit einem kurzen Ruck ziehe ich den Rucksack ein Stück weiter hoch und wende mich zum Gehen.
„Halt! Warten Sie.“ Ich bleibe stehen und drehe den Kopf.
„Vielleicht gehen wir ein Stück zusammen. Direkt hinter dem Wald liegt ein Sumpf, durch den ich Sie führen kann. Ich komme aus der Gegend. Danach würde ich mich besser fühlen. Bei dem Regen ist es alleine nicht sicher dort.“
Ich erwidere nichts, nicke ihm aber dankbar zu, wobei mir eine der nassen Strähnen ins Gesicht rutscht. Mit der gewohnten Bewegung streiche ich sie weg.
„Mit dem alten Tom versinken Sie bestimmt nicht. Verlassen Sie sich drauf.“ Mir fällt ein, dass ich die erste Hälfte meines Wegs zur Pokémonliga allein zurückgelegt habe. Darum ist es nur logisch, nun für die zweite Hälfte eine Begleitung gefunden zu haben. Er ruft sein Bisasam zurück und wir laufen los.
Ich schweige, wie es meine Art ist, während er mir von seinem Enkel erzählt, der ebenfalls um den Titel des Champs kämpfen wird und den Tom anfeuern will. Einer redet, die andere schweigt – um keinen Preis will ich die perfekte Dualität des Augenblicks stören, während wir zusammen durch den verregneten Wald laufen.
Ich bin nicht unfreundlich oder freundlich, auch nicht gut oder böse. Ich bin das, was nötig ist, um meine Welt in Balance zu halten. Immer.
Der Schleier der Nacht legte sich über den Vertania-Wald, ein mächtiges Glurak war am Nachthimmel zu sehen. Auf seinem Rücken saß sein kleiner Sohn, Glumanda. Es überblickte den ganzen Wald auf dem Rücken seines Vaters und machte große Augen.
"Papa, was ist das für ein lustiger Ort da unten am Waldrand?"
"Das ist eine Menschenstadt, mein Sohn. Ein schlimmer Ort, an dem jeden Tag Verbrechen geschehen, sie sich gegenseitig umbringen und wir Pokémon wie Sklaven behandelt werden."
"Papa! Sei doch nicht so fies zu den Menschen, sieh nur! Sie feiern gerade ein schönes Fest! Da ist ein großes Lagerfeuer auf dem großen Platz da!"
Glurak spähte hinüber zu der tanzenden Ansammlung von Menschen. Er musste fast Feuer speien, denn es war kein Fest der Freude, sondern eine Hinrichtung durch Feuer, an der sich zahlreiche Menschen ergötzten. "Wie krank diese Wesen doch sind.", dachte sich Glurak.
Mit einem kräftigen Rumms setze das Glurak auf der Erde auf. Glumanda purzelte von seinem Rücken herunter und kicherte.
"Du, Papi, ich bin müde. Können wir endlich in die Höhle gehen und schlafen?"
"Ja, mein Kleiner. Aber, sag mir, woher glaubt du zu wissen, dass die Menschen gut sind?"
Glumanda trottete gemütlich in die Höhle, während Glurak mit mächtigen Stampfern ihm folgte.
"Aber... keine ganze Art ist doch von Grund auf böse, oder? Das arme Banette von nebenan zum Beispiel! Es wollte nur spielen, aber die kleinen Menschen ließen es zurück! Jetzt ist es doch nur traurig und will jemandem zum Spielen haben!"
Aufgrund der Naivität seines Sohnes lachte Glurak.
"Und, sag mir, sind dann nicht die Menschenkinder, die das arme Banette zurückgelassen haben, die Bösen?"
"Nein! Natürlich nicht! Ich meine... ich verliere auch oft meine Spielsachen! Aber ich bin deswegen doch nicht böse! Oder?"
"Junge, eines Tages wirst du es wohl leider an der eigenen Haut spüren müssen, dass die Menschen böse sind. Du musst wohl deine eigenen Erfahrungen machen."
Das Glurak brüllte und Glumanda quiekte verschreckt auf. Glurak lachte abermals.
"Huch, ich bin wohl wirklich müde, hoffentlich habe ich dich nicht erschreckt."
"Nein, nein, ist schon in Ordnung, Dad", sagte das Glumanda und kroch hinter dem Felsen hervor, hinter dem es sich versteckt hatte.
"Gute Nacht, Dad. Und du, Papa?"
"Ja, mein Sohn?"
"Die Menschen sind nicht böse... sie sind gut."
Am nächsten Morgen ging die Sonne gerade auf, als ein kleiner Wassertropfen von der Höhlendecke auf die Nase des kleinen Glumandas fiel. Sofort sprang es auf, versuchte es sich wegzuwischen und machte danach ein angewidertes Gesicht. Als es die Augen jedoch wieder öffnete, war es verwundert. Es sah Glurak nicht. Schnell schaute es sich in der Höhle um, doch auch da war sein Vater nicht aufzufinden.
"Bestimmt ist er Beeren sammeln gegangen", dachte sich das kleine Feuerpokémon und ging frohen Schrittes aus der Höhle.
Schlagartig fror sein Körper ein. Die Szene, die es da vor der Höhle, sah, ließ es erstarren. Glumanda erkannte den Rücken eines Trainers gegen das Morgenrot, in seiner Hand warf er einen rot-weißen Ball, den das verängstigte Pokémon an eine Aprikoko erinnerte, hoch und runter. Noch schlimmer war aber das, was vor dem Trainer lag. Sein Vater, geschunden, zerfetzt und mit einem flehenden Blick in seinen Augen. Dieser flehende Blick des Wahnsinns traf das Glumanda hart und es konnte seine Augen nicht abwenden, von diesem Bild des Elends, das sich ihm hier offenbarte. Seine letzten Worte imprägnierten sich in das Gedächtnis des Glumandas: "Menschen... böse..."
Gluraks Flamme erlosch und dem kleinen Glumanda wurde schwarz vor Augen.
Doch halt! Was war das? Plötzlich verspürte das verwaiste Pokémon ein großes Feuer in sich auflodern, eine Quelle der unendlichen Energie. Sie durchströmte das kleine Pokémon, es leuchtete hell wie die Sonne und weiß wie der Schnee. Seine Form veränderte sich: Glumanda wurde zu einem Glutexo.
Wutentbrannt, mit nur einem Ziel vor Augen, richtete es seinen Fokus auf den Menschenabschaum, der sich inzwischen aufgrund der Lichtvorkommnisse umgedreht hatte.
Voller Wut gegen dieses Monster, das seinen Vater umgebracht hatte, sammelte es seinen gesamten Hass gegen diese Art und entlud es in einem gigantischen Inferno. Die Menschenbrut leuchtete hell auf, als die Flammenfront ihn traf und bei lebendigem Leibe verbrannte. Ein schriller Schrei ging durch den Wald und die Taubsis erhoben sich aus den Baumkronen, fliehend, vor dem Verursacher dieser Schreie, und vor dem schrecklichen Feuer, das sich nun ausbreitete.
Und das verzweifelte Glutexo?
Es weinte.
Der Himmel grollte. Im tiefsten Schwarz senkte sich die Wolkendecke herab, überdeckte den gesamten Himmel, raubte sämtliches Tageslicht, welches eben noch die belebten Pflasterstraßen der Stadt erwärmt hatte. In der Ferne hörte man ein tiefes, kräftiges Brüllen. Es schien von einem Pokémon zu sein.
Reyk schaute gen Himmel und runzelte die Stirn. Es kam schwacher, kühler Wind auf. Eben war es noch warm gewesen und nun wurde es kälter. Es fröstelte ihn, er rieb sich die Arme und ging weiter die Straße entlang. Diese bestand aus dunklen Pflastersteinen, welche ordentlich aneinandergereiht worden waren und nur selten irgendwelche Makel aufwiesen.
Hoch streckten sich die hell angestrichenen Häuser gen Himmel und bildeten so einen interessanten Kontrast zu der tief liegenden, dunklen Straße.
Kurzzeitig wurde es über Reyk noch düsterer, er hörte das Flattern von Flügeln in der Luft und blickte wieder hoch. Über ihm kreiste ein Glurak. Seine mächtigen, blauen Schwingen schlugen im Einklang mit dem immer stärker werdenden Wind. An dem Hals des Pokémons befand sich eine schwarze, metallene Kette, der vorne ein großes, rotes „R“ aufgedruckt worden war. Reyk holte einmal tief Luft. Das war Team Rocket. Er hoffte, dass das Pokémon alleine war.
Das Glurak riss sein Maul auf und zum Vorschein kamen ein Paar weiße, scharfe Zähne. Es brüllte noch einmal kräftig. Als es ausatmete, sprühten Funken umher und während Reyk dem Feuerpokémon in die Augen blickte, sah er, dass sie komplett rot waren und nichts mit den Augen zu tun hatten, die man normalerweise von diesem Pokémon gewohnt war.
Er erschrak. Um das Maul von Glurak sammelten sich Funken und wurden in kurzer Zeit zu einem hellen Glühen. Reyk sah gebannt zu, wie ein gleißender Feuerstrahl zwischen den Zähnen hervorschoss und das Haus ihm gegenüber in Brand setzte.
Das Stöhnen von brennendem Holz rechts von ihm zeigte ihm, dass er hier nicht stehen bleiben konnte. Er lief die Straße herunter und suchte Schutz unter einem Vordach, welches vollkommen aus hellgrauen Steinblöcken bestand und somit mehr Schutz bot, als ein Haus aus Holz.
Jetzt drangen auch andere Geräusche zu ihm durch. Das Schreien von Menschen, die verzweifelt versuchten, irgendwo Schutz zu suchen. Das Knistern des Feuers, wenn es seine Finger in das Holz grub und es gierig verzehrte. Es grollte irgendwo weiter südlich, ein heller Blitz zuckte über den Himmel und erhellte die Stadt für einen kurzen Moment. Es schien, als wollte das Wetter die momentane Situation noch unterstreichen und dramatischer erscheinen lassen.
Das Glurak schien total außer Kontrolle zu sein. Wütend schlug es mit den Flügeln und brüllte in den Wind hinein. Immer wieder spie es Feuer auf die Stadt, Häuser gingen in Flammen auf. Das fauchende Geräusch wurde immer lauter und mit ihm auch die Wärme um Reyk herum. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
Mit einem lauten Krachen knallte ihm ein brennender Holzbalken vor die Füße und er machte einen Satz nach hinten. Sein Herz raste. Wie wollte man das Pokémon wieder unter Kontrolle bringen? In den Augen von ihm stand immer noch extremer Zorn.
Die Bäume wiegten sich im Wind, sofern sie noch nicht von dem Feuer befallen worden waren. Spätes Herbstlaub wehte über die nun leeren Straßen. Er schaute wieder unter dem steinernen Vordach hervor. Der beißende Geruch von brennendem Holz schlug ihm entgegen und er musste husten. Ihm war nicht wohl bei der Sache. Aber so richtig Angst hatte er auch nicht. Denn seine Erfahrung als Trainer hatte ihn gelehrt, dass selbst das zornigste Pokémon wieder ruhig werden konnte. Er musste es nur irgendwie schaffen, Glurak vom Himmel zu holen.
***
Indes flog dieses Pokémon weiterhin seine Kreise. Es zerstörte. Das war die einzige Aufgabe gewesen, die sein Trainer ihm gegeben hatte. Es musste einfach nur zerstören. Chaos verursachen. Angst stiften. Unruhe hervorrufen. Und ja, es genoss es, als es sah, wie die Stadt in Flammen aufging. Es sah so schön aus. Der Kirchturm erschien ihn auf einmal wie eine riesige Fackel, welche angenehme Wärme bei diesem trostlosen Wetter verbreitete.
Das brennende Holz knackte, das Feuer fauchte. Glurak liebte es. So konnte es seine Macht demonstrieren, endlich zeigen, was es in all den Jahren gelernt und geübt hatte. Die Stadt brannte und es sah auch niemanden mehr, der auch nur annähernd versuchte, irgendetwas zu löschen. Das gab ihm eine gewisse Befriedigung. Es wusste, dass es seine Arbeit richtig erledigt hatte.
***
Der Wind wurde immer stärker und nach einem weiteren heftigen Blitz und dem dazugehörigen Donner, setzte der Regen ein. Dicke, schwere Tropfen fielen vom Himmel und klatschten auf Pflastersteine, als er dem Glurak weiter hilflos zusah, wie es die Stadt verwüstete. Alles, was in Jahrzehnten, ja Jahrhunderten hier aufgebaut worden war, war innerhalb weniger Minuten vollkommen zerstört worden.
Er war erleichtert über den Regen, denn auf die Dauer würde er mit Sicherheit die Feuer in der Stadt löschen.
Eine starke Windböe erfasste das Glurak. Aus seinem Unterschlupf, welcher ihn nun neben dem Feuer auch vor dem Regen beschützte, sah Reyk, wie Glurak in wenigen Sekunden vom Himmel gefegt wurde. Es schlug wütend mit den Flügeln gegen die Macht des Windes an – doch vergebens. Es schien, als hätte Glurak auf einmal keinerlei Kraft mehr, weil es so leicht durch etwas Natürliches bezwungen wurde. Das Pokémon krachte in die mittlerweile erloschenen Reste des Hauses, welches es zuerst in Brand gesetzt hatte.
Asche wirbelte auf. Der schwarze Rauch in der Luft vermischte sich mit der Asche und wurde zu einer Art Nebel, welcher durch den starken Wind immer wieder durchgewühlt wurde. Der beißende Geruch trieb Reyk Tränen in die Augen. Er fasste an seinen Gürtel, welcher unter seinem dunkelblauen Mantel verborgen war und zog einen kleinen Pokéball hervor. Er wischte sich seine nassen, braunen Haare aus dem Gesicht und entließ das Pokémon aus dem Ball. Es erschien das Mondpokémon Nachtara, welches ihm ungefähr bis zu den Oberschenkeln ging und helle Ringe zeichneten sich auf seinem nachtschwarzen Fell ab. Mit einem leisen Maunzen strich es um seine Beine herum und Reyk musste selbst in dieser absurden Situation lächeln. Nachtara hatte er bereits als Evoli bei sich gehabt und es immer dabei, wenn er auf Reisen war.
Er kam unter dem steinernen Vordach hervor und war recht schnell durchnässt. Trotzdem ging er weiter zielstrebig auf das Glurak zu, welches dort in der Ruine des alten Holzhauses lag, umgeben von einer dünnen Aschewolke. Es hatte seine Augen geschlossen und an seinem rechten Flügel war eine tiefe Schnittwunde, die stark blutete. Wahrscheinlich hatte er sie beim Aufprall erlitten. Reyk knirschte mit den Zähnen, als er das sah, blickte hinab zu Nachtara und meinte dann: „Könntest du bitte die Kette um den Hals entfernen?“ Seine stimme war rau, er hatte seit längerer Zeit nicht mehr mit irgendjemandem gesprochen und der ganze Rauch machte den Zustand seiner Stimmbänder auch nicht gerade besser.
Langsam näherte sich sein Pokémon dem Glurak, welches in dem Moment seine roten Augen wieder aufschlug, als Nachtaras Schweif gleißend aufleuchtete und es ihm entgegensprang. „Schnell!“, rief Reyk.
Glurak begriff, dass Nachtara einen Angriff startete. Jedoch war seine Reaktion sehr schleppend und ausweichen konnte es auch nicht, da es das Gesicht verzog, sobald es seinen rechten Flügel auch nur ein kleines Stück bewegte. Irgendwie tat Glurak ihm ja leid.
Nachtara setzte zum Sprung an. Reyk hoffte, dass es klappte und Glurak Nachtara nicht angreifen würde. Der Schweif seines Pokémons glänzte nun silber-metallisch. Mit einem gekonnten Vorwärtssalto durchtrennte es die Kette an Gluraks Hals, ohne diesen dabei zu berühren. Das Metall kreischte, als es zersprang. Es fiel in eine Pfütze und wirbelte Dreck und Asche auf, besudelte Reyks Hose. Reyk konnte in Glurak etwas beobachten. Wie sich sein Geist auf einmal weigerte, das zu akzeptieren, was er um sich herum sah. Wie es nicht wusste, wer nun Feind oder Freund war. Oder ob das hier überhaupt real war oder nur ein Traum. Das Rot verließ die Augen und machte langsam einem hellen Orange Platz, welches aber auch nach kurzer Zeit dem Blau der Iris wich. Diese Augen starrten Reyk nun argwöhnisch an, als wüssten sie noch nicht so recht, ob sie das glauben sollten, was sie sahen.
Der Trainer ging auf Glurak zu und kniete sich vor dem Pokémon hin. Es zuckte zusammen, als Reyk es an der Schulter berührte und etwas gegen die Blutung unternahm. Reyk merkte, dass Glurak innerlich große Probleme hatte, ihn nicht in Flammen zu setzen. Die Muskeln in den Armen spannten sich bei ihm an, als Reyk seinen Rucksack absetzte und einen Verband hervorzog, den er um die Wunde wickelte.
Das Feuer zischte und verlor langsam den Kampf gegen den starken Regen, der auf sie alle niederprasselte. Ein Blitz zuckte in der Ferne über den Himmel und erleuchtete kurz die Gegend.
Auf einmal entspannte sich das Feuerpokémon und atmete tief aus. In dem Moment wusste Reyk, dass ihn seine Erfahrung als Trainer nicht im Stich gelassen hatte.
Fröhlich spielten die Kinder in ihrem kleinen, gemütlichen Dorf. Sie rannten über die dichten Blumenwiesen, in denen es nur so von glücklichen Insekten-Pokémon wimmelte. Die Pokémon tanzten fröhlich durch die Lüfte, sammelten Nektar und sangen in den Wind hinein, der den Gesang der Pokémon und das fröhliche Lachen der Kinder bis in die Dorfstraßen leitete. Auf den Äckern arbeiteten die Erwachsenen mit der Gemüseernte, als gerade ein kleines Fischerboot an die Küste ankommt und ein Netz mit Fischen an Land bringt. Alles wirkte wie ein perfekter Tag im Paradies auf dem Land. Die Sonne schien, es gab nur ein paar kleine Wolken, die langsam in der angenehm kühlen Brise über den Himmel zogen und Schatten über die Landschaft warfen.
Am späten Nachmittag konnte man in der Ferne dunkle Wolken sehen, die sich langsam immer höher aufbauten und immer größer wurden. Später konnte man schon ein leichtes, kleines Donnern hören, aber dann war es Zeit fürs Abendessen, und alle gingen in ihre Häuser und aßen frischgeerntetes, saftiges Gemüse und schmackhaften Fisch, das sie unter sich aufgeteilt hatten. Während der Mahlzeit fing es an zu blitzen und zu donnern. Beim Abwaschen sahen sie das kräftige leuchten der Blitze durch die verschwommenen Fensterscheiben, gegen denen die Regengüsse platschten. Langsam wurde es den Bewohnern unwohl. Es gewitterte noch mehrere Stunden an diesem Abend, und es war schwierig bei dem Lärm der Naturgewalt einzuschlafen. In der Nacht wurde es jedoch wieder ruhig und die Sterne glitzerten am Horizont.
Am Morgen danach war der Boden noch immer durch die Regengüsse feucht und gesättigt. Die Sonne strahlte groß über den klaren, blauen Himmel. Es war sehr warm, noch viel wärmer als am vorherigen Tag. Die Sonne sog förmlich die Wassertropfen aus der Erde wieder heraus und riss sie mit zurück in den Himmel. Die Luft war schwül und heiß. Es folgte eine Tropennacht, und wieder eine und wieder. Niemand zählte mehr wie lange es her war, dass es geregnet hatte. Langsam wurden die Wasservorräte knapp und die Lebensmittel trockneten aus. Die saftige, hochgewachsene Wiese war braun und trocken. Von den Pokémon, die hier durch die Lüfte schwebten und fröhlich spielten, waren alle verschwunden. Die Luft war leer und ruhig. Man sah nur die brütende Hitze, die die Luft flimmern ließ. Selbst die Schatten waren nur dunkle Orte, die von der Hitze aufgeheizt wurden. Es gab keinen kühlen Ort mehr, und die Bevölkerung schwitzte ihre wenigen kühlenden Wassertropfen aus, die sie noch im Körper hatten. Sogar das Meer sah aus als würde es kochen. Wasser musste gespart werden, obwohl es kaum noch reichen würde, weder für Mensch noch Tier.
Trauer und Angst breitete sich aus wie eine Explosion aus den Wassertanks, als der letzte Wassertropfen verbraucht war und nichts mehr übrig war. Die Ungewissheit war groß, und auch wenn niemand mehr wirklich sprach, wusste jeder was die anderen dachten. Die Bewohner sahen verzweifelt und mit hoffnungsvollen Blicken dem Horizont entgegen. Sie wollten nur noch eins: Wolken, Regen, Wasser. Aber der Himmel blieb klar. Der strahlende, hellblaue Himmel und das stille, flache, heiße Meerwasser ließen sie an nichts anderes denken als frisches Trinkwasser. Erlösung kam auch in den paar darauffolgenden Tagen nicht. Es war eine Katastrophe. Die Kinder weinten und jeder dachte nur noch daran, dass sie bald durch die Hitze sterben werden. Sie gaben die Hoffnung auf.
Eines der Kinder riss sich zusammen und rannte mit aller Kraft auf seinen kleinen Beinen runter zum Strand. Er stolperte und weinte verzweifelt als er mit seinen nackten Füßen über den heißgebrannten Sand lief. Er wedelte mit seinen Armen über den Kopf und schrie raus aufs stille glitzernde Meer. Er rief schluchzend und voller Verzweiflung nach Hilfe. Seine wenigen übriggebliebenen Tränen liefen über die trockenen, zarten Wangen des Kindes und fielen sanft ins Meerwasser. Es hatte keinen Sinn. Die Dorfbewohner sahen traurig zum Strand, wo das Kind auf den Knien saß und weinte. Niemand konnte etwas tun, niemand konnte die anderen irgendwie aufmuntern.
Plötzlich bebte die Erde. Erst nur ganz sanft, dann ziemlich stark. Die Leute schrien vor Schreck und dachten, dass das nun das Ende war. Das Meer fing an sich zu bewegen und es dröhnte vor Kraft. Wasser sprudelte nach oben und wurde von etwas hochgedrückt. Das verwunderte und nervöse Kind am Strand sah etwas merkwürdiges, das sich langsam der Wasseroberfläche näherte. Es war ein mächtiges Rohr. Es schoss mit Schwung aus dem Wasser, sodass viele kleine Wellen entstanden. Ein lautes Knurren war zu hören und das Kind sah einen blauen, rundlichen Kopf. Plötzlich kamen noch weitere Köpfe aus dem Wasser geschossen, die allerdings von der Form her kleiner waren, als das mächtige Wesen in der Mitte. Verwundert und etwas ängstlich sahen die Bewohner auf das Meer. Niemand wusste, ob diese Wesen gut oder böse waren, und niemand wusste was sie wollten. Die Mutter des Kindes am Strand rannte verzweifelt zu ihm und machte sich Sorgen. Bedrohlich knurrten die Wesen laut in die Luft, und musterten die hoffnungsvollen Blicke der Bewohner. Sie blickten in den Himmel und aus ihren Kanonen am Rücken spritzten sie mächtige Wassermengen in den Himmel, der auf das Dorf, auf die Wiesen und auf die Äcker niederregnete. Die Bewohner lächelten, lachten und freuten sich über das Wasser. Nach Wochen wurde es endlich wieder nass und es regnete in Strömen. Der Himmel verdunkelte sich und es bildeten sich dunkle Wolken.
Heute erzählte nur noch eine alte, verstaubte, braune Wandmalerei von dem wohl wunderbarsten und zugleich mysteriösestem Ereignis der Stadt, die nun die Turtok als ihre Retter verehrten. Und bis heute regnet es immer zur selben Zeit, genau wie vor hunderten von Jahren, als die Turtok aus dem Meer kamen und ihre Wasserkanonen in den Himmel richteten.
Eine Spur der Zerstörung zog sich wie eine zittrige, symmetrische Linie durch das üppige Land. Vernichtete Nester, verbrannte Waldgebiete und Steppen reihten sich aneinander. An dessen Spitze sah man ein schwarzes Glurak, das unaufhaltbar vorwärts stapfte. Kaum jemand wagte es, sich ihm entgegen zu stellen - die meisten Pokemon flohen, sobald sie erfuhren, dass sich das Glurak in ihre Richtung bewegte. Die Wenigen, die versuchten, das Glurak aufzuhalten, wurden gnadenlos verbrannt und ausgelöscht. Niemand wusste, wieso das Glurak umherzog und alles in seinem Weg eliminierte. Viele besorgte Augen blickten zum Graufelsen - die Heimat der Feuerechsen.
Früher konnte man an Tagen mit klarem Himmel einige der roten Wesen um die Gipfelspitze kreisen sehen. Dies war nicht mehr der Fall, es gab keinerlei Lebenszeichen der Pokemon, die einst auf dem Felsen lebten. Der Graufelsen blieb, wie die Augen des Gluraks, still und dunkel. Regungslos. Nach einigen Tagen kontinuierlichen Laufens erreichte das Glurak den heiligen Wald, wo er von einem Turtok, einem Bisaflor und einem Raichu erwartet wurde. Gluraks zunächst überraschter Blick wurde wütend, als er erkannte, dass die Versammlung ihm den Weg versperrte. Es baute sich vor ihnen auf, spreizte die Flügel und brüllte. Als es sein Maul wieder schloss war es totenstill.
„Was wollt ihr?“, knurrte das Glurak. „Geht beiseite, sonst verbrenne ich euch, wie ich es mit Allem getan habe, was sich mir in den Weg gestellt hat“
„Wer bist du?“, fragte das Turtok. „Wieso bist du hier? Wieso ziehst du mordend durch das Land?“
Rote Flammen züngelten aus Gluraks Maul. „Ich nehme mir, was ich will“, schnaubte es. „Und lösche alles aus, was mich stört“
Das Bisaflor wandte sich an das Glurak. „Wieso? Wieso scherst du dich nicht um die Leben und Wünsche Anderer?“
„Wieso sollte ich? Ich bin golden auf die Erde gekommen und wurde dementsprechend von meiner Rasse verehrt. Ich verstand zwar nicht, wieso ich all diese Aufmerksamkeit bekam, doch man sagte mir, dass ich anders sei, edler als der Rest und dass ich eines Tages zu großer Macht kommen würde. Während meiner ersten Lebensjahre wurde ich, wenn auch gegen meinen Willen pausenlos bemuttert und musste für nichts arbeiten. Alle in meinem Umkreis machten es sich zum Ziel, mir ein ihren Vorstellungen entsprechendes, perfektes Leben zu ermöglichen. Dann kam der Tag der finalen Verwandlung. An jenem Tag sollte ich meine endgültige Form erlangen. Die eines mächtigen Kriegers! Nachdem die Verwandlung vollendet war und der Rauch sich gelegt hatte wichen alle, die sich früher um mich gekümmert und gesorgt haben zurück. Ich wurde nicht, wie von mir erwartet, zum goldenen Krieger sondern zu einem schwarzen etwas. Zu bösem Abschaum!“
Das Glurak hielt kurz inne und fletschte die Zähne. „Ich wurde verstoßen. Vielleicht wäre es für alle besser gewesen, wenn ich getötet worden wäre, jedenfalls wurde ich an einen unbewohnten Ort auf dem Felsen verbannt, an dem ich verhungern sollte. Ich hätte nicht dazu in der Lage sein dürfen, diesen Ort zu verlassen, da mich niemand das Fliegen gelehrt hat. Ich saß nun da, ohne jegliche Verständnis für meine Situation. Mein gesamtes Leben war bis zu diesem Zeitpunkt fremdbestimmt, ich verstand nicht, wieso man mich hasste oder was ich falsch gemacht haben könnte. Ich ging immer davon aus, dass ich etwas Besonderes war und jeder, der mich gefüttert und gelehrt hat, dies selbstlos und aus eigenem Antrieb meinetwegen tat. Niemand wurde dazu gezwungen, mich zu unterstützen und so brauchte ich mehrere lange Tage, um die einzige Regel der Welt zu begreifen. Jedes Lebewesen handelt aus rein egoistischen Gründen, um seine Ziele zu erreichen, wie auch immer diese gesetzt sein mögen. Alle meine ehemaligen Freunde hatten die Vorstellung, dass ich sie, bei korrekter Unterstützung zu großer Macht und einem besseren Leben führen konnte und dies war der einzige Grund, weswegen sie mir halfen. Was ich darüber dachte, war ihnen egal! Als ich dies begriff wurde ich rasend vor Wut. Diese Wut weckte die Kräfte, die mir innewohnten und ich grub und brannte mich durch das Gestein. Mein einziges Ziel bestand darin, mich an meinen Peinigern zu rächen.“ Glurak lächelte. „Nun, das tat ich. Ich wütete, bis der karge Fels schwarz und rot von Ruß und Blut war. Niemand überlebte. Und nun nehme ich mir, was mir zusteht und was mir so viele Jahre verweigert wurde: meine Freiheit!“
„Du Monster!“, schrie da das Bisaflor. „Wie kannst du Größenwahnsinniger es wagen, dich über das Leben Anderer hinwegzusetzen, nur um deine sogenannte Freiheit zu erlangen? Begreifst du nicht, was du da tust?“
„Was ich tue?“, antwortete Glurak. „Du beschränkte Pflanze, ich verfolge nur die Ziele, die ich mir gesetzt habe. Dies tust du auch, nur verfolgst du andere Ziele auf eine andere Weise. Du hast kein Recht, mich zu beschuldigen, ich tue dasselbe wie du!“
„Es macht keinen Sinn, mit dir zu diskutieren.“ Es war Raichu, welches nun sprach. „Durch deine Ignoranz hast du jegliches Recht auf Leben verwirkt.“
Das Glurak verzog sein Maul zu einem Grinsen. „Ihr wollt mich also aufhalten? Das wollte bisher jeder.“
Es streckte seinen Kopf in die Luft, spreizte Beine und Flügel und öffnete das Maul, in dem sich eine rotgoldene Feuerkugel gebildet hatte, um das Höllenfeuer auf seine Gegner loszulassen.
Heute erinnert man sich nur dunkel an jenen Tag. Die meisten Lebewesen sind sich einig, dass das Glurak damals keine friedlichen Absichten hegte und böse war. Aber... gibt es das? Gibt es Gut und Böse? Oder ist das auch nur eine Illusion unserer Habgier und Ignoranz? Entscheidet selbst.
Weit unten, in der Kanalisation Stratos Citys, führten lange, dunkle Gänge durch kaltes Wasser und modrigen Gestank in einen abgeschiedenen Raum. Dort versammelten sich die wohl schlimmsten Pokémon ihrer Art zum Treffen der Anonymen Bösewichte. Jedes von ihnen versprühte eine unheimliche Aura, welche einem beim bloßen Anblick das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Aus dem Dunkel des Raumes erklang ein seltsames Geräusch und es wurde still. Ein Mauzi, welches inmitten der Gruppe war, fauchte laut um den Fremden, der hineinschlenderte, zu verängstigen. Doch erfolglos. Das Glurak begutachtete es bloß mit einem kritischen Blick und ließ sich nicht weiter beirren. Beeindruckt von der Standhaftigkeit seines Artgenossen erhob das Mauzi seine Stimme:
"Wie es aussieht, haben wir ein neues Mitglied. Trete näher und stelle dich vor!"
"Mein Name ist Sour und ich war einst das gefürchtetste Glurak auf der Welt", begann es zu erzählen, doch ehe er weiterreden konnte, wurde Sour durch ein Schnauben unterbrochen. Ein in der Ecke lungerndes Snibunna blickte das mit Narben bedeckte Glurak an und meinte nur: "Das gefürchtetste Glurak? Das ich nicht lache! Jeder weiß, dass du eins von Giovannis Pokémon bist und vor einigen Monaten verschwandst."
Sour bedachte das Pokémon mit leeren Augen, sodass dieses ein leichtes Unbehagen verspürte und sein Haupt wortlos senkte.
"Es fing alles an, als ich noch ein junges Glumanda war", fuhr er fort. "Mein Vater war das stärkste Glurak in der Gegend und jeder fürchtete sich vor ihm und seiner Kraft. Eines Tages wurde ich von meiner Familie getrennt und von Team Rocket gefangen genommen. Alle gefangenen Pokémon wurden Giovanni vorgestellt. Er stellte damals ein neues Team für sich zusammen, welches ihm bei der Suche nach Mewtu helfen sollte."
Eins der vielen Rohre, welche durch die Kanalisation führten knarrte und ein großer Tropfen fiel inmitten die Gruppe.
"Dort waren so viele starke und große Pokémon und ich kleines Glumanda dazwischen. Doch aus irgendeinem Grund wählte Giovanni mich aus, womit mein Training begann. Es war hart und anstrengend, aber im Gegensatz zu Vater, ermutigte Giovanni mich immer wieder, sodass langsam in mir das Verlangen wuchs, das Pokémon zu werden, welches er sich wünschte. Die Jahre vergingen und ich entwickelte mich zu Glutexo und schließlich nach harter Arbeit zu Glurak."
Die Gruppe blickte sein neustes Mitglied an und das große, allem Anschein nach schon ältere Caesurio, sprach Sour an: "Ich hoffe dir ist bewusst, dass das hier ein Treffen für Anonyme Bösewichte ist und bisher hört sich deine Geschichte nun ja ... nicht sonderlich bösartig an."
Ein breites Grinsen zog sich über Sours Gesicht.
"Du hast recht", antwortete er. "Aber hier fängt meine Geschichte eigentlich erst an. Zu Beginn wusste ich nicht, dass das, was ich unter Giovannis Kommando tat schlecht war. Ein paar krumme Dinge hier und da. Was sollte es schon für einen Schaden anstellen, dachte ich. Doch die Aufgaben häuften sich. Mal in ein Kraftwerk einbrechen oder Geld eintreiben. Oft habe ich Botengänge erledigt, meine Muskeln spielen lassen und andere eingeschüchtert, wodurch ich mir über die Jahre einen Namen machte. Die Drecksarbeit für Giovanni zu machen, war genau mein Ding. Viele andere seiner Pokémon, die er dafür ausgesucht hatte, hatten einfach nicht den Mumm dazu. Dennoch waren das längst nicht die schlimmsten Dinge, die ich für ihn mit voller Leidenschaft getan habe.
Wie ihr vielleicht wisst, war Giovanni sehr lange der Arenaleiter Vertania Citys. Doch was ihr sicherlich nicht wusstet, ist, was er, oder besser gesagt wir, dort mit den Trainern angestellt haben. Um ihn herausfordern zu können, mussten die Trainer diverse Aufgaben und Ebenen meistern. Darunter gegen die stärksten Mitglieder Team Rockets kämpfen, die sich als einfache Trainer ausgegeben haben. Bei den anderen Aufgaben hingegen, handelte es sich um Herausforderungen, die das Band zwischen Trainer und Pokémon auf die Probe stellten. Giovanni war immer auf der Suche nach den besten Pokémon.
Hatte man alle Aufgaben und Ebenen gemeistert, was wirklich selten vorkam", kurz räusperte Sour sich, fuhr jedoch direkt danach fort. "Dann kam ich endlich ins Spiel. Kein Kampf verlief fair. Ich habe Pokémon als auch deren Trainer angegriffen und oftmals verletzt. Giovanni gab den Trainern dann die Wahl, die Arena unversehrt zu verlassen, sofern sie ihre stärksten Pokémon daließen. Der Lohn dafür war der Erdorden, der, wie ihr vielleicht wisst, damals als nahezu unerreichbar galt. Wenn sie ablehnten, hatten sie immer noch die Möglichkeit uns ein weiteres Mal herauszufordern.
Natürlich haben so gut wie alle Trainer meistens aus Angst, aber auch des Ruhmes wegen, ihre Freiheit gewählt und ihre Pokémon zurückgelassen, sodass wir sie gefangen nehmen konnten."
Das Glurak blickte in die Runde der Anonymen Bösewichte, doch sie konnten klar erkennen, dass es gedanklich ganz weit weg war. Die Gruppe jedoch schien überrascht, nahezu geschockt von dem, was sie von Sour erfuhren. Denn egal wie viel Böses sie in ihrem Leben angerichtet haben, einen Trainer von seinem Partner zu trennen gehörte zu den schlimmsten Vergehen. Vor allem in der grausamen Art und Weise, wie Sour es getan hatte. Keiner machte einen Mucks, als das Glurak mit seiner Geschichte weiterfahren wollte. Mit gebannten Blicken lauschten sie weiterhin seinen Worten.
"Eines Tages kam ein Trainer mit seinem Pikachu, ganz anders als alle anderen die ich bisher gesehen hatte. Er sah aus wie ein Trottel, wie ein Niemand, den man nicht wirklich ernst nehmen konnte. Über die Kameras beobachtete ich wie er zusammen mit seinem Partner Aufgabe für Aufgabe meisterte und Trainer für Trainer besiegte. Egal wie groß die Steine waren, die wir ihnen in den Weg legten, er und sein Pikachu blieben standhaft und es schien als würde dies nur ihr Band stärken, anstatt es zu trennen.
Schließlich kam es wie es kommen musste und wir standen dem Trainern gegenüber. Noch nie habe ich so eine Leidenschaft gespürt. Der Kampf war härter als zuvor und egal wie sehr ich die beiden verletzte, keiner von ihnen wollte aufgeben. Genauso wenig wie ich, denn eine Niederlage vor den Augen meines Trainers kam nicht infrage. Als Giovanni dem Trainer das übliche Angebot machte, reagierte der Trainer entsetzt und weigerte sich dieses anzunehmen. Lieber würde er sterben als sein geliebtes Pikachu zurückzulassen. Giovanni befahl mir etwas zu tun, was er zuvor noch nie von mir verlangt hatte. Er wollte das Band der beiden um jeden Preis trennen. So sehr mich die beiden faszinierten, ich tat was nötig war und griff sie so lange an, bis sich keiner von ihnen mehr auf den Beinen hielt. Auch ich war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der besten Verfassung, aber was mir den Rest gab war keine Attacke, nein. Es war, als ich meinen Flammenblitz auf das Pikachu einsetzte und der Trainer sich schützend vor dieses stellte. Giovanni ging wütend auf das Gespann zu, um das Pokémon zu packen. Mit meinen restlichen Kräften konnte ich noch sehen, wie sich diesmal das Pikachu vor seinen Trainer stellte und sich auflud. Dann fiel auch ich zu Boden und alles wurde schwarz."
Jedes der Pokémon stand jetzt, keins konnte sich mehr auf den Steinen halten, welche als Sitze herhielten.
"Und was ist dann passiert?", fragte das Mauzi mit vor Spannung geweiteten Augen. Die restlichen Pokémon nickten zustimmend.
"Was dann geschah?", fragte Sour. Sein Blick klärte sich, als sei er aus einem Traum erwacht.
"Ich bin in einem seltsamen Raum zu mir gekommen. Ich war allein, wusste nicht was passiert war. Von Giovanni und dem Trainer war keine Spur, als sich neben mir eine Tür öffnete."
Sours Gesichtsausdruck war nun anders als zu Anfang seiner Geschichte. Mit einem Lächeln im Gesicht sprach er:
"Ich weiß noch, wie ich mein Herz lautstark schlagen hörte und darauf wartete, dass Giovanni den Raum betrat. Mein Atem stockte als nicht er es war sondern der seltsame Trainer. Ich fauchte ihn an, doch er ließ sich nicht beirren und kam weiter auf mich zu. Ich war kurz davor ihn zu beißen, vielleicht sogar zu verbrennen, als er sich zu mir lehnte und sagte, dass er froh sei, mich wohlauf zu sehen. Es war nicht die Reaktion, welche ich von ihm erwartete nachdem ich ihm und seinem Partner doch so sehr zugesetzt hatte.
Die Wochen danach blieben die beiden stets an meiner Seite und kümmerten sich um mich. Es machte den Anschein als würde er die Seele eines Gluraks, meine Seele, besser kennen als alle anderen. In dieser Zeit hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und als es mir besser ging, entschloss ich mich in meine Heimat zurückzukehren.
Gut oder Böse? Kann es das eine ohne das andere geben? Und wo ist mein Platz..."
Die Gruppe sah sprachlos zu ihrem neusten Mitglied. Keiner von ihnen wusste was es sagen sollte, die Geschichte einfach zu unvorstellbar. Doch jeder von ihnen war sich sicher, das Glurak namens Sour, war das berühmt berüchtigte Glurak Giovannis, welches urplötzlich verschwand und wie es schien, hatte es seine Einstellung komplett geändert.
Eiskalte Regentropfen prasselten vom Himmelszelt auf den rauen Asphalt hinab und füllten die Straßen der Hafenstadt Marea City mit Wasser. Die beruhigenden rhythmischen Geräusche des Regens glichen einer Serenade, aufgeführt vom finsteren Abendhimmel unter Begleitung abgeschwächter Flutlichter, welche die hiesige Schiffswerft in einen leuchtenden Umhang hüllten.
„Weißt du, warum ich Regen so sehr mag?“, eine finstere Gestalt lehnte sich an einen der nassen Laternenmaste des Hafens an, rückte sein schwarzes Barett zurecht und betätigte ein matt leuchtendes Feuerzeug um die Zigarette zu entzünden, die er sich zuvor zwischen die gelben Zähne geklemmt hatte. Die flüchtige Flamme, die nun gemächlich die Zigarette verschlang, sah inmitten des Wolkenbruchs einsam aus. Das Tanzen der Glut war hektisch: Es wirkte so, als würde sie vergeblich versuchen den unzählbaren Regentropfen auszuweichen.
Der dunkel gekleidete Mann, der beinahe mit der finsteren Atmosphäre verschmolz, nahm einen tiefen Zug und blies Rauchringe in die schwüle Abendluft hinein. Sein Gegenüber, ein weitaus mehr exzentrisch gekleidetes Individuum, wedelte mit seinen Händen vor seiner Nase herum: Es war offensichtlich, dass die Person das Einatmen des Zigarettenqualms zu vermeiden versuchte.
Dies ignorierend setzte der andere Mann die Konversation fort: „Der Regen wäscht die Welt rein von dem Schmutz, der sie plagt. Wenn der Regen ein trockenes Blumenfeld begießt, dann schafft er neues Leben. Wenn er einen Insektenbau überflutet, dann zerstört er es. Der Regen sucht sich nicht aus, wo er fällt. Er ist weder gut noch böse, manchmal hilfreich manchmal hindernd. Niemand kontrolliert ihn. Er ist eine willkürliche Kraft der Natur.“ Die bärtige Gestalt gönnte sich einen letzten, tiefen Zug der Zigarette und schmiss dann die Kippe in die Strömung des Regenwassers hinein.
„In diesem Sinne unterscheidet sich der Regen ganz vehement von Menschen und Pokémon. Welches Lebewesen kann heutzutage noch ernsthaft von sich behaupten, dass es wahrlich willkürlich und unabhängig handelt?“
Das Tropfen des Regens wurde lauter. Die Gestalt ließ nun ihre zuvor verschränkten Arme hängen und offenbarte das Symbol auf ihrer weiß-silbernen Tracht: „TP“, ein blauer, blitzähnlicher Schriftzug inmitten eines zweigeteilten Schildes.
„Um dieses Problem zu lösen, bin ich dieser Organisation beigetreten. Das Besitzen von Pokémon ist in seiner Essenz nichts anderes als moderne Sklaverei. Pokémon haben ein besseres Leben verdient, frei von sogenannten Trainern, nach deren Pfeifen sie tanzen müssen. Team Plasma wird ihre Ketten sprengen.“
Der ältere, dunkler gekleidete Mann spuckte auf die Straße und schob sein Barett zur Seite, um dem Team-Plasma-Mitglied einen finsteren Blick zuzuwerfen:
„Bring mich nicht zum Lachen, Junge. Ich sprach nicht nur über Pokémon, sondern auch über Menschen. Menschen wie dich. Sag mir, was unterscheidet dich denn von den Pokémon, die du versuchst zu „befreien“? Bist du nicht auch nur eine Marionette, die nach der Pfeife seiner Vorgesetzten tanzt? Solltest du nicht erst darüber nachdenken, deine eigenen Ketten zu sprengen?“
Das Team-Plasma-Mitglied verengte nun seine Augen und verschränkte die Arme aufs Neue. Seine Körpersprache war ein Fenster zu seinem momentanen Innenleben: Unsicherheit. Der Mann ihm gegenüber atmete tief ein und lächelte zufrieden beim Anblick dieses Rückzugs.
„Hast du dich schon mal gefragt, ob die Pokémon, die du befreist, sich nicht so fühlen könnten wie du? Vielleicht mögen sie es ja, von einem Trainer kontrolliert zu werden. Vielleicht fühlen sie sich unter seiner Leitung sicherer als in der Wildnis, wo sie wie Sandkörner in der Wüste treiben. Vielleicht ist das, was du für Sklaverei hältst, eine wahre, blühende Freundschaft? Macht dich das nicht zu einem geblendeten Heuchler? Versteh mich nicht falsch: Team Plasma hat grundsätzlich gute Absichten, aber einem Trainer die Pokémon zu stehlen und damit einen potentiellen Bund der Freundschaft zu zerreißen, ist böse. Eure Organisation hat sich in ihren „noblen“ Absichten völlig verrannt. Wenn du nicht die exakte Inkarnation von dem bist, was du als Mitglied von Team Plasma aus der Welt schaffen willst – eine hilflose Marionette – dann sei mutig genug, um diesen Verband zu verlassen. Sei dein eigener Herr und entscheide selbst, was gut und was böse ist, anstatt bedingungslos Befehlen zu folgen, nur weil es leichtes Geld einbringt.“
Er legte eine kurze Pause ein, während er mit einer Hand im dunklen Mantel rumkramte. Daraufhin zog der Mann einen rostigen Schlüssel aus seiner Tasche hervor und überreichte ihn dem eingeschüchterten und sich offensichtlich unbehaglich fühlenden Plasma-Lakaien.
Der ältere Mann fasste sich ein letztes Mal ans Barett, sah seinem Gegenüber tief in die Augen und fragte leise „gut oder böse?“, bevor er sich, ohne auf eine Antwort zu warten, unheildrohend dem Ende der Straße zudrehte. Sein dunkler Mantel wehte im Regenwind und er verschwand langsam in der Finsternis der Nacht.
Nach dieser mysteriösen Begegnung wurde dem Team-Plasma-Mitglied ein wenig mulmig. Er würde lügen, wenn er behaupten würde, dass die Worte des alten Herren ihn nicht zum Nachdenken angeregt hätten. Er hatte sich noch nie die Zeit genommen, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Er hatte bisher wirklich nur das getan, was ihm befohlen wurde. Überzeugt davon, es sei gut.
Das war auch der Grund, warum dieses Treffen überhaupt stattgefunden hatte: Der nun nicht mehr anwesende, mysteriöse Herr war ein Kontaktmann für die heutige Mission gewesen. Der Schlüssel, den er überreicht hatte, war der Generalschlüssel für die Marea City-Werft, vor der sie sich getroffen hatten. Diesen benutzte das Team-Plasma-Mitglied nun, um das antik ausschauende, verkalkte Haupttor zu der Werft zu öffnen. Der Schlüssel drehte sich nur schwer im Schloss – der verrostete Mechanismus zog das schwerfällige Tor nach oben. Das laute Quietschen der Angeln und das Ächzen der stählernen Drahtseile durchbohrte die Stille der Nacht.
Im Inneren der Werft war es kohlrabenschwarz. Kein Licht brannte und man hörte nur das seichte Platschen von Wellen und das rhythmische Knarzen von Holz auf Wasser, was an auf- und abschaukelnde Boote erinnerte. Die Atmosphäre erschien unheimlich, aber gleichzeitig wundervoll still wie die ruhige See bei Nacht. Das Team Plasma-Mitglied konnte in dieser Finsternis nicht mal die eigene Hand vor Augen sehen. Anstatt länger im Dunkeln zu tappen, zog der Mann daher einen Pokéball hervor: Der Pokéball, der das einzige Pokémon, das wirklich ihm gehörte, enthielt: Glurak.
Ein leuchtend rotes Licht erfüllte plötzlich den Raum und ein riesiger Feuerdrache manifestierte sich inmitten der Dunkelheit. Die Glut seines massiven Schweifs entflammte und tanzte in der Luft wie Flügelschläge eines brennenden Phönix. Der soeben noch dunkle Raum war nun in ein warmes, orangenes Licht gehüllt, was die Schatten zurück in ihre Ecken vertrieb. Es offenbarte sich eine lange, gepflasterte Halle, an deren Enden Schiffe, die von Planen bedeckt wurden, im Wasser verankert waren. Das so eben gerufene Glurak stand am Eingang dieser Halle und wartete auf Befehle. Die Augen der Bestie richteten sich neutral auf ihren Trainer. Es wollte einfach nur wissen, was es zu tun hatte.
Das Team-Plasma-Mitglied ließ sein Glurak nicht warten und führte es durch die Halle, als wäre er ein Abenteurer, der eine dunkle Höhle mit Hilfe einer Fackel erforschte. Nach einigen Schritten blieb er stehen. Er vernahm schwaches Flüstern und Wimmern hinter einem der Tücher, welche die Schiffe verdeckten. Das Team-Plasma-Mitglied wusste, was sich hinter dem Vorhang versteckte. Schließlich war es der Grund, warum er zu so später Stunde zur Werft gekommen war.
Er zog die Plane zur Seite und enthüllte ein Boot mit vier Käfigen, welche bis zum Rande mit verschiedenen Pokémon gefüllt waren, die ängstlich zitterten und verstörte Blicke durch die Gitterstäbe warfen. Sie wurden von ihren Trainern gestohlen und sollten nun Team Plasma dienen. Bei diesem Anblick wirkte die Mission, Pokémon zu „befreien“, einfach nur pervers.
Der Inhalt des Frachters sollte heute Abend zum Hauptquartier gebracht werden. Doch dieses Mitglied plagte die Unsicherheit, ob Team Plasma wirklich gut gesinnt war. Zögerlich entbrannten in ihm Zweifel und er dachte an den alten Mann zurück. Als er die Pokémon betrachtete, wuchs diese Flamme langsam an und er gab Glurak den Befehl, die Gitterstäbe zu durchtrennen. Es tat wie ihm befohlen und öffnete sorgfältig die vier Käfige und die dabei befreiten Pokémon rannten aufgescheucht aus der Werft heraus in die Freiheit.
Erst als das letzte Pokémon seine Freiheit zurückerlangt hatte, bückte sich das Team-Plasma-Mitglied und verhüllte den Frachter wieder mit der dazugehörigen Plane. Danach verließ er mit seinem Pokémon das Gebäude, schloss die Tür der Werft und kletterte am Rücken seines Feuerdrachens nach oben, bis er sich an dessen Hals festhalten konnte. Das Glurak breitete seine Schwingen aus, hob ab und flog in die Nacht hinein.
Auf dem Weg durch den dunklen Himmel befahl das Team-Plasma-Mitglied seinem Glurak zu landen. Hier, am Rande von Marea City, befand sich sein Arbeitsplatz, ein hölzerner Bungalow, der äußerlich nicht wie ein Außenposten von Team Plasma aussah.
„Feuersturm.“
Glurak hinterfragte nicht den Befehl seines Meisters. Der Drache setzte das Gebäude in Flammen.
Das Feuer verschlang binnen Sekunden das gesamte Haus und selbst der starke Niederschlag konnte der Glut nichts entgegensetzen. So wie Regen beleben und töten kann, kann Feuer vernichten und reinigen.
Die Flamme, die dieses Haus verschlang, hatte sich ihre Aufgabe nicht ausgesucht: Sie war einfach nur ein Leuchtfeuer, das einen neuen Lebensabschnitt für das ehemalige Team-Plasma-Mitglied symbolisierte – inmitten der dunklen Nacht.
Feuer im Regen.
Gut oder Böse?
Sie starrte auf das Stück Papier, das in ihrer Hand lag. So fühlte es sich also an, wenn man die Trainerschule beendet hatte. Sie wusste nicht, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber dies hier war anders; seltsam. Sie war nicht erleichtert oder froh, fertig zu sein. Immerhin hatte sie sich freiwillig dazu entschieden, diesen Weg zu gehen und nicht einfach mit zehn Jahren und einem jungen Pokémon die Welt zu erobern. Doch jetzt stand ihr diese wieder offen. Und das machte ihr Angst.
Langsam ging sie auf die großen Türen zu, durch die sie dieses Gebäude so oft betreten hatte. Es fühlte sich an wie der Gang zum jüngsten Gericht. Dabei war nichts anders als sonst. In nichts unterschieden sich die blassen Gänge und die dunkelbraunen Türen von ihrem Aussehen an jedem anderen Tag der letzten Jahre. Und auch sie selbst konnte sich in den letzten zwei Stunden kaum verändert haben. War dieser Ort zu ihrem Feind geworden, jetzt da sie ihn verließ?
Gleißendes Sonnenlicht erwartete sie, als sie das Gebäude verließ. Nie wieder. Überall standen die anderen Schüler. Sie feierten und spielten mit ihren Pokémon. Wenn man wollte, bekam man eines zusammen mit dem Abschlusszeugnis. Sie hatte keins genommen. Sie wusste noch nicht, was sie von der Welt halten sollte. Der Wind ließ die grünen Blätter der Bäume rauschen und trug ein nur allzu bekanntes Brummen an ihr Ohr. Gleich links neben den großen Treppen, die zu den Türen führten, wartete Bisaflor auf sie. Loyal, geduldig und pünktlich wie immer. Nach all der Zeit konnte sie lächeln, als sie seine Gestalt sah. Es waren nicht mehr nur Trauer und Schmerz.
„Pass auf dich auf, Ellie. Bisasam und ich werden die Welt erobern. Denn es gibt nichts Besseres.“
Sie warf einen letzten Blick zurück zum Schulgebäude. Es war wie eine zweite Heimat für sie geworden. Jeden Tag war sie hergekommen und hatte mit ihren Klassenkameraden gelernt. Dennoch war sie alleine geblieben. Aber das war schließlich ihre eigene Schuld. Vom Haus aus wanderte ihr Blick über die vielen Grüppchen, die sich gebildet hatten. Sie alle standen auf der anderen Seite der Treppen und bildeten eine seltsame Einheit. Eigentlich gehörte sie dazu. Aber sie ging nicht hin. Da traf ihr Blick den eines Jungen. Er war ihr Nachbar und immer schon offener ihr gegenüber gewesen, als andere es waren. Er lächelte sie an, löste sich aus der Einheit und kam zu ihr und Bisaflor.
„Hey, ich hab dich noch gar nicht gefragt, wie dein Zeugnis war. Bist du zufrieden?“
„Ja“, antwortete sie, auch wenn sie sich nicht ganz sicher war, ob das stimmte. Allerdings war es kein schlechtes Zeugnis. Im Gegenteil, es war wohl eines der besten, nachdem sie ihre ganze Zeit damit verbracht hatte, sich mit Lernen abzulenken.
„Und? Gehst du jetzt auf Pokémonreise? Mit Bisaflor?“
Er meinte es nicht böse. Ganz sicher nicht. Dennoch hätte sie ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Wie konnte er nur so etwas sagen? Wie konnte er nur …?
Sie atmete zweimal tief, um sich zu beruhigen. Er wusste es schließlich nicht.
„Vergiss es nie Ellie, die Welt ist gut zu dir, wenn du auch gut zu ihr bist.“
Sie war gut zur Welt gewesen. Und ihr Bruder genauso. Doch die Welt war nicht gut.
Sie schwieg zu lange für eine so einfache Frage. Und als sie schließlich etwas sagte, beendete es das Gespräch. „Nein.“ Ein Nein, das keine Erklärungen brachte und keine Fragen duldete. Es war ein Nein, wie es sicherer nicht hätte klingen und unsicherer nicht hätte sein können.
Sie drehte sich um und stieg auf Bisaflors Rücken. In seinem ruhigen Schritt ließ es das Schulgebäude und den Jungen hinter sich. Und mit ihnen sanken all die letzten Jahre in eine Erinnerung, die nie wieder real sein würde. Eine Zeit, die ihr etwas Sicherheit geschenkt hatte war beendet und vor ihr breitete sich die Welt aus. Eine Welt und ein Leben. Gut oder böse?
„Ellie, es war ein Unfall. Niemand hat daran Schuld.“
„Doch! Die Welt! Das Leben! Was auch immer. Sie haben ihn umgebracht.“
Die Welt war ein Mörder. Jeden Tag nahm sie unschuldigen Menschen das Leben. Und zahllose andere ließ sie einfach im Stich. Egal wie gut sie zu ihr waren. Ihr Bruder musste sich geirrt haben. Denn sonst wäre er jetzt hier.
Die Welt zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie lächelte Sonnenstrahlen. Sie lachte Windstöße und sang Gezwitscher und Rauschen. Sie ließ die alten Straßen, die Bisaflor entlang trottete, erstrahlen als hätte sie sich extra für diesen Tag herausgeputzt. Selbst die Häuser zu beiden Straßenseiten, von denen sie sich in den letzten Jahren auf ihren Wegen jeden Riss hatte einprägen können, ließ die Welt heute erscheinen wie neu. Sie tat so, als sei sie gut. Aber ihr konnte die Welt nichts vormachen. Sie wusste es besser.
„Ellie hör doch auf zu weinen. Du solltest raus gehen und die Welt erkunden. Sie steht dir offen.“
Sie hatte so viele Bücher gelesen und Filme gesehen, in denen die Hauptcharaktere nur darauf warteten, die Welt zu erkunden. In denen sie sich eingesperrt vorkommen, in ihrem Leben und alles dafür tun, endlich in die tolle Welt entfliehen zu können. Und jedes Jahr wieder konnte sie es bei den jungen Trainer beobachten. Jedes Jahr zog die Gruppe der Zehnjährigen los, um den weiten Weg zur nächsten Pokémonverteilung zu gehen. Zehn. Wie konnte man nur so junge Kinder in diese grausame Welt loslassen? In eine Welt die nur so tat, als sei sie gut, um im passenden Moment zuzuschlagen. Völlig überraschend, sodass man keine Chance hat, sich gegen sie zu wehren. Plötzlich ist da ein Abgrund. Du fällst. Du stirbst.
„Ellie, freu dich, -“
„Worüber?“
Als Bisaflor vor ihrer Haustür hielt, lag das alte Haus leer und verlassen da. Die blassgelbe Frontseite lag im Schatten. Es war, als hätte zumindest ihr Haus verstanden, dass die Welt nur ein Trugbild zeigte. Hinter den rot umrahmten Fenstern brannte kein Licht. Nichts bewegte sich. Sie hatte ihrer Mutter gesagt, sie würde erst in zwei Stunden kommen. Also arbeitete sie noch. Ein erleichternder Gedanke.
Sie schloss auf. Nach … waren sie hergezogen und hatten die Türen vergrößern lassen. Sie konnte nicht mal daran denken. Wenn sie daran dachte, würde sie nur wieder weinen. Auch wenn sich schon allein bei dem Gedanken daran, dass nun die Welt auf sie wartete, alles in ihr zusammen zog. Sie wollte nicht hinaus in die Welt. Aber das verstand keiner. Sie alle ließen sich täuschen.
Sie stellte Bisaflor eine Schüssel Wasser hin. „Danke, mein Großer“, flüsterte sie und ließ ihn alleine. Dann starrte sie aus dem Fenster. Nach einer Weile öffnete sie die Tür und trat hinaus in den Garten. Sie wusste, wenn sie die Augen schloss, würde sie ihren Bruder vor sich sehen. Sie wusste, wenn sie die Augen nicht schloss, würde sie die Welt vor sich sehen. Sie wusste, dass sie eine Entscheidung fällen musste. Sie wusste, dass sie weinte. Aber was sollte sie nur tun?
„Herr Lehrer? Ist die Welt gut oder böse?“
„Nun ja, ich würde sagen, wir leben in einer ziemlich guten Welt, Ellie.“
„Dann haben Sie sie noch nicht kennengelernt.“
Ein Schatten verdeckte die Sonne. War sie eingeschlafen, nachdem sie sich ins Gras gelegt hatte? Hatte sie sich in ihren Gedanken verloren? Sie konnte nicht sagen, ob nur eine Minute oder eine Stunde vergangen war. Jetzt stand auf jeden Fall der Nachbarsjunge über ihr und hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Ihre Augen fühlten sich noch feucht an, als sie nach der Hand griff. Hatte das Leben ihn geschickt, um sie zu demütigen?
Sie beide standen nur schweigend da. Für eine Ewigkeit oder nur für zwei Sekunden. Im Moment war beides dasselbe. Sie sah nur in seine Augen und versuchte so, die Welt um sich herum auszublenden. Doch das hatte noch nie geklappt. Die Welt wartete darauf, dass sie sich entschied, wie sie ihr begegnete. Dabei wollte sie der Welt gar nicht begegnen. Die Welt war grausam.
„Wenn Sie heute durch diese Tür gehen, dann liegt Ihnen die Welt zu Füßen.
Vor allem Ihnen, Ellie.“
„Die Welt kann dir gar nichts.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber seine Worte hallten lauter in ihr, als jeder Donner es je gekonnt hatte.
Sie sagte nichts.
„Ich habe das Bisaflor erkannt. Das beste Pokémon des Champs. Ich weiß von dem Unfall. Ich kenne die Geschichte.“
Ihr Herz stockte. Erst als sich ein Druck um ihre zitternde Hand bildete, merkte sie, dass er sie noch nicht losgelassen hatte.
„Du bist nicht alleine.“
Sie würde eine Entscheidung treffen. Doch die Welt würde nicht siegen.
„Ellie? Würdest du mich auf meinen Reisen begleiten?“
„Ist die Welt gut oder böse?“
„Jack, der Champ, sagte immer, die Welt sei gut zu dir, wenn du gut zu ihr bist. Aber das weißt du ja sicher.“
„Mein Bruder ist in diesem Glauben gestorben.“
„Ich glaube immer noch daran. Für mich. Für ihn. Und du?“
„Ja, ich werde dich auf deiner Reise begleiten.“
Ich möchte gar nicht erst mit einem stilistisch pompösen Einstieg beginnen, das wäre der Sache selbst nicht würdig und würde mich persönlich wohl eher an die amateurhafte Erzählung eines Teenagers erinnern. Derartige Ausflüchte sind in Geschichten aus den letzten Jahrhunderten besser aufgehoben, nicht aber in unserem aktuellen und doch sehr formlosen Zeitalter. Überhaupt, wenn man über ein derartiges Ereignis erzählen möchte, fände ich es fast schon unverschämt, würde man nicht nüchtern und logisch an die Sache herantreten. Meine Mentoren pflegten immer zu sagen, ich solle mir ein rationales Bild über die Welt bilden, stets meine eigene Position in Frage stellen und meinen Geist konstant weiterentwickeln. Ich hätte mir das häufiger zu Herzen nehmen müssen, dann wäre ich wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht als tot zu betrachten.
Eigentlich will ich gar nicht hier sein. Für Außenstehende durchaus verständlich, schaut man sich meine missliche Lage an. Aber das ist es nicht. Ich möchte dies hier nicht schreiben. Aber ich muss es tun. Genau, ich muss. Der Menschheit zuliebe. Wenn auch nur die kleine Chance besteht, dass diese Aufzeichnungen gefunden werden, verstanden werden, weitergereicht werden.. Vielleicht lernen sie daraus.
Ich will Ihnen zunächst ein grobes Bild dieser Epoche zeichnen, sollte dies hier spät gefunden werden. Nachdem G-Cis es schaffte, eine neue Eiszeit hervorzurufen und sich selbst zum Diktator über das neue und erkaltete Einall machte, dauerte es es ganze sechszig Jahre, bis eine Untergrundbewegung es schaffte, ihn zu stürzen. Die Menschheit machte in dieser Zeit beeindruckende neue Entdeckungen und entwickelte immer stärkere Waffen, die Fronten verhärteten sich und das Wettrüsten begann, ohne dass es einen ersichtlichen Sieger gab. Es glich einem Wunder, dass es nicht zu einem Weltkrieg kam. Man sollte meinen, dass nach der Diktatur endlich eine friedliche Zeit anbrechen sollte, aber dem war nicht so. Nach der Revolution gab es Mächte, die in ihrer Meinung grundverschieden waren, natürlich wollten alle Parteien die Zukunft des Landes bestimmen. Was normalerweise in eine Demokratie münden sollte, führte letztendlich zu noch mehr Krieg und teilte das Land schließlich in 4 Segmente, in dessen Zentrum es eine kleinere, neutrale Zone gab. Während um die Zone also immer mehr Schlachten ausgefochten wurden, Menschen wie auch Pokémon starben und sich Armut ausbreitete, wurde in der neutralen Zone selbst krampfhaft versucht, Friedensverhandlungen durchzuführen, im Regelfall ohne Erfolg. Ganze hundert Jahre Leid und Schmerz wirkten sich natürlich nicht gerade positiv auf die soziale Kultur der Menschheit aus. Je weiter der Konflikt voranschritt, desto mehr verloren die Menschen den Bezug zu den Pokémon. Wie auch sollten sie eine Bindung zu ihnen aufbauen können, wenn sie doch jeden Tag um ihr Überleben kämpfen mussten und man in einer komplett antisozialen Welt aufwächst. Diejenigen, die die Kunst, ein Pokémon zu führen, noch beherrschen, das sind Wenige. Und ich bin einer davon.
Wir wurden als Waffen missbraucht. Niemand fragte sich, woher die "Pokémon Corporals", so nannten sie uns, eigentlich ihre Gabe hatten, stattdessen wurde uns das letzte bisschen Menschlichkeit auf dem Schlachtfeld ausgehaucht, nicht selten führten viele Dienstjahre letztlich dazu, dass die Pokémon ihrem Meister nicht mehr gehorchten. Nach und nach wurden die letzten ihrer Art gebrochen. Sechs von zehn schaffen die ersten zwei Dienstjahre nicht, weitere achtzig Prozent verloren ihre Gaben später oder starben im Krieg. Ich kann von Glück reden, dass ich - die Gründe hierfür weiß ich selbst nicht - nicht in diese Statistik falle. Und ich kann von Glück reden, dass niemand über meine Herkunft Bescheid weiß. Der interessierte Leser fragt sich bestimmt bereits, welcher radikalen Partei ich angehöre. Nun, diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Offiziell bin ich beim Militär der Vereinigten Westlichen Ländereien, kurz VWL, tätig. Allerdings gehöre ich zusätzlich einer illegalen Gruppe an, die so wahrscheinlich nicht bekannt sein dürfte. Eigentlich sollte ich nicht hier darüber schreiben, aber ich rechne sowieso damit, dass dieser Konflikt schon lange zu Staub zerfallen ist, sollte dies gefunden werden. Es sind die UPR, Kurzform für United Pokémon Rebels, die mein wahres Zuhause darstellen. Wie der Name schon impliziert, gehören uns ausschließlich Pokémon Corporals an, die noch nicht durch das Militär gebrochen wurden. Wir koordinierten uns untereinander und trafen Absprachen, um Schlachten in bestimmte Richtungen zu lenken, natürlich stets in dem Bestreben, irgendwann Frieden zu erwirken. Auch meine Mentoren waren in dieser Gruppe und stets darum bemüht, Neulinge anzuwerben und in unserer Kunst zu unterrichten. Es wurde allerdings immer schwerer Nachwuchs zu finden und die Verluste waren zahlreich.
„Möchtest du an einer Aufklärungsmission teilnehmen?“, wurde ich in unserem Hauptquartier (das sich, nebenbei bemerkt, tief versteckt im Turner-Pfad befand) gefragt. „Höchste Priorität. Wir vermuten eine Bombe im Herz der neutralen Zone. Die Sprengkraft entspricht laut unseren Informationen mindestens 13 Kilotonnen TNT.“ Das war mal eine Hausnummer. 13 Kilotonnen reichen, um das komplette Zentrum Einalls in Schutt und Asche zu legen. „Wir vermuten, dass die KAE dahintersteckt, da sie bei den letzten Verhandlungen Kompromisse in Kauf nehmen mussten, die sie stark benachteiligten.“ Das stimmte. Zudem war die KAE als Nachfolgepartei von G-Cis Anhängern für derart radikale Einfälle bekannt. „Das Missionsziel ist einfach. Wir geben dir einen kleineren, ungefährlichen Sprengsatz mit, der vor der großen Bombe explodiert und Kupfer chemisch reagieren lässt. Für das Entschärfen der großen Bombe bleibt keine Zeit, weswegen wir sie so unschädlich machen müssen. Die Detonation wird nicht stark genug sein, um die andere Bombe ebenfalls zur Sprengung anzuregen, dafür wird sie aber die verbaute Technik versagen lassen. Die Bombe befindet sich direkt unter dem großen Sitzungssaal im Kapitol, unser Außendienst weiß bereits Bescheid, du wirst ungestört sein. Schnapp dir dein Glurak und lauf los, uns rennt die Zeit davon!“
Gesagt, getan. Ohne zu Hinterfragen. Glurak hatte seinen bionischen Anzug bereits angelegt, weswegen ich bequem auf seinen Rücken springen und die Strecke fliegen konnte. In der Zeit des Lesers sind Kampfanzüge wahrscheinlich ein Relikt der Vergangenheit, zu unserer Zeit waren sie hochmodern. Sie schützten die Pokémon vor dem Kugelhagel, verliehen Steigerungen in Sachen Schnelligkeit und Kraft, ohne dabei die Beweglichkeit einzuschränken. Nach circa 40 Minuten war ich mit meinem Pokémon im Sitzungssaal angekommen und gab entsprechendes Signal an meinen Missionsgeber. Es war still in dem komplett weißen Raum, nur von außerhalb hörte man gerade Geräusche einer Militärübung der VWL. Ein friedlicher Ort, schade, dass ich ihn gleich beschädigen musste. Der Sprengsatz selbst war klein und kompakt, ich breitete alles Notwendige auf dem großen Tisch aus und machte mich daran, ihn zu präparieren. „Du begehst einen Fehler, Junge.“ Ich fuhr herum und richtete meine Waffe auf den KAE-Soldaten, der aus dem Schatten getreten war. „Schau nicht so entsetzt. Ich bin hier, um dich zu warnen.“ „Und wovor, wenn ich fragen darf?“ „Bei dem Sprengsatz, den du anbringen willst, handelt es sich um eine Z-Bombe. Eure Organisation wurde infiltriert und arbeitet schon seit geraumer Zeit gegen den Frieden.“ „Warum sollte ich dir glauben? Ein KAE-Anhänger, der es wohl irgendwie geschafft hat, durch unser System zu schlüpfen und jetzt verhindert, dass ich die Bombe entschärfe.“ „Ich muss ehrlich sein, es gibt keinen Grund für dich, mir zu glauben. Aber wie du siehst, bin ich unbewaffnet. Und woher sollte ich wohl von der UPR wissen?“ Ich begann zu zweifeln, beschloss aber, ihm weiterhin nicht zu trauen. „Mach, dass du hier rauskommst, bevor ich Glurak auf dich ansetze.“ „*seufzt* Es hat wohl keinen Zweck. Ja, ich verschwinde, ich möchte schließlich kein Opfer dieser Explosion werden.“ Er stürmte aus dem Saal. Ich überprüfte, ob es weitere Sicherheitslücken gab, und setzte mich dann wieder an den Sprengsatz. Ein paar Minuten später zählte bereits der Countdown von 60 Sekunden herab. Ich beobachtete die Bombe aus sicherer Entfernung und verfiel in Gedanken. Sobald ich wieder im Hauptquartier bin, musste ich unbedingt Bericht darüber erstatten. 10 Sekunden. Aber es machte irgendwie keinen Sinn..
Z-Bomben sind eine grausame Erfindung der Menschheit. Nicht nur ist ihre Detonationswelle obgleich ihrer geringen Größe stark, sie reißen auch ein kilometertiefes Loch in den Boden und verteilen den Inhalt in der Luft. Ich und Glurak wurden von der Druckwelle erfasst, es gleicht glaube ich schon einem halben Wunder, dass der Anzug dieses Fiasko überlebte. Im letztmöglichen Moment umklammerte mich mein Pokémon und rettete mir so wahrscheinlich das Leben. Wir wurden zuerst stark nach oben geworfen, nur um kurz danach von dem entstandenen Unterdruck in das Loch gezogen zu werden. Zwar konnte Glurak den Fall gerade so abbremsen, dennoch wurde es schwer verwundet. Ein Steinschlag schloss uns beide in einer kleinen Höhle ein, die Felswand ist wahrscheinlich hunderte Meter dick. Das ist nun 3 Tage her und ich glaube nicht, dass uns noch jemand finden wird. Ich weiß nicht, wer uns verraten hat, ich glaube es ist auch besser so, wenn ich diese Frage mit ins Grab nehme. Ich hätte sensibler für das Unerwartete sein müssen, dann würde in Einall jetzt vielleicht kein Krater mit mehreren Kilometer Durchmesser klaffen. Wer definiert gut und böse? Wer sagt uns, ob wir zu der besseren Seite gehören? Selbst die Perspektive, die sich als objektiv beschreibt, ist wohl korrumpierbar.
Glurak wird immer schwächer. Die Flamme erlischt wahrscheinlich bald.
Stille. Nichts regte sich, nicht einmal der Wind strich durch die Baumwipfel. Hin und wieder hallte ein Knacken durch den nächtlichen Wald. Der junge Mann am Feuer sah den Funken nach, die hinauf gen Nachthimmel strebten, den Sternen entgegen. Wie gerne wäre er ihnen gefolgt. Unruhig beobachtete er die Schatten, die im Unterholz mit dem Mantel der Nacht verschmolzen. Er könnte schwören, dass dort etwas war und sich vor ihren Blicken verbarg. Der junge Krieger stieß die Luft aus seinen Lungen und ballte die Hand zur Faust. Warum mussten sie durch den Wald?
„Cizan, hast du immer noch Angst?“, spottete einer seiner Kameraden. Sein Gesicht wurde seltsam verzerrt durch den flackernden Widerschein des Lagerfeuers. „Wie oft soll ich es dir noch sagen, jemand wie du sollte sich nicht vor den Feen fürchten. Schon allein deshalb nicht, weil sie mehr Legende sind, als Wahrheit.“
Cizan zog sich die nachtschwarze Kapuze tiefer ins Gesicht. Er war wütend, weil er sich nicht in den Griff bekam. Aber der finstere Wald machte ihn nervös. Ein Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus. Nein, eigentlich sollte sich jemand wie er nicht fürchten. Außerdem hatte niemand sie gesehen, die Feen, die angeblich diesen Wald bewohnten. Aber so viele Reisende waren aus diesem Wald nie zurückgekehrt. Und keine Spur hatte sich je gefunden.
„Wir werden noch zwei Tage brauchen, bis wir die Ebenen erreichen“, stellte sein anderer Gefährte fest. „Wenn wir Taros abpassen wollen, müssen wir uns beeilen.“
„Hast du vergessen, dass sie einen Umweg nehmen müssen? Niemand geht durch diesen Wald, für eine Umrundung brauchen sie mindestens eine Woche. Da hilft ihnen ihr Vorsprung auch nichts“, warf der erste ein. „Also Cizan, noch zwei Tage, hast du gehört? Überlebst du das?“ Er lachte auf und sein Gelächter echote zwischen den Bäumen. Cizan sagte darauf nichts, sondern biss sich nur auf die Lippen. In Gedanken ging er zum dritten Mal die Flüche durch, die ihm sein finsterer Lehrmeister beigebracht hatte. Bei dem Gedanken an dessen unheimliche Gestalt fröstelte ihn. Aber er hatte sich entschieden. Und er würde es tapfer durchstehen, was auch immer auf ihn zukam.
Die Stunden verstrichen, während sich die Gefährten abwechselnd in eine traumähnliche Meditation vertieften, um neue Kraft zu schöpfen. Cizan hatte sich mittlerweile an die schattenhaften Traumbilder gewöhnt und tauchte gerade wieder aus ihren Tiefen auf, als es geschah. Hinter einem Wolkenschemen kam der Mond hervor, voll und leuchtend. Im selben Augenblick durchbrach ein seltsamer Laut die Stille. Es klang wie ein Lachen, vermischt mit Gesang. Wind kam auf und wehte etwas auf die Lichtung, wo die drei Reisenden rasteten. Knospen. Rosafarbene, frische Knospen.
„Die Feen“, hauchte Cizan. Sofort kehrte die Angst zurück. Sein Kumpan regte sich. Das Mondlicht ließ seine schwarze Rüstung glänzen. Dann hörten sie es alle. Das Lachen. Hässlich und klangvoll zugleich, in den verschiedensten Tonlagen. Die Bäume am Rand der Lichtung schienen sich zu teilen und dann erkannten die drei eine Gestalt – nein, zwei. Cizan erblickte den schlanken Schemen einer Frau und neben ihr einen größeren Schatten. Ein Dröhnen erklang und plötzlich flogen lange, dünne Ranken auf sie zu. Cizan reagierte schnell. Mit einer blitzartigen Bewegung riss er sein Schwert hoch und durchschnitt die Schlingpflanze mit einem gekonnten Hieb. Seine Begleiter rappelten sich auf und blockten den Angriff ebenfalls ab. Derjenige, der Cizan vorher verspottet hatte, erhob seine Stimme: „Vyari, du solltest aufpassen, mit wem du dich anlegst!“
„Ach, sollte ich das?“ Die Stimme, die vom Rande der Lichtung zu ihnen herüberwehte war sanft wie die Strahlen der Frühlingssonne. „Vielleicht sollte ich lieber dir diesen Rat geben, Onhyar.“ Der Angesprochene zog einen Stab hervor, an dessen Ende ein tiefroter Edelstein befestigt war. „Verschwinde, Fee! Du kennst meine Macht. Wenn du uns nicht in Frieden ziehen lässt, wirst du sie zu spüren bekommen!“
Die Frauengestalt bewegte sich auf sie zu und als sie aus den Schatten trat offenbarte der Schein des Feuers eine verführerisch schöne Dame mit langem, schwarzen Haar, das mit Blüten und Schlingen zu einer kunstvollen Frisur geflochten war. Einige lange Strähnen fielen lose herunter und waren so lang, dass sie auf dem Erdboden schleiften. Das Kleid der Fee bestand aus Blättern und Zweigen, Dornenranken und Blüten und vor allem vielen rosafarbenen Knospen.
„Dieser Wald gehört mir“, erklärte sie und ein bösartiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Wer ihn durchqueren möchte, muss dafür bezahlen.“ Der riesige Schatten trat an ihre Seite und Cizan staunte. Solch ein Wesen hatte er bisher noch nicht gesehen. Es sah aus, wie eine Mischung aus Pflanze und einer Art Echse, besaß ein riesiges Maul und auf seinem Rücken wuchsen tiefgrüne Blätter und eine gigantische exotische Blüte. Die Fee hatte kein Wort gesagt, doch plötzlich brüllte es auf. Sein Körper begann in einem leuchtenten Grün zu glühen und einen Moment später schossen dicke, stachlige Ranken aus dem Boden. Sie kamen von überall und peitschten auf die drei Männer zu.
„Du hast es nicht anders gewollt!“, schrie Onhyar über den Lärm der aus dem Boden brechenden Pflanzen hinweg. Er rief etwas in einer fremden Sprache und um ihn bildete sich eine irisierend schimmernde Sphäre an der die Ranken abprallten. Dann schloss er die Augen und murmelte: „Komm, Flammenatmer, mächtiger König. Komm hierher, denn ich rufe dich!“ Die letzten Worte schrie er in die Nacht hinaus.
Cizan schrie auf, als ihn eine der dornigen Schlingen traf, und taumelte zur Seite. Neben ihm ging sein Gefährte zu Boden. Mit einem verzweifelten Kampfschrei schlug er um sich, doch immer, wenn er eine der Ranken beiseite hieb, fuhr eine andere auf ihn zu, verpasste ihm blutige Striemen und zerkratzte seinen schützenden Panzer. Doch auf einmal schwoll sein Ruf an, wurde lauter und dröhnender. Überrascht verstummte der junge Mann, doch der Schrei hörte nicht auf. Er sah sich um und entdeckte am Himmel einen Schatten, der auf sie zukam und immer größer wurde. Cizan konnte nun die Kreatur erkennen, die mit einem dumpfen Beben auf der Lichtung aufsetzte.
Ein flammender Schweif, glühende Augen und ein orangefarbener, geschuppter Körper mit ausladenden Flügeln. Der Drache fixierte das Pflanzenwesen ihm gegenüber und brüllte herausfordernd. Seine Schwanzspitze loderte auf und sein Maul füllte sich mit Feuer. Cizan stockte der Atem. Er hatte gewusst, dass sein Meister mächtige Verbündete hatte, aber dass er ihnen solch einen starken Drachen schicken würde, hätte er sich nie träumen lassen. Onhyar musste eine wirklich hohe Position bei ihrem dunklen Herrn innehaben.
Die Fee schien verstimmt und über ihren Augen bildete sich eine steile Falte. „Du brauchst mehr, um mich in die Knie zu zwingen!“, rief sie und begann zu flüstern. Aus dem Unterholz kamen auf einmal die verschiedensten magischen Wesen hervor. Kreaturen, gemacht aus der Natur selbst, mit Blüten und Blättern, als hätte sich der Wald persönlich zum Kampf aufgestellt. Pfeile flogen aus dem Dickicht hervor.
Verdammt!, schoss es Cizan durch den Kopf. Die Fee hatte ihre Krieger mitgebracht. Wie sollten sie gegen diese Übermacht standhalten? Sein hilfesuchender Blick glitt zu dem Feuerdrachen. Dieser stürzte sich mit einem Grollen in den Kampf und umgab die drei dunklen Krieger mit einem schützenden Ring aus Feuer, vor dem die Pflanzengestalten zurückwichen. Die Erde erbebte unter ihnen, doch während die Menschen strauchelten und stürzten, erhob sich der Drache in die Lüfte und begann von dort aus, den Wald in Flammen zu tauchen. Cizan wusste, dass sie den Moment nutzen mussten. Er sprang auf und hieb mit dem Schwert nach allem, was sich durch die Flammenwand wagte. Seine Gefährten taten es ihm gleich und Onhyar schützte sie mit seinem magischen Schild. Über ihnen schwebte ihr Verbündeter und äscherte alles ein, was seinem heißen Atem nicht entkommen konnte.
„Wir müssen weg hier!“ Cizan hustete. Der Rauch des Feuers brannte ihm in den Augen und immer wieder erzitterte die Erde, als würde in ihr ein wildes Monster wüten.
„Wohin denn? Hier ist überall nur dieser verhexte Wald“, entgegnete sein Gefährte. Und Onhyar setzte hinzu: „Die werden uns nicht einfach gehen lassen. Wenn wir hier rauskommen wollen, müssen wir ihre Macht in die Knie zwingen.“ Wie denn? Dann werden wir sterben. Aber Cizan schluckte den Satz hinunter. Und während das Inferno um ihn wütete, stürzte er sich mit seinen Kumpanen in den Kampf.
Er durfte nicht aufgeben. Wenn die Feen gewannen, war er tot.
„Flordelis!“, knurrte die junge Trainerin, die Augen hatte sie zusammengekniffen und den Arm schützend vor der Hitze, die bei dem Aufprall der beiden Feuer-Attacken entstanden war, auf Augenhöhe gehoben. Kleinere Brandwunden zeichneten sich bereits auf ihren nackten Armen ab, doch an Aufgeben war für die Trainerin nicht zu denken. Das wusste auch ihr Gegner, der weiterhin mit erhobenem Kopf am anderen Ende des Kampffeldes stand und sie mit einem schelmischen Blick beobachtete. Er trug nur im Gesicht ein paar kleinere, schwarze Flecken, da das meiste von seinen Klamotten abgewehrt worden war. Doch, wohl wissend über den Ehrgeiz seines Gegenübers, fragte er selbstsicher:“Möchtest du wirklich nicht aufgeben? Sie dir dein Pokémon an und dann meines! Du hast keine Chance!“ Die Angesprochene, Serena, ließ die Arme fallen und sah zu ihrem Glurak, dem die Erschöpfung sichtlich anzusehen war. Sein Atem kam stoßweise aus seinen Nüstern geschossen und die Flügel waren in sich zusammengeklappt. Das Pyroleo, welches den Gegner für die Feuerechse darstellte, hingegen strotzte gerade zu vor Energie und Kampfeswille. „Vergiss es!“, rief die Trainerin dem Anführer des Teams Flare mit einer festen Stimme zu, „das Schicksal der Pokémon-Welt hängt von diesem Kampf ab, da werde ich ihn sicherlich nicht so einfach aufgeben!“ Flordelis schmunzelte nur und schloss kurz die Augen, bei deren Aufschlagen warf er den Arm schwungvoll nach vorne und schrie:“Nun gut, dann lass uns weiter machen! Pyroleo Schallwelle!“ Der Löwe duckte sich leicht und ließ den Schwanz wild hin und her schlagen, während er die befohlene Attacke auflud. „Glurak!“, rief die Trainerin den Namen ihres Partners um es aus seiner Starre zu erwecken, in der es verweilt hatte. Viel zu langsam, in den Augen in der Trainerin, setzte sich die Echse in Bewegung, breitete ihre Flügel wieder aus um sich in die Luft zu retten und somit der starken Attacke zu entkommen, doch der Löwe gab sich so leicht nicht geschlagenen. Mit dem geladenen Angriff vor dem Maul sprang aus der Hocke in die Luft, auf Höhe des Drachen, um die Attacke genau treffen zu lassen. Serena reagierte sofort:“Flammenwurf!“ Glurak gehorchte und schoss einen Strahl aus lodernden Flammen ab, in dem Moment antwortete das Pyroleo auch schon mit Schallwelle. Die Attacken trafen aufeinander und schienen vorerst gleichstark, doch der Flammenwurf wurde von Sekunde zu Sekunde dünner. „Rette dich!“, befahl die Trainerin der Feuerechse, als sie die Unterlegenheit ihres Partners erkannte. Das Glurak klappte die Flügel zusammen und ließ sich fallen, doch kurz vor dem Aufprall auf den Boden breitete es seine Schwingen wieder aus und flog tief über den Untergrund hinweg. Die Schallwelle traf indessen auf eine der eisernen Wände hinter der Trainerin, doch bis auf eine Beule hinterließ die Attacke keinen Schaden. „Nicht schlecht“, lobte der Anführer des Team Flare's Serena und klatschte in die Hände, der Schall dieses Geräusch hallte in dem fast leeren Raum einige mal zurück. Serena gab keine Antwort, sie knirschte nur mit den Zähnen. Dieser Kampf verlief alles andere als gut für sie, dabei hatte bisher doch alles so gut geklappt. Die anderen drei Pokémon ihres Gegners hatten für die starke Trainerin und ihre Partner keinerlei Probleme dargestellt, doch sein letztes stellte eine steile Hürde dar. Würde sie nun an dieser scheitern? Nach allem was sie bisher erreicht hatte? Zweifel packten die Trainerin langsam, doch sie hatte nicht die Chance lange nachzudenken, denn ihr Gegenüber befahl seinem Feuerlöwen bereits die nächste Attacke:“Knirscher, beiß dich an Glurak fest!“ Der Löwe rannte auf die Echse, die sich immer noch nicht höher in die Luft begeben hatte, zu. „Steig höher!“, rief Serena ihrem Kämpfer zu und starrte angespannt auf das verwüstete Kampffeld. Die Echse versuchte so hoch wie möglich hinauf zu fliegen, doch der Raum war oben bedeckt und so konnte das Glurak nicht in den unendlichen Himmel, der ihm Schutz vor der Attacke geboten hätte, aufsteigen, sondern nur bis zur Decke des Raumes. Das Pyroleo erreichte es jedoch problemlos und biss sich ihn dem Fuß des Drachens fest. „Du hast also vorgesorgt?“, knurrte die Trainerin, wobei ihr der Versuch erbost zu klingen nicht gelang und vor allem Verzweiflung aus ihrem Satz zu hören war. Ihr Gegner antwortete mit einem Lachen, welches Serena sich noch mehr anspannen ließ. „Versuch es abzuschütteln Glurak!“ Die Echse begann wild umher zu fliegen und mit dem Schwanz auf das Maul des Löwen einzuschlagen, doch ihr Gegner ließ nicht locker und verfestigte den Biss mit jedem Schlag nur noch. Leicht blutende Wunden bildeten sich auf dem Nasenbein der Großkatze, aber die Echse wurde sie trotzdem nicht los. Serena beobachtete die Situation verzweifelt, sie wusste nicht mehr was sie tun sollte. Sie hatte alle ihre Tricks ausgespielt, der Kampf war so gut wie verloren. Sie grub ihre stumpfen Fingernägel in ihre Handinnenflächen und ließ den Kopf hängen, ihr welliges, blondes Haar fiel ihr über die Schultern. „Es tut mir leid“, murmelte sie. Ihr Partner sah zu ihr, doch sie bemerkte es nicht. Kleine Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln und rollten ihr über das Gesicht. Als die Echse dies sah stieß sie einen drängenden Laut aus, welcher die Aufmerksamkeit seiner Trainerin erregte. Sie hob den Kopf und sah ihren Partner an, leichte Hoffnung schimmerte in ihrem Blick, als der Drache ihr zu nickte. Die Trainerin richtete sich wieder auf, festigte ihre Körperhaltung , als Zeichen des Kampfeswille, der sie beim Anblick ihres Partners und Freundes wieder gepackt hatte. Sie wusste, dass es aus dieser Situation nur einen Ausweg gab und so riskant er auch sein mochte, so sehr musste sie ihn nun nutzen. „Glurak, Flammenblitz!“, befahl sie knapp und die Echse begann sich, sowie den Löwen, der immer noch an ihrem Fuß hing, mit lodernden Flammen zu umhüllen. Der Plan ging auf, denn auch wenn sich der Drache mit dieser Attacke selber Schaden zufügte, so hatte das gegnerische Wesen keine andere Wahl als nun endlich loszulassen. Die Katze prallte auf den Boden, da sie nicht in der Lage war sich zu retten und blieb kurz, von dem Schmerz gelähmt liegen. Doch auch Glurak war nicht gerade glimpflich davon gekommen, die Erschöpfung zog an seinen Muskeln und zwang das riesenhafte Wesen dazu, zu landen, sonst wäre es wie ein riesiger Stein auf dem Untergrund aufgeprallt. Flordelis legte sich nachdenklich eine Hand an sein Kinn und musterte die verfeindeten Wesen, sowie die Trainerin des Drachen. Sie hatte es in der Tat geschafft für einen Ausgleich zu sorgen, doch es war noch nicht vorbei. „Pyroleo, erhebe dich wieder und setz Hyperstrahl ein!“ Als Serena den Namen der gefährlichen Attacke hörte, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Würde diese Attacke treffen stünde es nicht gut um sie und Glurak. „Glurak! Du musst etwas tun!“, rief sie, in der Hoffnung ihr Partner könnte ihre Niederlage verhindern, doch die Echse reagierte nicht. Sie hatte die Augen vor Erschöpfung geschlossen und ihre Muskeln gehorchten ihr nicht mehr, der Flammenblitz forderte seinen Tribut. „Gib jetzt bitte nicht auf!“, versuchte es die Trainerin und sah ängstlich zu Pyorleo, welches den Angriff fast fertig aufgeladen hatte. Da schlug die Echse ihre Augen plötzlich wieder auf und eine Art rote Aura umgab sie. Während sich das Glurak wieder in die Luft begab, loderte diese Aura um es wie hungriges, gieriges Feuer, welches nach mehr Holz ächzte um sich besser entfalten zu können. Serena erkannte die Situation und reagierte sofort, dies war der richtige Moment um die Mega-Entwicklung, welche sich aufgrund der Erschöpfung des Drachens bisher nicht ergeben hatte, durchzuführen. Sie streckte den Arm hoch das Symbol auf dem dicken Amreif, welchen sie zu jeder Zeit um ihr Handgelenk trug, leuchtete hell auf. Er sonderte ein gleißendes Licht ab und gleichzeitig umgab ihr Glurak eine hart Hülle, bestehend aus mehreren, glasartigen Scheiben. Nun wurde auch das Glurak von Licht umhüllt und als die Helligkeit abklang stand an seiner Stelle ein anderes Wesen, welches dem vorigen jedoch stark ähnelte. Es war ein schwarz, dunkelgrau gefärbtes Glurak an dessen Maul blaue Flammen loderten. An seinen Schultern waren blaue Auswüchse erschienen, die an Krallen erinnerten und seine Flügel waren um einiges gewachsen und die Abstände zwischen den einzelnen Partien hatten sich geweitet. „Okay, Glurak, jetzt machen wir Flordelis fertig und retten die Welt!“, rief Serena hoffnungsvoll, „Drachenklaue!“ Der Drache setzte sich in Bewegung und raste schneller als zuvor auf den Löwen zu, dieser hatte keinerlei Chance zu entkommen und wurde so von der Attacke erwischt. Nun war r es, der zittrig auf den Beinen stand und schwer atmete. Flordelis Miene verfinsterte sich schlagartig. „Wir werden nicht verlieren!“, brüllte er, dabei war die Wut deutlich aus seiner Stimme zu hören, „Pyroleo beende es mit Feuersturm!“ „Glurak antworte ebenfalls Feuersturm!“, befahl Serena ihrem treuen Partner. Beide Feuer-Pokémon schossen ihre mächtigen Attacken ab, der Aufprall wirbelte Staub auf, der sich, gemeinsam mit Funken und Asche der Attacken, über das Kampffeld und die beiden Trainer legte, die schützend die Arme erhoben hatte. Und als sich die Sicht auf das Kampffeld klärte, ging einer der beiden Trainer auf den Boden und schrie, da er sein Ziel nun nimmer erreichen konnte.
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