Eintrag X - Die Grenze von Ferelden
Ceridwenn lag auf dem Rücken. Die kalten Winde, die hier oben herrschten, hatte sie vollkommen vergessen. Dieser Kampf war unglaublich gewesen. Ihre Ausdauer war aufgrund der dünnen Luft schneller aufgebraucht gewesen. Ihr war mehrmals schwindelig geworden und einmal hatte sie sich beinah übergeben müssen. Und das mitten im Kampf. Maegar hatte all ihre Sachen zusammen getragen und ein Lagerfeuer entzündet. Nienna kümmerte sich derweil um Aldwyn, der sein Bewusstsein wieder erlangt hatte. Es war ihnen nicht ganz geheuer, sich ein Lager gleich neben dem toten Drachen zu errichten. Doch keiner von ihnen hatte Lust sich auch nur einen Meter weiter zu bewegen. Ceridwenn war eingeschlafen. In ihren Träumen sah sie Rignak vor sich. Er schrie verzweifelt und sprach mit ihr. Er erzählte ihr von seiner Geschichte. Er erzählte von seinem Leiden, zu der Zeit als die Drachen von den Leuten aus Nevarra beinahe ausgerottet wurden. Dann war es, als würde sich der ganze Kampf noch einmal in ihrem Kopf abspielen. Fröstelnd schreckte sie auf.
«Suppe?» fragte Maegar. Er streckte Ceridwenn eine Holzschale hin, welche sie dankend annahm. Die anderen hatten ein Feuer angezündet und eine dünnflüssige Suppe gekocht.
«Fahrt fort, Nienna.» forderte Aldwyn die Elfe auf.
«Wie gesagt; mein Clan ist sehr traditionell. Wir versuchen am Leben zu bleiben und unsere Traditionen und Kulturen weiterzugeben. Aber wir sind wenige. Deshalb sollte ich im Zirkel der Magi versuchen, einige Elfen zu befreien und mit mir zu nehmen.»
«Das ist doch glatter Selbstmord!» meinte Aldwynn bestürzt. «Die Kirche, die Templer! Man würde Euch und Euren Clan nicht mehr in Ruhe lassen.»
«Das war uns bewusst. Und es kam auch wie wir es erwartet hatten. Man liess mich nicht eintreten. Nur eine kleine Elfin, die gerade draussen unterwegs war, konnte ich davon überzeugen mit mir zu kommen. Während wir flüchteten, wurde sie getötet. Die Templer verfolgten mich über den See und durch die Wälder. Dann habe ich leider auf der Flucht die Orientierung verloren und bin schlussendlich hier gelandet. Für euch mag es ein glücklicher Zufall sein. Sonst wärt ihr vielleicht alle tot.»
«Und jetzt? Ihr wisst ja wo wir uns befinden. Solltet Ihr nicht zu Eurem Clan zurück?» fragte Aldwyn. Ein Stück Brot hing ihm aus dem Mund. Er war nun schon am zweiten Leib. Dazu hatte er auch schon drei Schalen Suppe. Kein Wunder. Erst wird er von einem stinkenden Oger durch die Luft geworfen, dann von einem eitlen Drachen. Er hatte von ihnen allen immer am meisten einstecken müssen und das sah man ihm an. Auf seinen Armen, in seinem Gesicht und auf seinen Beinen waren überall Schnitte, Schürfwunden und blaue Flecken zu sehen. Seine Rüstung sah ebenfalls schon sehr verbeult aus. Allzu viel Schutz würde sie ihm auch nicht mehr bieten.
«Kommt mit uns mit!» rief Ceridwenn dazwischen. Die Elfin sah sie überrascht an, doch ihre beiden Gefährten hatten ein verschmitztes Grinsen im Gesicht. Sie hatten wohl schon erwartet, dass so etwas kommen würde.
Eifrig fügte Ceridwenn dann noch hinzu: «Ihr habt recht! Wir wären ohne Eure Hilfe tot! Und nehmte es mir nicht übel, es wird Situationen geben, in denen Euch Eure Magie nicht das Leben retten kann. Zu viert wären wir eine ausgeglichene Truppe und es wird umso lustiger!»
Nienna überlegte: «Wo werdet Ihr hingehen? Warum seid Ihr überhaupt hier?»
«In Ferelden bricht die nächste Verderbnis aus.» brummte Maegar. «Es heisst entweder dort unten verfaulen, oder sich diesen bescheuerten Berg hochziehen und sich von Drachen den Hintern einheizen lassen. Dafür aber überleben.»
Nienna wunderte sich immer noch. Also begann Ceridwenn ganz am Anfang der Reise. Sie erzählte ihr von ihrem Weg von Nevarra bis nach Ferelden, wie sie Maegar in Amaranthine und Aldwyn in Denerim kennengelernt hatte, wie sie auf dem kaiserlichen Hochweg und durch das Bannorn zum Calenhad See gereist waren und sich dort Urun, dem abstossenden Oger entgegengestellt hatten. Dann erzählte Maegar von ihrer Zeit in Redcliffe und den letzten paar Tagen, bis sie hier oben auf dem Frostgipfelgebirge angekommen waren.
«Also seid Ihr eigentlich nur Abenteurer? Ich hatte angenommen, dass Ihr vielleicht Söldner seid. Oder Wächter.»
Aldwyn musste grinsen: «Wir sind einfache Abenteurer, die vor der Verderbnis flüchten, dabei unterwegs überhaupt kein Glück haben und so den schrecklichsten Gegnern direkt in die Arme laufen.»
«Hört sich verlockend an.» fügte Nienna belustigt hinzu. «Ich war noch nie allzu weit weg vom Lager meines Clans. Seit fünfzehn Jahren liegt es am selben Fleck. Mal etwas mehr von der Welt zu sehen hört sich schon interessant an…»
Ceridwenn wusste, dass sie Nienna bereits überredet hatte. Das Glänzen in den Augen der Elfin verriet alles. Sie wollte sehen. Sie wollte sehen, was die Welt noch zu bieten hatte. Sie wollte etwas erleben. Das war dasselbe Glänzen, welches Ceridwenn selbst tagtäglich in den Augen trägt. Es war schon bald sehr dunkel, weshalb sich alle ausser Maegar hinlegten um zu schlafen. Obwohl Ceridwenn vorhin noch ein Nickerchen gehalten hatte, war sie in wenigen Sekunden weggenickt und tief in ihren Träumen versunken. Als Maegar sie später weckte, um die Wachschichten zu wechseln, konnte sie sich leider nicht mehr daran erinnern, was genau sie geträumt hatte. Der Zwerg legte sich schlafen und erfüllte den ganzen Platz mit seinem lauten Schnarchen. Ceridwenn wollte nicht sitzen bleiben. Also untersuchte sie den Leichnam Rignak’s. Seine Schuppen leuchteten sogar noch in der Nacht in einem blauen Schimmer. Sie ging hin zu seinem Kopf. Den gebrochenen Kiefer konnte sie sich gar nicht ansehen. Aber was sie interessierte waren die Zähne und Hörner. Sie konnten viel wert sein, so entschied sie sich, ein paar von ihnen mitzunehmen. Es dauerte ewig, bis sie auch nur ein Horn aus dem Schädel brechen konnte. Mindestens genauso lange brauchte sie für die Zähne Das meiste passte gar nicht in ihren Rucksack. So musste sie alles in ein altes Hemd einwickeln und mit einer Schnur zusammenbinden.
«Auch wenn er ziemlich eitel war, er hatte schon recht damit, eine unglaubliche Kraft zu besitzen.» sagte sie leise zu sich selbst. «Es gibt doch eigentlich keine männlichen Drachen mehr. Ich meinte die männlichen Exemplare werden zu Drago’s. Wenn er unsere Sprache so gut sprechen konnte, wie alt war er wohl gewesen?»
Sie fühlte sich mit jeder Sekunde schlechter. Dafür, dass sie dieses Wesen getötet hatte. Das Verzweifelte Brüllen hallte durch ihren Kopf, die zornigen Worte, die er ihnen entgegengeworfen hatte. Er hatte sie zwar ohne einen wirklichen Grund angegriffen, aber waren sie, sie waren. Ceridwenn fluchte. Sie machte sich selbst Vorwürfe! Irgendwie musste sie sich ablenken. Mit einem Stöckchen in der Hand setzte sie sich an das beinahe erloschene Lagerfeuer. Wild stocherte Ceridwenn darin herum, wartete bis das Stöckchen Feuer fing, dann fuchtelte sie in der Luft herum. Es fröstelte sie ein wenig. «Ferelden! Diese Hundskälte! Wie wird es wohl im tiefsten Winter sein?»
Nur mühsam liess sich das Feuer zum erneuten Aufbrennen ermuntern. Ceridwenn stupste Aldwyn gegen die Nase. Er murrte etwas im Schlaf. Ceridwenn grinste belustigt. In den letzten Monaten hatte sie unglaubliche Dinge erlebt. Würde ihr jemand ihre eigene Geschichte erzählen, würde sie es selbst nicht glauben. Die Art, wie sich jeder ihrer Gefährten so bereitwillig der Gruppe angeschlossen hatte, wie sie auf wundersame Weise dieses komische, aber kraftvolle Schwert aufgelesen und damit sowohl den Oger Urun, als auch den mächtigen Drachen Rignak erschlagen hatte.
«Hört sich alles an wie ein Kindermärchen.» Jetzt zog sie an Aldwyn’s Ohr. Wieder murrte er, öffnete aber seine Augen.
«Du bist dran mit der Wache, Aldwyn.» flüsterte sie. Nach dem Schichtwechsel schien Ceridwenn’s Schlaf nur wenige Sekunden anzuhalten. Das Geklapper von Maegar’s Topf weckte sie unsanft auf.
«Frühstück, Ceridwenn?» er drückte ihr, ohne auf eine Antwort zu warten, eine Schale mit Brei in die Hand. «Das waren die letzten Vorräte. Ab jetzt können wir nur auf Wild hoffen, das uns entgegenspringt.»
«Wir könnten auch Fleisch von diesem Brocken hinter uns mitnehmen. Was meint ihr? Schmeckt das?» Auf einem Bein stehend, deutete Nienna auf den Drachenkörper.
«Ich glaube die Frage hier ist nicht ob es schmeckt, sondern ob es nicht giftig ist. Und was treibt Ihr da?»
«Übungen. Ihr könntet es versuchen, Maegar. Das Fleisch meine ich. Probieren geht über studieren.»
«Nein, danke. Lassen wir ihn lieber liegen. Die Tierwelt und Mutter Natur werden sich sicher darum kümmern.» Aldwyn, dessen Abwesenheit Ceridwenn bis jetzt nicht bemerkt hatte, trat hinter ein paar Felsen hervor, mühsam ein Wildschwein hinter sich herziehend.
«Würde ich auch nicht ausprobieren Maegar. Der liegt jetzt schon seit gestern hier rum und du weisst nicht,was er in seinem ganzen Leben alles gefressen hat. Vielleicht sogar Dunkle Brut?»
«Jetzt übertreibt nicht.» Der Zwerg wippte von einem Fuss auf den anderen, während er Aldwyn dabei beobachtete, wie er das Wildschwein bearbeitete. In der Brust konnte Ceridwenn die Wunde sehen, die den Tod für das Tier bedeutet hatte. Es ging nicht lange, bis Maegar das Zusehen verleidete, so beschäftigten er und Nienna sich damit, dem Drachen die allerletzten Hörner und Klauen und Zähne abzunehmen, wobei es ihnen viel leichter fiel als Ceridwenn. Ein Zauber von Nienna, gefolgt von einem harten Schlag mit Maegar’s Axt, schon flog das fest verwachsene Horn davon.
Sie nahmen sich alle unverschämt viel Zeit um ihren Sachen nachzugehen. Eine Stunde später hatte Aldwyn gerade mal zwei Drittel des Schweines verarbeitet, die Elfin und der Zwergen rissen Possen und Ceridwenn selbst erfreute sich an den letzten Löffeln Brei. Sie hatte fast fünf Schalen hinuntergeschlungen. Am späten Nachmittag war es dann doch soweit, ihre Sachen zu packen und das Lager abzubrechen. Sie rollten die vielen Decken zusammen, löschten das Feuer hänzlich und sammelten all ihre Habseligkeiten zusammen. Mit jedem neuen Lager schien sich ihr Gepäck zu vermehren. Jetzt waren auch noch vier grosse Beutel mit Rignak’s Überbleibseln dabei. Aber sie zurücklassen? Reinste Verschwendung.
«Habt ihr alles? Proviant, Drachenüberreste, Decken, Rucksack?» zählte Aldwyn an einer Hand auf.
«Alles da.»
«Dann lasst uns gehen!» Und das taten sie. Ferelden lag bald schon weit hinter ihnen. Versteckt hinter den hohen Bergspitzen des Frostgipfelgebirges, versteckt hinter hohen, finsteren Tannen und einem langsam verrottenden Drachenkörper. Zuversichtlich ging der Soldat aus Denerim voran, gefolgt von Maegar und Nienna, die sich über Spezialitäten der Elfen Clans unterhielten. Die beiden hatten wirklich einen Narren aneinander gefressen. Ceridwenn ging als Letzte. Gedankenverloren kickte sie einen Stein vor sich her. Was würde ihnen in Orlais passieren? Müssten sie sich dort auch solch furchterregenden Gegner gegenüberstellen, wie sie es bei Urun und Rignak tun mussten? Ob sich ihnen noch mehr und noch unterschiedlichere Personen anschliessen würden? Ein Glücksgefühl übermannte sie. Zwar war ihre Reise durch Ferelden viel zu kurz gewesen, doch die Welt war gross. Und ihr Hunger nach Abenteuern würde vorerst noch lange nicht gestillt werden.
Nun das war das letzte Kapitel dieser Fanfiction... Ich danke allen Lesern, besonders @Rusalka und @Nexy, die beide immer wieder Feedback zu dieser Story gaben. Ich muss mich jetzt schon dafür entschuldigen, dass viele, viele Fragen nicht beantwortet wurden. Dies war eher ein Experiment und ich hatte zu Anfang nicht geplant, dies mal öffentlich zu machen.
Ich hoffe trotzdem, dass es euch gefallen hat und man auch einen etwas anderen Einblick in die Geschichte von Ferelden gekriegt hat :)
Vielleicht werde ich die Story ja irgendwann fortfahren, aber die habe ich vor zwei Jahren glaube ich mal geschrieben :P
Wenn jemand weiter Interesse an fantastischen Geschichten, Abenteuern und fremden Welten hat, kann er sich schon mal auf meine zweite Serie freuen! Diese spielt sich diesmal in meiner eigenen Welt ab, mit eigenen Charakteren usw...Ausserdem ist sie auch nicht so alt und seit der Dragon Age FF habe ich mich auch im Schreiben weiter entwickelt. Nochmals Danke und ich hoffe wir sehen uns in meiner nächsten story!