Hirngespinste

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • "The trouble with having an open mind, of course,
    is that people will insist on coming along and trying to put things in it."
    ~ Terry Pratchett



    ©Arkhip Kuindzhi ~ Moonlight Thinking


    Hallo und herzlich Willkommen in meinem Einzelwerke Topic!
    Nach einigen Wettbewerbsteilnahmen habe ich schließlich auch beschlossen, so ein Topic aufzumachen. Hier werden sich alle meine Wettbewerbsabgaben und Rekommis finden, aber hoffentlich auch einige wettbewerbsunabhängige Texte.
    Ich bin kein großer Freund von Gedichten, weshalb sich hier voraussichtlich nie welche befinden werden.
    Dafür bin ich ein großer Freund von Zitaten, weshalb meine Texte häufig mit einem Zitat beginnen. Wenn ich Lust habe, werde ich auch ein Bild hinzufügen.
    Es mag zwar unschön aussehen, ich werde aber vorerst mal alle meine Abgaben und Rekommis hier im Startpost in Spoiler packen. Wie ich das in Zukunft regeln werde wird sich noch zeigen (obligatorisches "Ich will mein Tabmenü zurück")


    Viel Spaß mit den Texten!




    Hyänenstolz
    Spurwechsel


  • ©Iwan Aiwasowski ~ Mitten in den Wellen


    Seegang
    Nach einigen Tagen auf hoher See hört man die Wellen, die an das morsche Holz des Bootes schlagen, kaum noch. Das ständige Auf und Ab, Ab und Auf des Bootes behindert die eigenen Bewegungen und selten hat man sich wirklich unter Kontrolle. Manchmal stört es einen nicht weiter, manchmal wird es einem schlecht und man freut sich über jedes Medikament, das man dabei hat, jede Tablette, die die aufgekommene Übelkeit betäubt. Und wenn man jeden Morgen an der Reling steht, dann sieht man den Horizont noch immer in weiter Ferne und man könnte meinen, sich keinen Meter fortbewegt zu haben.


  • Hallo Jefi!
    Habe mir ein paar deiner Geschichten angeschaut. Zunächst mal würde ich dir empfehlen, dir korrekte Zeichensetzung anzugewöhnen. Vor allem fällt auf, dass du das "-Zeichen für Anführungsstriuche benutzt, was sich nicht besonders angenehm liest und im Deutschen sowieso nicht gemacht werden sollte. Würde empfehlen, dass du entweder auf deutsche Anführungszeichen („…“) oder Chevrons (»…«) umsteigst. Ansonsten bestehen Auslassungszeichen nicht einfach nur aus einer beliebigen Anzahl von Punkten, sondern aus genau drei, für die es auch ein eigenes Zeichen gibt: …
    Was mir allerdings gefällt, ist dass du sinnvolle Absätze setzt und einen angenehmen Schreibstil hast, der zwar an gewissen Stellen noch arg in die Umgangssprache eingeht, aber insgesamt schon vielversprechend ist. Man kann dem Text sehr gut folgen, vor allem wegen seiner Bildlichkeit. Du verzichtest auf unnötig komplizierte Formulierungen und ermöglichst damit ein angenehmes Eintauchen in den Text.
    Zur Geschichte »Stetiger Stillstand«: Um ehrlich zu sein kann ich mit dem Titel nicht unbedingt so viel anfangen. Stetig ist ein Wort, das ich mit Kontinuierlichkeit assoziiere, in einer gewissen Weise also fortlaufend. Zwar ist stetig selbst kein Wort, das eine Bewegung impliziert, aber trotzdem fühlt es sich im Zusammenhang mit dem Wort Stillstand wie ein Widerspruch an. Ansonsten ist der in der Geschichte beschriebene Stillstand keineswegs stetig. Weder der, der tatsächlich vorkommt, noch der im Leben der Hauptperson. Außerdem ist stetig ein Wort, das eher in Verbindung mit wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Begriffen verwendet wird, weshalb er meiner Meinung nach nicht so gut zur Geschichte passt.
    In der Geschichte selbst sind mir ein paar Stellen aufgefallen, die ich irgendwie etwas konstruiert oder seltsam fand. Zunächst mal redet der Tod davon, dass er bereits »in einer Nanosekunde« zur nächsten Seele müsse, und das in einem Kontext, der die Vermutung nahelegt, er habe es eilig. Dennoch sagt er an zwei anderen Stellen im Text, er und er Erzähler hätten noch Zeit. Das passt irgendwie nicht so richtig zusammen. Außerdem finde ich die Spezifikation eine Nanosekunde irgendwie fragwürdig. Ein Tipp: Nimm bei sowas lieber krumme Zahlen, sowas wie »17 Nanosekunden«, das würde meiner Meinung nach weniger gestellt wirken. Außerdem lässt diese Zeitangabe vermuten, dass der Tod auch Tiere besucht, denn so viele Menschen sterben nicht täglich (ich glaube, es stirbt alle zwei Sekunden ein Mensch). Die Frage ist aber, wieso die Seele eines Tieres ein Problem damit haben sollte, zu warten. Generell wirkt diese Stelle für mich ein bisschen aufgesetzt. Wieso hetzt er die Seele ab, wenn die Zeit still steht? Steht die Zeit nicht wirklich still? Wieso nicht? Letztendlich wirft es viele unnötige Fragen auf.
    Letztendlich finde ich die Geschichte insgesamt schon recht interessant, mir fehlt nur ein bisschen ein kohärentes Thema. Warum spielt der Tod mit dem Typen Dame, wenn er gleichzeitig damit drängt, dass er schnell weiter muss, obwohl er sagt, dass die beiden noch Zeit haben? Was möchte der Tod durch das Treffen mit dem Erzähler erreichen, was möchte er ihm sagen? Für mich fehlt irgendwie das Motiv. Es scheint nicht das Anliegen des Todes gewesen zu sein, dem Erzähler zu sagen, dass er sein Leben ausführlicher leben soll, es wirkt eher so, als seien sie zufällig auf das Thema gekommen, zumal das Damespiel mit dieser Message nichts zu tun hat.
    Gut fand ich wiederum, dass am Anfang des Textes besonderer Wert auf die Bahn gelegt wurde - ein schnelles Fortbewegungsmittel, das im Kontrast steht zum Stillstand, den er danach durchlebt. Ich hätte man aber auch durch einen Rahmen etwas mehr rausholen können. Beispielsweise dadurch, dass er im Krankenwagen wieder aufwacht und wieder in Bewegung ist, wenn die Geschichte endet, um das Erlebnis des Stillstands herauszuheben. Andererseits hätte man ihn auch ein einem betont stillen Ort aufwachen lassen können - zum Beispiel in einem starren Krankenbett o.ä., was man dann auch in einem Absatz hätte beschreiben können, um eben zu verdeutlichen, dass sich jetzt etwas »ändert«, oder sowas. Das sind aber nur Ideen, wie man der Geschichte insgesamt etwas mehr Kohärenz hätte geben können, denn die verwendeten Themen finde ich noch ein bisschen zu zusammenhanglos.
    Ansonsten war die Geschichte aber durchaus angenehm zu lesen!
    Liebe Grüße,
    Aprikose


  • Geisterfahrer


    Es ist wirklich angenehm, wie still es während der Rush-After-Hour wird. Meine Aufmerksamkeit verabschiedet sich und langsam driftet mein neuer Wagen auf die falsche Seite der Landstraße ab.
    Komisch, wie man falsch fahren kann, obwohl man in die richtige Richtung rollt. Ich realisiere, dass etwas nicht stimmt, aber bin nicht dazu in der Lage, mich zu wehren. Ich versuche zurückzurudern, aber meine Hände sind zu schwach und rutschen vom Lenkrad, schlaff fallen sie in meinen Schoß. Ich frage mich, wie oft es noch knallen muss, bis ich entweder lerne, wie man richtig fährt, oder sterbe.
    Nicht mehr lange.



    [spoiler='Rekommi']Alice'Hallo Alice!
    Danke für den Kommentar ^^ Ich habe ja gesagt, dass ein Rekommi folgt, hat halt "etwas" gedauert :D Naja besser spät als nie, denke ich.

    Um ehrlich zu sein kann ich mit dem Titel nicht unbedingt so viel anfangen. Stetig ist ein Wort, das ich mit Kontinuierlichkeit assoziiere, in einer gewissen Weise also fortlaufend. Zwar ist stetig selbst kein Wort, das eine Bewegung impliziert, aber trotzdem fühlt es sich im Zusammenhang mit dem Wort Stillstand wie ein Widerspruch an.
    Ansonsten ist der in der Geschichte beschriebene Stillstand keineswegs stetig. Weder der, der tatsächlich vorkommt, noch der im Leben der Hauptperson.

    Das sehe ich etwas anders (gerade den letzten Satz). Der "stetige" Stillstand bezieht sich nicht auf die Situation, in der sich der Protagonist wieder findet, sondern auf seine allgemeine Auffassung seines Lebens: Es fühlt sich ja für ihn so an, als hätte er nichts erreicht, bzw. als ob er nicht vorwärts kommen würde, obwohl er viel reist (was man als Abwechslung sehen könnte) und allgemein ein Leben führt, um das ihn viele beneiden würden. Diesen scheinbaren Widerspruch zwischen der Situation und der Auffassung dieser habe ich versucht im Titel wiederzugeben, darum habe ich die sich wiedersprechenden Begriffe stetig und Stillstand verwendet.

    In der Geschichte selbst sind mir ein paar Stellen aufgefallen, die ich irgendwie etwas konstruiert oder seltsam fand. Zunächst mal redet der Tod davon, dass er bereits »in einer Nanosekunde« zur nächsten Seele müsse, und das in einem Kontext, der die Vermutung nahelegt, er habe es eilig. Dennoch sagt er an zwei anderen Stellen im Text, er und er Erzähler hätten noch Zeit.

    Das liegt daran, dass dem Tod von Anfang an bekannt war, dass der Erzähler nicht sterben würde. Darauf bezog er sich, als er meinte, dass sie noch Zeit haben. Er meinte, dass es noch dauert, bis er den Protagonisten wirklich abholen müsste.

    Außerdem finde ich die Spezifikation eine Nanosekunde irgendwie fragwürdig. Ein Tipp: Nimm bei sowas lieber krumme Zahlen, sowas wie »17 Nanosekunden«, das würde meiner Meinung nach weniger gestellt wirken.

    Steht die Zeit nicht wirklich still?

    Genau, die Zeit steht nicht wirklich still, sie ist nur extrem stark verlangsamt. Durch seine Nahtoderfahrung hat sich "seine Seele" von seinem Körper getrennt, weshalb sich seine Zeitwahrnehmunge geändert hat.
    Der Begriff einer Nanosekunde ist für den Tod auch sowas wie "ich muss in einer Stunde wieder gehen". In diesem Kontext meinte er also auch nicht exakt eine Nanosekunde, er meinte grob eine Nanosekunde. Aber du hast trotzdem Recht, eine krumme Zahl wäre wohl besser gewesen.

    Die Frage ist aber, wieso die Seele eines Tieres ein Problem damit haben sollte, zu warten.

    Ich habe nie gemeint, dass der Tod Tiere abholt. Und dass alle zwei Sekunden ein Mensch stirbt ist auch nur ein Durchschnittswert, das heißt es kann sehr gut sein, dass zwei Menschen auf der Erde in so kurzen Abständen sterben.

    Was möchte der Tod durch das Treffen mit dem Erzähler erreichen, was möchte er ihm sagen?

    Dem Tod ist langwelig. Seine Aufgabe ist es, Seelen, ins Reich der Toten (oder was auch immer zu geleiten), nicht mit ihnen zu plaudern (oder Dame zu spielen). Da der Protagonist nicht sterben würde, aber dennoch in dieser "Welt" verweilen würde, hatte der Tod endlich wieder eine Gelegenheit, mit jemandem zu spielen. Der Grund dafür, dass der Tod Dame spielt war glaube ich, dass es ein leichteres Spiel als Schach ist.
    Das konntest du alles natürlich nicht wissen. Wie gesagt, diese Geschichte war eine Wettbewerbsabgabe und ist unter starkem Zeitdruck entstanden, sodass ich es nicht mehr geschafft habe, alles so zu erklären, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt habe.
    Danke nochmal für deinen Kommentar, hat mich gefreut :)[/spoiler


  • ©Edward Hopper ~ Nightawks

    Teufelskreis


    "Ich brauche etwas Starkes", sprach der Mann an der Bar. "Etwas, das mich richtig aus den Latschen haut"
    "Ich denke, ich kenne da genau das Richtige", antwortete der Barkeeper grinsend, während er ein beschmutztes Glas und ein Handtuch zur Seite legte. "Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie nicht so bald wieder aufstehen"
    Kurz darauf hielt der Mann ein großes Glas in der Hand, in dem sich eine milchig-beige Flüssigkeit befand.
    "Was ist das?", fragte er.
    "Dieser Cocktail heißt Teufelskreis, mein Freund. Zwei Teile Faulheit, ein Teil Apathie, mit etwas Charakterschwäche und Angst. Lassen Sie es sich schmecken"

  • Zeit, das Topic wieder auf den neuesten Stand zu bringen! Habe ja jetzt wieder Zeit. Ich lade in den nächsten Posts erstmal meine letzten Wettbewerbsabgaben hoch, dann kommen wir zum neueren Kram.




    ©Susan Rienzo ~ Sun Glory

    Lebenszone


    Einigen Menschen ist es nicht bewusst, wie perfekt die Position der Erde ist. Wäre die Entfernung zur Sonne zu groß, würde alles Wasser gefrieren, wäre sie zu klein, würde das Wasser verdampfen.
    Für Viele ist das ein Grund, gen Himmel zu blicken und für ihr Leben zu danken. Dass es Millionen von Planeten gibt, deren Sterne ihnen gegenüber nicht so gnädig sind, Leben zu spenden, ist natürlich irrelevant. Dabei ist gnädig eigentlich das falsche Wort, denn die Sonne dreht sich nicht um uns. Die Sonne strahlt nichts als Energie und Gleichgültigkeit aus.
    Murphy sei Dank ist das Universum groß.




  • ©Prefab77 ~ Always in England

    Max geht aus


    Erste Szene

    Der Vorhang geht auf. Ein kahler Gang, beleuchtet von Leuchtstoffröhren. Am hinteren Ende, in der Mitte ein Schild mit der Inschrift "Ausgang 3". Zwei Wächter sitzen in einem kleinen Räumchen neben dem Ausgang und schauen durch ein Fenster auf den Gang. Max, in einem ehemals feinen, aber zerknitterten Anzug gekleidet, kommt den Gang entlanggelaufen und wendet sich an die beiden Männer.


    Max Einen guten, nein, prächtigen Morgen wünsche ich Ihnen!
    Wächter 1 Morgen.
    Wächter 2 Guten Morgen, Max.
    Max Wunderschöner Tag heute, oder?
    Wächter 1 Es regnet draußen.
    Wächter 2 Und es ist kühl, ziemlich sogar.
    Wächter 1 Und neblig.
    Wächter 2 Und neblig, genau.
    Max Ach, solches Wetter macht den Kopf klar, nicht wahr?
    Wächter 2 Ja, stimmt.
    Wächter 1 Keine Ahnung.
    Wächter 2 Keine Ahnung.
    Max Wie dem auch sei, ich darf heute raus.
    Wächter 1 Schon wieder? Warst du nicht erst vor Kurzem draußen? (blättert durch Akten)
    Max Vor einem halben Jahr.
    Wächter 1 Tatsächlich.
    Wächter 2 Haste schon was geplant?
    Max Oh ja! Ich treffe mich mit meiner Tochter in der Stadt.
    Wächter 2 Schön, schön!
    Wächter 1 Wenn das so ist, hast du sicher keine Zeit zu verlieren. Los, raus mit dir.
    Max Sehr wohl! Wir sehen uns dann heute Abend. Spätestens um 20 Uhr, richtig?
    Wächter 1 Ja, sei gefälligst pünktlich.
    Wächter 2 Genau, komm nicht zu spät.
    Max Werde ich bestimmt nicht. Nun denn meine Herrschaften, machen Sie es gut!
    Wächter 1 Jetzt mach schon, raus mit dir.
    Wächter 2 Na los doch.



    Zweite Szene

    Eine kleine, abgedunkelte Gaststätte. Draußen über der Tür hängt die Inschrift „Zum ulkigen Schaffner“. Leise spielt ein Radio im Hintergrund. Pierre sitzt gelangweilt hinter dem Tresen und starrt in den leeren Speiseraum. Die Tür klingelt leise, als Max die Gaststätte betritt.


    Max Mensch Pierre, lange nicht gesehen!
    Pierre Max! Schon wieder Ausgang?
    Max Ja, endlich wieder. Machst du mir einen Espresso?
    Pierre Kannst du auch zahlen?
    Max Natürlich. (Max legt Geld auf den Tisch, Pierre nimmt das Geld)
    Pierre Kommt mir gar nicht so lange vor, dass du das letzte Mal hier warst.
    Max Ein halbes Jahr kann schnell vorbeigehen.
    Pierre Naja, für dich bestimmt nicht. Max , sag mal...
    Max Ja?
    Pierre Mein Sohn ist ja jetzt der Schülerzeitung beigetreten…
    Max Großartig!
    Pierre …da dachte ich mir, dass es sich anbietet, wenn er dich zu der Sache interviewt. Das würde sicherlich einen guten Artikel hergeben, meist du nicht?
    Max Sicherlich. Die Besuchszeiten sind immer Donnerstags von…
    Pierre Aber Max, ich lasse meinen Sohn doch nicht extra zur JVA rüberfahren, was würden denn die Leute sagen?
    Max Ich kann ihn auch anrufen.
    Pierre Das ist doch unnötig. Warte, er ist bei einem Freund, kommt aber bestimmt gleich wieder. Setz dich doch hin, trink deinen Latte und warte eben auf ihn.
    Max So viel Zeit habe ich nicht…
    Pierre Ach was, du bist doch bestimmt froh, mal ein normales Gespräch zu führen?
    Max Ein normales Gespräch zu führen?
    Pierre (unsicher) Ja.
    Max (steht auf) Es tut mir Leid, aber ich treffe mich bald mit meiner Tochter.
    Pierre Tatsächlich?
    Max Ja, wahrhaftig.
    Pierre Sie war schon immer eine gute Seele, nicht wahr?
    Max (geht) Ja, das ist sie. Mach’s gut, Pierre. War schön dich zu sehen.
    Pierre Jetzt warte doch, was ist mit deiner Latte?
    Die Tür klingelt leise, als Max die Gaststätte verlässt.



    Dritte Szene

    Ein Taxi, der Fahrer schläft. Max klopft an die Scheibe und der Fahrer fährt erschreckt hoch.


    Max Guten Morgen!
    Fahrer Hallo! (reibt sich die Augen) Wo willst Sie hin?
    Max Zum Gänseteich.
    Fahrer Gänseteich? Ich nicht kennen. Vielleicht Entenpark? Da kommen auch Gänse manchmal.
    Max Ich bin mir nicht sicher. Meine Tochter meinte, es gäbe einen Gänseteich im Westteil der Stadt…
    Fahrer Achso, Gänseteich? Wieso Sie nicht gleich gesagt? Steigen Sie ein!
    Max Sicher.
    Fahrer Sie treffen sich also mit ihrer Tochter?
    Max Ja. Habe sie schon lange nicht mehr gesehen.
    Fahrer Schön für Sie, meine Kinder gehen mir jeden Tag auf Gespenst. Ständig fragen sie: Und Papa, wie viele Betrunkene hast du heute nach Hause gebracht? Und ich sage immer: Zu Viele. (lacht)
    Max Meine Tochter fragt mich nicht mehr so viel.
    Fahrer Seien Sie froh! Sind zu viele Fragen. Da ist Frau besser, fragt immer Gleiche (lacht).
    Sie sitzen eine Weile schweigend da.
    Fahrer So, wir endlich da! 20,30 Euro bitte.
    Max Hier, bitteschön. Behalten Sie den Rest und kaufen Sie etwas Gutes für ihre Kinder. Oder ihre Frau.
    Fahrer Vielen Dank der Herr, machen gut! (Fährt davon)



    Vierte Szene

    Eine kleine, gelbe Telefonzelle neben einer Laterne. Die Laterne geht flackernd an, als Max die Telefonzelle betritt.


    Max Verdammte Scheiße. (Kramt im Geldbeutel) So. (Schmeißt mehrere Münzen in den Münzschlitz und wählt eine Nummer) Los, los, los, geh ran, geh ran, geh ran! (Tritt ungeduldig von einem Bein auf das andere) Hallo? Hallo, ich bins! Luise Schatz, wie geht es dir? Was? Ja, ich bin es! Natürlich bin ich im Park! Was? Ich höre dich schlecht, was? Ja, ich bin im Park! Was? Arbeit? Ja… Nein, aber… Es ist doch Sonntag? …Nein, nein… Hast du das nicht schon gestern gewusst? Nein, das will ich natürlich nicht… Ja… Nein, ich habe kein Handy... Ja, aber letztes Mal sagtest du… Nein, ich kann meinen Ausgang nicht planen! Ich sollte überhaupt froh sein, dass ich ihn bekommen habe! Und jetzt? Was hätte ich denn machen sollen? Nein, das geht nicht. Ich muss in zwei Stunden wieder zurück! Was? Nein! Hallo? Hallo? Luise? Hallo?



    Fünfte Szene

    Am Eingang zur JVA.


    Wächter 2 Mensch Max, wieder zurück?
    Max Ja.
    Wächter 2 Aber es ist erst 18 Uhr?
    Max Ja.
    Wächter 2 Sag Mal Mensch, deine Augen sind total rot.
    Max Wirklich?
    Wächter 2 Ja! Du hast doch nicht etwa deinen freien Tag mit Gras verschwendet, oder?
    Max Aber nein…
    Wächter 2 Na, das will ich doch auch hoffen! Wars denn gut? Hatts’te Spaß?
    Max Sicher, und wie! Wie letztes Mal auch.
    Wächter 2 Und deine Tochter?
    Max Wird mit jedem Tag schöner.
    Wächter 2 Achja? Dann musst du sie mir mal vorstellen!
    Max Ich…
    Wächter 2 Mensch, ich mach doch nur Spaß, kein Grund, bockig zu werden! Also dann Max, mach’s gut! Der Lohn versäuft sich nicht von allein!
    Max Ja, bis morgen.
    Wächter 2 Und übermorgen! Und der Tag darauf auch, du weisst ja Bescheid. Bis dann!
    Max Ja, bis dann.


  • Hallo Jefi. (:


    Nachdem ich vor kurzem dein Topic aus dem Archiv rausholen durfte, hab ich mir gedacht, schreib ich dir gleich mal einen Kommentar. Hab mich hier für das Werk Teufelskreis entschieden.


    Teufelskreis
    Du steigst hier sehr plötzlich in die Handlung ein, indem du sofort einen Mann sprechen lässt, der an der Bar etwas Starkes verlangt. Was ihn richtig aus den Latschen haut. Natürlich denk ich da dann zuerst an Alkohol und frag mich, wohin das jetzt führen wird. Der Barkeeper hat entweder gute Menschenkenntnis, wenn er sagt, dass er genau das Richtige hat oder er möchte einfach nur seinen neuesten Cocktail an diesem Mann ausprobieren. Das ist nicht so ganz klar, aber er sagt, dass sein Kunde nicht mehr so bald aufstehen wird.
    Ein großes Glas mit einer milchig-beigen Flüssigkeit … da ich mich mit Alkohol im Grunde gar nicht auskenne, kann ich jetzt nicht sagen, ob du da auf etwas spezielles anspielst, deshalb denk ich mir genau wie der Kunde, was das denn ist.
    Teufelskreis als Cocktail. Faulheit, Apathie, Charakterschwäche und Angst sind die Zutaten. Wow, das hatte ich hinter dem Titel nicht erwartet! Interessant ist, dass man das auf verschiedene Arten sehen kann. Zum einen könnte man das auf Alkoholismus zurückführen. Zwar möchte ich nicht über Alkoholkranke urteilen, aber ich denke, dass diese Teile da mit reinspielen, wenn es um diese Krankheit geht. Vor allem vermutlich die Angst — viele benutzen Alkohol ja, um etwas zu betäuben, was sie sonst verrückt machen würde. Faulheit … vielleicht weniger, eher so die fehlende Stärke, es wirklich durchzuziehen und trocken zu werden. Aber wie gesagt, Alkoholabhängigkeit ist eine recht komplizierte Sucht, würd ich meinen.
    Ich hab das aber auch in einem anderen Sinne gesehen, dass du den Teufelskreis „wörtlich“ genommen hast. Denn es stimmt ja, dass ein Teufelskreis oftmals diese Zutaten hat. Man hat vielleicht Probleme sich aufzuraffen und aus dem Kreis auszubrechen und ist vielleicht auch zu faul dafür. Man ist apathisch und weiß deshalb nicht wo man mit den Veränderungen anfangen soll, um den Kreis hinter sich zu lassen. Möglich, dass da auch eine gewisse Charakterschwäche mit reinspielt und einem der Wille fehlt etwas zu ändern, sodass man lieber immer weiter im Hamsterrad läuft. Und natürlich die Angst — ich denke, Angst ist immer ein Knackpunkt, wenn es um Veränderungen geht, die man vor sich herschiebt.
    Dieses Drabble hat mich definitiv zum Nachdenken angeregt, was ich bei den ersten Zeilen noch gar nicht so vermutet hätte. Gut geschrieben, hat mir gefallen. (:


    Fröhliches Schreiben weiterhin!

  • Dich habe ich gefühlt seit einer Weile nicht mehr gesehen, hallo! x)
    Freut mich, dass du dein Topic wieder mit neuen Werken geschmückt hast und da ich sowieso mehr für den FF-Bereich tun wollte, kann ich das gleich hier ausleben und dir einen kleinen Kommi schreiben, was dich hoffentlich freut, haha. Dann los!


    Ich widme mich deinem Drabble „Lebenszone“, das nach deiner Aussage eine Wettbewerbsabgabe in dieser Saison war. Natürlich habe ich mir jetzt nicht die Kommis innerhalb des Wettbewerbs durchgelesen, da es mich vermutlich unterbewusst beeinflusst hätte oder Ähnliches, deshalb einfach mal frei. „Lebenszone“ würde ich bei der Thematik Sonne dann als die Erde (und gegebenenfalls die umliegende, akzeptable Zone) bezeichnen, eine Zone, die für uns (allgemein Organismen) ideal ist. Wie du im Drabble beschreibst, liegen wir genau richtig und wenn ich mich an irgendeine Doku zurückerinnere, gibt es eben die von dir benannten Zonen, wo es zu kalt für Leben ist oder eben zu heiß, weshalb wir genau dazwischen liegen. Dann bringst du nach den ersten paar Sätzen, die für mich sehr nach Wissenschaft klangen, einen eher abstrakten Punkt ein, nämlich die Gleichgültigkeit, statt der Gnade, die uns erwiesen wird. Erinnert mich stark daran, als hätte die Sonne für manche ein Bewusstsein oder das Universum, vielleicht eine höhere Existenz (?), ein Bewusstsein und dank deren Gnade, dürfen wir in dieser Lebenszone verweilen. Dann wären wir nicht gerade nachsichtig sowie respektvoll, wenn man bedenkt, wie wir miteinander und mit der Welt umgehen, hu…
    Auf jeden Fall frage ich mich, da du erwähnst, dass viele gen Himmel blicken und für ihr Leben danken, ob wir Menschen das denn wirklich oft genug tun, tagtäglich oder überhaupt jemals? Natürlich müsste man hier „viele“ genauer definieren, aber für die meisten, befürchte ich jetzt einfach mal, ist das Leben selbstverständlich geworden und sie bedenken diese Aspekte des Universums gar nicht, aber da kann ich nur vermuten und hoffen, dass ich mich irre.


    Kommen wir zum „Gnade und Gleichgültigkeit-Punkt“ zurück, denn im vorletzten Satz nimmst du dem allen sein Bewusstsein und erklärst erneut von einem wissenschaftlichen, sachlichen Punkt aus, dass die Sonne reine Energie ausstrahlt und es stattdessen Gleichgültigkeit ist. Wobei die Gleichgültigkeit wieder für ein bewusstes Handeln steht und sich der Sachlichkeit somit entzieht, deswegen für mich eine interessante Mischung aus Wissenschaft und eigener Empfindung des Erzählers. Der Abschlusssatz ist ebenfalls interessant, da ich Murphy selbst, leider, erst einmal online recherchieren musste. Sollte dazu sagen, dass ich nichts mit Naturwissenschaften groß anfangen kann und somit nicht verwunderlich ist, dass ich es nicht kannte und womöglich einen versteckten Sinn nicht erkannt habe. Kann mich allerdings auch nicht erinnern, wann die Thematik damals in der Schule vorkam, haha. Ging wahrscheinlich an mir vorbei? x)
    Faszinierend auch dein Bild zum Drabble, das für mich sehr verspielt und künstlerisch wirkt. Es vermittelt fast schon etwas Kindliches und Unschuldiges, statt Gleichgültigkeit oder Wissenschaft, sieht es eher harmonisch und farbenfroh aus. Vielleicht stellt es die Lebenszone da, wie sie sich der Erzähler vorstellt, ein Kind oder wie die Lebenszone aussehen sollte, nämlich vielfältig und fröhlich, statt kalter Gleichgültigkeit und Ähnlichem. Sehr interessante Wahl, gefällt mir.
    Ich kann mir vorstellen, dass du beim Wettbewerb - wie du wohl auch im Nachwort schreibst, habe da deine ersten paar Sätze gelesen – ein gemischtes Ergebnis bekamst. Keine Ahnung, wie weit „Murphy“ da miteingespielt hat, aber ich kann mir vorstellen, dass die meisten Abgaben eher einen mystischen, malerischen Inhalt verfolgt haben und du mit deinem anderen Ansatz sicherlich auffielst. Dein Werk ist für mich eine Mischung aus Sachlichkeit und eigenen Einflüssen über Gleichgültigkeit, gefühlt auch eine Prise Humor mit dabei. Sachlich, scherzhaft betrachtet alles. Allerdings verzichtest du da ein wenig auf das Malerische, womit es wohl wirklich Geschmackssache für viele ist. Nimmt jeder anders auf, ich empfand dein Werk als interessant und das heißt schon was, wenn ich sonst nicht viel für die wissenschaftlichen Aspekte übrig habe, lol. Dein Werk hat etwas Spannendes an sich und das gefällt mir. Weiter so, freue mich bereits auf zukünftige Werke und wünsche dir einen schönen Abend/Tag! ^-^


  • ©Pol Ledent ~ Der Flötenspieler


    Sorgenfänger


    Ratten seid ihr, Ungeziefer. Klein oder groß, ihr seid alle verdorben. Euer Bauchgefühl treibt euch voran, aus Angst seht ihr nicht zurück. Ihr seid schmutzig, krank, verabscheuungswürdig. In eurer Gier beißt ihr selbst die Hand, die euch füttert. Man wird kaum mit euch fertig, wenn ihr einmal ausgewachsen seid.
    Dumm seid ihr auch, aber euer Nachwuchs ist dümmer. Die Jugend ist sprunghaft, formbar. Wer es nicht besser weiß, läuft dem nach, der am besten auftritt.
    Schlimm, wie ihr euch um die Kleinen sorgt, aber keine Angst. Ich beende einfach, worum ihr mich gebeten habt und nehme euch eure Sorgen.


  • Hallöchen Jefi. :3


    Ich dachte mir einfach mal, dass ich dir ein bisschen Feedback zu deinem neusten Werk dalasse. Ich bin ja sowieso ein Fan von Drabbles, weil in ihnen so viel drin stecken kann ... also abgesehen von den offensichtlichen Dingen, meine ich. Oder aber es liegt nur an mir, dass ich gern mal weiter interpretiere. :thinking: Na ja, wie auch immer. :'D Wollen wir mal zum Werk kommen.



    Sorgenfänger


    Also wenn man den Titel jetzt unabhänigig vom Werk betrachtet, dann hat ja "Sorgenfänger" erst mal eine eher positive Wirkung bzw. denke ich mir dabei nicht unbedingt etwas Schlimmes. Sehr viel eher jemanden, der anderen das Leben leichter macht. Sorgen sind ja für gewöhnlich etwas, was einen ablenken bzw. den Alltag erschweren kann. Und wenn es jemanden gibt, der sie einfängt - umso besser. Man könnte ja fast schon sagen: Was für ein Held des Alltags, haha. Wenn man das Werk allerdings mit hinzuzieht, dann hat es für mich irgendwie mehrere Interpretationsansätze. Einerseits ist es natürlich wieder was Positives, weil Ratten im Allgemeinen ja als Ungeziefer und damit als Sorge gelten (Gott, ich schwöre - was für ein Bullshit *grummel* Es sind meine zweit liebsten Tiere, weil sie echt intelligent sind und ein besseres gesellschaftliches System als wir Menschen bestitzen ...) und wenn es dann jemanden gibt, der diese einfängt bzw. beseitigt, dann hat es durchaus was Gutes, ja. Auf der Anderen Seite kann man es aber auch aus der Sicht der Ratten betrachten - Jemand erledigt sie und sorgt damit auch dafür, dass sie eine Sorge weniger haben: Nämlich das schwere Leben (was ja die letzten beiden Sätze eigentlich bestätigen). *zuckt mit den Schultern* Irgendwie musste ich daran denken, als ich den Titel gelesen habe und ich mache mir gern über etwas Gedanken, haha.
    So, weiter gehts. Hm, zwar steht in deinem Nachwort drin, dass du dich hierbei auf die bekannte Geschichte beziehst, allerdings hätte ich es auch als Gesellschaftskritik betrachten können. Also quasi als Metapher für unser Leben und wie wir es führen. Schon ziemlich ironisch, wenn man da die Parallelen betrachtet, oder? Besonders gut in der Hinsicht der Satz, dass sie die Hand beißen, die sie füttert. Ich glaube, dieses symbolische Bild ist sehr weit verbreitet in unsrer Gesellschaft. Leider. Aber nun ja, was soll man machen? Ist ja nicht so, als wenn es oftmals sogar unbewusst passiert.
    Aaaaber okay, ehe ich hier in meiner "zu tiefen" Interpretation feststecke, komme ich mal wieder zum Werk an sich, haha. Ich finde es sehr interessant, dass du in deinem Werk quasi ein direktes Gespräch führst - also der Erzähler redet quasi mit den Ratten. Wobei ich denke, dass es ein indirektes Reden ist; quasi das er das lediglich denkt, bevor er eventuell auf Jagd geht oder so. Ich bezweifle, dass er das ausspricht. Zumindest hat es sich beim Lesen nicht danach angefühlt. Davon abgesehen springst du ja auch zwischen mehreren nacheinanderfolgenden zeitlichen Abschnitten (also allgemeine Kritik an den Ratten > ihre Angst > Nachwuchs etc.pp) und in direkten Gesprächen würde das etwas anders ablaufen, haha. Aber ja, hat mir sehr gut gefallen, dass du es so gemacht hast.
    Ich hoffe nur, dass du im Allgemeinen nicht auch so über Ratten denkst. >_< Sie sind nämlich verdammt faszinierende und sehr falsch verstandene Geschöpfe dieser Erde (ähnlich wie Spinnen) und sie verdienen definitiv mehr Liebe! Aber zu der düsteren Atmosphäre des Monats hat es auf jeden Fall gepasst! :3


    Das war es dann auch schon von mir. Ich hoffe, du hast dich über den kurzen Einblick in meine Gedanken gefreut.
    Grüße!

  • Selbstverständlichkeiten


    Man gewöhnt sich an alles, auch an das Außergewöhnliche. Und wenn man sich erst an etwas gewöhnt hat, vergisst man schnell, dankbar dafür zu sein.
    Deshalb spielt es keine Rolle, dass man eigentlich ein Wunderwerk der Technik in den Händen hält. Es spielt keine Rolle, wie unvorstellbar vielfältig und komplex die Folgen eines einzigen Tastendrucks sein können.
    Was zählt ist, dass man sich schlussendlich an alle Wunder gewöhnt hat. Dankbarkeit weicht Selbstverständlichkeit. Anfängliche Rufe der Begeisterung weichen Seufzern der Enttäuschung.
    Was bleibt, ist ein Gedanke: "Verfluchtes Drecksteil, wieso hängst du schon wieder? Ich will doch nur eine Nachricht schreiben!"


  • Na du.


    Könnt ihr mal aufhören, alle so gute Werke zu veröffentlichen. Und das dann auch noch hintereinander ... Hilfe, ey. xd Jedenfalls: Ja, hier bin ich wieder, weil ich die Aussage deines neusten Werkes sehr schön finde. Im Übrigen sind Drabbles ohnehin eine gute Möglichkeit, Botschaften zu überbringen. Wenige Worte können eben stellenweise eine außerordentlich gute Atmosphäre erzeugen. Na gut, wollen wir mal ans Kommentieren. o/



    Selbstverständlichkeiten
    Hach, ja. Allein schon der Titel - Was ist überhaupt selbstverständlich? Oder besser gesagt: Was sollte selbstverständlich sein? An sich nichts. Ernsthaft, ich bin der Meinung, nichts ist selbstverständlich, weil immer ein gewisser Hintergrund existiert. Egal, ob man da jetzt von einem Menschen oder einer Maschine redet. Im Grunde genommen ist nichts auf der Welt umsonst und auch wenn man öfter mal sagt "Ach, das war doch selbstverständlich" (weil man zum Beispiel etwas für einen Freund gemacht hat), dann meint man das selbst vielleicht so, aber an und für sich ist es das eigentlich nicht. Natürlich freut sich der Gegenüber, wenn man das sagt, weil es bedeutet, dass man weder eine Gegenleistung dafür erwartet, noch das man es aus eigennützigen Gründen getan hat. Mehr noch - eigentlich sagt man damit aus, dass einem der andere so wichtig ist, dass man das immer wieder tun würde. Das es eben selbstverständlich ist und das ist - wenn ich jetzt selbst mal so darüber nachdenke (ich sags nämlich gern mal zu Freunden, lol) - ein sehr großes Kompliment. Aber wenn diese besonderen Dinge (aka a Selbstverständlichkeiten) zu Gewohnheiten werden ... dann kann es schnell mal dazu kommen, dass man den eigentlichen Sinn nicht mehr erkennen kann ... - nun gut, haha, in deinem Werk beziehst du dich ja eher auf die Technik. Ich habe mir übrigens auch das Video angesehen und allein der Ausruck "Everything is amazing and nobody is happy" sagt da eigentlich schon alles.
    Das was du mit deinem Werk ansprichst ist irgendwie "everyday happening", lmao. Ich mein, im Ernst. Wir regen uns doch ziemlich schnell darüber auf, dass ein PC hängt oder das das Handy etwas nicht so macht, wie es machen soll. Dabei ist allein die Existenz dieser Gerätschaften schon eine verdammt große Leistung. Ich habe ehrlich gesagt noch nie sonderlich ausführlich darüber nachgedacht, aber jetzt wo ich es tue, komme ich mir schon fast "bad" vor, weil ich es gar nicht wertschätze, was da für Dinge hinterstecken. Hinter einem PC, hinter einem Handy oder hinter einem Aufzug in der Uni. Was auch immer man hier nehmen möchte - völlig egal eigentlich. Fakt ist, dass ein Mensch sich viel zu schnell daran gewöhnt und nicht mehr sonderlich lange über die Komplexität des Gegenstandes nachdenkt. Holy fuck, warum!? xd Nun gut, wahrscheinlich ist es leichter, etwas zu verfluchen, weil es nicht das tut, was es tun soll. Natürlich ist das einfacher. Wie viele kennen sich schon genau damit aus, wie jetzt eigentlich der PC mit den Nullen und Einsen jongliert? Urgh, belastend.


    Vielen lieben Dank für dieses Werk, was mich echt zum Nachdenken angeregt hat! Es steckt so viel Wahrheit hinter den wenigen Worten, dass es schon fast erschreckend ist. Freue mich auf weitere Werke!
    Funfact: Firefox hat sich gerade aufgehangen. Anstatt mich aufzuregen habe ich aber darüber nachgedacht, was der PC dafür eigentlich alles machen muss. Ich war dann so in Gedanken vertieft, dass ich völlig verpeilt habe, dass es dann wieder funktioniert hat. xD


  • Quelle leider unbekannt

    Kontrollverlust


    Seinen letzten Halbsatz nahm sie kaum noch wahr.
    Ungläubig starrte sie ihn mit aufgerissenen Augen an, während ihre Schultern anfingen, unkontrolliert zu zucken. Ihr Brustkorb fühlte sich zugeschnürt an, als wäre er in einem zu engen Korsett gefangen. Ihr Mund war geöffnet, aber sie brachte nur ein heiseres Stöhnen heraus. Ihr fiel auf, wie ihre Sicht verschwamm und etwas Warmes ihre Backen herunterlief. Frustriert hielt sie sich ihren verkrampften Bauch und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.
    "Danke, das habe ich gebraucht", stieß sie schließlich aus, atmete tief durch und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.


  • Na Du.³


    Da bin ich wieder mit einem neuen Kommentar. :'3 Ich habe nun mal einfach eine Schwäche für Drabbles und kommentiere sie gern. Damit musst du nun wohl leben, haha. Generell mag ich auch einfach die Aussagen deiner Werke; ich muss schon sagen, dass ich es nicht oft erlebe, dass mich der Handlungsstrang - gerade bei Drabbles - überrascht. Aber das hat dein neustes Werk geschafft - daher: Hallo, ich kommentiere. xd


    Kontrollverlust
    Also wenn ich jetzt mal spontan darüber nachdenke, was mir unter 'Kontrollverlust' alles einfällt ... hui, an sich keine positiven Dinge. Natürlich gibt es sie - zumindest, wenn man dein Werk zu Ende gelesen hat - aber ich glaube, man denkt automatisch erst einmal an eine eher unschöne Situation, weil der Mensch es selten gern hat, wenn er über etwas die Kontrolle verliert. Am allerwenigsten über sich selbst; es zeugt teilweise von Schwäche oder von einer Situation, der man nicht gewachsen ist. Natürlich ist hierbei oftmals auch die Frage, ob man als Mensch eigentlich jemals irgendwas unter Kontrolle hat (mMn nö - im Ernst; wer kann schon sagen, dass er das Leben unter Kontrolle hat? Das macht doch eh was es will, lmao). Aber wenn man sich darüber einfach mal Gedanken macht, ist es eigentlich recht interessant, was man für Ansätze herausfiltert. Zumindest war es bei mir so. Du sprichst generell Themen an, über die man sich eher selten Gedanken macht und wenn, dann sind sie nicht Ziel gerichtet. Im Übrigen wird die Vermutung bezüglich einer negativen Ausgangssituation des Werkes noch durch das verwendete Bild verstärkt. Tz, tz. ;p
    Ich finde es sehr fasziniert wie du mit den Beschreibungen spielst. Der Leser - bzw. ich - wusste bis zum Ende nicht, um was es eigentlich geht. Du beschreibst die Situation undurchsichtig, man denkt, die Person würde Schmerzen spüren und sich in einer missligen Lage befinden. Du umgehst es aber ebenso gut, es wirklich zu bestätigen. Gute Kombination aus "negativen" Beschreibung(swort)en und neutralen Bezügen zur Handlung. Dadurch bedingt, dass du es erst am Ende wirklich auflöst, bekommt das Werk dadurch einen sehr interessanten Verlauf und wenn man es erneut liest, merkt man auch - Hey, stimmt. Ein Lachkrampf/Lachanfall fühlt sich genau so an. Aber dadurch, dass der Mensch mit "lachen" erst einmal nichts Negatives verbindet, kommt er anhand der eher negativen Beschreibungen nicht darauf, haha. Wirklich super gemacht.
    Übrigens verwendest du in deinen Werken stets die englischen Anführungszeichen, was ein wenig unschön ist. In meinem Kommentar sind sie auch vorhanden, weil ich sie nicht in Word vorschreibe und Kommentare an sich jetzt auch nicht so wichtig sind, als dass ich es ändern würde, haha. Ist das beabsichtigt oder nicht? Weil neben den englischen Anführungszeichen "Text" gibt es ja auch noch die französischen »Text« (die ich am Liebsten verwende) oder eben die typischen Deutschen.


    Nun denn - danke, für das interessante Werk. Viel Spaß beim weiteren Schreiben und wir lesen uns. (:


  • Hyänenstolz


    Langsam aber sicher ließ sich die Sonne hinter den Horizont fallen und nahm die brennende Hitze des Tages mit sich. An ihrer Stelle kletterte der Mond das Firmament empor und tauchte die Savanne in sein kaltes
    Licht. Irgendwo weit, weit unter ihm, zwischen Sträuchern und Büschen, hatte sich ein Rudel von Hyänen zur Ruhe gelegt. Friedlich lagen sie dort, in ihren Träumen versunken und regten sich nicht. Nur eine junge Hyäne konnte keinen Schlaf finden. Poh lag hellwach auf dem Rücken und starrte die glitzernden Punkte im Himmel an. Er versuchte sich nicht zu rühren, an nichts zu denken und gleichzeitig nicht vor Langeweile zu sterben. Das klappte nicht, bald kreisten ihm die Gedanken im Kopf herum, bis es ihm zu schwindelig war, um liegen zu bleiben. Resigniert beschloss Poh, sich die Beine ein wenig zu vertreten und zur Wasserstelle zu laufen. Vielleicht würde er besser schlafen können, wenn er etwas getrunken hatte.
    Mühsam richtete Poh sich auf und ging leise auf das Gestrüpp zu. Dio, sein älterer Bruder, hob schlaftrunken seinen Kopf und blickte ihn fragend an.
    »Ich gehe trinken«, flüsterte Poh, worauf Dio leise grunzte und beruhigt weiterschlief.


    Bald war Poh an der Wasserstelle angekommen und tauchte seine Schnauze in das kühle Nass. Gerade, als er anfangen wollte zu trinken, bemerkte er aus seinem Augenwinkel eine Bewegung.
    Ein Poh unbekanntes Tier ist ebenfalls zum Trinken an die Wasserstelle gekommen. Es schien Poh nicht zu bemerken und trank seelenruhig und mit großen Schlucken.
    Pohs Augen weiteten sich. Er hatte noch nie ein so schönes, ein so majestätisches Tier gesehen. Es war groß, viel größer als Poh. Der schwere Körper wurde von dicken, starken Beinen getragen. Ein Horn ragte aus dem Kopf und streckte sich dem Mond entgegen.
    Poh stand mit offenem Mund da und starrte. Er hatte immer gedacht, dass Einhörner nicht echt wären, nur eine Legende, ein Märchen. Und doch stand eins direkt vor ihm, vor seiner Schnauze und trank aus der selben Wasserstelle wie er.
    Poh hätte dem Einhorn noch stundenlang zugesehen, wenn sich der Wind nicht plötzlich gedreht hätte. Die Nasenlöcher des Einhorns weiteten sich kurz, worauf der Kopf zur Seite zuckte. Misstrauisch starrte das Einhorn an die Stelle, an der nur vor einer Sekunde Poh gestanden hatte. Nachdem es sich einige Sekunden lang umgesehen hatte, ohne etwas Verdächtiges zu entdecken, zuckte es mit den Schultern, drehte sich schwerfällig um und verschwand in der Nacht.
    »Du hast was gesehen?«, gähnte Dio müde.
    »Ein Einhorn habe ich gesehen, ein Einhorn!«, plapperte Poh aufgeregt. »Es war wundervoll, so groß und so schön...«
    »Rede doch bitte keinen Unsinn«, murmelte Dio. Langsam war er wach genug, um genervt zu klingen. »Du weißt doch, dass es keine Einhörner gibt.«
    »Ich habe es aber selbst gesehen«, behauptete Poh stur. »Es stand direkt vor mir, sage ich dir, es war riesig, nein, großartig und es hatte so ein schönes, graues Fell...«
    »Grau?«, hakte Dio nach. Langsam dämmerte ihm, was dieses «Einhorn« eigentlich war.
    »Ja!«, plapperte Poh weiter. »Wunderschön, sage ich dir, und stolz. Und es stand direkt vor mir...«
    »Sag bloß, du hast noch nie ein Nashorn gesehen?«
    Poh hielt mitten im Satz inne und stutzte. »Nashorn?«
    Pohs Augen weiteten sich. Dio glaubte sogar ein Rattern hören zu können, das aus Pohs Kopf zu kommen schien. Dio schmunzelte.
    »Ja, ein Nashorn«, sagte Dio. »Du weißt schon, groß, dick und grau, mit einem Horn im Gesicht, an dem meistens Mist klebt?«
    »Da war kein Mist, glaube ich«, antwortete Poh.
    Sie schwiegen. Dio beobachtete Poh dabei, wie dieser enttäuscht auf den Boden starrte und auf diesem in Gedanken versunken herumscharrte.
    »Was geht dir durch den Kopf?«, fragte er schließlich.
    Poh starrte zur Seite und schwieg. Schließlich brach es aus ihm heraus: »Ich wäre gerne ein Einhorn, weißt du.«
    »WAS?«
    »Ja, wirklich! Ich meine, denke doch mal drüber nach. Einhörner sind stolze, edle Tiere. Wie sonst niemand, mal ganz im Gegensatz zu uns«, sagte Poh traurig.
    »Ganz im Gegensatz zu uns? Was meinst du?«
    »Na, du weißt doch selbst, was man über uns sagt. Für die Löwen sind wir nur Schwächlinge, andere Tiere sind ständig misstrauisch und halten uns für böse. Niemand bewundert oder mag uns. Deshalb wäre ich gerne ein Einhorn, verstehst du? Alle würden mich mögen.«, erklärte Poh niedergeschlagen.
    »Wieso schert es dich, was die anderen von dir denken?«, fragte Dio. »Wir lieben dich doch, reicht dir das nicht?«
    Poh schwieg und starrte wieder den Boden an.
    Dio seufzte. »Weißt du, es ist so«, sagte er schließlich. »Man kann dieselben Eigenschaften auf mehrere Arten beschreiben. Es liegt an uns, es gut oder schlecht klingen zu lassen. Angst und Vorsicht zum Beispiel. Dummheit und Tollkühnheit. Hinterlist und Intelligenz. Und nur, weil wir in der Gruppe arbeiten und ausdauernd sind, heißt das nicht, dass wir schwach sind, obwohl die Löwen das vielleicht glauben. Ich bin stolz darauf, eine Hyäne zu sein, weil ich es will, verstehst du? Und du solltest das auch sein. Du hast allen Grund dazu, wenn du es nur willst.«



  • Deckfarbe
    Ich lasse den letzten Umzugskarton in die Ecke meines neuen Wohnzimmers fallen, setze mich auf ihn und lehne mich erschöpft an die Wand.
    Mein Keuchen hallt zwischen den Wänden der leerstehenden Wohnung wieder, von unten dringt das ungewohnte Rattern der Züge durch die nur halb so gut wie versprochen dämmenden Fenster.
    Es riecht auch seltsam. Die Gerüche des Vormieters, der alten Dielen und der neu überstrichenen Wände hängen in der Luft und kitzeln in der Nase.
    Und doch fühle ich mich wie immer. Wieso sollte ich auch nicht? Meinen Schimmel bin ich nicht los und Drübermalen bin ich langsam Leid.


  • Ich hab ja versprochen auf Anfrage zu kommentieren - sollst du natürlich bekommen. ^^


    Bei deinem Drabble war tatsächlich das Thema mein Problem. Ja, du schreibst von einem Umzug, welcher (meist) einen Neuanfang symbolisiert und ich habe mittlerweile derart viele Umzüge hinter mir, ich könnte ganze Nähkästchen füllen. Bis zu den letzten drei Sätzen gefiel mir dein Drabble gut, weil es diese typische "neue Wohnung"-Gefühl vermittelt, nachdem man den schweren Karton die Treppe hoch bis in den zweiten Stock geschleppt hat. Doch dann nahm die letzte Zeile mir komplett das Thema des Wettis weg.

    Zitat von Jefi

    Und doch fühle ich mich wie immer. Wieso sollte ich auch nicht? Meinen Schimmel bin ich nicht los und Drübermalen bin ich langsam Leid.

    Im Prinzip impliziert das für mich "alles bleibt beim Alten, nur in neuer Umgebung". Zwar hat das lyrische Ich eine neue Wohnung, hängt sich aber daran auf dass sonst nichts neu ist: Schon wieder der Schimmel, schon wieder drübermalen, wie in der alten Wohnung. Da habe ich mich ein wenig gefragt warum das Ich überhaupt umgezogen ist wenn doch alles genauso schimmlig (und auch sonst nicht berauschend) ist wie zuvor.
    Ich hätte mir schlichtweg einen zuversichtlicheren, hoffnungsvolleren Abschluss gewünscht, etwas das sagt "okay die Bude hier ist zwar auch nicht wunderschön, aber ich mache das beste daraus" und weniger resigniert klingt. Etwas das wirklich zeigt, es herrscht ein Neuanfang und nicht nur Stagnation.
    Zumindest ich hatte bei Umzügen bisher immer das Gefühl, dem etwas Positives abgewinnen zu können. Natürlich verbindet man u.U. viel Negatives damit, besonders wenn man Familie und Freunde zurücklassen muss, doch die Aufregung bezüglich der neuen Wohnung und der Umgebung fehlen mir bei deinem Drabble. Selbst wenn du das persönlich anders erlebt haben solltest, ich beziehe mich rein auf die Themenvorgabe und deshalb fehlt mir das Gefühl eines Neuanfangs leider.


    Uff, ich hoffe es ist einigermaßen nachvollziehbar warum ich das kritisch sehe. Ansonsten gefiel es mir gut, auch wenn recht kurz - bei solch freien Aufgabenstellungen hoffe ich immer auf längere Texte, was aber deiner Abgabe natürlich nicht geschadet hat, ist schließlich eine persönliche Vorliebe. ^^


  • ©Arne Hückelheim

    Spurwechsel


    Wie kann es sein, dass sich zwischen uns so 'ne Scheiße stellt?
    Vor nicht allzu langer Zeit teilten wir eine Welt
    Doch sie gehörte nicht uns, wir lebten nur darin
    Und müssen klar kommen, mit den Regeln die sie bringt
    ©Veedel Kaztro - Schubladen


    An Freitagabenden erwachen die Menschenmassen wieder zum Leben. Die Schritte werden federnd, die Stimmen klingen erwartungsvoll und gut gelaunt. Das planlose Durcheinander scheint nichts mehr mit den mechanischen, synchronen Bewegungen des vorigen Morgens gemein zu haben. Selbst das Fiepen der S-Bahn Türen klingt zu dieser Zeit aufmunternd.
    Auch in Marc machte sich die Wochenendeuphorie breit, als er die Bahn betrat. In Gedanken an die kommenden Tage versunken, ließ er sich auf einen Sitz fallen und sah aus dem Fenster.
    Die abendliche Kulisse der Innenstadt rollte langsam an ihm vorbei und machte den spärlich beleuchteten Straßen des Industriegebiets Platz, bis auch diese dem dunklen Waldstreifen am Stadtrand wichen. Bald war es unmöglich hinauszusehen, die Fensterscheibe reflektierte nurnoch den hell erleuchteten Innenraum des Wagens.
    Marc wandte den Blick vom Fenster ab und betrachtete stattdessen die junge Frau ihm gegenüber. Ihren Kopf an die Scheibe gelehnt saß sie zusammengesackt da und starrte mit leerem Blick und halb geöffnetem Mund auf den Boden. Sie sah direkt an einem aufgeklappten Notebook vorbei, welches sie auf ihrem Schoß abgelegt hatte und verkrampft festhielt. In ihrem ungeschminkten Gesicht saßen tief eingefallene Augen, unter denen sich riesige Augenringe eingenistet hatten. Bis auf das regelmäßige Heben und Senken ihrer Brust ging kein Lebenszeichen von ihr aus. Marc wollte gerade seinen Blick von ihr abwenden, als sie sich mit einer Hand ins Gesicht griff und eine blonde Sträne, die ihr auf die Nasenspitze gefallen war, hinter ihr rechtes Ohr klemmte.
    Marc stutzte. Diese Bewegung kam ihm bekannt vor. Ein Gefühl der Vertrautheit kämpfte sich in Marcs Unterbewusstsein, überrollte jegliche Gedanken und Gefühle, bis nurnoch Platz für Unglauben und Neugierde übrig war. Bilder aus einer unbeschwerten, leichtfüßigen Zeit schossen ihm durch den Kopf, wurden zu Querschlägern und verdeckten ihm kurzzeitig die Sicht.
    Ungläubig starrte er seinen Gegenüber an, sog jedes Detail in sich auf.
    Nachdem er sich sicher war, dass ihm seine Augen keinen Streich gespielt hatten, sprach er schließlich: »Sara? Sag mal, bist du's wirklich?«
    Beim Hören ihres Namens zuckte Sara erschrocken zusammen, als wäre sie geohrfeigt worden. Augenblicklich saß sie aufrecht in ihrem Sitz und blinzelte Marc verwirrt an. Ihre Pupillen weiteten sich kurz, als sie ihn erkannte.
    »Marc«, antwortete sie langsam und starrte ihn schuldbewusst an, »was machst du denn hier?«
    »Wie was mache ich hier?«, erwiderte Marc, über beide Ohren grinsend. "Was machst du denn hier lautet doch wohl eher die Frage!" Er stand auf und breitete die Arme aus. »Na komm, lass dich drücken.«
    Sara legte ihr Notebook etwas überstürzt beiseite, stand hastig auf und erwiderte Marcs Umarmung.
    »Meine Fresse«, sagte Marc, als er Sara schließlich losließ und sie sich wieder in ihren Sitzen niederließen, »lang isses her!«
    Sara nickte und seufzte. »Ja, länger als mir lieb ist.«
    »Wann warst du denn zuletzt da?«, überlegte Marc laut. »An Karos 22em warst du doch, oder? Das war ja auch schon vor über einem Jahr!«
    »Ja, so lange schon«, murrte Sara. »Ich hatte seitdem nichtmal Zeit, meine Eltern zu besuchen, sie mussten zu mir hoch.«
    »Wow, das klingt, als wärst du gut eingespannt«, meinte Marc mitfühlend und musterte Sara erneut. Er fragte sich, ob er je so große Augenringe gesehen hatte.
    »Oh ja«, lachte Sara lustlos. »Auf jeden Fall. Wenn ich etwas bin, dann eingespannt. Vorwärts im Galopp sagt man doch, oder?«
    Marc lächelte schelmisch. »Ach ja? Sagt man das bei dir in Berlin?«
    »Ach, was weiß ich.«
    Sie schwiegen kurz, beide ihren Gedanken nachhängend.
    »Erzähl mal, wie geht's dir so?«, fragte Sara schließlich und sah ihn erwartungsvoll an. »Wie geht's der Truppe?«
    »Ach, du weißt schon. Same old, same old. In der Firma gibts viel zu tun, aber es geht klar. In zwei Wochen geht's in Urlaub, von daher alles gut.« Marc hielt kurz inne, um seine Gedanken zu sammeln. »Bei den Jungs und Mädels ist auch alles mehr oder weniger beim Alten. Kiki und Sven hatten sich mal getrennt, sind aber wieder zusammen. Da hat sich also auch nicht viel getan. Steffen ist in die Stadt gezogen, wohnt jetzt direkt beim Marktplatz. Was gibts sonst? Nichts, eigentlich. Man trifft sich hin und wieder am See oder in der Drossel. Achja richtig, letztens hat der alte Sep sogar eine Runde aufs Haus gehen lassen!«
    Sara zog die Augenbrauen hoch. »Was, wirklich?«
    Marc nickte grinsend.
    »Man, das hätte ich gern gesehn.«
    »Ja, es war großartig. Er hat auch nach dir gefragt, aber niemand wusste was.« Er gab sein Bestes, nicht vorwurfsvoll zu klingen. »Von dir hört man ja nichts mehr.«
    Sara lief rot an und sah beschämt zu Boden. »Jaa, ich weiß. Und es tut mir echt Leid, weißt du? Wirklich. Aber ich komme nicht dazu, krieg's einfach nicht auf die Kette.« Sie seufzte und starrte zur Decke. »Wenn ich nicht gerade in der Uni hocke, bin ich im Büro und mach den Hiwi. Während den Ferien halt in Vollzeit. Und dass sich Deadlines um so Kleinigkeiten wie Freizeit oder ausreichend Schlaf scheren, wäre mir auch neu. Ich bin schon froh, wenn ich mal Zeit finde, um joggen zu gehen.«
    Marc betrachtete schweigend das Häufchen Elend, das ihm gegenüber saß.
    »Schau mal hier«, fuhr Sara fort. »Ich besuche übers Wochenende meine Eltern, ja? Da könnte man ja meinen, dass man sich wenigstens da etwas ausruhen könnte. Aber weit gefehlt! Nein, ich muss diesen Schwachsinn da...« Sie klopfte mit einem Fingerknöchel auf ihrem Notebook herum, das zusammengeklappt neben ihr lag. »...fertiglesen und bis Montag eine Kolumne geschrieben haben.« Sara schnaufte frustriert. »Wahrscheinlich wird es wieder darauf hinauslaufen, dass ich mit meinen Eltern zusammen essen und mich für den Rest der Zeit in meinem Zimmer verkriechen werde. Ganz wie früher eigentlich.« Sie lachte kalt.
    »Puh«, sagte Marc. »Also hör mal, wenn wir dir irgendwie helfen können...«
    »Jaja...«
    »...oder irgendwie Arbeit abnehmen...«
    Sara unterbrach ihn. »Nein. Danke, aber nein. Ich muss das selber irgendwie auf die Kette kriegen.«
    Es quietschte leise, als die Bahn langsam abbremste. Sara sah aus dem Fenster und Erleichterung machte sich in ihrem Gesicht breit, als sie eine ihr vertraute Häuserreihe erblickte.
    »Du, ich muss los«, sagte sie, stand hastig auf, zerrte eine Reisetasche aus dem Gepäckträger und stopfte ihr Notebook hinein. »Mach's gut und sag den Anderen einen Gruß, ja?«
    »Sicher, du auch«, antwortete Marc und sprang auf.
    Sie umarmten sich kurz, dann gingen die Türen auch schon summend auf und Sara verließ eilig die Bahn.
    »Meld' dich doch mal wieder, ja? Du bist doch in der Gruppe, oder?«, rief Marc ihr hinterher.
    »Ja, ich versuch's!«, kam es zurück.
    Marc sah Sara dabei zu, wie sie eiligen Schrittes den menschenleeren Bahnsteig entlangschritt. Fiepend schlossen sich die Türen wieder und die Bahn rollte los. Als Marc an Sara vorbeizog, winkten sie sich nochmal zu, dann verlor er sie aus den Augen.



  • Thrawn

    Hat das Label Sammlung hinzugefügt.