Willkommen, Fremder, in meinem Schrein der Kurzgeschichten! Hier möchte ich eine kleine Sammlung an Oneshots und anderen kleinen Geschichtchen anlegen, die hoffentlich mit der Zeit wachsen wird! Was die Thematik betrifft, so werde ich mich keinesfalls festlegen, da hier durchaus einiges an Offtopic, aber auch andere, Pokémon-bezogene Geschichten auftauchen werden. Oder zumindest werden Pokémon mythische Wesen oder Tiere ersetzen, wie ich es eigentlich am liebsten Handhabe.
In diesem Sinne, viel Spaß mit den folgenden Geschichten, die nach und nach ergänzt werden!
(-- Hier könnte ihre Kapitelliste stehen! --)
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Hierbei handelt es sich um ein kleines Geburtstagsgeschenk für @Temmie, der heute stolze 23 Jahre alt wird! Nochmal alles Gute zum Geburtstag! x33 Das Ganze ist ein kleines Experiment, weil es drei Formen einer Geschichte in sich vereint: Der Roman-Stil, der Märchen/Legenden-Stil und der bissige Kommentar-Stil. Somit ist die Kurzgeschichte sehr bunt, aber einfach gestrickt und soll einfach Spaß machen. Es ist eben Geschmackssache!
STORY EINS:
Das Leben eines Pfeilwurzblatts oder: Der Fuchs von Shinoda und der französische Kater – Kuzunoha reimagined
Izumi, Provinz Senshū, Kansai-Region, Honshū, Japan. Seicht wehte das lange, rotbraune Haar der Kuzunoha im warmen Sommerwind, als sie die Stufen des Inari-Schreins in der kleinen Stadt emporstieg. Purpurn war ihr edler Uchikake-Kimono aus teuer Seide, den sie locker um ihren schlanken Körper trug. Der Anblick dessen, was vor ihr lag, entlockte ihr ein leises Seufzen. Die Dame spannte ihren Sonnenschirm auf, legte ihn auf ihre Schulter und nahm die letzte Stufe. Dies war die Rückkehr zu ihrer Vergangenheit.
Was für ein krasser Einstieg. Also dann stelle ich mich mal vor, ne? Ich höre auf den Namen Kuzunoha, manchmal auch einfach Kuzu, Nono oder Haha genannt, je nachdem wie einfach man es gerne haben möchte. Und natürlich gebührt einer solch legendären Figur wie mir nur ein solch eleganter Auftritt. Okay, ich gebe zu, dass ich wie jeder andere Japaner auch mit ebenholzfarbenen Haar zur Welt kam und dieses demnach nach tausenden Prozessionen umfärben musste, um auch nur ein relativ natürliches Rotbraun herauszubekommen, aber ich strebe nicht danach, wie eine Europäerin auszusehen. Eine Mangafigur bin ich ja leider nicht. Schön, ich trage Kontaktlinsen, die die Farbe meiner Iris ändern, aber das war’s dann auch schon. Sorry. Kuzunoha schaltet sich aus.
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Es war vor bald eintausendundfünfhundert Jahren, in einer Zeit, als Kaiser Kinmei über das Land der Mitte herrschte. In dieser Zeit drang ein neuer und junger Glaube von dem Land Chōsen aus nach Nippon, der sich eines Tages mit dem uralten Volksglaube vermischen sollte. Damals lebte ein junger, stattlicher Kater von nobler Herkunft, der den Namen Abe no Yasuna oder Yasuna Abe trug; und er trug die Form eines Psiaugon. Eines Tages wanderte in den Wäldern von Shinoda, wo ihm eine sonderbare Gestalt vor die Füße sprang: Es war ein Fuchs, so weiß wie der weiche Neujahrsschnee, und nichts in seinen schwarzen Augen zeugte von der Güte und dem Guten der Füchse Inaris. Yasuna aber wusste davon, dass diese mystischen Wesen jener Gottheit unterstellt waren und schickte sich an, dem Fuchs zu helfen.
Ein Jäger verfolgte das seltene Tier und ersuchte, es seiner Leben wegen zu erlegen, um daraus Medizin herzustellen. Er stellte sich Yasuna entgegen, nachdem dieser dem weißen Fuchs zur Flucht verholfen hatte, und beide begannen sich zu streiten. Doch noch bevor der Streit beiseitegelegt werden konnte, hatten beide ihre Schwerter gezogen und begannen sich zu bekämpfen. Nicht wissend, dass er einen großen Krieger aus den Schlachten von ehedem vor sich hatte, verlor Yasuna den Kampf und wurde niedergestreckt.
Dort lag er nun; keuchend und von Wunden übersät, und er glaubte, er sei seinem Tod nahe. Doch Inari war eine gütige und dankbare Gottheit, so wie ihre fuchsigen Diener es waren. Es kam also eine junge Frau des Weges, mit glänzend schwarzem Haar, so dunkel wie die Nacht, und weißer Haut. Ein purpurnes Gewand trug sie, wie eine Königin, und gütig war sie, sodass sie sich Yasunas annahm. Sie nannte sich Kuzunoha und brachte den verwundeten Adeligen zu ihm nachhause, wo sie ihn Tag für Tag pflegte. So kam es auch, dass sich Yasuna und Kuzunoha ineinander verliebten und entschlossen zu heiraten, wenn er wieder gesund war.
Ach herrje, was war ich doch für eine kleine Schlampe. Immer auf die reichen Blaublütigen abgesehen, ja, ja. Aber wer kann es mir verübeln? Geld regiert die Welt. Das war auch noch vor 1.500 Jahren so, Kinderchen. Ha! In meinen Augen seid ihr alle Kinder. Sowas hat man als Yōkai natürlich an sich. Ich bin die Dienerin der mächtigen Inari! Oder des Inari. Die Auslegung ist von Region zu Region unterschiedlich. Und was Inari nun wirklich ist, nun, das … behalte ich für mich, hihi.
Wie versprochen heirateten Kuzunoha und Yasuna im Frühling des nächsten Jahres, und es dauerte nicht lange, da gebar sie ihrem Gatten einen Sohn. Zu dritt lebten sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage, so schien es. Doch im zarten Alter von fünf Jahren geschah es, dass dem fünfjährigen Sohn etwas Seltsames auffiel: Hinter einem Vorhang entdeckte er einen weißen Fuchsschweif, der zu seiner Mutter gehörte. Als dies Kuzunoha bemerkte, weinte sie bittere Tränen, denn es bedeutete, dass sie in ihr Leben in der Wildnis zurückkehren mussten, denn ihre wahre Gestalt war aufgedeckt worden. So verließ sich Abe no Yasuna und ihren gemeinsamen Sohn und das einzige, was sie hinterließ, war ein Gedicht, was sie auf seidenem Papier verfasst hatte, und darin bat sie Yasuna, er solle sie ihm Shinoda-Wald besuchen kommen.
Nachdem Abe no Yasuna und sein Sohn die Nachricht erhalten hatten, machten sich sofort auf der Suche nach Kuzunoha auf den Weg in besagten Wald. Dort begegneten sie einem weißen Fuchs und Yasuna erkannte, dass es jener Fuchs war, den er einst vor dem Jäger gerettet hatte. Und im selben Moment offenbarte sich ihm, dass dies seine Ehefrau war.
Ja, das glaubt ihr jetzt! Eine äußerst tragische Geschichte. Und natürlich ist das meiste nur dämliches Geschwafel, das man über die Jahrhunderte hinzugedichtet hat. Also, um Klartext zu sprechen, natürlich bin ein Fuchs und meinen flauschig weißen Schweif habe ich immer noch, nur mittlerweile weiß ich, wie ich ihn zu verstecken habe. Aber lasst mich nun von den unbekannten Details meines wilden Liebesleben erzählen!
Ihr müsst nämlich wissen, dass ich diesen Mann, Yasuna, nicht nur extrem attraktiv fand, sondern total seinem Charme total verfallen bin. Ich war eben jung. Als ein solch ungeschicktes, junges Ding steht man eben auf Franzosen! Ha! Ja, ein französischer Kater. Hat er selbst gesagt. Mittlerweile zweifle ich zwar daran, dass er wirklich aus Frankreich kam, aber zumindest sprach er fließend Französisch. Ah, diese Sprache … Ich konnte nicht widerstehen! Schon allein, wenn er mir jeden Abend, wenn ich neben seinem Krankenbett mein Essen einnahm, „Bon appetit, ma chérie“ gewünscht hat, da wäre ich schon direkt mit ihm in die Kiste gehüpft. Habe ich ja dann auch gemacht, als er wieder gesund war. Damals wollte ich es nicht riskieren, dass er irgendwelche Krankheiten auf mich überträgt! Gefährliche Zeiten waren das. Es reicht schon, wenn man daran denkt, dass Leute auf offener Straße mit messerscharfen Schwerter aufeinander eingedroschen haben. Furchtbar. Aber solange man sichmeinetwegen kloppt, ist ja alles in Ordnung. Hm. Letztendlich war Yasuna sowieso nur ein armer Adeliger, aber dieser französische Charme war eben köstlich. Schade nur, dass sein Sohn davon nichts abbekommen hat …
Aber sicherlich fragt ihr euch, warum Kuzunoha in solch dramatischer Art und Weise von zuhause geflohen ist. Denkt ihr, weil meine wahre Gestalt offenbart wurde, da mein altkluger Sohnemann im Alter von fünf Jahren seinen quasseligen Mund nicht halten konnte? Hättet ihr wohl gerne! Ich hab’s irgendwann nicht mehr mit Yasuna ausgehalten. Sicher, Inari verschreibt, dass sich jeder, der einem Menschen seine wahre Gestalt zeigt, nie wieder an seine menschliche Gestalt binden darf, aber selbst französischer Charme verfliegt irgendwann. Besonders dann, wenn man … Nein, davon sollte ich euch nichts erzählen. Das ist privat. Mit diesem Leben habe ich abgeschlossen. Sind ja eh alle tot. Also Yasuna und mein Sohn. Schon seit tausenden Jahren. Aber einen Schrein hat man mir gewidmet! Zeigt das nicht, welch eine schillernde Persönlichkeit ich bin? Seht selbst!
***
Die Sonne schien hell vom Himmel und bedeckte die steinerne Promenade, die zu dem prächtigen Schrein führte, mit einem Dach aus warmen Sonnenstrahlen. Die Allee wurde auf beiden Seiten von grünen Kirschbäumen flankiert, die ihm Frühling in einer wunderschönen rosafarbenen Blätterpracht erstrahlten. Diese Jahreszeit hatte Kuzunoha schon immer am meisten geliebt. Dann fühlte sie sich ihrem göttlichen Herrn immer am nächsten.
Gelassen setzte sich der Fuchsgeist auf die hölzernen Treppen, die in den Schrein hineinführten. Das gesamte Areal war mit Statuen von Kitsune geschmückt, besonders zwei Stück, an jeder Seite des mit einem Torii versehen Eingangs, was der angebeteten Gestalt schmeichelte. Heute war kein Shintō-Priester anwesend, kein Gast, nur sie alleine. Der hochsommerliche Wind blies ihr ein weiteres Mal durch das hüftlange Haar, als sie aus ihrem Obi ein im Sonnenlicht silbern schimmerndes iPad der Firma Appuru hervorholte, ihre Ärmel zurückschob und zu tippen begann:
Liebster Yasuna,
Alles Gute zum Geburtstag, ne? Denk bloß nicht, ich hätte dich vergessen. Und Seimei. Ich hoffe, dass ihr dort oben in Takamanohara eine ordentlich fette Party feiert. Und das ohne mich! Pah! Wartet nur, irgendwann werde ich auch zu euch kommen. Na ja, wenigstens ist der Empfang hier gut genug, dass die Email noch schnell genug ankommt. Whatsapp funktioniert bei mir ja nicht, aber das habe ich dir ja schon geschrieben. Und vergiss nicht, das Geld auf mein Konto zu überweisen! Das Leben als Kitsune ist kostspielig und du weißt ja wie sehr ich auf teure Kimono stehe. Manchmal wird es schon grenzwertig, da muss ich mich als Geisha ausgeben und dummen Menschen das Geld abluxen.
Aber du weißt ja gar nicht, was mir letztens passiert ist. Da stand in der Zeitung was von einer anderen Kitsune. Irgend so ein fesches Vulnona, das sich Ran nennt. Die soll sich mit so einem garstigen Mädel mit ‘ner frechen Klappe aus Osaka gekloppt haben. Und so ein dämonisches Mädchen soll auch dabei gewesen sein. Tse. Die Jugend von heute. Es ist doch fast ironisch, dass manche sich Dämonen doch noch trauen, sich gewöhnlichen Menschen zu offenbaren. Da werden alte Erinnerung wach, was?
Grüß Amaterasu und Seimei von mir und feier schön,
LG Kuzunoha
Nachdem die Email versendet worden war, schloss Kuzunoha den Webbrowser und verstaute das Gerät wieder in ihrem Gürtel, der die gesamte schlanke Taille umgab, und schüttelte schnaubend den Kopf.
Verrückte Welt …, dachte sie. Und dabei bin ich selbst ein Teil davon.
Viele Jahre war Kuzunoha nun schon auf dieser Welt gewandelt und sie war es keine Sekunde lang leid gewesen. Sie liebte das Leben und genoss in es in vollen Zügen. So genoss sie auch den seichten Wind und das Rascheln der Bäume, gepaart mit dem Zwitschern der Vögel und dem Knarzen des hölzernen Bodens des Schreins, als sie sich wieder erhob. Kurz lugte die Spitze eines weißen Schweifs aus ihrem Gewand hervor, der so wie der eines Fuchses aussah. Kuzunoha bemerkte dies und schmunzelte zufrieden.
So lief sie wieder über die sonnigen Allee, doch diesmal in entgegengesetzte Richtung. Mittlerweile war der Mittag angebrochen und schon tummelten sich Leute aus allerlei Städten und Regionen, um den Kuzunoha-Inari-Schrein in Izumi, Präfektur Osaka, zu besuchen. Darunter befanden sich auch zwei Schulmädchen, die sich kichernd über die felligen Ohren der Kuzunoha unterhielten. Sie hielten es für ein Kostüm.
Der Fuchsgeist bemerkte die Mädchen kaum, zumal sie mittlerweile ein Buch hervorgeholt hatte, das auf den Titel Konjaku Monogatari-shū und viele hunderte Jahre alt war. Vertieft in die mythischen Inhalte der vielen Seiten schritt sie voran und dachte an die Zeit, als sie noch jung war und mit ihrem noblen Ehemann einen kleinen Jungen großzog. Ihr fiel jedoch nicht auf, dass sie im Gehen ein längliches Stück Papier verlor, das aus dem Buch herausglitt und zu Boden fiel.
Sehnst du dich nach mir,
Oh so komm, besuche mich!
Ich bin der Pfeilwurz
Im Shinoda-Wald Izumis.
Oh Schmerz, euch zu verlassen!