Kapitel XII
Meine Dummheit war unermesslich. Zwar mochte ich es selbst kaum glauben, aber es war so! Da brauchte ich fast eine Dreiviertelstunde, um beim Kampfschloss anzukommen und mir fiel erst jetzt auf, das mir etwas Entscheidendes fehlte: Geld. Ich hatte zwar Sachen an, aber nicht meine persönlichen Sachen zurück bekommen. Denn die hatte die Polizei meiner Mutter überreicht, als ich verschwunden war. Dementsprechend hatte ich auch kein Portemonnaie mit meiner Monatskarte für den Busverkehr, genauso wie mir einfache Münzen fehlten, um mir auf diese Weise ein Ticket zu besorgen.
Ich fand es schon schlimm genug, dass zu dieser Zeit beim Kampfschloss immer noch einiges los war. Verstehen konnte ich es. Wenn ich mich recht erinnerte, gab es heute Abend ein Eventturnier. So was fand immer wieder hier statt, war also gar nicht so ungewöhnlich. Dementsprechend gab es dann aber natürlich auch etliche Trainer, die hier herum wuselten. Zu meinem Glück war ich bisher niemand Bekanntem über den Weg gelaufen. Weder sah ich Victor – der hätte mir noch gefehlt – noch Hugo! Ich wollte den beiden am aller wenigsten begegnen, aber es gab auch andere vereinzelte Trainer, um die ich gerne einen großen Bogen mache würde. Selbst wenn diese gerade nicht in der Nähe waren, so konnte ich manche Augenpaare auf mich gerichtet sehen. Jene, die hier vor dem Schloss unterwegs waren, anstatt drinnen zu kämpfen oder sich die Kämpfe anzusehen, sahen mich, wie ich die Straße entlang gekommen war und nun vor der Bushaltestelle am Fahrplan stand. Ich versuchte die Augenpaare einfach zu ignorieren. Sie kannten mich nicht, das redete ich mir ein. Fakt war allerdings, dass ich mir im Kampfschloss in den letzten Jahren einen Namen gemacht hatte und dadurch, dass ich immer wieder meinen Titel verbessert hatte, daher auch berühmter geworden war. Nur gefiel mir diese Berühmtheit im Augenblick überhaupt nicht. Ja, sie war mir sogar fehl am Platz. Also ignorierte ich alle um mich herum. Ignorierte, wie manche die Köpfe zusammen steckten und tuschelten und einige auch ihre Mobiltelefone zückten, um Nachrichten auszutauschen. Das taten sie nicht wegen mir, nein, nicht wegen mir …
Okay, zurück zum Wesentlichen! Der Busplan! Ach ja, das ging ja nicht. Ich besaß kein Geld, um mir ein Ticket zu kaufen.
»Verdammt!«, fluchte ich leise vor mich hin. Rico neben mir winselte einmal auf, ehe er wieder ruhig war. Ich ärgerte mich, dass ich nicht daran gedacht hatte, Khyron darum zu bitten mir ein Ticket auszugeben. Ich hätte es ihm auch später zurückgezahlt! Schließlich war das nicht zu teuer. Jetzt sah es leider so aus, als würde ich tatsächlich zu Fuß nach Relievera City gehen müssen. Normalerweise hätte ich nicht das Problem damit, wenn es Tag wäre. Wenn ich früh morgens los gelaufen wäre, um irgendwann abends anzukommen. Denn ich würde nicht mehr vor Morgengrauen dort ankommen, dafür war der Weg viel zu weit. Allein mit dem Bus brauchte man gut zwei Stunden, um zwischen Relievera City und dem Kampfschloss hin und her zu fahren. Zu Fuß war das in dieser Zeit absolut unmöglich.
»Mist!« Ich ärgerte mich immer noch und überlegte ebenfalls, ob ich nicht einfach zur Pension zurückgehen sollte. Geld ausleihen oder vielleicht darum bitten dort übernachten zu dürfen. Doch irgendwie gefiel mir der Gedanke nicht. Es war mir schlichtweg peinlich nach so kurzer Zeit wieder dorthin zurückzukehren. Khyron würde sicher über mich lachen, wenn auch nicht verachtend, sondern auf seine freundliche Art. Die Verlegenheit würde trotzdem bleiben. Was sollte ich tun? Den ganzen Weg nach Hause laufen und ewig unterwegs sein oder lieber die Peinlichkeit in Kauf nehmen, dafür aber den Marsch nach Relievera City vermeiden und angenehmer nach Hause kommen?
»Zoé? Zoé Lefevre?« Ich hörte meinen Namen und drehte mich erschrocken um. Da es keine männliche Stimme war, konnte es nicht Khyron sein. Was seltsam war, dass ich im ersten Moment an ihn gedacht hatte, ja, regelrecht gehofft, dass er mir nachgelaufen war. Das war er aber nicht. Es war auch nicht Victor oder Hugo, was mich erleichterte, denn ich erkannte ein Mädchen vor mir. Sie hatte langes dunkelbraunes Haar, hübsche hellblaue Augen und war durch ihren Rock und ihrer Bluse sehr feminin angezogen. Ihre Haare hatte sie aufwendig zusammen geflochten. Ami hatte früher immer versucht, meine Haare ebenso zu flechten. Es hatte lange gedauert, bis sie den Dreh raus gehabt hatte, aber heute trug ich meine schwarzen Haare oftmals offen, da ich keine Geduld für derlei Frisuren hatte. Ich blinzelte die Erinnerungen weg und sah das Mädchen an. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, aber weder kam ich auf ihren Namen, noch konnte ich mich erinnern, woher ich sie kennen könnte. Ich glaubte, dass sie nur ein Jahr jünger als ich war, konnte aber nicht recht zuordnen, woher ich diese Information hatte. Vielleicht war es auch nur meine Einbildung.
Da ich bislang nichts gesagt hatte und sie nur anstarrte, räusperte sie sich. Sie wirkte sogar ein wenig verlegen oder schüchtern. Hatte sie Angst vor mir? Nein, bestimmt nicht … Oder?
»Zoé?«, fragte sie noch einmal nach, so dass ich endlich auch mal was von mir gab.
»Ja?« Ich sah sie skeptisch an. Was wollte sie von mir? Woher kannte sie mich überhaupt? Okay, diese Frage konnte ich mir vermutlich sparen. Da ich sie so ansah, als kenne ich sie nicht, was sie wohl etwas verwunderte, stellte sie sich mir einfach direkt vor.
»Ich bin's, Chloé Chevalier. Ich war nur eine Klasse unter dir in der Schule.« Sie sagte das so, als müsste ich mich daran erinnern, doch ehrlich gesagt fiel es mir schwer. Ich hatte nicht wirklich viel Zeit damit verbracht mir Mitschüler vom Gesicht, geschweige denn vom Namen zu merken. Im Nachhinein war das ganz schön arrogant von mir gewesen, oder? Da Chloé sah, wie ich immer noch mit meinem Gedächtnis zu kämpfen hatte, fuhr sie einfach fort:
»Wir hatten vor circa einem Monat gegeneinander gekämpft. Ich hatte mein Psiaugon eingesetzt, aber leider gegen dich verloren«, sagte sie und deutete dann auf Rico. Da fiel es mir tatsächlich ein.
»Oh, äh, ja, ich erinnere mich«, gab ich zu. Ihr Psiaugon war eine harte Nuss gewesen, aber am Ende hatte es keine Chance gegen Rico gehabt. Sämtliche Psychoattacken hatten ihn nicht gejuckt, weil Unlicht-Pokémon immun dagegen waren. Das hatte zur Chloés Niederlage geführt. Ja, an so etwas erinnerte ich mich. An Gegner, die sich gut geschlagen hatten oder die mich fast besiegt hätten oder eine geniale Strategie eingesetzt hatten, auch wenn sie am Ende gegen mich verloren hatten. Dann verknüpfte mein Gedächtnis die Pokémon mit den Trainern und ich merkte mir ein paar Namen. Meistens allerdings fielen mir die lästigen Typen eher ein, als stinknormale Trainer gegen die ich gekämpft hatte. Chloé war nicht lästig gewesen. Sie hatte damals ihre Niederlage recht gefasst hingenommen, aber zu meinem Bedauern erinnerte ich mich daran, dass ich mich ihr gegenüber nicht besonders freundlich verhalten hatte. Ein guter Grund jetzt zu gehen.
»Ich muss los«, sagte ich und verließ die Bushaltestelle. Chloé starrte mir nach und schien noch nicht fertig zu sein, denn sie rief mir hinterher.
»Warte Zoé, willst du gar nicht beim Turnier mitmachen?« Da ich in die falsche Richtung ging, nämlich nicht zum Kampfschloss, fiel ihr dieses Detail auf. Kurz blieb ich nur stehen und gab ein einfaches »Nein« von mir, ehe ich weiter ging. Für mich war die Sache bereits erledigt, für Chloé aber noch lange nicht. Ehrlich, ich verstand nicht, warum sie sich so hartnäckig an mich klammerte. Warum lief sie mir nach?
»D-dann willst du also zurück nach Relievera City?«, wollte sie von mir wissen und kam mir nachgelaufen, um mich einzuholen und neben mir her zu gehen. Ich öffnete zwar die Lippen, sagte aber nichts. Stattdessen sah ich sie von der Seite an. Ob sie meinen Blick richtig deutete oder ob es etwas anderes war, wusste ich nicht. Mich würde schon interessieren, was sie von mir wollte, anstatt mich in Ruhe zu lassen. Ich wollte keinen Smaltalk mit irgendwem führen, sondern musste mir überlegen, wie ich nach Hause kam!
»Also, wenn du willst, kann ich dich mitnehmen«, sagte sie auf einmal und ich blieb schlagartig stehen.
»Was?« Ich hatte mich doch gerade verhört! Auch Chloé blieb stehen und lächelte mich schüchtern an.
»Na ja, ich muss ja auch nach Relievera City und ich bin mit dem Auto da. Da könnte ich dich mitnehmen und du musst nicht den Bus nehmen.« Noch immer starrte ich sie an, jetzt mehr fassungslos als überrascht. Warum sollte Chloé mir so ein Angebot machen?
»Warum … ?« Ich schaffte es nicht, die Frage vernünftig zu stellen, zu perplex war ich.
»Oh? Willst du gar nicht nach Hause? Ich dachte, weil du den Fahrplan … also … « Sie kam selbst ins Stocken und schüttelte den Kopf.
»Ja, ich will nach Hause, aber warum solltest du mich mitnehmen?«, stellte ich nun besser meine Frage.
»Warum sollte ich nicht?«, begegnete sie mir mit einer Gegenfrage und runzelte die Stirn. Die meinte das wirklich ernst, nicht? Ich konnte es kaum glauben!
»Das … ist wirklich kein Problem«, versuchte sie mich sogar noch zu überzeugen. Instinktiv sah ich mich um, ob ich irgendwo Victor oder jemand anderen sehen konnte, der mir eine rein würgen wollte und Chloé nur als Lockmittel nutzte. Aber da war niemand. Bot mir Chloé also das alles nur an, weil sie schlicht und ergreifend nett zu mir sein wollte? Welchen Sinn ergab das?
Bevor das Angebot verstrich und Chloé es sich anders überlegte, ging ich am Ende darauf ein. Zwar verstand ich den Zweck dahinter nicht, aber wenn ich so einfach nach Hause kam, wollte ich es nutzen. Wird schon nichts schief gehen und wenn doch … mir würde schon irgendwas einfallen!
Chloé sah wirklich so aus, als würde sie sich darüber freuen, dass ich ihr Angebot annahm. Echt seltsam. Ich folgte ihr zum Parkplatz des Kampfschlosses und zu ihrem blauen Auto. Keine Ahnung was das für eines war, weil ich mich mit Autos im Allgemeinen nicht wirklich auskannte. Es war jedenfalls keines von der Spitzensorte, mit dem man angeben konnte. Es diente mehr der Praxis, weniger dafür, um aufzufallen. Manche Trainer hatten so eine Eigenart, die sich selbst auf stylten, die tollsten Autos fuhren, die beste Technik besaßen und erst zum Schluss mit ihren eigenen Pokémon angaben, bei denen sich aber auch oftmals heraus stellte, dass die nicht besonders gut trainiert waren. Gerade diese Trainer stampfte ich sehr gerne in Grund und Boden. Chloé gehörte nicht dazu.
Rico durfte nach hinten auf die Rückbank, wo er sich brav hinlegte und abwartete, wie es weiter ging. Ich selbst setzte mich auf den Beifahrersitz. Selber konnte ich so oder so nicht fahren. Irgendwann wollte ich mir auch ein Auto zulegen, benötigte dafür aber auch noch einen Führerschein. Ich sparte schon dafür, aber das war trotz allem nicht einfach. Chloé, auf der Fahrerseite, startete den Motor und schon ging es los. Wir ließen das Kampfschloss hinter uns, was schon bald in der zunehmenden Dunkelheit verschwand. Ohne die Scheinwerfer ihres Autos würden wir gar nichts mehr draußen erkennen können. Der meiste Teil der Strecke bis nach Relievera City war nur mäßig ausgeleuchtet, weil es zwischendurch auch keinerlei Dörfer oder Städte gab. Nur beim Kampfschloss gab es genug Licht, was wir aber längst verlassen hatten. Eine ganze Weile schwiegen wir auch, bis Chloé das Gespräch wieder suchte. Ich machte mir Sorgen, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war mit einzusteigen. Hier saß ich quasi in der Falle und konnte Chloé nicht ausweichen, falls es notwendig wurde.
»Darf … ich dir eine Frage stellen?«, wollte sie wissen.
»War das nicht schon eine?«, gab ich zu bedenken. Ich habe es schon immer komisch gefunden, wenn jemand so begann. Man konnte eh nicht vorher einschätzen, ob man die Frage mochte oder nicht, wenn man nicht wusste, was auf einem zu kam. Chloé ließ sich nicht abhalten, auch wenn sie immer noch einen schüchternen Eindruck bei mir hinterließ. Ich hatte das Gefühl, dass sie nichts Falsches machen wollte. Wollte sie nicht riskieren, dass ich wütend werden könnte? Oder irgendwie so etwas? Aber auch das ergab keinen Sinn. Warum sollte sie sich darum scheren, was ich von ihr hielt?
»Es hieß, du warst in den letzten Wochen verschwunden und … Ähm, na ja, das hatte für einigen Trubel gesorgt. D-darf ich fragen … also, was … geschehen ist?« Daher wehte der Wind. Chloé war neugierig zu erfahren, was mit mir passiert war. Sollte es mich überraschen, dass sie davon wusste? Hugo hatte es auch gewusst und so wie ich ihn einschätzte, war er eine Tratschtante. Er hatte bestimmt dazu beigetragen, dass es etliche Leute erfuhren. Da ich noch nicht sofort antwortete, redete Chloé weiter und berichtete mir, was für Gerüchte aufgekommen waren.
»Manch einer behauptet, du seist überfallen und entführt worden oder … äh … « Manche glaubten, ich hätte das alles nur vorgetäuscht, um viel Wirbel um meine Person auszulösen. Andere wiederum glaubten, es wäre wirklich ein böses Verbrechen geschehen, denn dass man meine Sachen gefunden hatte, ließ so manche Spekulation zu. Viel Lächerliches, aber auch viel Dramatisches. Ich wollte gar nicht sämtliche Details darüber wissen, worüber sich die Leute das Maul zerrissen hatten. Es interessierte mich einfach nicht. Aber Chloé wollte ich nicht so im Unklaren lassen, auch wenn ich ihr nicht die Wahrheit sagen konnte.
»Ich weiß es nicht«, gestand ich ihr also. Sie sah mich kurz fragend an, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte.
»Ich habe einen völligen Blackout«, fügte ich hinzu. Niemandem würde ich erzählen können, was tatsächlich passiert war, deswegen würde ich bei dieser Ausrede bleiben. Es war besser, als mir irgendein Verbrechen aus den Fingern zu saugen oder irgendeine Geschichte zu erfinden, bei der ich mich nur verhaspeln könnte. Das hier war der einfachste Weg für alle. Ein großes Rätsel, was mit mir in den letzten Wochen geschehen war.
»Ach so«, meinte Chloé nur. Sie wirkte etwas enttäuscht, da sie auf mehr Informationen gehofft hatte, die ich ihr jedoch nicht bieten konnte.
»Ich wollte damit keinen Trubel um mich auslösen«, redete ich leise weiter. Mir war dieser Fakt sogar sehr unangenehm. Lieber wäre es mir, wenn die Leute gar nicht darauf eingingen, dass ich verschwunden war.
»Das hast du aber, wenn auch unabsichtlich, hm? Na, wie dem auch sei, du bist jetzt wieder da und dir geht es gut. Oder? D-dir geht es doch gut?« Erneut schwappte Chloés Stimme in Unsicherheit über. Nur weil ich mich auf zwei Beinen halten konnte, musste das nicht bedeuten, dass es mir wirklich gut ging. Besonders dann nicht, falls man mir wirklich ein schreckliches Verbrechen angetan hatte. Aber auch diese Befürchtung milderte ich ab, indem ich ihr versicherte, dass es mir gut ging und ich nicht verletzt war. Sie schien ehrlich erleichtert darüber zu sein, als hätte sie sich ernsthafte Sorgen um mich gemacht. Das erstaunte mich. Ich hatte zu Chloé zuvor keinerlei Beziehung geführt. Ich war mit ihr nicht befreundet gewesen und auch so hatte ich nie großartig Worte mit ihr ausgetauscht. Und trotzdem wirkte es so, als würde sie sich den Kopf darüber zerbrechen, was mit mir sein könnte und all das. Das verstand ich nicht.
»Darf ich dir noch eine Frage stellen?«, kam es dann auch prompt von ihr. Die auftretende Stille hatte keine Chance gehabt. Mittlerweile hatten wir das freie Gelände der Route 7 hinter uns gelassen und tauchten in die Gebirgslandschaft von Route 8 ein. Viel konnte man nicht erkennen, aber gerade dort, wo die Straßen etwas schmaler waren und es einen gefährlichen Abhang gab, war die Straße besser ausgeleuchtet. Chloé fuhr nicht sonderlich schnell und achtete sehr genau darauf nicht zu nahe an den Rand der Klippen zu fahren. Gerade solche Strecken waren im Dunkeln gefährlich. Schon am Tage konnte hier einiges passieren. Es gab kaum eine Woche, wo nicht in den Zeitungen von einem Unfall die Rede war.
»Also, es gibt im Kampfschloss doch auch Doppelkämpfe«, begann Chloé zu erzählen.
»Ich wollte an denen schon immer mal teilnehmen. Hättest … du vielleicht Lust mit mir anzutreten?«, fragte sie mich. Nachdenklich betrachtete ich sie von der Seite. Da sie sich auf die Straße konzentrieren musste, konnte sie meinen Blick nicht erwidern, wusste aber, dass ich sie ansah.
»Du kannst auch ablehnen, wenn du nicht willst«, sagte sie schnell. »Ich würde mich aber echt darüber freuen.« Noch nie hatte mich jemand gefragt, ob ich gemeinsam mit ihm kämpfen wollte. Meine Doppelkämpfe hatte ich stets alleine bestritten. Auch Dreierkämpfe hatte ich schon ausgeführt, aber die waren noch um einiges schwieriger zu händeln als Doppelkämpfe, weswegen ich mich meistens lieber auf Einzelkämpfe einließ, um dort die ganze Power raus zu lassen, die ich aufbringen konnte.
»Wieso fragst du das ausgerechnet mich?«, wollte ich von Chloé wissen.
»Nun ja, du … bist eine echt starke Trainerin und … «, begann sie zu erzählen und mein Misstrauen wurde geweckt. Wollte sie mich nur an ihrer Seite haben, weil ich stark war?
»Also, ich wollte schon immer so stark sein wie du.« Chloé war eindeutig nervös. Über die ganze Zeit hatte ich ihre Unsicherheit bemerkt, aber jetzt war es extrem.
»Wie ich? Gibt es da keine besseren Vorbilder?«, warf ich dazwischen. Sie hörte mein Misstrauen und meine Skepsis aus meiner Stimme heraus. Ich sah aus dem Fenster in die dunkle Landschaft, aber konnte nur mein eigenes Spiegelbild im Fenster erkennen. Draußen sah ich einfach nichts.
»Vielleicht, aber ich war ehrlich gesagt schon immer von dir beeindruckt, wie stark du geworden bist. In so kurzer Zeit! Ich habe dich mehrere Male kämpfen sehen. Gut, einige sind vielleicht nicht mit deinem Kampfstil zufrieden, aber du bist allgemein auch eine anerkannte Trainerin. Jeder respektiert dich, das ist beeindruckend.« Ich legte meine Stirn in Falten, als ich Chloé so reden hörte. Irgendwie konnte ich das kaum glauben. Nach all der Zeit, in der ich als Zoé Lefevre aufgetreten war, die starke Trainerin, die sich vor nichts zurückschrecken ließ, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass die anderen zu mir aufsahen oder mich auf diese Weise respektierten. Wenn ich zurückdachte, wie ich mich manchmal benommen hatte, erschien mir das unvorstellbar. Aber vielleicht war es nicht diese freundliche Anerkennung und Begeisterung mir gegenüber, sondern mehr die respektierende Angst. Angst davor, dass ich sie als nächstes platt machen könnte? Oh man, meine Gedanken drehten sich im Kreise, dass ich langsam Kopfschmerzen bekam.
»Ich habe nie ein Doppelmatch mit jemand anderen ausgefochten«, sagte ich und gab Chloé zu verstehen, dass ich weder die Erfahrung darin besaß mit einem Partner zu kämpfen, noch dazu wirklich geeignet war.
»Ich weiß«, gestand sie und überraschte mich erneut. Wenn sie das wusste, warum … ? Es gab einen guten Grund, warum ich nie mit einem Partner gekämpft hatte: Unberechenbarkeit. Ich konnte meinen Partner und dessen Pokémon nicht komplett kontrollieren. Das würde niemand mit sich machen lassen und selbst wenn, könnte ich am Ende wieder für mich alleine kämpfen. Da brauchte ich keine Marionette an meiner Seite, der ich alles sagte, was zu tun war. Ein Partner birgt für mich stets ein Risiko. Waren seine Pokémon stark genug, verfolgte er die richtige Strategie im Kampf? All so was musste berücksichtigt werden, weshalb ich lieber allein gekämpft hatte. Ich wollte einfach nie riskieren, dass ein solcher Partner mir vielleicht den Sieg zunichte machen konnte, weil er seine Pokémon nicht gut genug im Kampf einsetzen konnte oder sich irgendeinen Fehler erlaubte, der nicht sein durfte. Stets hatte ich den Siegen hinterher gejagt und hatte jedes Risiko diesbezüglich ausgemerzt oder so klein wie möglich gehalten.
»Aber das macht mir nichts«, hörte ich Chloé weiter reden. »Ich meine, man könnte das ja üben. So ein Doppelkampf ist ja schon eine Herausforderung, weil so viele Faktoren aufeinander treffen. Mich würde es einfach mal reizen mit jemand anderem gemeinsam in der Arena zu stehen und zu kämpfen. Das ist sicher sehr aufregend! Und wenn es nicht so gut klappt, dann kann man sich danach immer noch einigen, dass man es lieber sein lässt und was anderes probiert.« Ich hörte Chloé aufmerksam zu. Während ich immer nur den Siegen nachgejagt war, vertrat sie ein ganz anderes Motiv und Konzept. Sie wollte sich ausprobieren, egal ob sie verlor oder gewann. Sie wollte es einfach mal machen und dabei ihre Erfahrungen sammeln, egal ob sie positiv oder negativ ausfielen. Es ging ihr mehr um die Freude an sich, an den Spaß des Kampfes und der Herausforderung.
Herausforderung, ja! Genau das war es. Wenn ich mit einem Partner kämpfen würde, musste ich mich der Herausforderung stellen, dass wir im Kampf auch gemeinsam harmonierten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Wie auch immer das aussehen würde. Darauf kam es doch eigentlich an, nicht wahr? Der Sieg am Ende wäre nur das Sahnehäubchen oben drauf.
»Ich überlege es mir«, ließ ich Chloé wissen, die sich darüber offensichtlich sehr freute.
Es brauchte keine zwei Stunden, um Relievera City zu erreichen, aber die Fahrt hatte dennoch gedauert, obwohl das Gespräch mit Chloé dafür gesorgt hatte, dass es nicht so sehr aufgefallen war. Tatsächlich war die Fahrt angenehmer gewesen, als ich erwartet hatte. Chloé war mir nicht auf die Pelle gerückt und hatte auch nicht irgendwas von mir gefordert. Ja, sie hatte Fragen gestellt, aber schlussendlich hatte sie mir die Möglichkeit immer offen gelassen, abzulehnen oder mich anderweitig von der Frage zu distanzieren. Das war nicht notwendig gewesen und ich musste mir eingestehen, dass ich sogar Glück gehabt hatte, dass Chloé mich mitgenommen hatte.
»Danke, dass du mich gefahren hast«, sagte ich, als ich ausgestiegen war und Rico ebenfalls aus dem Auto steigen ließ. Chloé lächelte mich freundlich an.
»Keine Ursache! Oh, aber … soll ich dir noch meine Nummer geben?«, schlug sie vor. Da ich mir das mit dem Doppelkampf überlegen wollte, war es so am besten, damit ich ihr Bescheid geben konnte. Auch hier zeigte sie, wie viel Geduld sie mir entgegen bringen wollte. Ich sollte mich einfach melden, wenn ich eine Entscheidung gefällt hatte, selbst wenn ich ablehnte. Das war erstaunlich. Sie war so gut, dass ich es nicht glauben wollte, es aber trotzdem akzeptierte.
»Also dann, mach's gut. Wir sehen uns, ja?«, sagte sie, als sie sich verabschiedete und zurück in ihr Auto stieg. Sie hatte mich direkt vor der Haustür meines Zuhauses abgesetzt, aber sie musste selbst noch ein paar Straßen weiter fahren. Ich nickte ihr zum Schluss zu und sah, wie sie davon fuhr. Dann drehte ich mich um und betrachtete die Eingangstür. Im dritten Stockwerk lag die Wohnung, wo meine Mom auf mich wartete. Oder auch nicht. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn ich vor der Haustür stand. Nervosität machte sich in mir breit und Rico spürte sie sofort. Er winselte auf und sah mich verunsichert an. Damit er selbst nicht zu nervös wurde, strich ich ihm über den Kopf und beruhigte ihn. Gleichzeitig versuchte ich mein inneres Wesen zu beruhigen, damit Rico nicht zu sehr davon beeinflusst wurde. Ich ging zur Eingangstür, die glücklicherweise offen und nicht abgeschlossen war. Einen Schlüssel besaß ich nicht. Ich besaß so ziemlich gar nichts. Kein Geld, kein Schlüssel, nicht mal einen Ausweis. Das alles hatte die Polizei mitgenommen, als sie meine Sachen gefunden hatten.
Gemeinsam mit Rico stieg ich die Treppen nach oben. Dabei fiel mir auf, dass ich mein Magnayen noch kein einziges Mal auf diese Weise mit nach Hause genommen hatte. Ich hatte weder ihn noch meine anderen Pokémon in der Wohnung herum laufen lassen. Die meisten waren auch einfach zu groß, Rico hingegen würde mit seiner Größe keine Probleme haben. Andererseits wusste ich nicht, ob meine Mom etwas dagegen haben könnte. Nie hatte ich mit ihr darüber geredet, denn die Pokémon hatte ich immer nur draußen im Freien aus ihren Bällen gelassen. Irgendwie fühlte ich mich schlecht deswegen. Was war ich nur für eine kaltherzige Trainerin?
Nun, da ich im dritten Stockwerk war und vor der Haustür stand, nahm meine Nervosität wieder zu. Schlief meine Mom schon? War sie überhaupt Zuhause? Ich hatte keine Ahnung wie spät es war. Vielleicht gegen Mitternacht, vielleicht auch erst gegen zehn oder elf. Wann genau bin ich überhaupt los gelaufen? Puh, ich wusste es wirklich nicht und hob meinen Arm, um die Klingel zu drücken. Trotzdem zögerte ich einen Augenblick. Ich hatte Angst davor, was gleich passieren könnte, aber ich wollte auch nicht hier draußen im Treppenhaus bleiben. Denn ehrlich gesagt fröstelte ich auch ein wenig. Ich drückte also die Klingel und wartete ab, was passierte. Leider tat sich nicht viel, weswegen ich es noch einmal versuchte. Meine Befürchtung nahm zu, dass meine Mom gar nicht Zuhause war, bis ich endlich von drinnen doch Geräusche vernahm. Ich wartete und verschränkte meine Hände ineinander, die leicht zu zittern begannen. Außerdem zog sich mein Magen zusammen, was mir gar nicht gut tat.
Dann öffnete sich die Haustür und tatsächlich stand meine Mom da. Sie starrte mich schweigend an, ich erwiderte ihren Blick, wusste aber auch nicht, was ich sagen sollte. Meine Kehle war auf einmal zugeschnürt. Tatsache war nämlich, dass ich vergessen hatte anzurufen. Obwohl ich mir das vorgenommen hatte, war ich irgendwie nicht dazu gekommen. Ja, ich war ziemlich blöd. Demzufolge stand ich jetzt wie ein Überraschungspaket vor der Haustür. Die Frage war nur, ob sich meine Mom darüber freute oder mich lieber davon jagen wollte. Ich räusperte mich, um den Kloß im Hals los zu werden.
»T-tut mir leid, dass ich erst so spät nach Hause komme«, entschuldigte ich mich, da ich es einfach nicht besser wusste. Na ja, es war draußen dunkel … Nacht! Meine Mom hatte es noch nie leiden können, wenn ich so spät kam, jedenfalls, wenn ich keinen Schlüssel dabei hatte. Sie mochte es nicht aus ihrem Schlaf gerissen zu werden, weswegen ich immer bemüht gewesen war, niemals meinen Schlüssel zu vergessen oder zu verlieren und beim Nachhausekommen mich auch immer herein geschlichen hatte, anstatt laut herum zu posaunen, dass ich wieder da war.
»Zoé?«, fragte sie, als könnte sie nicht glauben, dass ich vor ihr stand. Als würde sie nur einen Geist sehen. Ich war aber kein Geist, sondern wirklich real.
»Ja«, bestätigte ich ihr. Im nächsten Moment war ich überwältigt, denn noch bevor ich darauf reagieren konnte, was sie tat, passierte es auch schon. Meine Mutter schlang ihre Arme um mich und fing hemmungslos an zu weinen. Schon sehr lange hatte ich sie nicht mehr weinen gesehen. Das letzte Mal war gewesen, als Ami gestorben war und da unsere Beziehung in den letzten Jahren immer kühler geworden war, hatte es zwischen uns beiden auch kaum noch eine herzliche Umarmung oder Ähnliches gegeben. Dass sie mir nun jetzt um den Hals fiel, überwältigte mich. Mir stiegen selbst die Tränen in die Augen, aber ich versuchte sie zurückzuhalten.
»Schon gut, ich bin wieder da«, sagte ich und versuchte meine Mutter zu trösten.
»Wo warst du nur?«, wollte sie von mir wissen. Ihre Stimme brach sich in einem Schluchzer.
Kurze Zeit später saßen wir drinnen im Wohnzimmer auf der Couch und ich versuchte ihr zu erklären, was passiert war. Na ja, auch ihr sagte ich nicht die Wahrheit, da sie zu absurd war. Aber ich versuchte ihr klar zu machen, dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte, es mir dennoch gut ging. Sie war nicht ganz überzeugt davon, weil sie sich einfach Sorgen machte, wie es eine Mutter eben tat. Dafür war ich dankbar, trotzdem wollte ich nicht, dass sie sich weiter unnötig den Kopf zerbrach.
»Es tut mir wirklich leid. Ich wäre schon früher zurück gekommen, aber … « Sie verzieh mir und war nur froh, dass ich unverletzt nach Hause zurückgekehrt war. Dass mein Verschwinden sehr an ihren Nerven gerüttelt hatte, konnte ich in ihrem Gesicht erkennen. Es wirkte faltiger, als ich es in Erinnerung hatte. Sie musste oft geweint haben, denn auch ihre Tränensäcke waren ziemlich angeschwollen. Außerdem war ihr schwarzes Haar, was ich von ihr geerbt hatte, nicht nur durcheinander, sondern wies die ersten grauen Haare auf. Mir war das bisher nie aufgefallen. Vielleicht, weil ich nicht darauf geachtet hatte oder, weil sie erst in den letzten Wochen ergraut waren. Wer weiß … Ich versprach ihr jedenfalls, dass ich zukünftig besser auf mich aufpassen und mich regelmäßig melden würde, vor allem wenn ich vorhatte länger weg zu bleiben, also über mehrere Tage hinweg. Sie wollte einfach nur sicher gehen, dass es mir gut ging, denn ein weiteres Kind wollte sie nicht verlieren. Es war schon schlimm genug, dass Ami nicht mehr bei uns war. Der Verlust ihrer zweiten Tochter würde sie nicht verkraften. Zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, wie sehr mich meine Mutter eigentlich liebte. Es war ein schönes Gefühl, aber gleichzeitig bekam ich ein ungeheuer schlechtes Gewissen, weil ich mich in den letzten Jahren so sehr von ihr distanziert hatte. Es tat mir schrecklich leid. Ich würde es irgendwie wieder gut machen und begann damit, ihr Rico vorzustellen. Sie kannte mein Fiffyen, aber nur aus wenigen Begegnungen. Sie hatte Rico noch kein einziges Mal in seiner Entwicklung gesehen, obwohl diese schon sehr lange zurücklag. Allgemein hatte ich ihr nie meine Pokémon richtig vorgestellt. Mit Rico fing ich an und er mochte sie auf Anhieb, so wie meine Mutter Rico auf Anhieb mochte. Es war ein schönes Bild und gab mir ein gutes Gefühl. Da ich jedoch müde war und auch meine Mom nicht mehr lange aufbleiben wollte, beendeten wir unsere Unterhaltung mit einer herzlichen Umarmung. Es war schön zu meiner Mutter wiedergefunden zu haben. Ich würde zukünftig mehr darauf achten, dass unsere Beziehung nicht mehr so erkaltete.
In der selben Nacht, nachdem ich mich mit meiner Mutter ausgesprochen hatte, wollte ich noch ein Bad nehmen. Ich brauchte das einfach, bevor ich mich ins Bett legen würde, denn müde war ich auch. Doch als ich da so im Bad stand und auf die gefüllte Badewanne sah, auf das Wasser darin, da wurde mir eines klar: Ich hatte Angst. Schreckliche Angst, um nicht zu sagen Todesangst. So lächerlich es auch war, aber ich fürchtete mich vor dem Wasser. Mein Verstand sagte mir zwar, dass mir nichts geschehen konnte, doch meine Emotionen waren aufgewühlt. Ich wollte ein Bad nehmen, wollte mich waschen und stand daher nackt vor der Wanne. Aber die Angst, die von mir Besitz ergriffen hatte, war einfach zu erklären. Ich konnte mich sehr gut an den Regen im Wald erinnern. Die zahllosen Regentropfen, die auf mich eingeprasselt waren und mir Schmerzen verursacht hatten. Am schlimmsten war aber der Sprung in den Fluss. Ich sah mich als Flamara vor meinem inneren Auge, wie ich ins Wasser sprang. In Zeitlupe sah ich das nahe Unheil, konnte nichts dagegen tun, bis ich ins Wasser tauchte und mich schlagartig der Schmerz quälte. Er war so heftig gewesen, dass ich nach kurzer Zeit das Bewusstsein verloren hatte. Wie ich aus dem Fluss heraus gekommen war, wusste ich nicht. Ich hatte unterbewusst das Gefühl, dass mich irgendwas gepackt und aus dem Fluss gezerrt hatte. Wer oder was jedoch dafür verantwortlich gewesen war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht sollte ich Khyron darüber fragen, doch allein der Gedanke mit ihm über mein Leben als Flamara zu reden, ließ die Verlegenheit in mir hochkommen. Genauer darüber nachzudenken, wie manche Situationen im Nachhinein wirkten, wenn man wusste, dass ich das Flamara gewesen war … Die vielen Male, wo Khyron mich gekrault und gekuschelt hatte oder ganz am Anfang, als er nur mit einem Handtuch begleitet in das Zimmer gekommen war. Allein diese Erinnerung trieb mir die Schamröte ins Gesicht und ich schüttelte den Kopf, um diese Erinnerungen zu vertreiben.
Ich sah wieder auf das Wasser vor mir und streckte meine Hand langsam danach aus. Sehr, sehr langsam näherten sich meine Fingerspitzen dem warmen Wasser, bis sie wenige Millimeter untertauchten. Innerlich bereitete ich mich auf den Schmerz vor, doch da war keiner. Er kam auch nicht, als ich meine Hand komplett untertauchte. In mir löste sich eine Steinlawine der Erleichterung. Kein Schmerz, ich war sicher. Erst als mir das auf diese Weise richtig klar war, konnte ich danach mein Bad genießen. Ich lag bestimmt mindestens eine halbe Stunde darin, bis das Wasser irgendwann zu kalt wurde, weswegen ich aus der Wanne stieg.
Auch als ich mich später ins Bett legte, war das ein seltsames, aber auch ein erleichterndes Gefühl. Es war schön wieder im eigenen Bett zu liegen, es sich gemütlich zu machen und darüber froh zu sein, wieder ein Mensch zu sein. Allerdings vermisste ich den Khyrons Duft, der stets an seinen Sachen und auch an seinem Bett gehaftet und mich umgeben hatte. Es war beruhigend gewesen und von der Kraulerei brauchte ich wohl gar nicht anzufangen. Das waren Kleinigkeiten, die ich wirklich vermissen würde. Daher griff ich nach meinem Kissen und kuschelte mich, so gut wie es eben ging, ein. Als ich die Augen schloss, konnte ich Khyron wieder vor meinem geistigen Auge sehen. Er verschwand auch nicht, als ich langsam in den Schlaf dämmerte. Rico hatte ich eine Decke in meinem Zimmer hingelegt, worauf er schlafen durfte. Das war auch für ihn das erste Mal, aber mein Magnayen arrangierte sich sehr schnell damit und schien mehr als zufrieden darüber zu sein. Zufrieden war ich auch. Bis auf manche Dinge, die ich mir wünschen würde, aber mir noch nicht eingestehen wollte. Dennoch lächelte ich, als ich einschlief.