In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im Tab "Abgaben" geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr nahezu frei wählen könnt, wie ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.
Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Wer neben den Votes noch weitere Kritik für sein Werk erhalten möchte, aber kein eigenes Thema erstellen möchte, der kann dies gerne in unserem Feedback-Thema für fertige Texte tun!
Zitat von AufgabenstellungAuch Objekte haben Gefühle!
Was unternehmen Spielzeuge, wenn die Besitzer außer Haus sind? Was denkt das Haus auf der anderen Straßenseite, an dem du jeden Tag vorbei gehst, oder die mächtige Eiche, unter deren Zweigen du dich im Sommer ausruhst? In diesem Wettbewerb sollt ihr eine etwas ungewöhnliche Perspektive einnehmen: Die eines unbelebten bzw. nicht denkenden Gegenstandes! Schreibt eine kurze Geschichte aus der Sicht eines Objektes oder einer Pflanze und lasst uns an euren kreativen Gedanken teilhaben! Welche Situation oder welches Ereignis ihr beschreibt, ist euch freigestellt, solange sie aus Sicht eines Dings geschrieben ist, das normalerweise keine eigenen Gedanken hat. Pokémonbezug ist möglich, aber kein Muss.
Ihr könnt 6 Punkte verteilen, maximal 3 an eine Abgabe
ZitatAlles anzeigenID: [DEINE USERID]
AX: X
AX: X
Beispiel:
ID: 27258
A16: 3
A1: 5
A3: 1
A7: 1
A9: 2
Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 05.07.2015, um 23:59 Uhr.
[tab=Abgaben]
Deutsch: Die wahre Geschichte der Liebe
Barbie und Ken
Es ist ein sonniger Sonntagmorgen und Amelie hatte heute wieder mal Lust mit ihrer Barbie im rosafarbenden Kleid und der Ken Figur zu spielen. Wie fast jedesmal setzt Amelie Barbie und Ken nebeneinander an den Tisch und gießt beiden "Tee" ein. Amelie lässt beide immer als Paar da stehen, sowie sie es immer gehört hatte. Doch was denken Barbien und Ken darüber?
Barbie:"Jedesmal das selbe Spielchen, erst werde ich hier an diesen Tisch gesetzt, dann wird mir Tee versprochen, den ich nie bekomme, und dann auch noch diesen möchtegern Kerl namens Ken. Schau dir den doch mal an, so einen kann doch keiner lieben. Er hat weder ein gutes Aussehen, noch ein paar Muskeln. Ken sieht eher aus wie ein Milchbubi.... hoffentlich geht das hier schnell vorbei und ich habe wieder Ruhe."
Ken:" Hach, es wieder die tolle Zeit. Ich sitze wieder an dem tollen Tisch, neben der wunderschönen Barbie und kriege wieder diesen köstlichen Tee, welcher jedesmal irgendwie gleich schmeckt, und hach es ist einfach toll. Wenn ich Barbie nur anschaue, schwebe ich schon auf Wolke Sieben. Ihre tollen blonden Haare, ihre blauen Augen leuchten wie Diamanten und ihr tolles rosafarbendes Kleid. Ich wünschte, diese Zeit würde nie vergehen."
Doch der Frieden war nicht von langer dauer. Amelies Bruder, Tim, kommt ins Zimmer gestürmt und schnappt sich Barbie und läuft damit vor Amelie davon.
Barbie:" Und jetzt kommt auch noch der Dreikäsehoch von Bruder und möchte mit mir irgendeinen Unsinn anstellen. Kann es den noch schlimmer kommen?"
Ken:" Du Rüpel! Lass meine Barbie runter! Sonst werde ich dich in die Schranken weisen!"
Amelie rennt ihrem Bruder hinterher und holt ihn auch ein. Sie versucht Tim die Barbie aus den Armen zu reißen, doch ihr Bruder lässt sie nicht los und hält sie am Kopf noch fest. Die beiden ziehen und ziehen bis sich der Kopf von Barbie löst und jeder von beiden ein Stück Barbie in der Hand hält.
Ken kann das alles nicht fassen und würde am liebsten wegschauen.
Ken:" Wie-e-e..Wie können sie nur meine geliebten Barbie in zwei Hälften zerreißen?! Ich habe sie über alles geliebt und werde wohl nie wieder eine Frau so lieben können wie sie."
Ken würde am liebsten weinen, wenn er nicht eine Figur wäre. Tim wirft seiner Schwester den Kopf von Barbie zu und rennt aus dem Zimmer. Amelie steht kurz vor den Tränen. Doch bevor sie angefangen hätte zu weinen, fiel ihr noch etwas ein. Amelie hatte noch ein paar andere Barbie Figuren. Sie ging zu den anderen Barbies und nahm sich die mit dem schwarzen Kleid. Amelie setze diese Barbie neben Ken an den Tisch und spielte mit ihnen weiter wie zuvor.
Barbie:" Endlich hat sie mich mal ausgewählt. Jedesmal hat sie überlegt, welche Figur sie nehmen wollte und jedesmal hat sie die im rosafarbenden Kleid genommen. Die sieht doch in dem Kleid richtig dick aus und ihre Haare, komplett spröde. Was hat sich das Mädchen nur dabei gedacht, nie mich zu nehmen. Ich sehe toll aus, habe glatte, tolle Haare und bin sexy. Aber was mache ich eigentlich nun hier und wer ist dieser komische Milchbubi neben mir?"
Ken:" Bar...Bar..Barbie? Bist du das wirklich? Wie kann das sein? Dir wurde doch der Kopf abgezogen. Habe ich etwas geträumt und das gerade ebend war nur ein böser Albtraum? So wird es wohl sein. Aber Barbie hat ja heute mal ein anderes tolles Kleid an. Das steht ihr sehr gut, wie alles was sie an hat. Hach und ich dachte, ich müsste für immer unglücklich bleiben."
"Ey... Ey Kumpel, haste nen Moment?", fragte der Ball die Kiste, in der er sich befand, und rollte weiter an den Rand. "Ich brauch wen, bei dem ich mich ausheulen kann. Aber echte Bälle heulen nicht, heißt es immer. Und du bist von allen hier der, dem ich noch am meisten vertrauen würde."
"Mhm... Schieß los", brummte die Kiste.
"Da sprichst du schon einen Punkt an", sagte der Ball, "'schieß los'... Es ist kein besonders schönes Gefühl, immer und immer wieder geschossen zu werden. Es fühlt sich nicht sehr toll an, durch die Gegend gekickt zu werden. Ich bin es einfach satt, ständig mit Füßen getreten zu werden."
"Aber du bist 'n Fußball, es liegt in deiner Natur, dass die Leute dich treten und dann auch noch Spaß daran haben", brummte die Kiste. "Find dich doch einfach damit ab. Oder sieh's so: Du kannst Leuten damit eine Freude machen, dass du das tust, wozu du nun einmal gemacht wurdest."
"Aber warum muss ich unbedingt ein Fußball sein?", fuhr der Ball fort, "warum kann ich nicht so etwas sein wie... wie ein Sonnenschirm? Oder eine Kiste, so wie du? Warum muss ich ein Fußball sein, der nur dazu da ist, getreten zu werden?"
"Weil du nie damit zufrieden wärst, wer und was du bist. Wärst du ein Sonnenschirm, würdest du dich darüber aufregen, dass du immer in der prallen Sonne stehen musst. Und wärst du eine Kiste, dann würdest du dich darüber aufregen, dass du immer nur an einer Stelle stehst und dich niemand jemals für das, was du tust, würdigt, niemand mit dir spricht und niemand dich jemals wahrzunehmen scheint."
"Aber ich rede doch mit dir", sagte der Ball.
"Ja, du schon", sagte die Kiste. "Nach Jahren, in denen keiner auch nur ein Wort zu mir sagte..."
Da kam ein junger Mensch und holte den Ball aus der Kiste.
"Bis später, mein Freund", sagte der Ball zur Kiste.
"Bis später", antwortete die Kiste. "Ich werde da sein, wo ich immer bin."
Wenig später wurden auch die anderen beiden Bälle aus der Kiste geholt. Diese wurde in einen Kofferraum gestellt und weggebracht. Niemand brauchte eine alte Holzkiste, die jeden Moment auseinanderzubrechen drohte.
Wieder ist ein ruhiger Tag zu Ende. Die Sonne senkt sich allmählich hinter den Horizont, während sie den vor mir liegenden See in orangenes Licht eintaucht. Ich liebe mein Dasein als Stein.
Seit einer Ewigkeit liege ich hier herum, aber langweilig ist mir nie gewesen. Hier am See passieren immer wieder sehr interessante Dinge und ich bin immer dabei. Ich habe gesehen, wie Menschen hier zwei Meter lange Karpfen aus dem Wasser gezogen haben, wie Kinder hier ihre ersten Schwimmversuche unternahmen und immer wieder Seewasser ausspuckten, wenn sie mal wieder untergegangen waren, aber auch wie so manches Paar sich hier stundenlang mit den Füßen im Wasser verliebt angesehen hat. Und heute beobachte ich dieses Mädchen, wie es am Ufer sitzt und aufs Wasser schaut.
Schon als kleines Kind ist sie immer wieder an diesen See gekommen, nur um mit ihren nussbraunen Augen stundenlang das Wasser zu beobachten. Jahre sind vergangen, aber trotzdem kommt sie immer wieder hierher. Doch heute ist etwas anders. Wenn sie sonst immer verträumt und mit einem milden Lächeln auf den rosa Lippen ihren Blick schweifen ließ, kullern heute Tränen über ihre Wangen und das Lächeln ist verschwunden. Es ist ein trauriger Anblick. Liebend gern würde ich jetzt etwas Trost spenden, aber ich bin nun mal ein Stein, unfähig sich zu bewegen. Und sprechen kann ich ohnehin auch nicht.
Dann huscht auf einmal ein Schatten kurz über mich hinweg und ich sehe im nächsten Moment einen braunen Stiefel, der vor mir auf den Boden tritt. Ein Junge, etwa in demselben Alter wie sie, nährt sich dem Mädchen von der Seite, doch sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie bemerkt ihn nicht. Erst als der Junge ihr auf die Schulter fasst, realisiert sie, dass jemand neben ihr steht. Aber es scheint so, als wolle sie genau diesen Jungen gerade am wenigsten sehen. Ohne Vorwarnung steht das Mädchen auf und verpasst dem Jungen eine schallende Backpfeife. Dann schreit sie ihn noch an: „Ich hasse dich. Ich will dich nie wieder sehen!“ Danach läuft sie weg. Der Junge bleibt wie erstarrt zurück und hat den Mund offen. Es dauert etwas, bis er sich wieder rührt. Mit schnellen schritten geht er direkt auf mich zu. Dann bleibt er auch noch ausgerechnet vor mir stehen und ich kann den Lehm an seinen braunen Stiefeln sehen. Wichtiger ist aber , dass nun ein vor Wut hart gewordenes Gesicht genau auf mich hinabblickt. Dann beugt sich der Junge hinunter und hebt mich tatsächlich auf. All die Jahre wurde ich nie angefasst, doch jetzt ist es aus. Es hat etwas Makaberes, dass ich von schweißnassen Händen auf mein feuchtes Schicksal vorbereitet werde.
Ich höre den Jungen nur noch „Verdammt nochmal“ rufen und schon fliege ich in hohem Bogen durch die Luft. Während der See immer näher kommt, verschwindet die Sonne vollständig. Ich werde sie nie wiedersehen. Dann platsche ich ins Wasser und meine Reise ohne Wiederkehr beginnt. Ich sinke tiefer und tiefer in dem dunklen Wasser. Schließlich erreiche ich den Grund. Hier werde ich bleiben, bis der feuchte Sand mich bedeckt hat und ich weder das Mädchen, noch irgendetwas anderes jemals wiedersehen werde.
Ich bin ein Stein. Hehehe, der wird nie langweilig. Ich liege hier fröhlich rum und freue mich, an nichts denken zu müssen, anders als diese ganzen Menschen. Die sind unablässig zum Denken gezwungen, bah. Schrecklich. Ständig daran zweifeln, was man ist oder tut, ne, danke. Bin ich froh, dass ich nicht denken muss. Dann müsste ich mich ja auch immer fragen, was ich machen soll, dabei kann ich ja nichts machen. Pff, ne, Denken geht mir am Calcit vorbei.
Ich sollte-aua! Spinnst du, du Drecksbalg? Was fällt dir ein, mich wie einen Fußball-aua! Oh, Mist, jetzt bin ich vom Bürgersteig gerollt und-aaaaaaaah! Aua, aua, aua. Was musste es auch ein verfluchter Laster sein? Und jetzt läuft dieser freche Bengel über die Straße und-au! Geht das schon wieder los. Moment, was ist das? Nicht, nein, nicht in den Gully, nei-platsch! Das darf nicht wahr sein. Ich war ein friedlicher, kleiner Stein auf dem Bürgersteig, der nichts anderes wollte als seine Existenz mit ständigem Liegen zu verbringen. Und jetzt liege ich in den Abwässern von Dortmund.
Das ist ja ekelhaft. Also, das mit den Abwässern, meine ich. Gegen Dortmund speziell habe ich ja nichts, ist ja irgendwie meine Heimat.
Jedenfalls steht mir gerade die Sch... Äh, das Wasser bis zum Dolomit. Und nicht nur das: Hier gibt es diese dummen Tiere, die sich eigentlich gar nicht so stark von den Menschen unterscheiden: Ratten. Ein besonders großes, glühend-rotäugiges und nach Eiter stinkendes Exemplar fischt mich aus der Brühe und fängt an, auf mir rumzukauen. Das tut weh. Sehr weh. Um es präzise zu sagen, es ist kaum zum Aushalten, so sehr tut das weh! Ein irgendwie nagender Schmerz, könnte man sagen. Wenigstens wird die Ratte aber schnell feststellen, dass ich zu hart bin und mich ausspucken.
Einen Augenblick, was macht sie da? Nein, nicht, mach das nicht! Ich will nicht, nein! Nicht herunterschlucken!
Sie schluckt mich runter. Toll. Es geht durch eine schleimige Röhre, hinein in den Magen.
„Hallo!“, höre ich eine Stimme.
„Wer bist du?“, frage ich.
„Der Magen.“
„Angenehm. Ich bin ein Stein.“ Wirklich nie langweilig.
„Du gehörst nicht hierher.“
„Ach, wirklich? Das habe ich auch festgestellt.“
„Steine wie dich können wir hier drin nicht sonderlich leiden.“
Auf einmal klingt die Stimme etwas markig. Bedrohlich gurgelt die Magensäure.
„Wir mögen nur, wer hier produktiv ist und Nährstoffe liefert“, fährt der Magen fort. „Du machst das nicht, das wissen wir schon. Alle Steine sind so.“
„Und jetzt?“, frage ich zögerlich. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich ein Stein bin.“ Nein, nie langweilig.
„Jetzt passiert mit dir, was mit allen Steinen und auch jedem ausgesaugten Abfall passiert: Sie werden rausgeschmissen.“
„Moment“, werfe ich dazwischen ein, „wo komme ich denn dann hin?“
„Auf jeden Fall kommst du nicht da raus, wo du reingekommen bist“, kichert der Magen.
„Und wo dann?“, frage ich ängstlich.
„Sagen wir mal so, Sportsfreund: Das will ich selbst gar nicht genau wissen. Und du brauchst es auch nicht von mir zu erfahren, weil du es gleich live miterlebst. Die Abfallbeseitigung wird sich um dich kümmern.“
„Aber...“
„Machs guuuuuut“, flötet der Magen höhnisch.
Ein starker Sog erfasst mich und zieht mich in die Tiefe. Ich fange an, stumm zu schreien, doch höre schnell wieder auf. Eigentlich kann es ja nur noch besser werden, oder?
Wird es aber nicht.
Ich bemühe mich, die unappetitlicheren Details der mich umgebenden Masse zu ignorieren.
„Wir haben einen schwierigen Fall hier“, höre ich eine hohe Stimme.
„Mir egal“, antwortet eine tiefe Stimme. „Mach gefälligst das Standardprogramm und schick mir den verdammten Rest runter, vielleicht steckt in dem Kerl noch ein bisschen Saft, den man aussaugen kann. Aber bin nicht optimistisch. Das wäre bei Steinen der erste Fall, dass wir da noch irgendwas verwerten könnten.“
„Rede nicht so respektlos mit mir“, gibt die hohe Stimme beleidigt zurück.
„Ich rede mit dir, wie es mir passt, du Weichwurst!“
„Du spuckst ja nur große Töne, weil du glaubst, dass es darauf ankommt, wer der dickere ist. Dabei bin ich viel länger.“
„Halt dein bescheuertes Maul! An dir sieht man ja, dass es auf die Länge nicht ankommen kann! Echt mal, ich muss jedes Mal deinen Mist wegräumen und du wirst dabei noch aufmüpfig!“
„Pfft, mit dir rede ich nicht mehr.“
„Das Gehirn sei gepriesen dafür.“
Ich hatte kurzerhand beschlossen, ganz ruhig zu bleiben und so zu tun, als würde ich nichts hören. Sicherlich war das der beste Weg. Durch dick und dünn. Nur umgekehrt.
Doch wann endet endlich diese Tortur? Um mich herum ist diese inzwischen unangenehm feste, bräunliche Masse. Mir wird so übel wie noch nie in meiner Existenz. Selbst von einem Laster überfahren zu werden ist viel besser als das hier.
„Ach ne“, jammert eine neue, melancholische Stimme. „Warum schicken mir die da oben nur immer ihren ganzen Abfall hier runter? Das darf doch nicht wahr sein. Wenn es wenigstens was Einfaches wäre. He, du!“
Ich bleibe still liegen. Was auch sonst.
„Ich weiß doch, dass du mich hörst!“
„Na schön“, seufze ich. „Was ist?“
„Wird jetzt vielleicht ein bisschen unangenehm. Für uns beide.“
„Wieso?“
„Weil die blöde Ratte einfach nicht weiß, was hinten durchpasst. Und du bist eben ein Typ mit Ecken und Kanten, wenn du kapierst, was ich meine.“
„Ich kapiere nichts.“ Doch dann hellt sich meine Stimmung etwas auf: „Moment mal, meinst du etwa, dass ich endlich hier raus komme?“
„Ja“, tönt es griesgrämig. „Wir müssen nur ein wenig mehr als sonst drücken, aber sollte passen.“
„Danke“, sage ich aufrichtig.
„Nichts zu danken, ist mein Job. Und ich kann dich hier ja schlecht den Betrieb aufhalten lassen.“
„Trotzdem danke.“
Ein Grunzen ertönt, gefolgt von der plötzlich durch einen Hoffnungsschimmer veränderten Stimme: „Ach, hör mal, du kommst nicht zufällig viel unter Leute oder so?“
„Nein, zumindest wohl nicht so, wie du es wahrscheinlich meinst.“
„Oh.“ Die Stimme klingt enttäuscht und verfällt in die bereits bekannte Verdrießlichkeit. „Dachte nur, du könntest vielleicht... Naja, mein Name ist draußen ein Schimpfwort und ich dachte, du könntest vielleicht... Weiß auch nicht, halt irgendwas dagegen machen. Ich meine, es sagt ja niemand 'Du Dickdarm' oder so was. Aber gut, da kannst du wohl auch nichts tun...“
Von oben ertönt eine vertraute tiefe Stimme: „He, du Idiot da unten! Trödele gefälligst nicht so rum! Wir haben Nachschub!“
„Ist ja gut“, antwortet mein Gesprächspartner genervt und fügt an mich gewandt hinzu: „Wir fangen jetzt an. Mach dich bereit.“
Ich spüre einen kräftigen Druck um mich herum, dann springe ich mit einem lauten Ploppen sowie einem weiteren sehr hässlichen Geräusch heraus und lande wieder im Wasser. Welche Wohltat, als es den Dreck von mir abwäscht. Welche Wonne die wiedererlangte Sauberkeit. Ich will mich gerade noch in weiteren Lobeshymnen ergehen, als eine auf Anhieb nervtötende Stimme neben mir erklingt..
„Hallo!“
„Hallo?“ frage ich vorsichtig.
„Bist du neu hier?“
„Ja.“
Wenn ich eins sicher weiß, dann, dass ich überall neu bin.
„Und wer bist du?“
„Ein Stein.“
„Lustig! Klingt, als wärst du dieser eine Typ!“
„Wie witzig ein Witz doch wird, wenn man ihn erst einmal erklärt hat“, meine ich sarkastisch.
„Höhö, du bist ja echt hart drauf.“
Ich sage nichts.
„Verstehst du? Hart?“
„Nein“, äffe ich und tatsächlich gelingt es mir, noch dämlicher zu klingen als... Ja, wer eigentlich?
„Wer zur Hölle bist du überhaupt?“, frage ich.
„Ein Brett, dass genau wie du am Boden dieses Abwasserkanals gelandet ist. Ich nenne mich Pit.“
„Alsooo“, sage ich ganz langsam. „Ein Brett namens Pit? Brett... Pit?“
„Ja!“, ruft Brett Pit fröhlich aus. „Genial, oder?“
„...“
„Jedenfalls werden wir jetzt ganz lange miteinander hier unten liegen bleiben. Toll, nicht wahr?“
„...“
„Ich hatte schon so lange keinen mehr zum Reden. Weißt du, als ich hier unten ankam, da hat so eine blöde Ratte erst an mir rumgenagt. Manchmal mache ich mir Sorgen, was aus den armen kleinen Splittern geworden ist... Jedenfalls hatte ich so viel Zeit, mir Sachen zum Reden auszudenken und das ist fantastisch, denn jetzt bist du da und wir können ganz allerbeste Freunde sein, die hier einfach liegen und sich unterhalten, weil wir ja sonst absolut nichts anderes zu tun haben und...“
Ich bin in der Hölle angekommen.
Endlich ist die Familie außer Haus, jetzt konnte ich endlich nach Raichu suchen. Ich musste aber erstmal irgendwie dieses Bett herunterklettern. Ich hatte eine Idee, ich konnte einfach die Decke runterlassen und an der runterklettern. Endlich hatte ich es runter geschafft und konnte endlich anfangen Raichu zu suchen. Raichu! Hörst du mich? ,,: schrie ich. Doch ich hörte nichts. Ich musste ihn schnell finden, da die Familie nur 45 Minuten weg war, also durfte ich keine Sekunde verschwenden. Zuerst hatte ich überlegt im Wohnzimmer zu suchen, da es dort nicht so schwierig ist. Ich suchte unter dem Sofa, unter dem Tisch und bei dem Fernseher, doch gefunden hatte ich es nicht. Danach suchte ich in der Küche, aber ich musste vorsichtig sein wegen den scharfen Gegenständen. Ich rief wieder nach Raichu, doch wie immer reine Stille. Bei dem suchen gab es auch keinen Erfolg. Vielleicht ist es ja auf der Toilette dachte ich, also schaute ich nach, doch es war wie nicht da. Ich wusste nicht mehr wo ich noch suchen kann. Ich wusste nicht mehr weiter. Aber dann fiel mir ein, dass ich an einem Ort in der Küche noch nicht gesucht hatte. So führte es mich zurück in Die Küche. Und Raichu war da wo ich es vermutet hatte, es war im Kühlschrank auf einem Sandwich. Als ich es fragte warum es im Kühlschrank war, antwortete Raichu nur:,, Ich hatte Hunger. Ich dachte nur :,, Ähm jetzt reicht es mit dem essen, die Familie kommt 5 Minuten nach hause wir müssen schnell auf das Bett zurück. Es war ziemlich knapp, wir schaffen es fast nicht auf das Bett bevor der Markus durch die Tür kam. Wir sollten hoffen, dass es nie wieder so knapp wird.
„Ähm…kann ich dir ein Taschentuch anbieten?“ Stille. „Nein? Oh ähm … wie wäre es dann mit einem Keks?“ Tränen. „OK, OK vergiss den Keks, dumme Idee. Kekse sind sowieso blöd… ich weiß, ich weiß, ich erzähle dir einen Witz.“ Schmerz. „Doch der ist echt gut. Der geht so, also, geht ein Steak die Treppe runter. Da bemerkt es, dass es gar nicht laufen kann, und geht die Treppe wieder hoch. Na, na, hab ich zu viel versprochen? Ist doch toll, oder?“ Verzweiflung. „Nein, nein, nicht weinen Perdita. Nicht der Blick, du weißt doch, dann muss ich … dann muss ich immer …“ Zittern. „S-Siehst du… jetzt …jetzt muss ich a-auch…“
Seufzend sehe ich zu dem zitternden Bündel hinüber, dass zusammengekauert auf dem Bett sitzt, seine Beine umklammernd, fest an sich pressend, den Kopf darin versteckend. So, als könnte sie vor der Welt fliehen, als könnte sie sich verstecken, so wenn sie nur fest genug daran glaubte, davon überzeugt war, dass es möglich war. Ich lag fast direkt neben ihr auf dem Bett, fast selbst so zerrissen wie sie, und doch nie fähig zu fühlen, was sie fühlte, auch wenn ich es wissen sollte. Wenn ich es verstehen sollte. So verstand ich doch nicht. Es waren ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihr Herz, nicht das meine, das jeden Tag, jeden Moment, jede Sekunde in tausend Teile zu zerspringen drohte. Es war ihr Körper, der sich anfühlte, als würden brennende Ameisen darauf einen Todestanz ausführen, jedes Mal, wenn jemand ihren Arm streifte, wenn ein Mensch sich ihr zu nähern wagte. Und vor allem war es ihre Vergangenheit, ihr Leben, das sie plagte, und das sie zu dem schwächlichen Wrack gemacht hatte, das sich mir hier nun präsentierte. Diesem Wesen, das drohte zu zerfallen, wenn der Wind es nur zu sehr strich und das drohte zu bröckeln, wenn man es zu lange betrachtete.
„Hörzu Perdita… das mit Steven ist … also … lass dich das nicht so runter ziehen, ja? Ich meine … das macht er jedes Mal. Du solltest von ihm los kommen, glaube mir. Er tut dir nicht gut, es tut dir nicht gut, ihn immer wieder zurück zu nehmen. Das … du verdienst jemand besseres.“ Wie zur Antwort schluchzte sie laut auf, zog sich nur noch mehr zusammen, ihren Rücken gegen die Wand pressend, in der Hoffnung er vermöge sie auf zu saugen, sie eins zu machen mit den kalten Wänden, die ihrer Meinung nach mehr Wärme empfingen als sie. Traurig blickte ich sie an, wissend, dass meine Worte – egal wie gut gemeint – sie nicht kümmerten, sie nicht erreichten. Wie sehr wollte ich sie umarmen, sie an mich drücken und ihr sagen, dass ich verstand, dass ich wusste, dass ich fühlte. Dass ich so sehr fühlte. Natürlich fühlte ich! Wer, wenn nicht ich? Wer wenn nicht ihr Tagebuch! Wem sonst vertraute sie so wie mir? Wem sonst konnte sie ihr Herz eröffnen, ihr Leiden beichten. Und wenn interessierte es noch? Ihre Freunde? Hätte ich einen Kopf hätte ich ihn geschüttelt. Dieses ach so tollen Freunde, die so greifbar waren wie Luft? Wohl kaum! Die interessierte doch nur, das Geld, dass Perdita für sie ausgab, die Geschenke die sie erhielten, und den Tratsch, denn sie erzählen konnten! Hier trennten sich unsere Gedanken, unsere zwei Seelen. Denn im Gegensatz zu meiner lieben Perdita hielt ich wenig von diesen Menschen, diesen … diesen …
Ein Schluchzen holte mich aus meinen Gedanken, ließ mich mich wieder auf das Konzentrieren was Vorrang hatte. Auch wenn ich wusste, dass es so enden würde wie immer… Wie könnte es anders enden … Ich war gefangen in dieser Gestalt, unfähig Trost zu spenden, unfähig zu handeln, unfähig zu helfen. Ich konnte nur zuhören. Und verdammt, darin war ich gut! Ich war sicher der Weltmeister darin… nur interessierte das nicht, und helfen tat es auch nicht. Denn was nütze es, wenn sie sich danach immer die Augen ausweinte? Sich selbst die Pest an den Hals wünschte? Manch einer fand sie wohl melodramatisch, doch ich … ich fand sie stark. Für einen Menschen, war sie so stark. Ich wusste, dass sie lächelte, wenn sie weinen wollte, lachte, wenn sie schreien wollte, lebte, obwohl sie …
Erneut sah ich zu ihr hinauf, ihr rabenschwarzes Haar fiel ihr achtlos über die Knie, ihr Gesicht wie einen Mantel versteckend, eine Decke, vor der Kälte. Doch wie konnte die Decke wärmen, wenn die Kälte überall war? „I-Ich w-wollte doch … wollte doch nur…“, sie brach ab, als erneut ein Zittern ihren Körper durchzog. Was ich in diesem Moment nur dafür gäbe, eine Hand zu besitzen. Nur eine dumme Hand, einen Arm gar, um ihr beruhigend durch die Haare zu streichen, ihre Hand zu ergreifen, ihr zu zeigen, dass sie das nicht alleine durchstehen musste. „… i-ich wollte d-doch nur… geliebt werden… nur ein-einmal Kasumi! Nur…nur ein einziges …“ Das letzte Wort verlor sich im nichts. Vielleicht hatte sie es nie ausgesprochen, vielleicht hatte es der Schmerz verschluckt. „Psssst, alles ist in Ordnung. Ich bin da, ich bin immer da. Hier, genau hier, an deiner Seite. Und ich werde dir immer zuhören. Wie könnte ich auch nicht?“ „Nur einmal!“, schrie sie erneut, während ich sie mitfühlend anblickte, eine Phantomträne zurückhaltend, die nie geweint werden würde. „Ich weiß Liebes, ich weiß“.
„Perdita! Perdita!“ Laute Schreie zereisen den Moment der Nacht, lassen die Schwarzhaarige vor mir, zusammen zucken, sich – wenn möglich – noch tiefer in die Kissen drücken, gegen die Wand. Das leise flehen auf den Lippen – die Wand möge sie verschlingen - fast spürbar. Panisch, einem Hirsch gleich, der vor dem Jäger flieht, der seinen Colt auf ihn richtet, springt sie auf. Die Beine wackelig, als würden sie ihr versagen, als würden sie brechen. Erneutes Geschrei aus dem Flur, lauter diesmal.
Im nächsten Moment werde ich grob auf den Schrank geworfen, weg, einfach nur weg, aus der Sicht des Mannes, der gleich die Türe öffnen wird. Seine schweren Schritte so nah, so verdammt nah. Als wäre er selbst schon im Raum, als könnte ich schon seinen verschwitzen Körper erspähen, die glasigen Augen, verschwommen vom Rausch, erfüllt von Gier, auf das, was kommen wird. Erneut würde ich alles geben, einfach alles, nur um Hände zu haben, Arme gar, nur um die Türe zudrücken zu können, um auf ihn einschlagen zu können, ihn verprügeln zu können, bis meine Seiten bedeckt sind vom Rot seines Blutes, bedeckt von der Schuld, bedeckt vom Sieg.
Erneut durchzuckt ein Wimmern den Raum, und ich wünschte es wäre meines, und nicht deines. Ich wünschte ich wäre mehr, so viel mehr, als nur ein Buch mit ungeschriebenen Seiten. Dann, ja dann könnte ich vielleicht etwas tun… Doch so, sitze ich nur still auf dem Schrank, innerlich schreiend, innerlich weinend, so wie du, unsere Herzen im Einklang, unsere Seelen zerrissen.
Ich spüre bereits deine blutigen Tränen, und den zitternden Stift auf meinen Seiten, bevor du deinen Bericht wie immer mit den einzigen Worten enden lässt, die nicht getränkt sind von schwarz, nicht getränkt in Schmerz, in Verzweiflung:
In Liebe
Perdita
Ich fühle mich nicht besonders wohl, ganz und gar nicht. Normalerweise weiß Robin, was sie tut, aber heute scheint sie von allen guten Geistern verlassen worden zu sein.
Wir schleichen gemeinsam durch ein dunkles Gebäude. Die Flure sind recht lang, links erkenne ich eine Reihe Schließfächer, die nur manchmal von einer Tür durchbrochen wird. Es ist 0:23, eine Zeit, zu der eine Schülerin eigentlich nicht mehr in der Schule sein sollte.
Weiß der Geier, wie Robin hier reingekommen ist. Vor einigen Minuten hat sie mich aus ihrer Tasche gezogen, meine Taschenlampen-App aktiviert und hatte angefangen, durch die Flure zu schleichen.
„Bei Nacht sieht alles ganz anders aus“, sagt Robin leise. Mit wem sie spricht, weiß ich nicht, denn außer uns beiden ist niemand hier. Und man kann mich beim besten Willen nicht als anregenden Gesprächspartner sehen. Ich bin nur ein Smartphone. Klar, ich kann ins Internet, ich kann Musik abspielen, ich kann Bilder und alle möglichen anderen Dateien speichern, und mit Siri habe ich sogar eine eingebaute Sprechfunktion – aber solange niemand meine Nummer wählt und durch mich mit Robin spricht, bleibe ich für gewöhnlich stumm.
In diesem Moment verfluche ich diesen Umstand, und zwar zum allerersten Mal. Ich wünschte, Robin würde einfach wieder nach Hause gehen. Wenn uns jemand findet, kann das schlimme Konsequenzen haben. Vielleicht muss Robin dann ja wegrennen, und lässt mich womöglich dabei fallen, oder noch schlimmer: Sie wird von der Schule verwiesen.
Das kann ich nicht zulassen. Gleichzeitig stehen mir aber auch keinerlei Mittel zur Verfügung, um sie wieder zur Vernunft zu bringen.
„Dieser blöde Chemietest.“ Robin flucht leise. Sie hat diesen Tick, dass sie gerne mit sich selbst redet, wenn sie sich allein wähnt. Dass ich jedes Wort mitkriege, weiß sie nicht.
Der Chemietest ist der Grund, wieso sie jetzt hier ist. Sie will in den Chemieraum einbrechen und das Testergebnis manipulieren. Wie genau sie das tun will, weiß ich leider auch nicht, denn ich steckte in ihrer Tasche, als sie den Plan mit ihrer besten Freundin besprochen hat. Meiner Meinung nach hätte sie, wenn sie schon einen derart waghalsigen Plan entwickelt, wenigstens für absolute Diskretion sorgen können, aber sie glaubt nicht daran, dass Julia sie verraten könnte.
Ich eigentlich auch nicht, aber aufgrund meiner sehr ängstlichen Natur ziehe ich jede Möglichkeit in Betracht, egal um was es geht.
Wir biegen an einem Kreuzgang ab. Weiter vorne wird der Flur durch eine Doppeltür vom nächsten Abschnitt getrennt. Robin hält darauf zu, läuft an einer Glasvitrine mit funkelnden Pokalen und Medaillen vorbei, die das lokale Footballteam bereits gewonnen hat.
Ich spüre, dass sie eine Nachricht gesendet kriegt, und gebe einen kurzen Klingelton von mir, den Robin selbst eingestellt hat. Sie zuckt zusammen und dreht mich um. Im grellen Licht meiner Lampen-App sehen die Schatten in ihrem Gesicht hart und abgehackt aus. Robin hat nussbraune Augen, sehr langes Haar in derselben Farbe, und ein recht schmales Gesicht. Sie ist ein unauffälliges und liebes Mädchen mit wenigen, aber dafür sehr guten Freunden – und einer schneeweißen Schulakte. Bis heute.
„Beeil dich...von Julia. Was denkt sie denn, was ich hier tue, Däumchen drehen?“ Robin überfliegt die Nachricht, dreht mich dann wieder nach vorn und geht weiter. Mit der Linken öffnet die eine der Korridortüren. Danach geht sie auf der rechten Seite des Flurs weiter. Ich kenne diesen Gang; Der Chemieraum kann nicht mehr weit weg sein. Hier holt Robin mich oft raus, um in der Pause schnell eine SMS zu verschicken.
„Bingo.“ Ich höre das Klirren eines Schlüssels, mit dem meine Besitzerin hantiert. Meine Angst steigt sogar noch. Nicht nur, dass sie sich unerlaubt Zutritt zur Schule verschafft hat, sie hat auch noch den Schlüssel geklaut! Ich kann nur beten, dass wir hier heil wieder herauskommen.
Robin öffnet den Chemieraum, huscht hinein und schließt die Türe hinter sich. Mein Licht fällt auf die hier aufgestellten Tische, gleichzeitig scheint der Mond durch die hohen Fenster und wird lange, gespenstisch aussehende Quadrate aus Licht in den Raum. Im Hintergrund erkenne ich undeutlich ein paar Schränke mit verschiedenen Chemikalien und eine kleine Leiter. Hier war ich noch nie, zumindest nicht außerhalb von Robins Tasche. Ich spüre eine stärker werdende Neugier in mir aufsteigen. Die Angst wird dafür ein wenig schwächer. Steckt mich Robins Abenteuerlust etwa gerade an? Unmöglich.
Ich werde nach links geschwenkt, wo das Lehrerpult steht. Dahinter hängt eine riesige, schwarze Tafel an der Wand. Robin tritt auf die kleine Stufe, die den Klassenraum von der leicht erhöhten Platte trennt, auf welchem sich das Pult befindet, und legt mich auf die kühle Tischplatte. Dann höre ich das Kratzen eines Stifts auf Papier. Ich hoffe, dass Robin sich beeilt. Je schneller wir hier wieder weg sind, desto besser.
„C-, das ist doch ein schlechter Scherz“, schnaubt Robin gerade, und ein letzter Strich beendet ihren Feldzug gegen die schlechte Benotung. Danach nimmt sie mich wieder hoch und sieht sich das Papier ein letztes Mal an. Ich sehe ein rot durchgestrichenes C- auf dem Papier, daneben steht ein B-. Die zweite Note ist die, die Robin eben hingeschrieben hat.
„Und jetzt nichts wie raus hier.“ Erleichterung durchströmt mich. Wie immer habe ich mir umsonst Sorgen gemacht. Ob Robins kleiner Trick Wirkung zeigt, wird erst der nächste Montag zeigen, da hat sie wieder Chemie, aber zumindest hat uns niemand gefunden, und darauf kommt es mir gerade an. Ich habe keine App, die einen vor der Festnahme durch einen Nachtwächter beschützt.
Robin schleicht gerade wieder aus dem Raum, als es passiert. Der Kegel einer Taschenlampe erscheint am hinteren Ende des Flurs, weit von uns entfernt.
„Wachleute?“, murmelt Robin erschrocken. Wenn ich einen Nacken hätte, würde es mir jetzt heiß und kalt da herunterlaufen. Ich habe es gewusst! Natürlich gibt es an einer Schule wie dieser Sicherheitspersonal. Verdammt! Und eben redete ich mir noch ein, dass alles gut wäre. So naiv kann nur das kleine Z2 sein.
Robin schaltet geistesgegenwärtig meine Lampen-App aus, duckt sich, und rennt vorsichtig in die entgegengesetzte Richtung. Das Wichtigste ist jetzt, dass sie den Wachmann abhängt. Meine Gedanken rasen. Robin könnte mich irgendwo hinlegen und meinen MP3-Player aktivieren, sodass der Wachmann vom Geräusch abgelenkt wird und sie flüchten kann, aber anhand des Telefonbuchs und meinen gespeicherten Daten könnte man sie dann zu leicht identifizieren. Kalender, Notizbuch, Internet, alle meine Apps sind nutzlos, wie ich mir eben dachte. Ich muss auf Robins Mut und ihren schnellen Verstand vertrauen. Sie ist zwar normalerweise recht still, aber ich weiß genau, dass sie so einiges auf dem Kasten hat.
Trotzdem würde ich jetzt am liebsten: „Lauf weg! Schnell!“ schreien, doch ich kann nicht. Robin hält mich in der Hand, während sie die dunklen Korridore entlang rennt. Ihre Turnschuhe machen kaum ein Geräusch, vermutlich bevorzugt sie darum weiche Sohlen. Sie nimmt einen großen Umweg, läuft durch den Westflügel der Schule und hält sich dann rechts, weil sie nur so zum Ausgang zurück kommt.
„Hast du was gehört?“, fragt auf einmal eine Männerstimme hinter der nächsten Ecke. Robin unterdrückt einen Schrei, legt eine Vollbremsung ein und quetscht sich in eine Nische zwischen einer Vitrine voller Steine und einer Schließfachreihe.
Statisches Rauschen ertönt. Dann eine zweite Stimme, die ziemlich verzerrt klingt.
„Nein. Keine Anzeichen eines Eindringens. Ich mach meine Runde zu Ende und gehe dann nach Hause.“
„Was ist mit dem Mädchen?“ Neben mir schnappt Robin nach Luft. Die wissen, dass wir hier sind! Waren meine Bedenken also doch richtig gewesen. Wer hat uns verpfiffen? Julia, Robins „Freundin“? Wen hat Robin noch mit eingeweiht, während ich in ihrer Tasche steckte oder aufgeladen werden musste?
Dafür ist jetzt nicht die richtige Zeit. Alles, was ich jetzt tun kann, ist meine Energie zu sparen, für den Fall, dass Robin mich braucht.
Der zweite Nachtwächter läuft direkt an uns vorbei. Ich kann seine dunkelblaue Uniform sehen und seinen Schnauzbart. Robin wartet, bis er weg ist, dann lässt sie den Atem entweichen.
„War das knapp. Ich zittere am ganzen Leib.“ Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie viel Angst sie durchstehen muss, wenn es mir schon so nahe geht.
Robin rennt in Richtung Ausgang, drückt die Tür auf und wird nicht langsamer, bis sie den Campus überquert hat. Erst am Springbrunnen mit der Statue des Gründervaters der Schule gestattet sie sich eine Pause. Einige Grillen zirpen in der Nähe um die Wette, und der Mond steht kugelrund am Himmel.
Hinter zwei Fenstern sehe ich noch die Lichtkegel umher tasten, die Wachleute suchen also immer noch nach Robin. Ich bin stolz auf sie, dass sie in solch einer Situation einen kühlen Kopf bewahren konnte. Sie lässt sich nicht davon ablenken, dass ihr Smartphone ein kleiner Angsthase ist. Aber wir ergänzen uns gut.
„Damit wäre meine Chemienote gerettet“, freut sich Robin kurze Zeit später, als ihr Wohnheim in Sicht kommt. Ich freue mich für sie, aber meiner Batterie tut diese Aufregung nicht gut. Hoffentlich kommt sie nicht zu schnell auf die Idee, dieses Abenteuer zu wiederholen.
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