D/P - Die Geschichte danach

Episode 13

Ami

„Hydropi, weich aus!“, rief ich. Mein Hüpfer machte einen Satz zur Seite und entging damit knapp einer Flammenwurf-Attacke von Scarletts Hundemon. Die Attacke streifte den Ast eines Baumes weiter hinter uns, welcher daraufhin unter lautem Knacken abbrach und zu Boden fiel.
Wir trafen Scarlett und einige Rüpel auf dem Weg nach Weideburg, wo sie mit einem Lkw liegen geblieben waren. Scarlett meinte, sie habe gerade ohnehin nichts besseres zu tun, da sie ihr Fahrzeug nicht ohne Hilfe reparieren konnte. Da ihr nichts übrig blieb, als untätig herumzusitzen bis Verstärkung eintraf, verwickelte sie uns aus reiner Langeweile in einen Kampf.
Kaum hatte sie ihr Pokémon aus seinem Ball geholt, erschienen auch schon die beiden Rüpel, die uns schon einige Zeit verfolgten und schlossen sich dem Kampf an.
Scarlett hatte also die Unterstützung von insgesamt acht Rüpeln. Damit war Team Rocket zu neunt, während wir nur zu fünft waren. Kaleo, Ben, Ekaterina und Elizabeth kämpften jeder gegen gleich zwei Rüpel, während ich mich ihrer Anführerin widmete.

„Whirlpool!“, befahl ich. Scarlett ließ ihr Hundemon natürlich ausweichen, sodass die Attacke, ein riesiger Kreisel aus Wasser, auf dem Boden aufschlug und zu einer netten, kleinen Welle wurde. Das Rattikarl eines Rüpels wurde einfach weggespült.

Eigentlich war der ganze Kampf ein einziges Durcheinander, da es kein richtiges Kampffeld gab. Jeder kämpfte gerade da, wo er sich befand. Immer wieder wurden wir unterbrochen, weil die Pokémon der anderen unseren Weg kreuzten.
Scarlett streckte den Arm aus: „Los, Hundemon! Flammenwurf-Attacke!“ Sie hatte sichtlich Spaß an dem Kampf, denn sie sprang freudig auf und ab.
Ich ließ die Attacke abwehren: „Schutzschild, Hydropi!“
Hundemons Angriff erreichte meinen Hüpfer gar nicht erst. Das Bronzel eines Rüpels bekam die Attacke ab. Es wurde durch eine Attacke von Bens Snibunna zurückgestoßen und landete genau im Weg von Hundemons Flammenwurf-Attacke.
Kampfunfähig blieb es auf dem Boden liegen.

Scarlett kam mir ein wenig vor wie ein kleines Kind auf dem Rummelplatz. Ihr gefiel das Chaos um uns herum. Voller Begeisterung wollte sie gerade die nächste Attacke befehlen, als die Hupe eines Fahrzeugs ertönte.
Ein schwarzer Lkw von Team Rocket kam angefahren. Er hielt an und weitere Rüpel stiegen aus, außerdem eine junge Frau mit grünen Augen und braunen, schulterlangen Haaren.
Offenbar war sie ebenfalls eine wichtige Person bei Team Rocket. Sie trug die gleiche schwarze Uniform von Team Rocket wie Scarlett. Der Unterschied zu den Rüpeln lag darin, dass der Buchstabe R auf der Uniform nicht die gesamte Vorderseite des Oberteils bedeckte. Stattdessen zierte ein kleines R auf der rechten, oberen Seite des Oberteils die Uniform.

„Wir müssen leider schon gehen. Danke für den tollen Kampf!“, rief uns Scarlett winkend zu. Dann zog sie sich mitsamt ihrer Rüpel zu den Fahrzeugen zurück.
„Ihr könnt jetzt verschwinden“, rief Scarletts Kollegin. Sie hatte noch nicht einmal gegrüßt.

Während meine Freunde und ich uns verwirrte Blicke zuwarfen, scheuchten die zwei Commander ihre Rüpel herum und man beachtete uns nicht weiter.
Ben war der erste, der einen Kommentar dazu abgab: „Die hören einfach so auf zu kämpfen?“
„Dabei war ich gerade so schön in Fahrt“, jammerte Ekaterina und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust.
Kaleo schwieg und beobachtete weiter Team Rocket. Elizabeth versteckte sich hinter mir: „Beweg dich bitte nicht“, bat sie.
„Was ist los?“ fragte ich.
Scheinbar wollte Liz nicht gesehen werden. Ob das wohl mit der Frau zusammenhing, die eben zu Scarlett Unterstützung kam? Elizabeth antwortete nur knapp: „Später, bitte!“
„Worauf wartet ihr denn? Verschwindet endlich!“, rief die Unbekannte. „Oder wollt ihr etwa, dass ...“ Scarletts Kollegin stockte und kam einige Schritte näher. Ihr Blick ruhte auf Liz hinter mir. „Elizabeth, bist du das?“
Meine Freundin streckte zaghaft ihren Kopf raus. Scheinbar kannte die Frau Liz. „Was machst du hier, Lizzy?“
„Sagt bloß, ihr kennt euch?“, fragte ich meine Freundin hinter mir verwundert.
„Ja ... also ... ähm sie, sie ist ... meine ... meine große ...“, stammelte Elizabeth mit zitternden Knien.
„Schwester“, beendete die Unbekannte ihren Satz. Sprachlos sah ich Liz an.
„Verdammt“, sagte Liz niedergeschlagen und ließ den Kopf sinken.
Ben trat einen Schritt näher heran, bevor er erstaunt fragte: „Das ist ein Witz, oder? Sag, dass das nicht stimmt!“
Mit geschlossenen Augen schüttelte Elizabeth den Kopf.
„Ich bin Eleanor, Elizabeths ältere Schwester“, stellte sich uns Scarletts Kollegin endlich vor.
Liz trat hervor und ihrer Schwester entgegen. Langsam hob sie den Kopf. „Hallo, Elli.“
Eleanor kam näher und ergriff Lizzys Hände.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Schwesterherz. Wo warst du die ganze Zeit?“
Eliabeths Blick senkte sich wieder, als sie sagte: „Ich bin davon gelaufen, Eleanor.“
„Warum denn? Wir hätten dich bei Team Rocket gut gebrauchen können! Du hättest mittlerweile sogar Mitglied des Vorstandes werden können, Lizzy!“
Elizabeth wendete den Kopf ab.
„Ich habe dir schon einen Platz bei Team Rocket reserviert, Liz. Komm mit mir! Wir werden es allen zeigen, wie früher!“
Kommentarlos entzog Liz sich Eleanors Griff. Diese sah ihre Schwester schockiert an. „Was ist denn los, Lizzy?“
Liz hob ihren Kopf und schrie ihre Schwester an: „Ich habe genug von dir!“ Tränen rannen über ihr Gesicht. „Ich habe genug von Team Galaktik und ich habe genug von Team Rocket!“
Fassungslos trat Eleanor einen Schritt zurück.
„Mein Gewissen lässt es nicht zu, dass ich so schlimme Dinge tue!“ Lizzy sank auf die Knie. „Nicht noch einmal!“, sagte sie weinend.
„Haben wir uns nicht versprochen, dass wir immer zusammenbleiben werden, Schwesterherz?“, fragte Eleanor mit strenger Stimme. Ihre Euphorie, Elizabeth zu sehen, war scheinbar verschwunden.
Elizabeth sah ihre Schwester wieder an: „Ja und deshalb bin ich dir damals auch zu Team Galaktik gefolgt! Dass wir uns diesen Verbrechern angeschlossen haben war unser größter Fehler, Eleanor!“
„Was?!“, fragte Ben entsetzt. Ich rempelte ihn leicht an und schüttelte den Kopf. Das war ein Thema, auf das wir später eingehen konnten.

Eleanor hielt weiter dagegen: „Du meinst, es war ein Fehler? Sieh es doch eher als eine Art lehrreiche Erfahrung an. Erinnere dich an unsere Freunde bei Team Galaktik! Waren sie nicht immer für uns da? Und erinnere dich an Mars, Jupiter und Saturn! Wie oft haben sie sich für dich eingesetzt? Sie alle kannten das Potenzial, das in dir steckt!“
Ich warf meinen Freunden einen Blick zu. Keiner von ihnen konnte so recht glauben, was Eleanor da gerade erzählte.
Elizabeth ließ den Kopf wieder sinken.
Eleanor machte wieder einen Schritt auf ihre Schwester zu und kniete sich vor sie. „Ich vermisse dich, Schwesterherz! Komm zu mir zurück“, sagte sie und legte eine Hand auf Elizabeths Schulter.
„Niemals“, antwortete Liz kopfschüttelnd. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Dann stand sie auf uns stieß ihre Schwester zurück. „Nicht, solange du zu diesen Verbrechern gehörst, Eleanor!“
Eleanor ergriff Elizabeths Handgelenk: „Diese Verbrecher, wie du sie nennst, sind unsere Familie!“
„Nein! Unsere Familie lebt in Elyses! In unserer Heimat!“ Liz versuchte vergebens, sich aus dem Griff ihrer Schwester zu befreien.
„Elyses ist keine Heimat mehr für uns, Liz. Und es gibt dort niemanden mehr, der etwas mit uns zu tun haben will.“
„Das ist nicht wahr!“

Elizabeth gab ihrer Schwester nicht nach. Doch Eleanor verstärkte ihren Griff um Elizabeths Handgelenk: „Ja? Und warum hat man uns dann von dort verbannt?“
„Du tust mir weh, Elli!“, sagte Liz mit schmerzverzerrtem Gesicht. Eleanor drehte ihr Handgelenk um.
„Antworte mir!“
Elizabeth antwortete nicht. Vergebens rang sie mit ihrer Schwester.
Ben trat an mich heran und flüsterte mir zu: „Wir sollten eingreifen.“
„Lieber nicht. Scarlett würde uns davon abhalten. Sie sind uns jetzt zahlenmäßig zu stark überlegen“, antwortete ich ihm.
Scarlett stand mit ernster Miene wenige Meter hinter Eleanor. Ich war mir sicher, dass sie uns sofort angreifen würde, wenn wir uns in den Streit der Schwestern einmischen würden.

Eleanor machte immer noch keine Anstalten, ihre Schwester loszulassen.
„Man hat uns von Anfang an verachtet, Liz. Unsere Eltern waren ebenfalls Mitglieder solcher Organisationen. Erinnerst du dich, wie alle immer sagten, wie sehr wir ihnen ähneln? Immer hieß es, wir würden genau so werden wie sie. Also wen wundert es, dass es tatsächlich so gekommen ist?“
Liz hob ihren Blick: „Noch ist es nicht zu spät, Eleanor. Jeder hat eine zweite Chance verdient, also warum nicht auch wir?“
Elizabeth sah ihre Schwester eindringlich an. Eleanor stieß Liz von sich, sodass diese ins Stolpern kam und hinfiel.
„Du hast dich kein bisschen verändert, Elizabeth. Genau deshalb, wegen deiner naiven und gutgläubigen Art, wärst du damals bei Team Galaktik beinahe rausgeflogen.“
Kaleo machte einen Schritt nach vorne: „Und soll ihre liebe Art jetzt etwas schlechtes sein?“, fragte er. Gleichzeitig machte auch Scarlett einen Schritt nach vorne. Sie wartete nur darauf, einzugreifen.
Eleanor musterte Kaleo einen Moment, bevor sie antwortete: „Niemand von euch kennt Elizabeth so gut wie ich. Lizzy war nie so ein liebes Mädchen, wie sie es heute ist. Als sie Team Galaktik beitrat und noch davor war sie eine ganz andere Person. Sie hat sich mit den Erwachsenen angelegt, die in unserem Dorf lebten. Als sie von Team Galaktik ihr erstes Pokémon bekam, griff sie wahllos Passanten auf Route 210 an und erleichterte sie um ihre Habseligkeiten, egal, ob es Kinder waren oder alte Rentner. Glaubt ihr ernsthaft, man hat sie aus Elyses geworfen, weil sie so liebenswürdig ist?“
Liz ließ weiter den Kopf sinken und schwieg. Schluchzend saß sie da. Tränen rannen über ihr Gesicht und fielen auf den Boden. Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne zusammen.
Kaleo hakte weiter nach: „Und warum hat sie sich dann geändert?“
„Nachdem sie aus ihrer Heimatstadt geflogen ist, hat meine kleine Schwester Heimweh und ein schlechtes Gewissen gekommen. Und als sich Team Galaktik aufgelöst hatte, verschwand sie plötzlich. Irgendwann habt ihr sie dann wohl aufgegabelt. Und jetzt lässt sie sich von euch bemitleiden. Und ihr macht das Spielchen auch noch mit.“
Ich fand, es war an der Zeit, dass ich selbst etwas sagen sollte: „Außer mir wusste niemand etwas von Elizabeths Vergangenheit, Eleanor. Aber egal. Statt deine Schwester so fertig zu machen, solltest du vielleicht eher...“
„Seid still!“, brüllte Liz plötzlich aus heiterem Himmel.
Keiner sagte mehr ein Wort.
„Genau das ist der Grund, warum ich weggerannt bin!“
Liz sprang auf und schubste ihre Schwester, die daraufhin einen Schritt rückwärts ging. „Ich wusste, dass du nichts verstehen würdest! Ich war dir immer egal, dich hat schon immer nur die Organisation interessiert!“
„Denke daran, was Team Galaktik für dich getan hat“, mahnte Eleanor.
Bei Elizabeth brannte endgültig eine Sicherung durch. Sie verpasste ihrer Schwester eine dermaßen heftige Ohrfeige, dass sie einige Schritte zurücktaumelte und von Scarlett aufgefangen werden musste.
„Ich hasse dich!“, brüllte Elizabeth. Dann rannte sie davon.

Für einen Moment herrschte absolute Stille. Eleanor stand da wie versteinert. Tränen rannen über ihre Wangen während sich dutzende Emotionen in ihrem Gesicht widerzuspiegeln schienen. Der Abdruck von Elizabeths Hand zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.
Bevor ich Elizabeth verfolgte, hielt ich kurz bei ihrer Schwester an: „Ich kümmere mich um Elizabeth. Mach dir um sie also keine Sorgen. Stattdessen solltest du mal ihre Worte überdenken.“
Keine Reaktion seitens Eleanor. Ich ließ sie stehen und folgte Liz. Ben, Kaleo und Ekaterina ebenfalls.
Nach wenigen Metern blickte ich zurück: Eleanor war auf die Knie gesunken. Verstört blickte sie ins Leere. Scarlett kümmerte sich um sie, redete mit ihr und umarmte sie. Langsam schien sie zu realisieren, was geschehen ist.
Während unserer Verfolgung holte Liz ihr Kirlia raus. Mit Hilfe von Teleport verschwanden die beiden.

Wir verbrachten den Rest des Tages mit der Suche nach unserer Freundin.
Als es dunkel wurde, schickte ich Staravia auf die Suche nach Liz. Wir fanden sie in einem Waldstück, doch ich bestand darauf, zu erst mit ihr zu reden. Alleine.
Elizabeth bemerkte mich, als ich mich ihr näherte. Ihre Pokémon standen um sie.
„Verschwinde, Ami“, sagte sie, ohne mich anzusehen. Ihre Stimme klang emotionslos.
„Nein“, antwortete ich. Ich würde mich nicht abwimmeln lassen.
„Geh ... einfach weg", sagte sie kopfschüttelnd.
Ich stand genau hinter Liz und sagte ihren Namen: „Elizabeth.“
Liz sprang auf und sah mich böse an: „Was willst du?!“
Ich umarmte sie und ließ sie nicht mehr los. Liz wehrte sich natürlich. Sie versuchte sich aus meiner Umarmung zu befreien, redete dabei auf mich ein und fing an zu weinen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht auch in Tränen auszubrechen.
Je mehr sie weinte, desto weniger widersetzte sie sich. Irgendwann hörte ihr Widerstand ganz auf. Als ihre Beine nachgaben, kniete ich mich mit ihr zusammen hin. Liz weinte eine ganze Weile an meiner Schulter und ich heulte mit ihr.

Irgendwann beruhigte sie sich wieder. Es war an der Zeit, das Schweigen zu brechen und ich wagte einen Versuch: „Wird Zeit, dass wir zurückgehen, oder?“
„Ich habe Angst, Ami. Wie soll ich den anderen gegenübertreten? Was soll ich ihnen sagen?“, fragte sie mich.
„Die Wahrheit, Liz. Erzähle ihnen die ganze Wahrheit. Sie werden es schon verstehen. Ich bin bei dir, keine Sorge.“ Ich ergriff Lizzys Hand und lächelte ihr zu.
Liz dachte kurz nach, dann nickte sie mir zu.
Gemeinsam gingen wir zu den anderen zurück, die bereits die Zelte aufbauten. Als sie uns sahen, versammelten sie sich und redeten alle gleichzeitig auf Elizabeth ein. Ich stellte vor sie und unterbrach meine Freunde: „Jetzt haltet mal alle die Klappe und setzt euch hin. Liz wird euch alles erklären.“

Wir setzten uns alle ums Lagerfeuer. Elizabeths Charmian sprang auf ihren Schoß und ließ sich von ihr streicheln. Ohne den Kopf zu heben, begann sie zu erzählen: „Meine Schwester und ich, wir waren früher bekannte Störenfriede in Elyses. Jeden Tag haben wir uns mit anderen Kindern geprügelt. Ständig haben wir Probleme gemacht. Wir lebten bis zu unserem Beitritt zu Team Galaktik bei unseren Großeltern.“
Liz machte eine kurze Pause, in der sie offenbar passende Worte suchte.
„Als ich Team Galaktik beitrat, schenkte man mir eine Uniform und Charmian. Gemeinsam mit meiner Schwester trainierte ich. Oder wir trieben in Elyses unser Unwesen. Wir lauerten Menschen auf, griffen sie an und verschwanden sofort wieder. Durch meine grobe, aber effektive Methode, andere Leute um ihr Geld zu bringen, oder ihnen die Pokémon zu stehlen, fand ich schnell großes Ansehen unter den anderen Rüpeln.“

Es war Elizabeth deutlich anzusehen, wie unangenehm ihr die Situation war. Ihr Gesichtsausdruck war aber nicht ängstlich oder nervös. Mit strenger Miene erzählte sie weiter: „Es dauerte natürlich nicht lange, bis es sich in Elyses herumsprach, dass wir Mitglieder einer Verbrecherorganisation waren. Oma und Opa versuchten noch, uns zu verteidigen, aber man hörte ihnen nicht zu. Stattdessen setzte man Eleanor und mich vor die Stadt. Ich fing an, immer mehr nachzudenken, was ich eigentlich getan habe. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und Heimweh. Ich wollte einfach wieder zurück zu meinen Großeltern.“

Tränen liefen über ihre Wange, aber das hielt Liz nicht davon ab, weiterzuerzählen: „Je länger ich von ihnen getrennt war, desto schlimmer wurde es. Irgendwann ertrug ich es einfach nicht mehr. Ich warf meine Uniform in eine Ecke und lief davon. Kurz darauf löste sich Team Galaktik auf. Ich hatte keinen Ort mehr, wo ich hingehen konnte, kein Zuhause, zu dem ich zurückkehren konnte. Vom schlechten Gewissen geplagt irrte ich ziellos durch Sinnoh. Da ich kein Geld hatte, konnte ich mir nirgendwo ein Zimmer nehmen und musste die Nacht meistens draußen verbringen. Manchmal hatte ich tagelang nichts zu essen.
Und dann, eines Tages, begegnete ich Ami.“
Liz wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Wie ich machte auch sie gerade eine schwere Zeit durch. Sie nahm mich mit auf ihrer Reise. Ich hatte zwar immer noch kein Ziel, aber wenigstens war ich nicht mehr alleine. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe und ich würde alles tun, um es wieder rückgängig zu machen. Aber das ist unmöglich und als Strafe dafür muss ich nun den Rest meines Lebens mit den Erinnerungen an die Dinge, die ich getan habe, leben. Wenn ihr jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollt, dann ... dann verstehe ich das.“

Stille. Eine ganze Weile sagte niemand etwas dazu. Kaleo war der erste, der das Schweigen brach: „Jeder hat eine zweite Chance verdient.“ Liz hob den Blick und sah ihn überrascht an. „Das waren doch deine Worte, oder?“
„Ja, aber ...“, stotterte Liz. Ben fand nun auch wieder zu Worten: „Kaleo hat recht! Auch du hast eine zweite Chance verdient, Liz!“
Ekaterina stand auf, ging zu Liz und schloss sie in die Arme mit den Worten: „Vielleicht warst du früher mal eine von den Bösen, aber heute gehörst du zu den Guten. Und das ist alles, was zählt!“
„Sieht so aus, als ob deine Freunde zu dir halten, Lizzy“, sagte ich. Ungläubig sah sie uns an, bevor sie ein weiteres mal in Tränen ausbrach. Doch dieses mal waren es Freudentränen.
Nacheinander umarmten wir sie alle. Doch es war offensichtlich, dass ihr noch etwas auf dem Herzen lag. Ich konnte es mir bereits denken und sprach es an: „Wegen deiner Schwester, Liz. Das war nicht gerade schön.“
Die anderen sahen mich alle mit strenger Miene an. Offenbar wollte keiner von ihnen das Thema ansprechen. Liz setzte sich hin, bevor sie antwortete: „Ich weiß. Ich war einfach wütend, dass sie einfach nicht von Team Rocket ablassen wollte. Ich hoffe, dass ich mich eines Tages dafür entschuldigen kann.“

Es herrschte eine bedrückte Stimmung. Mein Magen knurrte plötzlich so laut, dass es alle hören konnten. Meine Freunde starrten mich an. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Hunger hatte. Wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatten noch nichts gegessen, was sich jetzt bei mir lautstark bemerkbar machte.
Ben gab gleich einen Kommentar dazu ab: „Das ist so typisch für dich, Ami.“
Alle lachten. Außer mir natürlich. Ich warf Ben einen beleidigten Blick zu, doch der lächelte nur. „Machen wir mal was zu essen“, sagte er und ging an mir vorbei. Dabei streichelte er mir den Kopf.
Ich wusste nicht genau, wie ich reagieren sollte. Dafür spürte ich aber, wie ich knallrot anlief. Die anderen folgten Ben. Verlegen rührte ich mich nicht mehr. Kaleo ging ebenfalls an mir vorbei und sprach leise in mein Ohr: „Kein Grund, so rot zu werden.“ Er bewirkte das Gegenteil und mein Gesicht errötete noch mehr.

Nach dem Abendessen saßen wir noch beisammen am Lagerfeuer. Ben starrte Liz an. Irgendwann viel es ihr auf und sie sprach ihn darauf an: „Was denn?“
„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du mal ein Raufbold warst, Lizzy.“
Liz senkte den Blick: „Ich denke nicht gerne über die Zeit nach.“
Obwohl das Thema ihr so unangenehm war, hakte Ben nach: „Kann ich mir vorstellen, schließlich hast du 'ne Menge Unsinn gemacht.“

Ekaterina, die neben Ben saß, gab ihm einen leichten Schubs. Er erwiderte ihn.
„Damals fand ich das alles nicht so schlimm. Es war toll, Mitglied einer Gruppe von Gleichgesinnten zu sein. Ich hätte Eleanor niemals dahin folgen sollen.“
Ekaterina stach Ben immer wieder mit dem Finger in die Seite. Ben machte das Spiel natürlich mit und tat es ebenfalls bei ihr. Währenddessen brachte sich Kaleo in die Diskussion ein: „Du hast dich ja von Team Galaktik getrennt und wieder auf den rechten Weg gefunden, Elizabeth. Das ist doch die Hauptsache.“
„Es wird deine Großeltern freuen, dass du auch viele Freunde gefunden hast“, meinte Ekaterina, während sie mit Ben am rangeln war.
Ich legte meinen Arm um ihre Schultern: „Unsere Reise wird uns früher oder später durch Elyses führen. Dann kannst du deine Verwandten ja mal besuchen.“
„Meinst du?“, fragte Liz unsicher.
Ich nickte und Liz lächelte.
Ein eiskalter Wind zog auf. Wir suchten uns Decken und setzen uns wieder an Lagerfeuer. Da wir nur drei Decken hatten, mussten wir sie gemeinsam nutzen: Kaleo bekam eine, Liz teilte sich eine mit mir und Ekaterina teilte sich eine mit Ben. Dabei saß sie auf seinem Schoß. Irgendetwas daran störte mich, doch ich lies mir nichts anmerken.
Bin ich gerade ernsthaft eifersüchtig? Auf Ekaterina?, schoss es mir durch den Kopf. Meine Gedanken machten sich selbstständig: Ben ist ein Idiot. Also hör auf, ständig an ihn zu denken! Oder verlegen zu sein, wenn er dir den Kopf streichelt! Oder rot zu werden, wenn du verlegen bist! Und werde gefälligst nicht eifersüchtig auf eine Vierzehnjährige, nur weil sie auf seinem Schoß sitzt!
Plötzlich riss mich eine Stimme aus den Gedanken: „Ami, alles in Ordnung?“
Es war Kaleo. Alle starrten mich an. „Gehts dir nicht gut?“
Es dauerte einen Moment, bis ich wieder zu Worten fand: „Äh, doch, doch. Ich hab nur über den nächsten Arenakampf nachgedacht.“
Damit hatte ich ein neues Thema eingebracht, über das diskutiert werden konnte. Zum Glück konnte niemand meine Gedanken lesen. Außer Kaleo vielleicht. Der Blick, den er mir zuwarf … Als wusste er genau, was in mir vorging.

Spät in der Nacht beschlossen wir, ins Bett zu gehen. Ekaterina war mittlerweile auf Bens Schoß eingeschlafen. Er weckte sie sanft. Verschlafen ging unsere Jüngste in ihr Zelt und legte sich in ihren Schlafsack. Wir anderen taten es ihr gleich. Nachdem Hydropi und Vivillon das Zelt betreten hatten, schloss ich den Reißverschluss und legte mich in den Schlafsack.

Am nächsten Morgen: Ich wurde durch ein seltsames Geräusch geweckt. Ein Schatten stand vor meinem Zelt. Was es auch war, es machte sich am Reißverschluss zu schaffen.
Ich weckte Hydropi und Vivillon, die neben mir lagen und kroch wieder aus meinem Schlafsack heraus. Wir machten uns auf alles gefasst. Langsam zog der Schatten den Reißverschluss meines Zeltes auf. Draußen stand: Ein Elfun. Ekaterinas Elfun!
„Hey, weg da, bevor du Ami weckst!“, rief jemand. Es war Bens Stimme. Kurz darauf erschien er auch bereits, um Elfun von meinem Zelt wegzuziehen. Er bemerkte, dass ich wach war.
„Sorry, hab ich dich geweckt?“, fragte er. Dass ich noch im Schlafanzug steckte, schien ihn nicht zu stören.
Verschlafen sah ich ihn an und antwortete: „Ne, Elfun. Warum bist du schon wach?“
„Ich konnte nicht mehr schlafen, deshalb wollte ich einen kleinen Spaziergang machen. Willst du mitkommen?“
Der Trampel hockte immer noch vor meinem Zelt und starrte mich an.
„Wenn ich mich vorher umziehen darf...“, antwortete ich schnippisch.
„Ach ja, du hast ja noch den Schlafanzug an. Rosa also? Sieht süß aus.“
Wieder brachte er mich in Verlegenheit. Ich biss die Zähne zusammen und drückte ihm meine Hand ins Gesicht und ihn nach hinten, sodass er nach umfiel. Dann schloss ich den Reißverschluss meines Zeltes und zog mich um.

Wenige Minuten später verließ ich, immer noch verlegen, mein Zelt.
„Können wir?“, fragte Ben. Elfun stand neben ihm. Während wir ein wenig abseits des Weges liefen, rannte Elfun in der Gegend umher.
Gemeinsam gingen wir weiter, bis wir an einen kleinen Abhang kamen. Erste Sonnenstrahlen waren am Horizont zu sehen. Die Sonne war kurz davor, aufzugehen. Ich setzte mich hin und Ben nahm neben mir Platz. Ein leichter, aber kalter Wind ging. Mich fror es.
Ben rutschte hinter mich und umarmte mich von hinten. Vivillon ließ von meinem Kopf ab und setzte sich stattdessen auf Bens Kopf.
„Ist dir jetzt etwas wärmer?“, fragte er. Ich nickte und lehnte mich zurück. Gemeinsam sahen wir uns den Sonnenaufgang an. Mein Herz fing an zu rasen.
Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum, alles, was mir Sorgen bereitete oder mich beschäftigte: Meine Familie, der kommende Arenakampf, Team Rocket, Elizabeth und Eleanor. Es gab nur Ben und mich. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich unheimlich glücklich.

Eine dunkle Wolke schob sich vor die gerade aufgegangene Sonne. Erst jetzt bemerkte ich die vielen Wolken, die langsam über den Himmel zogen. Wahrscheinlich würde es bald heftig anfangen zu regnen.
„Ich denke, wir sollten so langsam zurückgehen“, meinte Ben.
„Ja, sollten wir“, stimmte ich enttäuscht zu. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr aufgestanden.
Ben, tollpatschig wie er war, rutschte auf dem steilen Gelände aus. Ich krabbelte zu ihm hin. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, nix passiert.“ Ben richtete sich wieder auf und hielt sich den Kopf. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Wir sahen uns in die Augen. Mein Herz fing an zu rasen und Panik stieg in mir auf. Was jetzt? Wird er mich jetzt …?
Bevor ich eine Antwort auf meine Gedanken fand, sprang Elfun zwischen uns durch. Vor Schreck fiel ich nach hinten. Sekunden später stand ich aber bereits wieder auf den Beinen. Ben stand ebenfalls wieder auf. Elfun zog an Bens Hosenbein. Offenbar wollte es wieder zurück gehen.Du kleines, mieses ...
„Gehen wir“, sagte Ben. Er riss mich aus meinen Gedanken. Sein Gesicht war mindestens genauso rot wie sich meins anfühlte. Ich folgte ihm verlegen mit etwas Abstand.

Zurück beim Lager stellten wir fest, dass Kaleo bereits wach war und das Frühstück vorbereitete. Er lächelte, als er uns kommen sah und begrüßte uns schon aus einiger Entfernung: „Guten Morgen, ihr zwei!“
„Guten Morgen, Kaleo!“, erwiderte Ben.
Kaleo legte das Messer in seiner Hand zur Seite und kam einige Schritte auf uns zu.
„Wo wart ihr denn so früh?“, fragte er.
„Spazieren“, antwortete Ben.
„So ist das also“, meinte Kaleo mit einem Lächeln im Gesicht. Als er mir einen Blick zuwarf, sah ich verlegen weg.
„Brauchst du bei irgendetwas Hilfe?“, fragte Ben.
Kaleo ging zurück und nahm das Messer wieder auf, dass er daraufhin, Ben in die Hand drückte: „Du könntest die restlichen Brote schmieren, Ben.“
Während Ben sich an die Arbeit machte, wandte sich Kaleo mir zu: „Ami, wärst du so nett, unsere beiden Schlafmützen aufzuwecken?“
Ich nickte und kroch erst zu Ekaterina, dann zu Elizabeth ins Zelt, um sie aufzuwecken.

Unsere Jüngste kam wenige Minuten später mit zerzausten Haaren aus dem Zelt gekrochen. Statt „Guten Morgen“ sagte sie nur „Ich bin müde, es ist kalt und ich habe Hunger. Ist das Frühstück schon fertig?“
„Noch nicht, aber du darfst gerne dabei helfen, junge Dame. Du könntest zum Beispiel den Tisch decken“, entgegnete Kaleo gut gelaunt.
„Jetzt muss die Chefin auch noch den Tisch decken“, grummelte Ekaterina leise, während sie an mir vorbei zu Kaleo und Ben ging. Ich musste grinsen.
Nachdem unsere Jüngste das Geschirr herausgekramt hatte, stand sie einen Moment regungslos da, bevor sie verschlafen feststellte: „Wir haben gar keinen Tisch.“
Kaleo deutete grinsend auf einen Tisch mit zwei Bänken an einer Weggabelung einige Meter weiter. Mir ist bis jetzt nicht aufgefallen, dass sich der Weg gabelt, oder dass sich dort eine Sitzgelegenheit befand. Ekaterina offenbar auch nicht. Wortlos fing die kleine an, den Tisch zu decken.

Elizabeth verließ kurz darauf ebenfalls ihr Zelt. Sie hatte sich im Gegensatz zu Ekaterina, noch die Zeit genommen, ihr Haar zu kämmen und sich ihre Alltagskleidung anzuziehen. Ekaterina machte das für gewöhnlich erst nach dem Frühstück und verließ das Zelt am Morgen in der Regel im Schlaf- oder Trainingsanzug mit einer Decke in der Hand. Ekaterina war einfach kein Morgenmensch.
Interessanterweise waren auch Ekaterinas Pokémon Morgenmuffel. Einzige Ausnahme war ihr Elfun, dass sich gelegentlich morgens aus seinem Pokéball befreite und bereits früh durch die Gegend streunte.

Nachdem der Tisch gedeckt und das Futter für die Pokémon fertig war, ließen wir alle unsere Pokémon aus ihren Bällen. Alle freuten sich über das Frühstück und schlugen ordentlich zu. Es wunderte mich, wie viel Futter Kaleo dabei hatte. Er konnte damit immerhin die Pokémon von vier anderen mitversorgen.

Beim Frühstück hatte Ben die Karte in der Hand und studierte sie, wobei er sie ständig drehte. Gleichzeitig war er mit Essen beschäftigt. „Wenn wir jetzt gleich losgehen, sollten wir in drei, höchstens vier Stunden in Weideburg sein“, erklärte er mit vollem Mund.
Mir gefiel es nicht, dass er mit einer Hand ein Brot aß und mit der anderen Hand mit der Karte herumfuchtelte. Ich machte meinem Unmut Luft: „Woher willst du das wissen? Du weißt doch gar nicht, wo genau wir sind. Und pass auf, dass du die Karte nicht versaust, wir haben nur die eine.“
„Ich weiß, wo wir sind! Wir sind auf Route 209. Hier irgendwo. Denke ich.“
Er drehte die Karte noch ein paar mal und zog dabei eine Ecke durch die Butter, ohne es überhaupt zu merken.
„Wir sind auf Rote 213“, korrigierte Elizabeth ungehalten. Ihr gefiel es scheinbar auch nicht, dass Ben unsere einzige Karte beschmutzte.
„Echt? Ach ja! Jetzt ergibt die Karte auch wieder einen Sinn!“, rief Ben euphorisch.
Kaleo hatte es offenbar satt, Ben zuzusehen: „Vielleicht sollte ich die Karte nehmen, bevor sie gar nicht mehr zu gebrauchen ist?“, fragte er.
Ich stimmte ihm zu: „Besser ist das. Sonst landen wir nachher wieder am Kühnheitsufer.“
Elizabeth nickte zustimmend und biss in ihr Brot. Beleidigt gab Ben die Karte an Kaleo.
Ekaterina schmierte sich gerade Butter auf eine Scheibe Brot und interessierte sich offenbar nicht für unsere Diskussion. Vielleicht war sie auch einfach nur zu müde dafür.
Ich warf einen Blick auf unsere Pokémon, die alle am Futtern waren. Kein Streit, alle waren glücklich.

Nachdem wir gegessen hatten packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg. Ben ging motiviert voraus, drehte sich um und lief rückwärts vor uns her. Ich hoffte, dass er nicht wieder stürzte. Da der Weg nicht breit genug für uns alle war, holte ich etwas auf und lief neben ihm her. „Die Arena von Weideburg ist eine Wasser-Arena, oder wie war das?“, fragte Ben.
Elizabeth hob die Hand: „Ja! Ich hab gehört, der Arenaleiter setzt ein Garados ein!“
Kaleo gab seinen Rat dazu: „Garados ist ein Wasser/Flug-Pokémon. Das wird nicht einfach für euch werden. Andererseits bewundere ich den Arenaleiter, dass er ein Garados besitzt. Die sind nicht leicht zu halten.“
Neugierig klappte ich den Pokédex auf. Währenddessen stellte Ekaterina eine Frage: „Was war da nochmal effektiv?.“
„Gestein und besonders Elektro“, antwortete Kaleo.
Ich fand den Eintrag zu Garados und las einige Stellen daraus vor: „Garados soll zu Wutausbrüchen neigen, in denen es ganze Städte, Dörfer und Berge zerstört.“ Ich klappte den Pokédex wieder zu. „Kaum zu glauben, dass es vorher mal ein Karpador war“, fügte ich noch hinzu.
„Egal! Wir stellen uns jeder Herausforderung, die kommt!“, rief Ekaterina, die rechte Hand zur Faust geballt.
Ben drehte sich um und ging wieder vorwärts. Er blickte in die Ferne und wirkte irgendwie gedankenversunken. Ich hakte nach: „Was ist los?“
Es dauerte einen Moment, bis er reagierte: „Äh, was? Ach so! Ich dachte nur gerade über den Kampf gegen Garados nach. Außerdem wissen wir ja noch gar nicht, welche Pokémon er sonst so einsetzt. Es wird auf jeden Fall kein einfacher Kampf.“
„Das sind Kämpfe gegen Arenaleiter doch sowieso nie“, erinnerte ich ihn.
Ben grinste: „Ja, da hast du recht“, stimmte er mir zu.
„Lass uns einfach unser Bestes geben, Ben“ sagte ich lächelnd.
„Klar! Wie immer!“ erwiderte Ben und lächelte ebenfalls.

Hinter uns kicherte jemand. Wir drehten uns um und bemerkten, dass Kaleo, Liz und Ekaterina stehengeblieben sind. Offenbar amüsierten sie sich gerade über etwas, denn sie waren alle drei am Grinsen.
„Was ist denn?“, fragte Ben.
„Ihr zwei seid so süß. Ihr würdet ein richtig tolles Paar abgeben“, meinte Kaleo. Ich lief sofort rot an.
„B-b-blödsinn!“, stotterte ich. Ben schwieg, Liz und Ekaterina lachten. Kaleo machte einen Vorschlag: „Wie wäre es mit einem Kampf? Ihr zwei gegen uns drei?“
Ben warf mir einen Blick zu. „Schaffen wir das?“, fragte er.
„Wenn du es schaffst, keinen Mist zu bauen, schon“, giftete ich Ben an. Ich wollte ihn eigentlich nicht so dumm anmachen, aber irgendwie tat ich es immer, wenn man mich in Verlegenheit brachte. Und es tat mir jedes Mal leid.

Wir verließen den Weg und stellten uns einige Meter abseits des Weges auf. Ich nickte meinem Hydropi zu, das daraufhin nach vorne lief. Vivillon erhob sich von meinem Kopf und nahm etwas Abstand ein.
Ben holte Snibunna aus seinem Ball. Liz entschied sich für Kirlia, Ekaterina für Serpiroyal und Kaleo ließ Wuffels antreten.
Ben wandte sich mir zu und fragte: „Wie sieht unsere Taktik aus?“
„Wir machen gleich Druck und decken uns gegenseitig.“
„Angreifen? Meinst du, das ist klug in Unterzahl?“
„Gerade deshalb! Wenn wir nicht die Initiative ergreifen, sind wir nur noch damit beschäftigt, auf ihre Angriffe zu reagieren. Das halten wir nicht lange durch.“
„Gut, also greifen wir direkt an.“
Wir nickten uns zu. Ekaterina wurde allmählich ungeduldig. Sie tippelte hin und her und rief: „Was dauert das denn so lange?“
Ich ignorierte und gab Ben noch eine Anweisung: „Konzentriere dich auf Serpiroyal, ich kümmere mich um Wuffels“, sagte ich.
„Was ist mit Kirlia?“
„Angreifen, falls eine Gelegenheit da ist, aber die Prioritäten liegen bei den andern beiden.“
Ben nickte noch einmal und lächelte mir zu. Wir waren bereit zu kämpfen.
„Wenn ihr da drüben fertig seid, dürft ihr anfangen“, rief Kaleo.
Ich warf Ben noch einen Blick zu: „Können wir?“, fragte ich.
„Kann losgehen!“, bestätigte er.
„Hydropumpe auf Wuffels!“, befahl ich. Hydropi schoss einen kräftigen Strahl aus Wasser aus seinem Maul ab.
„Eissturm gegen Serpiroyal!“, rief mein Partner. Sein Snibunna schickte einen eiskalten Windzug auf den Weg. Die Luft darin gefror und glitzerte.
Ekaterina streckte beide Arme in die Höhe und rief: „Blättersturm, Serpiroyal!“
Serpiroyal verursachte einen Sturm um sich herum, in dem sich immer mehr Blätter ansammelten. Die Luft um das Pokémon färbte sich dadurch grün. Dann schoss es die Attacke auf Snibunna ab.
Kaleo ließ es ruhiger angehen: „Steinkante gegen Hydropi, Wuffels!“
Wuffels schleuderte viele, spitze Steine auf Hydropi.
Elizabeth überraschte mich mit ihrem Vorgehen: „Teleport, Kirlia!“, befahl sie. Ihr Pokémon verschwand und niemand konnte genau sagen, wo es als nächstes auftauchen würde.

Blättersturm und Eissturm trafen aufeinander und neutralisierten sich. Es kam zu einer Explosion, die das halbe Kampffeld in Rauch hüllte. Hydropumpe setzte sich gegen Steinkante durch und traf Wuffels.
Kirlia war erst einmal weg.

Ich machte meinen nächsten Zug: „Hydropi, Eisstrahl gegen Serpiroyal“
Ben zog mit: „Snibunna, noch einmal Eissturm!“
Wütend ließ Ekaterina ihr Pokémon kontern: „Grasmixer, los!“
Auch Kaleo ließ sein Pokémon wieder angreifen: „Steinwurf, Wuffels!“, rief er.
Wuffels warf einen großen Felsen auf Hydropi.
Elizabeths Pokémon war immer noch weg.

Serpiroyal sprang hoch und erzeugte beim Fallen mit seinem Schweif einen riesigen Wirbel aus Blättern, den es hinter sich herzog. Gleichzeitig kamen ihm beide Eisattacken entgegen. Die Attacken verfehlten das Pokémon, trafen jedoch die Grasmixer-Attacke, die daraufhin langsamer rotierte und schließlich sogar zum Stehen kam.
Serpiroyal schaffte es nicht mehr, das Gewicht seiner nun eingefrorenen Attacke zu halten, stürzte ab und wurde unter Eis-Grasmixer begraben. In einer großen Explosion zersplitterte der große Eisklumpen in tausend Stücke.
„Das ist unfair!“, rief Ekaterina beleidigt.
Gleichzeitig traf Wuffels geworfener Felsen Snibunna. Ein harter Treffer für das Eis-Pokémon.

Kirlia tauchte wieder auf. Liz befahl sofort eine Attacke, um uns Druck zu machen: „Zauberblatt, Kirlia!“
Einige rasiermesserscharfe Blätter schossen auf Snibunna zu. Bevor ich reagieren konnte, sprang Hydropi vor Snibunna und ließ sich treffen.
„Kirlia, Teleport!“, rief Elizabeth erneut. Kirlia verschwand wieder.
Langsam erhob sich Serpiroyal wieder. Der Eis-Grasmixer hatte dem Pflanzen-Pokémon enorm zugesetzt. „Einrollen, Serpiroyal!“, befahl Ekaterina. Die Attacke Einrollen bewirkt, dass Angriff, Verteidigung und Genauigkeit verbessert werden. Das Pflanzen-Pokémon rollte sich zusammen und wartete auf seine Chance zum Angriff.
Kaleo machte wieder Druck: „Steinhagel, Wuffels!“, rief er.
Über dem Kampffeld erschienen große Felsen, die nach unten fielen.

Unsere Pokémon schafften es gerade so, allen Felsen auszuweichen, als Kirlia wieder erschien.
Elizabeth machte wahrlich ernst: „Seher-Attacke!“, befahl sie ihrem Pokémon. Die Attacke würde nicht sofort treffen, sondern erst später. Niemand wusste, wann genau, doch sie würde kommen.
Ich versuchte, Kirlia zuvorzukommen: „Hydropumpe!“, befahl ich. Doch Hydropi konnte seine Attacke nicht ausführen, da es immer noch damit beschäftigt war, aus dem Steinhagel-Gebiet zu fliehen, ohne getroffen zu werden. Als es endlich außer Reichweite der Attacke war, hatte Kirlia die Seher-Attacke bereits eingesetzt.
Elizabeth ließ Hydropumpe mit Psychokinese kontern. Ihr Pokémon lenkte die Attacke zur Seite, wo sie niemanden mehr treffen konnte.

Snibunna hatte das Steinhagel-Gebiet mittlerweile ebenfalls verlassen und attackierte Wuffels mit einem weiteren Eissturm. Kaleos Pokémon konterte mit Steinkante. Mittlerweile waren wir genau da, wo wir nicht hinwollten: Ben und ich konnten nur noch auf Angriffe reagieren. Wir mussten wieder die Initiative übernehmen.
„Ben, wir wechseln! Hydropi! Hydropumpe auf Wuffels!“, rief ich. Mein Partner bestätigte: „Alles klar! Snibunna Eissplitter-Attacke auf Kirlia!“

Ekaterina griff gerne an. Sie mochte es nicht, untätig herumzustehen, sondern setzte lieber ihren Gegner unter Druck. Doch sie hatte noch viel zu lernen. „Noch einmal Blättersturm, Serpiroyal!“
Ihr Pokémon sorgte erneut für einen grünen Sturm. Snibunna lenkte seine Attacke um und zielte auf Ekaterinas Pokémon. Dessen Pflanze-Attacke war so weit geschwächt, dass sie der Eissplitter-Attacke nichts entgegenzusetzen hatte. Serpiroyal wurde getroffen und war damit endgültig besiegt.

„Aquaknarre“, rief ich. Die Attacken von Hydropi trafen das flinke Wuffels ohnehin nicht, hielten es aber auf Trab. Und Aquaknarre kostete Hydropi auf Dauer weniger Kraft als Hydropumpe. Kaleo ließ in der Zwischenzeit Wuffels immer wieder ausweichen. Es konnte sich gegen Hydropis Attacken ohnehin nicht durchsetzen.

Elizabeth griff wieder an: „Konfusion, Kirlia!“
Ben ließ sein Snibunna in den Nahkampf gehen: „Nachthieb, schnell!“
Snibunna hob seine rechte Klaue, die daraufhin anfing zu leuchten.Während es lief ließ Kirlias Konfusion-Attacke eine kleine Explosion in Snibunnas Weg entstehen. Bens Pokémon flog einige Meter durch die Luft, landete aber auf den Beinen. Keuchend stütze es sich mit dem Arm auf dem Boden auf.

Kaleo ging wieder in die Offensive: „Steinwurf!“, rief er. Sein Pokémon warf einen weiteren Felsen auf Hydropi. Mein Hüpfer verteidigte sich mit einer Schutzschild-Attacke, an der Wuffels Attacke einfach abprallte.
Da wir keine Zeit zu verlieren hatten, ging Hydropi sofort wieder mit Aquaknarre in den Angriff über.

Snibunna setzte gleichzeitig selbstständig eine Attacke ein. Es verschoss einen Strahl aus dunklen Kreisen auf Kirlia.
„Was ist das denn?“, fragte Ben.
„Finsteraura!“, antwortete ich. Kirlia wurde getroffen und einige Meter nach hinten geschleudert.
Wuffels sprang hervor und biss Snibunna in den Arm. Bens Pokémon versuchte, das Gestein-Pokémon abzuschütteln, was aber gar nicht so einfach war. Hydropi konnte Wuffels nicht angreifen, solange es an Snibunna hing.
Elizabeth nutzte die Gelegenheit: „Kirlia, Zauberblatt!“
Noch bevor ich einen Befehl geben konnte, gab es eine Explosion, die Hydropi traf. Kirlias Seher-Attacke!
Ich konnte nur noch zusehen, wie die Zauberblatt-Attacke auf mein Pokémon zukam.

Snibunna kam zur Rettung. Es warf sich der Zauberblatt-Attacke in den Weg. Da Wuffels immer noch an seinem Arm hing, wurde es ebenfalls getroffen. Beide Pokémon wurden von der Attacke erfasst und besiegt.
Nun waren nur noch Kirlia und Hydropi übrig. Elizabeths Gesichtsausdruck war ernster als ich ihn je sah. Allerdings irittierte es mich, dass sie nicht angriff.
„Was jetzt? Greifst du an? Soll ich angreifen?“, fragte ich. Lizzy ließ sich nicht lange bitten: „Seher-Attacke!“
Wieder Seher. Wieder versuchte ich, eine erfolgreichen Ausführung der Attacke zu verhindern: „Eisstrahl-Attacke!“, rief ich.
Hydropis Eisstrahl raste auf Kirlia zu.
„Teleport!“, rief Elizabeth. Kirlia verschwand, nur Bruchteile von Sekunden, bevor es getroffen worden wäre.
Jetzt standen wir verdammt unter Druck. Noch einmal von Seher getroffen zu werden wäre wahrscheinlich das Ende.
„Bereite schon mal Hydropumpe vor“, sagte ich. Hydropi macht sich bereit. Vor seinem Maul sammelte sich Wasser in der Form einer Kugel.
Aufmerksam beobachteten wir die Umgebung. Kirlia könnte theoretisch überall auftauchen. Und noch schlimmer war die Tatsache, dass es sich auch sofort wieder wegteleportieren könnte. Solange bis die Seher-Attacke treffen würde.

Kirlia erschien etwas abseits des Kampffeldes.
„Zauberblatt!“, rief Elizabeth.
„Warte!“, sagte ich. Aufgrund der großen Distanz ließ ich Zauberblatt erst etwas näher kommen.
„Feuer frei!“
Hydropi schoss die Kugel aus Wasser ab. Sie fegte einfach durch Zauberblatt hindurch.
„Psychokinese!“, rief Liz. Kirlia versuchte die Attacke abzulenken, sein geschockter Gesichtsausdruck verriet jedoch, dass es nicht klappte.
Es kam zu einer überraschend großen Explosion.
Als sich der Rauch verzog, sah man Kirlia im Gras knien. Mühsam richtete es sich auf.

Elizabeth gab sich nicht geschlagen. Sie ordnete direkt die nächste Attacke an: „Zauberblatt!“
Eine weitere Hydropumpe sollte den Kampf entscheiden. Dachte ich zumindest.
„Hydropumpe!“ Doch Hydropi bewegte sich nicht.
„Äh, Hydropi?“, fragte ich.
Zauberblatt kam näher.
„Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, Kleiner“, sagte ich. Keine Reaktion. Mein Hüpfer wurde getroffen. Noch in der Luft setzte Seher ein und erzeugte eine weitere Explosion. Hydropi schlug hart im Gras auf und war besiegt.
Ich rannte zu meinem Pokémon und nahm es in den Arm.
„Was ist denn los?“, fragte ich.
Erschöpft sah mich Hydropi an.
„Es musste eine Pause machen“, sagte Kaleo.
Verwirrt sah ich ihn an: „Wieso das denn?“, fragte ich.
„Weil die Attacke, die Hydropi eben eingesetzt hat, nicht Hydropumpe war, sondern Aquahaubitze.“
„Ernsthaft? Du hast Aquahaubitze gelernt?“, fragte ich mein Pokémon. Es war jedoch zu erschöpft, um zu antworten. Ich gab ihm eine Sinelbeere zu futtern, damit es sich etwas schneller erholen konnte.
Ekaterina hob die Hand und fragte: „Was ist Aquahaubitze?“
„Aquahaubitze“, setzte Kaleo zur Erklärung an: „ist eine der stärksten Wasser-Attacken, die es gibt. Sie ist so kraftvoll, dass das ausführende Pokémon anschließend eine Pause einlegen muss, in der es weder angreifen, noch ausweichen oder sonst etwas machen kann.“
„Wow!“ Ekaterinas Augen funkelten.
„Normalerweise erlernt ein Pokémon diese Attacke nur mit speziellem Training“, meinte Kaleo.
„Hydropi übt schon lange an dieser Attacke. Scheinbar hat es endlich einen Weg gefunden, wie es klappt“, antwortete ich. Dabei fiel mit etwas ein: „Ekaterina! Dein Serpiroyal kann eine ähnliche Attacke lernen, nämlich Flora-Statue“, sagte ich.
„Wirklich?“, rief unsere Jüngste begeistert.
„Ja, aber dafür musst du jahrelang trainieren. Da bist du also noch weit davon entfernt.“
Ekaterinas Begeisterung ließ nach. Geduld war nicht gerade ihre Stärke.
„Hieß die Attacke nicht Fauna-Statue?“, fragte Ben.
„Soweit ich weiß, hat man sie vor kurzem umbenannt. Warum auch immer“, erwiderte ich. Ben zuckte ratlos mit den Schultern.

Zu guter Letzt gab ich Ekaterina noch einen Ratschlag: „Lass mich dir noch einen Tipp geben: Heb dir Blättersturm für den späteren Kampf auf. Jedes Mal, wenn Serpiroyal die Attacke einsetzt, sinkt sein Spezial-Angriff. Sie schwächt also alle folgenden speziellen Attacken, zum Beispiel Grasmixer.“
Ekaterina verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich fragend an: „Ich dachte, wenn ich den Gegner gleich mit meiner stärksten Attacke angreife, mache ich ihm von Beginn an Druck.“
Kaleo stieg in die Diskussion mit ein: „Bei kurzen Kämpfen mag das stimmen, aber oft zieht sich ein Kampf in die Länge und dann fehlt dir die Stärke.“
Ekaterina senkte den Blick. Offensichtlich begann sie nachzudenken.
„Ami!“ Elizabeth trat an mich heran. „Das war ein guter Kampf.“
Damit hatte sie recht. „Das war er wirklich. Du bist gut, Liz“, lobte ich sie.
„Ich habe alles gegeben. So habe ich schon lange nicht mehr gekämpft“, erwiderte sie.
„Gerne wieder, Lizzy“, sagte Ben grinsend. „Hätte nicht erwartet, dass du so stark bist!“
Verlegen senkte Liz den Blick.
„Das war ein gutes Training vor dem nächsten Arenakampf.“, meinte Ben.
„Apropos Arena: Weideburg wartet auf uns!“, sagte ich.
Wir setzten unseren Weg fort.

Episode 14

Ami

Ankunft in Weideburg. Ich ging voraus. Hinter mir liefen Ben und Ekaterina, wild darüber streitend, ob man gegen Garados eher aggressiv oder defensiv vorgehen sollte. Für beide Seiten gab es gute Argumente.
Hinter den beiden liefen Elizabeth und Kaleo. Letzterer hielt gerade einen Vortrag darüber, wie man ein Stahlos ordentlich pflegt. Liz hörte ihm begeistert zu und nickte eifrig. Ich war mir sicher, dass sie nicht einmal wusste, was ein Stahlos überhaupt ist.

An der Arena angekommen, öffnete sich bereits die Tür, bevor ich überhaupt in ihrer Reichweite war. Hinaus trat ein Mann, der irgendwie seltsam gekleidet war: Er trug ein offenes, weißes Hemd und eine Maske, die sein Gesicht teilweise verdeckte.
Der Mann vor mir war groß, mindestens zwei Meter und hatte große, definierte Muskeln.
„Guten Tag. Wollt ihr etwa in der Arena antreten?“, begrüßte er uns.
Ekaterina schob sich an mir vorbei und hob die rechte Hand nach oben, als hätte sie Angst, übersehen zu werden: „Ja, wir wollen uns den Orden dieser Arena erkämpfen!“
„Das tut mir leid, aber leider bin ich mit den Vorbereitungen für ein Fest beschäftigt und kann eure Herausforderung leider nicht annehmen. Ihr könnt aber gerne morgen wieder zu mir kommen.“

Offenbar hatten wir auf Anhieb den Arenaleiter gefunden. Um ganz sicher zu gehen, fragte ich aber noch einmal nach: „Sind sie etwa der Arenaleiter von Weideburg?“
„Ja, ich bin der Arenaleiter von Weideburg, Wellenbrecher Marinus!“
Marinus spielte mit seinem Muskeln und nahm eine Pose ein, die aussah, als wolle er uns jeden Moment angreifen. Er machte schon mal einen imposanten Eindruck auf mich. Ich war gespannt, ob er auch im Kampf so stark war.
Kaleo interessierte sich nicht sonderlich für den Kampf in der Arena. Er hatte es auf das Fest abgesehen und auf die Pokémon, die dort verehrt wurden. Und das sagte er Marinus auch genau so: „Ich bin wegen dem Fest gekommen. Es steigt zu Gunsten der Glibunkel, wie ich gehört habe. Ich bin Züchter und würde gerne mehr über diese Pokémon lernen.“
Marinus stemmte die Hände in die Hüfte und antwortete: „Dann schlage ich vor, du und deine Freunde, ihr kommt mit ins Großmoor. Dort wird das Fest veranstaltet. Außerdem gibt es dort neben Glibunkel eine Menge anderer, seltener Pokémon. Ein richtiges Paradies für Züchter.“

Kaleo stimmte sofort zu und wir anderen kamen natürlich auch mit. Gemeinsam bestiegen wir einen Zug, der ins Großmoor fuhr. Dieses bestand aus Büschen, Bäumen und Sumpf, so weit das Auge reichte.
Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs, als der Zug die letzte Station im Großmoor erreichte. Kaum waren wir ausgestiegen, ließ uns Marinus auch schon alleine: „Das Fest wird erst heute Abend veranstaltet, ihr könnt euch also gerne noch ein wenig umsehen hier, aber macht keinen Unsinn, okay? Wir sehen uns dann heute Abend beim Fest. Geht einfach immer halbwegs in diese Richtung.“
Marinus zeigte mit dem Finger irgendwo in die Sumpflandschaft.
Sekunden später lief er los und ließ uns stehen.
„Tja, weg ist er“, sagte Ben und kratzte sich ratlos am Kopf.
Voller Tatendrang stämmte Kaleo die Hände in die Hüfte: „Sehen wir uns mal das Großmoor etwas genauer an.“

Wir sahen uns also um. Eigentlich folgten wir nur Kaleo, der mit großen Schritten voranging. Man musste genau aufpassen, wo man hintrat, denn es passierte leicht, dass man plötzlich knietief im Boden einsank. Ekaterina zog Ben zu sich und kletterte kurzerhand auf seinen Rücken.
„Was wird das denn?“, fragte der überrascht. Er konnte gerade noch das Gleichgewicht wieder finden und verhindern, dass er mitsamt unserer Kleinsten in den Matsch fiel.
„Glaubst du, deine Prinzessin macht sich in diesem Sumpf ihre Kleidung schmutzig? Du darfst mich ab jetzt tragen, Scherge!“
Ben protestierte zwar, aber bei Ekaterina brachte das nicht viel. Sie ließ sich von ihm kurzerhand durch das Großmoor tragen.

Kaleo ging also voran, hinter ihm Elizabeth. Ich folgte den beiden, hielt dabei aber immer ein Auge auf Ben, der etwas zurückfiel. Es war auch nicht gerade einfach, durch den Sumpf zu waten und dabei eine quengelnde Möchtegern-Prinzessin zu tragen.

„Was war das?“, fragte Liz. Wir alle sahen sie an. „Da war etwas! Ein komisches Geräusch!“, sagte sie. Wir hielten inne und horchten. Es gab um uns herum zu viele Geräusche, sodass es schwierig war, ein einzelnes Geräusch herauszuhören.
Etwas wie ein heißeres Quaken erklang.
„Da war es wieder!“, rief Liz.
„Ich hab es auch gehört“, bestätigte ich.
Das Quaken wurde lauter. Ein nahegelegen Busch fing an zu wackeln, bevor ein kleines, blaues Pokémon daraus hervor trat.
Ich zog den Pokédex: „Glibunkel, das Giftmund-Pokémon. In seinen Backen sammelt sich Gift. Es versucht, Beute zu überraschen und mit Giftfingern zu schnappen. Wenn es seine giftigen Backen aufbläst, hört man ein unheimliches Geräusch, welches Gegner ängstigt.“
Glibunkel hockte sich hin und blies immer wieder seine Backen auf, wobei es die ganze Zeit quakte. Sonst tat es nichts. Es saß einfach da und glotzte uns an.
Nachdem wir alle kurz Blicke gewechselt hatten, ließen wir das kleine Pokémon sitzen und gingen weiter. Doch das quaken wurde nicht leiser. Kein Wunder, denn das Pokémon folgte uns.
„Scheinbar will es etwas von uns“, meinte Ben.
Elizabeth ging zu Glibunkel, hockte sich vor es und fragte: „Willst du mit uns kommen?“
Einen Moment lang starrte es Liz an. Dann kletterte es, zu unser aller Überraschung, auf ihre Schulter.
„Ich hab noch nie so ein seltsames Pokémon gesehen“, meinte Ben.
„Ich hab schon viele seltsame Pokémon gesehen, aber so eins noch nicht“, sagte Kaleo.
„Können wir jetzt raus aus diesem Sumpf?“, fragte Ekaterina. Sie mochte den Ort nicht. Ihr langes Kleid war auch die völlig falsche Kleidung für das Großmoor.
„Ich fürchte, wir werden noch eine ganze Weile hier bleiben, Ekaterina“, antwortete Kaleo.

„Der Ort hier ist doch schön“, sagte Elizabeth.
„Was soll an dem Sumpf hier denn schön sein?“, fragte Ekaterina.
„Man merkt, dass du in der Stadt aufgewachsen bist, Ekaterina. Meine Großeltern haben früher auf dem Land gelebt. Es war immer schön, mal raus aus der Stadt und rein in die Natur zu kommen. Es ist schön hier“, sagte ich.
„Überhaupt nicht.“ Unsere Jüngste schmollte und sagte kein Wort mehr. Sie wechselte zwischendrin mal den Träger und ließ sich von Kaleo schleppen. Ben war sichtlich erleichtert, Ekaterina los zu sein.

Eine gefühlte Ewigkeit später tauchte in der Ferne etwas auf. Es sah wie ein riesiges, graues Glibunkel aus. Als wir näher kamen, erkannten wir, dass es eine riesige Statue war, die die Form eines Glibunkels hatte. Einige Menschen und Pokémon hatten sich bereits hier versammelt.
„Findet hier das Fest statt, von dem Marinus erzählt hat?“, fragte Liz.
„Sieht so aus“, antwortete Kaleo.
Wir betraten festeren Untergrund. Ekaterina sprang wieder von Kaleos Rücken, genau in eine Pfütze rein. Verärgert blickte sie auf ihr Kleid, das einige Schlammspritzer abbekommen hatte.

„Hey, da seid ihr ja endlich!“, rief jemand. Es war Marinus, der bereits auf uns zukam.
„Es tut mir leid, die Vorbereitungen für das Fest sind leider noch nicht abgeschlossen. Ihr müsst also noch etwas warten.“
Ekaterina verschränkte genervt die Arme. Ben dagegen hatte eine Idee: „Wir helfen gerne wo wir können.“
„Wenn es euch nichts ausmacht?“, fragte Marinus den Rest von uns.
„Kein Problem“, antwortete ich. Auch Kaleo und Liz stimmten zu. Nur Ekaterina schmollte weiter vor sich hin.

Wir halfen also beim Aufbau der Stände. Ekaterina packte trotz ihrer schlechten Laune mit an. Anschließend dekorierten wir den Platz mit bunten Lichterketten. Als wir fertig waren, ging bereits die Sonne unter. Ich beobachtete den Sonnenuntergang eine Weile. Ein Heulen war zu hören. Ich vermutete, dass eines der vielen Pokémon aus dem Großmoor die untergehende Sonne anheulte.

Es kamen mehr Besucher an und das Gelände füllte sich immer mehr.
Erschöpft nahm ich neben Ben abseits der Veranstaltung auf einer alten, beschädigten Mauer Platz. Die meisten Menschen standen auf dem Festplatz vor der großen Statue. Ekaterina tauchte auf und setzte sich auf meinen Schoß.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich die Kleine.
„Ja, bin nur müde“, antwortete sie. Wir beobachteten die letzten Vorbereitungen des Festes, als Ekaterina einschlief und leise zu schnarchen anfing. Ich umarmte sie und legte meinen Kopf auf Bens Schulter.

Das Fest begann. Eine Schwester Joy saß mit ihrem Glibunkel auf einem Thron. Marinus erklärte über Lautsprecher, dass es einen Wettkampf unter Glibunkel geben würde. Wer Runde eins und zwei gewann, durfte gegen den Sieger des letzten Jahres antreten.

Runde eins bestand darin, dass die verschiedenen Glibunkel sich vor das Publikum stellten, sich einen Moment hinhockten und dann wieder gingen. Zu jedem Pokémon gab die Jury, bestehend aus Wellenbrecher Marinus, Schwester Joy und dem Lokführer der Großmoorbahn, einen Kommentar ab. Ben und ich taten es ihnen gleich, wenn auch nicht mit dem selben Ernst.
„Das war alles?“, fragte Ben, nachdem das erste Glibunkel fertig war.
„Anscheinend“, antwortete ich.
Das zweite Glibunkel kam, hockte sich und verließ die Bühne wieder.
„Und wo war da jetzt der Unterschied zum ersten?“, fragte ich.
„Gab es überhaupt einen?“, stellte Ben die Gegenfrage.
Glibunkel Nummer drei zog davon.
„Die müssen Glibunkel wirklich lieben“, meinte Ben. Ich ersparte mir die Antwort.
Das vierte Glibunkel kam bei der Jury besonders gut an. Warum auch immer.
„Das sah doch genau so aus, wie die anderen drei!“, rief Ben.
„Kann es sein, dass es etwas größer war als die anderen?“, fragte ich.
„Ne, die waren alle gleich groß“, sagte Ben. „Oder?“
Ich zuckte mit den Schultern.
Glibunkel Nummer fünf gehörte Elizabeth.
„Die beiden haben sich wohl angefreundet“, sagte ich.
„Na dann drücken wir ihr mal die Daumen“, antwortete Ben.
Weitere fünf Glibunkel betraten nacheinander die Bühne, insgesamt zehn nahmen also am Wettbewerb teil.

Runde zwei begann. Diesmal mussten die Glibunkel zehn aufeinander getürmte Ziegelsteine zerschlagen. Ein Glibunkel schaffte es, die anderen schieden alle aus. Darunter auch das Glibunkel von Liz.
Das Gewinner-Glibunkel stieg nun in einen Ring, wo es gegen den Sieger des letzten Jahres antrat.
„Sollen wir uns den Rest auch noch ansehen?“, fragte Ben.
„Muss nicht sein.“ Ich musste gähnen. Wir hatten einen langen Tag hinter uns ich war müde.
Ekaterina regte sich. Sie war wieder wach und stand auf.
„Ich gehe ins Pokémon-Center. Kommt ihr mit?“, fragte sie.
„Wir bleiben noch ein bisschen“, sagte ich.
Ekaterina nickte und ging zur Bahn, die regelmäßig zwischen Großmoor und Weideburg hin- und herfährt. Der Lokführer hatte scheinbar für Vertretung gesorgt, solange er in der Jury saß.

„Gehen wir mal übers Fest“, meinte Ben und lief los. Ich folgte ihm.
An einem Stand blieb er kurz stehen, um etwas zu kaufen. „Da“, sagte er und hielt mir einen kandierten Apfel hin.
„Äh, danke“, erwiderte ich. Ben lief schon wieder weiter.
„Mach doch mal langsam!“, rief ich ihm hinterher.
„Sorry, ich laufe immer so schnell, wenn ich müde bin“, entschuldigte sich Ben.
„Dann muss ich dich halt festhalten“, sagte ich und griff nach Bens Arm. Gemeinsam schlenderten wir über das Fest. Besonders groß war es nicht. Als wir einmal durch waren, setzten wir uns wieder hin, um unsere Äpfel aufzuessen.

Nach einer Weile verstummte die Musik und Marinus rief alle Anwesenden zur Mitte des Festplatzes: „So, Leute, nun schwingt mal die Hüften. Na los, ich will euch alle tanzen sehen!“
Ben griff meine Hand und mit einem knappen „Komm mit!“ zog er mich in Richtung der Tanzfläche. Er bemerkte schnell, dass ich mich sträubte.
„Was ist los?“, fragte er.
„Ich kann nicht tanzen“, gestand ich.
„Dann lernst du das jetzt. Ist wirklich nicht schwer. Komm!“
Eine echte Wahl hatte ich nicht und ehe ich mich versah, stand ich mit Ben zwischen viel zu vielen Menschen und Pokémon. Zuerst erklärte Ben mir, wie man beim Tanzen zu stehen hat: Er griff meine rechte Hand mit seiner linken und legte seine andere Hand auf meine Hüfte. Dann erklärte er mir nach und nach die einzelnen Tanzschritte. Es war ein Walzer, der zwar langsam war, dafür aber leicht zu lernen. Ich trat ihm auch nicht öfters als ein oder zwei mal auf die Füße.
„Wo hast du so tanzen gelernt?“, fragte ich ihn.
„Meine Mutter hat es mir beigebracht. Sie hat immer gesagt, dass ich wenigstens einen Walzer drauf haben muss, damit ich mal auf meiner Hochzeit nicht blöd da stehe.“
„Eigentlich hatte sie damit ja recht“, sagte ich.
„Deine Eltern haben dir nie Tanzen beigebracht?“, fragte Ben. Ich schüttelte den Kopf: „Tanzen war bei uns irgendwie nie ein Thema. Jetzt ist es ohnehin zu spät dafür.“
„Tut mir leid. Ich weiß, dass du nicht gern darüber redest.“
„Schon gut“, sagte ich. Wir fingen an, zu schweigen. Keiner von uns beiden wusste, was er sagen sollte. Die Musik wurde langsamer. Wir kamen uns nähe, Ben umarmte mich und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Schließlich hörten wir ganz auf zu Tanzen. Wir standen einfach nur da und hielten uns schweigend in den Armen.

Als wir nach einiger Zeit unsere Umarmung wieder lösten, blickten wir uns an. Verlegen sah ich zu Boden und sagte: „Ich denke, wir sollten gehen.“
„Ja, ist ja schon spät“, antwortete Ben und nahm meine Hand. Zum ersten Mal sah ich Ben rot werden vor Verlegenheit.
Ohne ein Wort zu sagen gingen wir Händchen haltend zurück zur Bahn.

Auf dem Weg trafen wir Kaleo und Elizabeth. Kaleo sah besorgt aus.
„Hey, was ist denn los?“, fragte ich.
Kaleo warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder dem Horizont zuwandte.
„Wuffels ist weg“, sagte er.
„Was meinst du damit?“, fragte Ben.
„Es ist weggelaufen. Das machen Wuffels so, wenn sie kurz vor der Entwicklung stehen. Ich denke, dass es bald wieder in seiner entwickelten Form zurückkehren wird. Wahrscheinlich aber erst morgen.“
„Hoffentlich passiert ihm nichts“, sagte ich.
„Keine Sorge, es kann schon auf sich aufpassen. Geht ihr wieder zurück?“
„Ja, tun wir“, antwortete Ben.
„Dann sehen wir uns morgen“, sagte Kaleo.
„Gute Nacht“, sagte Elizabeth.
Wir verabschiedeten uns von unseren Freunden und setzten unseren Weg fort.
Mittlerweile saß der Lockführer aus der Jury wieder in seiner Bahn.

Während der Fahrt sagte keiner von uns ein Wort. Wir waren beide todmüde. Zurück in Weideburg war unser Ziel das Pokémon-Center. Kaum waren wir aus der Bahn ausgestiegen, griff ich wieder nach Bens Hand. Er lächelte mir verschlafen zu.

Vor der Tür meines Zimmers blieben wir stehen. Ich bemerkte eine kleine Panik in mir aufsteigen, als sich Ben mir zuwandte.
„Ähm, also ...“, setzte Ben an.
„Danke für den tollen Abend! Gute Nacht!“, rief ich und verschwand hinter der Tür. Ich lehnte mich gegen die Tür und sammelte mich wieder.
Idiot!, schoss es mir durch den Kopf. Es galt mir selbst, denn ich hatte mich von meiner Panik überrumpeln lassen. Ich hörte, wie Ben sein Zimmer, dass er sich mit Kaleo teilte, betrat. Erst danach entfernte ich mich von der Tür. Ekaterina schlief bereits tief und fest. Leise zog ich mich um und legte mich ebenfalls ins Bett.

Am nächsten Morgen weckte mich unsere Jüngste. Und das nicht gerade sanft. Im Gegenteil, sie sprang mit Anlauf auf mein Bett und rüttelte so lange an mir herum, bis ich wach war und aufstand.
„Komm schon, lass uns frühstücken gehen! Und dann holen wir uns den Orden von Weideburg! Los, steh auf, Ben ist ja auch schon wach!“
„Ach, ist er das?“, fragte ich verschlafen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich nicht sehr lange geschlafen hatte.
„Ja, er ist ohne zu frühstücken direkt in die Arena gegangen! Also los, hinterher!“

Ich ging ins Bad. Als ich fertig gewaschen und angezogen war, ging ich mit Ekaterina nach unten. Elizabeth ließen wir schlafen. Wer weiß, um wie viel Uhr sie mit Kaleo zurück kam.
Gegenüber dem Pokémon-Center befand sich ein Fachwerkhaus, in dem sich ein kleines Café befand, in dem wir frühstückten. Ich schob mir gerade den Rest meines Honig-Brötchens in den Mund als Ekaterina, die mir gegenüber saß, verängstigt das Gesicht verzog: „Was ist das?“
Ich drehte mich um und sah mir an, was sie meinte. Es war ein Pokémon, das mir unbekannt war. Es hatte ein diabolisches Grinsen im Gesicht und starrte uns aus rot leuchtenden Augen an. Auf seinen Hinterbeinen stehend, ließ es die Vorderbeine einfach baumeln. Sein teils weißes, teils blutrotes Fell glänzte.
Dann hob es eine Pfote und winkte uns heran.
„Will es kämpfen?“, fragte Ekaterina.
Ich schluckte den Rest vom Frühstück runter und zog den Pokédex aus meiner Tasche: „Wolwerock, das Wolf-Pokémon. Die weiterentwickelte Form von Wuffels. Wolwerock wiegt seine Gegner im Glauben, er sei im Vorteil, bis es ihn mit einer Kopfnuss überrascht und ihm mit seiner Steinmähne die Knochen bricht. Im Kampf ist es bereit, alles aufs Spiel zu setzen, um den Sieg zu erringen.“
„Das ist die Weiterentwicklung von Wuffels?!“ Es überraschte mich, was aus dem kleinen, süßen Pokémon geworden ist.
„Wuffels? Also ist das da Kaleos Pokémon?“ Ekaterina hatte Angst vor Wolwerock. Es sah aber auch wirklich zum Fürchten aus. Hydropi machte ein paar Schritte nach vorne. Wolwerock, das die ganze Zeit mit dem Oberkörper hin und her schaukelte, erstarrte und bewegte sich nicht mehr.
„Dann kämpfen wir mal“, sagte ich und stand auf. Ein wenig abseits des Cafés stand ich nun Kaleos Pokémon gegenüber. Sein Besitzer schlief wahrscheinlich noch. Vivillon erhob sich von meinem Kopf und flatterte neben Ekaterina.

Wolwerock machte keine Anstalten, anzugreifen. Also machten wir den Anfang: „Aquaknarre, Hydropi!“ Mein kleiner Hüpfer schoss einen Wasserstrahl ab. Wolwerock hob seine Vorderbeine und überkreuzte sie. Hydropis Aquaknarre wehrte es so einfach ab. Wieder zeigte es keine Absicht, angreifen zu wollen.
„Machen wir mal etwas mehr Druck!“, rief ich. Hydropis Aquaknarre konnte es vielleicht abwehren, seine Hydropumpe aber garantiert nicht. „Hydropumpe, Hydropi!“
Wieder schoss mein Hüpfer einen Wasserstrahl ab. Dieses Mal jedoch war er um einiges stärker. Wolwerock startete nun ebenfalls eine Attacke: Steinkante. Die vielen, kleinen Felsen, die es Hydropi entgegenschleuderte, hielten die Hydropumpe-Attacke tatsächlich auf. Wolwerocks Attacken waren stärker als sie es noch vor seiner Entwicklung gewesen sind.

Es kam zur Explosion und eine dichte Rauchwand entstand.
Noch bevor ich weitere Kommandos geben konnte, schoss Wolwerock bereits aus der Rauchwand hervor, um mit einer Tackle-Attacke anzugreifen.
„Weich aus!“, rief ich. Hydropi sprang zur Seite und entging der Attacke des Gesteins-Pokémons. Doch Wolwerock legte nach mit Sandwirbel-Attacke. Mein Hüpfer musste sich für einen Moment die Pfoten vor die Augen halten, um nicht geblendet zu werden. Gerade genug Zeit für Wolwerock, um eine weitere Attacke einzusetzen: Steinwurf. Ein großer Felsen erschien über ihm. Wolwerock schleuderte ihn meinem Pokémon entgegen.
„Hydropumpe!“, rief ich. Zu spät. Hydropi wurde getroffen. Die Explosion, die entstand, schleuderte es einige Meter durch die Luft, bevor es hart auf dem Boden aufschlug.
Wolwerock hat ganz schön was drauf, dachte ich mir.
„Los, Hydropi!“, rief ich.
Hydropi rannte los. Man sah ihm deutlich an, dass es sauer war.
„Aquakanrre! Ziele auf Wolwerock und mach den Boden nass!“ Ich hatte bereits eine Idee.
Wolwerock wich nicht aus, sondern wehrte die Attacke ab. Das gesamte Kampffeld stand nun unter Wasser. Unser Gegner holte zum Gegenschlag aus: Seine Pfote fing an, hell zu leuchten, bevor es mit der Handkante zuschlug. Offenbar hatte Wolwerock die Durchbruch-Attacke gelernt. Schutzschild wäre zwecklos gewesen, weshalb Hydropi die Attacke hatte über sich ergehen lassen müssen.
„Komm, steh auf! Setz Eisstrahl ein!“, rief ich. Hydropi tat, wie befohlen. Wolwerock wich aus, jedoch gefror der gesamte Boden, da er ja, wie geplant, von Hydropis Aquaknarre nass gemacht wurde.
Wolwerock hatte Probleme, stehenzubleiben. Doch das hinderte es nicht daran, eine Steinkante-Attacke einzusetzen.
„Whirlpool-Attacke! Beeil dich!“
Mein Hüpfer baute über sich den Whirlpool auf und warf ihn Wolwerock entgegen. Die Steine, die das Gestein-Pokémon schleuderte, blieben alle in der Wasser-Attacke hängen. Beim Versuch, auszuweichen, rutschte Wolwerock aus. Whirlpool traf mitten ins Schwarze. Doch Wolwerock stand wieder auf, als wäre nichts passiert.
„Das gibt's doch nicht!“, rief Ekaterina.
„Wolwerock, Durchbruch-Attacke aufs Eis!“, rief jemand. Es war Kaleo. Er kam gerade aus dem Pokémon-Center.
Wolwerock zerstörte mit einem gezielten Schlag die Eisschicht auf dem Boden. Sein Trainer kniete sich neben es.
„Du hast dich also in die Nachtform entwickelt“, sagte Kaleo und streichelte seinem Pokémon über den Kopf, während es ihn erwartungsvoll ansah. „Dann bringen wir den Kampf mal zu Ende.“
Wolwerock grinste wieder. „Seid ihr bereit?“, fragte Kaleo. Ich nickte, Hydropi ebenfalls.
„Dann mal los! Steinkante, Wolwerock!“
„Dagegenhalten mit Hydropumpe!“
Wieder hüllte die Explosion der aufeinander treffenden Explosionen das Kampffeld in Rauch. Doch dieses Mal würden wir nicht warten, sondern gleich die Initiative ergreifen: „Heuler!“
Hydropi stieß einen spitzen Schrei aus, der Wolwerocks physische Attacken abschwächte. Es dauerte nicht lange, da kam Kaleos Pokémon auch schon aus der Rauchwand hervorgesprungen.
„Durchbruch-Attacke!“, rief Kaleo.
Hydropi bereitete eigenständig die Geduld-Attacke vor. Es speicherte sämtliche Energie der Angriffe von Wolwerock. Zuerst traf die Durchbruch-Attacke, dann eine Steinwurf-Attacke.
„Konter!“, rief Kaleo. Verdammt.
Hydropi war soweit, die angesammelte Energie freizusetzen. In einem hellen Strahl schoss es die Attacke auf Wolwerock ab. Wolwerock ertrug die Attacke und schlug anschließend zurück: Es feuerte seinerseits einen orangefarbenen Strahl ab.
Halte durch, Hydropi!, dachte ich, kurz bevor mein Pokémon getroffen wurde.
Es gab eine große Explosion. Hydropi landete einige Meter vor mir.
„Steh auf, Hydropi!“, rief ein Junge abseits des Feldes. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich um uns eine kleine Menschenmenge angesammelt hatte. Einige feuerten Hydropi an, andere Wolwerock. Wieder andere sahen einfach nur zu.

Hydropi raffte sich wieder auf. Keuchend sah es mich an.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich. Mein Hüpfer nickte.
„Ich vertraue dir“, sagte ich. „Gemeinsam schaffen wir das. Wir immer.“
Eine Zeit lang starrte mich mein kleiner Hüpfer einfach nur an. Ich erwiderte seinen Blick. Mir war nicht ganz klar, was mit ihm los war.
Hydropi lächelte. Es fing an zu leuchten. Innerhalb weniger Sekunden war es komplett in ein grelles Licht gehüllt.
„Was ist denn jetzt los?“, fragte Ekaterina.
„Hydropi entwickelt sich“, sagte Kaleo mit ernster Stimme.

Ich hatte mich oft gefragt, warum sich Hydropi nicht weiterentwickeln wollte. Aber ich hatte auch von Anfang an gesagt, dass es alleine Hydropis Entscheidung sein würde, ob und wann es sich entwickelt. Ich war überrascht, dass das nach mehr als vier Jahren nun doch passierte. Ich dachte, Hydropi würde sich nie entwickeln, womit ich offensichtlich falsch lag.

Nach abgeschlossener Entwicklung ließ ich den Pokédex sprechen: „Moorabbel, das Lehmhüpfer-Pokémon. Die weiterentwickelte Form von Hydropi. Moorabbel fühlt sich auf instabilem Untergrund, wo Füße keinen Halt finden, am wohlsten. Schnell überwältigt es Gegner, die im Schlamm stecken.“

Moorabbel warf mir noch einen Blick zu, bevor es sich umdrehte und auf Wolwerock zusprang. Dabei schoss mein Hüpfer einige Klumpen Lehm auf Wolwerock ab. Offenbar eine neue Attacke, die es durch seine Entwicklung erlernt hatte. Ich sah im Pokédex nach, da mein Pokémon gerade alleine kämpfen wollte.
Es war die Lehmschuss-Attacke gewesen, eine Boden-Attacke. Mir fiel ein, dass Moorabbel ja nun zusätzlich über den Boden-Typ verfügte und somit eine seiner beiden Schwächen verlor: Es war immun gegen Elektro-Attacken geworden. Dafür hatte mein Pokémon aber jetzt eine noch größere Schwäche gegen Attacken des Typs Pflanze.

Eine Explosion riss mich wieder aus meinen Gedanken: Moorabbel machte Druck. Es griff an und schoss wieder eine Lehmschuss-Attacke ab.
„Steinkante! Los!“, rief Kaleo. Wolwerock konterte. Langsam ging ihm die Puste aus.
„Steinhagel, Wolwerock!“ Das Gestein-Pokémon ließ viele, große Felsen von oben herab fallen. Moorabbel saß die Attacke einfach mit Schutzschild aus.
„Steinkante!“, rief Kaleo.
Moorabbel setzte Aquahaubitze ein. Die Attacke pflügte durch Wolwerocks Steinkante und traf das Gestein-Pokémon.

Kaleos Pokémon hatte keine Chance. Seine Attacke war zu schwach, um sich durchzusetzen. Die nachfolgende Explosion war die Letzte des Kampfes. Wolwerock blieb besiegt am Boden liegen.
Moorabbel kam zum mir. Ich nahm vor ihm Platz.
„Hast du dich also schlussendlich doch weiterentwickelt?“, fragte ich. Moorabbel nickte.
„Es ist wegen Liams Sumpex, nicht wahr?“
Moorabbel nickte erneut.
Liam ist mein Bruder. Er hatte seine Reise einige Jahre vor mir begonnen. Sein Starter-Pokémon war ebenfalls ein Hydropi gewesen, dass sich erst zu Moorabbel und schließlich sogar zu Sumpex weiterentwickelte. Sumpex war immer Hydropis Vorbild gewesen. Liam hatte mal erzählt, dass sich sein Hydropi weiterentwickelt hatte, kurz nachdem es Aquahaubitze erlernte.
Während meiner Reise ging der Kontakt zu Liam verloren. Alles, was von ihm blieb, war der Mantel, den ich trug.

Ich streckte meine Arme aus. Moorabbel kam näher und ließ sich von mir umarmen.
„Ich habe von Anfang an gesagt, dass es deine Entscheidung ist. Ich freu mich für dich, Moorabbel“, sagte ich. Mein Hüpfer lächelte. Vivillon begrüßte nun ebenfalls seinen frisch entwickelten Partner. Doch Moorabbel war müde. Der Kampf hatte ihm doch ordentlich zugesetzt. Ich brachte es ins Pokémon-Center und ließ es behandeln. Hinterher fühlte es sich wieder fit genug für einen Arenakampf.
„Wird Zeit, dass wir in die Arena kommen“, sagte ich zu Ekaterina.
„Jawohl!“, rief die Kleine mit erhobener Faust.
„Guten Morgen!“, erklang Elizabeths Stimme. Sie kam gerade die Treppen runter.
„Na, ausgeschlafen?“, fragte Kaleo.
„Ja“, antwortete Liz und lächelte.
„Amis Hydropi hat sich weiterentwickelt! Und Kaleos Wuffels auch!“, rief Ekaterina.
„Ach wirklich?“, fragte Liz. Sie wirkte verschlafen.
„Komm, ab in die Arena! Sonst wird das heute ja nix mehr!“, sagte ich und drückte Ekaterina zum Ausgang.
„Falls ihr uns sucht, wir sind im Großmoor“, rief Kaleo uns hinterher.
„Alles klar!“, erwiderte ich. Schon hatten wir das Pokémon-Center verlassen.

Einige Minuten später, kurz vor der Arena von Weideburg. Ben kam uns entgegen, neben ihm lief eine junge Frau.
Ich erstarrte, denn ich kannte sie. Und ich hasste sie. Ihr Name war Marie.
Sie trug ein weißes Hemd, das sie in einen schwarzen Minirock steckte. Unter dem Rock trug sie eine weiße Strumpfhose und auf dem Kopf ein schwarzes Barett. Ihr glattes, hellbraunes Haar reichte bis unter ihren Po.

„Hey, ihr zwei!“, rief Ben.
„Hey Ben“, erwiderte ich. Meine gute Laune verflüchtigte sich.
„Darf ich vorstellen, dass hier ist ...“
„Marie“, unterbrach ich Ben. „Wir kennen uns bereits.“
„Ach, echt?“, fragte Ben.
„Hallo, Ami. Lange nicht gesehen“, begrüßte mich Marie. Sie grinste mich süffisant an. „Wie geht es dir?“, fragte sie.
„Bis ich dich gesehen habe, ganz gut“, erwiderte ich. Wir konnten uns noch nie leiden und ich hatte kein Problem, es offen zu zeigen.
„Was sollte das denn, Ami?“, fragte Ben.
„Mach dir keinen Kopf, sie ist wahrscheinlich immer noch nicht ganz darüber hinweg, dass ich damals in Johto gegen sie gewonnen hatte. Das war für sie das Aus im Halbfinale der Pokémon-Liga“, sagte Marie. Sie warf mir ein böses Lächeln zu.
„Weißt du“, begann ich: „Seit ich dir damals in Hoenn im Finale den Scheitel gezogen habe, bin ich eigentlich darüber hinweg.“
Ihr Lächeln war verschwunden. Dafür war ich es, die nun grinste.
„Du hast bestimmt schön gefeiert, als du wieder Zuhause ankamst, nicht?“
Marie wusste genau, was geschehen war. Sie wusste, dass meine Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen.
„Meine Eltern waren zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr am Leben, wie du weißt“, sagte ich.
„Ach ja, ich vergaß“, sagte Marie lächelnd. Meine Abneigung ihr gegenüber war nie größer.
Ben machte einen Schritt nach vorne: „Das reicht jetzt! Seid mal etwas freundlicher zueinander“, rief er.
Moorabbel drängte sich in den Vordergrund. Ich verschränkte die Arme und wandte den Blick ab.
„Was ist das denn?“, fragte Ben.
„Ein Moorabbel“, antwortete Marie. „Also hat sich dein schwaches Hydropi mal weiterentwickelt? Wurde ja auch Zeit.“
„Wann hat sich Hydropi denn weiterentwickelt?“, fragte Ben.
„Eben, als ich gegen Kaleos Wolwerock gekämpft habe. Sein Wuffels hat sich auch weiterentwickelt“, antwortete ich.
„Wolwerock ist super stark! Moorabbel musste wirklich hart kämpfen, um zu gewinnen!“, rief Ekaterina.
„Dass sie hart kämpfen musste, glaube ich dir sofort“, meinte Marie.
Ich ignorierte ihren Kommentar und lenkte das Thema zurück auf die Arena.
„Habt ihr den Orden der Arena hier schon?“
„Klar“, sagte Ben und hielt mir den Orden vor die Nase.
„Er war sehr einfach zu bekommen. War kaum die Mühe wert“, antwortete Marie und zeigte ebenfalls ihren Orden.
„Ich habe Maries Kampf gegen Marinus gesehen. Sie hat mit ihm den Boden aufgewischt! Und hat dabei nicht ein Pokémon verloren!“, schwärmte Ben.
„Mit meinem alten Team hätte ich das auch hinbekommen“, sagte ich. Leise genug, damit es niemand bemerkte.
„Was sagst du dazu, Ami? Vielleicht können wir ja mal mit Marie trainieren?“
Marie verzog das Gesicht. Sie war von Ben so genervt, wie ich es war, als ich ihn zum ersten Mal traf. Das war ihr deutlich anzusehen. Da sie aber etwas hinter Ben stand, konnte er ihr Gesicht nicht sehen.
„Kein Interesse“, lehnte ich ab.
Ekaterina kicherte.
„Was gibt es denn da zu lachen?“, fragte Marie.
„Gar nichts“, erwiderte Ekaterina. „Ich gehe schon mal in die Arena.“
Ekaterina verschwand im Gebäude und ließ uns drei alleine.
Betretenes Schweigen. Zwei von drei Personen hatten kein Interesse, miteinander zu reden. Nur Ben versuchte weiterhin, Marie und mich in Gespräche zu verwickeln:
„Was haltet ihr davon ...“
„Vergiss es einfach, Ben“, unterbrach ich ihn. „Marie und ich, wir werden keine Freunde mehr. Ich gehe in die Arena. Bis später dann.“
„Viel Glück“, sagte Ben und streichelte mir kurz über den Kopf. Verlegen wandte ich mich ab.
Dabei fiel mein Blick auf Maries Gesichtsausdruck: Ein breites und sehr böses Grinsen lag darin.
„Ach Ben, mir ist aufgefallen, dass du Pokémon mit dem Typ Eis trainierst! Ich interessiere mich sehr dafür! Ich würde gerne alles darüber von dir wissen!“, sagte Marie und hakte sich bei Ben ein.
„Äh, ja. Sehr gerne“, meinte Ben. Machte sie sich etwa gerade ernsthaft an ihn ran?
„Wir sehen uns dann später“, sagte Ben und ging mit Marie am Arm an mir vorbei.
„Willst du nicht meinen Arenakampf sehen?“, fragte ich.
„Eigentlich schon, aber ...“, rief Ben.
„Vielleicht ja nächstes Mal!“, unterbrach ihn Marie. Sie zog Ben mit einem gemeinen grinsend von der Arena weg.

Enttäuscht ging ich weiter. Meine Laune war endgültig im Keller. Ich betrat die Arena voller Wut. Ekaterina und Marinus standen im Eingangsbereich. Ekaterinas Blick, als sie mich sah, ähnelte dem, als sie erstmals Wolwerock sah. Ängstlich, fast schon panisch, machte sie einige Schritte zurück. Ich ging auf Marinus zu, der aussah, als wolle er gleich weglaufen.
„Ähm, w-willst du gegen mich antreten?“, fragte er.
Ich nickte.
„Ähm, ja. Folge mir.“
Einen Augenblick später standen wir auf Position: Das Kampffeld zwischen uns bestand aus einem großen Wasserbecken, in dem sich mehrere Plattformen befanden.
Ekaterina nahm auf den Zuschauerbänken Platz.

Der Schiedsrichter begann mit seiner Ansage:
„Der nächste Kampf in der Arena von Weideburg wird in wenigen Augenblicken beginnen. In der blauen Ecke: Ami aus Malvenfroh City und in der roten Ecke: Der Arenaleiter von Weideburg: Wellenbrecher Marinus!
Jeder darf drei Pokémon einsetzen. Der Kampf ist vorbei, wenn einer von beiden seine drei Pokémon verloren hat. Nur dem Herausforderer ist es erlaubt, Pokémon auszutauschen.“

„Garados, aufs Wasser!“, rief der Arenaleiter.
„Moorabbel, vorwärts!“, rief ich. Mein Pokémon nahm seinen Platz vor mir ein.
Marinus verlor keine Zeit und legte sofort los: „Garados, Drachenwut!“
Ich konnte mich kaum auf den Kampf konzentrieren. In meinem Kopf drehte sich alles um Ben und Marie. Eine unbeschreibliche Wut kochte in mir.
Moorabbel schoss eine Hydropumpe ab.
Garados' blaue Schockwellen kollidierten mit Moorabbels Hydropumpe.
Durch die Explosion entstand eine Menge Rauch. Wir verloren den Sichtkontakt zu unserem Gegner. Auf der Rauchwand zeichnete sich ein dunkler Umriss ab.
„Weg da!“, rief ich. Garados preschte durch die Rauchwand. Sein Schweif war von einer kreisenden Wasserspirale umgeben, die sogenannte Nassschweif-Attacke. Moorabbel schaffte es gerade noch, ins Wasser zu springen, als Garados Attacke auf der Plattform aufschlug.
„Hinterher!“, rief Marinus. Garados folgte Moorabbel ins Wasser.

Die Tür wurde geöffnet. Marie und Ben traten ein und setzten sich neben Ekaterina. Offenbar hatten sie beschlossen, sich doch den Arenakampf anzusehen. Marie klammerte sich immer noch an Bens Arm.
Auf dem Kampffeld herrschte immer noch Stille. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Dann schoss Garados aus dem Wasser, Moorabbel in seinem Maul haltend. Mein Hüpfer sorgte mit Schutzschild dafür, dass Garados sein Maul nicht schließen konnte.
„Eisstrahl! Stopf ihm das Maul!“, brüllte ich.
„Drachenwut!“, rief Marinus.

Noch bevor Garados reagieren konnte, bildete Moorabbels Eisstrahl einen riesigen Klumpen Eis in seinem Maul. Moorabbel stieß sich daran ab und landete sicher auf einer Plattform.
Garados war handlungsunfähig. Es fing an, seinen Kopf gegen eine Plattform zu schlagen, um das Eis in seinem Maul zu brechen.
„Hydropumpe!“, rief ich.
„Kopf nach vorne, Garados!“, rief Marinus. Die Hydropumpe-Attacke traf Garados und zerschmetterte dabei das Eis in Garados Maul. Marinus Pokémon schüttelte sich kurz und stürmte wieder auf Moorabbel zu.
„Ins Wasser!“, rief ich. Moorabbel tauchte ab und Garados folgte.

Wieder regte sich nichts. Doch dieses Mal würde ich nicht abwarten.
„Komm wieder raus und setze Whirlpool ein!“, rief ich. Ich war mir nicht sicher, ob Moorabbel mich hören konnte.
Einen Augenblick später sprang es aus dem Wasser und schoss eine Lehmschuss-Attacke nach hinten ab. Garados ertrug die Attacke ohne groß zu zucken und folgte meinem Hüpfer wieder unter die Wasseroberfläche.

Wieder tauchte Moorabbel auf, sprang auf eine Plattform, machte eine Drehung nach links und tauchte wieder ab. Garados landete auf der Plattform und verfolgte Moorabbel wieder.

Ich kannte mein Pokémon lange genug, um zu wissen, dass es etwas vorhatte. Wieder sprang es aus dem Wasser hervor, dieses Mal jedoch drehte es sich blitzschnell um und schoss eine Eisstrahl-Attacke auf die Wasseroberfläche ab. Das Wasser gefror fast auf gesamter Fläche und Garados prallte daran ab. Moorabbel bereitete die Whirlpool-Attacke vor. Als Marinus' Pokémon eine Stelle zum Auftauchen fand, wurde es bereits von Moorabbels Attacke erwartet.
Unkontrolliert schleuderte es im Whirlpool hin und her.
„Wie immer?“, fragte ich. Moorabbel grinste und schoss einen Eisstrahl ab. Whirlpool fror ein und machte Garados bewegungsunfähig.
„Hydropumpe!“, rief ich.
„Hyperstrahl!“, rief Marinus.
Garados schoss einen mächtigen, weißen Strahl ab, der problemlos den eingefrorenen Whirlpool zerstörte und durch Moorabbels Hydropumpe schnitt.

Nach dem Treffer schlug mein Pokémon hart auf der Plattform auf und rutschte von dessen Ende ins Wasser. Garados musste zwangsweise eine Pause einlegen.
Moorabbel schoss aus dem Wasser hervor und hielt auf Garados zu. Mein Hüpfer war wütend. Es setzte Bodycheck ein und traf das gegnerische Pokémon mit voller Wucht.
Doch Garados war noch nicht am Ende. Mit Drachenwut brachte es Moorabbel auf Abstand, bevor beide wieder untertauchten.
Mehrere Explosionen unter Wasser ließen Fontänen aufsteigen. Beide Pokémon steigen wieder auf die Plattformen und setzten ihre stärksten Attacken ein: Aquahaubitze und Hyperstrahl.
„Woah!“, rief Ekaterina begeistert.
Die Attacken verfehlten einander und trafen die Pokémon.
„Moorabbel und Garados können beide nicht mehr weiterkämpfen!“, erklärte der Schiedsrichter.

„Alle Achtung. Du hast dein Pokémon gut trainiert. Mal sehen, wie du mit diesem hier zu recht kommst!“, rief Marinus und brachte sein nächstes Pokémon in den Kampf. Ben zog den Pokédex: „Morlord, das Fisch-Pokémon, die weiterentwickelte Form von Felino. Morlord sind sehr gelassen und es macht ihnen nichts aus, wenn sie sich beim Schwimmen an Booten oder Felsen stoßen.“

Ich hatte Morlord auf meinen Reisen bereits kennengelernt. Es besaß die Typen Wasser und Boden. Vulpix hätte in dieser Arena keine Chance gehabt, also blieben mir noch Vivillon, Staravia und Evoli. Ich entschied mich für Staravia.

Marinus wartete einen Moment ab, dann gab er den ersten Befehl: „Ins Wasser mit dir!“
„Flieg hoch, Staravia!“, rief ich.
Staravia kreiste über dem Kampffeld. Nach einigen Minuten tauchte Morlord auf und schoss einen Wasserstrahl nach oben. Die Attacke verfehlte mein Pokémon nur knapp.
„Aero-Ass“, rief ich. Staravia drehte bei und hielt auf Morlord zu.
„Tauch unter!“, rief Marinus. Sein Pokémon gehorchte.
„Zieh hoch!“, brüllte ich. Staravia brach den Angriff ab und zog nach oben.
„Slam-Attacke!“, befahl der Arenaleiter. Morlord durchbrach die Wasseroberfläche und traf Staravia am linken Flügel. Mein Pokémon konnte sich zum Glück noch in der Luft halten.

Das Spiel wiederholte sich: Staravia griff an und musste abbrechen, als Morlord abtauchte. Knapp über der Wasseroberfläche griff Morlord mein Pokémon an.

Wir können Morlord nicht angreifen, wenn es unter Wasser ist. Oder doch?“
Mir kam eine Idee.
„Aero-Ass“, befahl ich. Wir wiederholten das Spiel ein drittes Mal. Wieder tauchte Morlord ab. Aber es konnte nicht sehr tief tauchen, wenn es Staravia im Vorbeifliegen angreifen wollte. Als Staravia tief genug war, änderte ich die Attacke: „Flügelschlag! Ins Wasser!“
Staravia tauchte den rechten, weiß leuchtenden Flügel in vollem Flug ins Wasser. Morlord wurde getroffen!
„Eisstrahl!“, rief Marinus. Staravia wurde am Heck getroffen und stürzte ab. Zum Glück schlug es auf der Plattform auf. Im Wasser wäre es Morlord schutzlos ausgeliefert gewesen.
„Setz noch einen obendrauf mit Steinkante!“
Morlord sprang aus dem Wasser und schoss viele spitze Steine auf Staravia ab.
„Hoch mit dir, schnell!“, rief ich. Staravia entkam der Gestein-Attacke von Morlord knapp.
„Staravia komm zurück!“, rief ich. Es hatte keinen Sinn, den Kampf so fortzuführen. Marie kicherte. Ihr gefiel es, mich derart in Bedrängnis zu sehen.
Ich drehte mich um und sah meinen Flatterer an: „Vivillon!“
Vivillon flatterte aufs Kampffeld. „Wieso?“, hörte ich Ben fragen. Ich hatte natürlich eine Idee. Doch dazu musste zuerst Morlord untertauchen.
„Vivillon, Superschall!“
„Ins Wasser mit dir!“, rief Marinus und tat damit genau das, was ich von ihm wollte.
„Schlafpuder, Vivillon!“
„Was macht sie denn da?“, fragte Ekaterina.

Schlafpuder verteilte sich auf der Wasseroberfläche. Morlord konnte nun nicht mehr auftauchen, ohne etwas davon abzubekommen. Da es aber nicht auftauchen wollte, musste ich also das Schlafpuder zu ihm bringen.
„Orkan! Auf die Wasseroberfläche!“
Morlord wurde nicht getroffen. Der Orkan ließ Wellen entstehen und vermischte das Wasser mit dem Schlafpuder.
Einige Sekunden, nachdem das Wasser in der Arena sich wieder beruhigt hatte, tauchte ein schlafendes Morlord auf. Man konnte nur den Rücken sehen, der Rest befand sich unter Wasser.
„Noch einmal Orkan!“
Morlord bekam eine volle Breitseite ab und trieb weiter auf der Wasseroberfläche.
Es öffnete seine Augen. Ihm wurde wieder bewusst, wo es sich gerade befand. Mit einer zuckenden Bewegung drehte es sich wieder Vivillon zu.
Marinus sah mir in die Augen. Wir hielten diesen Blickkontakt eine Weile. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab: „Du bist gut, Ami. Du hast gute Ideen im Kampf, mit denen du deinen Gegner gehörig unter Druck stellen kannst. Aber pass auf, dass diese Ideen nicht irgendwann einmal nach hinten losgehen!“
„Risiko gehört zum Spiel!“, erwiderte ich.
„Dann bin ich mal gespannt, wie du hiermit umgehst! Gähner, Morlord!“
Morlord öffnete sein Maul. Heraus traten viele Blasen in verschiedenen Größen, die in Vivillons Richtung flogen.
„Orkan!“, rief ich. Die meisten Gähner-Blasen platzten. Aber nicht alle. Vivillon wurde von einer getroffen. Es schüttelte sich einmal durch und schien fit zu sein. Aber mir war klar, dass es jeden Moment einschlafen würde. Dann hätte es im Kampf keine Chance mehr.
Was jetzt?, fragte ich mich.Staravia wieder in den Kampf bringen? Staravia ist Morlord hier zu stark unterlegen. Aber wie verhindere ich, dass Vivillon einschläft?

Vivillons Flügelschläge wurden unregelmäßig. Gähner begann zu wirken. Marinus grinste. Er musste nur abwarten.
Bodyguard wirkt jetzt nicht mehr. Also wie verhindere ich den Schlaf?
Vivillon verlor an Höhe. Mein Gehirn arbeitete auf Höchstleistung, um eine Lösung zu finden. Und mit einem Schlag war sie da.
„Giftpuder, Vivillon! Vergifte dich selbst!“
„Hä?“, fragten Ekaterina und Ben gleichzeitig.
Vivillon begann, sich im Kreis zu drehen und dabei das Giftpuder zu verteilen. Es verpasste sich selbst eine Vergiftung. Eine lila Aura umgab mein Pokémon.
„Erleidet ein Pokémon, nachdem es von Gähner getroffen wurde, eine Statusveränderung, zum Beispiel eine Vergiftung, setzt die Wirkung von Gähner aus“, erklärte ich.
„Beeindruckend, Ami. Aber jetzt hast du ein vergiftetes Pokémon. Wie lange wird es wohl diesem Sturm standhalten? Morlord, Matschbombe!“
„Lichtschild, Vivillon! Halte durch!“
Dank Lichtschild verursachen spezielle Attacken des Gegners nur die Hälfte des Schadens. Die Hälfte der kleinen, braunen Schlammkugeln, die Morlord abschoss, passierten den Lichtschild und trafen mein Pokémon. Vivillon überstand die Attacke.
„Stachelspore!“, rief ich.
„Ins Wasser!“, befahl Marinus.
Wie schon Schlafpuder zuvor, schwamm nun Stachelspore auf dem Wasser. Beim Auftauchen würde Morlord nun paralysiert werden.
„Aromakur, Vivillon!“
Vor meinem Flatterer entstand eine hell leuchtende Kugel. Sie umhüllte Vivillon und platzte. Vivillons Vergiftung war beseitigt.
„Noch einmal Lehmbrühe, Morlord!“
Marinus' Pokémon tauchte gar nicht erst auf, sondern schoss von unter der Wasseroberfläche eine Welle braunen Wassers ab. Vivillon entging der Attacke knapp, indem es mit einem kräftigen Flügelschlag nach oben auswich.
Die Stachelsporen trieben zwar noch immer auf dem Wasser, aber an der Stelle, an der Morlords Attacke die Wasseroberfläche durchbrach war eine Lücke. Morlord nutzte die Gelegenheit, um aufzutauchen. Es keuchte vor Erschöpfung. Vivillon war ebenfalls ziemlich angeschlagen, genau wie Staravia. Marinus hatte immer noch ein frisches Pokémon in der Hinterhand.
So wird das nix, dachte ich mir.
„Was ist los, Ami? Hast du etwa schon genug?“, fragte Marinus. Ich spürte Maries Blick, sie wartete nur auf meine Kapitulation. Aber es war mir egal.
„Ja, ich gebe auf. Wir sehen uns morgen wieder, Wellenbrecher.“
„Der Kampf hat wirklich Spaß gemacht, Ami. Ich freue mich darauf, dir morgen erneut gegenüber zu stehen.“

Marie kicherte. Ich ignorierte sie und verließ die Arena. Draußen atmete ich erst einmal tief ein.
Ben kam hinzu, die anderen folgten ihm.
„Lief wohl nicht ganz so gut, was?“, fragte er.
„Wir sind falsch an die Sache ran gegangen, das ist alles. Morgen gewinnen wir den Kampf.“
„Mit den Pokémon ist es verwunderlich, dass du überhaupt schon einen Orden gewonnen hast“, sagte Marie.
„Das war aber nicht gerade nett, Marie“, sagte Ben.
„Mit Nettigkeit kommt man auch nicht weit. Niemand gibt dir einen Orden, nur weil du besonders nett warst.“
„Nettigkeit und Stärke schließen sich aber nicht gegenseitig aus“, argumentierte Ben.
„Wer nett ist, zeigt Rücksicht und Rücksicht ist Schwäche. Und wer schwach ist, bleibt zurück. So war das schon immer und so wird es auch immer sein.“
„Du hast bis jetzt immer einen ganz netten Eindruck gemacht“, meinte Ben.
„Du bist auch sehr leicht zum Narren zu halten, Ben. Wenn ich dich noch ein wenig weiter um den Finger gewickelt hätte, hättest du für mich bestimmt sogar die Gruppe verlassen.“
„Ziemlich arrogant von dir, so etwas anzunehmen“, erwiderte Ben.
„Ist es denn nicht so? Oder bedeutet dir diese Gruppe wirklich so viel?“
„Die Gruppe? Nicht unbedingt. Aber Ami schon. Und da ändert auch so eine eingebildete Wichtigtuerin wie du nichts dran.“

Stille. Ich lief knallrot an und sah Ben mit offenem Mund an. Dieser blickte mit strenger Miene Marie an, die seinen Blick verärgert erwiderte. Dann stampfte sie beleidigt davon. Ben wandte sich mir zu: „Komm sag's schon. Ich bin ein Idiot.“
„Du ... Ich ... Also ...“, stammelte ich.
Ekaterina kicherte.
„Morgen will ich, dass du gewinnst, Ami. Gib dein Bestes, okay?“, fragte Ben und streichelte meinen Kopf. Ich nickte verlegen.

Eine Weile lang sagte niemand etwas. Ekaterina brach zuerst das Schweigen: „Ich geh in die Arena. Bis später!“
Ich hielt sie fest: „Tut mir leid, dass ich mich vor gedrängelt hab. Nächstes Mal darfst du zuerst.“
„Chi hi hi, deine Prinzessin vergibt dir dieses eine Mal!“, sagte Ekaterina und setzte ihren Weg fort.
„Ins Pokémon-Center?“, fragte Ben. Wieder nickte ich. Gemeinsam gingen wir zurück zum Pokémon-Center. Ich gab meine Pokémon zur Behandlung an Schwester Joy. Da die Behandlung etwas dauerte, lud mich Ben auf einen Spaziergang ein.
„Ich hätte nicht gedacht, das Marie so falsch ist. Sie machte einen wirklich netten Eindruck“, sagte Ben.
„So war sie schon immer“, erwiderte ich.
„Wie lange kennst du sie schon?“
„Sie kommt aus Kalos. Ich habe sie kennengelernt, als ich als kleines Kind meine Oma besuchen war. Sie hatte sich damals immer über mein Purmel lustig gemacht.“
„Achso“, sagte Ben. Für einige Minuten schwiegen wir.
„Es hat mich wirklich gestört, dass du so viel Zeit mit ihr verbracht hast“, gestand ich.
Ben blieb stehen und drehte sich mir zu. Er hob seine Hand und schnippte mir gegen die Stirn.
„Ey“, sagte ich und machte einen Schritt zurück.
„Sei nicht immer gleich so eifersüchtig. Kannst mir ruhig vertrauen, Kleine.“
„Ich mach das ja nicht mit Absicht“, sagte ich und rieb mir die Stirn.
Ben stand vor mir, die Hände in den Taschen und lächelte mich an. Ich erwiderte es.

Ein lauter Donner war zu hören. Dunkle Wolken schoben sich über den Himmel.
„Sieht aus, als ob es gleich anfängt zu regnen“, sagte ich.
„Es fängt schon an zu tropfen“, bestätigte Ben. Wir stellten uns unter das Vordach eines Gebäudes. Sekunden später schüttete es wie aus Eimern.
Eine Zeit lang sahen wir dem Regen zu, bis Ben einen Vorschlag machte: „Lass uns rennen!“
„Bei deinem Glück fängst du dir noch eine Erkältung ein.“
„Los, komm schon! Wer zuerst beim Pokémon-Center ist!“
Ben rannte los. Da ich kein Spielverderber sein wollte, folgte ich ihm. Unterwegs kam Ben ins Stolpern, fing sich jedoch wieder, bevor er stürzte.
Als wir im Pokémon-Center ankamen, waren wir klatschnass. Aber wir lachten.
Eine halbe Stunde später war ich geduscht und umgezogen. Im Trainingsanzug trafen ich Ben wieder. Ich holte meine Pokémon ab. Ben lud mich ein, mit in sein Zimmer zu kommen. Ich nahm das Angebot an und folgte ihm.
„Willst du was trinken?“, fragte er, als wir in seinem Zimmer ankamen. Ich schüttelte den Kopf.
„Ich hab Karten dabei“, sagte Ben. Wir setzten uns auf den Boden und spielten miteinander. Gemeinsam verbrachten wir den ganzen Abend miteinander.

Am nächsten Morgen weckte mich ein seltsames Geräusch. Scheinbar war jemand im Bad zugange. Ich öffnete die Augen. Das Bett gegenüber war leer. Ich spürte etwas auf mir liegen. Ein prüfender Blick meinerseits erkannte: Es handelte sich um einen Arm. Ich blickte nach hinten, um zu sehen, wem der Arm gehörte. Es war Ben.
Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte: Der Arm gehörte Ben. Ben!
Ich erschrak, machte in meiner Panik die falsche Bewegung und fiel aus dem Bett.
„Was soll denn der Krach?“, fragte Ben. Verschlafen sah er mich an. „Ami? Was machst du denn hier?“
„D-d-das würde ich auch gerne wissen!“
„Wolltest du nicht gestern Abend in dein Zimmer zurück?“
Langsam erinnerte ich mich wieder. Es war wirklich spät gewesen. Ich war so müde gewesen, dass ich einfach ins nächstbeste Bett stieg. Und das war Bens Bett gewesen. Und was hatte Ben getan? Nichts! Er legte sich einfach neben mich!
Die Tür vom Bad öffnete sich und Kaleo trat ins Zimmer. „Na, ausgeschlafen?“, fragte er grinsend. Die Situation war mir so peinlich, dass ich ohne ein Wort zu sagen das Zimmer verließ und in mein eigenes rannte. Dort erwarteten mich bereits zwei über beide Ohren grinsenden Mädchen.
„Kein Wort!“, mahnte ich bereits im Voraus. Die beiden lachten.
Ich griff mir meine Sachen und verschwand im Bad.

Als ich fertig gewaschen und angezogen war, verließ ich das Badezimmer wieder. Liz und Ekaterina waren nicht mehr da. Ich schaute in Bens Zimmer vorbei. Die Jungs waren ebenfalls weg.
Gerade, als ich wieder gehen wollte, fiel mir etwas auf: Bens Mütze. Ich dachte, er hätte sie verloren. Ohne groß nachzudenken nahm ich sie mit und verließ das Pokémon-Center. Im Café davor fand ich meine Freunde wieder, wo sie am Frühstücken waren. Auch Ben war bei ihnen. Keiner sagte ein Wort, aber alle waren sie am Schmunzeln. Ich nahm ebenfalls am Tisch Platz, wobei sie alle noch breiter grinsten.
„Hört endlich auf zu grinsen“, sagte ich und musste selber lachen. Als eine Bedienung des Cafés an den Tisch kam, bestellte ich eine Tasse Kakao.
„Ich hab den Orden gewonnen“, sagte Ekaterina und präsentierte selbigen stolz.
„Gut gemacht“, lobte ich die Kleine.
„Und ich habe Glibunkel gefangen“, sagte Elizabeth und hielt uns einen Pokéball vor die Nase.
„Läuft ja richtig bei euch“, meinte Ben.
Ekaterina und Liz lächelten.
Die nächsten Minuten herrschte Stille. Ich bekam die bestellte Tasse Kakao.
„Ich muss euch etwas sagen“, meinte Elizabeth und sah uns mit ernster Miene an.
„Was denn?“, fragte ich.
„Ich habe mich dazu entschlossen, Pokémon-Züchterin zu werden.“
„Ist doch toll“, sagte ich.
„Das liegt dir, Lizzy“, meinte Ben.
„Wenn wir in Fleetburg ankommen, werde ich mit Kaleo gemeinsam die Fähre nach Alola nehmen“, sagte Elizabeth. Das kam überraschend.
„Was?, fragte Ekaterina.
„Ja, unsere Wege werden sich in Fleetburg trennen“, bestätigte Kaleo. „Elizabeth wird mich begleiten. Das hat sie selbst so entschieden.“
„Ich will nicht, dass du gehst!“, rief Ekaterina und fiel Liz um den Hals.
„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte Ben. Elizabeth nickte.
„Mach, was du für richtig hältst, Liz. Hauptsache, du bist glücklich“, sagte ich.
„Danke, Ami. Ich bin froh, ein Ziel vor Augen zu haben.“
Lizzy streichelte Ekaterina über den Kopf. Die Kleine saß auf ihrem Schoß und drückte Liz feste an sich.
„Bist ja nicht aus der Welt. Wir können ja telefonieren“, sagte Ben. Elizabeth nickte.
„Was ist mit deiner Schwester?“, fragte ich. Liz ließ den Kopf sinken. Es dauerte einen Augenblick, bis sie eine Antwort fand: „Sag ihr, dass es mir Leid tut und dass ich in Alola bin, falls sie mich sehen will. Wenn sie vorhat, nach Alola zu kommen, dann aber nur ohne Uniform.“
Ich nickte.
„Gut und jetzt lenken wir das Thema wieder auf etwas erfreulicheres“, meinte Liz. „Wie sieht es mit deinem Arenakampf aus, Ami?“
„Ich trete mit Moorabbel und Evoli an. Und Vivillon wird auch wieder mit von der Partie sein, denke ich.“
„Du kämpfst nicht mit Staravia?“, fragte Kaleo.
„Staravia ist zwar recht stark, aber in dieser Arena schwer einzusetzen. Die gegnerischen Pokémon können sich einfach unter Wasser verstecken und sind dort quasi unerreichbar. Evoli kann sich in dieser Arena besser durchsetzen als Staravia.“
„Als ob du mit dem Team überhaupt eine Chance hättest“, sagte eine Stimme hinter mir. Sie gehörte Marie. Ich wandte mich ihr zu: „Du bist ja immer noch da. Willst du nicht gehen?“
„Und deine zweite Niederlage in der selben Arena verpassen? Keinesfalls!“
„Dann guck halt zu. Ob du da bist oder nicht macht für mich keinen Unterschied“, sagte ich.
„Arrogant wie immer“, sagte Marie und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das ist keine Arroganz, Marie, sondern reine Gleichgültigkeit. Es ist mir einfach egal.“
Ich lächelte Marie an, die beleidigt davon marschierte.
„Ihr zwei könnt euch wirklich nicht ausstehen, oder?“, fragte Ben.
„Konnten wir noch nie“, antwortet ich, zog meine Tasche ran und Bens Mütze heraus.
„Wo hast du jetzt meine Mütze her?“, fragte Ben.
„Geklaut“, kicherte ich. Ich setzte sie mir auf den Kopf und stand auf: „Auf in die Arena!“

Episode 15

Neda

„Komm schon, Eleanor. Iss etwas“, bat Scarlett. Sie saß ihrer Kollegin gegenüber am Tisch. Eleanor stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Ich saß am Nachbartisch und war mit meinem PDA beschäftigt, ein kleiner, sehr flacher und tragbarer Computer.
„Keinen Hunger“, antwortete sie. Obwohl die Begegnung mit ihrer Schwester schon etwas her ist, war sie immer noch niedergeschlagen.
„Du musst aber mal was essen.“ Scarlett mochte manchmal rücksichtslos wirken, doch sie sorgte sich um ihre Freunde. Um ihre Loyalität hatte ich mich nie gesorgt.
„Ich weiß. Aber ich hab einfach keinen Appetit.“ Eleanor war auch nicht gerade zimperlich, was den Umgang mit Untergebenen anging. Doch seit dem Vorfall mit ihrer Schwester war sie deprimiert und nahm keinen Bissen mehr zu sich.
„Du solltest wirklich mal etwas essen“, mischte ich mich in das Gespräch ein. „Bevor du vor Hunger noch unfähig bist, deinen Dienst weiter zu verrichten.“
Eleanor sprang auf: „Mach dir darum mal keine Sorgen! Falls es dir nur darum geht, dass ich diensttauglich bin: Das bin ich jederzeit!“, bellte sie mich an. Mit großen Schritten verließ sie den Raum.
Scarlett sprang nun ebenfalls auf: „Musste das jetzt sein?“, rief sie und sah mich dabei böse an.
„Ihr beide gehört zum Vorstand. Also benehmt euch entsprechend. Ihr müsst ein Vorbild für eure Untergebenen sein.“
„Ja, ist klar“, sagte Scarlett, winkte ab und verließ ebenfalls den Raum.
Einen Moment lang schaute ich ihr nach, bis meine Aufmerksamkeit auf den PDA gelenkt wurde. Er hatte zu piepsen begonnen, ein Anruf kam rein. Ich drückte auf das Symbol, um, den Anruf anzunehmen. Auf dem Display erschien das Gesicht von Silas, dem Vorsitzenden des Vorstandes: „Neda, wie laufen die Vorbereitungen? Irgendwelche Probleme?“
„Alles läuft wie geplant. Keine Probleme derzeit.“ Es gab keinen Grund, ihm von Eleanors Durchhänger zu erzählen. Noch nicht.
„Gut, ganz wie erwartet. Wir sind fast soweit, dass wir zur nächsten Stufe des Plans übergehen können. Ich melde mich bald wieder, haltet euch also bereit!“
Silas' Bild verschwand vom Bildschirm. Eine Weile betrachtete ich das Logo von Team Rocket, ein rotes R, dass sich nun an seiner Stelle auf dem Bildschirm drehte. Wir alle hatten uns verpflichtet, Team Rocket zu dienen, so gut wir können. Und ich würde nicht zulassen, dass sich uns irgendein Problem in den Weg stellen würde.

Ami

„Der nächste Kampf in der Arena von Weideburg wird in wenigen Augenblicken beginnen. In der blauen Ecke: Ami aus Malvenfroh City und in der roten Ecke: Der Arenaleiter von Weideburg: Wellenbrecher Marinus!“
Marinus stand mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Feldes und grinste. Doch dieses mal würde er mir unterliegen, dessen war ich mir sicher! Wir waren stark genug, ihn zu besiegen!
„Jeder darf drei Pokémon einsetzen. Der Kampf ist vorbei, wenn einer von beiden seine drei Pokémon verloren hat. Nur dem Herausforderer ist es erlaubt, Pokémon auszutauschen.“
„Garados, aufs Wasser“, rief Marinus, wie schon beim letzten Mal. Sein Pokémon verließ seinen Ball und landete im Wasser.
„Vorwärts, Moorabbel!“, rief ich. Mein Hüpfer sprang auf die Plattform und nahm seine Position ein.
Letztes Mal haben sich die beiden gegenseitig fertig gemacht, schoss es mir durch den Kopf. Moorabbel war motiviert. Es stellte sich auf alle viere, bereit, sofort loszustürmen.
„Moorabbel, lass dich von Garados nicht besiegen dieses Mal!“, rief ich. Mein Pokémon nickte. Ich zog den Schirm von Bens Mütze, die ich immer noch trug, etwas nach oben. Ben selbst saß gemeinsam mit den anderen abseits des Feldes.
Gestern hätten wir beinahe gewonnen. Für diesen Kampf hatte ich meine Strategie etwas geändert.
„Folgender Plan“, sagte ich, etwas leiser, damit Marinus mich nicht verstehen konnte. „Tauche unter und setze Eisstrahl ein. Halte Garados so von dir fern und versuche, es irgendwie in die Falle zu locken.“
Moorabbel richtete seinen Blick wieder nach vorne.
„Dann mal los, Garados! Windhose!“ Garados erzeugt Wind, durch den ein kleiner Wirbelsturm entstand. Dieser füllte sich mit Wasser und schützte Garados. Wir konnten es so nicht treffen, aber das hatten wir jetzt ohnehin nicht vor.
„Hast du gedacht, ich greife sofort an? Da hast du dich wohl getäuscht, Ami“, rief Marinus.
„Das ist nichts, womit wir nicht fertig werden! Vorwärts, Moorabbel!“, rief ich. Mein Hüpfer sprang ins Wasser.
„Schnapp es dir, Garados!“, rief der Arenaleiter. Garados ließ vom Wirbelsturm ab und tauchte ebenfalls ins Wasser.
Das Wasser beruhigte sich wieder und blieb es für eine kurze Zeit lang. Bis im Wasser plötzlich eine Stelle vom unten her zu Eis gefror. Moorabbel sprang auf die gefrorene Stelle und mit einem Satz auf die nächstgelegene Plattform, nur um sofort wieder abzutauchen. Garados tauchte ebenfalls einen Moment später auf und sofort wieder ab.
Das selbe Spiel wiederholte sich: Eine Stelle im Wasser gefror, Moorabbel tauchte auf und gleich wieder ab, dicht gefolgt von Garados.
Beim dritten Mal nutzte mein Pokémon den Eisstrahl, um das Wasser hinter sich direkt nach dem Eintauchen einzufrieren. Garados prallte auf der frisch entstandenen Eisschicht ab. Der Versuch, direkt daneben ins Wasser zu tauchen misslang, denn Moorabbel war schnell genug, um wieder aufzutauchen und wieder einen Eisstrahl abzufeuern. Garados blieb kopfüber in der gefrorenen Schicht aus Eis stecken und zappelte wild hin und her.
„Steinwurf!“, befahl ich. Moorabbel beschwor einen großen Felsen und warf ihn auf Garados.
„Nassschweif!“, rief Marinus. Garados baute eine Wasserspirale um seinen Schweif auf. Wild umher fuchtelnd traf es den Felsen, den Moorabbel geworfen hatte und zerstörte ihn. Immer wieder schlug Nassschweif auf die Eisdecke, die Risse bekam und langsam zu brechen begann.
„Nochmal!“, rief ich. Wieder beschwor mein Pokémon einen Felsen. Die Eisdecke brach. Garados tauchte ab und mit dem Kopf vorwärts wieder auf. Moorabbels Felsen traf es und versenkte Garados wieder.
„Eisstrahl, schnell!“, rief ich. Noch bevor Marinus' Pokémon wieder auftauchen konnte, fror mein Hüpfer die Wasseroberfläche ein und hielt Garados so unter Wasser gefangen.
„Whirlpool, Moorabbel!“
„Garados, durchbrechen mit Hyperstrahl!“, brüllte Marinus. Unter dem Eis begann ein Licht zu leuchten. Eine Explosion zerstörte die Eisdecke.
„Eisstrahl und los!“, rief ich. Moorabbel fror die Whirlpool-Attacke ein und warf sie in die Richtung von Garados. Es folgte eine Explosion, die das Kampffeld in Rauch und Wasserdampf hüllte. Mein Hüpfer landete vor mir auf der Plattform.
Als sich der Rauch verzog, stand Garados vor uns, als hätte der Kampf noch gar nicht begonnen. Bei genauerem Hinsehen fiel mir aber auf, dass es schwer keuchte. Die Attacken hatten ihm also zugesetzt. Der Hyperstrahl konnte zwar die Eisdecke durchbrechen, aber den gefrorenen Whirlpool konnte es nicht vollständig zerstören.
Marinus ließ nicht locker und griff sofort wieder an: „Los Garados! Orkan-Attacke!“ Garados verursachte einen schweren Sturm. Ein kleiner Tornado bildete sich und zog das Wasser rundherum an. Eine Welle erwischte Moorabbel und zog es von der Plattform.
„Halt durch!“, rief ich. Ich konnte mein Pokémon in dem Unwetter nicht ausmachen. Moorabbel wurde geradewegs in den Tornado aus Wasser gezogen.
„Gut, Garados. Jetzt Nassschweif!“ Das gegnerische Pokémon schlug mit einem Nassschweif in den Tornado und traf Moorabbel. Mein Pokémon wurde mit aller Härte gegen die Wand geschleudert und fiel nach unten ins Wasser.
„Los, beende es mit Knirscher, Garados!“ Garados tauchte ab. Einige Sekunden lang geschah nichts. Dann schoss es wieder aus dem Wasser. Im Maul hatte es Moorabbel, dass sich mit Schutzschild verteidigte. Moorabbel senkte den Schild und setzte Eisstrahl ein, um Garados wie schon beim letzten Kampf das Maul zu stopfen. Anschließend stieß es sich am Eisklumpen in seinem Maul ab und sprang in die Luft.
„Beende es mit Steinwurf!“, rief ich. Mein Hüpfer beschwor wieder einen großen Felsen und schleuderte ihn Garados entgegen. Treffer!
Beim Aufschlag auf der Plattform zerbrach der Eisklumpen in Garados' Maul. Marinus' Pokémon blieb liegen und regte sich nicht mehr.
„Garados kann nicht mehr weiterkämpfen!“, rief der Schiedsrichter und hob eine seiner Fahnen in die Luft. Aber noch gab es keinen Grund, sich zu entspannen.
„Das war gar nicht so übel, Ami. Aber schlussendlich wirst du auch dieses mal verlieren. Los, Morlord!“ Marinus' Pokémon kam aufs Feld.
„Komm zurück, Moorabbel“, rief ich. Mein Hüpfer schüttelte den Kopf. Erstaunt sah ich es an. Es war fast am Ende seiner Kräfte, das war ihm anzusehen.
„Meinst du, du kannst noch kämpfen?“ Moorabbel nickte entschlossen und klopfte sich zwei mal auf die Brust.
„Na gut, wie du meinst. Vorwärts!“, rief ich. Mein Hüpfer sprang mit einem Satz ins Wasser.
„Hinterher!“, befahl Marinus. Morlord folgte Moorabbel und sprang ebenfalls ins kühle Nass.
Vielleicht hat Morlord H2O-Absorber. Also keine Wasser-Attacken, dachte ich mir. Ich erkannte die Umrisse der beiden Pokémon, wie sie unter Wasser Jagd aufeinander machten.
Moorabbel sprang aus dem Wasser und wendete noch in der Luft. Morlord folgte mit knappem Abstand. Beide schossen einen Eisstrahl ab, die bei der Kollision einen Blitz aus Eis erzeugten. Der Blitz zuckte über die Wasseroberfläche und fror sie in einer geraden Linie ein.
Moorabbel nutzte die Gelegenheit, sprang von der Plattform, auf der es gerade gelandet war, auf den gefrorenen Pfad und rutschte ihn entlang. Am Ende des Eispfades lag eine andere Plattform. Mein Hüpfer sprang darauf, machte auf dem Absatz kehrt und rammte Morlord, dass ihm dicht gefolgt war. Beide fielen daraufhin wieder ins Wasser.
Moorabbel tauchte so schnell es konnte wieder auf und bestieg wieder die Plattform. Keuchend stand es da und wartete auf Morlord. Mein Hüpfer richtete seinen Blick zu mir. Wir sahen uns in die Augen.
„Willst du aufhören?“, fragte ich. Es schüttelte den Kopf. Dann drehte es sich wieder nach vorne und begann, eine Aquahaubitze aufzubauen. Es formte eine große Kugel aus Wasser.
Dann ging alles ganz schnell: Morlord sprang auf die gegenüberliegende Plattform und schoss eine Lehmbrühe-Attacke ab. Moorabbel fror seine Aquahaubitze mit Eisstrahl ein und schoss sie ab. Mein Hüpfer wurde getroffen und landete auf dem Rücken. Morlord wurde frontal von der Eis-Aquahaubitze getroffen.
Morlord stand wieder auf, Moorabbel nicht.
„Moorabbel kann nicht mehr weiterkämpfen!“, rief unser Schiedsrichter. Ich rief Moorabbel in seinen Ball zurück und sah Vivillon an. Ein kurzes nicken und es flatterte nach vorne.
„So, also läuft es wieder auf Vivillon gegen Morlord hinaus, was?“, rief Marinus.
„Sieht so aus“, antwortete ich.
„Gut so! Dann mal los! Morlord, ins Wasser mit dir!“
„Bodyguard!“, rief ich. Damit sollte sich mein Pokémon erst einmal vor Gähner schützen. Vivillon umgab sich mit einer blauen Hülle.
„Ein guter Schachzug, Ami. Aber so kannst du mein Pokémon nicht besiegen!“
„Morlord wird früher oder später von ganz alleine kommen“, sagte ich. „Und jetzt Falterreigen, Vivillon!“
Vivillon begann, hin und her zu fliegen, wobei es Abbilder seiner selbst hinter sich herzog. Falterreigen stärkte Spezial-Angriff, Spezial-Verteidigung eines Pokémon und machte es dazu auch noch etwas schneller.
Morlord blieb nach wie vor unter Wasser. Ich konnte hin und wieder sehen, wie es unter Wasser vorbei schwamm.
Was will er denn damit bezwecken?, fragte ich mich in Gedanken.
„Giftpuder, auf die Wasseroberfläche!“ Vivillon verteilte sein Puder auf dem Wasser.
„Lehmbrühe, Morlord!, rief Marinus. Morlord schoss einen Schwall braunes Wasser in Vivillons Richtung. Ich erkannte den Plan. Durch die Attacke sollten Sporen von der Wasseroberfläche auf Vivillon zurückgebracht werden.
„Unsere eigene Status-Attacke gegen uns einsetzen. Kein schlechter Plan, Wellenbrecher“, sagte ich.
„Und was gedenkst du jetzt zu tun, Ami?“, fragte der Arenaleiter.
„Das selbe noch einmal! Giftpuder, Vivillon!“ Den nächsten Satz sagte ich so leise, dass Marinus ihn nicht hören konnte: „Tu so, als ob du getroffen worden wärst und lass dich auf die Plattform fallen!“
Auf der Plattform unter Vivillon hatte sich Giftpuder angesammelt. Ich hatte bereits eine Idee. Mein Flatterer verteilte wieder Giftpuder unter sich, Morlord schoss wieder eine Lehmbrühe ab und Vivilon ließ sich nach unten fallen.
„Und jetzt Eisstrahl, Morlord!“
„Windstoß auf das Giftpuder, Vivillon!“
Morlord sprang aus dem Wasser, genau in dem Moment, in dem Vivillon mit Windstoß das Giftpuder von der Plattform blies. Es bekam eine volle Breitseite ab und fiel vergiftet ins Wasser zurück.
„Psystrahl, Vivillon!“, rief ich. Morlord wurde getroffen und unter Wasser gedrückt. Es tauchte aber, entgegen aller Erwartungen, sofort wieder auf und schoss seinen Eisstrahl ab. Vivillon bekam einen Volltreffer ab. Eiskristalle hatten sich auf seinem rechten Flügel gebildet, sodass es diesen nur noch schwer bewegen konnte.
„Noch einmal Eisstrahl!“, rief Marinus.
„Käfergebrumm, schnell!“, rief ich.
Beide Pokémon schossen ihre Attacke ab. Beide Attacken prallten aufeinander und verursachten eine Explosion. Vivillon flog ein Stück rückwärts und befreite sich mit Aromakur von den Eiskristallen. Der Rauch, der durch die Explosion entstanden war, verzog sich langsam.
„Halte dich bereit“, sagte ich. Die Sicht wurde wieder frei, doch Morlord war weg. Verdammt.
„Jetzt, Morlord“, rief Marinus.
Morlord durchbrach die Wasseroberfläche direkt unter Vivillon. Mein Flatterer konterte geistesgegenwärtig mit einer Psystrahl-Attacke. Doch es konnte es Morlords Slam-Attacke trotzdem nicht entgehen. Morlord landete unsanft auf einer Plattform. Vivillon konnte sich noch davor bewahren, abzustürzen. Ein lila Schimmer umgab Morlord. Das Gift schwächte es. Keuchend sah es Vivillon an.
„Lehmbrühe, los!“, rief der Arenaleiter.
„Käfergebrumm!“, befahl ich den Konter. Käfergebrumm setzte sich durch. Morlord war durch das Gift zu sehr geschwächt worden. Es bekam einen harten Treffer ab. Es kippte um und blieb liegen.
„Morlord kann nicht mehr weiterkämpfen!“, verkündete der Schiedsrichter.
„Beeindruckend, Ami. Aber im Gegensatz zu dir habe ich immer noch mein stärkstes Pokémon zur Verfügung“, sagte Marinus und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war gut darin, seine Unsicherheit zu verbergen, doch es war ihm bewusst, dass es für ihn schwer werden würde, den Kampf zu gewinnen.
„Damit hast du zwar recht, aber das bedeutete noch lange nicht den Sieg für dich. Ich habe dafür zwei Pokémon übrig!“
„Von denen eines kurz vor dem K.O. steht.“
Ich warf Vivillon einen Blick zu. Es hatte Schwierigkeiten, die Höhe zu halten. Aber ich konnte es jetzt nicht austauschen. Mein nächstes Pokémon würde Evoli sein, und Evoli konnte es nicht alleine mit Bojelin aufnehmen.
„Du musst weitermachen, Vivillon!“, rief ich. Es nickte.
„Bojelin, aufs Feld!“, rief Marinus und brachte damit sein letztes Pokémon in den Kampf. Vivillon wartete nicht lange ab, sondern griff sofort von alleine an.
„Warte“, rief ich. Doch Vivillon ließ sich nicht beirren. Es setzte Stachelspore ein. Bojelin wich aus, indem es einen Sprung nach hinten machte. Sofort konterte es mit der Sternschauer-Attacke.
„Pass auf!“, rief ich. Vivillon schoss einen Psystrahl ab und zerstörte die Sterne von Bojelin größtenteils. Nur einige wenige trafen es.
Nun war Bojelin an der Reihe. Es sprang hoch und griff mit Wasserdüse an. Vivillon schleuderte ihm ein Giftpuder entgegen. Sekunden später wurde es getroffen. Mein Flatterer segelte zu Boden und blieb liegen. Bojelin landete wieder auf der Plattform, aber immerhin war es vergiftet worden.
„Vivillon kann nicht mehr weiterkämpfen“, rief der Schiedsrichter.
Ich holte es zurück in seinen Ball.
Marinus stand mir gegenüber, die Hände in den Hüften.
„Du kommst an deine Grenzen, nicht wahr?“, fragte er und lachte.
„Ach was“, antwortete ich. „Wir sind noch nicht am Ende!“ Ich kramte Evolis Ball aus meiner Tasche. Es musste nur lange genug durchhalten, damit Bojelin vom Gift besiegt werden würde. Doch das war leichter gesagt als getan.
„Evoli, los geht’s!“, rief ich und brachte mein Pokémon aufs Feld. „Gut, Evoli, hör zu! Bojelin ist das letzte Pokémon und es ist vergiftet! Du musst einfach nur lange genug durchhalten, verstanden?“ Evoli nickte.
„Glaubt ihr wirklich, wir lassen euch die Zeit?“, fragte Marinus. Er machte jetzt Druck: „Vorwärts, Bojelin! Klingensturm!“ Bojelin sprang hoch und auf Evoli zu. In der Luft schleuderte es weiß leuchtende Klingen in Evolis Richtung ab.
„Sternschauer-Attacke“, rief ich. Evoli schoss viele kleine Sterne ab. Bojelins Klingen wurden fast alle aufgehalten, einige schlugen neben Evoli auf den Boden ein.
„Wasserdüse! Vorwärts!“, rief Marinus.
„Weich aus!“, rief ich. Evoli sprang zur Seite – ins Wasser! „Zurück auf die Plattform!“, brüllte ich. Doch Marinus hatte uns längst dort, wo er uns haben wollte.
„Ultraschall, Bojelin!“, rief er.
Bojelin schoss mit seinem Schweif eine sichelförmige Schockwelle ab, die Evoli traf und zurück ins Wasser beförderte.
„Whirlpool!“, rief Marinus.
Bojelin erzeugte einen Wirbel aus Wasser und warf ihn auf Evoli zu. Evoli wurde darin gefangen und unkontrolliert hin- und hergeschleudert. Marinus Pokémon stützte sich mit einem Knie auf dem Boden ab. Die Vergiftung zeigte ihre Wirkung.
„Heuler, Evoli!“, rief ich. Evoli stieß spitze Schreie aus. Heuler verringerte Bojelins physische Angriffskraft.
„Klingensturm!“, rief Marinus.
„Sternschauer, los!“, befahl ich den Konter.
Evoli schoss die Attacke in alle möglichen Richtungen. Zahlreiche Explosionen ergaben sich aus den Kollisionen der Attacken. Die Whirlpool-Attacke wurde instabil und Evoli kam frei. Leider fiel es ins Wasser.
„Ins Wasser mit dir und Wasserdüse!“, rief Marinus.
„Auf die Plattform, schnell!“, brüllte ich.
Bojelin tauchte ab. Evoli strampelte weiter Richtung des Plateaus vor sich. Es kletterte aufs rettende Ufer. Im selben Moment schoss Bojelin hinter ihm in die Luft und verfehlte es nur knapp.
„Klingensturm!“, rief Marinus erneut. Bojelin brachte seine Attacke auf den Weg und Evoli hatte keine Chance, auszuweichen. Es setzte einen frontalen Treffer, der meinem Pokémon ordentlich zusetzte.
Jemand lachte laut auf. Es war Marie, die am Eingang stand. Ich ignorierte sie.
Bojelin keuchte schwer. Evoli war kräftig angeschlagen. Wird wieder mal viel zu knapp, dachte ich mir.
„Was ist los, Ami? Ich würde sagen, wir beenden das Ganze!“, rief Marinus.
„Gute Idee! Evoli, Sternschauer!“
„Dagegenhalten mit Klingensturm!“, befahl Marinus.
Beide Pokémon schossen ihre Attacken aufeinander ab. Beim Aufeinanderprallen entstand eine Explosion und jede Menge Rauch, der uns die Sicht nahm. So wie ich Bojelin einschätzte, würde es hochspringen und von oben angreifen. Und genau so kam es: „Klingensturm, Bojelin!“, rief Marinus.
Ich ließ Evoli losrennen, direkt in den Rauch hinein: „Ruckzuckhieb nach vorne, Evoli!“
Bojelins Attacke schoss aus der Rauchwand hervor und schlug auf der Plattform auf, wo Evoli gerade noch gestanden hatte. Ich konnte nicht sehen, was bei den Pokémon passierte.
Einige Sekunden herrschte Stille. Langsam verzog sich der Rauch und gab die Sicht wieder frei. Bojelin lag am Boden, Evoli stand keuchend davor. Bojelin hatte seine Attacke auf Evolis Position abgefeuert und nicht damit gerechnet, dass Evoli auf es zukommen könnte. Evoli war nah genug, um einfach unter der Attacke durchlaufen und den Ruckzuckhieb mit einem Sprung ins Ziel bringen zu können. Bojelin war durch das Gift genügend geschwächt worden, damit die Attacke es besiegen konnte.
Der Schiedsrichter hob die Flagge und sprach: „Bojelin kann nicht weiterkämpfen! Evoli hat gewonnen. Und somit ist der Sieger des Kampfes die Herausforderin, Ami aus Malvenfroh City!“
Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Erleichtert atmete ich auf. Evoli sprang in meine Arme. „Gut gemacht, mein Kleines“, lobte ich es.
„Wow, was für ein Kampf! Ich würde am liebsten noch einmal kämpfen!“, rief Marinus begeistert.
„Das glaube ich dir. Aber zwei Kämpfe reichen mir völlig“, erwiderte ich.

Gemeinsam mit meinen Freunden und Pokémon verließ ich die Arena. Marinus folgte uns wenige Augenblicke später.
„Hier Ami, den hast du dir verdient“, sagte er und hielt mir den Orden der Arena hin. Ich nahm ihn an mich. Glücklich hob ich ihn in die Luft und rief: „Ich hab den Fennorden!“
Evoli sprang jubelnd auf und ab. Ekaterina umarmte mich.
„Gut gemacht, Ami“, sagte Ben. Ich zog die Mütze aus und hielt sie ihm hin. Schließlich war sie ja nur geklaut.
„Behalte sie ruhig. Steht dir besser als mir“, sagte Ben.
„Danke“, sagte ich verlegen und zog die Mütze wieder an.
„Gott, wie rührend“, sagte Marie. Ich hatte beinahe vergessen, dass sie ja auch noch da war.
„Warum bist du eigentlich hier? Suchst du Freunde?“, fragte ich.
„Ich hatte bloß gehofft, dich noch einmal verlieren zu sehen. Ach egal, ist ja nicht die letzte Arena in Sinnoh.“ Marie drehte sich um und ging. Sie war genau so arrogant und unausstehlich wie immer. Zu ihrem eigenen Glück ging sie gerade.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Ekaterina, nachdem Marie nicht mehr in Sicht war.
„Ich gehe jetzt zuallererst ins Pokémon-Center“, erklärte ich.
„Und dann?“, fragte Ben. „Gehen wir weiter?“
Elizabeth hob die Hand: „Wir würden gerne noch einmal ins Großmoor gehen, bevor wir Weideburg verlassen.“
„Dann verlieren wir einen ganzen Tag“, meinte Ben.
„Darf ich einen Vorschlag machen?“, fragte Kaleo.
„Nur zu“, sagte ich.
„Es ist jetzt viertel vor zwölf. Was haltet ihr davon, wenn wir uns um vierzehn Uhr vorm Pokémon-Center treffen und dann weitergehen?“
„Reichen euch zwei Stunden?“, fragte ich.
„Ich denke schon und wenn nicht, ist es auch in Ordnung“, antwortete Kaleo.
„Alles klar, dann mal viel Spaß euch beiden!“, rief Ben. Kaleo und Liz machten sich schnell auf den Weg zum Großmoor. Blieben noch Ben, Ekaterina und meine Wenigkeit.
Ben drehte sich uns zu, stemmte die Hände in die Hüfte und fragte: „Und was machen wir in der Zeit?“
Ekaterina hob die Arme in die Luft: „Wie wäre es mit ... hä?“ Eines ihrer Pokémon befreite sich aus seinem Ball. Es war ihr Elfun, das einfach nur da stand und uns anblickte.
„Was soll das werden!?“, fragte Ekaterina. Elfun lief davon. „Hey, komm zurück!“, rief unsere Jüngste und verfolgte ihr Pokémon. Dieses hatte sichtlich Spaß an der Verfolgungsjagd.
„Sollen wir ihr helfen?“, fragte ich.
„Wir können auch die Zeit nutzen, um ungestört einen Spaziergang zu machen“, meinte Ben.
Sorry, Ekaterina, dachte ich mir. Ich gab meine Pokémon bei Schwester Joy im Pokémon-Center ab. Hinterher verließen Ben und ich Weideburg für einen Spaziergang. Mir fiel auf, dass Ben immer ruhiger wurde. Er schien sehr nachdenklich zu sein.
„Hey, was ist denn los?“, fragte ich.
„Nichts“, sagte Ben. Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck deutlich erkennen, dass er log. Irgendetwas bedrückte ihn.
„Irgendetwas ist. Komm, sag schon! Was ist los?“, bohrte ich nach.
Ben sah in die Ferne. Zögernd antwortete er: „Ich … ich denke in letzter Zeit oft an Zuhause“, antwortete er. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er nie viel von sich erzählt hatte.
„Blizzach, oder? Da sollten wir doch irgendwann auch vorbeikommen.“
„Darum mache ich mir auch so viele Gedanken.“ Ben wirkte niedergeschlagen. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Ist Zuhause etwas passiert?“
„So ungefähr, ja. Weißt du, meine Eltern betreiben in Blizzach ein Restaurant. Ich musste da schon von klein auf aushelfen und mit anpacken. Und während ich im Restaurant beschäftigt war, sind alle meine Freunde nach und nach mit ihren Pokémon losgezogen.“
„Und du bist quasi alleine zurückgeblieben?“
„Ja. Und dieses Jahr habe ich mich geweigert. Ich hab mein Zeug zusammengepackt, meine Pokémon genommen und bin losmarschiert. Meine Eltern waren unheimlich sauer, aber das war mir egal. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob es die richtige Entscheidung war.“
„Wieso?“
„Ich habe meine Eltern einfach sitzen lassen. Und das war nicht richtig.“
„Du hast ihnen lange genug geholfen. Es wurde einfach Zeit, auch mal an dich zu denken.“
„Weiß nicht“, sagte Ben. Eine Träne lief ihm über die Wange. „Ich weiß es nicht.“ Weitere Tränen kullerten. Ich griff nach seiner Hand.
„Wenn wir in Blizzach ankommen, kannst du dich ja bei ihnen entschuldigen. Und dann zeigst du deinen Eltern die Orden, die du schon gewonnen hast.“
Ben umarmte mich. Ein paar Minuten standen wir da. Immer wieder schluchzte er. Dann löste er sich wieder von mir.
„Ich bin mir sicher, dass deine Eltern sich freuen werden, dich wiederzusehen.“
„Kann sein.“
„Kopf hoch, mein Großer“, sagte ich lächelnd.
Ben lächelte ebenfalls und strich mir über die Wange. Ich griff nach seiner Hand. Wind kam auf. Ein Windzug ließ mich frieren.
„Bewegen wir uns, dann haben wir nicht so kalt“, sagte Ben.
Ich nickte. Wir verließen die Hauptstraße und folgten einem kleinen Weg. Er führte vorbei an einem Teich und geradewegs in einen Wald.
„Willst du da durch?“, fragte Ben.
„Ich habe keine Pokémon dabei. Also musst du mich beschützen, wenn wir von wilden Pokémon angegriffen werden.“
„Kein Problem“, sagte Ben und ging voran. Im Wald wurde es zunehmend dunkler und unheimlicher. Ich klammerte mich an Bens Arm.
„Gruselig“, meinte Ben.
Etwas raschelte im Gebüsch am Wegesrand. Ich erschrak und machte einen Satz zur Seite. Ein Bidiza kroch aus dem Busch und sah uns schräg an.
„Da hat wohl jemand Angst“, sagte Ben und grinste.
„B-blödsinn! Ich hab mich nur erschrocken!“, protestierte ich. Wir gingen weiter, aber es dauerte nicht lange, da hing ich wieder an Bens Ärmel. Zugegeben, es war mir wirklich unheimlich.
„Da vorne! Ich glaube, da endet der Wald“, sagte Ben.
Tatsächlich fiel mehr und mehr Licht durch die Büsche und Bäume und wir erreichten schließlich eine Lichtung. Vor uns lag ein kleiner See, am Wegesrand standen ein paar Bänke.
„Was für ein friedlicher Ort mitten im dunklen Wald“, bemerkte ich.
Am See saßen ein paar Glibunkel. Sie liefen davon, als wir näher kamen.
„Gruselig ist es hier trotzdem. Wenn auch sehr ruhig“, sagte Ben.
Wir nahmen auf einer der Bänke Platz. Ich setzte mich auf Bens Schoß und zog die Beine an. Es herrschte Totenstille, nur die Pokémon aus dem Wald waren hier und da zu hören. Ich schloss die Augen, lauschte den Geräuschen des Waldes und genoss Bens Nähe. Ich döste vor mich hin und die Zeit verging. Beinahe wäre ich eingeschlafen, hätte Ben nicht angefangen, an mir zu rütteln.
„Komm, auf! Wir müssen wieder gehen, sonst kommen wir zu spät“, sagte er.
„Egal“, antwortete ich. Ich hätte noch Stunden lang so sitzen bleiben können.
„Komm, los!“, sagte Ben. Er ließ wirklich nicht locker.
„Du bist so unromantisch, Ben!“, meckerte ich.
„Das hat damit nichts zu tun. Würde ja selbst gern hier sitzen bleiben mit dir. Aber du weißt, wie die anderen reagieren werden, wenn wir zu spät kommen. Besonders Ekaterina.“
Wo er recht hatte, hatte er recht. Wir machten uns also auf den Weg zurück. Im Wald war es immer noch ziemlich unheimlich. Umso mehr war ich froh darum, als wir ihn endlich wieder verließen. Wir folgten dem Weg anschließend zurück zur Hauptstraße und dieser schließlich zurück nach Weideburg.
„Ich mag diese Spaziergänge. Wenn wir beide Zeit zusammen verbringen“, sagte Ben.
„Ich auch“, stimmte ich zu. Verlegen senkte ich den Blick.

Wir betraten Weideburg, doch von unseren Freunden war nichts zu sehen. Ich betrat das Pokémon-Center und ließ mir von Schwester Joy meine Pokémon zurückgeben. Es war zwar noch etwas zu früh, aber wir wollten schließlich weiterreisen.
„So, wo sind denn jetzt alle?“, fragte ich.
„Vielleicht im Zimmer?“, mutmaßte Ben.
„Sehen wir mal nach“, schlug ich vor. Wir gingen die Treppe rauf und den Flur entlang, wo das Zimmer von Liz, Ekaterina und mir lag. Ich öffnete die Tür, Ben wartete draußen auf dem Flur. Ekaterina lag in Unterwäsche auf Elizabeths Schoß und war am Weinen. Auf dem Boden verstreut lagen Ekaterinas Kleid, sowie die Schleifen, die sie normalerweise im Haar trug.
„Was ist hier denn los?“, fragte ich.
„Marie hat Ekaterina provoziert und danach haben die beiden gegeneinander gekämpft. Ekaterina hat ziemlich hoch verloren. Danach muss Marie sie wohl ganz schön beleidigt haben“, erklärte Liz.
„Jetzt reicht's mir aber mit ihr“, sagte ich. Marie fing an, mich wütend zu machen. Ich verließ das Zimmer wieder und ging los, um sie zu suchen.
„Wo gehst du hin?“, rief Ben, als ich an ihm vorbei stürmte.
„Ich suche nach Marie. Sie hat Ekaterina fertig gemacht und jetzt mach ich sie fertig!“
„Lass das, Ami! Deine Pokémon sind noch nicht fit! So hast du keine Chance!“
„Wir schaffen das! Wir machen Marie jetzt fertig!“ Ich war sauer wie noch nie. Marie war, nach allem was sie getan hatte, nun endgültig einen Schritt zu weit gegangen.
„Ami!“ Ich ignorierte Ben und hielt weiter Ausschau nach Marie. Wenige Minuten später fand ich sie, wie sie dabei war, Weideburg zu verlassen.
„Marie!“, rief ich. Sie reagierte nicht einmal darauf.
„Ich fordere dich zum Kampf heraus!“ Das zeigte Wirkung. Marie blieb stehen und drehte sich um.
„Zwei gegen zwei“, sagte ich.
„Zuerst mache ich den Zwerg platt und danach dich. Klingt gut“, sagte sie und grinste.
„Moorabbel, Vivillon, vorwärts!“, sagte ich und holte meine Pokémon aus ihren Bällen. Trotz der Behandlung im Pokémon-Center konnte man den beiden die Erschöpfung vom letzten Kampf noch ansehen.
Marie warf nacheinander zwei ihrer Bälle. Aus dem einen erschien Quajutsu, der vollentwickelte Wasser-Starter der Kalos-Region. Der andere Ball brachte Fiaro hervor, ebenfalls ein Pokémon aus Kalos. Es hatte die Typen Feuer und Flug.
„Fang an“, sagte Marie. Ich war wütend und ihr arrogantes Grinsen machte es noch schlimmer.
„Pulverschleuder, los!“, rief ich. Vivillon begann, kräftig mit den Flügeln zu schlagen und verteilte damit Sporen um die Gegner. Fiaro musste somit vorerst auf Feuerattacken verzichten.
„Sturzflug und Aquawelle!, befahl Marie.
Fiaro schoss auf Vivillon zu. Quajutsu formte eine Kugel aus Wasser und wartete ab.
„Hydropumpe!“, rief ich. „Fang Fiaro ab. Vivillon, Giftpuder!“
„Weich aus!“, befahl Marie. Fiaro drehte nach oben hin ab, Vivillons Giftpuder konnte es aber nicht ausweichen. Quajutsus Aquawelle traf Vivillon.
„Gut, Vivillon, Käfergebrumm gegen Quajutsu! Moorabbel, schütze es!“
„Flammenblitz, Fiaro! Und Quajutsu, greif an mit Wasser-Shuriken!“
Fiaro hüllte sich in Flammen und raste auf Vivillon zu. Gleichzeitig flogen mehrere Wurfsterne aus verdicktem Wasser auf meine Pokémon zu. Moorabbel machte einen Satz nach oben und gab Vivillon mit Schutzschild Deckung.
Die Wasser-Shuriken prallten daran ab, aber Fiaro umflog es einfach. Vivillons Attacke traf ihr Ziel unmittelbar bevor es selbst getroffen wurde.
Ich hatte diese Pokémon schon einmal bekämpft. Als wir in Hoenn gegeneinander kämpften, scheiterte Maries Quajutsu an meinem Kapilz und ihr Fiaro unterlag meinem Stollos. Doch die beiden ließ ich bei Professor Birk zurück, bevor ich nach Sinnoh kam. Und jetzt war ich diejenige, die unterlag.
„Vivillon, Orkan! Moorabbel, halte Fiaro auf Abstand!“
„Nitroladung und Ruckzuckhieb!“ Wieder hüllte sich Fiaro in Flammen ein, dieses Mal gewann es im Flug jedoch deutlich an Geschwindigkeit. Moorabbel schoss eine Hydropumpe ab und brachte es so vom Kurs ab.
Quajutsu lief dagegen einfach durch die Orkan-Attacke durch. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Quajutsu Vivillon angreifen würde. Seine Attacke galt aber Moorabbel. Mein Hüpfer wurde getroffen und einige Meter nach hinten geworfen, stand aber sofort wieder auf den Beinen.
„Hydropumpe!“, riefen Marie und ich gleichzeitig. Unsere Wasser-Pokémon schossen beide ihre Attacke ab. Die Attacken vergingen in einer Explosion. Die Druckwelle der Explosion drückte Vivillon hoch in die Luft.
Fiaro kam angeflogen. Es hatte zwar den Kurs gewechselt, aber die Attacke nicht abgebrochen. Fiaro war nur eine Kurve geflogen und hatte erneut zum Angriff angesetzt. Vivillon wurde getroffen und schlug hart auf dem Boden auf. Wo es auch liegen blieb.
Maries Feuer/Flug-Pokémon flatterte nun über Quajutsu. Sie waren bereit, den Kampf zu beenden.
„Sturzflug, Fiaro! Danach Aquawelle, Quajtsu!“, befahl Marie.
„Hydropumpe!“, rief ich. Fiaro zog hoch, um der Wasser-Attacke zu entgehen. Quajutsus Aquawelle konnte die Hydropumpe zwar abschwächen, aber nicht aufhalten. Es wurde getroffen, erlitt jedoch keinen großen Schaden.
„Rauchwolke, Quajutsu!“, rief Marie. Ihr Pokémon stieß dunklen Rauch aus, der uns die Sicht nahm.
„Los, ihr zwei! Angriff!“, rief Marie.
„Halte dich bereit und weiche aus, Moorabbel!“, sagte ich. Wir warteten ab und lauschten in den Rauch hinein. Fiaro schoss über mein Pokémon hinweg und verfehlte es nur knapp. Ein dunkler Schatten zeichnete sich auf der Rauchwand ab.
„Pass auf!“, rief ich. Zu spät. Fiaro war nur das Ablenkungsmanöver. Quajutsu griff mit Nachthieb an. Mit leuchtenden Krallen stürmte es auf Moorabbel zu und verpasste ihm einen Schlag. Mein Pokémon flog einige Meter zurück. Noch bevor es sich wieder ganz aufrichten konnte, kam Fiaro wieder angeflogen. Es brachte seine Sturzflug-Attacke ins Ziel. Moorabbel wurde wieder ein Stück zurückgeschleudert. Mühsam versuchte es, aufzustehen.
Fiaro wehte mit seinen Flügeln den Rauch weg. Quajutsu stand unmittelbar vor Moorabbel.
„Beenden wir das jetzt, Quajutsu! Aquahaubitze!“
Ich wusste nicht, dass Maries Quajutsu diese Attacke erlernt hatte, denn in Hoenn war ihr Pokémon noch nicht dazu in der Lage. Moorabbel stand auf und überkreuzte die Arme, um der Attacke zu trotzen. Vergeblich. Es war das Aus für mein Pokémon und damit auch für den Kampf. Ich rief Moorabbel in seinen Ball zurück.
Marie und ich, wir hielten einen Moment Augenkontakt, bevor sie sich umdrehte und ohne ein weiteres Wort ging. Ich sah ihr nach, bis sie am Horizont verschwunden war. Wut kochte in mir auf. Als ich mich umdrehte, stand ich Ben gegenüber. Offenbar hatte er sich den Kampf angesehen. Ich senkte den Blick.
„War wohl keine gute Idee. Hättest es dir aber gleich denken können, oder?“
„Ach lass mich doch in Ruhe!“, sagte ich und ging an ihm vorbei. Dabei rempelte ich ihn an der Schulter an, aber nicht absichtlich.
„Kein Grund, jetzt eingeschnappt zu sein“, meinte Ben. Ich ließ ihn stehen und ging zurück ins Zimmer. Meine ganze Selbstbeherrschung war nötig, um nicht vor Wut zu explodieren.
„Warte doch mal, Ami!“, rief Ben, während er mir weiter hinterherlief. Ich ging weiter, ohne ihn zu beachten. Bis er mich am Arm griff und mich festhielt.
„Was denn?“, fuhr ich ihn an. Ich war wütend über Marie. Und darüber, den Kampf verloren zu haben.
„Lass mich los!“, sagte ich. Ich zerrte mich von ihm los und öffnete die Zimmertür.
„Ami!“, rief Ben. Ich knallte ihm die Tür vor der Nase zu.
Ekaterina hatte sich einen rosa Trainingsanzug angezogen. Ihr Kleid, sowie sämtliche Schleifen, die sie normalerweise trug, waren weg. Niedergeschlagen saß sie am Bettrand und sah mich an, als ich ins Zimmer stürmte.
„Du siehst nicht so aus, als hättest du gewonnen, Ami“, bemerkte Liz. Ich warf mich auf mein Bett und drehte mich der Wand zu. Liz verließ den Raum wenige Minuten später. Ekaterina dagegen kroch zu mir ins Bett. Sie legte sich vor mich.
„Was hat Marie zu dir gesagt?“, sagte ich nach einigen Minuten des Schweigens.
„Dass ich mich kindisch benehme und man mich so gar nicht ernst nehmen kann. Dass ich wie ein kleines Kind kämpfe und es nie zu etwas bringen werde. Und noch andere Sachen.“
„Mach dir nichts draus“, versuchte ich sie zu trösten.
„Sie hat aber recht. Ich hab mich immer wie ein kleines Kind aufgeführt, hab immer die Prinzessin gespielt, die über allen steht. Dabei stehe ich nicht annähernd auf einer Stufe mit Marie oder dir. Ich bin gerade einmal seit etwas mehr als einem Jahr Trainerin und habe eigentlich von nichts eine Ahnung. Trotzdem hab ich mich immer aufgeführt, als wäre ich die Größte.“
„Das stimmt nicht.“
„Doch, es stimmt, Ami. Und deshalb höre ich auch auf damit. Ich werde nicht mehr die Prinzessin spielen! Ich werde stärker werden und irgendwann gewinne ich in der Pokémon-Liga! Als Ekaterina und nicht als die Prinzessin von Stratos City!“
Ich ließ das so unkommentiert stehen, mir war gerade nicht nach läüngeren Diskussionen. Ekaterina sah mich an.
„Warum guckst du so traurig, Ami?“
„Ich war gemein zu Ben. Ich habe ihn stehen lassen und ihm eben die Tür vor der Nase zugeschlagen.“
Ekaterina setzte sich aufrecht hin und rüttelte an mir: „Ihr zwei dürft nicht streiten! Ihr liebt euch doch!“
Ich drehte so schnell den Kopf zu ihr, dass es kein Wunder gewesen wäre, hätte ich mir dabei das Genick gebrochen: „Hä!? B-blödsinn!“
„Willst du es wirklich abstreiten?“
Ich drehte ihr den Rücken zu. Es fiel mir schon immer schwer, über meine Gefühle zu sprechen. Und so brachte ich es auch dieses mal nur zu einer Ausrede: „Wir mögen uns nur sehr. Das ist alles.“
„Da ist emhr zwischen euch und das weißt du! Und deshalb dürft ihr nicht streiten! Geh dich entschuldigen, sofort!“
Ekaterina trat mich förmlich aus dem Bett. Ich stand auf und ging zur Tür. Ich konnte mich nicht dazu überwinden, sie zu öffnen.
„Ami“, sagte Ekaterina. Ich gab mir einen Ruck und drückte die Türklinke nach unten. Langsam öffnete ich die Tür. An der Wand gegenüber lehnte Ben. Mit verschränkten Armen schien er auf mich gewartet zu haben. Liz und Kaleo waren nicht zu sehen. Ic hschloss die Tür wieder hinter mir.
„Hast du dich jetzt beruhigt oder schlägst du mir nochmal die Tür ins Gesicht?“, fragte Ben.
„Ich war halt sauer auf Marie“, sagte ich.
„Und deswegen läufst du weg und knallst mir die Tür vor der Nase zu? Du hast den Kampf gegen Marie halt verloren, na und?“
„Du hättest mir ja nicht nachlaufen müssen!“
„Und du hättest nicht mit Marie kämpfen müssen!“
„Doch! Auf wessen Seite stehst du eigentlich!? Sie hat Ekaterina zum Weinen gebracht! Und dann dieses arrogante Lachen jedes mal!“ In mir baute sich eine unbeschreibliche Wut auf. Und je wütender ich wurde, desto weniger überlegte ich, was ich Ben da eigentlich an den Kopf warf.
„Und statt du mal auf mich hörst, lässt du dich genau wie Ekaterina von ihr provozieren und fängst in blinder Wut einen sinnlosen Kampf an, den du nie hättest gewinnen können!“
„Warum hast du mir denn nicht geholfen? Gemeinsam hätten wir sie fertig gemacht! Warum bist du nicht auf meiner Seite? Warum nimmst du sie auch noch in Schutz?“
„Ich nehme niemanden in Schutz und ich bin auf deiner Seite. Aber versuch doch einmal klar zu denken, Ami. Deine Pokémon ...“
„Sie hat dir doch total den Kopf verdreht! Seit sie aufgetaucht ist, hast du sie angehimmelt! Deshalb hast du auch nicht an meiner Seite gekämpft!“
„Ami.“
„Du bist so ein Idiot! Verschwinde doch einfach, du ...“
Ben wurde es zu bunt. Er hob die Arme. Ich hob ebenfalls meine Arme, um mich zu schützen. Ich wusste ja nicht, was er vorhatte. Ben ergriff meine Handgelenke und drückte sie gegen die Wand. Mit einer Hand hielt er mir schließlich den Mund zu.
„Halt endlich mal den Rand, Süße!“
Ich wehrte mich gegen ihn, doch er ließ nicht locker.
„Es ist völliger Unsinn, was du da redest! Jetzt lass deine schlechte Laune nicht an mir aus. Ich hab dir gleich gesagt, dass du das mit dem Kampf lassen sollst, aber du hast ja nicht gehört!“
Ich wollte protestieren, doch Ben hielt mir weiter den Mund zu.
„Jetzt hast du den Kampf halt verloren. Passiert ist passiert. Aber hör auf, so einen Blödsinn zu erzählen! Kann ich dich jetzt wieder loslassen, oder schreist du weiter rum?““
Wütend starrte ich ihn an. Ben lockerte seinen Griff und ließ mich frei. Ich senkte den Blick.
„Tut mir leid“, sagte ich kleinlaut.
Kaleo, Liz und Ekaterina standen schweigend im Flur. Sie hatten meinen Wutausbruch mitbekommen. Die Szene wurde mir derart unangenehm, dass ich davon lief. Ich verließ das Pokémon-Center und machte erst Halt, als ich völlig außer Atem war.
Keuchend sah ich mich um. Ich wusste nicht, wohin. Oder was ich als nächstes tun sollte. Tränen liefen über meine Wange. Ich war wütend, verzweifelt, verwirrt. Zu viele Emotionen tobten in mir, als dass ich einen klaren Gedanken fassen konnte.
„Ami.“ Blitzschnell drehte ich mich der Stimme zu. Ben stand hinter mir.
„Ich … ich weiß nicht mehr, w-was ich machen soll,“ stotterte ich mit Tränen im Gesicht. „Warum fällst du mir so in den Rücken? Du hättest ...“
„... gar nichts tun müssen“, beendete er meinen Satz. „Und du hättest nicht mit Marie kämpfen müssen. Sie provoziert dich und fällst schön drauf rein. Damit machst du genau das, was sie will, Kleine.“
„Du Idiot!“, rief ich und trommelte auf Bens Brust ein. Ich wusste, dass er recht hatte, aber ich wollte es nicht wahr haben. Und deshalb war ich wütend. Wütend auf mich selbst.
„Ami, hör auf“, sagte Ben. Doch ich ließ mich nicht unterbrechen.
„Warum?“, rief ich immer wieder unter Tränen.
Ben griff meine Handgelenke und drückte mich nach hinten. Wir machten einige Schritte, bis ich gegen eine Wand stieß.
„Idiot!“, rief ich. „Idiot, Idiot, Idiot! Warum kannst du nicht einfach auf meiner Seite sein?“
„Ich bin immer auf deiner Seite, Ami.“ Ben blieb erstaunlich ruhig, während meines Ausrasters.
„Warum hältst du mich dann immer noch fest? Lass mich endlich los!“
„Wenn du dich endlich mal beruhigst, Ami. Du tobst herum, wie ein kleines Kind. Komm doch endlich mal herunter.“
„Erst, wenn ich es Marie heimgezahlt habe!“, rief ich.
„Vergiss Marie doch einfach mal!“
„Nein! Sie hat Ekaterina beleidigt und sich über mich lustig gemacht! Sie macht sich seit Jahren über mich lustig! Immer und immer wieder!“
„Sieh mich an, Ami. Schau mir in die Augen.“
Wütend sah ich Ben ins Gesicht.
„Es ist gut jetzt, Kleine. Du kriegst deine Rache noch irgendwann. Aber jetzt ist Schluss mit dem Gezeter.“
„Nein, ist es nicht!“, rief ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. Ben drückte meine Arme mit einem Ruck gegen die Wand.
Dann küsste er mich.

Mit weit aufgerissen Augen sah ich ihn an, als er wieder etwas Abstand zwischen uns brachte. Meine Handgelenke hielt er weiter fest.
Mein Herz raste. Mir lief das Gesicht knallrot an und ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf jeden Moment platzen würde. Ich versuchte, etwas zu sagen, doch es kam kein Laut über meine Lippen.
Bens Gesicht färbte sich ein wenig rot, während er mir tief in die Augen sah. Auch er schien kein Wort herauszubringen.
Ich ließ den Kopf auf seine Brust sinken. Meine Knie wurden weich. Ben hielt mich fest. Während ich still weinte, streichelte er meinen Kopf. Ich krallte mich im Stoff seiner Jacke fest.
Nachdem ich mich wieder beruhigt und ausgeheult hatte, gingen wir zurück. Unsere Freunde waren bereits fertig damit, ihre Sachen zu packen.
„Wieder alles in Ordnung?“, fragte Liz.
Ich nickte. Wortlos sammelte ich meinen Kram zusammen.
Nachdem wir fertig waren, machten wir uns auf den Weg. Gemeinsam verließen wir das Pokémon-Center und Weideburg. Keiner von uns sagte mehr ein Wort. Ben ging voran, die anderen folgten. Ich bildete das verlegene Schlusslicht.
Geküsst zu werden war das letzte, mit dem ich gerechnet hatte und es hatte mich quasi Schachmatt gesetzt. Ich wusste nicht, wie ich reagieren oder was ich sagen sollte. Also schwieg ich und folgte den anderen. Während sie anfingen, sich zu unterhalten, lief ich wie paralysiert hinter ihnen her.
Als es dunkel wurde, schlugen wir unsere Zelte auf. Kaleo fing an das Essen zuzubereiten. Ekaterina, Ben und Liz setzten sich gemeinsam auf eine Decke, die sie im Gras ausbreiteten. Ich saß etwas abseits meiner Freunde. Nach dem Abendessen zog ich mich in mein Zelt zurück. Die Situation hatte mich völlig überfordert. Ich fühlte mich unendlich müde. Ich holte Moorabbel aus seinem Ball. Kaum in Freiheit, sah es mich erschöpft an. Klar, ich hatte es ja nicht mehr zur Heilung im Pokémon-Center abgegeben.
Der Reißverschluss meines Zeltes wurde geöffnet. Ben warf ein Blick rein. Ich zog die Beine an und versteckte mich hinter meinen Knien.
„Alles klar, Ami?“, fragte er, als wäre zwischen uns nie etwas passiert.
„Du … du hast mich geküsst“, sagte ich schüchtern.
„Glaub mir, das ist mir gerade genau so unangenehm wie dir.“
„Das war mein erster Kuss“, gestand ich und sah zur Seite.
„Meiner auch“, sagte Ben. Sein Gesicht wurde rot.
„Du kannst ein Mädchen nicht einfach so küssen, Ben“, sagte ich und sah Ben ins Gesicht.
„Sah mir nach dem einzigen Ausweg aus. Sorry.“ Ben wandte verlegen den Blick ab.
„Idiot“, sagte ich kleinlaut. Wie immer, wenn er mich in eine peinliche Situation brachte.
„Wir müssen morgen früh aufstehen. Schlaf gut, Kleine. Gute Nacht.“ Ben streichelte mir den Kopf und verließ mein Zelt danach wieder.
„Gute Nacht“, erwiderte ich, als er schon längst weg war. Ich rollte mich in meinem Schlafsack zusammen. Die ganze Nacht kreisten meine Gedanken um Ben und unseren ersten Kuss.
Bevor ich am nächsten Tag das Zelt verließ, atmete ich tief durch. Draußen waren alle bereits damit beschäftigt, das Frühstück zu machen.
„Guten Morgen, Ami“, begrüßte mich Liz als erstes mit einem breiten Lächeln. Ich hatte keine Ahnung, ob sie wussten, was am Tag zuvor passiert war. Vielleicht hatte Ben ihnen alles erzählt, vielleicht auch nicht.
„Beeilung, ich denke, es wird bald regnen“, sagte Kaleo. Ekaterina kroch ebenfalls aus ihrem Zelt. Grummelnd setzte sie sich auf die Decke, die wir zum Essen nutzten, falls keine andere Sitzgelegenheit verfügbar war. Ich half Kaleo beim Zubereiten. Ben lächelte, ohne ein Wort zu sagen. Ich erwiderte es schüchtern.
Wie von Kaleo vermutet fing es bald an zu regnen. Wir waren gerade dabei, alles einzupacken, als die ersten Tropfen fielen. Wir konnten gerade noch unsere Zelte abbauen, bevor es zu regnen begann. Es fing an zu stürmen, so stark, sodass wir die Zelte nicht mehr aufbauen konnten. Also marschierten wir weiter auf der Suche nach einem Unterschlupf. Aus dem Sturm wurde ein Gewitter. Der Wind blies so stark, dass wir kaum noch voran kamen.
Ein Blitz schlug gute einhundert Meter von uns entfernt in einen Baum. Der Donner war dermaßen laut, dass wir Mädchen uns mächtig erschraken. Die Jungs nahmen es etwas gelassener hin.
Zu unserem Leidwesen war der Weg nicht geplastert. Der Boden weichte auf und überall waren Pfützen. Ich trat auf einen Stein, der lose in der nassen Erde lag. Er gab nach, rollte weg und ich knickte um. Mein Knie traf genau auf einen weiteren Stein. Als wäre das nicht schlimm genug, landete ich darauf auch noch in einer große Pfütze. Meine gesamte Kleidung saugte sich mit kaltem Wasser voll. Ich schrie auf vor Schmerz. Meine Hose hatte auf Kniehöhe einen Riss. Ich blutete. Ekaterina bemerkte meinen Schrei.. Sie drehte sich um, sah mich auf dem Boden liegen.
„Ami!“, rief sie. Nun wurden auch die anderen auf mich aufmerksam. Sie machten kehrt und kamen sofort angerannt.
„Alles in Ordnung?“, fragte Ben und kniete sich vor mich in den Matsch.
„Mein Knie“, stöhnte ich.
„Du blutest ja!“, rief Elizabeth.
„Kannst du stehen?“, fragte Kaleo.
„Nein“, stöhnte ich.
„Komm, ich trage dich!“, sagte Ben. Er ging in die Hocke. Ich hängte mich um seinen Hals. Er griff meine Oberschenkel und trug mich auf seinem Rücken. Nun waren wir beide klatschnass.
„Halte durch, Süße“, sagte er.
Doch der Weg schien kein Ende zu haben. Mir war eiskalt und ich fühlte mich schwach und müde. Ich kämpfte dagegen an, einzuschlafen und murmelte etwas vor mich hin. Ich konnte mich aber später nicht mehr daran erinnern, was genau ich gesagt hatte.
Nach einer ganzen Weile blieb Elizabeth stehen: „Was ist das?“, fragte sie. Der Sturm war so laut, dass sie kaum zu verstehen war.
„Sieht wie ein Gebäude aus. Vielleicht ist es ja ein Pokémon-Center!“, rief Kaleo.
„Dann los! Beeilen wir uns!“, rief Ben. Wir setzten uns wieder in Bewegung.
Es handelte sich tatsächlich um ein Gebäude. Licht brannte in den Fenstern. Es war zwar kein Pokémon-Center, aber wir gingen trotzdem hin. Ein großes Schild war auf dem Dach des Gebäudes befestigt worden. Ich konnte es jedoch nicht lesen.
Kaleo klopfte. „Hallo?“, rief er.
Nichts. Ich fühlte mich so furchtbar wie noch nie. Nur mit Mühe konnte ich mich noch wachhalten.
„Hallo? Ist da jemand? Wir brauchen Hilfe!“, rief er und klopfte erneut. Endlich wurde die Tür geöffnet. Eine junge Frau stand in der Tür.
„Hallo“, begrüßte sie uns. „Wo kommt ihr denn her?“
„Guten Tag. Ich bin Kaleo und das sind meine Freunde. Wir kommen von Weideburg und suchen Schutz vor dem Wetter“, erklärte Kaleo.
„Aber gerne doch! Bitte, tretet ein!“, sagte die Frau und trat einen Schritt zur Seite. Ben trug mich ins Haus rein.
„Eine meiner Freundinnen hat sich verletzt“, sagte Kaleo.
„Samuel, Mason!“, rief die junge Frau ins Haus hinein. Dann wandte sie sich mir zu.
„Wo tut's weh?“
„M-mir ist k-kalt“, sagte ich zitternd.
„Schnell! Hier lang!“, sagte die Frau und ging voran. Ben trug mich hinterher. Ein Mann und ein kleiner Junge kamen die Treppe hinunter gelaufen.
„Mason, den Verbandskasten! Und Sam, such ein paar Handtücher und Decken zusammen!“, sagte die Frau. Die beiden liefen sofort in verschiedene Richtungen los.
Die Frau führte uns in ein Zimmer, wo Ben mich auf einem Bett absetzte. Unsere Freunde blieben draußen.
„Zuerst die nassen Kleider ausziehen“, sagte sie. Gemeinsam mit Ben zog sie mich bis auf die Unterwäsche aus. Samuel, der Junge, kam ins Zimmer und brachte Handtücher und Decke. Ich wurde abgetrocknet und in Decken gewickelt. Langsam wurde mir wieder warm. Gleichzeitig legte Mason den Verbandskasten auf einen Tisch und öffnete ihn. Anschließend begann er damit, die Wunde an meinem Knie zu säubern.
Ben stand daneben und hielt meine Hand. Mir fielen die Augen zu. Ich war so unendlich müde. Kaum war meine Verletzung behandelt und ich gut zugedeckt, schlief ich auch schon ein.

Das erste, das ich bemerkte, als ich wieder wach wurde, war Ben. Er saß auf einem Stuhl neben meinem Bett, sein Kopf lag auf meinem Bauch. Ben schlief tief und fest. Ich fuhr mit meiner Hand durch sein Haar und streichelte seinen Kopf.
Als nächstes bemerkte ich, wie kalt es mir war. Ich zog mir die Decke hoch bis zum Kinn.
Die Tür wurde geöffnet. Elizabeth streckte ihren Kopf rein.
„Na, wieder wach?“, fragte sie. Ich nickte.
„Wo sind wir hier?“, wollte ich wissen.
„Das ist das Haus Sunshine. Es gehört Emily und Mason. Sie haben einen Sohn, der Samuel heißt. Gemeinsam betreiben sie dieses Hotel hier“, erklärte Liz.
„So nah an Weideburg?“
„Ja, es ist quasi die letzte Station vor Weideburg, wenn man von Herzhofen her kommt. Da es hier oft Unwetter gibt, haben sie diese Hotel hier errichtet. Glück für uns, was?“
„Kann man wohl sagen“, antwortete ich. Wir hatten wirklich Glück, dass dieses Hotel hier stand. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre.
„Wie geht es dir?“, fragte Liz.
„Ich fühle mich furchtbar“, gestand ich. Und das war noch untertrieben. Elizabeth kam näher und legte ihre Hand auf meine Stirn.
„Du glühst ja richtig! Ami, ich glaube, du hast Fieber.“ Ich hatte es bereits befürchtet und doch gehofft, dass es nicht so war.
„Das können wir gerade wirklich nicht gebrauchen“, sagte ich.
„Das ist wirklich ein Problem“, stimmte Liz zu. „Ich rufe mal Kaleo und Ekaterina dazu. Dann können wir darüber diskutieren, wie es weiter geht.“
Ich nickte. Mein Hals fing an, zu schmerzen.
Bevor Liz die Tür öffente, drehte sie sich noch einmal zu mir um: „Seit wir hier angekommen sind gestern Abend ist Ben bei dir. Ein paar mal kam er zu uns, aber nie länger als zehn Minuten. Irgendwann ist er dann eingeschlafen. Er muss sich wirklich um dich gesorgt haben.“
Liz verließ den Raum. Ich rüttelte an Ben: „Hey, wach auf!“, sagte ich. „Komm, werd wach! Ben!“
Ben schreckte auf und sah mich verschlafen an.
„Ami?“, fragte er. „Wie geht’s dir?“
„Ich bin krank und du liegst hier rum und schläfst. Typisch für dich.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn zu necken. Sein Sinn für Humor schien aber noch zu schlafen, oder er ignorierte meinen Kommentar einfach.
„Du bist krank?“
„Ja, mir geht’s gar nicht gut.“
Die Tür öffnete sich. Ekaterina, Elizabeth und Kaleo traten ein. Emily kam zum Schluss ebenfalls ins Zimmer. Sie gab mir ein Fieberthermometer. Ich steckte es mir in den Mund und wartete ab, bis es anfing zu piepsen. Als es soweit war, warf ich einen Blick aufs Display.
„Und?“, fragte Liz.
„39,7°C“, sagte ich.
„So kannst du nicht weiter reisen. Wenn wir aber nicht weiter gehen, verpassen wir unsere Fähre in Fleetburg“, erklärte Kaleo.
„Könnt ihr nicht einfach die nächste nehmen?“, fragte Ben.
Kaleo schüttelte den Kopf: „Die nächste Fähre von Fleetburg fährt erst in einem Monat oder so. So lange will ich eigentlich nicht in Sinnoh bleiben.“
„Was ist mit Chocovine Town? Von dort fahren auch Fähren in andere Regionen“, sagte Ben.
„Aber nur selten nach Alola. Da müssten wir schon Glück haben und wir müssen es ja nicht unbedingt riskieren.“
„Dann geht ohne mich weiter. Ich komme nach, sobald es mir besser geht“, schlug ich vor.
„Klar, wir lassen dich einfach alleine krank hier rumliegen. Warum auch nicht?“, sagte Ben. Seiner ironischen Bemerkung folgte ein kurzer Moment des Schweigens.
Kaleo traute sich als erster, wieder etwas zu sagen: „Dass wir dich nicht alleine lassen, ist klar, Ami. Dann bleiben wir lieber alle hier.“
„Dann verpasst ihr eure Fähre“, sagte ich.
„Und wenn einfach nur ihr Beide geht?“, fragte Ekaterina und sah Kaleo und Liz an.
„Wenn, dann geht Ekaterina mit und ich bleibe alleine hier mit Ami. Ich weiß doch, wie schnell du Zwerg gelangweilt bist und uns dann auf die Nerven fällst“, sagte Ben.
„Wie redest du denn mit deiner Prin... äh, mit mir?!“, sagte Ekaterina. So einfach ließ sich ihre Gewohnheit, die Prinzessin zu spielen, wohl nicht ablegen.
„Hab ich nicht recht?“, fragte Ben.
„Darum geht es doch gar nicht!“, rief Ekaterina.
„Also ,was machen wir jetzt?“, fragte Kaleo und lenkte die Aufmerksamkeit zurück aufs eigentliche Thema.
„Ben hat Recht.“, sagte ich. „Ihr zwei geht vor und nehmt Ekaterina mit. Wir treffen die Kleine dann später in Herzhofen.“
„Wenn das für alle in Ordnung ist?“, fragte Kaleo. Alle nickten stillschweigend. Es war die vernünftigste Lösung, auch wenn es uns schwer fiel, es zu akzeptieren.
„Dann heißt es jetzt wohl, Abschied nehmen“, sagte Elizabeth schwermütig. Ich setzte mich aufrecht hin. Ben half mir, aufzustehen. Liz kam zu mir und wir umarmten uns.
„Danke für alles, Ami. Pass auf dich auf“, sagte sie.
„Ruf an, wenn ihr angekommen seit.“
„Mach ich“, antwortete Liz.
Als nächstes war Kaleo dran. Auch er bekam eine Umarmung. Ekaterina fiel mir zum Schluss auch noch um den Hals. Ben verabschiedete sich ebenfalls von allen. Dann verließen uns die drei. Nun war ich mit Ben alleine. Ich legte mich wieder ins Bett und zog die Decke hoch. Mir war eiskalt. Ich drehte mich zur Wand und schloss die Augen. Ben setzte sich auf mein Bett, sagte aber kein Wort. Er hielt bloß meine Hand.

Ben

Dass Ami und ich ineinander verliebt waren, war schon lange allen klar. Nur wir beide waren zu blöd gewesen, es uns auch einzugestehen. Ich verstand immer mehr, warum Ami so ausflippte, wenn ich sie in Verlegenheit brachte. Mit jemanden über seine Gefühle zu sprechen oder sie ihm sogar zu gestehen – es brauchte Mut. Und momentan fand den weder Ami noch ich.
Sie zu küssen war eine spontane Reaktion von mir und wohl etwas zu voreilig. Aber in dem Moment dachte ich nicht darüber nach, was es nach sich ziehen würde.
Jetzt saß ich an ihrem Bett und legte meine Hand auf ihre Stirn. Ihr Gesicht glühte vom Fieber. Sie war noch wach, reagierte aber nicht. Ami war leicht in Verlegenheit zu bringen und es machte mir immer Spaß, anzusehen, wie sie rot wurde.
Nachdem ich einige Minuten neben ihr saß, stand ich auf.
„Ich geh mal kurz raus“, sagte ich. Keine Antwort. Entweder war sie eingeschlafen oder sie tat nur so als ob.
Ich verließ jedenfalls das Zimmer und ging ins Erdgeschoss. Ein älteres Paar saß in der großen Eingangshalle. Durchs Fenster konnte ich sehen, dass es draußen regnete.
Hinter dem Tresen in der Eingangshalle war ein Durchgang. Emily kam durch eben diesen und stoppte, als sie mich sah: „Ah, Ben! Ich wollte gerade zu euch!“
Sie hielt mir ein Päckchen mit Tabletten hin.
„Morgens und abends eine, bis die Packung leer ist. Dann sollte es deiner Freundin bald besser gehen. Wenn nicht, dann komm nochmal vorbei.“
„Was kriegst du dafür?“
„Schon gut. Gehört zum Service“, sagte Emily grinsend. „Wie geht es ihr?“
„Sie schläft gerade.“
„Sag ihr gute Besserung von mir, wenn sie wieder wach ist.“
„Mach ich.“ Ich bedankte mich noch einmal und ging zurück ins Zimmer. Ami schlief.
„Hey, Schnucki“ sagte ich und strich ihr über die Wange. Sie reagierte nicht, also rüttelte ich sanft an ihrer Schulter.
„Los, mach die Augen auf!“ Ami zuckte und riss die Augen auf.
„Was ist?“, fragte sie. Ich hielt ihr die Tabletten hin.
„Nimm eine davon. Sind gegen dein Fieber.“
Ami nahm eine der Tabletten aus der Verpackung. Auf jedem Nachttisch (im Zimmer waren zwei Betten plus Nachttisch) stand eine Flasche Wasser und ein Glas. Ich schenkte ihr Wasser ein und sie nahm die Tablette. Erschöpft ließ sie sich aufs Kissen fallen. Wir sahen uns in die Augen und lächelten.
„Schlaf noch ein bisschen“, sagte ich und lächelte ihr zu.
Ami nickte und drehte sich wieder zur Seite.
Die Stunden vergingen. Da ich nichts zu tun hatte, vertrieb ich mir die Zeit damit, über die nächsten Arenakämpfe nachzudenken. Herzhofen war als nächstes an der Reihe, falls die Arenaleiterin da sein würde. Sie hatte sich auf Geist-Pokémon spezialisiert.
Dann kam Fleetburg an die Reihe. Der Leiter der Arena dort trainierte Stahl-Pokémon. Danach ging es in meinen Heimatort: Blizzach. Passend zum kalten Klima so weit oben im Norden hatte sich die Arenaleiterin dort auf Eis-Pokémon spezialisiert. Sie war mein großes Vorbild.
Schlussendlich blieb nur noch eine Arena übrig, die Arena von Sonnewik. Deren Leiter kämpfte mit Elektro-Pokémon. Wir hatten also noch einiges vor uns.
Ami wurde unruhig. Immer wieder drehte sie sich hin und her, stöhnte, keuchte und wimmerte. Ich kniete mich an ihr Bett.
„Ami“, sagte ich und rüttelte sanft an ihrer an ihrer Schulter. Keine Reaktion. Nochmal: „Hey, Ami!“
Sie schreckte auf. „Was?“, keuchte sie.
„Schlecht geträumt?“, fragte ich.
„Ja“, antwortete meine Süße und rieb sich die Augen. Sie erzitterte.
„Mir ist so kalt“, sagte sie und zog sich wieder die Decke über die Schultern. Ich strich ihr mit der Hand über die Wange.
„Geh weg von mir, sonst steckst du dich nur an und wirst auch krank“, meinte Ami.
„Keine Angst. Ich bin immun gegen alle Seuchen“, antwortete ich.
„Dummkopf“, sagte sie.
„Schlaf noch ein bisschen, okay? Ich halte hier so lange die Stellung“, sagte ich. Ami nickte und drehte sich um. Ich sah sie an. Für einen Moment dachte ich darüber nach, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Doch ich ließ es sein.
„Ben?“, fragte Ami, ohne mich anzusehen.
„Was ist?“, fragte ich. Ich erwartete eine Frage, doch stattdessen sagte Ami nur ein Wort: „Danke“

Episode 16

Ben

„Ben! Verdammt, wach auf!“
„Hä? Was?“ Es dauerte einen Moment, bis ich die Lage checkte. Ich lag neben Ami in ihrem Bett. Ich hatte mich zu ihr ins Bett gelegt, weil sie fror und zitterte.
„Du schnarchst! Außerdem hab ich warm, also geh in dein eigenes Bett!“, sagte Ami und schob mich mit allen Vieren von sich weg.
„Ami, wenn ich falle...“, warnte ich. Keine Chance mehr, mich noch festzuhalten. Ich fiel aus dem Bett und landete auf dem Boden. Ami sah über den Bettrand zu mir runter.
„Lebst du noch?“
„Das hat weh getan!“
„Stell dich nicht so an!“, sagte sie und reichte mir die Hand. Ich griff danach und zog sie aus dem Bett.
Ami landete auf mir. Ich kitzelte sie, wir lachten und rangelten miteinander. Am Ende lag ich am Boden und Ami saß auf mir. Sie stützte sich auf meine Handgelenke und ihr Haar fiel mir ins Gesicht.
Ihr Gesicht war rot angelaufen. Ich war mir nicht sicher, ob es vom Fieber oder vor Verlegenheit so rot war. Vermutlich beides. Dank der Tabletten, die Emily ihr gegeben hatte, war Ami die meiste Zeit frei von Fieber. An diesem Morgen aber bekam sie Schüttelfrost, deshalb legte ich mich zu ihr ins Bett.
Ami, die immer noch auf mir saß, stieg wieder von mir runter und setzte sich neben mich auf den Boden. Den Blick hielt sie gesenkt.
Ich stand auf und reichte ihr die Hand. Sie griff zu, sodass ich sie hochziehen konnte. Ami taumelte nach vorne und stützte sich an mir ab. Wir sahen uns an. Ich erinnerte mich an den Kuss, den ich ihr gab und mir wurde dieser Moment zwischen uns ein wenig unangenehm. Wir beide sahen verlegen weg.
Amis Magen knurrte lautstark. Ihre Gesichtsfarbe wechselte von leicht errötet zu knallrot. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war früher Abend.
„Gehen wir was essen?“, fragte ich. Ami nickte.
Wir wechselten vom Jogging-Anzug zur Alltagskleidung und verließen unser Zimmer. Im Foyer gab es den Ein- und Ausgang, den Tresen, mit dahinterliegendem Büro, sowie weitere Türen. Eine doppelte Glastür führte in ein Restaurant. Da ich ein Gentleman war, öffnete ich die Tür und ließ Ami zuerst durchgehen. Wir hatten den Saal kaum betreten, da empfing uns bereits Emily. Sie trug das Outfit einer Kellnerin und wies uns sofort einen Platz zu.
„Ich würde euch jetzt gerne eine Karte geben, aber zu dieser Jahreszeit kommen hier zu wenig Leute vorbei, als dass wir mehrere Menüs anbieten könnten. Ich bringe euch gleich euer Gericht“ , sagte Emily. Sie verließ uns und ging zur Küche. Ich sah mich um. Außer Ami und mir waren nur zwei andere Tische besetzt. An einem saß ein altes Paar und an dem anderen eine kleine Familie mit zwei Kindern.
Ami vermied jeden Blickkontakt zu mir. Trotzdem warf sie mir immer wieder einen Blick zu, wenn ich nicht hinsah. Ich bemerkte es im Augenwinkel.
Ich versuchte, unseren Kuss anzusprechen, überlegte, wie ich das Thema am besten anfing. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto aufgeregter und unruhiger wurde ich. Mir fiel einfach nichts passendes ein.
„Hör auf, mich so anzustarren“, sagte Ami. Ich war so in Gedanken versunken, dass mir nicht aufgefallen war, dass ich sie die ganze Zeit anstarrte. Amis Gesicht war rot angelaufen und es war ihr sichtlich unangenehm.
„Sorry“, entschuldigte ich mich. Unsere Blicke wichen sich aus. Wir sprachen kein Wort mehr miteinander, weder vor, noch während dem Essen. Wir sahen uns nicht einmal mehr an. Nur ab und zu trafen sich unsere Blicke.
„Gehen wir?“, fragte ich, nachdem wir mit dem Essen fertig waren und bezahlt hatten. Ami nickte und stand auf. Es zog sie nach draußen und so verließen wir das Gebäude.
Am Himmel hing keine einzige Wolke. Der Vollmond schien und erhellte die Umgebung. Es war verdammt kalt. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Keine Reaktion. Ami blickte gebannt auf den Mond und sie wirkte schon fast hypnotisiert. Erst als sie am ganzen Körper erzitterte, schien sie wieder zu sich zu kommen.
„Gehen wir wieder rein, bevor dein Fieber schlimmer wird“, sagte ich. Ich hatte mich gerade umgedreht, um die Tür zu öffnen, da hielt Ami mich fest. Sie atmete tief ein und starrte mich mit offenem Mund an. Was sie auch zu sagen versuchte, es kam nicht über ihre Lippen. Dafür drückte sie meine Hand aber so fest, dass ich dachte, sie wolle sie brechen.
Meine Süße ließ es bleiben, drückte sich an mir vorbei, öffnete die Tür und ging hindurch. Sie fing an zu rennen, rannte die Treppen hoch bis zum Zimmer, riss die Tür auf und warf sich in ihr Bett. Ich lief ihr hinterher und blieb vor ihrem Bett stehen. Einen Moment überlegte ich, ob ich etwas sagen sollte. Ich ließ es sein und ging in mein Bett. Ich hätte sowieso nichts hilfreiches zu sagen gehabt.

Nächster Morgen. Als ich wach wurde, war Ami bereits angezogen. Sie stand am Fenster und sah nach draußen.
„Moin! Na, schon ausgeschlafen?“, fragte ich. Ami nickte.
„Was macht dein Fieber?“
„Ist weg.“
Ami sah mich nicht an. Sie starrte einfach nur stur aus dem Fenster.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich. Sie nickte.
„Wirklich?“, hakte ich nach.
„Alles gut. Jetzt geh dich umziehen“, sagte sie. Ich zuckte mit den Schultern ließ sie stehen und ging ins Bad. Kaum war ich wieder draußen, kam Ami schon zu mir und hielt mir meine Jacke hin: „Zieh dich an, wir gehen!“
Verdutzt sah ich sie an.
„Ähm warte mal. Erstens, haben wir noch gar nicht gefrühstückt und zweitens, was ist mit deinem Fieber? Wenn wir jetzt loslaufen, bist du bis heute Abend wieder krank!“
Ami zog sich ihre Tasche über die Schulter: „Entweder kommst du jetzt mit, oder ich gehe alleine. Also los!“ Sie öffnete die Tür und verließ den Raum. Ich nahm noch schnell meinen Rucksack, packte meine Sachen zusammen, dann folgte ich ihr. Als ich im Foyer ankam, hatte Ami das Gebäude bereits verlassen. Ich ging zum Tresen und bezahlte unser Zimmer, dann rannte nach draußen und Ami hinterher.
„Ami!“, rief ich. Sie blieb nicht stehen und drehte sich auch nicht um. Ich rannte zu ihr und hielt sie fest. Sie riss sich sofort wieder los und machte einen Schritt zurück.
„Was ist los mit dir?“, fragte ich.
„Ich... Ich... ich halte das einfach nicht mehr aus in diesem Zimmer!“ Unsicher und verlegen sah sie mich an.
„Wieso? Was hast du denn?“
Ami ließ den Kopf sinken und schwieg.
„Ist es wegen dem Kuss?“, fragte ich. Ihr Kopf wurde knallrot. Sie nickte zögerlich.
„Dann reden wir einfach nicht mehr drüber!“
Ami sah mich verwundert an.
„Ja! Es ist uns beiden unangenehm, also lassen wir das Thema einfach sein. Und jetzt komm, wir müssen Ekaterina einholen!“ Ich ging weiter. Ami holte Sekunden später wieder zu mir auf.

Ekaterina

Nachdem Elizabeth, Kaleo und ich in Herzhofen ankamen, verabschiedeten wir uns. Die beiden gingen nach Fleetburg weiter. dann nach Alola fort und ich betrat die Arena der Stadt.
„Die Arenaleiterin kommt übermorgen zurück“, wurde mir gesagt. Ich hatte ja schon damit gerechnet, dass sie immer noch nicht wieder zurück war. Also war mein erstes Ziel ein Geschäft, in dem ich mir neue Kleider kaufen konnte. Mein Kleid zog ich mir ja nicht mehr an und im Trainingsanzug wurde es mir auf Dauer auch zu kalt. Das war aber leichter gesagt als getan. Ich verbrachte einen ganzen Tag damit, Hosen, Röcke, Hemden, Pullover und noch hundert andere Sachen anzuprobieren.
Am Schluss entschied ich mich für einen Pullover und eine Hose. Ich trug zwar gerne Röcke, doch im Winter, wenn es wirklich kalt wurde, wechselte ich meistens zur Hose. Eine neue, dickere Jacke und ein paar Handschuhe kaufte ich mir noch dazu, da ich wusste, dass wir irgendwann nach Blizzach in den Norden Sinnohs mussten.
Jetzt, zwei Tage später, hockte ich vor der Arena und wartete auf die Arenaleiterin. Elfun rannte umher und spielte mit einigen Pokémon, die wohl hier lebten. Mein Pyroleo lag neben mir. Sein heißer Atem machte es angenehm warm in seiner Nähe.
„Ach guck mal. Wer sitzt denn da so erdrückt auf dem Boden rum? Und dann noch alleine, wo ist denn der Rest deiner Bagage?“
Ich blickte auf. Von allen Personen, die ich kannte, musste es ausgerechnet Marie sein.
„Was willst du hier?“, fragte ich.
„Den Orden dieser Arena, was denn sonst? Hoffentlich kommt die Leiterin bald, es ist nämlich verdammt kalt und ich will endlich weiter. Sag mal, hast du neue Kleider? Sieht ja furchtbar aus die Kombination! Wer hat dich denn beraten? Also wenn du mich fragst solltest du dir dringend was neues kaufen und das da am besten gleich wegwerfen.“
„Zum Glück frag ich dich ja nicht. Du wärst sowieso die letzte Person, die ich um einen Rat fragen würde. Dir nimmt ohnehin niemand einen Kleider-Tipp ab, mit der Strumpfhose...“
Marie warf einen Blick auf ihre Seidenstrumpfhose, dann sah sie mich beleidigt an.
„Wer mal nicht so frech, du kleines Gör! Oder willst du Ärger mit mir haben?“

Noch bevor sie einen weiteren Schritt auf mich zu machen konnte, verfehlte sie ein Flammenwurf knapp. Marie machte einen Schritt zurück. Zwei vierbeinige Pokémon mit langen Hörnern und spitzen Zähnen standen da, dahinter zwei Mitglieder von Team Rocket. Es waren Scarlett und Eleanor.
„Die Kleine hat genug Ärger am Hals, also zieh ab oder lerne unsere Hundemon kennen!“, sagte Scarlett.
Marie überlegte kurz, warf mir einen Blick zu und grinste böse. Dann ging sie weg. Ich stand auf und versuchte zu fliehen, doch ich war bereits umzingelt.
„Was wollt ihr von mir?“, fragte ich.
„Ich will gar nichts von dir“, sagte Scarlett und drehte mir den Rücken zu. Ich sah zu Eleanor.
„Du bist doch eine Freundin von Elizabeth, oder? Ich muss wissen, wo sie ist! Bitte!“
„W-warum sollte ich dir das sagen?“, fragte ich. Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Es war niemand in der Nähe, der mir hätte helfen können.
„Ich muss mit ihr reden! Also bitte, sag es mir!“
Ich hatte Angst, dass Eleanor mir weh tun würde, wenn ich ihr nicht sage, wo Elizabeth ist. Also sagte ich es ihr: „Elizabeth ist auf dem Weg nach Fleetburg. Von dort will sie mit einer Fähre nach Alola fahren.“
„Sie will Sinnoh verlassen? Warum?“
„Sie hat einen Pokémon-Züchter kennengelernt und will jetzt auch Züchterin werden.“
„Nach Alola also“, sagte Eleanor.
„Liz hat gesagt, wir sollen dir sagen, wenn du zu ihr nach Alola gehen willst, dann nur ohne diese Uniform. Und wenn du versuchen willst, Elizabeth zu überreden, sich Team Rocket wieder anzuschließen, dann kann ich dir gleich sagen, dass du das vergessen kannst.“
„Ich weiß“, sagte Eleanor. „Hab ich auch nicht vor.“
„Was willst du denn dann von ihr?“, hakte ich nach.
„Ich weiß es nicht.“ Eleanor sah auf den Boden. „Ich verliere den Glauben in Team Rocket. Den Glauben an das, was ich bis jetzt für das wichtigste in meinem Leben hielt.“
„Wieso?“
„Ich... ich kann es einfach nicht erklären. Vielleicht liegt es an Elizabeth.“
„Und was ist mit dir?“, fragte ich Scarlett.
Scarlett warf mir kurz einen Blick zu, dann drehte sie sich wieder um und schwieg.
„Elizabeth wird euch nur sagen, was ihr eh schon wisst: Dass Team Rocket nicht besser ist als Team Galaktik. Dass sie nie wieder einer dieser Organisationen beitreten wird und dass ihr am besten auch austreten würdet“, sagte ich.
„Kommt gar nicht in Frage“, protestierte Scarlett leise.
„Team Rocket ist unsere Heimat“, sagte Eleanor.
„Aber du zweifelst doch daran! Wenn ich mich recht erinnere liegt deine Heimat doch in Elyses. Also geh doch dorthin zurück.“
„Ich kann dort nie wieder hin“, sagte Eleanor.
„Leben deine Großeltern nicht dort?“, fragte ich. Eleanor nickte.
„Na also. Dort lebt deine Familie und nichts und niemand kann dich daran hindern, zu deiner Familie zurückzugehen.“
„Es geht nicht“, sagte Eleanor.
„Ich rufe Elizabeth an und sage ihr, sie soll nach Hause kommen, okay?“
Eleanor sah mich einen Moment erschrocken an. „Nach Hause“, wiederholte sie leise.
„Mach das!“, sagte sie, dann lief sie davon. Auch Scarlett warf mir einen kurzen Blick zu, bevor sie Eleanor hinterher lief.

Und jetzt?, dachte ich. Ich machte mich auf den Weg zum Pokémon-Center. Dort angekommen ging ich zu einem der vielen Telefone, die auch Bild-Übertragung anboten. Ich rief im Pokémon-Center in Fleetburg an und fragte nach Elizabeth. Eine kurze Beschreibung reichte, damit Schwester Joy sie erkannte. Kaleo und Liz waren wohl vor wenigen Minuten noch da gewesen.
Ich wartete auf den Rückruf aus Fleetburg und nach kurzer Wartezeit klingelte tatsächlich das Telefon. Elizabeth erschien auf dem Bildschirm.
„Ekaterina, alles in Ordnung?“, fragte sie.
„Ich habe eben deine Schwester getroffen“, sagte ich.
„Hat sie dir was getan?“
„Nein. Sie hat nur nach dir gefragt. Sie will dich sehen.“
„Sie will mich sehen?“
„Scheinbar zweifelt sie an Team Rocket. Und deshalb wollte sie mit dir reden.“
„Sie zweifelt an Team Rocket?“, wiederholte Liz.
„Um es kurz zu machen, ich habe ihr gesagt, dass sie nach Hause gehen soll: Und zwar nach Elyses. Und ich habe ihr gesagt, dass ich dir sage, dass du nach Hause gehen sollst!“
„Was hast du getan?!“ Elizabeth sah mich entsetzt an.
„Lizzy, geh heim! Vielleicht ist das die Chance, Eleanor aus Team Rocket rauszuziehen!“
„Das hättest du nicht tun sollen. Wir können dort nicht mehr hingehen.“
„Deine Schwester hat das Gleiche gesagt! Aber das stimmt nicht! Elyses ist euer Zuhause und dorthin könnt ihr immer zurückgehen!“
Elizabeth sah erst zur Seite und dann nach unten. Sie wirkte nachdenklich.
„Lizzy, ich bin mir sicher, dass deine Großeltern euch vermissen. Sie wären bestimmt sehr glücklich, wenn ihr beide nach Hause kommen würdet.“
Elizabeth hob sie den Blick und sah mir mit strenger Miene ins Gesicht – und unterbrach das Gespräch.

Keine Ahnung, ob das, was ich getan hatte, richtig war. Ich warf einen Blick auf meinen Pokétch. Seitdem ich mich von Ami und Ben trennte waren bereits einige Tage vergangen. Ich fragte mich, ob die beiden bald hier ankommen würden. Langsam fing ich an, die zwei zu vermissen.
Draußen vor dem Pokémon-Center blieb ich stehen und schaute in den Himmel. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Die Sonne schien und trotzdem war es eiskalt. Ich ging zurück zur Arena.
Hoffentlich ist Marie wieder weg, dachte ich mir. Ich hatte Glück, Marie war weg. Ich blieb vorm Eingang vom Gebäude stehen und wartete.
Es dauerte nicht lange, da tauchte eine Frau auf und kam auf mich zu. Sie trug ein lila Ballkleid und hatte ihre Haare zu vier großen Zöpfen zusammengebunden.
„Willkommen in Herzhofen, meine Liebe! Ich bin Lamina, Arenaleiterin von Herzhofen. Willst du gegen mich antreten?“
„Deswegen bin ich hier! Ich bin Ekaterina aus Stratos City!“
„Oh, du kommst aus Einall? Ein schönes Land! Und freundliche Menschen! Aber genug geredet, du brennst sicherlich schon auf den Kampf mit mir! Dann los, folge mir!“
Ich lief Lamina nach. Sie führte mich in die Halle, in der um den Orden gekämpft wurde. Neben dem Kampffeld stand bereits ein Schiedsrichter bereit. Er eröffnete den Kampf auch sofort, nachdem ich auf meiner Position war.
„Der Arenakampf zwischen Ekaterina und Lamina in unserer Arena von Herzhofen beginnt. Jeder Trainer wird drei Pokémon einsetzen. Wen alle drei Pokémon eines Trainers nicht mehr weiterkämpfen können, ist der Kampf vorbei. Nur der Herausforderin ist es erlaubt, Pokémon auszutauschen.“
Laminas erstes Pokémon war ein Gengar. Ich mochte keine Geist-Pokémon und vor Gengar hatte ich sogar ein wenig Angst. Aber nichts hätte mich von diesem Kampf abhalten können. Naja, fast nichts.