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    Erloschen


    Genervt stand ich auf, schnickte dabei die Zigarette aus meiner Hand auf die Wiese und zuckte herablassend mit den Schultern.
    „Was soll das heißen?“, hörte ich Julia empört fragen. Sie warf mir einen argwöhnischen Blick zu, welchen ich mit vor Gleichgültigkeit leeren Augen erwiderte, nur um mich einen Augenblick später von ihr wegzudrehen und ihr die kalte Schulter zu zeigen. Ich blieb stehen und sah in den großen Garten, in dem wir standen. Blumenbeet direkt am Zaun links von mir und eine Wäscheleine rechts, befestigt zwischen einem Baum und einer kleinen Holzhütte. Ich schmunzelte süffisant, fuhr mir mit der Hand durch die Haare und atmete deutlich hörbar aus.
    „Noah, erklär mir bitte, warum …“
    „Es reicht jetzt wirklich, Julia“, fuhr ich ihr scharf ins Wort, drehte mich dabei um und ging augenblicklich einen Schritt auf sie zu. Zwischen unsere Gesichter passte vielleicht noch eine Hand und ich sah in ihren Augen, wie diese bedrohliche Nähe ihr Angst machte. Beinahe panisch wich sie einen Schritt zurück und stieß dabei gegen die unterste Treppenstufe, welche hinauf zu einer Terrasse führte. In der Dunkelheit hatte sie diese wohl vergessen, nur ein paar kleine LED-Lampen an den Ecken der Terrasse spendeten etwas Licht. Vor den Mond hatten sich bereits einige dicke Wolken geschoben, und aus dem Haus drang nur wenig Licht durch die Glastür, da unsere Freunde in einem der hinteren Räume saßen. Die Musik schallte allerdings dennoch durch die Tür und so begleiteten in diesem Moment einige tiefe Basstöne meine Stimme, als ich begann zu sprechen.
    „Was ist denn los mit dir?“, fragte ich auffordernd, provokant; ließ ihr jedoch keine Gelegenheit um zu antworten, „Schau dich doch mal an!“
    Einen Augenblick lang herrschte Ruhe, selbst die Musik war verklungen. Erst mit dem Ertönen des nächsten Liedes setzte ich fort; das sonst so melodische Summen des Basses hörte sich für mich in diesen Sekunden wie ein bestialisches Fauchen an und gab mir Energie, als würde es mich in meiner Aussage bekräftigen.
    „Ich verstehe einfach nicht, warum du dich so verhältst. Wir kennen uns schon so lange, warum bist du auf einmal so anders? Du weinst, du redest nicht mehr richtig, du …“
    Ich hielt inne, genoss den Moment der völligen Überlegenheit, doch entschied mich dann dafür es dabei zu belassen. Ich griff in meine Hosentasche und zog ein Feuerzeug und eine Packung Zigaretten heraus, während ich Julia aus den Augenwinkeln kritisch musterte.
    Ihre Augen schienen gefesselt auf der Zigarette zu liegen, die ich nun zwischen den Lippen hielt und anzündete. Bevor der Rauch des ersten Zuges zwischen unsere Gesichter zog, spiegelte sich das kleine, kreisrunde Glimmern in ihren braunen Augen wider. Nur ganz kurz erhaschte ich einen Blick auf dieses Bild; es schien so vergänglich. Irritiert verschärfte ich meinen Blick und trat, nachdem sie einige Sekunden nicht geantwortet hatte, schließlich einige Schritte zurück. Ich empfand es als unhöflich ihr direkt ins Gesicht zu rauchen und war mit der gewonnen Distanz in diesem Moment auch mehr als zufrieden.
    „Weißt du Noah, in letzter Zeit haben wir uns beide verändert“, hauchte sie plötzlich. Ich sah zu ihr hinüber. Julia hatte sich auf eine der obersten Stufen der Treppe gesetzt, die Arme vor dem Körper verschränkt und den Kopf nach unten gesenkt. Unsicher huschten ihre Pupillen hin und her; zumindest glaubte ich diese Bewegung in dem sehr diffusen Licht zu sehen.
    „Wir haben uns verändert?“, entgegnete ich interessiert.
    Dieses Mal antwortete sie schneller. Den Kopf langsam hebend, sagte sie, immer noch sehr leise, vorwurfsvoll: „Du bist jede Nacht auf irgendwelchen Partys in Frankfurt unterwegs, ich kenne deine Freunde eigentlich gar nicht mehr richtig, du rauchst, du kiffst, und …“ Nun blieb ihr doch die Luft weg und resigniert senkte sie ihren Kopf wieder.
    „Aber Julia, natürlich kennst du meine Freunde“, antwortete ich mehr fragend, als dass ich es direkt von mir gab. Ich ging verwundert einen Schritt auf sie zu und hielt die Zigarette nun schon ungewöhnlich lange in der Hand ohne zu ziehen, sodass ein bisschen Tabak bereits von alleine verglüht war. Um meine Aussage nun doch noch etwas zu verdeutlichen, nickte ich mit dem Kopf in Richtung Terrassentür.
    „Ich meine nicht unsere Gruppe … Mit wem gehst du denn immer in die Clubs und Bars? Mit wem bist du bis früh morgens unterwegs?“
    „Ach, das sind halt Freunde, die man“, unsicher zögerte ich einen Moment, „halt so kennenlernt. Was ist daran denn schlimm?“
    Julia schüttelte enttäuscht den Kopf. Ich merkte, wie meine zuvor noch starke Überlegenheit ihr gegenüber der Schwäche wich, die zu Anfang des Gespräches nur sie gezeigt hatte. Ein bisschen verwundert über meinen Anflug von Mitgefühl, setzte ich mich neben sie auf die Treppe und starrte in den Garten.
    Nach einigen Augenblicken der völligen Stille, in denen ich die Musik aus dem Haus vollends ausgeblendet hatte, legte ich meinen Arm um ihre Schultern und sah sie eindringlich an, bis sie ihren Kopf in meine Richtung drehte. Ich setzte gerade dazu an, etwas zu sagen, als ich ein Geräusch vernahm. Die Terrassentür hatte sich geöffnet und erschrocken drehte ich meinen Kopf in Richtung des Geräusches, wobei ich schnell meinen Arm wieder zu mir zog.
    „Julia, Noah?“, fragte eine männliche Stimme.
    „Was geht, Liam?“, entgegnete ich ruhig; ließ mir meine Panik nicht anmerken.
    Unser Freund zögerte einen Moment, im Schein der LED-Lichter sah ich seinen verwirrten Gesichtsausdruck und mein Herz begann schneller zu schlagen. Schließlich fragte er zögerlich: „Was macht ihr denn hier?“
    „Ach“, reagierte ich vorschnell, um Julia nicht zu Wort kommen zu lassen, „nur eine Rauchen. Alles gut da drinnen?“
    „Klar“, meinte Liam langsam. „Lea kackt ein bisschen ab, aber passiert halt. Aber ich will euch nicht stören.“ Über seine Lippen huschte ein spitzes Lächeln und noch ehe ich erneut antworten konnte, um ihn zu bitten draußen zu bleiben, verschwand er bereits wieder hinter der Glastür und zog diese eilig zu.
    Für eine Weile lag nun eine erdrückende Stille über uns, bis ich schließlich noch genervter als zuvor seufzte.
    „Super“, zischte ich wütend, „Jetzt geht da drinnen das Gerede los.“
    Julia sah mich an; hatte ich doch gar nicht bemerkt, dass ich unbewusst ein bisschen von ihr weggerutscht war. Ich erwiderte ihren Blick nicht, sondern warf stattdessen meine Zigarette ins Gras und beobachtete, wie das Glühen der Überreste langsam nachließ und schließlich erlosch.
    „Noah, ich habe Angst, dass du dich zu sehr veränderst. Ich … habe dich immer sehr gemocht, so wie du bist.“ Mit einem Mal wurde Julia sehr direkt, ich spürte wie mich ihr Blick von der Seite löcherte und doch brachte ich es nicht über mich, ihren Blick zu entgegen. Um wenigstens irgendwie zu reagieren schüttelte ich vorsichtig den Kopf.
    Diese Geste als Antwort auffassend, redete Julia direkt weiter: „Du chillst heute zum ersten Mal seit Ewigkeiten mal wieder mit uns. Wir vermissen dich, siehst du das nicht?“
    Ich schnaubte empört und konnte mich nicht mehr richtig zügeln.
    „Nur weil ich keine Lust habe bei irgendeinem Typ eine Gartenparty zu feiern oder mir im Keller zwei Gramm reinzupfeifen, verändere ich mich? Du gehst mir langsam auf die Nerven“, fauchte ich wütend und stand auf.
    „Noah …“, flüsterte Julia entsetzt mit zittriger Stimme.
    Gerade, als ich mir noch eine Zigarette wollte, ergriff Julia plötzlich meine Hand. Sie war aufgestanden und hatte sich direkt vor mich gestellt. Fast berührten sich unsere Nasen und diese Nähe war mir sehr unangenehm. Ich wollte schon einen Schritt zurück treten, doch sie hielt mich bei sich. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Traurigkeit und Sorge, allerdings glitzerten sie dennoch. Das tiefe Braun ihrer Iris wich dem Schwarz ihrer Pupille, als diese sich immer mehr weiteten. In ihrem Blick lag mehr, als nur das, was sie gerade zu mir gesagt hatte. Ich wusste nicht wieso, aber es schien, als könnte ich Buchstaben, Wörter, sogar ganze Sätze aus ihren Augen ablesen. Sätze, die sie gerne sagen würde, aber nicht sagen kann.
    Plötzlich verlor ich die Kontrolle, ohne wirklich zu wissen warum. Ich konnte nicht sagen, wer damit begann, doch fand ich mich nach einigen Sekunden des Schocks in einem innigen Kuss wieder. Angenehm kribbelten Julias Lippen auf meinen, die Augen geschlossen genoss ich für einige Augenblicke lang das pure Gefühl. Ich griff mit meinen Händen um ihre Hüften, sie legte derweil ihre Hände um meinen Hals und fuhr mir liebevoll durch die Haare. Es war als wäre die Dunkelheit der Nacht einem strahlenden Licht gewichen, in dem Moment, in dem ich meine Augen geschlossen und mich dem Kuss hingegeben hatte. Es dauerte noch eine Weile, bis ich realisierte, was eigentlich gerade passierte. Erschrocken wich ich zurück, schlug die Augen auf und erwachte erneut in der Schwärze der Nacht. Verschwommen erkannte ich ihr errötendes Gesicht, das Licht lag jedoch eher in ihrem Rücken und so konnte ich ihren Gesichtsausdruck nur erahnen. Sie sog ruckartig ein wenig Luft ein, als müsste sie lachen aber es dann doch unterdrücken, und ich glaubte dabei zu erkennen, dass sie lächelte. Verkrampft versuchte ich Worte zu finden, doch meine Lippen waren immer noch wie gelähmt. Sie ging einen Schritt auf mich zu, griff nach meiner Hand, doch ich zog sie zurück. Fragend sah sie mich an.
    Ich drehte mich von ihr weg, wollte nichts mehr sehen. Kein Licht, kein Lächeln.
    „Noah, es tut mir leid“, stotterte Julia daraufhin verunsichert und legte ihre Hand an meinen Arm. Sie versuchte mich wieder zu ihr zu ziehen, mich umzudrehen um mir in die Augen sehen zu können, doch ich konnte nicht.
    In dem Moment unseres Kusses, war ich mir darüber bewusst geworden, was ich für Julia empfand. Ich hatte verstanden, was sie damit gemeint hatte, dass wir uns verändert hatten. Ich hatte verstanden, warum sie so anders zu mir war und auch warum ich in letzter Zeit immer auf Partys ging. Die ganze Nacht lang unterwegs war, Drogen nahm und neue Freunde gefunden hatte. Freunde, die eigentlich keine Freunde waren. Versuchte ich, sie mir vorzustellen, mir ihre Gesichter vor Augen zu rufen, sah ich nichts, nur Schwarz. Das einzige, was leuchtete, glänzte und erstrahlte, war Julia. Und ich wollte nicht, dass mit ihr das Gleiche passiert wie mit mir. Wenn ich mir mein eigenes Erscheinungsbild vor Augen rief, sah ich das Glimmern eine Zigarette. Und dahinter tiefes Schwarz, viel dunkler, als das aller meiner Freunde.

  • Hey Chess,


    wieder mal eine interessante Geschichte, die sich um Freundschaft und das Leben der Menschen dreht. Ich denke mal, das Gefühl kennt jeder, wenn man sich in gewisser Weise auseinanderlebt und so den anderen kaum noch wiedererkennt und die Thematik hast du auch gut rübergebracht. Angefangen damit, dass das alles noch recht verhalten angesprochen wird, weil es ja auch ein kritischeres Thema ist, bis hin zu den offenen Emotionen und dem Klartext hast du einen gut erkennbaren Verlauf drin, der sich immer weiter an Intensität steigert und schließlich am Ende zum Ausdruck bringt, was Julia die ganze Zeit sagen wollte. Und das finde ich gar nicht so verwunderlich, denn der letzte Schritt war wohl mit Abstand der schwierigste. Noahs Selbstreflexion nach dem Kuss macht hier durchaus Sinn, weil er wohl erst selbst bemerkt, wie sehr er sich verändert hat. Allerdings fehlt mir dann doch ein Abschluss, in dem er beispielsweise eine Entscheidung trifft und Julia sagt, was er denkt. Dass er sich von ihr abwendet und ihr sein Schicksal ersparen will, ist natürlich nobel, aber eben auch nur ein Gedankengang, der an der Geschichte nicht viel ändert. Falls er es wirklich so meint, wäre es beispielsweise möglich gewesen, dass er einfach weg geht und das Leben hinter sich lässt. Oder dass er sich Julia in die Arme wirft. Beide Situationen hätten da natürlich mehr Klarheit geschafft.
    Die Emotionen hast du gut rübergebracht und auch die alltägliche Situation lässt die Unterhaltung sehr natürlich wirken. Besonders hat mir da gefallen, als Liam zu den beiden rausgegangen ist und wieder rein. Es zeigt einfach, dass da jederzeit etwas passieren kann und ein weiterer Charakter auftreten kann. Eine Sache aber noch: Gegen Ende hin meintest du, Noah würde Julias Gesichtsausdruck nicht erkennen. Dementsprechend dürfte er in diesem Winkel zum Licht auch nicht ihre Augen- oder Gesichtsfarbe erkannt haben, zumal es ohnehin nachts ist. Aber davon abgesehen eine interessante Geschichte.


    Wir lesen uns!

  • Hallo Chess,


    na, das ist ja mal eine Überraschung, da nehm ich mir einen Monat Kommipause und aus Avalanche ist Chess geworden. Willkommen zurück. ;)


    Erloschen

    Zuerst wollte ich ja eine Verbindung ziehen zwischen „Erloschen“ und „Funkeln“, aber es stellte sich heraus, dass die Charaktere ja andere sind. Trotzdem thematisch passt das ganz gut zusammen. Keine Ahnung, ob ich viel dazu sagen kann, bei Young Adult kenn ich mich nicht so aus. Aber, ich versuch’s trotzdem mal.
    Der Einstieg hat mir gut gefallen, ich mochte die Atmosphäre und wie du gleich mit dem Konflikt gestartet bist. Da bin ich natürlich gleich neugierig, worum es hier eigentlich geht. Es wird jedenfalls gleich klar, dass Noah hier von Anfang an abblockt. Zuerst hab ich mal drauf getippt, dass er sich einfach nichts sagen lassen will, aber so ganz sicher war ich mir da nicht. Keine Ahnung, so ein Ausbruch klingt eher nach tieferen Gründen … oder Julia hat Noah zu dem Zeitpunkt bereits eine ganze Weile genervt. Die beiden haben sich also voneinander entfernt — also freundschaftlich. Man hat sich „verändert“. Scheinbar haben sie sich auseinandergelebt, aber Julia hat wohl mehr Interesse daran die Freundschaft aufrecht zu erhalten als Noah.
    Kann Julia übrigens sehr gut verstehen, wenn sie von Noahs Verhalten verängstigt ist — geht mir genauso, Personen werden so unberechenbar, wenn sie wütend sind. Allgemein scheint Noah hier sehr … mit sich zu kämpfen? Ich weiß nicht, er scheint sich seiner Position gar nicht mal so sicher zu sein, wenn er sich über das Mitgefühl wundert, das er empfindet. Sollte das nicht normal sein?
    Ah, die klassische Szene! Da sind die beiden Protagonisten sich nahe und logisch kommt irgendeine dritte Partei daher und stört. Versteh in dem Zusammenhang aber Noahs Reaktion nicht ganz. Wenn er und Julia sich schon lange kennen — obwohl, definiere „lang“, manche Leuten halten paar Monate schon für lang, für mich ist lang, wenn man von paar Jahren spricht — sollte es eigentlich nicht so peinlich sein, wenn er den Arm um ihre Schulter legt. Aber gut, Noah kriegt Panik und rückt dann sogar noch von Julia weg. Aber warum kriegt er Panik? Geht es ihm rein um das Gerede der anderen? Oder läuft er da vor irgendwas davon?
    Freakin! Na, das war ja eindeutig von Julia, als sie ihm gesagt hat, dass sie ihn „immer sehr gemocht“ hat. Ich mein, das kann man natürlich auch rein freundschaftlich sehen, aber nja, das klingt hier schon nach mehr. Gerade deshalb ist Noahs Ausbruch so plötzlich, dass da ja nur was dahinterstecken kann.
    Taten sprechen lauter als Worte — deshalb geht Julia in dem Fall auch soweit ihre Sorge in einem Kuss auszudrücken. (Der übrigens sehr gut beschrieben war, ich hab mit so was wahnsinnige Probleme. Mir fallen da keine Wörter ein!) Interessantes Stilmittel, bissl abgenutzt, aber wenn’s passt warum nicht? Sollte jedenfalls eindeutig genug sein, auch für den bockigen Noah. Tatsächlich hat er die Nachricht auch verstanden … aber seine Reaktion darauf ist natürlich für Julia mehr als missverständlich. Freakin! Ich kann mir sehr gut vorstellen, was in ihr jetzt vorgeht — ich mein, von Noah kann ich’s ja lesen, aber bei Julia kann ich es ziemlich gut nachempfinden. Muss aber gestehen, dass ich Noah nicht verstehen kann. Vermutlich sollte man das als Leser am Ende zwischen den Zeilen rauslesen können, aber meh, ich war in so was schon immer recht schlecht. Vielleicht, weil menschliche Beweggründe sehr komplex sind? Keine Ahnung. Jedenfalls scheint Noah irgendwas verdrängen zu müssen, sonst würde er sich ja nicht in das Nachtleben werfen und mit Leuten unterwegs sein, die er defacto kaum kennt. Wenn Noah in eine Abhängigkeit gerutscht ist, dann ist das natürlich nicht leicht, aber nicht unmöglich davon loszukommen. Allerdings ist es löblich von ihm, dass er Julia da nicht reinziehen möchte. Nur, ob es ihm gut tun wird, wenn er sie wegstößt, obwohl er dasselbe empfindet? Schwierig, schwierig.
    Das Ende ist also nicht wirklich aufklärend, aber passend zum Stil einer Kurzgeschichte. Wie auch der Anfang, also im Grunde passt hier alles gut zusammen. Stilistisch ist es eindeutig aus der heutigen Zeit und gut umgesetzt. (: Da bin ich schon gespannt, was hier als nächstes kommen wird!

  • Danke an @Rusalka und @Cyndaquil; hab euch lieb <3 Re-Kommis gibts per PN. :) Die neue Kurzgeschichte hat das brandneue G-Eazy-Lied "Just Friends" (s. Video) aufgegriffen. Drogenkonsum beinhaltet; allerdings nicht näher ausgeführt und kein Hauptgegenstand der Erzählung.


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    Leer


    „Erzähl man, was ist los?“
    Ich senkte meinen Blick und spürte wie meine Atmung flacher wurde. Tatsächlich schien der bloße Gedanke daran bereits meinen Körper derart stark zu beeinträchtigen, dass ich nicht herausfinden wollte, was passieren würde, sollte ich gar davon sprechen. Ich schüttelte daher nur kraftlos den Kopf und versuchte Liams fragenden Blicken aus dem Weg zu gehen. Einen Moment lang herrschte Ruhe, dann hörte ich Liam kurz einatmen, als wolle er gleich etwas sagen, doch schien er sich just im nächsten Augenblick anders entschieden zu haben, atmete wieder aus und schwieg weiter. Anstatt weiter nachzufragen akzeptierte er mein Schweigen als Antwort.
    Ich beobachtete nun aus dem Augenwinkel, wie Liam begann eine große Knolle Gras mit den Fingern zu zerkleinern und in ein Pape auf seinem Schoß zu verteilen. Kommentarlos verfolgte ich, wie er den Joint mit Tabak auffüllte, einen Tip an sein Ende setzte und schließlich begann – nachdem er den Inhalt gut vermischt hatte – ihn zu rollen und dann zu schließen; dass es bis auf den schwachen Schein einiger Laternen am Ufer des Flusses an dem wir saßen stockdunkel war, beeinträchtigte ihn nicht: Alles in allem dauerte dieser Vorgang keine zwei Minuten. In der Zeit, in der er gebaut hatte, war nur ein Lied gelaufen. Ich hatte es nur gedämpft aus dem Lautsprecher in meinem Rucksack gehört, welcher in Reichweite vor mir auf dem Weg lag. Ich neigte mich von der Bank nach vorne und griff nach ihm, um ein Feuerzeug herauszuholen.
    „Lass nur, ich hab‘ schon“, hörte ich Liam nur brummen und im nächsten Moment sog ich den unverwechselbaren Geruch von Cannabis in meine Nase.
    Ich sah meinen Freund an und nahm den Joint entgegen. Nachdem ich ein paar Züge gemacht hatte, gab ich ihn ihm wieder zurück und lehnte mich entspannt zurück. Die Schmerzen aus meinem Körper schienen mit einem Mal wie weggewischt und ich begann leise zu sprechen.
    „Weißt du, es ist einfach immer das gleiche …“, hauchte ich kaum hörbar.
    „Was?“, entgegnete Liam direkt; gerade etwas Rauch auspustend, „Mit Amelie meinst du jetzt?“
    Ich nickte, worauf Liam wütend seine Stimme hob: „Die blöde Schla-“
    „Ey!“, unterbrach ich ihn, eher beschwichtigend als verteidigend. Er rollte mit den Augen, gab mir den Joint rüber und schüttelte dann noch deutlich gestikulierend den Kopf.
    Ich zögerte einen Moment und warf meinen Blick in Richtung des Flusses, während ich zog. Einige hundert Meter weiter nach links färbten die Lichter der Skyline und einer Brücke den Fluss in der Dunkelheit der Nacht blau und gelb. Ich schätze, dass es in etwa 3 Uhr sein müsste, war mir aber nicht sicher. Noch war von der Dämmerung nichts zu sehen, allerdings hatte ich jegliches Zeitgefühl bereits lange verloren. Nachdem wir den Club um etwa 1 Uhr verlassen hatten, hatte ich nicht mehr auf mein Handy geschaut.
    „Liam, ich muss dir wirklich mal was sagen.“ Ich spürte die Restwirkung des Ecstasy in meinem Körper, ich war so mitteilungsbedürftig und offen wie selten. Im gleichen Moment schämte ich mich zwar ein wenig für mein direktes Verhalten, aber es schien mir auf eine komische Weise in Ordnung. Ich interpretierte sein beständiges Nicken als Bestätigung und begann mir die Worte zurecht zu legen.
    „Ich meinte das gerade so: Ich verliebe mich Hals über Kopf in dieses Mädchen und sie auch in mich. Zumindest glaube ich das. Und auf einmal wird sie wieder distanzierter, hat nicht immer Zeit sich zu treffen und … irgendwas ist anders.“ Mit jedem Worte fühlte ich mich ein kleine bisschen leichter, als würde ich Ballast von meinen Schultern werfen.
    Liam nahm den Joint entgegen, als ich ihn ihm hinhielt, und begann dann zu lachen. Nicht sonderlich herzlich oder laut, es war mehr ein gehässiges Schmunzeln.
    „Digga, ist dann halt so! Sie will halt nichts von dir“, antwortete er daraufhin schnell und sah mir in die Augen.
    „Aber genau das ist es was ich nicht verstehe: Am Anfang war doch alles gut. Und auf einmal kommt dieser Punkt, an dem sich etwas ändert und plötzlich alles anders ist. Aber was ist passiert? Was habe ich getan? Ich kann es mir beim besten Willen nicht erklären, alter …“
    „Okay“, leitete Liam eine offensichtlich längere Rede ein, „ich bin übel high, deshalb kriege ich das wahrscheinlich nur einmal hin: Du bist zu nett! Zu offen und zu ehrlich! Man, merkst du das eigentlich nicht? Wenn du sie behandelst, als wäre sie eine Prinzessin und ihr alles gibst, dann hat sie eben schon alles, was du ihr geben kannst. Aber sie will mehr und du kannst ihr nicht mehr geben. Also hat sie kein Bock mehr auf dich. Ganz einfach, Bruder.“
    Liam hatte so eine Art manchmal einfach die Wahrheit auszuspucken, auf eine meist respektlose und rücksichtslose Weise. Ich kam damit klar und war – im Gegenteil – sogar sehr glücklich darüber, dass er mich nicht anlog. Ihm konnte ich daher sehr gut vertrauen.
    Nachdem wir bestimmt eine oder zwei Minuten gar nicht mehr miteinander gesprochen hatten und der Joint bereits fast zu Ende war, stellte ich eine weitere Frage: „Und was ist dann Vertrauen und ehrliche Liebe? Wenn ich nie ich sein kann ihr gegenüber, weil ihr das nicht reicht? Wenn ich immer etwas in Reserve halten muss und ihr nicht einfach bedingungslos alles geben kann?“
    Liam zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung man, vielleicht ist sie nicht die Richtige.“
    Mit diesen Worten begann ich zu husten, ich war beim Ziehen am Ende des Joints angekommen und der nun viel zu heiße Rauch reizte meinen Hals zu sehr. Vielleicht war es nicht nur der Tabak, sondern auch Liams Worte. „Nicht die Richtige“, hallte es in meinem Kopf wieder. Immer und immer wieder.
    Ich warf den Stümmel weg, nachdem sich mein Hals einigermaßen beruhigt hatte und blickte erneut in Richtung Brücke. Die Lichter waren aus. Ich horchte erschrocken auf und runzelte die Stirn. Die Musik war aus. Ich stand auf und ging zum Ufer des Flusses. Ich traute mich zunächst nicht wirklich; warf letztlich aber doch einen Blick auf die Wasseroberfläche. Ich sah kein Spiegelbild und verstand nun.

  • Ich traute mich zunächst nicht wirklich; warf letztlich aber doch einen Blick auf die Wasseroberfläche. Ich sah kein Spiegelbild und verstand nun.

    Gut, dass er verstanden hat, dass es am See stockdunkel war. Ob die Laternen da nun so viel herausgeholt hätten, wage ich zu bezweifeln, aber in der Nacht sein Spiegelbild im dunklen Wasser zu sehen ist schon schwer.


    Hallo Chess! Das Lied passt atmosphärisch erstaunlich gut zum Inhalt und dass du ein Lied erwähnst, erhöht da natürlich die Stimmung. Über Drogen und ihre Wirkung will ich mal nicht sinnieren; grundsätzlich geht die Szene sicher auch ohne, aber so sind die beiden halt mal. Interessant auf jeden Fall, dass du nur Liam nennst, aber der eigentliche Erzähler keinen Namen hat. So fällt es etwas schwer, zu ihm einen Bezug aufzubauen.
    Das Thema Liebe ist auch generell eins, zu dem man viel schreiben kann und bei diesem Gespräch kann ich mir auch ziemlich gut vorstellen, dass es so oder ähnlich schon bei vielen stattgefunden hat. Die erste große Liebe zu finden ist schwer, mit vielen Gefühlsachterbahnfahrten verbunden und oftmals auch mit Enttäuschung, im besten Fall aber mit positiven Gefühlen verbunden. Besonders einseitige Hingabe ist da äußerst schwierig zu handhaben, da man selten nachvollziehen kann, warum es nun so ist. Das hast du mit den Fragen gut zur Geltung gebracht und auch am Ende, trotz einiger Ungereimtheiten, mit dem verschwundenen Spiegelbild erklärt. Plötzlich fühlt man sich einfach wie ein Nichts. Aufgeben darf man an der Stelle trotzdem nicht, denn es gibt immer ein nächstes Mal und irgendwann funkt es dann schließlich auch.


    Wir lesen uns!

  • Hallo Chess!


    So, da bin ich wieder und geb dir etwas Feedback zu deinem neuen Text.


    Leer


    Okay, also wir haben hier zwei … nun, keine Ahnung, wie alt die zwei sind, aber ich hoffe mal stark an die achtzehn. Im besten Fall älter. Bin auf Drogen nicht besonders gut zu sprechen, auch wenn ich von den durchaus positiven Eigenschaften von Cannabis weiß, aber Sucht ist halt nie ne gute Sache. Hat damals bei mir in der Ausbildung einer Mit-Azubi ganz schön das Leben schwer gemacht, weil sie von dem Zeug nicht loskam und somit „high“ in der Arbeit erschien. Anyway, darum geht’s ja nicht, ich find’s nur interessant, dass viele Leute solche „tiefgründigen“ Gespräche haben, wenn sie in irgendeiner Form — salopp gesagt — zugedröhnt sind. Ist das so ein Männerding? Les das über Frauen seltener, aber das muss nichts heißen, weil ich allgemein nicht viel in dem „Genre“ lese. °hüstl°
    Ich find’s interessant, wie du mit dem Drehen des Joints die Aufmerksamkeit des Ich-Erzählers für eine Weile festhältst, der ja momentan etwas durcheinander zu sein scheint und nicht weiß, wie er auf die Frage seines Freundes eingehen soll. Ist irgendwie eine komische Atmosphäre, die du damit erzeugst, aber vielleicht ganz passend — schwer für mich einzuschätzen.
    Danach rückt der Ich-Erzähler wenigstens etwas mit der Sprache raus und es geht um ein Mädchen. Verwundert mich irgendwie nicht, hatte mir schon gedacht, dass die beiden entweder über Frauen oder über ihren Platz in der Welt reden. ;) Das andere Geschlecht bietet mir zumindest die Möglichkeit aus der Sicht einer Frau zu sprechen — keine Ahnung, ob das hilfreich sein wird, wir werden sehen.
    Der Ich-Erzähler wird also redselig und erzählt also, dass er sich in ein Mädchen verliebt hat, sie „scheinbar“ in ihn auch und dann ist alles anders. Der Klassiker. Da kann ich jetzt mehrere Theorien aufstellen … Also zum einen, wenn er nur „denkt“ sie würde seine Gefühle erwidern, ist das nicht die beste Ausgangslage. Ich mein, es ist unglaublich schwer jemandem das zu sagen — zum einen, weil man natürlich die Reaktion des anderen selten absehen kann, aber auch, weil man sich vielleicht selbst nicht sicher ist. Außerdem, believe it or not: wir Frauen finden Aufmerksamkeit durchaus sehr schmeichelhaft. (: Vor allem, wenn sie nicht mit einer bestimmten Intention zusammenhängt, sondern, einfach mit uns. Und ich vermute mal, in gewisser Hinsicht sagt Liam das auch, nur drückt er es komplett falsch aus. Es hat nichts damit zu tun, dass der Ich-Erzähler zu nett ist. Natürlich kann es sein, dass der Ich-Erzähler etwas zu aufdringlich war und dass Amelie „verschreckt“ hat. Gehen wir das in der Theorie mal durch: Er liebt sie, sie mag ihn, aber hat noch keine stärkeren Gefühle. Er fängt an sie besonders zu behandeln und sie denkt vielleicht, sie habe ihm Hoffnungen gemacht, obwohl sie gar nicht weiß, was sie selbst fühlt. Wäre eine Möglichkeit, ihr Verhalten zu erklären — kann aber natürlich auch an etwas anderem liegen.
    Der Ich-Erzähler spricht hier natürlich was wichtiges an: Vertrauen und Liebe, weil ja, man sollte sich für jemanden nicht verstellen. Passiert ja schon oft genug, dass man sich in die „Idee die man selbst von einer Person hat“ verliebt und nicht in die Person selbst. Das tut Liam natürlich schlicht mit „sie ist nicht die Richtige“ ab. Ist jetzt nicht die beste Erklärung, aber ja, ich muss gestehen, ich hab von Liam jetzt auch nicht viel erwartet. Musste selbst erst ein paar Bücher lesen, um die Themen „Liebe“ und „Beziehung“ zu umreissen — true story. ;)
    Puh, ich glaub ich bin bissl abgeschweift … jedenfalls, muss ich gestehen, dass ich am Ende nicht verstanden hab, was der Ich-Erzähler wohl verstanden, weil er sein Spiegelbild nicht sehen kann. Sollte das etwa bedeuten, er hat keine Persönlichkeit? Oder er kennt sich selbst nicht? Andererseits, wie will man sich in stockfinsterer Nacht in einem Fluss überhaupt spiegeln? (Also ich war schon mal mitten in der Nacht an einem Fluss und ja, Vollmond kann dazu führen, dass man seinen Schatten sehen kann, aber im dunklen Wasser sieht man absolut gar nichts.)
    Jedenfalls, ein interessanter Text. Ich seh deine Texte ja immer so bissl als heutiges Lebensgefühl der Jugend, obwohl die Probleme vermutlich zeitlos sind. Aber gerade beim Thema Liebe geht das Verständnis ja doch manchmal — leider — weit auseinander. Mag übrigens deinen Schreibstil hier, sehr fokussiert auf die Handlung, ohne große Abschweifungen, passt gut zum Setting.
    Bin gespannt, was du als nächstes veröffentlichen wirst!



  • Euphoria


    Augen schweifen, leere Blicke
    Grau realer Welt entlfieh’n
    Menschen, die ich nicht vermisse
    Leise schlägt der Techno-Beat


    Hand in Hand mit dir gemeinsam
    Schlucken wir hinab das Glück
    Sonnenaufgang, wir sind einsamen
    Wollen in den Club zurück

  • Hey Chess,


    in dem Gedicht schreibst du ziemlich gut die Stimmung in einer Bar nieder, wenn man allein dort hin geht. Man will eigentlich nur abschalten und keiner der Anwesenden interessiert einen, da man doch nur sich selbst und seinen Gedanken hinterherhängen will. Den Beat aus den Boxen als leise zu bezeichnen setze ich mal damit gleich, dass derjenige gerade wirklich nachdenkt und den Hintergrund eher ausblendet.
    Danach fällt auf, dass du anfängst zu reimen. Ob das künstlerischer Natur ist oder nicht (kann ja etwa damit zusammenhängen, dass mit der zweiten Person im Gedicht etwas mehr Ordnung in die Gedanken reinkam), stelle ich mal dahin. Auf jeden Fall steht das doch im Kontrast zu dem, was du in der ersten Strophe beschrieben hast, da nun die Aufmerksamkeit jemand anderem galt. Es ist eine Szene, die jedem im Leben passieren kann und die quasi danach ruft, sich wieder zu treffen, wenn man sich zufällig in der Bar begegnet ist. Das Glück kann ja nun verschieden interpretiert werden: Ein Drink, die gemeinsame Zeit oder etwas ganz anderes. Das obliegt dann jedem selbst, wie er die Situation betrachtet. Hat mir im Großen und Ganzen durchaus gefallen.


    Wir lesen uns!

  • Interessanter Kommentar, @Rusalka - es ist mir glaube ich noch nie passiert, dass man vollkommen verfehlt, was die Aussage eines meiner Werke ist. Aber für alles gibt es ein erstes Mal, oder?


    Weil ich es jetzt interessant finde, deine Gedanken dazu zu hören, lege ich mal offen, was die einzelnen Verse und Bilder bedeuten. In gerenal: Es geht um Erlebnisse in einem Club, keiner Bar, und auch nicht alleine. ^^'


    Augen schweifen, leere Blicke

    Bezieht sich nach ursprünglicher Intention auf den "Tag danach" an dem man die Leute seines Alltags trifft, sie beobachtet ("Augen schweifen") und nicht glauben kann, dass sie nicht das gleiche erlebt haben, wie man selbst. "Leere Blicke" soll ausdrücken: Diese Menschen ein anderes Leben und sind damit vielleicht glücklich, aber für das lyrische Ich wäre das nicht genug. Nachdem das Gedicht fertig war, habe ich gemerkt, dass es doch eher so zu deuten ist: Im Club befinden sich viele Leute unter Drogeneinfluss, deren Blicke oft leer wirken, da sie bspw. intensiv nachdenken oder empfinden. Entsprechend kann auch das lyrische Ich damit in Verbindung gebracht werden: Seine Augen schweifen und es hat selbst leere Blicke => ist also ebenfalls unter Drogeneinfluss.


    Grau realer Welt entlfieh’n
    Menschen, die ich nicht vermisse

    Der zweite Vers sollte relativ klar sein, knüpft daran an, dass der Alltag "grau" ist (real => Alltag) und man eben dieser "Welt entfliehen" möchte, indem man in einen Club geht. Der dritte Vers bezieht sich dann auf genau diese Menschen aus dem Alltag, die man eben einfach nicht vermisst. Sie gehören zwar zum Alltag dazu, aber auf einer Wellenlänge sind sie nicht mit dem lyrischen Ich und somit braucht er sie auch eigentlich nicht.


    Leise schlägt der Techno-Beat

    Das ist nun der deutliche Hinweis auf die Art des Clubs. Ist schwer das jetzt nachzuvollziehen, wenn man diese Szene nicht kennt. Jedenfalls: Auch das kann auf den "Tag danach" bezogen werden, denn während das lyrische Ich diese Menschen beobachtet, pulsiert im Kopf immer noch leise der Techno Beat vom vergangen Abend. Techno wird oft als u.a. hypnotisierende Musik beschrieben (v.a. unter Einfluss von bspw. Marihuana/ggf. Ecstasy) - daher dieser Vibe. Ansonsten bezeichnet in der Club-Nacht "leise" hier nur, dass man bspw. so fixiert auf das Tanzen oder einen Gedanken ist, dass die Musik nur noch "stiller Begleiter" ist.


    Hand in Hand mit dir gemeinsam
    Schlucken wir hinab das Glück

    Hier kommt jetzt die Strophe, die du scheinbar komplett anders interpretiert ist. Ich weiß nicht, wie du auf "alleine" gekommen bist, aber der fünfte Vers sagt ja deutlich aus: Das lyrische Ich ist meiner Person unterwegs/zusammen und sogar mit ihr "Hand in Hand", was v.a. auf Liebe bzw. intensive Freundschaft hindeutet. Das Glück hinabschlucken bedeutet in diesem Fall MDMA-Konsum. Klar, schlucken kann auch Alkohol oder Fanta sein, aber da Glück und Euphorie die allg. mit MDMA verbunden Begriffe sind, da der Konsument sich unter Einfluss von Ecstasy unglaublich euphorisch und glücklich fühlt, ist der Hinweis eigentlich doch deutlich (wenn man eben darüber Bescheid weiß).


    Sonnenaufgang, wir sind einsamen
    Wollen in den Club zurück

    Im Grunde merkt man es auch hier wieder deutlich: Das Gedicht handelt von einer Party-Nacht in einem Techno Club und dennoch sind die meisten Verse aus einer anderen zeitlichen Perspektive. "Sonnenaufgang" steht natürlich für den Morgen und das Ausklingen der Party. "Einsam" beschreibt hier das Gefühl des Runterkommens von der Drogenwirkung, kann aber auch genauso gut darauf bezogen werden, dass man den Club (mit all den Menschen, die einem gleichgesinnt sind) verlässt und deshalb eben "einsam" ist. "Wollen in den Club zurück" ist dann das Ende vom Lied und stellt direkt Bezug zum Anfang des Gedichtes zurück: Der Alltag ist langweilig, grau und die Menschen, mit denen man den Alltag verbringt, gefallen dem lyrischen Ich nicht. Deswegen möchte es "in den Club zurück", was natürlich stellvertretend für die Emotionen und den Vibe dieser Szene steht.


    Alles in allem: Das Gedicht ist im Grunde ein Rückblick auf die Party-Nacht des lyrischen Ichs. :)

  • Anlässlich der möglicherweise bevorstehenden Neuwahlen aufgrund des Abbruchs der Jamaika Sondierungen – 23.11.2017


    An die „Regierungsbeauftragten“


    Die Regierung abgewählt
    Schulz ein armes Unschuldslamm
    Bleibt und steht für seine Meinung
    Dass er nicht regieren kann


    Mama wieder an der Spitze
    Rechtsdruck; Schwester CSU
    Führungslos; Europa leidet
    Weil man nicht sondiert genug


    Außer über Ganja reden
    Für Legalisierung wird sich nicht verkauft
    Kompromissloser Umweltschutz
    Hatten Grüne Wähler noch geglaubt


    Bühne frei für Christian Lindner
    „Lieber nicht regier’n als falsch“
    Justin Bieber – Moderolle
    Erfreut sich an des Medienschwalls


    Schwarze Ampel abgeschoben
    Obergrenze akzeptiert?
    Linke wehren sich alleine
    Irrelevantes Musketier


    Die schlimmsten haben wir vergessen
    Der Name bleibt doch unerwähnt
    Vorsicht gilt der schleichenden Gefahr
    Die den Geist der Demokratie verschmäht


    Man scheue nicht vor neuen Wahlen
    Unwort des Jahres? Regierungsauftrag!
    Auf Unterschätzung folgt böses Erwachen
    Stimme um Stimme, Schlag auf Schlag

  • Drift


    „I don‘t want that fucking winter anymore, having to wear long trousers and more than just a shirt is killing me. I hate that neverending cold and darkness. We need things like Christmas to numb the anxiety and the pain we feel but I’m actually done with Santa and cookies.


    I want sun. I want heat. I want light. I want long days. I want to sweat. I want to laugh. I want to run, play, swim und stay outside. I want listen to music at the beach, I want to do barbecues and get drunk anywhere but not in a house, a club or a bar. I want outdoor stages and festivals, spontaneous ideas and love in my body. I need summer. Now.“

  • Hallo Chess (:


    Ich dachte mir, ich nehm mir mal dein Gedicht An die Regierungsbeauftragten vor, weil es mir nämlich wirklich gut gefällt. Allgemein find ich's sehr spannend, wie du hier die ganze Misere so gut in den Versen deutlich gemacht hast. Ist ja wirklich kein Zustand zurzeit.
    In der ersten Strophe geht's darum, dass die SPD ja keine neue GroKo wollte und deshalb in die Opposition gehen. Was im Grunde keine schlechte Sache ist, vielleicht tut bissl Opposition der SPD ja mal wieder ganz gut. Allerdings hört man in deinem Vers schon so bissl raus, dass das bei Schulz eher so ein "Hände in die Luft werfen" ist, anstatt eines richtigen Statements. Sonst würde es ja nicht doch wieder um die GroKo gehen.
    In der zweiten Strophe kümmerst du dich dann darum, dass Angela Merkel doch wieder Kanzlerin ist. Eigentlich weiß ich gar nicht, woher es kommt, dass man auch "Mama Merkel" sagt, so mütterlich empfinde ich sie ehrlich gesagt gar nicht. Geht der Rechtsruck nicht eher von der CSU aus? Oder bezog sich der Rechtsruck noch auf die CDU, weil Frau Merkel weiterhin Kanzlerin ist? Bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Würde aber vor allem zur CSU passen, die versuchen leider die AfD in Bayern "rechts" zu überholen. Das macht man ja schon nicht im Straßenverkehr, warum man es in der Politik versucht ist mir ja schleierhaft. Führungslos war die CSU tatsächlich eine Weile, weil Seehofer ja nicht mehr Ministerpräsident sein wollte. Was vermutlich auch ganz gut ist, er macht den Job schon ziemlich lang und ob er ihn "gut" macht, ist wieder ne andere Sache. Jetzt ist ja Söder Ministerpräsident und oh my, ich weiß nicht. Bin aber ohnehin der Ansicht, dass die Stärke der CSU in Bayern inzwischen bedenklich ist.
    Interessant, dass du hier Europa ansprichst -- hab das jetzt auf zwei Weisen gelesen. Zum einen, die doch recht große Stellung Deutschlands in der EU und deshalb die "europäische Idee" leidet, zum anderen aber auch, dass halt doch einiges stillsteht und das allgemein die Lage in Europa nicht verbessert.
    Leider weiß ich nicht, wer oder was "Ganja" ist, muss irgendwie an mir vorbeigegangen sein. ^^" Aber gerade die Sache mit dem Umweltschutz, den du hier in der dritten Strophe ansprichst ist echt eine Sauerei. Eines der größten und wichtigsten Themen und keiner setzt sich dafür ein. Dass die Grünen nicht lauter protestieren kann ich in der Hinsicht auch nicht nachvollziehen.
    Der Lindner! Alter, sein Statement war ja auch sehr zweispaltig. Einerseits kann ich verstehen, wenn jemand konsequent sagt: Nein, bei solchen Kompromissen können wir das nicht machen. Ist ja eigentlich schon stark, bedeutet, dass man sich für etwas einsetzt. Andererseits pls! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so unmöglich gewesen wäre da einen Konsens zu finden, mit dem man arbeiten kann. Vermutlich blieben aber alle schön auf ihrer Position stehen und bewegten sich kein Stück. Gerade die CDU hätten hier mehr Kompromisse machen sollen -- jedenfalls in meinen Augen. Ist ja nicht so, als hätten FDP und Grüne "grauenhafte" Pläne -- das wär ja dann wohl eher die AfD, deren Parteiprogramm man sich gar nicht näher anschauen will ...
    In der nächsten Strophe geht's du ganz klar in Richtung Flüchtlinge, jedenfalls wurden die Begriffe "abgeschoben" und "Obergrenze" in der Debatte sehr oft genannt. So wirklich abgeschoben ist Schwarz aber nicht, aber vermutlich versteh ich nicht ganz, worauf du hinauswillst. Obergrenze ist halt auch so ne Sache. Einerseits würde es Sinn machen die Migration zu begrenzen, andererseits ist halt die Frage, ob man überhaupt alle Möglichkeiten schon in Betracht gezogen hat. Ich denke mir, hier könnte viel möglich sein, aber man muss sich halt auch aktiv damit beschäftigen. Und vielleicht mal aufhören Waffen zu exportieren. Kann ja nicht so schwer sein den einschlägigen Waffenfirmen den Export zu verbieten und einen Riegel vor zu schieben. Die Linken sind wirklich ziemlich leise. Schade eigentlich, so manche Ideen von denen find ich gar nicht mal schlecht. Versteh auch gar nicht, warum die SPD sich so krass von den Linken distanziert -- haben die nicht ähnliche Ziele?
    Die vorletzte Strophe spielt ganz klar auf die AfD an. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen, weil du genau das gesagt hast, was hier der Punkt ist.
    Die letzte Strophe fasst das ganze Gedicht noch mal schön zusammen find ich. Vielleicht sind Neuwahlen gar keine schlechte Idee, meine Angst hierbei ist bloß, dass die Unfähigkeit unserer Regierung der AfD in die Hände spielt. Und dann wird einem ja Angst und Bange ... Aber es stimmt, die Regierung wird sicherlich bei der nächsten Wahl abgewatscht werden, wenn sie's jetzt versauen. Letztendlich wurde die GroKo ja schon abgewatscht, weswegen eine Neuauflage gegen jeglichen Wählerwunsch geht. Weiß wirklich nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Vor allem, weil eine momentan handlungsunfähige Regierung halt auch nicht hilft. (Ich sag nur "vorläufige Haushaltsverfügung".)


    So, jetzt hab ich ne ganze Menge zu deinem Gedicht gesagt -- sehr viel anderes kann ich auch nicht sagen, weil du das alles einfach richtig gut dargestellt hast. Kurz und prägnant in den einzelnen Strophen auf die Probleme eingegangen bist. Gefällt mir sehr, ein wenig Polemik, aber vor allem kritisch hast du dich hier geäußert. Ist gelungen! (:

  • He @Chess! :love:


    Ja also zum Gedicht „ An die ,Regierungsbeauftragten´“ hat Cyndaquil schon einiges gesagt und vermutlich würde ich mich am Ende in Wiederholungen verstricken oder so :D Also auch, wenn ich längst nicht so ausführlich wäre, es sei denn ich käme in Fahrt. Würde dann allerdings irgendwo meinen roten Faden verlieren, lol.
    Stimme ihr jedenfalls zu: Das Gedicht ist echt super, eine wunderbare Momentaufnahme von den gescheiterten Sondierungsgesprächen und lyrisch hübsch aufbereitet. Runder geht's kaum!


    Zu „Drift“ kann ich ebenfalls ein paar positive Worte sagen: Gefällt mir echt gut und hat mir Freude bereitet, zu lesen. Also zum einen, weil ich auch absolut der Sommer-Mensch bin und mir der Winter aus allen Körperöffnungen heraushängt. Hasse diese permanente Kälte einfach.
    Witzig fand ich, als du Weihnachten angesprochen hast, um von der Kälte und der verkackten Laune in der Zeit abgelenkt zu werden. Das denke ich mir nämlich tatsächlich immer, wenn die Weihnachtszeit beginnt: „Das Einzige, was das hier aushaltbar macht, ist Weihnachten und locker gibt's auch genau deswegen nur dieses Fest: Weil die Leute das Wetter auch früher schon kacke fanden zu der Jahreszeit“. Gehe ich also d'accord mit, wobei ich für meinen Teil nie genug von Keksen habe ♥ Oder Süßigkeiten. Oder Kaffee. ODER MOJITOS.
    Der zweite Teil ist dir ebenfalls gut gelungen, vor allem dadurch, dass hier Inhalt und Form super ineinandergreifen: Dieses sich ständig wiederholende „I want“ spiegelt exakt den Druck, den Leute wie du und ich haben, wenn sich der Sommer zurückgewünscht wird, wieder. Und die dazugehörigen, inhaltlichen Passagen, oder besser, die Wünsche, treffen auch mitten ins Schwarze.


    All in one: Sehr gut!
    Ich hasse übrigens Englisch. Heißt also was, dass ich mich da freiwillig durchgekämpft habe und es auch noch gut finde :D

  • In Schatten kleidet sich
    Die Angst
    Vor der Entscheidung
    So paradox
    Gibt es doch weder richtig
    Noch falsch
    Ist sie doch alles
    Und nichts zugleich
    Dem Wunsch dich nicht zu kennen
    Jagen Rosen, rot wie Feuer, hinterher
    Sind Tränen bloß
    Begleiterscheinung
    Oder doch ein Zeichen der Wahrheit
    Peitscht Regen gegen Scheiben
    Laut - grell - kalt
    Oder bin ich das?


    - 04.09.2018

  • Fernweh // Heimweh


    Sirenengeräusche, Zigarettenrauch. Ein Balkon, mitten in der Stadt – intim, und doch öffentlich.

    Vielleicht sind wir zwei Blumen, wunderschön miteinander. Ich eine Rose, du eine Sonnenblume. Du strahlst, ich glühe. Wir sind perfekt, wunderschön miteinander.

    Ein letzter Zug, Rauch formt einen Wirbelsturm in der Dunkelheit – sichtbar bloß im roten Auge des Feuers. Knistern, Asche schwebt davon.

    Regentropfen prasseln herab, Wind pfeift durch die Straßen – er singt ein Lied, kaum verständlich. All‘ meine Ängste sammeln sich in diesem Aschenbecher; wehten sie doch hinfort. Dornen auf meiner Haut könnten dich verletzen, deine Haut aufschlitzen und dich bluten lassen. Und doch bleibst du bei mir, legst deinen Kopf auf meine Schulter und schweigst. Sagst du damit doch viel mehr, als andere es je könnten.

    Behutsam fahre ich durch deine Haare, lege die Strähnen bei Seite und blicke dir in die Augen. Wie können zwei Augenblicke gleichzeitig passieren, hier und jetzt?

    „Ich will für dich leben“, hauche ich.

    Du siehst mich an – lächelst.

    Auf den Blitz folgt grollender Donner, er verheißt, was vor uns liegt. Und doch trotzdem wir ihm, verstecken uns, bleiben allein, wunderschön miteinander.

    Ich verstehe meine Gedanken nicht, sie drehen, spiegeln, stehen, fallen. Und dann bist du da, und sie lassen los. Sie ziehen fort, geben auf, lassen mich in Frieden.

    Rosen und Sonnenblumen sind verschieden. Und doch haben sie eines gemeinsam: Sie sind Quellen des Lebens, wunderschön miteinander – teilen sie nichts anderes? Vielleicht sind wir anders, als andere Rosen und Sonnenblumen. Wir teilen Ekstase und Lethargie, Euphorie und Depression. Lass mich nie wieder gehen, denke ich und gebe dir einen Kuss.

    „Nie wieder.“

    Aus der Wohnung kratzen sie an der Scheibe, ihre toten Augen funkeln durch die Rollläden. Auf diesen Balkon sind wir sicher, solange wir uns haben, wunderschön miteinander.

    Ich blicke zurück, auf längst vergangene Tage. Ich erinnere mich an Narben, Tränen und Schmerz. Doch all‘ das scheint weit entfernt zu liegen in diesem Augenblick. Du bist hier und ich kann atme dich ein. Der Regen lässt nach, das Lied wird leiser.

    „Ohne dich schaffe ich das nicht.“

    Ganz weit weg, tief, am Ende des Horizonts öffnest du deine Augen. Deine Lippen formen einen Satz, den ich nicht hören brauche. Denn ich kann ihn fühlen.