Pieces

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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  • @Sunaki:


    Wie immer mal wieder Danke für den Kommentar :3


    Ah ja, davon hast du also erzählt. Das es eine Kurzgeschichte wird, ist ganz praktisch. So sehen wir im Schnelldurchlauf, wie ein Fall bei dir aufgeklärt wird. Das ist ganz nützlich denke ich, um sich ein Bild zu machen. War dein Freund daran auch schon beteiligt?

    Ja, mein Freund war auch daran beteiligt.


    Ich möchte allerdings vorwarnen, dass die Geschichte nicht so unbedingt auf dieselbe Art und Weise abläuft, wie die Hauptgeschichte oder auch nur ein paar der anderen Kriminalfälle, die wahrscheinlich auch noch irgendwann als Kurzgeschichten kommen. (Aka: Es gibt ein paar Sachen, die ich mittlerweile ganz anders machen würde - vorrangig, dass mir die Geschichte jetzt zu gequetscht vorkommt. Sprich: Das Pacing würde ich wohl anders gestalten.)


    Einfacher gesagt: Es ist wortwörtlich ein Pilot. Du weißt schon, wie bei Fernsehserien-Pilotfolgen, die manchmal ganz andere Schauspieler haben (und dich dann frustrieren, weil du die späteren Darsteller nicht magst, ja, ich schau dich an, Being Human) und auch manchmal ein leicht anderes Setting, als die Serie es später hat. Halt eher ein Proof of Concept.


    Kurzum: Ich bin selbst durchaus sehr kritisch gegenüber der Geschichte - wollte sie aber jetzt auch nicht vorenthalten, da es immer mal weider Referenzen auf die Handlung gibt. (Und an sich ist sie wohl immer noch gut genug, um auf Animexx in den YUAL zu landen, I guess...)


    Ich werde die Geschichte irgendwann auch sicher noch mal ordentlich überarbeiten (damit sie auch in Timeline und anderen Details angepasst ist), da halt ein Charakter aus der Geschichte auf jeden Fall noch eine Rolle spielen wird, aber mal sehen, wann ich dazu Zeit finde.



    ⬑ Kurzum: Ich bin selbstkritisch, weil Idee zu dem Zeitpunkt noch nicht komplett ausgereift war.



    Da wiederholst du dich aus Kapitel 1. Aber ich denke mal das hast du raus geschnitten, als du die Kurzgeschichte hier von der Hauptstory getrennt hast?

    Ich werde so ein paar essenzielle Sachen (eigentlich sollte auch die Charakterbeschreibung...) wohl irgendwo in jedem Band mal einbringen, wie es für Serien des Genre üblich ist, um es Quereinsteigern leichter zu machen. :)



    Ist einer von ihnen nicht sein leibliches Elternteil? Denn diese Formulierung kommt mir sehr komisch vor. Die meisten würden einfach sagen, er hätte Probleme mit seinem Vater gehabt.

    Meiner Erfahrung nach nicht, nein. Viele Leute reden erst so von einer anderen Person, wie sie hauptsächlich von ihr denken. Wenn man von jemanden vorrangig als Ehepartner denkt und erst dann, in zweiter Linie, von ihm als Vater des eigenen Kindes und man auch noch etwas neben der Spur steht, kommen solche Sachen zusammen.




    Also ist er noch auf der Polizeistation? Oder zählt für sie das Militär einfach dazu? Oder hast du einfach einen Fehler gemacht?
    Denn diese Formulierung kommt mir auch so komisch vor.

    Wieso das?
    "Alan ist bei der Marine" ist einfach ein Ausdruck dafür, dass jemand bei der Marine arbeitet. (Da mein Schwiegervater bei der Marine ist, habe ich damit Erfahrung ;)) Man sagt "XY ist bei der Marine" nicht "XY arbeitet für die Marine" oder "XY ist Soldat bei der Marine." Letzteres höchstens, wenn man betonen will, was für eine Stellung jemand hat. In dem Fall sagt man dann halt bspw. "XY ist Offizier bei der Marine". Hat sich halt so eingebürgert. Im Englischen ja genau so. "XY is with the navy."
    Genau wie man auch eher sagt: "XY ist beim Militär/der Bundeswehr" o.ä. anstelle "XY arbeitet für das Militär".
    Das hat nichts damit zu tun, von er aktuell sich befindet, sondern mit dem Beruf. ;)

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    Vorwort:
    Ähm, ja, sorry. Das hat jetzt, ähm, etwas länger gedauert. Aber wie viele hier sicher schon mitbekommen haben, ziehe ich gerade um, bzw. bin gerade umgezogen und habe gerade daher auch Probleme mit dem Internet und so. Daher ist es irgendwie in den letzten zwei Wochen untergegangen. Tut mir wirklich leid. (Sollte jemand drauf gewartet haben.)


    Daher nun... Die zweite Hälfte von Kyras Fall. :3


    Nächste Woche kommt eine kleine Gruselgeschichte. ^___^




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    Es dauerte eine Weile, doch am Ende hatte Kyra es geschafft, die Ladenbesitzerin zu überzeugen, sie die Überwachungsvideos anschauen zu lassen. Manchmal hasste sie es, kein offizieller Consultant der Polizei zu sein. Es würde so vieles einfacher machen. Doch was hatte es für einen Sinn darüber nachzudenken. Nicht jeder Privatdetektiv wurde so leicht zum Consultant berufen und auch wenn es einem gewisse Vorteile gab – gerade in Fällen, wie diesem, an denen ebenso die Polizei arbeitete – so kam sie auch so irgendwie klar.
    Dankbarer Weise konnte man dennoch mit den Leuten reden; selbst wenn es zwanzig Minuten dauerte und einem die Zeit davon lief. Nun saß sie vor einem sehr, sehr kleinen alten Röhrenbildschirm im Hinterraum des Supermarkts und sah sich das Video an, während der arme Watson vor dem Laden warten musste.
    Sie hatte sich einen Energy Drink und Chips gekauft, da sie befürchtete, dass es etwas dauern würde.
    Wenn Cole nach der Schule erst zum Spielplatz gegangen war, war er wahrscheinlich irgendwann zwischen halb vier und fünf Uhr hier vorbei gekommen. Das bedeutete, es gab eineinhalb Stunden Video, die sie schauen musste.
    Sie konnte froh sein, dass die Kamera draußen keine Attrappe gewesen war. Zwar würde es ihr wahrscheinlich nicht viel sagen, aber immerhin konnte sie so sehen, ob der seltsame Mann und Cole hier vorbei gekommen waren.
    Wenn nicht... Dann wusste sie wirklich nicht mehr weiter. Aber wie sagte man? „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
    Natürlich war es nicht besonders professionell, sich tatsächlich Sorgen um das Ziel eines Auftrags zu machen, aber es war am Ende nur ein kleiner Junge.
    Sie spulte das Video vor, langsam genug, als dass sie sehen konnte, wenn jemand vorbei kam. Wann immer sie jemanden sah, verlangsamte sie das Video, in der Hoffnung, dass es Cole oder ein großer, blasser Mann mit Sonnenbrille war.
    Ungeduldig, wie sie war, seufzte sie schon nach den ersten zehn Minuten genervt auf und sah erneut auf ihr Smartphone, wieder darauf hoffend, dass Mrs. MacConnery ihr geschrieben hatte.
    Nichts.
    Wieder sah sie auf den kleinen Bildschirm, spulte etwas weiter vor. Dann hielt sie an. Da war ein Junge, der die Straße entlang rannte. Das Bild war zu klein, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es Cole war, doch zumindest hatte der Junge helle Haare und schien etwa die richtige Größe zu haben. Wichtiger aber noch: Keine Minute später kam ein großer Mann vorbei, gekleidet in einem guten Anzug, mit einem Hut und Sonnenbrille.
    Auch wenn ebenso keine Details zu erkennen waren, dank der schlechten Bildqualität. Allerdings erinnerte sie der Mann an etwas, das sie in einem von Jasons Artikeln gesehen hatte... „Men in Black“ war der Begriff, der ihr einfiel. Aber das war Unsinn. Vielleicht eine Verkleidung? Sie hatte einmal gelesen, dass Serientäter solche Angewohnheiten entwickelten.
    Was bedeutete, dass es noch schlimmer für Cole aussah.
    Aber er war hier vorbei gekommen. Also war sie auf dem richtigen Weg. Was bedeutete, dass sie sich besser beeilen sollte.
    Sie stand auf, pausierte das Video und ging in den Laden zurück. „Ich habe, was ich brauche“, sagte sie zu dem jungen, blassen Mann – kaum mehr, als ein Teenager – der gelangweilt an der Kasse stand. „Danke.“
    „Kein Ding“, meinte er monoton und lehnte gegen die Kasse.
    Kyra verließ den Laden und machte Watson los. „Komm, Junge“, sagte sie, ehe sie sich nach rechts wandte.
    Sie wusste nicht, was sie zu finden hoffte. Aber hey, der Junge schien erstaunlich intelligent gewesen zu sein. Vielleicht hatte er sich irgendwo verstecken können? Oder zumindest eine Spur hinterlassen... Etwas, dass sie zu ihm führen konnte.
    Irgendetwas...
    Sie folgte der Straße weiter, wohl wissend, dass sie Cole so wohl kaum finden würde. Als die Straße endete und sich in zwei Straßen aufteilte – eine breitere, die in Richtung des alten Hafengebiets zu führen schien, und eine schmalere, die an weiteren Wohnhäusern vorbei zu einem kleineren Grüngebiet führte – bückte sie sich.
    „Was meinst du, Watson?“, fragte sie, da ansonsten keine Methode einfiel, außer eine Münze zu werfen. „Glaubst du, du kannst die Spur wieder aufnehmen?“
    Der Bernersennen legte den Kopf schief und sah sie an.
    Erneut holte sie das T-Shirt hervor und hielt es ihm noch einmal hin. „Bitte, Watson“, murmelte sie, während er erneut interessiert daran schnüffelte.
    Zumindest schien er nun schneller zu verstehen, was sie von ihm wollte, den nach einigen Sekunden ausgiebigen Schnüffelns am T-Shirt senkte er die Nase wieder und lief ein wenig den Bürgersteig entlang.
    Kyra konnte nicht sagen, warum es ihm hier so viel schwerer viel als vorher. Immerhin sollte es nicht ablenkende Gerüche geben, als auch dem Spielplatz, oder? Davon einmal abgesehen müsste diese Spur sogar ein wenig frischer sein. Doch vielleicht sah es für die Hundenase anders aus oder Watson war einfach erschöpft. Vielleicht kamen auch einfach mehr andere Hunde vorbei, deren Territoriumsmarkierungen ihn verwirrte. Er würde sich am Abend wahrscheinlich ein besseres Essen verdient haben, als sie es sich normal für ihn leistete.
    Schließlich schien er tatsächlich etwas gefunden zu haben. Er war nicht mehr so zielstrebig, wie er zuvor gewesen war und trabte die breitete Straße entlang.
    Es ging dieses Mal langsamer voran, da Watson immer wieder inne hielt, um ausgiebiger zu schnüffeln.
    Er führte sie so in eine Gegend, die früher einmal von der Industrie genutzt worden war, während nun viele der alten Industriegebäude und Lagerhäuser leer standen. War der Junge wirklich hierher gekommen? Sie konnte nur sagen, dass sie sich als Kind wohl eher von der Gegend ferngehalten hätte. Immerhin war sie eher dafür bekannt, eine Zuflucht für Drogenhändler zu sein. Auf der anderen Seite wusste es der Junge wahrscheinlich nicht oder hatte es viel besser nicht gewusst, als er hierher geflohren war – wenn er hierher geflohen war.
    Immer wieder schien Watson die Spur zu verlieren, aber wenn sie der Straße weiter folgten, fand er sie meistens nach einer Weile wieder.
    Nach einer Weile jedoch jaulte der Hund auf. Er hob die Schnauze, machte kehrt und lief so mehrfach im Kreis.
    Sie standen in der Nähe einer Kreuzung, von der eine Straße weiter zum Hafen, eine jedoch weiter ins alte Industriegebiet führte, während eine andere zum modernen Industriegebiet zu führen schien, da es hier besuchte Pubs und Fastfoodjoints gab, wahrscheinlich für die Arbeiter, die in der Mittagspause und nach der Arbeit herkamen.
    „Komm, Watson“, meinte sie, als er verwirrt umher lief.
    Wenn sie so nicht weiterkam, dann musste sie halt fragen. Vielleicht hatte jemand am Tag zuvor Cole gesehen?
    Es war mittlerweile Nachmittag – etwa dieselbe Zeit, zu der auch Cole hier durchgekommen sein musste. Also vielleicht hatte sie Glück.
    Sie ging in das erste Pub hinein. Ein sehr kleines Pub, das neben der Bar nur ein paar eng aneinander gerückte Tische hatte. Doch zumindest saßen einige Leute – vorrangig Männer – hier, die teilweise aßen, zum Teil jedoch auch einfach nur ein Bier tranken.
    Köpfe drehten sich zu ihr um, als sie hineinkam.
    „Kann ich Ihnen helfen, junge Lady“, meinte der Mann hinter der Bar in einem scherzhaften Ton. Er hatte eine Halbglatze und war recht breit gebaut, aber nicht dick. „Haben Sie sich verirrt?“
    Es hatte keinen Sinn groß um den heißen Brei herum zu reden. „Ich bin auf der Suche nach jemand. Einen Jungen, der gestern verschwunden ist.“ Sie holte das Bild Coles aus ihrer Tasche hervor. „Hat jemand von Ihnen ihn gesehen?“
    Der Mann an der Bar nahm das Bild und betrachtete es. „Verschwunden, sagen Sie? Entführt?“
    „Das ist nicht bekannt“, erwiderte Kyra. „Aber ich habe Hinweise, dass er hier vorbei gekommen ist.“
    Der Mann schüttelte den Kopf. „Sorry, Mädel, habe ihn nicht gesehen.“
    Einer der anderen Männer streckte die Hand aus. „Zeig mal her, Oliver“, meinte er und nahm das Bild.
    So wurde das Foto von einer Hand zur anderen gereicht, bis schließlich ein blonder Mann aufstand. „Ich habe den Jungen gesehen“, sagte er. „Is' gestern hier durchgekommen. Hat's ziemlich eilig gehabt. Is' Richtung der alten Näherei gerannt.“
    „Alte Näherei?“, fragte Kyra.
    „Na ja, alte Schneiderei oder so was“, meinte ein anderer Mann, offenbar ein Arbeiter, wenn Kyra nach seiner Kleidung ging. „Wenn du schauen willst: Die Straße hoch. Altes Backsteingebäude. Abgesperrt. Aber nicht zu verfehlen. Würd' dir aber nicht raten, reinzugehen. Keine Ahnung ob das Kind dahin ist. Aber ja...“
    „Is' zumindest in die Richtung gerannt“, meinte der erste Mann wieder.
    Ja, so etwas hatte sie häufiger schon gehört. Zugegebener Maßen wünschte sie sich gerade, ihre Pistole dabei zu haben – aber sie wollte sich nicht die Zeit nehmen, zum Spielplatz zurück zu laufen, mit dem Auto nach Hause zu fahren, nur um wieder hierher zu kommen. Immerhin war es Herbst und es würde nicht mehr zu lange dauern, bis es dunkel wurde.
    „Danke“, meinte sie nur. „Ich schaue einfach nach.“
    „Sei vorsichtig, Mädel“, rief ihr noch jemand hinterher, während sie wieder nach draußen ging, wo Watson auf sie wartete.
    Eigentlich hätte er hier in der Gegend wohl an die Leine gesollt, doch wenn man bedachte, dass Watson sich freiwillig ohnehin nicht mehr als einige Meter von ihr entfernte, nahm sie es nicht so ernst. Sie hatte nicht einmal eine Leine dabei.
    „Komm“, sagte sie wieder und ging in die Richtung, die man ihr gezeigt hatte. Sie kam nicht umher ein ungutes Gefühl zu haben.
    Auch wenn viele anliegenden Gebäude eher zerfallen und verlassen waren, traf es nicht auf alle zu. Es gab noch einige Läden und offenbar auch ein paar Wohnhäuser. Nun, wenn sie Cole nicht fand, konnte sie da einmal herumfragen. Allerdings sah es nicht danach aus, als gäbe es irgendwo gute Verstecke.
    Doch Kyra fand, was man ihr beschrieben hatte. Ein altes Gebäude, wie sie zur Zeit der industriellen Revolution gebaut worden waren. Sie wusste, dass viele dieser Fabriken noch recht lange genutzt wurden, doch nun sah das Gebäude aus, als wäre es seit mindestens zehn Jahren verlassen.
    Ein knapp zwei Meter hoher Maschendrahtzaun mit einem „Einsturzgefahr! Betreten verboten!“ Schild war um das von Pflanzen überwucherte Gelände gespannt. Der ursprünglich einmal geteerte Platz vor dem Gebäude war von Gräsern und anderen Pflanzen überwuchert und die Bäume am Rand des Geländes, hätten dringend einmal getrimmt werden müssen.
    Watson bellte und begann an dem Boden an einer Stelle unter dem Zaun zu kratzen.
    „Was ist los?“, fragte Kyra
    Erneut bellte Watson und grub weiter. Er lief ein wenig zur Seite und drückte gegen den Zaun, als würde er wonach suchen. Dann gab der Zaun an einer Stelle nach. Ein Teil des Maschendrahts war an einem der metallenen Pfähle lose und bot definitiv genug Platz, als dass ein Kind hätte drunter durchklettern können.
    Auch Watson kam problemlos durch.
    Kyra seufzte und kniete sich hin, ehe sie sich ebenfalls den Boden entlang unter dem Zaun durchquetschte.
    Als sie auf der anderen Seite – dreckig und mit nassen Hosenbeinen – stand sie auf und sah sich um.
    Eine Sache verstand sie einfach nicht.
    Sie war auf dem Weg hierhin an mehr als einem Laden oder Pub und an mehr als genug Wohnhäusern vorbei gekommen. Wenn Cole Angst hatte und verfolgt worden war, warum hatte er nicht irgendwo um Hilfe gebeten? Er hätte mehr als genug Möglichkeiten gehabt.
    Warum war er hierher gekommen? In den Augen von welchem Kind erschien es sinnvoller, in das gruselige alte Fabrikgebäude zu rennen, anstelle davon, in einen Laden zu gehen und sich an Erwachsene zu wenden?
    Wenn der Junge wirklich hierher gekommen war, erschien es ihr mehr als seltsam. Nun, sie war nicht beauftragt worden, die Psychologie des Jungen zu analysieren, sondern nur dafür ihn zu finden.
    Noch einmal sah sie sich um. Niemand schien hier zu sein.
    Watson lief zielstrebig zu dem verrosteten Stahltor hinüber, dass früher wohl einmal der Haupteingang in die Fabrikhalle gewesen war. Er kratzte daran.
    Im Vertrauen auf ihren Hund ging Kyra hinüber und versuchte das Tor zu öffnen. Wenig überraschend bewegte es sich keinen Millimeter. Vielleicht war es abgeschlossen, vielleicht aber auch nur zu eingerostet, doch ohne Werkzeug würde sie es nicht aufbekommen.
    Sie ging an der roten Backsteinmauer entlang, bis sie eine kleinere Tür fand. Auch diese Tür schien metallen zu sein, wenngleich sie weiß lackiert gewesen war. Dennoch brach auch an verschiedenen Stellen Rost durch den Lack.
    Sie griff die Klinke und versuchte die Tür zu öffnen, aber natürlich bewegte auch diese sich nicht. Es wäre auch zu einfach gewesen!
    Frustriert seufzte sie auf.
    „Cole?“, rief sie und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. „Cole? Bist du darin?“
    Keine Antwort.
    „Verflucht“, grummelte sie und sah sich um.
    Wenn sie die Tür nicht aufbekam, würde auch Cole sie nicht aufbekommen haben – daran bestand kein Zweifel. Also hatte sich der Mann in dem Pub vielleicht geirrt. Doch dann wiederum hatte auch Watson ausgeschlagen und vorher an dem Tor gekratzt.
    Aber wie zur Hölle wäre der Junge reingekommen?
    Sie ging weiter um das Gebäude herum. „Wie bist du darein gekommen“, murmelte sie zu sich selbst, doch Watson hielt das nicht davon ab mit einem Jaulen zu antworten.
    Und dann fand sie etwas, das eventuell möglich war: Eine alte Treppe, die auf das Dach des Gebäudes heraufführte. Vielleicht gab es oben einen Zugang?
    Sie sah auf die alten, dreckigen Fenster. Oder vielleicht kam sie da hinein...
    Es war einen Versuch wert.
    Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf die Treppe, die ebenfalls ziemlich verrostet war. Sie konnte nur hoffen, dass sie ihr Gewicht tragen würde. Es tiefes Knarzen ging durch die gesamte Struktur der Treppe, doch sie bewegte sich nicht und schien zu halten.
    Also machte Kyra einen weiteren Schritt, dann noch einen, ehe sie noch einmal wartete.
    Die Treppe hielt.
    Watson dagegen schien wesentlich unbesorgter. Er schien verstanden zu haben, was sie wollte, und lief leichtfüßig die Treppe hoch. Leichtfüßiger, als er mit seiner enormen Größe, hätte sein sollen, dachte Kyra.
    Doch als er zwei Plattformen, der gesamt drei, über ihr stand, sah er durch die Treppenstufen zu ihr hinab und bellte.
    Kyra seufzte. „Geh weiter, Watson“, sagte sie laut. „Geh!“
    Noch einmal bellte er, rannte dann aber weiter, während auch sie sich etwas beeilte und die Treppe weiter hinaufging, dabei darum bemüht das beständige Knarzen zu ignorieren. Mehrfach hatte sie das Gefühl, dass die Treppe sich doch etwas bewegte. Na, ganz toll, dachte sie sich bitter. Dennoch schaffte sie es auf das Dach, ohne dass die Treppe einbrach.
    Zumindest eine positive Sache gab es zu berichten, als sie einmal auf dem flachen Dach des Gebäudes angekommen war: Es gab einen offensichtlichen Zugang zum Gebäude, durch den auch ein schwacher neunjähriger Junge hätte nutzen können. Denn an der Seite des Dachs war ein Loch, wo das Dach eingebrochen war. Kyra schätzte, dass es die Folge von Regenwasser war, dass sich angesammelt hatte, zusammen mit angerosteten Dachträgern, da diese eindeutig abgebrochen war.
    Watson stand am Rand des Lochs und bellte in das Zwilicht darunter.
    „Ist er da, Watson?“, fragte Kyra ihn. „Ist Cole da unten?“
    Der Bernersennen bellte nur wieder.
    Manchmal wünschte sie sich, Watson könnte tatsächlich sprechen. Es würde manche Dinge einfacher machen – einmal davon abgesehen, dass sie einfach nur einmal gern mit ihm gesprochen hätte.
    Er bellte wieder, während sie ihr Smartphone aus der Jackentasche holte und eine Taschenlampen-App aufrief.
    Durch den über Jahre angesammelten Dreck auf den Fabrikfenstern, die teilweise auch mit Graffiti zugeschmiert waren, und dank der Tatsache, dass die Sonne langsam Richtung Horizont wanderte, war es recht finster in der Halle. Doch mithilfe der Lampe konnte sie eine Art Galerie oder Balkon direkt unter dem Loch sehen – vielleicht zwei Meter unter ihr.
    „Nun...“, murmelte sie. „Verdammt.“ Sie zögerte. „Cole?“, rief sie dann in das Loch hinab. „Cole? Bist du da unten?“
    Wieder keine Antwort.
    Vielleicht war das der Zeitpunkt, an dem sie besser die Polizei anrufen sollte. Sie konnte es sich sogar noch einfacher machen und Molly anrufen, damit diese etwas organisierte. Doch auf der anderen Seite... Wahrscheinlich würde sie Molly mal wieder nicht ernst nehmen. Sie nahm sie nie ernst.
    Und ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass man der ganzen „Mein Hund hat mich hierhin geführt“ Aussage auch weniger Aufmerksamkeit schenken würde, oder?
    Nun, vielleicht war es auch ihr Stolz, der sie dazu anspornte das ganze allein zu lösen. Den Jungen selbst zurückzubringen, wenn es möglich war. Immerhin würde der Typ dem Jungen sicher nicht mit hier hinunter gefolgt sein, oder?
    Natürlich nicht, sagte sie sich. Sie würde nur das Problem haben, wieder hinauf zu kommen...
    Aber, meinte eine andere Stimme in ihrem Kopf, vielleicht war der Junge auch unten und verletzt, brauchte dringend Hilfe. Wenn sie ihn gefunden hatte – und festsitzen würde – würde sie immer noch die Polizei rufen können, oder?
    Es sei denn natürlich, der Entführer war auch da unten und schlimmstenfalls bewaffnet.
    Wollte sie in dem Fall Cole noch länger allein mit ihm lassen?
    Vor allem, da ein eventueller Entführer nun sicher wusste, dass sie da war. Sie hatte immerhin nach Cole gerufen.
    Es war also nicht besonders weise und sicher auch nicht besonders gut durchdacht, doch Kyra steckte ihr Smartphone kurz wieder in ihre Jackentasche und wandte sich an Watson.
    „Bleib hier, ja?“, meinte sie zu ihm.
    Der Hund jaulte.
    „Du musst hier bleiben“, widersprach sie, da sie davon ausging, dass sein Jaulen so etwas wie „Garantiert nicht“ bedeutete. „Im Notfall musst du Hilfe holen, verstehst du?“
    Ein weiteres Jaulen.
    „Bleib“, sagte Kyra nun mit etwas festerer Stimme.
    Watson ließ sich auf das Dach fallen und sah sie mit traurigem Blick an.
    Kyra seufzte nur und ging vorsichtig an den Rand des Lochs, wo die Teerschickt eingesunken war. „Oh man“, murmelte sie zu sich selbst, als sie sich an den Rand setzte und dann – so vorsichtig, wie nur irgendwie möglich – in das Loch fallen ließ.


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    Ein lautes, blechernes Klingen war zu hören, als Kyra auf der Balustrade landete, auf der diverse alte Metallstücke rumzuliegen schienen.
    Im Halbdunkeln der verlassenen Fabrik klang der Laut nur umso beängstigender.
    Ruhig bleiben, ermahnte sie sich selbst und holte ihr Smartphone wieder hervor, um sich den Weg zu leuchten.
    Die Männer in dem Pub hatten Recht gehabt. Das hier schien einmal eine Art Schneiderei gewesen zu sein, beziehungsweise eine Art Stoffwerk, in dem große Maschinen automatisch Stoffe webten. Kyra erkannte die Maschinen von Bildern, die sie einst in der Schule gesehen hatten.
    Sie musste allerdings zugeben überrascht zu sein. In der ganzen Halle waren die Maschinen fraglos das, was am meisten wert war. Selbst wenn eine Fabrik aufgegeben wurde, wurden die Maschinen normaler Weise mit rausgeholt – und sei es, um sie für Metallteile zu verkaufen. Doch von allem was sie sehen konnte, waren gute zwei Drittel der Maschinen – zumindest schätzte sie das anhand des freien Platzes – noch hier, als hätte man sie einfach zurückgelassen. Nicht nur das: Obwohl sie an den Wänden Graffiti sehen konnte schien auch nicht viel geklaut worden zu sein. Dabei wusste sie, dass Metalle mittlerweile wertvoll genug waren, als dass Leute metallene Zierden von Friedhöfen klauten. Also warum nicht hier?
    Sie vertrieb den Gedanken. Immerhin war sie nicht hier um das Geheimnis der verlassenen Fabrik zu klären. Sie war hier für Cole.
    Zumindest musste sie feststellen, dass sich gerade ein Kind zwischen den langen Maschinen, die wohl früher einmal automatisch Stoff gewebt und gewaschen hatten – oder zumindest so etwas in der Art – und die gesamt gute fünfzehn Meter lang zu sein schienen, sicher einige Stellen hatten, würde verstecken können. Und von diesen Maschinen standen noch vier in der Halle herum – wenngleich zumindest zwei von ihnen nicht ganz vollständig zu sein schienen. Denn während bei zwei der Maschinen ein Art Gehänge für metallene Rollen, auf denen wahrscheinlich früher der fertige Stoff aufgerollt worden war, am Ende der Anlage war, fehlte dieser Teil bei den anderen beiden.
    Mit dem Smartphone leuchtete sie den Balkon, auf dem sie stand, entlang. Hier standen ein paar alte Stühle und Tische, die vielleicht früher einmal in irgendwelchen Büros im Gebäude gestanden waren. Auch sie sahen moderig aus und Kyra hätte sich nicht gewundert, wenn unter ihnen Ratten hausten, aber es schien nicht danach, als würde sich hier irgendwo ein Kind verstecken.
    Sie leuchtete in die Halle hinunter, in der die Maschinen standen.
    Irgendwann schien es einmal am Rand der Balustrade eine Art Geländer oder vielleicht sogar eine Glaswand gegeben zu haben, doch was auch immer es gewesen war: Davon waren nur noch ein paar Metallstangen, die es ursprünglich befestigt hatten, geblieben.
    Es gab allerdings eine Leiter, die mindestens genau so rostig wirkte, wie die Treppe draußen.
    Das irritierte Kyra. Es musste irgendwo eine Treppe hierhoch geben, oder? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand die Tische und Stühle eine Leiter hinaufgebracht hatte. Noch weniger konnte sie sich vorstellen, dass es ein Stück Raum in einer Fabrik gab, das nur so schwer zu erreichen war.
    Vielleicht stand etwas vor der Treppe? Sie sah sich um, doch sie konnte nichts erkennen.
    „Das ist doch alles verrückt“, murmelte sie zu sich selbst und steckte das Handy wieder ein, um die Leiter hinunter zu klettern. Wenn war Cole unten – oder auf der versteckten Treppe. „Ganz toll...“
    Unten sah sie sich erneut um und leuchtete zwischen den alten Maschinen herum. Sie konnte niemanden sehen – und noch weniger etwas hören.
    Sie musste noch einmal nach ihm rufen. „Cole? Cole? Bist du hier irgendwo, Cole?“, rief sie, als sie zwischen den großen Webemaschinen hindurch lief. „Cole?“
    Auch wenn sie in Edinburgh lebte, der vermeintlich verspuktesten Stadt Großbritanniens, glaubte sie nicht wirklich an Geister oder so etwas. Sie kam dennoch nicht umher sich hier im Halbdunkeln zwischen den alten Maschinen, wo sie nur einen kleinen Teil der Halle einsehen konnte, unwohl zu fühlen.
    „Cole?“, fragte sie noch einmal in das Zwielicht hinein. „Sag etwas, wenn du mich hören kannst, Cole! Deine Mutter hat mich geschickt, um nach dir zu suchen. Cole?“
    Sie ging vorsichtig weiter, als sie etwas am Knöchel berührte. Nur schwerlich hielt sie sich davon ab aufzuschreien und sah stattdessen zum Boden, gerade rechtzeitig, um eine kleine Hand zu sehen, die wieder unter ein Blech am Rand einer der Maschinen verschwand.
    Die Blechabdeckung am Rand der Webemaschine ging nicht ganz bis zum Boden hinunter. Etwa dreißig Zentimeter blieben zwischen ihrem unteren Rand und dem Boden – genug für ein Kind um drunter durch zu klettern und sich zu verstecken.
    „Cole?“ Sie beugte sich hinab und leuchtete unter die Abdeckung.
    Erleichtert seufzte sie auf, als tatsächlich ein kleiner Junge sie ansah. Es war eindeutig Cole, wenngleich dreckiger, als auf den Bildern, die seine Mutter ihr gezeigt hatte, und deutlich übermüdet.
    „Ist der böse Mann weg?“, fragte Cole und sah sie aus ängstlichen Augen an.
    Bemüht ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen, streckte sie ihm eine Hand entgegen, während sie das Smartphone noch immer in der anderen hielt. „Es scheint niemand sonst hier zu sein“, sagte sie, auch wenn sie es nicht sicher wusste. Aber sie wollte ihn hier heraus bekommen und das so schnell wie möglich. „Komm.“
    Doch Cole zögerte und sah sie an. „Meine Mum hat dich geschickt, Lady?“, fragte er vorsichtig. Wenn er sich hier seit gestern vor irgendeinem fremden Mann versteckt hatte, war es wohl kaum verwunderlich, dass er misstrauisch war.
    „Ja. Deine Mutter macht sich große Sorgen um dich“, erklärte sie. „Sie hat mich engagiert, um dich zu suchen.“
    Er schwieg kurz. „Aber wie hast du mich gefunden?“
    „Ich habe einen Hund, wie du vielleicht gehört hast“, erwiderte sie lächelnd. Als sie es sagte, fiel ihr auf, dass sie Watson seit einiger Zeit nicht mehr hatte bellen hören. Hoffentlich war ihm nichts passiert... Aber wahrscheinlich war er nur erschöpft. „Er wartet oben auf mich.“ Sie hoffte, dass Cole Hunde mochte, als sie hinzufügte: „Wenn du magst, kannst du ihn gerne streicheln.“
    Noch immer schien er zu zögern.
    Langsam wurde Kyra nervös. Sie mochte diese alte Halle einfach nicht. „Mein Name ist übrigens Kyra.“ Sie hoffte, dass es vielleicht ein wenig mehr Vertrauen schaffte, wenn er ihren Namen kannte.
    Etwas kam ihr seltsam vor und dann hörte sie etwas, dass sie noch angespannter machte: Watsons jaulen echote durch die Halle. Sie kannte dieses Jaulen. Es war Watson Art ihr zu sagen, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Endlich krabbelte Cole langsam nach vorn und ihr entgegen.
    Doch manchmal konnte das reale Leben ein seltsames Timing haben. Denn genau in diesem Moment schallte ein lautes Knallen durch die Halle und ließ Cole zusammenzucken, so dass er mit dem Kopf gegen die Kante des Bleches schlug.
    „Au!“, rief er aus und hielt sich den Hinterkopf. Tränen standen in seinen Augen, auch wenn er nicht weinte.
    „Alles in Ordnung?“, fragte Kyra, die sich genau so erschreckt hatte.
    Sie sah sich um. Das Knallen schien von der Hintertür zu kommen. Es klang, als hätte jemand mit einiger Kraft mehrfach gegen die Tür geschlagen.
    „Es geht“, wimmerte der Junge und hielt wieder inne. „Was ist das? Ist das der böse Mann?“
    „Warte einen Moment“, erwiderte Kyra. Sie richtete sich auf, gerade rechtzeitig um zu hören, wie die Tür mit einem schweren Knarren aufging. Schnell ging sie um die Maschine, neben der sie stand, herum, damit sie zur Tür sehen konnte. Doch gerade, als sie um Ecke herumging und die Tür in den Sicht kam, schreckte sie zurück.
    Eine große, eine sehr große Gestalt stand in der Tür. Sie konnte sie schlecht gegen das Licht von draußen erkennen, jedoch konnte sie zumindest sagen, dass die Gestalt einen Hut zu tragen schien.
    „Verdammt“, murmelte sie und ging zurück zu Cole.
    „Es ist der böse Mann, oder?“, flüsterte er leise. „Er ist zurück, oder?“
    „Hör zu, Cole“, sagte sie leise und angespannt. „Ich bringe dich hier heraus, hörst du? Komm mit.“
    Er schüttelte den Kopf. „Wir sollten uns verstecken.“
    „Wir können uns nicht länger hier verstecken“, erwiderte sie, noch immer leise, aber bestimmt. „Ich verspreche dir, ich bringe dich hier heraus, ja?“
    Noch immer schien er ihr nicht ganz zu trauen, doch schließlich nickte er und kletterte aus seinem Versteck hervor.
    „Bleib bei mir, hörst du?“, flüsterte Kyra.
    Sie schaltete die Taschenlampenfunktion aus, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und steckte ihr Handy zurück in die Manteltasche. Während sie sich aufrichtete, sah sie sich um und versuchte im Zwielicht den seltsamen Mann zu sehen, auch wenn die Maschinen zu ihren beiden Seiten ihr die Sicht größtenteils versperrten.
    Vorsichtig ging sie um eine der weiteren Maschinen herum, immer darauf achtend, dass Cole direkt hinter ihr war.
    Sie hielt ihn zurück, während sie um die Ecke sah. Tatsächlich verschwand der seltsame Mann hinter einer der anderen Maschinen.
    Etwas an seinen Bewegungen wirkte komisch, unmenschlich. Er ging mit einer unnatürlich regelmäßigen Art voran, die eher wirkte, wie eine schlecht animierte Spielfigur, als ein echter Mensch. Großartig, dachte sich Kyra, als wäre die Situation nicht so schon gruselig genug.
    Sie wartete, bis der Mann um die Ecke der nächsten Maschine gebogen war, ehe sie selbst vorsichtig und halb gebückt in Richtung der Tür ging, durch die er gekommen war.
    Vielleicht hatte sich der Rost genug gelöst, als dass sie nun hindurch kam. Zumindest blieb ihr die Hoffnung.
    Was sie allerdings nicht mochte, war die Tatsache, dass es zwischen dem Ende der langen Maschinen und der Tür etwa zweieinhalb Meter nichts gab. Früher hatte dort wahrscheinlich etwas gestanden. Vielleicht noch eine Maschine, vielleicht etwas anderes. Doch nun war dort eine recht große, leere Fläche und sie war sich beinahe sicher, dass der Mann sie sehen würde, wenn sie dort entlanggingen.
    Von einigen Stellen abgesehen waren die Maschinen nicht sehr hoch und groß wie dieser seltsame Mann war, konnte er fraglos problemlos drüber hinweg sehen.
    Sie kamen am Ende des Ganges an.
    „Jimmy sagt, die Tür geht nicht auf“, meinte Cole, der verstanden zu haben schien, was Kyra vor hatte.
    Für einen Moment hob Kyra die Augenbraue. Jimmy? War das nicht der Name von seinem imaginären Freund? Nun, was wusste sie schon über Kinder. „Das wollen wir sehen“, meinte sie und bemühte sich erneut um ein Lächeln.
    Sie sah sich um. Im Halbdunkeln konnte sie nur erahnen, wo der Mann gerade war, doch er schien von ihnen wegzugehen.
    „Komm“, flüsterte sie und lief – weiterhin gebückt – zur Tür hinunter, während Cole nur widerwillig folgte.
    Mit aller Kraft warf sie sich gegen die Tür, im Versuch diese zu öffnen...
    Doch die Tür bewegte sich kein Stück.
    Es war auf einmal still. Kyra realisierte, dass die Schritte des Mannes verstummt waren.
    „Verflucht“, murmelte sie.
    Ein Teil von ihr wollte in Panik verfallen, doch irgendwie schaffte sie es, sich zusammen zu reißen.
    „Komm“, flüsterte sie und lief hastig zurück zu den Maschinen.
    Dankbarer Weise folgte ihr Cole, auch wenn es hieß, dass sie langsamer laufen musste, damit der Junge mit ihr Schritt halten konnte, ohne dabei zu laut zu sein.
    Was konnte sie nun tun? Sie mussten hier heraus. Sie konnten sich nicht länger verstecken. Schon gar nicht, da der seltsame Mann wusste, dass sie hier waren. Doch wie konnte sie rauskommen?
    Ihr Blick wanderte zu dem Loch in der Decke, an dem noch immer Watson stand und hinein bellte.
    Wenn sie dort hochkommen würden...
    Sie hockte sich hin. „Wie bist du hier hinein gekommen?“ Sie musterte Cole, während sie schnell, aber leise sprach.
    „Durch die Decke“, erwiderte er und Panik klang aus seiner Stimme. „Jimmy hat mir gesagt, ich kann mich hier verstecken.“
    „Gibt es hier eine Treppe nach oben?“ Immerhin mochte Kyra den Gedanken so gar nicht, wieder die alte Leiter hoch zu müssen, die aus der ganzen Halle gut sichtbar war.
    „Jimmy sagt, es gab eine, aber die ist eingestürzt“, antwortete Cole. Er sah aus als würde er jeden Moment loslaufen wollen.
    Auch wenn sie es gerne getan hätte, verkniff sich Kyra ein Fluchen. Stattdessen sah sie sich um. Sie hörte die Schritte näher kommen.
    „Bleib bei mir, ja?“, sagte sie nur und lief so schnell los, wie es ihr möglich war, ohne zu laut zu werden.
    Sie hatte einen Plan. Wenn sie außen um die Maschinen herum lief und dabei geduckt bliebt, konnte sie es vielleicht schaffen, aus dem Sichtfeld des Mannes zu bleiben. Außerdem lag hier einiges an Kleinkram herum. Schrauben. Steine. Müll.
    Sie hob einen faustgroßen Stein beim Laufen auf und warf ihn mit aller Kraft die Halle hinab, sie dass er ein ganzes Stück weiter unten – dankbarer Weise zielsicher – auf einem alten Blech landete. Hoffentlich lockte es den Mann dahin.
    Die Schritte beschleunigten sich. Anscheinend hatte ihr Plan geklappt.
    Umso mehr beeilte sie sich. Sie mussten in eine Position kommen, dass sie von dem Blech nicht mehr zu sehen waren.
    Noch zwei Meter bis zur nächsten Ecke. Noch einen Meter. Sie sollten nun außer Sicht sein.
    Von hier aus mussten sie die lange Seite der Halle entlang, um zur Mauer zu kommen, auf der der Balkon gelegen war.
    Vorsichtig beschleunigte Kyra ihre Schritte noch etwas. Sie wollte wirklich nicht heraus finden, ob der Mann bewaffnet war, zumal sie leider befürchten musste, dass er – selbst ohne Waffen – weiter stärker wäre als sie.
    Noch immer war sie sich nicht sicher, wie sie zur Hölle wieder zum Loch hinauf kommen sollte. Zweieinhalb Meter waren zu hoch für sie zu klettern oder zu springen. Nicht viel, aber doch so hoch, dass sie nicht einfach hinauf kommen konnte.
    Doch dann wiederum waren da die alten Stühle.
    Wenn sie es nur schafften, heimlich hinauf zu kommen... Das würde nicht funktionieren und sie wusste es. Aber was hatte sie für eine Wahl? Sie wollte definitiv nicht herausfinden, ob der Mann ein verrückter Kindermörder war oder nicht.
    Ein Laut ließ sie zusammenzucken. Cole war hingefallen und hatte es nicht geschafft, einen kurzen Aufschrei zu unterdrücken.
    „Komm“, sagte sie und half ihm hoch.
    So ein Mist...
    Es waren noch gute fünfzehn Meter bis zur Leiter. Das war nicht weit und wahrscheinlich hatte der Mann sie nun ohnehin bemerkt.
    Also: Was hatten sie für eine Wahl?
    „Renn“, befahl sie leise und wartete, dass er losgelaufen war.
    Zumindest weinte er nicht. Kyra hätte nicht gewusst, was sie in dieser Situation mit einem weinenden Kind getan hätte. Doch Cole war tapfer, das musste sie ihm lassen.
    Sie wartete, dass er die Leiter erreichte.
    „Kletter rauf“, sagte sie ihm.
    Er sah sie an und schien zu zögern.
    „Mach schon!“ Mit aller Mühe schenkte sie ihm einen festen Blick.
    Dankbarer Weise kletterte er ohne etwas zu sagen, während sich Kyra umsah.
    Wo war der Mann? Wo?
    Da erkannte sie eine große Gestalt, die um die Ecke kam, an der Cole eben noch gestürzt war.
    Verflucht. Sie hatten kaum Zeit.
    Cole war drei Meter die Leiter hoch, als auch Kyra zu klettern begann, die Augen auf den Mann gerichtet, der mit seinem seltsamen, schwebenden Schritt nun nahe kam.
    Panik kroch in ihr hoch, doch sie schaffte es, das Ende der Leiter zu erreichen, bevor der Mann selbst bei der Leiter war.
    Sie rannte zu einem der Stuhlstapel hinüber und warf ihn in Richtung der Treppe um.
    Es knallte und zwei der Stühle wurden durch die Energie tatsächlich über die Ecke geworfen. Vielleicht hielt ihn das auf.
    Im Moment dachte sie nicht einmal darüber nach, dass sie ihn damit eventuell töten könnte. In ihren Gedanken gab es keinen Zweifel, dass dieser Mann nichts gutes im Sinn hatte – sonst hätte er schon etwas gesagt, mit ihnen geredet... Aber er war still, gespenstisch still schon beinahe.
    Schnell nahm sie einen der Stühle und stellte ihn hin, während ihr Watson aus dem Loch über ihr entgegen bellte. Aufgeregt und mit eingeklemmten Schwanz rannte der Hund neben dem Loch auf und ab und schien beinahe verrückt darüber zu werden, ihr nicht so einfach folgen zu können.
    „Komm her, Cole“, rief sie – nun nicht mehr um Stille bemüht – und kletterte auf den Stuhl.
    „Was hast du vor?“, fragte er, kam aber.
    „Wir kommen hier heraus“, meinte sie und hob ihn irgendwie hoch.
    Vielleicht war es das Adrenalin, das ihr half, denn sie würde später keine Ahnung haben, wie sie es geschafft hatte den Jungen hoch genug zu heben, dass er den Rand des Loches zu fassen bekam, während sie selbst auf dem alten, wackeligen Stuhl balancierte. Doch irgendwie gelang es ihr und Cole schaffte es, sich selbst mit der Hilfe von Watson, der ihn am Pullover zerrte, auf das Dach zu ziehen.
    Was Kyra bei einem Problem ließ: Sie selbst stand noch auf dem Stuhl, während der Kopf des Mannes am oberen Ende der Treppe erschien.
    Nein, etwas an diesem Mann war nicht normal. Seine Haut war weiß, wirklich weiß, beinahe wie geschminkt, und seltsam wachsen. Sie sah nicht aus, wie Haut aussehen musste. Und auch, wenn es die Sonnenbrille verbarg, schienen seine Augen seltsam eingefallen zu sein.
    Kyra sprang und bekam den Rand des Daches zu fassen – doch leider auch etwas anderes. Sie merkte, wie etwas in ihre Hand schnitt. Wahrscheinlich ein Splitter oder eine Metallkante. Beinahe war sie sich sicher, dass sie blutete, doch sie griff mit der anderen Hand nach und verlagerte ihr Gewicht, um sich aufs Dach zu ziehen.
    Da griff eine Hand nach ihrem Bein und bekam es mit eisernem Griff zu fassen.
    Sie schrie auf.
    „Lass mich los!“, rief sie und begann mit ihrem freien Bein blindlings nach unten zu treten. „Lass mich los, Widerling!“ Die Hand löste sich nicht und da war etwas anderes. Sie hatte das Gefühl, dass etwas scharfes in ihre Wade schnitt.
    Der Mann zog sie nach unten und langsam, aber sicher verlor sie den Halt auf dem Dach.
    Weiter tritt sie nach unten, doch weiterhin ohne Erfolg. Sie rutschte ab...
    Doch in dem Moment schnappte Watson nach ihrer Schulter. Er verbiss sich im Leder ihres Mantels und legte sein ganzes – nicht unbeachtliches – Gewicht darein sie nach oben zu ziehen.
    „Braver Hund“, flüsterte sie, während sie weiterhin mit den Beinen zappelte und trat, um den Griff des Mannes zu lösen.
    Dann traf ihr freier Fuß auf etwas hartes und sie hörte ein Knacksen. Seine Brille oder seine Nase?
    Es war ihr egal, beschloss sie. Zumindest löste sich sein Griff für einen Moment und sie bekam ihr Bein frei.
    Mit Watsons Hilfe kam sie endlich aufs Dach.
    Tatsächlich blutete ihre Hand, doch sie beschloss, dass sie sich später darum kümmern konnte. Sie mussten von diesem Kerl weg, der ob seiner Größe weniger Probleme haben sollte, ihnen zu folgen.
    „Zur Treppe, Cole!“, rief sie, während sie sich selbst mühselig aufrappelte. Ihr Bein schmerzte, doch sie wollte sich davon nicht aufhalten lassen.
    Watson stand unentschlossen neben ihr. Seine ganze Körperhaltung sagte ihr, dass er am liebsten rennen würde – fliehen – doch er war ihr zu treu und brachte es einfach nicht über sich, sie allein zu lassen. Als er sich jedoch sicher war, dass sie folgen würde, sprintete er los und überholte noch Cole, der gerade die Treppe erreicht hatte.
    Tatsächlich sorgte sich Kyra, dass die Treppe das Gewicht von ihnen drein nicht aushalten würde, da sie noch mehr knirschte und schwankte, als zuvor bei ihrem Weg nach oben.
    Stufe, um Stufe rannte sie hinab. Sie wagte es kaum, nach oben zu schauen. Sie wusste zu genau, dass der Mann hinter ihnen war.
    Sie mussten nur hier weg, sagte sie sich. Wenn sie in eins der Pubs unten an der Straße kämen, dann wären sie sicher. Dorthin würde er ihnen wohl nicht folgen, oder?
    Die Treppe knarzte noch mehr. Er musste hinter ihnen sein.
    Derweil erreichte zumindest Watson bereits den Boden, gefolgt von Cole. Der Hund sah sich kurz um, offenbar um sicher zu gehen, dass Kyra noch immer folgte, dann rannte er um das Gebäude herum – wahrscheinlich in Richtung des Zauns.
    Cole schien einen ähnlichen Gedanken zu haben und folgte dem Hund. Auch Kyra tat es ihnen gleich, als sie den Boden erreichte.
    Kurz drehte sie sich um.
    Der Mann war auf halben Weg die Treppe hinunter.
    Obwohl ihre Seiten mittlerweile schmerzten sprintete sie hinterher, jedoch immer drauf bedacht hinter Cole zu bleiben, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
    Dieses Mal brauchte Watson keine Hilfe, um durch den Zaun zu kommen. Wahrscheinlich war er verzweifelt genug, als dass er sich nicht darum scherte, dass ein paar Büschel seines Fells im Maschendraht hängen blieb.
    Cole ging auf die Knie und rutschte durch das Loch hindurch, während hinter ihm wartete.
    Der Mann kam gerade um die Ecke des Gebäudes und glitt auf sie zu.
    Endlich war Cole durch das Loch durch, so dass nun auch Kyra sich fallen ließ, um sich, wie vorher, durch den Zaun zu quetschen. Zumindest glaubte sie, dass der Mann nicht so einfach durch die kleine Öffnung kommen würde.
    Der Draht fügte ihr noch einige Kratzer zu, doch sie störte sich nicht dran.
    Jeden Moment rechnete sie damit, dass die kräftigen Arme sie erneut greifen und zurückziehen würden – doch nichts geschah.
    Ohne sich noch einmal umzusehen rannte sie die Straße hinab. Weiter, immer weiter, während Watson gute fünf Meter vor ihr war. Er hätte schon weiter sein können, wäre er nicht immer wieder stehen geblieben, um auf sie zu warten.
    Erst als sie die Straßenecke erreichten, in deren Nähe sie im Pub nach Cole gefragt hatte, erlaubte es sich Kyra stehen zu bleiben. Auch Watson wartete. Er war was Straßen anging immer etwas vorsichtig, da er fremden Autos oft nicht ganz traute.
    Kyra sah sich um. Der Mann war nicht zu sehen.
    Also hatte er aufgegeben?
    Auch Cole schien dies zu bemerken. „Er ist weg?“, keuchte er leise.
    „Offenbar“, murmelte Kyra. Sie sah auf ihre Hand. Tatsächlich hatte sie einen etwas tieferen Schnitt über die Handfläche. „Sag mal, Cole. Weißt du, wer das war?“
    Der Junge schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist einfach zum Spielplatz gekommen. Jimmy sagte, dass der Mann Kinder wie mich fängt und frisst. Jimmy hat mir gesagt, dass ich mich verstecken soll.“
    Das ganze erschien Kyra immer noch seltsam. „Dein Freund Jimmy, den niemand sieht, außer du?“
    „Ja“, erwiderte Cole, als wäre diese Frage ein wenig dumm. „Er hat früher einmal dort gearbeitet, weißt du?“
    „Hat er das?“, fragte Kyra. Also war Jimmy der Geist eines Jungen, der früher mal in einer Stofffabrik gearbeitet hatte? Sie wusste, dass Kinderarbeit in der industriellen Revolution üblich gewesen war – gerade in solchen Fabriken. Aber wahrscheinlich hatte Cole dasselbe auch in der Schule gehört und sich seinen unsichtbaren Geisterfreund so ausgedacht.
    „Ja“, meinte Cole nur auf ihre Frage hin. „Er hat mir das Versteck gezeigt.“
    Daraufhin seufzte sie nur. Wahrscheinlich hatte es keinen Zweck mit ihm darüber zu reden. „Da hinten ist ein Pub“, erklärte sie Cole. „Lass uns dahin gehen und deine Eltern anrufen, ja?“ Außerdem konnte sie gut etwas zu trinken gebrauchen.
    „In Ordnung“, murmelte Cole und starrte mit leeren Blick die Straße hinab.
    „Was ist?“, fragte Kyra vorsichtig, da ihr etwas an diesem Blick nicht gefiel. Er wirkte einfach nicht wie der Blick eines Kindes.
    Doch Cole schüttelte den Kopf. Sein Blick fokussierte sich wieder auf sie. „Es ist nichts.“


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    Der Mann tauchte nicht mehr auf – sehr zu Kyras Erleichterung.
    Es dauerte etwa zwanzig Minuten, nachdem sie an dem Pub angekommen waren, bis dass ein Krankenwagen, die Polizei und Coles Eltern da waren.
    In der Zeit hatte Kyra eine Kleinigkeit zu Essen und etwas zu trinken für sich und Cole bestellt, nicht zuletzt, da der Junge halb verdurstet zu sein schien. Auch über das Essen – ein paar belegte Brote mit Bacon, Ei und Bohnen – machte er sich gierig her.
    Der Wirt war außerdem nett genug gewesen einen Erste Hilfe Koffer herauszuholen, um Kyras Hand und ihr Bein, an dem sie drei einige Millimeter tiefe Einschnitte gefunden hatte, offenbar von den Fingernägeln des Manns, etwas zu versorgen.
    Nun saß sie an einem Tisch mit einem der Polizisten, einem blonden Mann um die dreißig, der sich als Officer Atwood vorgestellt hatte.
    Neben ihr auf dem Boden saß Watson, den der Wirt erlaubt hatte, nachdem Kyra ihn nicht allein draußen zurücklassen wollte – nicht ohne zu wissen, ob der blasse Mann noch einmal nach ihnen suchen würde. Nun hatte der Hund seinen Kopf in ihren Schoß gelegt und sah wehmütig zu ihrem Gesicht hinauf, während sie mit Atwood sprach.
    „Sie wurden also beauftragt Cole zu finden“, meinte der Polizist, während er selbst auf einem Formular die Dinge mitschrieb.
    „Ja.“ Kyra wusste, dass sie diese Aussage würde noch mindestens einmal auf dem Präsidium wiederholen müssen.
    „Und ihr Hund hat sie zu ihm geführt?“ Atwood hob eine Augenbraue und sah auf Watson, der ihn komplett ignorierte.
    Sie streichelte den Kopf des Hundes. „Ja. Er hat eine gute Spürnase.“ Dann fügte sie hinzu: „Ich habe versucht ihn selbst etwas zu trainieren.“ Meistens war er nur nicht ganz so zielstrebig. „Er hat aber kein professionelles Training erhalten.“ Sie wusste, dass diese Frage als nächstes gekommen wäre.
    „Also ein Naturtalent?“, fragte Atwood mit einem matten Lächeln.
    „Kann man so sagen“, erwiderte Kyra.
    Cole war draußen im Krankenwagen. Der Notarzt, der hergekommen war, hatte ihn noch einmal untersuchen wollen. Es würde Kyra nicht überraschen, wenn sie ihn über Nacht mit ins Krankenhaus nehmen würden, um ihn unter Beobachtung zu halten.
    Erst einmal durfte sie jedoch ausführlich berichten, wie sie Cole gefunden hatte, was er ihr gesagt hatte und dergleichen, sowie auch von der Verfolgung durch den blassen Mann.
    „Sie kannten den Mann nicht?“, fragte Atwood.
    „Nein, natürlich nicht“, erwiderte Kyra. Die Frage überraschte sie nicht. Es war eine Standardfrage.
    „Wissen Sie, ob er Ihnen gefolgt ist, als sie nach Cole gesucht haben?“
    „Nicht, dass ich es bemerkt hätte“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Zwar war sie sich relativ sicher, dass Watson sie gewarnt hätte, wäre der Mann ihr vorher gefolgt, doch das behielt sie für sich.
    „Sie hatten aber das Gefühl, dass er Ihnen und dem Jungen schaden wollte?“, fragte der Polizist weiter.
    Zugegebener Maßen hatte Kyra zumindest den Teil aus ihrer Erzählung ausgelassen, in dem sie die Stühle umgeworfen hatte. Man musste sich nicht selbst belasten. „Ja“, erwiderte sie nur. „Der Mann hat deutlich nach Cole gesucht. Er hat nicht versucht mit uns zu reden und hat mich festgehalten, als ich versucht habe aus dem Dach zu klettern.“ Sie hatte Atwood bereits die Kratzer an ihrem Bein gezeigt.
    Daraufhin nickte der Polizist nur. „Sie haben gesagt, der Mann war sehr groß. Wie groß würden Sie ihn etwa schätzen?“
    „Ein Meter neunzig, vielleicht zwei Meter“, erwiderte sie. Auch wenn sie gewettet hätte, dass er größer gewesen war – wahrscheinlich hatte ihre Wahrnehmung ihr in ihrer Panik nur einen Streich gespielt.
    So ging es noch für ein paar Minuten weiter. Kyra wusste, dass es darum ging, direkt Zeugenaussagen aufzunehmen, bevor sich die Erinnerung mit der Zeit veränderte. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, endlich entlassen zu werden, da sie wirklich, wirklich duschen wollte. Ihre Kleidung war dreckig und sie hatte das Gefühl, dass auch ihre Haut unter einer dicken Staubschicht begraben war.
    Endlich machte sich die letzten Notizen und bat sie um eine Unterschrift. „Wir werden Sie in den kommenden Tagen noch einmal kontaktieren.“
    „Ich weiß“, murmelte sie. Immerhin brachte die Arbeit als Privatdetektiv Kontakt mit der Polizei immer einmal wieder mit sich – wenngleich eben nicht so oft, wie es Fernsehserien einem weiß machen wollten.
    Er lächelte. „Natürlich.“
    Sie stand auf. Auch Watson richtete sich auf und gemeinsam verließen sie den Pub. Hier gab es nichts mehr für sie zu tun.
    Draußen war es mittlerweile dunkel geworden und sie war alles andere als begeistert von der Vorstellung davon, nun durch die verlassenen Straßen zurück zu diesem Spielplatz zu laufen. Ihre kleine Verfolgung mit dem seltsamen Mann war definitiv zu knapp für ihren Geschmack gewesen.
    Gerade als sie den Pub verließ und feststellte, dass der Krankenwagen bereits gefahren war, kam ein Mann auf sie zu. Sie erkannte ihn als Mr. MacConnery, Coles Vater.
    „Ist Ihre Frau mit Cole ins Krankenhaus gefahren?“, vermutete Kyra.
    Der kräftige Mann, dessen Haare bereits von Grau durchsetzt waren, nickte. Etwas an seiner Haltung sagte deutlich „Soldat“ – vielleicht war es auch nur, weil sich Kyra an ihren eigenen Vater erinnert fühlte. „Ja. Genau. Aber der Arzt hat gesagt, dass es ihm wahrscheinlich gut geht.“
    „Das freut mich zu hören“, meinte Kyra mit einem matten Lächeln.
    „Ich wollte mich noch einmal bei Ihnen bedanken“, sagte Mr. MacConnery und streckte ihr die Hand entgegen.
    Sie schüttelte seine Hand. „Ich habe meinen Job gemacht. Sie haben mich engagiert Ihren Sohn zu finden, also...“ Sie zuckte mit den Schultern und bemühte sich um ein professionelles Lächeln.
    Sein Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er genau wusste, dass sie bemühte professionell zu wirken. „Das hätte jedoch nicht zwangsweise beinhaltet, ihn aus dieser Fabrik rauszubringen. Schon gar nicht mit einem Verfolger.“ Er lächelte und drückte ihre Hand noch mal, ehe er losließ.
    Daraufhin seufzte Kyra nur. „Keine Ursache.“
    Es folgte ein kurzer Moment der Stille, ehe Mr. MacConnery sich umsah. „Wie sind Sie hergekommen?“
    „Ich habe beim Auto am Spielplatz abgestellt“, erwiderte sie. „Von da aus hat Watson mich geführt.“
    „Soll ich Sie zu Ihrem Auto zurückbringen, ehe ich zum Krankenhaus fahre?“, bot er an.
    Kyra hielt inne. Sie war wirklich nicht scharf darauf, zu Fuß zurück zu laufen, doch dann war da noch ihr Hund. „Wenn Sie kein Problem damit haben, dass Watson Ihnen den Rücksitz vollsabbert....“
    „Wir haben Schutzbezüge drauf“, erwiderte er. „Kinder können Rücksitze auch ziemlich zuschmieren, glauben Sie mir.“
    „Dann gern.“ Sie war tatsächlich erleichtert.
    Am Ende saß sie auf dem Rücksitz des schwarzen BMW, so dass Watson seinen Kopf hatte wieder in ihren Schoß legen können. Fremde Autos waren ihm nie so ganz geheuer.
    „Wo haben Sie Ihr Auto genau abgestellt?“, fragte Mr. MacConnery, als sie in der Straße zum Spielplatz einfuhren.
    „Hinter dem Pub.“ Kyra zeigte auf das Pub, das bereits in Sicht kam.
    Ihr Fahrer nickte und hielt vor der kleinen Imbiss-Bar. Er zögerte und drehte sich dann zu ihr um. „Wie ist es mit der Rechnung?“
    „Ich werde sie Ihnen morgen zuschicken“, erwiderte sie. „Eine Kopie via Email, eine über die Post. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie so schnell wie möglich zahlen.“ Denn letzten Endes war der Monat nicht mehr lang und das Geld für die Miete fehlte eindeutig.
    „Natürlich“, antwortete MacConnery mit einem Lächeln. „Vielen Dank noch einmal.“
    „Kein Problem.“ Kyra öffnete die Tür und kletterte aus dem Wagen heraus. „Und vielen Dank für das Fahren.“
    Er nickte nur. „Schon gut.“
    Kurz wartete Kyra noch, damit Watson ebenfalls aus dem Wagen springen konnte, dann schlug sie die Tür zu. Nur zu glücklich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, wedelte der Hund mit dem Schwanz.
    Für einen Moment hob Kyra die Hand zum Abschiedsgruß, während Mr. MacConnery davonfuhr.
    „Lass uns nach Hause gehen, Watson“, murmelte Kyra.
    Watson bellte und lief schwanzwedelnd neben ihr her.
    Nun, vielleicht sollte sie es dem Hund kurz erlauben, sein Abendgeschäft zu verrichten, ehe sie nach Hause fuhr. Dann konnte sie sich daheim ganz auf das Ausspannen konzentrieren.
    „Komm, Watson“, meinte sie. „Gassi.“
    Sofort sah er sie aufmerksam an und schien noch begeisterter zu sein als vorher. Er bellte aufgeregt.
    Also machte sie eine kleine Runde durch den Park, wohl darauf bedacht immer im Licht der Lampen zu bleiben. Noch immer konnte sie das Gefühl abschütteln beobachtet zu werden.
    Es war nur in ihrem Kopf. Sie war ein bisschen schreckhaft, nicht mehr.
    Nachdem Watson endlich sein Geschäft verrichtet hatte und offenbar zufrieden war, sammelte sie seine Hinterlassenschaft mit einer Plastiktüte ein und machte sich auf dem Weg zurück zum Pub, die Tüte auf dem Weg in einen Mülleimer werfen.
    Etwas raschelte hinter ihr.
    Es ist nur der Wind, sagte sie sich und schaute sich nicht um.
    Als sie endlich ihren Wagen erreichte, kam sie nicht umher erleichtert aufzuatmen. Sie schloss den Wagen auf und ließ Watson einsteigen.
    Jetzt sah sie sich um, doch natürlich war nichts da. Doch gerade, als sie die Tür schloss, begann Watson zu knurren.
    „Was?“, fragte sie und sah sich verwirrt um.
    Dann sah sie es. Erst war es nur etwas, dass sie aus den Augenwinkeln um Rückspiegel sah, doch als sie sich umsah erkannte sie, dass es keine optische Täuschung gewesen war.
    Da stand er. Der blasse Mann. Auf dem Parkplatz hinter ihrem Wagen.
    „Verdammt“, murmelte sie. Ohne drüber nachzudenken, drückte sie aufs Gaspedal und fuhr von dem Parkplatz herunter.
    Noch einmal sah sie in den Rückspiegel. Natürlich sah sie niemanden mehr.
    Hatte sie es sich nur eingebildet?
    „Lass uns nach Hause fahren“, sagte sie leise zu Watson.
    Zumindest eine Sache wusste sie sicher: Sie würde in dieser Nacht mit dem Licht an schlafen.

  • Ah, es ist schön das es nun doch weiter geht. Vielleicht hast du schon gesehen, dass ich danach gefragt habe? Nicht wichtig, wusste ja schon, dass du gerade umgezogen bist.

    Sie nahm sie nie ernst.
    Und ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass man der ganzen

    Na ja, hier hätte sie den Hinweis von dem Mann in dem Pub angeben können. Und langsam fragt man sich doch, ob sie sich getrennt haben weil Molly sie als Freiberufliche belächelt hat? Es wird wirklich mal Zeit Interaktion zwischen den beiden zu bekommen.

    Er schien verstanden zu haben, was sie wollte, und lief leichtfüßig die Treppe hoch.

    Also wenn das die Form von Industrietreppe ist die ich kenne, mit dieser anti-Rutschoberfläche, dann dürfte Watson seinen Spaß an der Treppe gehabt haben, das ist nämlich ziemlich unangenehm mit freiem Fuß darüber zu laufen.

    Er würde sich am Abend wahrscheinlich ein besseres Essen verdient haben, als sie es sich normal für ihn leistete.

    Ja, sie verzieht ihn. Ganz eindeutig.

    War das nicht der Name von seinem imaginären Freund? Nun, was wusste sie schon über Kinder. „Das wollen wir sehen“, meinte sie und bemühte sich erneut um ein Lächeln.

    Also ist Jimmy jemand anderes, ich dachte zuerst der blasse Mann wäre sein Phantasiefreund.

    Davon waren nur noch ein paar Metallstangen, die es ursprünglich befestigt hatten, geblieben.
    Es gab allerdings eine Leiter, die mindestens genau so rostig wirkte, wie die Treppe draußen.
    Das irritierte Kyra. Es musste irgendwo eine Treppe hierhoch geben, oder?

    Der Rest der Einrichtung die etwas wert gewesen wäre war unversehrt, nur das eine Stück hier fehlt, soweit ich das verstanden habe. Vielleicht lebt der blasse Mann ja hier und hat irgendwo dort seine Essensreste versteckt, oder etwas anderes?

    Sie hob einen faustgroßen Stein beim Laufen auf und warf ihn mit aller Kraft die Halle hinab, sie dass er ein ganzes Stück weiter unten – dankbarer Weise zielsicher – auf einem alten Blech landete

    Würde ich auch ganz genau so machen.

    Sie mussten von diesem Kerl weg, der ob seiner Größe weniger Probleme haben sollte, ihnen zu folgen.

    Ich weiß ja dass du die klassischen Vampire für etwas zu Mainstream hältst. Deshalb denke ich mal, er wird ein Wiedergänger, oder Untoter aus einem anderen Kulturraum sein, richtig?

    Sie wusste, dass Kinderarbeit in der industriellen Revolution üblich gewesen war –

    Also möglicherweise ein früheres Opfer des Mannes?

    „Wissen Sie, ob er Ihnen gefolgt ist, als sie nach Cole gesucht haben?“
    „Nicht, dass ich es bemerkt hätte“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Zwar war sie sich relativ sicher, dass Watson sie gewarnt hätte, wäre der Mann ihr vorher gefolgt, doch das behielt sie für sich.

    Hm, da frage ich mich. Wir sehen den Mann einmal als er ihr bei der Schule auflauert, oder rein zufällig auf sie trifft.
    Aber ich kann mich nicht genau erinnern, ob er in dieser Kurzgeschichte schon einen Auftritt hatte. Ich glaube sogar, sie ist einmal kurz vor ihm geflohen, aber das kann ich jetzt nicht sagen.

  • [Blockierte Grafik: http://imgur.com/poACyen.png]


    Antwort:
    Fangen wir dieses Mal, da ich vorher nicht dazu gekommen bin, kurz mit der Antwort an @Sunaki an. ;)




    Vorwort
    Nun zum Vorwort der neuen Geschichte. Zuerst einmal: Nein. Nein. Es hat nichts mit @Rusalka, dem User, sondern mit Rusalka aus der slavischen Mythologie zu tun. Um genau zu sein bin ich mir nicht einmal sicher, ob Rusalka, der User, zu dem Zeitpunkt, als diese Geschichte geschrieben wurde, schon diesen Nickname hatte. Ich weiß es nicht, da die Geschichte eigentlich aus einem etwas älteren Projekt ist: Aus dem Cryptorama. Ein kleines Projekt, das ich zusammen mit ryodita vor einer Weile angefangen habe, und das sich effektiv um mythologische Kreaturen und Kryptiden dreht. Und in Rahmen dieses Projekts habe ich ein paar Gruselgeschichten zu Halloween geschrieben, während ryodita die Illustration, die ihr im Cover seht, gezeichnet hat. :)


    In der Geschichte geht es, um den kleinen Laszlo und was er während der Rusalkawoche im Juni erlebt...


    Rusalkasommer


    „Bleib vom Wasser fern, Laszlo“, mahnte seine Mutter, während seine Hände sich dem kühlen Nass entgegen streckten. „Sonst holt dich die Rusalka.“
    „Aber es ist so warm“, jammerte das Kind, während es die über dem Wasser tanzenden Mücken beobachtete.
    „Die Wärme wird dich nicht umbringen“, erwiderte die Mutter nur und hob den Korb mit der gewaschenen Wäsche höher.
    Das Kind zog einen Schmollmund, doch wusste es, das Widerspruch keinen Sinn hatte. Man hatte ihn oft genug gewarnt.
    Und so folgte Laszlo seiner Mutter nach Hause, einen sehnsüchtigen Blick zum Wasser zurückwerfend.


    Doch auch am nächsten Tag brannte die Junisonne heiß auf ihr Dorf hinab und selbst der Schatten der Bäume vermochte keine Abkühlung zu bieten. Obwohl der Sommer erst begonnen hatte, war das Moos unter den Bäumen trocken und das Wasser des Flusses glitzerte verführerisch.
    „Laszlo!“, hörte er die Stimme Armins nach ihm rufen und richtete sich auf.
    Er sah den anderen Jungen auf ihn zulaufen. „Dein Vater lässt nach dir rufen.“
    Laszlo seufzte, hatte er doch gehofft, der Arbeit auf dem Hof zu entkommen, wenn er sich lang genug versteckte. Sein Blick verweilte auf dem glitzernden Wasser des Flusses.
    „Du solltest nicht ins Wasser gehen“, sagte auch Armin, als er seinem Blick folgte. „Dort lauern die Rusalki.“
    „Ich weiß, ich weiß“, seufzte Laszlo und glaubte doch kein Wort.
    Rusalka, Rusalki... Er hatte noch nie einen Wassergeist gesehen. So oft schon war er schwimmen gegangen, doch ein totes Mädchen hatte er noch nie im Wasser gesehen.


    Auch der dritte Tag der Woche brachte keine Abkühlung und die Alte Matea sagte bereits einen besonders trockenen Sommer voraus, was den ein oder anderen schon um die Ernte fürchten ließ, obwohl es doch noch lange war, bis diese eingefahren wurde.
    Doch zumindest – so sagte Matea – war der Brunnen nie trocken geblieben.
    Dies bedeutete jedoch für Laszlo, das er für seinen Vater das Wasser aus dem Brunnen holen musste. Das kühle Brunnenwasser, das jedoch viel zu kostbar für ein Bad war.
    Sehnsüchtig trank das Pferd aus seiner Tränke, während sein Vater dem alten Tier den Rücken klopfte.
    „Wieso führen wir es nicht in den Wald?“, fragte der Junge.
    „Die Rusalki haben auch schon Pferde ins Wasser gezogen“, antwortete der Vater und sein Tonfall ließ keine weiteren Fragen zu.


    Am nächsten Tag half er Matea, wie es die Kinder immer wieder abwechselnd taten. Er brachte der alten Wasser zum Kochen, brachte ihr ein Buch, wenn sie danach fragte und sammelte Speisen aus ihrer Vorratskammer.
    „Babcia Matea“, begann er unschuldig, während er gelangweilt einige Kartoffeln für sie schälte, „gibt es die Rusalka wirklich?“
    „Aber natürlich gibt es die Rusalka“, antwortete die alte Frau, deren Augen mittlerweile so schlecht waren, dass sie nur mit Mühe ihr Rezept lesen konnte. „Und wenn du nicht aufpasst, dann lockt sie dich ins Wasser!“
    „Ich habe sie aber nie gesehen!“, antwortete Laszlo und hackte weiter auf die Kartoffeln ein.
    „Sei froh, sei froh“, erwiderte die alte Frau. „Sie hat schon viele Kinder und auch den ein oder anderen jungen Mann geholt.“
    „Aber wieso sollte sie?“ So einfach wollte er sich nicht zufrieden stellen mit den Antworten, die Erwachsene oft gaben.
    „Weil sie sich das holt, was sie einst verloren hat“, antwortete Matea und es war die letzte vernünftige Antwort, die er an diesem Tag von ihr bekam.


    Es war zu warm, um gut zu schlafen, dachte sich Laszlo in der folgenden Nacht und saß am nächsten Morgen gähnend beim Frühstück.
    „Lehn deinen Kopf nicht auf den Arm“, mahnte ihn die Mutter.
    Er schreckte auf. „Ja ja...“
    Bevor sein Vater ihm weitere Arbeit für diesen Tag zuteilen konnte, schlenderte er in den Wald, wo eine kühle Atmosphäre den Fluss umgab.
    Er legte sich in die Nähe des Schilfs und schloss die Augen. Während er blinzelte hatte er für einen Moment fast den Eindruck, das ein Paar Augen zurückblinzelte.
    „Was machst du hier?“, fragte eine kühle Stimme und als der erschreckte Junge aus seinem Halbschlaf erwachte, sah er eine hübsche Frau, die einen Korb Wäsche bei sich trug. Es war Olessa, die Tochter des Müllers.
    „Nichts, nichts“, antwortete das Kind und errötete, fühlte es sich doch ertappt.
    „Ein Junge wie du, sollte nicht in der Nähe des Flusses schlafen“, meinte die Frau. „Sonst holt dich die Rusalka.“
    „Aber wieso sollte sie mich holen?“, erwiderte Laszlo mürrisch.
    „Weil es ein Junge wie du war, den sie verloren hat, bevor sie sich selbst ertränkte. Also scher dich lieber ins Dorf, wenn du nicht ihr Schicksal teilen willst. Dein Vater sucht sicher nach dir.“
    Und natürlich hatte sie Recht.


    Auch der sechste Tag der Woche brachte Hitze und mehr Arbeit, wenig Zeit sich zu entspannen und noch weniger Möglichkeiten sich abzukühlen. Doch zumindest war die Woche beinahe um und bald würde man ihn zumindest bei Tage in den Fluss lassen.
    Dabei machte es doch gar keinen Sinn, dachte sich Laszlo, dass die Rusalka nur in einer Woche auch am Tage Kinder – und junge Männer – holte.
    Doch während er am Abend die Schweine zurück in die Scheune trieb, hatte er doch das Gefühl, das etwas seltsam war. Er sah zum Waldrand, wo er durch das Dickicht hindurch das Wasser schimmern sah und für einen Augenblick meinte er, ein grünliches Leuchten zu sehen, doch als er nur einmal blinzelte, was das Schimmern verschwunden.
    Die Hitze jedoch verschwand nicht und so folgte auf diesen Tag eine weitere heiße Nacht. Laszlo fand keinen Schlaf und wenn er doch einmal einschlummerte, so wurde er doch gleich geweckt.
    Irgendwann, es war bereits gänzlich finster, erwachte er so erneut und gab es auf so schnell wieder Schlaf zu finden. Seine nackten Füße tasteten nach dem Boden, ehe er aus dem Schlafraum, den er sich mit den Eltern teilte, schlich. Er dachte daran, sich etwas zu trinken zu holen, doch gerade als er die nun leere Küche betrat, fiel sein Blick aus dem Fenster.
    Zwischen zwei anderen Häusern hindurch konnte er auf den Wald sehen und dort, einige Ellen von dem vertrauten Hof seiner Eltern entfernt, sah er es wieder: Das grüne, feurige Glühen.
    Es hätte ihm Angst machen sollen, doch eine solche Angst verspürte er nicht. Nur Neugierde und eine seltsame Sehnsucht in seinem kleinen Kinderherz.
    Ungeachtet fiel der Wasserkrug zu Boden, während seine Füße ihn zur Haustür trugen. Er öffnete die Tür und wie ein Schlafwandler wankte er in Richtung Wald. Er dachte an den kühlen Fluss, an die Abkühlung die dieser brachte und an das sanfte Lächeln einer Mutter...
    Wie seltsam dieser Gedanke war, kam ihm gar nicht erst in den Sinn.
    Und als er den Waldrand erreichte, sah er das Geschöpf, dessen Augen grünlich schimmerten, nackt über die Oberfläche des Flusses tanzen. Es war eine Mutter, dachte er, und nie wäre er auf die Idee gekommen, sie Rusalka zu nennen.
    Sie bemerkte ihn und lächelte ihm zu. Sie streckte eine Hand zu ihm aus und in dieser Hand war die schönste und saftigste Birne, die er je gesehen hatte.
    Das kühle Wasser, das süße Obst und das Lächeln der Mutter. All das war zu verführerisch, als das er sich auch nur einmal umgesehen hätte.


    Am siebten Tag läuteten die Glocken der Dorfkirche – riefen zur Sonntagsmesse.
    Doch zu dieser Zeit war das Bett des kleinen Laszlo schon lange leer und kalt.





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    Vorwort:
    Dieses Mal tatsächlich einmal eine ziemlich neue Geschichte und noch dazu einmal etwas mit Action. :) Und zwar ist es eine Geschichte, die ich für das Manmade Myths Universum geschrieben habe, aka das Universum, in dem auch A Hare Among Wolves und Pomaika'i ma ahi spielen. :)
    Und zwar ist diese Geschichte im Rahmen meines kleinen Projektes entstanden, alte Charaktere von mir in dieses Universum reinzusetzen und zwar so, dass sie Sinn machen. Eine Aktion, die ich vorrangig mache, einfach weil ich mal schauen will, wie ich so manche alte Charaktere heute darstellen würde.
    Elaine in dieser Geschichte ist aus Kaén Kazui, meinem allerallerersten OC entstanden (aka der furchtbaren kleinen Mary Sue im Digimon Universum), wobei ich natürlich nichts mehr in dieser Geschichte enthalten habe, was mit Digimon zu tun hat. :P


    Um den Plot einfach zu erklären: Auf der Flucht vor jenen, die sie jagen, versteckt sich Elaine im afrikanischen Hochland, als Maor, der Engel, der ihre Seele bewohnt sie aufweckt...



    Engelsschatten

    Es war kühl, als Elaine erwachte. Sie fröstelte unwillkürlich und fand, dass Tau sich auf ihrem Schlafsack gesammelt hatte.
    Entsprechend schloss sie, dass die Nacht weiter fortgeschritten sein musste. Doch es war noch dunkel, also war der Morgen noch nicht herein gebrochen oder brach gerade erst herein.
    Was hatte sie geweckt?
    Diese Frage wurde im nächsten Moment von einer Stimme in ihrem Kopf beantwortet.
    Jemand schleicht herum.
    Stimme war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, denn viel mehr war es ein Gedanke, der aus jenem anderen Bewusstsein in das ihre eindrang. Der Grund, warum sie hier war.
    Sie war schon so lange auf der Flucht, dass sie daran gewohnt war, auf diese Art geweckt zu werden. Sie war hellwach und richtete sich auf.
    Vorsichtig und darauf bedacht keinen Laut von sich zu geben, stand sie auf und rollte vorsichtig den Schlafsack hinab, ehe sie aus ihm herausstieg. Dabei verzichtete sie darauf, den Reißverschluss zu benutzen, aus Angst, dass der mögliche Verfolger so auf sie aufmerksam werden würde.
    Dankbarer Weise hatte sie ihre Hose anbehalten, so dass sie nun nur noch barfuß in ihre mittlerweile verschlissenen Sportschuhe schlüpfte, ehe sie sich umsah, um sicher zu sein, dass sie nicht bereits unter Beobachtung stand.
    Sie hatte ihr Lager am Boden einer Felsspalte aufgeschlagen und wie immer ein Sonnensegel, das sie auch vor Regen schützte, über ihrem Kopf aufgespannt. Wenngleich ausgebleicht, war der Stoff mit Camouflage bedruckt, so dass das Segel sie aus der Ferne nicht verriet. Außerdem half es, wenn auch immer sie kochte, das Feuer zumindest aus der Luft zu verbergen. Und sie machte sich nichts vor: Viele ihrer Verfolger konnten fliegen.
    Wir sind zulange hier geblieben.
    Vielleicht hatte jenes andere Bewusstsein nicht unrecht. Sie hatte die letzten drei Tage hier verbracht. Drei Tage, die es einfacher gemacht hatten, sie zu finden.
    Die Spalte führte hinter ihr weiter in den Fels rein, wurde dort aber zu schmal, als das ein Mensch oder ein normal großes humanoides Wesen dadurch gepasst hatte. Vor ihr führte es jedoch in einem licht bewachsenes Waldgebiet – sofern man es so nennen wollte.
    Alle Leute dachten bei Afrika nur an die Wüste und die Savanne, dachten an sengende Hitze und vielleicht noch an Regenzeiten und die damit einhergehenden Überflutungen, doch die Wahrheit war weit diverser.
    Elaine wusste nicht genau wo sie war. Sie hatte kein Smartphone dabei. Keinen Tracker. All das war eine zu große Gefahr. Doch sie musste irgendwo im westlichen Kenia sein, vielleicht auch schon in Tansania. Zumindest soweit sie es sagen konnte.
    Als sie in Nanyuki angekommen war, hatte sie sich in Richtung des Gebirges gehalten und war im Gebirge, dem ostafrikanischen Seehochland, wie ihr irgendwo einmal ein Schild an einer Rangerhütte gesagt hatte, geblieben. Hier war es kühler, milder, feuchter. Hier gab es Höhlen und Felsspalten. Hier konnte sie sich gut verstecken.
    Irgendwann würde sie weiterreisen müssen. Irgendwie.
    Doch dafür musste sie erst einmal sicher stellen, dass sie die Nacht überlebte.
    Ihre Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, doch war es dennoch schwer in die Ferne zu sehen und ihr Blick wurde von den vielen Bäumen und trockenen Büschen abgelenkt. Am Ende war sie nur ein einfacher Mensch und ihre Augen waren nicht auf das Sehen bei Nacht ausgerichtet.
    Magie.
    Verdammt. Sie hatte es vermeiden wollen. Sollte wirklich jemand dort im Dunklen lauern, würde sie all ihre Energie brauchen.
    Was ist, wenn du aus dem Hinterhalt angegriffen wirst?
    Das war natürlich eine berechtigte Frage. Es wäre eine einfachere Antwort gewesen, würde sie jene Zauber, die die Sinne schärften, besser beherrschen. Es war nie ihr großes Talent gewesen.
    Doch sie tat, was jenes andere Bewusstsein von ihr verlangte. Sie wusste, dass es Recht hatte. Und sie kannte die Alternative nur zu gut.
    Also schloss sie ihre Augen für einen Moment und konzentrierte sich. Feuer stand für Licht. Feuer lag ihr. Doch weniger lag ihr der Rest des Zaubers. Die Energie in sich selbst, anstatt in ihrer Umgebung zu sammeln. Sie fokussierte ihre Gedanken darauf, mehr Licht in ihren Augen zu sammeln, fokussierte dann ihre Magie.
    Sie merkte ein beinahe schmerzhaftes Kribbeln in den Augen. Sie war wirklich nicht gut mit dieser Art Zauber. Als sie aber die Augen wieder öffnete, war das Bild vor ihr klarer.
    Sie sah sich um.
    Zwischen den Bäumen konnte sie Bewegung sehen. Doch es war nur ein Tier. Eine kleine Antilope, die nun zur Seite sprang.
    Dankbarer Weise war es eine sternklare Nacht und ein Halbmond stand hell am Himmel. Als sie noch in Nova Scotia gelebt hatte, hatte sie nicht einmal gewusst, wie hell die Sterne strahlen konnten.
    Hatte sich Maor, der Engel, der mit ihrem Bewusstsein verschmolzen war, geirrt?
    Doch da hörte sie etwas. Steine, die weiter oben aus der Spalte hinab fielen.
    Hier war jemand. Und der jemand war über ihr.
    Vorsichtig bückte Elaine sich und griff nach ihrem Messer.
    Wieso hast du das noch nicht längst gemacht?
    Sie befestigte die Messerscheide an ihrem Gürtel, ehe sie vorsichtig unter dem Sonnelsegel hervortrat und nach oben schaute.
    Während ihre Augen nach dem besten Weg in die Höhe suchten, band sie sich ihr braunes Haar zu einem Zopf zurück. Es war kein ordentlicher Zopf, doch wollte sie auch nicht gut aussehen. Sie wollte die Haare aus ihrem Gesicht haben..
    Wenngleich es im Spiel von Licht und Schatten nicht besonders gut zu erkennen war, da der Mond gerade direkt über der Spalte stand, bewegte sich über ihr etwas und Elaine war sich relativ sicher, dass es kein Affe oder Antilope war.
    Sie spannte sich an, spürte die Angst und Anspannung wieder in sich aufsteigen. Was hätte sie nur getan, hätte sie nie Kampfsport gemacht? Sie wäre nie so weit gekommen. Ihre Magie allein brachte sie nur so weit.
    Dann sprang sie los. Stieß sich vom Boden ab und nutzte dann ihre Magie, um sich weiter in die Höhe zu katapultieren. Dies war ein Zauber, den sie mittlerweile besser beherrschte, als sie es je gedacht hätte.
    Dankbarer Weise war der Fels nicht unbedingt glatt. Er bot genug Halt für ihre Hände und Füße, als ihr Momentum nachließ, und sie nach Halt suchte. Sie war knappe acht Meter in die Höhe gekommen.
    Sie hörte einen Schrei.
    Verdammt. Sie hatte gehofft, sie überraschen zu können. Jedenfalls war sie nun ziemlich sicher, dass sie jemand gesehen hatte.
    Wieder stieß sie sich vom Fels ab, auch wenn es nun schwerer war guten Schwung nach oben zu bekommen, so dass sie mit ihrem nächsten Sprung nur knappe drei Meter schaffte. Ein weiterer Sprung, während sie mit ihren Augen nach dem vermeintlichen Gegner suchte.
    Hatte sie sich geirrt?
    Vorsicht! Links!
    Gerade noch rechtzeitig wandte sie sich in die Richtung, um eine Gestalt auf sich zufliegen zu sehen. Eine geflügelte Gestalt. Irgendein Ungeheuer? Ein Magier? Ein Gestaltwandler?
    Die Gestalt versuchte sie zu rammen – sie war etwas kleiner als ein Mensch – doch Elaine stieß sich erneut vom Fels ab und wich ihr so gerade noch rechtzeitig aus.
    Sie prallte – härter als beabsichtigt – gegen den Felsen auf der anderen Seite der Spalte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl keinen Halt unter den Füßen zu haben und rutschte, während die Gestalt sich ihr erneut zuwandte.
    Panisch versuchte Elaine Halt zu finden. Einen hervorstehenden Stein, eine Wurzel, irgendetwas. Sie fiel. Doch dann bekam sie eine schmale Lücke im Fels zu fassen.
    Unwillkürlich stöhnte sie auf, als ihr Gewicht auf einmal auf ihrer linken Hand lag. Sie konnte den rauen Stein in ihre Haut schneiden fühlen.
    Das ist jetzt egal! Es kommt zurück!
    Elaine sah auf und tatsächlich kam das geflügelte Wesen, was auch immer es war, wieder auf sie zu, nun zwei paar spitzer Klauen vor sich ausgestreckt.
    Sie hatte noch immer kaum Halt.
    Magie!
    Ohne darüber nachzudenken, beschwor sie das Feuer. Offensiv lag es ihr weit mehr.
    Beinahe hatte das fliegende Tier, das aussah wie ein übergroßer, besonders hässlicher Flughund mit glühenden Augen, sie erreicht. Noch drei Meter. Noch zwei.
    Nur für eine Augenblick musste sie sich konzentrieren, als schon eine Flamme in ihrer rechten Hand zum Leben erwachte. Noch immer mit dem Gleichgewicht kämpfend holte sie aus und warf die Flamme, die zu einem Strahl aus Feuer wurde.
    Das Wesen war nur wenige Zentimeter entfernt. Sie spürte, wie ihre Hand seine Nase traf, als sie die Flamme nach vorne warf, und im nächsten Moment war das Wesen von den Flammen umschlossen.
    Es ließ einen Schrei hören. Unmenschlich. Andersweltlich. Das grelle Kreischen wurde von den Felswänden reflektiert und vibrierte in ihrem Körper weiter.
    Übelkeit erfüllte sie, doch dann verstummte der Schrei und die Kreatur fiel stumm und noch immer vor Hitze glühend in die Tiefe.
    Gut. Jetzt...
    Ein Stein bröckelte. Ihre linke Hand fing an zu gleiten. Sie verlor den Halt.
    „Nein!“, rief sie unwillkürlich aus, doch es war zu spät. Sie fiel.
    Wie hoch war sie? Etwas mehr als zehn Meter. Es würde sie nicht umbringen. Doch es würde wehtun.
    Magie.
    Ja, natürlich. Magie.
    Der Zauber, der ihre Sicht verbessert hatte, war ihrer Kontrolle schon längst entglitten und das Licht des Mondes schien sie im Kontrast mit der umliegenden Dunkelheit zu blenden.
    Ein Schatten löste sich.
    Magie!
    Ja. Magie.
    All das nur im Bruchteil einer Sekunde. Doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.
    Luft. Luft würde ihren Fall federn. Irgendwie. Es war schwer sich zu konzentrieren, während man in die Tiefe fiel.
    Dann merkte sie es. Eine Art Kissen, dass sie auffing - und zu sehr federte. Anstatt dessen, dass die Luft ihren Fall für den letzten halben Meter abbremste, glitt sie zur Seite, rutschte praktisch von dem unsichtbaren Kissen herunter.
    Mit ihrer rechten Schulter kam sie zuerst auf dem Boden auf, doch ihr Schwung ließ sie zur Seite rollen. Nicht in einem eleganten Manöver. Viel eher rollte sie, wie ein heruntergefallenes Glas über den Boden, während spitze Steine und Felsstücke in ihrer Seiten stachen. Sie rollte aus der Felsspalte heraus, an deren Rand sie ohnehin gewesen war, und den recht flachen Abhang hinab, bis ein Busch ihren Sturz bremste.
    Sie stöhnte, doch Maor kannte kein Mitleid; nur Überleben.
    Er ist da. Jetzt!
    Nur mit Mühe schaffte es Elaine aufzusehen. Sah eine Gestalt, die zumindest zum Teil humanoid war, auf sich zuspringen. Ein langes, grünlich glimmendes Messer in der Hand.
    Ihr erster Instinkt war, sich zusammen zu kauern, doch sie wusste, es war falsch.
    Dieses Wesen, das wahrscheinlich auch eine vollkommen menschliche Gestalt hatte, war fraglos von ihrem Vater angeheuert worden, sie zu finden. Sie würden sie nicht töten. Sie würden sie fangen. Und erst dann würde sie sterben. Sein Messer durfte sie nicht berühren.
    Sie dachte nicht wirklich darüber nach. Vielleicht war es Maor, dier übernehmen wollte. Sie durfte nicht... Doch sie hatte keine Wahl.
    Magie floss durch sie in den Boden, als die Ranken des Busches, der ihren Sturz abgefangen hatte, zum Leben erwachten und sich wie ein fester, dorniger Stoff über sie warfen.
    Sie hörte das Splittern des Holzes, als das Messer in die Ranken schnitt, jedoch nicht weit genug vordrang.
    Zurück, dachte sie. Zurück.
    Maor durfte sie nicht kontrollieren.
    Zurück.
    Überlass es mir.
    Nein. Ich kann nicht.
    Sie konzentrierte sich auf das Feuer. Ihre beste Waffe. Sie zog ihr Messer.
    Das ist ein Buda.
    Was auch immer ein Buda war. Anders als Maor hatte sie keine dreitausend Jahre in dieser Welt verbracht. Anders als Maor kannte sie nicht jede alte und auch weniger alte Kreatur der Magie.
    Ein Hyänenwandler.
    Wie auch immer.
    Was wollte xier ihr sagen?
    Während sie sich auf den Bauch rollte und eine hockende Position annahm, hörte sie immer wieder die splitternden Schnitte des Messers im trockenen Holz.
    Sie ließ eine Flamme in ihrer linken Hand zum Leben erwachen, während sie mit der rechten das Messer fester umgriff. Dann presste sie ihren ganzen Willen in einen Gedanken: Den Zauber, der den Busch kontrollierte, enden zu lassen.
    Sei nicht albern.
    Was interessierte es sie? Sie machte es nicht, um Maor zu schützen. Sie tat es, um selbst zu leben.
    Und sie gewann. Der Zauber fiel. Die Ranken des Busches zogen sich zurück und im nächsten Moment hob sie ihr Messer, um den nächsten Hieb ihres Angreifers, des Buda, abzublocken.
    Funken stoben aus der Klinge des Ungeheuers hervor, als es auf ihr Kampfmesser traf. Keine einfachen Funken, wie sie manchmal entstanden, wenn Metall auf Metall traf, sondern schwere, dunkel glühende Funken. Magie, die sein Messer verließ.
    Noch während die Klingen aneinander hafteten, ließ sie sich zurückfallen. Sie nutzte Magie, um ihr Momentum zu vergrößern, als sie in einer fließenden Bewegung seitlich gegen seine Hüfte traf, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, und ihm im selben Moment die Flamme entgegenschnellen ließ. Wie eine Peitsche schoss sie in Richtung seines Gesichts.
    Das Wesen hatte seine Hybridform angenommen. Das hässliche Gesicht einer Hyäne mit gelblich glühenden Augen sah ihr entgegen, als der Buda seine freie, fellige Hand instinktiv nutzte, um sein Gesicht zu schützen. Er konnte jedoch nicht verhindern, das Gleichgewicht zu verlieren, zu konzentriert war er auf die Flamme gewesen. Seine plötzliche Bewegung unterstützte den Schwung ihrer Beine sogar.
    Auch sie ging zu Boden, doch anders als der Buda, war sie darauf gefasst. Kaum, dass sie auf dem Boden aufkam, nutzte sie ihren Schwung, um sich wieder bäuchlings zu drehen und dann wieder auf die Beine zu springen.
    Sie stand, während der Hyänenwandler noch nicht ganz begriffen hatte, was ihm geschehen war.
    Elaine ließ keine Zeit verstreichen. Sie ließ die Flammenzunge erneut auf ihn herabschnellen. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Sie zielte auf seine rechte Hand und erreichte, was sie versuchte: Er ließ das Messer fallen.
    Sofort sprang sie vor und trat es von ihm fort, aus seiner Reichweite heraus, ehe sie kurz ihre Energie sammelte und einen Feuerball, heißer als ihre Flammenpeitsche, die eigentlich nicht viel mehr als eine Ablenkung war, hinterherwarf. Es kostete Energie und löschte vorerst ihre Flamme, doch zumindest nahm es das Messer aus der Gleichung heraus.
    Jetzt nur noch...
    Sie wollte sich herumdrehen, als ein Knurren hinter ihr erklang. Noch bevor sie ihre Bewegung beendet hatte, traf etwas hartes, schweres sie und brachte sie zum Fall. Dann schnappte lange, gelbliche Zähne nach ihrer Kehle.
    Der Buda hatte seine monströse Form angenommen. Sie hatte so etwas bei Wölfen und anderen Katzen schon gesehen, doch hier, bei Dunkelheit allein in Hochland, war die gut zwei Meter große Hyäne eine ganz andere Liga von einschüchternd.
    Instinktiv hob sie das Messer zu ihrem Schutz und traf die Hyäne irgendwie am Hals. Warmes Blut, das bei der Dunkelheit beinahe schwarz wirkte, tropfte auf sie hinab, als die Hyäne ein Jaulen hören ließ. Doch sie wich nicht zurück. Wut glomm in ihren Augen.
    Hatte das Untier die Beherrschung verloren?
    Die Lechzen der länglichen Schnauze waren angespannt. Stinkender Speichel tropfte in Elaines Gesicht, als sie erneut zustach, dieses Mal auf die Halsschlagader gezielt.
    Doch der Buda schien zu verstehen, was sie plante. Plötzlich fuhr seine Schnauze herum und ehe sie ganz begriff, bohrten sich die langen Zähne in ihren Unterarm.
    Sie konnte gar nicht anders. Das Messer fiel aus ihrer Hand. Sie schrie.
    Knurrend riss die riesige Hygiene an ihrem Arm, riss ihren Oberkörper nach oben und entlockte ihr einen weiteren Schrei. Das Bild vor ihren Augen verschwamm. Sie spürte nur noch Schmerz. Nur eine Erkenntnis drang in ihr Bewusstsein: Wenn der Buda wirklich seine Beherrschung verloren hatte, würde sie sterben. Dann kämpfte er nicht mehr um sie zu fangen. Dann kämpfte er um zu töten.
    Elaine.
    Sie musste Magie einsetzen.
    Sie musste sich wehren.
    Verzweifelt versuchte sie es, sich zu konzentrieren, doch schaffte sie es kaum, den Schmerz aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen. Er schien jeden Nerv, jede Faser ihres Körpers pulsieren zu lassen, als die Hyäne ihren Kopf herumriss und damit Elaines Körper gegen einen anstehenden Baum schleuderte.
    Elaine.
    Nein. Nicht jetzt.
    Magie.
    Die Sinne schwanden ihr. Sie musste etwas tun.
    Der Buda knurrte sie an und sprang dann auf sie zu, als eine plötzlich ein Schwall Energie durch ihren Körper fuhr. Es war eine innere Hitze, die verbrannte - verbrannte ohne zu schmerzen. Es war reine Energie. Und sie kannte das Gefühl.
    „Nicht“, hauchte sie, doch sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Worte wirklich über ihre Lippen kamen.
    Dann merkte sie, wie etwas ihr Bewusstsein verdrängte. Mehr und mehr wurde es von ihrem Körper fortgerissen. In eine dunkle Ecke ihrer Existenz.
    Nicht, klangen ihre Gedanken wie ein Echo durch die Dunkelheit, ehe sich ihr Bewusstsein gänzlich von ihren Sinnen trennte. Schwärze. Nacht. Nichts.



    Die Sonne stand am Himmel, als Elaine wieder zu sich kam.
    Ihr Körper schmerzte. Sie fühlte sich wie ausgetrocknet. Beinahe wunderte es sie, dass sie nicht tot war.
    Sie öffnete die Augen und blinzelte in das grelle Sonnenlicht hinein, dass sich von einem See - nun, viel mehr einem Wasserloch, das vor ihr lag, reflektierte.
    Ein Löwe, der an der gegenüberliegenden Seite des Wasserlochs lag, sah sie misstrauisch an, schien dann aber zu beschließen, dass sie keine Gefahr für ihn darstellte und trank in seelenruhe weiter.
    Sie war in der Savanne. Oder - wie sie feststellte, als sie sich mühsam etwas aufrichtete - zumindest am Rand der Savanne. Dort, wo das Hochland zur Ebene überging.
    Ihre Sachen!
    Beruhige dich.
    Sie sah sich um, als Maors Bewusstsein ihren Blick zu einem Busch neben ihr lenkte, wo Schlafsack, Segel und ihr Rucksack unordentlich herumlagen.
    Dann wurde ihr klar, dass sie tatsächlich noch lebte. Sie hatte die Nacht überlebt, hatte den Angriff überlebt. Sie war nicht ausgebrannt. Und sie hatte ihre Kontrolle nicht ganz verloren.
    Noch nicht.
    Offenbar hatte Maor ihren Körper unter einem kleinen, kargen Baum am Rand des Wasserlochs zur Ruhe gelegt. Warum hier?
    Ich wollte nicht in den Bergen bleiben. Vielleicht waren noch andere dort.
    Verdammt. Dort hatte sie sich sicher gefühlt.
    Sie stöhnte, als sie sich weiter aufrichtete und mühselig zum Wasserloch hinüberkrabbelte. Die Bäche im Hochland waren sauberer, appetitlicher als dieses matschige Wasser. Doch sie hatte Durst. Solchen Durst. Und so trank sie das Wasser unter der stetigen Beobachtung des Löwen und seines Rudels. Das matschige, warme Wasser. Doch es war Wasser.
    Schließlich warf sie eine handvoll des Wassers in ihr Gesicht. Es fühlte sich glorreich auf ihrer trockenen Haut an.
    Erst dann fiel ihr etwas auf. Ihr Arm. Er brannte. Doch als sie ihn ansah, stellte sie fest, dass die Wunde bereits verkrustet und zu einem guten Teil sogar mit frischer Haut überwachsen war.
    „Danke“, flüsterte sie, als ihr klar wurde, dass dies ein Verdienst von Maors Heilmagie sein musste.
    Wenn du stirbst, sterbe ich.
    Ja, natürlich.
    Wir müssen weiter.
    „Ich weiß“, erwiderte sie. Sie musste weiter. Sie musste ein neues Versteck finden.
    Für wie lange noch? Seit beinahe vier Jahren lebte sie schon so. Für wie lange noch?
    Bis wir einen Weg finden.
    „Aber wie?“, fragte sie, wusste sie doch genau, wovon xier redete.
    Das ist die Frage.
    Das war seit vier Jahren die Frage gewesen.
    Denn wenn sie Menschen, vor allem andere Magier mieden, würden sie nie eine Antwort finden. Wenn sie so weiter machten, würde irgendwann einer der Söldner oder Goons sie erwischen. Irgendwann würden sie Magier suchen müssen. Vielleicht eine der alten Bibliotheken.
    Das ist zu gefährlich.
    Nein, es musste einen Weg geben.
    Ihr Magen knurrte und ließ sie seufzen. Sie hatte noch ein wenig Dörrfleisch und Eingemachtes in ihrem Rucksack. Irgendwann würde sie ohnehin die nächste Stadt aufsuchen müssen. Und dann...
    Ja, dann...
    Doch für den Moment würde sie essen. Essen. Und dann weiterziehen. Sie würde ein neues Versteck finden und dort bleiben, bis der nächste Söldner sie fand. So würde es weiter gehen, bis sie irgendwann, hoffentlich, eine Lösung fand. Eine Lösung, die ihren Geist von dem Maors trennte; die es ihr erlaubte in ihre Heimat zurückzukehren.

  • Hallo Alaiya. (:


    Ich hab mir aus Neugierde mal dein Topic angesehen und bin dabei auf deine Geschichte „Rusalkasommer“ gestoßen. Und nachdem mich Wassernymphen und -geister jeglicher Art seit einer Weile interessieren, wollte ich das gleich mal lesen und dir einen kleinen Kommi dazu schreiben!


    Rusalkasommer


    Das Coverbild ist schon mal sehr schön und es war ganz schön schwer sich davon abzuwenden, weil das Grün so schön leuchtet. So stell ich mir eine Rusalka vor.
    Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich viel dazu schreiben kann, weil mir die Geschichte so gut gefällt und mich irgendwie ziemlich sprachlos hinterlässt. Von Anfang an, wird die Bedrohung durch die Rusalki deutlich gemacht und Laszlo wird von Beginn an gewarnt. Irgendwie hab ich mir da bereits gedacht, dass er sicherlich noch auf eine Rusalka treffen wird. Das Wasser wurde die ganze Zeit als große Verlockung gegen die Hitze dargestellt und war somit immer im Fokus. Ich denke, die ganze Sache spielte auch eher in einer einfacheren Zeit, jedenfalls erwähnst du keine besondere Technologie. Das hat mir gefallen, weil so die Natur stärker in den Vordergrund rückte. Laszlo scheint nicht ganz von der Existenz der Rusalki überzeugt zu sein. Mit den Augen eines Kindes gesehen ist das nur verständlich, weil die Erwachsenen ihm so verbieten sich dem Wasser zu nähern. Ich frage mich, ob man ihn vor dem Treffen mit der Rusalka bewahren hätte können, wenn man ihn deutlicher aufgeklärt hätte. Die Antworten der Erwachsenen — und auch Kinder — waren doch immer recht simpel und oberflächlich. Aber das macht das hier auch aus, weil man sich als Leser auch denkt: klar sind die Rusalki gefährlich, aber was macht sie so gefährlich? Würde nicht jemand einfach davon laufen, wenn er so eine Gestalt sehen würde?
    Einerseits hat mich das Ende überrascht, andererseits hab ich es ein wenig befürchtet, dass Laszlo der Rusalka zum Opfer fällt. Du hast einfach durchweg diese Spannung aufgebaut, die sich ja irgendwann entladen musste. Hier war die Beschreibung der Rusalka recht einfach, aber ihre Wirkung auf Laszlo war eindeutig. Er wusste gar nicht, wie ihm geschieht.


    Der Schreibstil ist in dieser kurzen Geschichte recht einfach — vielleicht hätte man an der ein oder anderen Stelle mehr beschreiben können, aber ich weiß grad nicht, ob das vielleicht zu viel Zierrat für die Handlung gewesen wäre. Jedenfalls hat mir diese kleine Gruselgeschichte sehr gefallen. (:

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    Antwort:
    @Cyndaquil: Vielen lieben Dank für den Kommentar! :heart:





    Vorwort:
    Heute tatsächlich einmal etwas anderes. Denn ich habe ein kleines Projekt vor ein paar Tagen angefangen und daher ist es mir heute möglich, ein paar komplett neue Werke, die dazu auch noch nicht so lang sind, mit euch teilen. Dafür gleich drei davon. :P
    Und zwar habe ich eine kleine Selbstchallenge angefangen, nachdem ich auf Twitter über PicturePrompts gestolpert bin: Ich schreibe ein paar sehr kurze Geschichten zu den verschiedenen Bildern. Nicht immer zum aktuellsten Bild. Ich habe mir ein paar alte Bilder herausgesucht, die mich so angesprochen haben. ;) Die Idee ist einfach, einmal wirklich unterschiedliche Geschichten zu schreiben.
    Dabei werden die Geschichten effektiv durchweg im Manmade Myths Universum spielen - allerdings wird man bei einem nicht unerheblichen Teil gar nicht merken, dass sie in einer Urban Fantasy Welt spielen, da eben auch in der Welt die meisten Menschen ein normales Leben führen - und selbst die magischen Leute oftmals Normalität kennen. :P Einige Charaktere sind neu, andere gebraucht. Ganz unterschiedlich.
    Dazu immer die Bilder, die als Prompt dienten.
    Die kurzen Geschichten/Szenen lassen sich dennoch ohne jedwedes Vorwissen lesen. So viel sei versprochen! ;)


    Viel Spaß!



    Der See unter dem See


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    Die Kerze flackerte.
    Beinahe wie Schlangen tanzten die Schatten der Laterne selbst über die Felswände, als sich der gang, dem er gefolgt war, zu einem weiten Raum, beinahe einer Halle, öffnete.
    Tatsu hielt die Laterne höher, um in den Raum hineinsehen zu können, doch konnte er dennoch kaum mehr als vielleicht zehn Meter klar sehen. Er sah die Wand, an der er stand und die in einem Bogen gekrümmt zu seiner Linken zu verlaufen schien. Er sah einige Stalagmiten, die wie weiße Zähne aus dem Boden ragten. Doch er sah nicht die Decke. Er sah nicht was vor ihm lag. Doch er musste auf dem richtigen Weg sein.
    Das dumpfe Glucksen eines Tropfen, der aus großer Höhe auf eine Wasseroberfläche traf, schallte durch den Raum.
    Ja, er musste hier richtig sein. Hier musste es sein.
    Vorsichtig schritt er nach vorn. Kleine Steine und Sand knirschten zwischen seinen Füßen und den Felsboden.
    Das Glucksen von weiteren Tropfen schallte durch die Katakomben, während die flackernde Kerze die Schatten tanzen ließ.
    An den Wänden bildete sich ein Kontrast, als er weiter voranschritt. Vorne am Eingang der Felshalle waren sie trocken, grau, und nun, je weiter er ging, waren sie von weißlichem, nass glänzenden Kalk überzogen.
    Es gab keinen Zweifel. Er war richtig.
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem vernarbten Gesicht aus, erlosch jedoch im nächsten Moment, als er beinahe stolperte. Ein Plätschern erklang, als sein linker Fuß unerwartet auf Wasser traf. So fasziniert hatte Tatsu die Wände beobachtet, dass er beinahe in den See gefallen wäre, der sich nun vor ihm ausbreitete.
    Doch nun sah er nach vorn und sah, dass er da war. Eine unnatürlich glatte Wasserfläche breitete sich vor ihm aus und verlief sich in die Dunkelheit. Das Wasser schien tintenschwarz. Es breitete sich zu beiden Seiten bis außerhalb seines Lichtkegels aus.
    Tatsu schluckte. Ja, dass musste er sein. Der See unter dem See. Er war da.
    Vorsichtig stellte er die Lampe ab, ehe er seine Haare zurückband. Während die Kerze weiter flackerte, zog er sich Weste und Hose aus.
    Er sah sich um. Es war der Augenblick der Wahrheit. Seine Chance sein Schicksal zu erfüllen. Zu finden, was ihm seinen Namen gegeben hatte. Er hatte keine Wahl. Er musste gehen.
    Und so stieg er in das eisige Wasser hinein.




    Heimat


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    War es wirklich ihre Heimat?
    Sie erinnerte sich kaum noch daran, hier gelebt zu haben. Es war über dreißig Jahre her. Dreißig Jahre, dass ihre Eltern hier fort gezogen waren.
    Joanne kam nicht umher, sich zu fragen, ob sie das Haus, in dem sie einst gelebt hatte, überhaupt noch erkennen würde. Viel eher erinnerte sie sich an einen laufenden Fernseher, an verschiedene Kindermädchen, Au Pairs und etwaige Ausflüge an den Strand - mit den Au Pairs natürlich. Ihre Eltern waren, zumindest soweit sie sich erinnern konnte, nie mit ihr irgendwohin gegangen. Es sei denn, man hatte sie in ein hübsches Kleid gesteckt, um sie auf irgendeinem Geschäftsessen vorzuführen.
    Sie sah zu dem Steg, der auf das Meer hinausführte. Kleine Holzhäuser zierten den Steg und sie war sich sicher eins davon, ein kleines Eiscafé, noch zu erkennen. Ja, sie war sich recht sicher, dort einmal Eis gegessen zu haben.
    Ach, was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierher in den Urlaub zu fahren? Sie hätte wissen müssen, dass es keinen Unterschied machte. Wahrscheinlich wäre das Mittelmeer schöner gewesen.
    Amy dagegen störte das alles nicht. Breitbeinig saß sie in ihren blauen Badeanzug im Sand und hob mit Begeisterung einen Graben um eine Sandburg herum aus. Das Gesicht der Fünfjährigen war vollkommen konzentriert, als sie den Sand, den sie ausgehoben hatte, der Burg hinzufügte und ihn festklopfte.
    „Soll ich dir etwas cooles zeigen?“, fragte Murphy, der, wie ein guter großer Bruder daneben hockte.
    Amy sah ihn mit großen Augen an. „Ja“, nuschelte sie dann.
    „Gib mir mal deine Schaufel“, meinte der junge Mann daraufhin und begann, kaum, dass er die Schaufel hatte, den Graben in Richtung des Meeres zu verlängern.
    Matt lächelte Joanne und legte sich auf dem Handtuch zurück. Irgendwie war es hier friedlicher, als sie es in Erinnerung hatte. Oder eher verlassener. Kaum jemand anderes war tatsächlich am Wasser, geschweige denn drin. Nur einzelne Personen liefen Barfuß durch die Brandung. War es den meisten bereits zu kalt?
    Blinzelnd sah sie in den spätsommerlichen Himmel hinauf, wo einzelne flache Wolken blass das Licht der Sonne reflektierten.
    Eigentlich war es warm genug, beschloss sie. Vor allem das Wasser war noch warm. Doch wahrscheinlich gingen die meisten Leute ohnehin eher nach Kalender und Gefühl.
    Für einen Moment erlaubte sie sich, die Augen zu schließen. Es würde nichts passieren. Es würde nichts passieren …
    Ein begeistertes Quietschen, ließ sie sich wieder aufrichten.
    „Schau mal, Mommy“, rief Amy aus.
    Joanne schaute. Die Brandung hatte Wasser durch den Kanal, den Murphy gegraben hatte, gespült, dass nun den vermeintlichen Burggraben füllte.
    Die Augen des Kindes glitzerten vor Begeisterung, während sie zusah, wie neue Wellen immer wieder etwas mehr Wasser in den Graben spülten und dessen Wände damit glätteten.
    Mit einem Lächeln stand Joanne auf, um sich zu ihrer Tochter zu setzen. „Habt ihr das gebaut?“, fragte sie bemüht ihre Stimme beeindruckt klingen zu lassen.
    „Ja“, versicherte die Kleine ihr. „Murphy hat mir geholfen!“
    Joanne sah zu ihrem Adoptivsohn, der ihr zuzwinkerte. „Gut gemacht, Kid.“
    „Was man nicht alles tut“, meinte er süffisant.
    Eine andere Stimme erklang. „Na. Bauarbeiten abgeschlossen?“
    Joanne hatte gar nicht gemerkt, dass Joachim mit einer vollen Tüte, auf der das Logo eines Imbisses abgedruckt war, den Strand hinabgekommen war.
    „Oh, gibt es etwas zu essen?“, fragte Murphy.
    Joachim lächelte ihn an. „Nur für brave Jungen.“
    Mit einem leisen Lachen wandte Joanne sich ihm zu. „Er war heute einmal ausnahmsweise brav.“ Damit stand sie auf und bückte sich zu Amy hinab. „Lass uns etwas essen, Schätzchen.“
    Auch davon schien das Kind begeistert. „Okay!“
    Damit hob Joanne ihre Tochter auf, um sie zu ihrem Strandtuch hinüber zu bringen.




    Fragen


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    Sean kam zu sich. Sein Atem ging schnell. Warum?
    Er spürte Wut, aber auch Angst und auch noch eine weitere Emotion, die er nicht benennen konnte. Sein Atem ging schnell. Warum?
    Er kam nicht dran vorbei sich zu fragen, was genau geschehen war. Er war ohnmächtig gewesen, oder? Doch fühlte er sich eher, als hätte ihm jemand reines Adrenalin gespritzt. Warum?
    Mühsam setzte er sich auf und stellte fest, dass er auf einer morschen Holzkiste gelegen hatte. Auch die Wände des kleinen Zimmers, in dem er lag, waren aus Holz. Selbst die Löcher, die wohl einst einmal Fenster gewesen waren, waren mit Holz vernagelt. Einzig eine Türöffnung, durch die orangefarbendes Licht strömte und den Staub in der Luft sichtbar machte, war offen. Wo war er? Warum war er hier?
    Wieso konnte er sich an nichts erinnern?
    Und dann, als er sich gänzlich aufsetzte, wurde ihm bewusst, dass er nackt war. Warum war er nackt?
    Unsicher zog er seine Beine an sich heran, um seine Blöße zu bedecken. Er traute sich nicht rauszugehen. Immerhin sah er hier nichts, womit er sich einkleiden könnte. Also musste er hier bleiben. Hier bleiben und warten.
    Was war nur geschehen?
    Er zitterte. Es war Herbst und wenn er das orange Licht richtig interpretierte, ging die Sonne gerade unter. Es wurde kalt. Was sollte er denn nur tun?
    Draußen vor der Tür schien eine grüne Wiese zu liegen und soweit er sehen konnte, war dort draußen nichts anderes. Nur eine Wiese und ein paar Bäume. Keine Häuser, kein gar nichts. War er denn mitten in der Wildnis?
    Er spürte ein brennen in den Augen und versuchte zu blinzeln, als ihm klar wurde, dass es Tränen waren. Verdammt. Er durfte nicht weinen. Sie würden nur wieder lachen. Doch es war ja niemand hier.
    War es vielleicht einen Scherz, den sie sich mit ihm erlaubt hatten?
    Immer und immer wieder ging er seine Erinnerungen durch. Er konnte sich an den Morgen in der Schule erinnern. Es war beschissen gewesen, wie immer. Er hasste die Schule. Und dann? Dann waren da Sam und Thomas und James gewesen. Sie hatten ihm aufgelauert und hatten ihn mitgenommen in diese Gasse. Hatten sie ihn irgendwie KO geschlagen und ihm die Kleidung weggenommen? Doch wie kam er dann hierher?
    Warum konnte er sich an nicht mehr erinnern?
    Es wurde langsam dunkel.
    Was sollte er machen?
    Die Wut in ihm war schon lange verebbt und nur der reinen Angst gewichen. Er verstand das alles nicht. Er wollte hier weg. Er wollte von hier fort.
    Ein Rascheln erklang draußen. Als würde jemand durch Büsche gehen. Ein Rascheln und eine Bewegung, die er durch die Ritzen im Holz sehen konnte.
    Er spannte sich an. Ein wildes Tier?
    Es war definitiv kein Mensch?
    Und tatsächlich. Einen Moment später trat etwas vor die Tür und ließ ihn zusammenzucken. Er dachte erst, es sei ein Hund, doch dann erkannte er, dass er sich irrte. Er hielt den Atem an. Es war ein Wolf. Es war definitiv ein grauer Wolf.
    Das Tier sah ihn aus goldenen Augen an und kam dann in die Hütte hinein.
    Sean starrte es an und dann begann das Tier seine Gestalt zu verändern.
    Ein Mann stand vor ihm. Ein Mann von vielleicht vierzig Jahren. Sein Haar war bereits komplett ergraut. Eine Narbe zierte seine Wange. Er trug einfache Kleidung: Eine Jeans und ein dunkles Hemd, das bereits etwas mitgenommen aussah. Er musterte Sean. „Da bist du ja.“
    Fassungslos starrte Sean ihn an. „Wer …?“

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    Vorwort:
    Heute tatsächlich einmal etwas anderes: Drabbles. Drei Stück. Ein Double Drabble, zwei einfache Drabble, allesamt haben etwas mit Tieren zu tun :P Natürlich spielen auch diese Geschichtchen, wenn man so will im Manmade Myths Universum, wobei Trixie, der Möwengeist, sogar so ein kleiner heimlicher Favorit von Seki und mir ist. Kek.
    Viel mehr habe ich auch nicht zu sagen, außer: Wow, sind mit meine ersten Drabbles in sehr sehr langer Zeit. o.o



    Fisch!


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    „Fisch!“
    Zumindest im Geiste war Trixie eine Möwe und sie würde ihren Schwarm beschützen – wenn denn nötig. Für den Moment saßen sie hier einfach auf den seltsamen Menschenkonstrukten und beobachten die Menschen, die sich auf dem eckigen Steinding in Richtung der schwimmenden Metallschale drängten.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von einer nicht aufmerksam war. Wahrscheinlich ein Menschenküken. Dann würden sie bereit sein!
    „Fisch! Fisch!“, schrie ihr Schwarm.
    Das hieß natürlich nicht, dass sie es wortwörtlich schrien. Die Menschen verstanden nur dasselbe wie immer: „Kräh! Kräh!“ Aber es waren halt Menschen, die nichts verstanden, aber glaubte, dass Metall schwamm.
    Da war ein geeignetes Opfer. Ein Menschenküken, das eine Tüte mit fettigem Fisch in der Hand hielt und verträumt auf das Meer sah, während seine Mutter es am Arm zog.
    Ihr Schwarm wurde aufgeregt. „Fisch! Fisch! Fisch!“
    Ja, Fisch. Fisch war gut. „Jetzt!“, befahl sie und breitete ihre Flügel aus. Ihr Schwarm folgte.
    Es war ein absolut elegantes Flugmanöver, als Trixie über die Köpfe der Menschen segelte und sich dann in einem Sturzflug die Tüte schnappte. Das Schreien des Menschenküken ignorierend flog sie zum nächsten Pier und ließ die Tüte fallen. Sie pickte nach der Tüte. „Fisch.“



    Tier. Lieb?


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    Ein Rascheln im Unterholz, dann kam ein rotes Eichhörnchen zum Vorschein, dass mit schnüffelnder Nase sich für einen Moment umsah.
    Niedlich, dachte sich Martin und kramte in seiner Tasche, darauf hoffend, dass er es nicht verscheuchen würde. Immerhin konnten Eichhörnchen unglaublich scheu sein.
    Er fand, was er suchte: Eine einzelne Haselnuss, noch in der Schale. Dankbarer Weise hatte er eine dabei.
    Vorsichtig hockte er sich hin, während das Eichhörnchen ihn neugierig beobachtete.
    „Willst du eine Nuss?“, flüsterte Martin und ließ die Nuss rollen.
    Das Eichhörnchen schaute und hob seine Vorderlippe. Dann sprach es: „Fick dich!“ Und dann sprang es davon.




    Weißer Tiger


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    „Eigentlich gibt es keine weißen Tiger, weißt du?“
    „Sicher. Ich habe doch welche gesehen.“
    „Im Zoo?“
    „Ja.“
    „Das ist etwas anderes. Zoos züchten die weiß. Die Werben dann damit.“
    „Ja, aber dann muss es doch welche in der freien Natur geben, oder?“
    „Ne. Da können die meistens nicht überleben. Wie mit richtigen Albinos, weißt du?“
    „Warum erzählst du mir das?“
    „Nur ein Gedanke. Gut zu wissen, was manche Zoos so machen.“
    „Ich habe da Horrorgeschichten gehört, von privaten Züchtern.“
    „Ja, auch.“
    „Interessierst du dich sehr für Tiger?“
    „Das ist die Sache. Es gibt eine Art weißer Tiger: Tiger wie mich.“

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    Vorwort:

    Da sind wir wieder und wieder einmal einen Tag zu spät, da ich gestern dank einem furchtbaren Regenschauer auf der Arbeit festgesessen bin und danach irgendwie nicht mehr dazu gekommen bin zu posten. Ups.
    Wie dem auch sei, ich dachte es wäre einmal wieder an der Zeit, eine Fanfiction zu posten und zwar eine, die ich ohnehin schon länger hatte hier hereinstellen wollen. Ungesagt. Ungesagt spielt im Universum von Digimon Adventure/02 (nicht tri., weil tri. einfach nur beschissener Schwachsinn ist >___<) und ist eine Taishiro-Fanfic, da Taishiro definitiv zu meinen OTPs im Adventure-Universum gehört und viel besser ist als Michi, Taito und Co!!!!!! Nebenpairing ist mein absolutes OTP: Mimako.
    Koushiro will mit Taichi sprechen, doch er traut sich - trotz Mimi und Miyako, die ihm Mut machen - nicht ganz es anzufangen.




    Ungesagt


    Es hätte nicht viel schlimmer sein können!
    Die heiße Saunaluft roch nach irgendwelchen Kräutern – Koushiro wusste nicht nach welchen genau und eigentlich war es ihm auch egal.
    Sie waren nur zu zweit. Na ja, zu dritt. Aber Agumon schnarchte nur zufrieden auf der Bank neben Taichi. Vielleicht war es nicht sonderlich überraschend, dass sich das reptilienartige Digimon in der molligen Wärme pudelwohl fühlte. Oder eher raptorenwohl.
    Und selbst Tentomon hatte ihm in Stich gelassen. „Du weißt doch, Insekten überhitzen schnell“, hatte es nur gesagt und war lieber draußen geblieben.
    Die anderen? Yamato und Sora waren auf einem Date. Die Mädchen – Mimi, Miyako und Hikari – waren im Frauenbereich des Bades. Takeru... Wer wusste schon wo der Junge war? Und obwohl das ganze einmal ursprünglich Jyous Idee gewesen war, hatte er abgesagt. Mal wieder. Seit er mit dem Studium angefangen hatte, war es sehr schwer mal etwas mit ihm zu machen.
    „Das ist doch wunderbar“, hatte Mimi zu ihm gemeint, während Miyako zustimmen genickt hatte. „Dann kannst du mit ihm in Ruhe reden!“
    Er selbst hatte widersprochen. Na ja, zumindest hatte er widersprechen wollen. Wahrscheinlich hatte er mehr etwas darüber gestammelt, dass ein Badehaus sicher nicht der beste Ort war, um über so etwas zu sprechen. So genau wusste er aber nicht mehr, was er gesagt hatte.
    „Ach, mach dir aus so etwas doch nichts“, hatte Miyako gesagt. „Was ist denn das schlimmste, was passieren könnte?“
    „Ihr habt dann zumindest Zeit“, hatte derweil Mimi gemeint und ihm auf die Schulter geklopft. „Glaub mir, du wirst dich danach besser fühlen.“
    Das bezweifelte Koushiro derweil.
    Mimi hatte vielleicht gut reden. Sie hatte nie ein Problem gehabt, zu sagen, was sie dachte. Viel eher war es für sie ein Problem gewesen, das nicht zu tun. Seit sie in Amerika lebte, war es noch viel schlimmer. Jedenfalls kam es ihm so vor, wenn sie auf Besuch war.
    Schlimmer noch: Sie hatte Miyako damit angesteckt.
    Aber am Ende hatten die beiden gut reden. Sie waren jetzt seit zwei Jahren zusammen – sie mussten sich ja um so etwas keine Gedanken mehr machen. Außerdem hatte zumindest Mimi schon vorher Erfahrungen mit so etwas gemacht. Davon abgesehen, dass sie ohnehin besser darin war, mit anderen Leuten zu reden, andere Leute einzuschätzen und solche Dinge halt.
    Er jedoch war anders. Es war ihm immer schon schwer gefallen, physisch mit Menschen zu reden, jedenfalls wenn er mit ihnen nicht über harte Fakten redete. Alles persönliche war zu kompliziert für den physischen Umgang. Im Internet war es einfacher...
    „Hey, Koushiro!“ Taichis Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    Er sah auf. „Äh, was?“
    „Alles in Ordnung?“, fragte Taichi und sah ihn an. „Du siehst nicht gut aus.“
    „Ähm... Ich... Weiß nicht“, erwiderte Koushiro und wich seinem Blick aus.
    „Vielleicht solltest du besser raus gehen“, schlug Taichi vor und schenkte ihm ein Lächeln.
    „Ja, vielleicht ist das besser“, murmelte Koushiro und sah zu der Uhr über der Tür. „Oh.“ Er war schon fünfzehn Minuten hier drin. „Ja... Ich gehe.“ Er stand auf und zog das Handtuch um seine Hüfte enger, ehe er hinausging.
    Rausgehen, das kam ihm gerade wirklich wie eine gute Idee vor. Dann müsste er nicht weiter darüber nachdenken ob er was sagte oder nicht. Besser er sagte nichts.
    Immerhin wusste er, dass Taichi Sora gemocht hatte. Er würde sich kein Interesse an jemandem wie ihm haben. Also sollte er jeden Gedanken daran besser verdrängen... Es würde ihre Freundschaft nur unnötig kompliziert machen.
    Er seufzte, während er zu den Duschen hinüberging.
    Das war der letzte Gedanke, ehe ihm auf einmal schwindelig wurde. Er war zu sehr überhitzt, wurde ihm noch klar, ehe er den Boden unter den Füßen verlor.
    Er hörte noch die vertraute Stimme Tentomons: „Koushiro-han!“ Dann wurde ihm gänzlich schwarz vor Augen.


    Als er wieder zu sich kam, lag er noch immer auf dem steinernen Boden des Badehauses, aber jemand hatte aufgerollte Handtücher unter seinen Kopf und seine Beine gelegt, um ihn zu stabilisieren.
    Er spürte auch etwas kaltes auf seiner Stirn und seinen Armen. Eis.
    „Können Sie mich sehen?“, fragte ein Mann, der sich über ihn beugte. Offenbar ein Mitarbeiter des Badehauses, da er die entsprechende Kleidung trug. Vielleicht ein Mediziner?
    „Ja“, erwiderte Koushiro heiser. Sein Kopf schmerzte.
    „Koushiro-han?“, fragte Tentomon, das sich über ihn beugte. „Alles in Ordnung?“
    „Es geht schon“, murmelte er und versuchte sich aufzusetzen, nur um festzustellen, dass ihm wieder schwarz vor Augen wurde. Er ließ seinen Kopf auf das Handtuch zurückfallen.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass auch Taichi, Agumon, Takeru und Patamon nahebei standen und besorgt aussahen.
    „Sie sollten sich besser noch eine Weile hinlegen“, meinte der Mann. „Wir haben einen Ruheraum. Ich kann sie dahin bringen.“
    „Nicht nötig“, murmelte er und versuchte erneut sich aufzurichten.
    „Koushiro-han, sei vernünftig“, meinte Tentomon. „Dir ist nicht gut.“
    Die Situation frustrierte ihn, war ihm peinlich. „Ich...“
    Da kniete sich Taichi neben ihn. „Tentomon hat Recht. Du solltest dich etwas hinlegen.“
    Koushiro seufzte und sah von Taichi zu Tentomon und dann zu dem Mitarbeiter. „In Ordnung“, flüsterte er schließlich seiner Situation ergeben.
    Das ganze machte alles nicht besser. Als er es endlich geschafft hatte aufzustehen und der Mitarbeiter ihm einen der Hauseigenen Yukata gegeben hatte, um seine Blöße zu bedecken, war es Taichi, der ihn stützte, während der Mitarbeiter sie zu dem Ruheraum führte.
    „Vorsichtig“, sagte Taichi leise, als Koushiro wieder zu schwanken begann. „Vorsicht.“
    „Ist ja schon gut“, murmelte Koushiro. Er war nur froh, dass er dank der Hitze wahrscheinlich ein ohnehin gerötetes Gesicht hatte, so dass es kaum auffallen würde, wenn seine Wangen noch etwas weiter erröteten. „Es geht schon.“
    Irgendwie ging es tatsächlich. Wenngleich sie nur langsam liefen, kamen sie an dem Ruheraum, der eher etwas von einem Schwesternzimmer hatte, an, ohne dass er noch einmal umkippte. Dennoch war er mehr als froh, als er auf einem der zwei Betten hier im Zimmer lag.
    „Sie sollten sich etwas ausruhen“, meinte der Mitarbeiter. „Soll ich unseren Hausarzt vorbei schicken?“
    „Nein!“, versuchte Koushiro nun mit etwas mehr Energie zu protestieren. „Es geht schon... Ich ruhe mich nur etwas aus.“
    Der Raum war relativ klein, bot gerade einmal genug Platz für die zwei einfachen Betten. Dafür gab es einen recht großen Erstehilfeschrank, der über einem kleinen Schreibtisch hing – wahrscheinlich der Schreibtisch für den besagten Hausarzt. Neben dem hinteren Bett, dem Bett auf den Koushiro gerade lag, war ein Fenster, vor dass eine grüne Gardine gezogen war. Von draußen war jedoch das Licht einer Laterne zu sehen, das auch durch den Stoff schien. Es war schon dunkel.
    „In Ordnung“, sagte der Mitarbeiter nur – der Höflichkeit sei dank. „Ruhen Sie sich aus. Sie sollten heute nicht mehr in die Sauna oder in eins der Onsenbecken.“
    „Okay“, sagte Koushiro nur. Er fühlte sich dämlich.
    Der Mitarbeiter verließ den Raum, ließ ihn mit Taichi zurück, der sich auf einen Hocker neben den Bett setzte. „Was machst du denn, Koushiro?“
    Koushiro antwortete nichts. Er war froh, dass sich Tentomon auf seiner anderen Seite auf den Bettrand setzte, so dass er einen Grund hatte Taichi nicht ansehen zu müssen.
    „Ich hätte dich wohl früher rausschicken sollen, eh?“, meinte Taichi mit scherzhaftem Unterton.
    „Es ist nicht deine Schuld“, erwiderte Koushiro. „Ich hätte selbst mehr auf mich achten müssen.“
    „Hmm...“ Taichi schwieg. Dann, unerwartet, legte er die Hand auf Koushiros Stirn. „Du bist warm.“
    „Das ist kaum überraschend“, kommentierte Tentomon. „Vielleicht sollte ich ein kühles Tuch besorgen...“
    „Das klingt nach einer guten Idee“, stimmte Taichi zu und lächelte.
    „Dann fliege ich mal.“ Tentomon spannte seine zierlichen Flügel aus und erhob sich brummend in die Luft. „Komm mit, Agumon.“
    Das orange Reptil, das die ganze Zeit neben Taichi auf dem Boden gestanden war, sah versucht zu Tentomon. „Aber wieso denn?“
    „Komm einfach mit“, sagte Tentomon.
    Agumon zuckte mit seinen schmalen Schultern. „Okay.“ Dann trottete es hinter Tentomon her, öffnete die Tür für das Insektendigimon, ehe die beiden gingen.
    Natürlich wusste Koushiro, dass Tentomon – dessen Meinung sich von der Mimis nicht großartig unterschied – ihm eine Möglichkeit geben wollte, mit Taichi allein zu sein. Aus irgendeinem Grund nahmen sie alle an, dass es das einfacher machen würde. Dummer Weise nur stimmte das nicht.
    Sicher, es war auch nicht leichter, wenn andere dabei waren. Nur kam er sich dann zumindest nicht ganz so dämlich vor, wenn er schwieg – immerhin gab es dann genug andere, die reden konnten. Taichi seine Gefühle gestehen, würde er natürlich aber auch so nicht.
    Die Tatsache, dass Taichi dabei noch immer nur sein Badetuch um die Hüfte trug, machte außerdem nichts besser.
    „Du solltest dich wohl besser für die nächsten paar Tage schonen“, meinte Taichi, wahrscheinlich um die Stille zu brechen.
    Koushiro schwieg für einen Moment. „Na ja, es ist ja nicht so, als würde ich mich generell körperlich anstrengen, nicht?“ Seine Stimme klang etwas bitterer als beabsichtigt. Wieso fühlte er sich nur so elend?
    „Vielleicht solltest du dich aber auch von deinem PC fernhalten“, erwiderte Taichi in einem scherzhaftem Ton.
    Darauf gab Koushiro nur ein Seufzen zur Antwort. „Vielleicht...“ Er sagte nicht mehr, sondern sah zur Gardine.
    Dankbarer Weise ging keine halbe Minute später die Tür auf und bewahrte Koushiro vor etwaigen weiteren Peinlichkeiten, als Mimi, Miyako und ihre Digimon hinein kamen. Die beiden Mädchen trugen ebenfalls Yukata des Badehauses, Mimi in grün, Miyako in hellblau.
    „Takeru-kun hat gesagt, dass du ohnmächtig geworden bist“, fiel Mimi direkt wieder mit der Tür ins Haus und kam zum Bett hinüber. Dann blieb sie stehen. „Ich habe nicht gestört, oder?“
    „Nein!“, sagte Koushiro hastig. „Und... Ja... Ich bin ein wenig überhitzt. Nichts schlimmes.“
    Mimi ließ ein leises unterdrücktes Seufzen hören. Er wusste genau warum. „Na, was machst du nur wieder?“ Sie ging zum Bett hinüber und wie auch Taichi zuvor fühlte sie ihm die Stirn. „Na ja, habe schon schlimmeres erlebt“, meinte sie dann. „Das wird schon wieder.“
    „Natürlich“, sagte er. „Es ist nichts schlimmes.“
    „Nur ein kleiner Hitzekoller“, kommentierte Miyako scherzhaft. „Nichts dramatisches, hmm, Izzy-kun?“
    Er ließ ein Grummeln hören. Sie hatte mit diesem albernen Spitznamen angefangen, seit sie in den USA lebte. Ein echt amerikanischer Spitzname, hatte sie gemeint. Er fand ihn albern, aber das stört Miyako mittlerweile genau so wenig, wie es Mimi wohl gestört hätte. Nun, zumindest nannte Mimi ihn nicht so. Noch nicht.
    „Ärger ihn nicht“, meinte Hawkmon sanft. „Man sollte einen Kranken nicht auch noch belästigen.“
    Miyako lachte leise. „Ja, ja...“ Sie hatte sich wirklich sehr verändert in den letzten zwei Jahren.
    „Passt ihr auf ihn auf?“, fragte Taichi. „Ich würde mir gerne was anziehen.“
    „Ausgesprochen gute Idee, Taichi“, meinte Mimi und klopfte ihm wohlwollend auf die nackte Schulter.
    „Du musst aufpassen, dass du dich nicht erkältest“, stimmte auch Palmon zu.
    „Wir sollen dir übrigens ausrichten, dass Hikari mit Takeru-kun nach Hause geht“, meinte Miyako beiläufig. „Sie sind schon gegangen.“ Sie warf Koushiro einen Blick zu. „Ich glaube, sie wollten nicht im Weg sein.“
    Taichi nickte. „Danke.“ Dann zog er das Handtuch um seine Taille enger, um sicher zu gehen, es beim Aufstehen nicht zu verlieren. Mit dem so zurecht gerückten Lendenschurz stand er schließlich auf und drehte sich um. „Ich komme nachher wieder. Soll ich dir was zu trinken mitbringen, Koushiro?“
    „Ja“, erwiderte Koushiro kleinlaut. „Danke.“
    Damit ging Taichi, während Mimi ihm noch immer mit hochgezogener Augenbraue hinterher sah.
    „Du hast nicht mit ihm gesprochen, oder?“, fragte sie.
    „Nein“, erwiderte er. „Ich will darüber auch nicht sprechen. Bitte akzeptier' das, Mimi-san.“
    Sie gab ein genervtes Seufzen von sich. „Bring es hinter dich. Du wirst dich nicht besser fühlen, wenn du es weiter vor dir herschiebst.“
    Koushiro drehte ihnen den Rücken zu. Sie hatten das Gespräch nicht zum ersten Mal, aber er kam nicht drum herum zu hoffen, dass es das letzte Mal war. Konnte sie es nicht endlich akzeptieren? „Ich will darüber nicht sprechen.“
    „Jetzt hab dich nicht so, Koushiro.“ Nun mischte sich auch Palmon ein. „Mimi will dir nur helfen.“
    „Ich weiß“, erwiderte er. „Ich bin für die Bemühung auch Dankbar, aber ich empfinde es nicht als Hilfe.“ Er wusste, dass er viel ungehaltener klang, als er es beabsichtigte. Er tat Mimi unrecht, aber er wusste auch nicht, wie er sie sonst abwimmeln konnte.
    Mimi meinte es gut. Aber sie konnte es einfach nicht verstehen, konnte nicht verstehen, wie es war, er zu sein. Er war halt nicht gut darin. In gar nichts davon. Und wenn er ehrlich war, hatte Taichi auch jemand anderen verdient. Jemand, der besser für ihn geeignet war.
    „Glaub mir, wenn du es sagst, fühlst du dich besser“, meinte Mimi nun noch einmal sanft und wohlwollend.
    Er gab ein genervtes Schnauben von sich und setzte sich auf. „Und was habe ich dann davon?“, fuhr er sie an. „Dann hält Taichi-san mich für einen... Einen...“ Er brach ab.
    „Perversen?“, half Miyako ungehalten aus, als wüsste sie genau welches Wort ihm auf der Zunge lag.
    „Miyako...“, murmelte Hawkmon und legte seinen Flügel auf ihr Bein, offenbar in Angst, dass sie ihn noch weiter anfahren würde, doch sie schwieg.
    Er sah die beiden an. „Tut mir leid. So war das nicht gemeint. Aber Taichi... Ich meine, er mag Sora. Er mochte Sora schon immer... Er würde nie...“ Wieder merkte er, wie seine Wangen brannten. Er hasste es, darüber zu sprechen. Es fühlte sich so falsch an. Er hatte es sich doch nie ausgesucht.
    „Taichi mochte Sora mal auf diese Art“, meinte Mimi. „Aber das ist Jahre her. Sora ist mit Yamato zusammen und das hat er akzeptiert.“ Sie verschränkte die Arme. „Weißt du, als ich Miyako damals ausgefragt habe, hatte sie erst zwei Tage vorher einen Korb von Ichijouji bekommen.“
    „Aber bei dir ist es anders, Mimi-san“, murmelte Koushiro und wandte den Blick ab. „Du... Du kannst einfach sagen, was du denkst. Du machst dir keine Gedanken darüber, was andere von dir denken könnten. Aber das... Ich kann das nicht.“
    „Mimi war damals auch nervös, weißt du?“, meinte Palmon. „Ich kann das bezeugen.“
    Noch einmal seufzte Mimi. „Koushiro. Ich sage nicht, dass du so sein musst wie ich. Aber wenn du über deine Gefühle sprechen würdest... Na ja, ich sage nur, dass dich die Reaktionen vielleicht überraschen könnten.“
    Er schwieg.
    „Was könnte wen überraschen?“, fragte Agumon, als es zur Tür reinkam, während Tentomon ein nasses Handtuch trug.
    Koushiro seufzte. „Nichts“, murmelte er unter dem tadelnden Blick Mimis.


    Für einen tokyoter Winter war die Luft eisig. Es hätte Koushiro nicht einmal gewundert, hätte es angefangen zu schneien – aber das kam selten vor. In den Schaufenstern der wenigen Läden, die auf ihrem Weg zur Bushaltestelle lagen, an denen sie vorbei kamen, war Weihnachtsdeko ausgehängt und aus einigen offenen Türen hörten sie verschiedene Variationen von Jingle Bells.
    Mittlerweile ging es ihm etwas besser. Er konnte laufen, ohne dass ihm der Kopf schwirrte, was mehr war, als er vor zwei Stunden hätte von sich sagen können. Doch er wusste jetzt schon, dass seine Mutter ihn zuhause überfürsorglich behandeln würde, aber dafür liebte er sie auch – selbst wenn es manchmal nervte.
    Eine Sache hatte sich an seiner Situation jedoch nicht verbessert.
    „Du musst mich nicht nach Hause bringen“, murmelte er, während er wohl weißlich eineinhalb Schritte hinter Taichi ging.
    „Jetzt hab dich nicht so“, meinte der andere und drehte sich zu ihm um. Er grinste breit, wie er es so häufig machte. „Falls du es vergessen hast: Wir sind praktisch Nachbarn.“
    Koushiro seufzte und sein Atem bildete eine Wolke vor seinem Gesicht. „Ich meine, du hättest nicht warten müssen.“
    „Und wer hätte dann drauf aufgepasst, dass du nicht noch einmal ohnmächtig wirst?“, fragte Tentomon mit erhobener Kralle.
    Missmutig warf Koushiro ihm einen Seitenblick zu. „Was ist mit dir?“
    „Ach, ich weiß immer noch nicht, wie man einen Krankenwagen ruft“, verteidigte sich das Digimon schnell.
    „Tolle Ausrede“, murmelte er so leise, dass Taichi es hoffentlich nicht hörte.
    „Es ist doch keine große Sache“, meinte Taichi.
    Agumon, das die ganze Zeit voran gewatschelt war, blieb stehen. „Also abgesehen davon, dass ich noch immer Hunger habe“, warf es beiläufig ein.
    „Wir holen schon was, wenn wir umsteigen.“ Taichi lachte und strich dem Digimon über den Kopf. „Du wirst schon nicht verhungern.“
    „Ja ja“, jammerte das Digimon.
    „Sei nicht so, Agumon“, meinte Tentomon.
    Das Reptil seufzte. „Ich weiß. Alles andere wäre... Nicht Taichi gewesen.“
    „Eben“, bestätigte Tentomon.
    Sie gingen in Schweigen weiter, bis sie die Bushaltestelle erreicht hatten.
    Da das Badehaus in einem der Außenbezirke lag – etwas, worauf sie sich einließen, da das Bad zumindest Digimon zuließ, was sich über viele andere Badeanstalten nicht sagen ließ – war es am einfachsten, mit den Bus nach Shibuya zu fahren, von dort mit der U-Bahn nach Minato und dann nach Odaiba fahren. Normal aßen sie in Minato beim Lotteria noch Burger – sie waren in den letzten zwei Jahren häufiger her gekommen, seit Jyou es mit seinen Brüdern entdeckt hatte.
    Obwohl es noch gar nicht so spät war, schien die Gegend um die Bushaltestelle, die unter einer Straßenlaterne lag und zumindest eine überdachte Sitzgelegenheit bot.
    „Setz dich“, forderte Taichi ihn auf.
    Darauf erwiderte Koushiro nichts, kam aber der Aufforderung nach. Er sah auf den Boden.
    „Wie fühlst du dich?“, fragte Taichi vorsichtig.
    „Es geht schon wieder“, antwortete Koushiro. „Die frische Luft tut gut.“
    „Dir ist auch nicht kalt, oder?“ Anders als Koushiro, der nur eine warme Winterjacke mitgenommen hatte, trug Taichi zumindest einen Schal und auch einen Mantel.
    „Ich weiß es nicht“, erwiderte Koushiro. Er wusste recht genau, dass es üblich war, dass man nach einem Hitzeschlag ein gestörtes Temperaturempfinden hatte. „Aber selbst wenn... Etwas abkühlung tut mir sicher nicht schlecht.“
    Nun war es Taichi, der ein Seufzen hören ließ. Er trat vor Koushiro und bevor dieser wusste, wie ihm geschah, legte Taichi seinen Schal um Koushiros Hals. „Du solltest dich nicht am selben Tag überhitzen und dann unterkühlen“, meinte er mit sanftem Lächeln. „Du zitterst.“
    „Ich...“, murmelte Koushiro, als ihm bewusst wurde, dass seine Hände wirklich zitterten. Er errötete. „Danke.“
    „Sora hat mir den Schal einmal geschenkt“, meinte Taichi.
    „Hmm?“ Koushiro sah ihn an. Dann hob er ein Ende des Schals und sah ihn an. Der Schal sah selbstgestrickt aus, war aus grober hell beiger Wolle. Natürlich würde Taichi ihn behalten... Er seufzte. Er hatte es doch gewusst.
    „Wenn du willst, kannst du ihn behalten“, meinte Taichi dann.
    „Was?“ Verwirrt sah Koushiro ihn an. „Ich meine... Sora-san...“ Er suchte nach Worten.
    „Wäre Sora-san dann nicht sauer?“, fragte Agumon.
    Tentomon gab ein genervtes Summen von sich und landete neben Agumon. „Darum geht es hier gar nicht.“
    „Was?“ Agumon sah es verwirrt an, als Tentomon es etwas abdränkte.
    „Lass uns mal ein wenig dahinten hingehen“, meinte es, während Agumon sich nur verwirrt zu seinem Partner umsah.
    „Aber warum denn?“
    „Mach einfach.“
    Noch einmal seufzte Koushiro. „Agumon hat Recht... Willst du wirklich, dass Sora-san sauer auf dich ist?“
    Taichi zuckte mit den Schultern, lächelte ihn aber an. „Natürlich nicht. Aber... Weißt du, Sora ist für mich nur eine Freundin.“
    Koushiro hielt inne. Warum sagte er ihm das? „W-was...?“
    Für einige Sekunden sah Taichi ihn schweigend an, bis Koushiro den Blick senkte. Dann fuhr er aber fort. „Es tut mir leid“, meinte er. „Ich habe vorhin gehört, was Mimi gesagt hat. Und... Na ja... Das, was du nicht sagen willst...“
    „Vergiss es einfach“, murmelte Koushiro ohne ihn anzusehen.
    „Koushiro“, meinte Taichi. „Was ich sagen will ist... Mimi hat Recht.“
    Das konnte nicht sein. Das konnte nicht sein, was er sagte. Koushiro wollte es nicht glauben – es musste ihn falsch verstehen. „Womit?“, fragte er mit zittriger Stimme und zwang sich Taichi anzusehen.
    „Mit dem, was sie gesagt hat“, erwiderte dieser mit einem verlegenen Lächeln. „Du wärst vielleicht über Antworten überrascht.“
    Koushiro starrte ihn an. Zu spät merkte er, dass sein Mund offen stand. Taichi konnte nicht meinen, was er glaubte das er meinte. „Taichi-san...“, murmelte er ganz langsam. Er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte. Er konnte es nicht einfach sagen, oder? „Ich...“ Er setzte noch einmal an. „Ich...“ Nein, er konnte es einfach nicht sagen.
    Taichi lächelte, beugte sich hinunter, strich sein Haar zur Seite und küsste ihn auf die Stirn. „Schon gut, Koushiro. Ich versteh schon.“

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    Vorwort:
    Dieses Mal wieder etwas aus den Momenten. Eine einzelne Geschichte, dafür die Geschichte, die soweit am längsten geworden ist :) Ich hatte ja ein wenig in der Plauderecke um Rat gebeten, um Joanne/Pakhet auf das Urban Fantasy Universum von Manmade Myths zu übertragen. Für den "Heimat" One-Shot weiter oben war das weniger interessant, für diese Geschichte allerdings schon. Denn hier haben wir Joanne, die noch als Pakhet aktiv ist und noch die Prothese hat. Plus Londoner U-Bahn. Und ja, ich weiß, dass das Bild nicht aus London ist, aber hey, ist ja nur Inspiration, nicht?
    Also ja, dieses Mal ein wenig Action. ;)



    Monsterjagd


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    Das Ding verschwand um die nächste Ecke, während Pakhet den Gang hinabrannte.
    Sie war kein Monsterjäger. Verdammt noch mal, sie war kein Monsterjäger. Sie hatte es Michael immer und immer wieder gesagt. Sie war kein Monsterjäger, verdammt!
    Ja, sicher. In den U-Bahnsystemen der Großstädte siedelten sich gerne Ungeheuer an. In den U-Bahnsystemen von London, mit all ihrer Geschichte, ihren Emotionen und ihrer Bedeutung sowieso. Ach, so sehr, wie viele Leute an Ungeheuer hier glaubten, wurden diese wahrscheinlich auch noch von den dunklen Tunneln angezogen.
    Entsprechend war die Stadt London und Westminster sehr glücklich darum, regelmäßig einmal Geld springen zu lassen, um eben diese Monster verschwinden zu lassen – meistens nach einigen Toden oder seltsamen Fällen plötzlichen Verschwindens von etwaigen Passagieren. Natürlich brauchte man Monsterjäger, aber Fakt war: Sie war keiner.
    Endlich hatte sie die Biegung des Tunnels, die zu den Gleisen führte, erreichte und zog ihre Waffe in einer beinahe vollkommen automatischen Bewegung, als sie das gut drei Meter große Ungeheuer nicht sofort sah.
    Genau das war einer der Gründe, warum sie kein Monsterjäger war: Sie benutzte Pistolen. Verdammt noch mal, sie benutzte Pistolen! Pistolen, die wirklich toll waren, wenn man sich mit Menschen anlegte. Die meisten überlegten es sich direkt, ob sie einen weiter konfrontieren wollten. Doch Monster, ja, Monster waren meistens immun gegen Kugeln oder brauchten zumindest zwei, drei Magazinstreifen in ihrem Fleisch, um sich daran zu stören.
    Vorsichtig ging Pakhet auf den Bahnsteig hinaus. Er war verlassen – natürlich, war er doch wegen vermeintlicher Umbaumaßnahmen gesperrt. Eine Vorsichtsmaßnahme, nachdem das Ding drei Leute innerhalb von einer Nacht getötet hatte.
    „Komm schon“, grummelte sie in die Leere und ihre Stimme hallte von den Wänden der leeren Station wieder. „Zeig dein hässliches Gesicht.“
    Warum machte sie diesen Scheiß eigentlich allein?
    Sie sah die Gleise, die auf beiden Seiten des Bahnsteigs verliefen, hinauf und hinab. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder das Vieh hatte das Weite gesucht, um sicher zu sein, oder es wartete darauf, sie aus dem Hinterhalt angreifen zu können.
    Ein fernes Brummen ertönte aus seinem der Tunnel und kühle Luft wehte durch die Station, brachte jeden unverkennbaren Geruch von „U-Bahn“ mit sich. Irgendwo fuhr offenbar eine der Bahnen durch einen verbundenen Tunnel.
    Sie zögerte. Man hatte ihr garantiert, dass auch diese Gleise gesperrt sein würden, während sie hier „arbeitete„. Zugegebener Maßen war sie nicht heiß darauf, es zu testen.
    Ach, verdammt. Das Vieh konnte doch überall sein: Es konnte auch die Treppe auf der anderen Seite des Bahnsteigs hinaufgeflohen sein oder in einen von praktisch gesehen vier Tunneln, da immerhin jede Seite der beiden Gleise in einem solchen endete.
    Sie zog ihre Taschenlampe aus einer Tasche an ihrem Gürtel und legte sie in ihre falsche, linke Hand, ehe sie vorsichtig auf das Gleis zu ihrer linken sprang, vorsichtig darauf achtend, an kein metallenes Teil zu kommen. Ihre Schuhe sollten sie isolieren, doch sie wollte besser kein Risiko eingehen.
    „Letzte Chance, Mr. Ugly“, rief sie in die Dunkelheit des Tunnels hinaus. „Komm raus oder ich hol dich!“
    Natürlich rührte sich nichts.
    Sie seufzte und ging in die Dunkelheit hinein, wobei sie sich mit der Taschenlampe den Weg leuchtete. Das war eine verdammt miese Idee …
    Sie ging weiter voran, angespannt auf jedes einzelne Geräusch achtend. Irgendwo im Dunkeln tropfte etwas. Leise Geräusche, die wahrscheinlich von Mäusen und Ratten kamen, waren zu hören. Und immer einmal wieder erklang das Rauschen eines entfernten Zuges.
    Ein Schritt. Noch einen Schritt.
    Verdammt, sie würde Michael dafür in den Hintern treten! Sollte er doch selber gehen.
    Wahrscheinlich war das dämliche Vieh schon länger über alle Berge.
    Oder auch nicht. Es war mehr ihre Intuition, die sie dazu brachte, sich umzudrehen und so gerade noch den beiden Händen, die nur grob an die eines Menschen erinnerte, zu umgehen, die dort aufeinander trafen, wo einen Moment vorher noch ihr Oberkörper gewesen war.
    Zumindest bekam sie so ihren ersten Blick auf das Ungeheuer: Seine Haut war gräulich und wirkte beinahe steinern, während er ein einziges gelbes Auge hatte, dass sie mit einem seltsam leeren Ausdruck ansah. Es erinnerte sie an einen Golem, doch war sie sich relativ sicher, dass es etwas andere war.
    Sie sprang nach hinten und schoss auf das Ding. Vorher hatte sie zumindest einen Treffer gelandet, der das Ding zur Flucht gebracht hatte. Doch wahrscheinlich war es mehr der Schreck gewesen, schloss sie nun, als das Ding einen seiner massiven, unförmigen Arme hob und ihre Kugeln einfach darin stecken blieben.
    Großartig!
    Das Monster stürmte auf sie zu, wobei es den Mund zu einem rollendem Schrei geöffnet hatte und dabei seine ungleichmäßigen gelben Zähne zeigte.
    Pakhet ließ ihre Taschenlampe fallen – sie hatte jetzt andere Prioritäten. Stattdessen wechselte sie, während sie einen Haken schlug, um zur Station zurück zu kommen, ihre Pistole in die linke Hand und zog ihr langes Kampfmesser, das an einer Tasche ihres Waffengurtes hing.
    Ungestüm krachte das Vieh in die nächste Wand, da es nicht so leicht navigieren konnte. Es schüttelte den Kopf und wandte sich dann ihr zu.
    Okay. Ein Versuch. Einen einzelnen Versuch. Aber die Größe des Monsters wäre ihm ein Nachteil.
    Also wartete sie, dass das Vieh, das nicht unbedingt intelligent zu sein schien, auf sie zukam und ließ sich dann in bester Manier eines Actionhelden auf den Boden fallen, wo sie sich gehockt unter dem Vieh hinwegduckte und den richtigen Moment abwartete. Dann versenkte sie das Messer im Knie des Wesens, nur um es wieder herauszuziehen, zwei weitere Schnitte in das Bein des Wesens zu setzen und dann abzuwarten.
    Es heulte auf und hob, beinahe wie ein Kind, das Bein an, während sein ekelig riechendes schwarzes Blut aus diesem hervorströmte.
    Es wollte sie packen, doch sie schnellte nach vorne und war sie hinter ihm. Es war mit seinem eingeschränkten Bein nicht schnell genug, so dass sie weitere Stiche in seinen Oberkörper setzen konnte.
    Das Vieh wandte sich auf wackeligen Beinen zu ihr herum und versuchte nach ihr zu schlagen. Doch sie war ihm einen Schritt voraus und sprang auf den Bahnsteig, so dass sie etwa auf Augenhöhe mit ihm war. Sie stach das Messer in seinen Hals und ließ es stecken, während das Monster einen gurgelnden Laut von sich gab. Derweil nutzte sie ihre freie Hand, um eine der kleine Granaten aus ihrem Waffengurt zu ziehen. Sie ließ sie auf das Gleis fallen und sprintete dann in Richtung der Treppe.
    Kaum dass sie halb die Treppe hoch war, erklang das laute Knallen der Explosion.
    Sie atmete auf und lauschte. Kein Geräusch mehr. Gut.
    Vorsichtig ging sie zum Bahnsteig zurück, wo die Granate einen Teil der Bodenfliesen in der Nähe des Gleises rausgerissen hatten. Doch von dem Monster waren nur noch schwarze Flecken übrig, die sich hier nun langsam in Ectoplasma auflösten.
    Nun, es sah ganz danach aus, als würde der Bahnsteig tatsächlich renoviert werden.

  • Ich hatte ja ein wenig in der Plauderecke um Rat gebeten

    Ich erinnere mich, schade dass ich nicht helfen konnte.


    Der heutige Kampf war gut. Der Text war flüssig und angenehm zu lesen und man hatte es leicht, dem Kampfverlauf zu folgen.
    Pahket war auch wie man sie kannte und ich mag kurze und kappe Kapitel recht gerne.
    Da es kein Zyklop, oder Golem war und auch kein Troll, da diese zu klein sind, was könnte es gewesen sein?


    Dann versenkte sie das Messer im Knie des Wesens, nur um es wieder herauszuziehen, zwei weitere Schnitte in das Bein des Wesens zu setzen und dann abzuwarten.
    Es heulte auf und hob, beinahe wie ein Kind, das Bein an, während sein ekelig riechendes schwarzes Blut aus diesem hervorströmte.

    Ich denke an dieser Stelle ist das Pacing extrem schwierig. So wie du es beschrieben hast, wirkt die Reaktion des Monsters unnatürlich verzögert. Andersrum ist das ein sehr schneller Angriff weshalb du den ersten großen Stick und die Schnitte zusammengeschrieben hast.
    Ich hätte nach dem ersten Stich geschrieben, dass das Monster aufschreit, dann weiter geschrieben dass sie schnell noch zwei Schnitte macht und das ganze damit beendet, dass es weiter aufheult und die Beine anhebt. In meinem Thread wurde ja schon zur genüge besprochen, dass Kämpfe immer sehr knifflig umzusetzen sind. Ist auch eine schwierige Stelle und ich hatte selbst auch schon ähnliche Stellen wo alles schnell hintereinander passiert und man gleichzeitig auch noch beschreiben müsste was die Reaktionen auf die einzelnen Angriffe sind. Also nicht überinterpretieren, die Stelle ist nur etwas langsam insgesamt aber kein großes Problem.
    Ich weiß auch nicht ob meine Vorstellung wie man es anders beschreiben könnte besser klappt, oder nicht.



    Du sagtest ja, dass du gerne meine Meinung über Engelsschatten gehört hättest.
    Ich habe es jetzt nochmal gelesen und schaue mal, ob ich doch noch was dazu sagen kann.

    Elaine in dieser Geschichte ist aus Kaén Kazui

    Dein alter Username wird wohl von dem Charakter her stammen?

    Auf der Flucht vor jenen, die sie jagen, versteckt sich Elaine im afrikanischen Hochland, als Maor, der Engel, der ihre Seele bewohnt sie aufweckt...

    Das bringt mich zur Frage, welchen Partner hatte sie in dieser Digimonfanfiction?


    Sie fröstelte unwillkürlich und fand, dass Tau sich auf ihrem Schlafsack gesammelt hatte.

    "Bemerkte".


    Als sie noch in Nova Scotia gelebt hatte, hatte sie nicht einmal gewusst, wie hell die Sterne strahlen konnten.

    Hier denke ich mal hast du bewusst Sachen offen gelassen, damit der Leser beginnt sich für die Backstory zu interessieren.
    Warum ist sie von Kanada nach Afrika gezogen, warum will sie verhindern das der Engel ihren Körper übernimmt, warum will ihr Vater sie umbringen? Das sind ungeklärte Fragen die einen Reizen können den Rest zu lesen, wenns einen gibt. Leider können sie den Leser auch unnötig verwirren.

    Ein langes, grünlich glimmendes Messer in der Hand.

    An dieser Stelle dachte ich sofort an das Messer auf dem Grab. Oder umgekehrt, je nachdem was als erstes kam.
    Es wird nicht das selbe sein, aber es impliziert, dass Magie in diesem Universum im Normalfall grün ist.
    Außerdem untermauert es den Verdacht, dass es ein magisches Messer ist.

    Maor durfte sie nicht kontrollieren.

    Wie oben gesagt, warum? Möchte sie lernen selbst mit solchen Gefahren fertig zu werden? Die Geschichte zeigt sehr deutlich, dass sie noch Probleme damit hat, Magie richtig zu nutzen. Oder vertraut sie ihrem Partner nicht? Oder gibt es bisher noch unbekannte Risiken?



    Tja, was soll ich sagen. Der Hyänenmann war eine nette Referenz auf die afrikanischen Mythen und du hast offensichtlich Wert darauf gelegt, die Gestaltung eines realen Camps so echt wie möglich zu gestalten. Und vor allem wo sie sich niederlassen würde.
    Außerdem gefiel mir die Idee mit dem Schirm.
    Die Hints, dass es sehr viel mehr über die Handlung zu wissen gibt ist recht zweischneidig, es kann den Leser interessieren, hilft aber nicht der Handlung zu folgen. Und Diese fand ich als der Kampf begann auch sehr unübersichtlich.
    Es gab mehrere Stellen wo ich einfach Probleme hatte den Fokus nicht zu verlieren. Das kann natürlich nur an mir liegen, da ich am liebsten sehr kurze 1-3 Seiten lange Kapitel mag. Der Punkt an dem sie die Felsspalte betrat hatte ich z.B. komplett überlesen.
    Um das Statement positiv zu beenden. Die Stimmung des Maincharakters wirkt sehr real. Sie fühlt sich ausgebrannt an und man spürt dass das hier zwar eine gefährliche Situation war, aber kein besonderer Höhepunkt und auch nichts das sie nicht schon hinter sich hatte. Es ist eher ein Erlebnis das in gewisser Weise zu einem Teil ihrer Routine gehört.
    Ich kann zwar nicht viel darüber sagen, wie der Charakter sich privat verhält, aber man erhält einen sehr guten Einblick von ihrer momentanen Stimmung.
    Der Engel wiederum wirkt etwas vorlaut? Statt sie selbst darauf hinzuweisen ihr Messer zu ziehen motzt er rum, warum sie es nicht macht. Er weist sie auch immer wieder auf Gefahren hin, macht aber nichts, was ihr wirklich nützt. Er gibt ihr sonnst keine Ratschläge, außer dass lieber die Kontrolle übernehmen sollte.
    Auch scheint er eher aus Zweckmäßigkeit zu handeln. Ob das nur Show ist und er eigentlich Gefühle für seinen Partner hegt kann man mit so wenig Imputt natürlich nicht sagen. Die Charaktere sind insgesamt nicht extrem sympathisch, dafür aber recht realistisch und wurden gut beschrieben.
    Jetzt wüsste ich nach dem Schreiben tatsächlich gerne welches Verhältnis die beiden genau pflegen.

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    Antwort:
    Wie immer lieben Dank, @Sunaki ;)


    Wunder dich nicht, das heute die Antwort ein wenig kürzer ausfällt, ich lerne gerade für die Prüfung @.@



    Vorwort:

    Ohne großartiges drumherum: Heute möchte ich mal den zweiten Teil von [EN]counters hochladen :3 Beim dritten Teil muss ich noch überlegen, wie ich ihn auf FSK16 runterstufen kann, ohne dass zentrale Plotaspekte verloren gehen. *hüstel* Nicht zuletzt, da bei ausgeschriebenen Porn es erstaunlich schwer zu sagen ist, wo die Linie zwischen FSK16 und FSK18 liegt. *hüstel*
    Aber gut. Dazu kommen wir dann. Erst einmal Teil 2! :3


    [EN]counters

    Part Two


    [DIE STADT - 2084]


    Ivory fröstelte. Nichts vermochte sie aufzuwärmen. Die Sauna hatte 80 Grad Celsius, doch es war nicht genug. Es konnte die Bilder, die Geräusche nicht aus ihren Gedanken vertreiben.
    Es war vorbei, erinnerte sie sich. Es war vorbei.
    Es war wirklich vorbei. Sie war wieder hier, in DER STADT. Sie war wieder zurück. Sie lebte noch.
    Doch so viele andere nicht.
    Sie hatte nicht dabei sein wollen. Sie hatte es nicht gewollt. Nichts davon. Sie hatte es nicht tun wollen. Es war falsch gewesen, das hatte sie gewusst. Sie hatte es nicht tun wollen.
    Doch sie hatte auch nicht sterben wollen.
    Der Krieg dauerte schon viel zu lange an. Egal wie oft eine Seite zuschlug – es waren doch zu viele, um die Gegenseite auszulöschen. Es waren nicht nur Rebellen. Es war keine kleine Gruppe. Es waren Millionen von ihnen.
    Es waren Menschen.
    Menschen, die einfach nur leben wollten. Nur ein Teil von ihnen hatte kämpfen wollen. Sie hatten nicht kämpfen wollen. Sie hatten nicht gekämpft.
    Tief sog Ivory die heiße Luft ein, die in ihrer Nase und im Rachen brannte. Es störte sie nicht. Der Geruch von Früchten schaffte es zumindest für einen Moment die Erinnerung an den Gestank, der wie ein Geist in ihrer Nase haften geblieben war, zu vertreiben.
    Irgendwann würde es besser werden, das hatte man ihr gesagt. Sie hatte es schon vorher erlebt. Als sie hatte das erste Mal kämpfen müssen.
    Damals war es die Gewalt an sich gewesen, die sie schockiert hatte. Als sie das erste Mal auf einem Einsatz gewesen war, hatte sie Angst gehabt. Sie hatte gewusst, wie sie die Waffe, die man ihr gegeben hatte, bedienen sollte, doch sie hatte Angst gehabt. Angst zu töten. Angst getötet zu werden.
    Es war die Angst gewesen, die sie für Wochen hatte aufwachen lassen. Die Angst und die Toten, die sie gesehen hatte.
    Doch dieses Mal war es anders gewesen.
    Sie verließ die Sauna und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Das Shahara war noch immer genau so edel, wie bei ihrem ersten Besuch. Ein Teil der anderen Besucher, starrte sie noch immer so an, wie damals.
    Es war jedoch so, wie sie es bei jenem ersten Besuch gewusst hatte: Sie hatte sich daran gewöhnt.
    Sie duschte sich. Sie ging in ein Eisbecken. Die Blicke, die ihr dabei folgten bedeuteten nichts mehr. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie die Erfahrung gemacht, dass die Leute zwar starrten, es sich aber nur wenige trauten, sie anzusprechen, und noch weniger versuchten aktiv mehr – und bisher hatte sie sich gegen diese paar verteidigen können.
    Die meisten Menschen waren feige. Sie hielten vielleicht große Reden, doch am Ende taten sie nichts, von dem was sie sagten.
    Es war ein weiterer Dienstag und das Ende des Jahres stand vor der Tür. Die Sonnenwende war vergangen, während sie draußen in der „Schlacht“ gewesen war. Eine weitere Sonnenwende, die sie nicht bei ihrer Familie verbracht hatte.
    Was für einen Unterschied machte es?
    Den meisten Menschen in DER STADT war es egal. Hier war es egal, wie die Zeit verging – DIE STADT war in konstanter Veränderung, weshalb Jahreszeiten auch keinen Unterschied mehr darstellten.
    Hier gab es ohnehin wenig Unterschiede. Selbst das Wetter... Seit sie hier war, hatte sie keinen echten Schnee mehr gesehen. DIE STADT lag zu nahe am Äquator. Es wurde etwas kühler im Winter, endlos heiß im Sommer. Es regnete mal mehr und mal weniger. Doch echte Kälte gab es hier nicht.
    Sie stand an einer der großen Fenster am Rand der Etage und sah hinaus. Das Glas war nach außen verspiegelt, so dass man von hier zwar hinaus, aber nicht von außen nach innen sehen konnte. Natürlich – immerhin wollten die Reichen und Schönen keine Drohnenaufnahmen von sich im Netz finden.
    Von hier oben hatte sie eine gute Aussicht auf DIE STADT. Das Centix war eins der größten Gebäude – selbst in der massiven Skyline DER STADT.
    Doch vor dem Szenario, das sich ihr draußen bot, sah sie etwas anderes. Ihr eigenes Spiegelbild. Blasse Haut, helles Haar und der weiße Bademantel. Beinahe schien ihr, als wäre da noch etwas rot, etwas Blut, doch sie wusste, dass es nur Einbildung war. Ihr Unterbewusstsein, ihr Gewissen, dass ihrem Verstand einredete, etwas zu sehen, was nicht da war.
    Sie blinzelte. Da war kein Blut auf ihrer Haut. Wie auch.
    Ivory wandte sich vom Fenster ab und bemerkte, dass sie von drei Leuten beobachtet worden war. Sie schenkte ihnen einen kühlen Blick, ehe sie sich auf den Weg zur nächsten Sauna machte.
    Selbst nach zwei Jahren kam sie nicht umher das Shahara mit der kleinen Sauna in ihrer Heimat zu vergleichen. Die Aufgüsse hier fanden vollkommen automatisiert statt, selbst wenn eine AI in der Form von hübschen jungen Männern oder Frauen einem etwas im AR Feld, sofern man die AR Sicht aktiviert hatte, dazu erzählte.
    Während des Aufgusses saß Ivory auf der obersten Bank. Nun war sie es, die die anderen Besucher beobachtete. Sie waren die Elite DER STADT – nun, vielleicht nicht die aller obersten, die wohl eher eine eigene Sauna besaßen, wo sie sich den Raum nicht mit anderen teilen mussten, doch zumindest sahen diese Leute sich hier als ein Teil der Spitze. Die hatten es geschafft, andere nicht. Niemand dachte gern darüber nach, dass er vielleicht nur dank glücklicher Umstände an seine Position gekommen war.
    Die meisten kamen mit Freunden, Kollegen, manche mit Liebhabern. Ivory kam allein. Sie hatte keine Freunde hier, sie wollte keine Freunde. Zu unregelmäßig war ihr Leben geworden und die anderen Soldaten... Sie hatte gesehen, was der Krieg mit ihnen machte, und sie hatte Angst denselben Pfad hinab zu wandern.
    Doch sie war einsam. Was ein anderer Grund war, wieso sie hierher kam.
    Wieder versuchte sie sich zu entspannen, doch sobald ihre Gedanken schweiften, waren da wieder die Erinnerungen. Schreie. Blut. Der Geruch von Tod.
    Sie hatte es nicht gewollt.
    Erneut spürte sie ein Frösteln und stand unbedacht auf. Als man sie ansah, murmelte sie nur eine Entschuldigung und kletterte zwischen zwei Herren vor sich hindurch, um die Sauna zu verlassen.
    Unter der Dusche atmete sie durch. Sie musste es vergessen.
    Irgendwann würde sie es vergessen.
    Als sie aus der Dusche herauskam, verließen die anderen Menschen, die Sauna in der sie eben noch selbst gesessen war – offenbar war der Aufguss zu Ende. Während sie sich ihren Bademantel über warf, beobachtete sie die anderen, wohl wissend, dass einige ihren Blick erwiderten.
    Hätte sie mit den anderen die Sauna verlassen, hätte sie es vielleicht nicht bemerkt, doch nun, wo sie die anderen Gäste beobachtete, sah sie ein nicht unvertrautes Bild. Ein errötetes Gesicht, das viel zu schnell blass wurde, schweißüberlaufene Haut. Sie reagierte noch, bevor sie realisierte, was geschah, als die junge Frau zu schwanken begann.
    Bevor die junge Frau umfallen konnte, war Ivory an ihrer Seite und stützte sie.
    „Vorsicht“, sagte sie leise.
    Die junge Frau blinzelte sie an. „Danke.“ Sie schwankte noch immer, offenbar die Folgen eines Kreislaufabsturzes.
    „Sie sollten sich setzen“, meinte Ivory sanft und bugsierte sie zu einem freien Liegestuhl hinüber.
    Als sie sicher war, dass die junge Frau lag, ging sie zurück, um das Handtuch, was sie auf halben Weg verloren hatte, aufzusammeln und es zu ihr hinüber zu bringen.
    „Danke“, murmelte die junge Frau – Ivory schätzte sie als nicht älter als vielleicht 26 oder 27 ein, wenngleich es nichts heißen musste – und zog das Tuch wie eine Decke über sich.
    „Sie haben sich überhitzt“, sagte Ivory, während sie sich neben die Liege hockte. „Soll ich jemanden holen?“ Immerhin hatte das Shahara medizinisches Personal vor Ort.
    Die Frau schüttelte den Kopf. „Es geht gleich schon wieder.“ Sie legte sich eine Hand auf die Stirn. „Uh“, stöhnte sie dann. „Wieso musste das jetzt passieren?“
    „Sind Sie öfter hier?“, fragte Ivory vorsichtig.
    „Ja.“ Die Frau nickte. „Und sowas... Ist mir noch nie passiert.“
    „Vielleicht haben Sie sich einen Infekt eingefangen“, schlug Ivory vor. „Vielleicht haben Sie auch einfach zu wenig geschlafen oder sind aus einem anderen Grund angeschlagen.“ Sie schenkte ihr ein vorsichtiges Lächeln.
    Die Frau hatte langes braunes Haar und leicht gebräunte Haut, etwas, das bei den Bewohnern DER STADT nicht selten war. Sie war zierlicher als Ivory, was jedoch ebenso wenig verwunderlich war, wenn man bedachte, dass Ivory die letzten vier Jahre unter den UF trainiert hatte. Sie war hübsch, das ließ sich unvoreingenommen sagen, und zeigte generell keine Anzeichen von Optimierung, was beinahe schon selten war.
    Sie schloss für einen Moment die Augen, wohl in einem Versuch das Schwindelgefühl zu überwinden.
    Unsicher sah Ivory sich um. Sie wollte die Frau nicht allein lassen, wollte jedoch auch nicht aufdringlich erscheinen, auch wenn sie etwas Gesellschaft gebrauchen konnte. „Sind Sie alleine hier?“, fragte sie.
    „Nein“, erwiderte die Frau matt. „Das heißt, ja. Ich war eigentlich mit zwei Kolleginnen hergekommen, aber... Na ja, sagen wir es so: Jetzt bin ich allein.“ Sie seufzte. „Vielleicht sollte ich auch gehen.“
    „Erst einmal sollten Sie sich ausruhen“, widersprach Ivory sanft. „Soll ich Ihnen etwas zu trinken holen?“
    Die Frau schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Es geht schon gleich wieder.“
    So sah es allerdings nicht wirklich aus. „Ich bestehe drauf“, meinte Ivory mit einem Seufze und richtete sich auf.
    Es half ihr, sich auf etwas zu konzentrieren. So konnte sie die Bilder der letzten Tage vergessen. Also ging sie in die Etage drunter, wo am Rand des Bereiches die Bar war. Bezahlen tat sie automatisch über das AR System.
    Keine drei Minuten später kehrte sie mit einem gekühlten Tee zu der Frau zurück, die sich mittlerweile aufgesetzt hatte.
    „Vielen Dank“, sagte sie mit einem Lächeln. „Es ist schon wieder gut.“ Dennoch nahm sie den Tee entgegen und trank einen Schluck. „Vielleicht bin ich wirklich übermüdet.“ Sie sah zu Ivory, die sich nun auf einen der benachbarten Liegestühle setzte. Für einen Moment beobachtete die Frau sie. „Wie heißen Sie?“
    Ivory musterte sie für eine Weile. Das Gesicht der Frau war zumindest weniger gerötet als zuvor. „Ivory“, sagte sie schließlich.
    Die Frau lächelte sie an. „Mein Name ist Emily.“ Sie streckte Ivory ihre Hand entgegen. „Danke noch mal.“
    Nun schüttelte Ivory den Kopf. „Kein Problem. Ich habe es durch Zufall bemerkt und... Wir brauchen hier keinen Unfall, oder?“ Sie bemühte sich selbst um ein Lächeln.
    Emily nickte nur und musterte Ivory, während sie einen weiteren Schluck Tee trank. „Du bist früh rausgegangen aus der Sauna. War dir auch nicht wohl?“
    Auf diese Frage antwortete Ivory nicht sofort. Sie fragte nicht, wieso Emily es bemerkt hatte. Sie hatte Aufmerksamkeit auf sie gezogen und sie war die einzige En in der Sauna gewesen. Es überraschte sie nicht, dass Emily sie bemerkt hatte und sie erkannte. Sie wusste nur nicht, ob sie antworten wollte.
    „Was ist?“, fragte Emily, als sie ihr Zögern bemerkte.
    „Mir ging es nur nicht gut“, meinte Ivory und blickte zu Boden.
    In den letzten zwei Jahren war sie so oft schon in so einer Situation gewesen. Sie hatte mit anderen Menschen geredet. Fremden, die ihr zumindest für eine Nacht Gesellschaft geleistet hatten. Sie wusste, dass sie auch diese Nacht würde Gesellschaft gebrauchen konnte – doch war sie sich unsicher.
    Am Anfang war es seltsam gewesen, mit Fremden hier zu reden, während sie nackt, abgesehen von einem Bademantel oder Handtuch hier saßen. Doch mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt. Was für einen Unterschied machte es auch, was für Kleidung man trug? Wenn sie so die Nähe eines Fremden suchte endeten sie meistens am Ende ohnehin nackt zusammen in einem Hotelzimmer.
    „Dir ist etwas schlimmes passiert, nicht?“, fragte Emily und sah sie an.
    Verwirrt blickte Ivory sie an.
    „Ich bin Psychologin“, erklärte die junge Frau rasch.
    Unfreiwillig lachte Ivory kurz auf, verkniff es sich jedoch rasch. Sie atmete tief durch. „Was für ein Zufall“, murmelte sie halb an sich selbst gewandt.
    Die junge Frau beobachtete sie aufmerksam. „Es ist nur ein Angebot“, sagte sie. „Aber ich glaube, du bist jemand, der Hilfe braucht.“
    „Wieso glaubst du das?“, fragte Ivory, vielleicht ein wenig zu kühl.
    Emily zuckte mit den Schultern. „Es ist etwas in deinen Augen. Ich sehe dort noch immer Schrecken. Wenn du in meinem Feld arbeitest, dann sieht man so etwas. Vielleicht brauchst du einfach jemanden, der dir zuhört.“
    Ivory wich ihrem Blick aus. „Ich kann darüber nicht reden“, murmelte sie. „Man könnte sagen, ich habe selbst so etwas wie Schweigepflicht.“
    „Du bist Soldatin?“, fragte die junge Frau. Man musste ihr lassen, dass sie ganz offenbar äußerst aufmerksam war. Hatte sie es sich einfach so hergeleitet oder hatte sie zuvor die Wunde auf Ivorys Schulter gesehen?
    „Ja“, bestätigte Ivory und seufzte. „Sag, Emily, was würdest du davon halten, dieses Gespräch woanders fortzuführen?“
    Die Psychologin zögerte für einen Moment, zuckte dann aber mit den Schultern. „Was schwebt dir vor?“
    „Ich kenne ein Restaurant hier im Centix“, erwiderte Ivory.
    Ein weiteres Schulterzucken, gefolgt von einem Lächeln. „Wieso nicht?“

    Ivory hatte in den vergangenen zwei Jahren nie versucht herauszufinden, was es genau war, das es so leicht machte jene kurzweilige Form der Nähe zu finden.
    War das Leben in DER STADT einfach so? Wie konnte sie das sagen, hatte sie es doch in ihrer Heimat nie versucht. Lag es an der eitlen Einsamkeit all jener, die sich das Shahara leisten konnten? Auch dies konnte sie nicht sagen, da sie es zumeist noch immer mied, sich zu lange in den schlechteren Teilen DER STADT aufzuhalten und bisher nie versucht hatte hier jemanden zu verführen. Waren die Menschen, mit denen sie so eine Nacht verbrachte, nur neugierig, da sie eine En war? Darüber wollte sie nicht weiter nachdenken.
    So blieb ihr nur die Erkenntnis, dass es ihr leicht viel, kurzweilige Bekanntschaften dazu zu bringen, eine Nacht in einem Hotelzimmer mit ihr zu verbringen. Sicher, es gab ein paar Ausnahmen, ein paar, die es abgelehnt hatten, doch wie sich herausstellte, gehörte Emily nicht zu diesen.
    Ivory mochte sie. Sie hatte etwas Unschuldiges an sich, wenngleich Ivory vermuten musste, dass sie älter war, als sie aussah. Sie fragte jedoch nicht. Wahrscheinlich würde sie sie ohnehin nicht wiedersehen. Wie all die anderen würde sie vielleicht irgendwann im Shahara an ihr vorbei laufen – ihr jedoch keine Beachtung schenken. Sie tat es ihnen gleich.
    „Woran denkst du?“, fragte Emily, während Ivory über ihre Haut strich.
    Ivory antwortete nicht sofort – die Wahrheit war, dass sie noch immer über die Ereignisse der letzten Tage nachdachte. „Die Rebellen“, sagte sie schließlich.
    „Die meisten wollen einfach nur, dass es vorbei ist“, seufzte Emily. „Wir sind jetzt schon seit fünf Jahren an der Frontlinie.“
    „Ich weiß“, murmelte Ivory. „Wieso mussten wir kämpfen?“
    Emily drehte sich auf die Seite, um sie anzusehen. „Wenn du mich fragst ist es, weil niemand dem anderen Zuhört. Die Regierung, die Rebellen, sie wollen dem jeweils anderen nicht zuhören.“
    Ivory schwieg. Bis vor zwei Tagen hatte nie jemand von den Rebellen versucht zu reden. Doch bis vor zwei Tagen hatte sie nie wirklich darüber nachgedacht, dass auf der anderen Seite nicht nur Kämpfer standen.
    „Du solltest dir wirklich jemanden suchen, mit dem du reden kannst, Ivory“, meinte Emily und strich über ihre Wange. „Sonst machst du dich kaputt.“
    „Ich sagte doch“, flüsterte Ivory, „dass ich darüber nicht reden kann.“
    „Haben die UF keine eigenen Psychiater?“, fragte Emily.
    Ivory konzentrierte sich auf das Fenster, wenngleich es abgeblendet war. „Niemand, dem ich vertrauen könnte.“
    Seufzend legte Emily eine Hand auf ihre Wange. Für einen Moment wirkte es so, als wollte sie etwas sagen, doch am Ende schwieg sie. Ivory konnte Mitleid in ihren Augen sehen – und genau das war etwas, das sie nicht wollte.
    „Ich möchte nicht weiter darüber reden“, sagte sie schließlich. Sie ließ ihre Hand über die nackte Seite der anderen gleiten. „Bitte.“ Ihre Hand wanderte zu Emilys Brust und begann sie langsam zu massieren.
    Emily sah sie an. Sie seufzte, doch dann schloss sie die Augen und drehte sich auf den Rücken. Mit einer Hand strich sie Ivorys Arm entlang, ehe sie ihre Hand nahm und ihren Körper entlang führte.

  • Hallo Alaiya!


    Fand die Idee mit den Pictureprompts interessant und dachte mir, ich kommentier mal welche. (:


    Der See unter dem See


    Das hier hat eine schöne Atmosphäre, geheimnisvoll und auch ein bisschen gruselig. Der Vergleich mit den Schatten, die wie Schlangen tanzen hat mir sehr gefallen. Von Tatsu erfährt man hier nicht besonders viel, aber wenn er sich in so eine stockdunkle Höhle wagt, muss er sehr entschlossen sein dort etwas zu finden. Scheinbar sucht er nach Wasser in dieser Höhle und ich konnte mir gut vorstellen, wie er dort durch diese große Halle geht und nicht weiter als seinen Lichtkegel sehen kann.
    Schließlich findet er ja auch den See, der ihm sehr wichtig zu sein scheint. Ein See unter einem See … Versuch gerade mir das vorzustellen, wie das funktioniert. Ein Höhlensystem unter einem See? In dem sich ebenfalls ein See befindet? So vielleicht?
    Nun, jedenfalls erfährt man in den letzten paar Sätzen, dass Tatsu nach dem sucht, was ihm seinen Namen gegeben hat und er jetzt die Chance hat sein Schicksal zu erfüllen. Was das wohl sein mag?
    Der kurze Text besticht vor allem durch eine interessante Atmosphäre und die vielen Fragen die er aufwirft. Irgendwie gefällt mir so was immer, weil ich als Leser mir vieles selbst ausdenken kann und gerade die offenen Fragen es auch spannend machen sich selbst zu überlegen, was passieren könnte. (:


    Heimat


    Das ist eine schöne Szene, auch wenn sie irgendwie recht schwermütig beginnt. Eine gewisse Schwermut bleibt auch den Text hindurch, vielleicht weil Joanne die ganze Zeit in Gedanken mit der Frage beschäftigt ist, ob das hier ihre Heimat war. Scheinbar hatte sie in ihrer Kindheit nicht besonders viel Aufmerksamkeit ihrer Eltern genossen, was wirklich traurig ist …
    Amy ist sehr niedlich und ich mag es, wie Murphy sich um sie kümmert. Die kurze Interaktion der beiden ist sehr natürlich, auch wenn man nicht absehen kann, wie groß jetzt der Altersunterschied zwischen Murphy und Amy ist. Die Idee mit dem Wasser im Graben der Sandburg ist aber wirklich cool!
    Joanne hat irgendwie so was melancholisches an sich, was einen interessanten Kontrast zu der Fröhlichkeit von Amy bildet. Oder vielleicht ist sie auch einfach nur zu sehr von ihren eigenen Erinnerungen eingenommen? Jedenfalls find ich’s schön, wie der Text sozusagen einen kleinen Höhepunkt bekommt, als Joanne auf die Sandburg und den Wassergraben aufmerksam wird. Das war am Ende wirklich so eine schöne, kleine Familienszene, als dann auch noch Joachim mit dem Essen aufgetaucht ist. Zwar bin ich mir jetzt nicht ganz klar, welche Rolle Joachim hat — im ersten Moment denkt man ja an Joannes Mann, aber wer weiß? —, aber ich mag das Ende hier.


    Fragen


    Und wieder so ein interessantes Setting! Hier schmeißt du einen richtig in die Szene als Sean zu sich kommt und die Reaktionen seines Körpers nicht verstehen kann. Und dann kommen da noch die Fragen. Die stellt sich der Leser ja auch und es ist eigentlich immer interessant, wenn der Protagonist und der Leser denselben Wissensstand haben. Es ist aber schon eine Horrorvorstellung, wenn man plötzlich an einem fremden, dunklen Ort aufwacht, noch dazu nackt! Da frag ich mich wirklich was ihm passiert ist … Hoffentlich nichts schlimmes!
    Schließlich erfährt man etwas über ihn, dass er noch zur Schule geht, diese aber nicht leiden kann. Und wohl von drei anderen Jungs gemobbt oder zumindest schikaniert wird. Frag ich mich natürlich, was in dieser Gasse passiert ist und wie er überhaupt in diese Holzhütte gekommen ist. Nachdem später ein zweiter Charakter auftaucht wird die Sache noch interessanter! Entweder ist der Mann nur ein Gestaltwandler oder sogar ein Werwolf. Andererseits dachte ich, dass diese sich nur bei Nacht und Vollmond transformieren, aber es scheint ja noch die Sonne zu scheinen? Jedenfalls scheint dieser Mann Sean gesucht zu haben, so sieht es jedenfalls aus.
    Meine Theorie wäre ja, dass Sean vielleicht ebenfalls ein Gestaltwandler ist und seine Kräfte vielleicht in dieser Gasse aktiviert wurden, ohne, dass er es bewusst mitbekommen hat. Würde für mich jedenfalls seinen emotionalen Zustand am Anfang etwas erklären, weil sein Körper halt noch von der Verwandlung „aufgepumpt“ ist. Oder so. Vielleicht wird dieser Mann ja sein Mentor?
    Natürlich kann man das Ganze auch in eine andere, wesentlich dunklere Richtung sehen, aber ich hoffe jetzt mal nicht, dass dieser Mann Sean etwas antun will.
    Auf jeden Fall eine sehr spannende Szene!


    Da sind dir drei sehr interessante Szenen gelungen. Die Bilder hat man in den Texten wiedererkannt, ich hatte aber meine Freude diese ohne groß auf die Bilder zu achten zu lesen. (: Sehr spannend und dein Schreibstil ist ohnehin sehr angenehm.


    Fröhliches Schreiben weiterhin!

  • Puh. Ich habe es jetzt voll nicht geschafft, in den letzten zwei Wochen zu posten. Und diese Woche werde ich es wohl Freitag wegen meinem Geburtstag auch nicht schaffen. Daher kommt wohl morgen das nächste Upload. ^^"


    Jetzt aber erst mal die Antwort... xD"





    @Cyndaquil:
    Danke für den Kommentar. :heart: Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich darüber gefreut habe, gerade alle Geschichten von Charakteren handeln, die mir sehr, sehr am Herzen liegen. :love: Also vielen, vielen Dank.


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    Vorwort:
    Im Vorwort dieses Mal will ich etwas weiter ausholen, da ich mich entschlossen habe, die paar Momente zu posten, die zu den Charakteren aus Eikyû gehören, die ich ebenfalls ins Manmade Myths Universum versetzt habe.
    Zur Erklärung Eikyû - Gesegnetes Land ist eine Geschichte oder eher ein Roman, den ich geschrieben habe, als ich 17/18 war und der effektiv einen Versuch High Fantasy in einer auf asiatischen, statt europäischen Mythen aufgebauten Welt zu schreiben.
    Aus heutiger Sicht finde ich die Geschichte ziemlich unstrukturiert - und die ersten Kapitel habe ich geschrieben, bevor mein Schreibstil aus meiner heutigen Sicht irgendwie annehmbar war. Aber gut, wie gesagt: Ich war jung.
    Im Rahmen der Momente Sammlung habe ich mich dazu entschlossen, die Charaktere, inklusive der Mythen, auf die Urban Fantasy Welt zu übersetzen und amüsiere mich nun regelmäßig über die geänderten Charakterdynamiken. Einer der Charaktere, Ryuujin, der nun Tatsu heißt, kam übrigens in der allerersten Geschichte hier vor. ;)
    Damit ihr euch mit mir amüsieren könnt, hier ein paar Hintergründe zu den Charakteren.



    Kommen wir zu den Geschichten, die ich zu den Viern soweit geschrieben habe <3
    Viel Spaß! :D



    Das Mädchen am Straßenrand


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    Regen.
    Regen prasselte vom Himmel hinab, prasselte auf Autodächer und Regenschirme, während die Straße in ständiger Bewegung zu sein schien. Wie ein eigener Organismus wand sie sich am Rand der Stadt entlang. Da waren Autos, die über die Fahrbahn rauschten. Da waren Fußgänger, die mit gesenkten Köpfen die Straße hinabeilten. Einige trugen Geschäftskleidung und hatten Aktentaschen bei sich; Geschäftsleute. Andere waren Jugendliche, die entweder von den Schulen kamen oder unterwegs waren, um sich zu amüsieren. Auch die ein oder andere Hausfrau, die noch einen Einkauf nach Hause schaffte, lief die Straße entlang.
    Niemand beachtete die Frau, die unter einem altertümlich wirkenden Regenschirm am Rand der Straße stand und sie alle aus goldenen Augen beobachtete. Die Menschen waren zu beschäftigt mit sich selbst.
    Manchmal fragte sie sich, ob sie überhaupt hierher gehörte. Doch die Wahrheit war, dass sie schon solange hier war und es gar keinen anderen Ort gab, an den sie würde gehen können. Sie war hier, als Avatar ihrer Göttin. Sie war hier als Sprecherin, als Dienerin ihres Gottes. Sie war schon lange hier, hatte gesehen, wie mehr und mehr Menschen hierher gekommen waren.
    Menschen, die sie meistens nicht einmal zu sehen schienen. Meistens waren es nur Jugendliche oder Betrunkene, die ihr einen Blick zuwarfen oder sie vielleicht auf ihr ungewöhnlich rotes Haar ansprachen. Doch die meisten taten es nicht. Die meisten sahen sie nur an, starrten für einen Moment und senkten dann schuldbewusst den Blick.
    Doch sie war anders. Sie beobachtete die Menschen, beobachtete sie genau. Sie schämte sich nicht zu starren, während sie sich fragte, was wohl die Geschichte von jenem jungen Paar war, das sich gemeinsam unter einem Regenschirm drängte, was für eine Geschichte ihr die alte Frau, die ein schwer beladendes Fahrrad vor sich her schob, ihr wohl erzählen könnte, und woher wohl jener blonde Tourist, der offenbar keinen Regenschirm hatte und so nun durch den Regen eilte, kam.
    „Was machst du hier, Tsuki?“, fragte eine Stimme neben ihrem Ohr.
    Sie lächelte und sah auf. Auch wenn sie niemanden sah, erkannte sie doch die grünliche Flamme, die nun in der Gasse neben ihr flackerte. Ein Zashiki-Warashi. Ein örtlicher Hausgeist. Masao.
    „Ich beobachte sie“, erwiderte sie. „Schau sie dir an.“
    „Ich sehe sie die ganze Zeit.“ Die Stimme Masaos klang gelangweilt und gleichzeitig ein wenig quengelig, ganz so, wie man es von einem Geist erwarten würde, der auf ewig ein Kind war.
    Tsuki sah mit einem süffisanten Blick zu der Flamme, die unter ihrem Schirm Zuflucht vor dem Regen gesucht hatte. „Aber siehst du sie wirklich?“
    „Ich bin ja nicht blind!“, erwiderte der Geist.
    „Sicher nicht“, antwortete sie und lachte leise, als sie eine andere Bewegung sah.
    Ein Fuchs, der in einer Gasse auf der anderen Seite der Straße erschienen war. Ein anderer Bote. Es war also Zeit.
    Nun dann. Es wurde also soweit, dass auch die Menschen starren durften. Und während ein kleiner Transportwagen vor einem der kleinen Imbisse vorfuhr, nahm sie ihre wahre Gestalt an. Ihr silbernes Fell glänzte im Licht der Straßenlaternen. Es wies das Wasser ab, so dass die Regentropfen nur als Perlen über ihren schlanken Fuchskörper liefen.
    Ihr Regenschirm war zu Boden gefallen.
    Sie sprang gegen die Wand zu ihrer Rechten, stieß sich von dieser ab und landete dann auf dem Dach des kleinen Hauses, neben dem sie die ganze Zeit gestanden haben.
    Schon ertönte ein Ruf.
    „Was ist das?“
    Moderne Fotohandys wurden gezuckt, während sie über die Dächer lief und dann dem Himmel entgegen sprang. Dann war sie für die Menschen, die mit ihren Handys da standen, die Regenschirme gesenkt hatten und auf den Punkt starrten, wo sie für sie gerade verschwunden war. Dann erhob sich ein Murmeln, während sie sich fragten, ob es nur eine optische Täuschung gewesen war.
    Es war genug Ablenkung gewesen, als dass ihre Brüder Nahrung aus den Läden, aus Taschen und Wägen hatten klauen können.
    Es sollte für die Woche reichen.




    Die Lichter der Stadt


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    Bunt glitzerten die Lichter der Stadt durch das beschlagene Fenster des Busses, reflektierte sich hundertfach an den Regentropfen, die das Fenster von außen benässten.
    Sie waren da, merkte Shou und sah aus dem Fenster. Sie waren da. Kyoto.
    Er schüttelte seine Schwester, die mit dem Kopf auf seiner Schulter eingeschlafen war und nun langsam erwachte.
    Sie blinzelte, ehe ihre eisblauen Augen ebenfalls auf das Fenster fielen und sie sich langsam aufrichtete. Ihr blasses Gesicht zeigte kaum eine Emotion, doch vielleicht war das nach den letzten Tagen auch nicht anders zu erwarten.
    Sie mussten keine Worte wechseln. Sie wussten, weshalb sie hier waren und was ihre Aufgabe war. Was sie versuchen würden.
    Von allem, was er wusste, hatten die Vampire es hierher gebracht. Das Artefakt, das einmal den Magiern gehört hatte und in den letzten zehn Jahren allein schon häufiger die Hände gewechselt hatte, als so manch ein Geldschein.
    Jetzt war die Frage nur, wo sie es finden würden.
    Doch das war eine Frage für den nächsten Tag, beschloss er, als der Bus ihre Station am Rand der alten Stadt erreichte. Für heute brauchten sie nur eine Unterkunft. Aber es war spät und irgendwo würde sich schon ein Internet Café finden lassen. Irgendetwas.
    Die schwüle Juliluft schlug ihnen entgegen, als sie aus dem Bus stiegen. Zumindest würde sie in der Nacht niemand beachten. Es war zu spät.
    Irgendwo in der Stadt, dachte Shou und sah sich um, ehe er seiner Schwester ihre Sporttasche abnahm. Irgendwo in der Stadt war die rote Perle, doch er hatte noch immer keine Ahnung, wie er sie finden sollte.
    „Komm“, meinte er und legte einen Arm um seine Schwester, die schon wieder halb eingeschlafen schien. Sie war noch jung. Sie war jung und hatte den Landsitz ihres Vaters bisher nie verlassen.
    Was sollten sie nur tun?
    Denn wenn sie nicht bald die Perle, die angeblich einst ein Phönix geweint hatte, fanden, würde der Akaoni, den es eben nicht nur in Märchen gab, kommen und sie holen. Würde Yuki holen, die sich doch nicht verteidigen konnte. Seine kleine Schwester, die bisher ohnehin kein gutes Leben gehabt hatte. Seine kleine Schwester, deren weißes Haar im Licht der Laternen zu schimmern schien.




    Von Füchsen und Instantramen


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    Shou hob den Teller von der Schüssel, um zu überprüfen, ob die Suppe bereits fertig war. Sie war und sie roch wundervoll.
    „Yuki,“ sagte er laut und sah zu seiner Schwester, die mit angezogenen Beinen vorm Fernseher saß und eins von ihren Videospielen spielte, die weißen Haare zu einem Zopf zurück gebunden.
    Nun sah sie auf. „Fertig?“
    Er nickte und nahm eine der Schüsseln von der kleinen Küchenzeile, um sie Yuki zu bringen.
    „Moment,“ meinte sie und gab irgendetwas in den Controller ein, ehe sie diesen ablegte und die Schüssel entgegen nahm. „Danke.“
    Shou lächelte sie an. „Kein Problem.“ Dann ging er zur Küchenzeile zurück, um seine eigene Schüssel zu holen, nur um einen irritierten, beinahe schon angewiderten Blick von ihrer Hausherrin zu ernten, die im Moment gleichzeitig auch ihr Gast war.
    Natürlich war Shou der jungen Frau, deren rötliches Haar recht unnatürlich wirkte, dankbar. Wäre sie nicht gewesen, hätten er und Yuki wohl keine Unterkunft in Kyoto gefunden – wären vielleicht auch durch die Hand der Magier gestorben. Dennoch vermochte er nicht zu sagen, wie er über sie denken sollte. Warum war sie überhaupt in dieser Wohnung? Sicher, die Wohnung war nur ein Zimmer, das zu einem der dem Schrein zugehörigen Gebäude gehörte, doch das erklärte nicht, warum sie hier war. War es wegen Yuki?
    Er schluckte, als sie sie weiter ansah. „Willst du vielleicht etwas?“, fragte er, obwohl ihr Blick deutlich sagte, dass sie das Essen eher anwiderte.
    Sie verzog den Mund. „Nein,“ erwiderte sie leise.
    „Okay.“ Er sah sie erneut an, ging dann aber zu dem schmalen Schreibtisch, an dem er gearbeitet hatte, zurück und stellte die Schüssel dort ab.
    Noch einmal sah er sich zu Tsuki um. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
    „Nein,“ antwortete sie.
    „Okay.“ Er wandte sich der Schüssel zu, nahm seine Stäbchen und begann zu essen – wollte das zumindest, doch der Blick der Kitsune lenkte ihn ab. „Was ist?“, fragte er.
    Sie räusperte sich. „Ich verstehe nur nicht, wie ihr das Zeug essen könnt.“
    Das war eine Antwort, die er nicht erwartet hatte und auch nicht gänzlich verstand. „Wieso?“
    „Das da“ – sie nahm die Verpackung von einer der Suppen von der Küchenzeile, um ihn die Zutatenliste auf der Rückseite zu zeigen – „ist doch beinahe alles Chemie! Das ist doch kein richtiger Ramen!“ Bei diesen Worten klang er empörter, als er es von der jungen, normal sehr beherrschten Frau bei einem solchen Thema erwartet hätte.
    Was sollte er darauf antworten?
    „Wieso kocht ihr nicht selbst?“, fuhr sie fort.
    „Zu viel Aufwand,“ nuschelte Yuki durch einen Mund voller Nudeln hervor.
    Normal hätte er sie dafür angeherrscht, doch jetzt sah er nur die Kitsune an. Die Wahrheit war komplexer, als Yuki es sagte. „Ich habe es nie gelernt,“ antwortete er wahrheitsgemäß, hatte er im Haus seines Vaters doch immer jemanden gehabt, der für ihn kochte. „Davon abgesehen,“ fügte er zu seiner Verteidigung hinzu, „finde ich, das schmeckt eigentlich ganz gut.“ Eine maßlose Untertreibung: Eigentlich liebte er die Tütensuppe.
    Tsuki verzog das Gesicht noch mehr. „Dann solltet ihr lernen zu kochen.“
    Damit hatte sie sicher nicht Unrecht. Shou setzte zu einer Antwort an, doch Yuki kam ihm zuvor:
    „Kannst du es uns denn beibringen?“ Ihre Stimme klang ein wenig hämisch, beinahe so, als würde sie die Antwort erahnen.
    Die junge Frau sah zu Yuki hinüber, das Gesicht steinern. „Nein.“
    Yuki grinste. „Kannst du überhaupt selbst kochen?“
    Beinahe glaubte Shou, dass Tsuki etwas errötete. Sie wich dem Blick seiner Schwester aus, ehe sie spitz sagte: „Ich bin eine Kitsune. Kitsune kochen nicht.“
    Yuki begann zu kichern, ehe sie sehr betont von den Nudeln schlürfte. „Dann solltest du dich nicht beschweren,“ nuschelte sie.
    „Yuki,“ flüsterte Shou angespannt und warf ihr einen warnenden Blick zu.
    Die Strafe folgte, als Yuki sich verschluckte und zu husten begann, dies aber witzig genug zu finden schien, um in tatsächliches Gelächter auszubrechen.
    Tsuki sah sie wütend an. „Wenn ihr schon nicht selbst kocht,“ meinte sie, „könntet ihr das Essen von Kakeda-san mitessen!“ Der Miko, die hier beinahe zu leben schien.
    Shou wandte sich der Kitsune zu. „Wir wollen nicht zur Last fallen, Tsuki-san,“ sagte er vorsichtig.
    Darauf erwiderte sie nichts, wandte sich nur um und schritt aus dem Raum, die Schiebetür mit etwas zu viel Energie öffnend.
    Dabei überraschte es Shou nicht, dass sie nur eine Stunde später mit einem dampfenden Topf zurückkehrte. Was hatte er erwartet?




    Das Artefakt


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    Tatsu beobachtete die Kitsune, deren rotes Haar so ungewöhnlich wirkte. Er wusste, was sie war. Es sollte ihn nicht wundern.
    Noch immer wusste er nicht, warum er sie hatte finden sollen. Er wusste nicht, was der junge Mann gemeint hatte, doch kam er nicht umher sie faszinierend zu empfinden.
    Die Kitsune begutachtete die Speisen auf dem Tisch zwischen ihnen. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie distanziert.
    Er räusperte sich und strich eine Strähne seines langen Haares aus dem Gesicht. „Das weiß ich selbst nicht,“ antwortete er dann ehrlich. „Ich wurde gefunden, Sie zu finden. Man sagte mir, dass Sie mir Antworten geben könnten.“
    Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während sie ihn aus goldenen Augen musterte. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu. „Dafür der ganze Aufwand? Sie hätten mich am Schrein fragen können.“
    „Man hat mir gesagt, dass Sie und Ihresgleichen eine Gegenleistung für Antworten verlangen,“ erwiderte er.
    Sie kicherte und musterte ihn wieder. „Je nach der Art der Auskunft bevorzugen wir es, die Bezahlung selbst festzulegen.“
    Tatsu verschränkte die Arme und sah sie an. Sie war hübsch, doch war das wohl von einer Kitsune zu erwarten. Hatten sie in vielen Mythen nicht aus den Aspekt von Verführern? Insofern war es wohl wenig überraschend.
    Bemühte sie sich absichtlich, ihn wenig Beachtung zu schenken? Während er schwieg, begann sie etwas von den Sobanudeln aus dem Bambuskorb zu fischen und durch die Soße zu ziehen. Sie schien zu warten.
    Er sah sich um, doch natürlich waren sie allein. Sie hatten den Raum des Restaurants für sich. Dafür hatte er gezahlt. Also öffnete er den Lederbeutel und zog das jadefarbende Messer hervor. „Was können Sie mir dazu sagen?“, fragte er und legte es auf den Tisch.
    Ruhig legte sie ihre Stäbchen ab und nahm das Messer her. Sie zog es aus seiner Scheide und enthüllte so die glimmende Klinge. Dann sah sie wieder ihn an, eine gewisse Neugierde in den goldenen Augen. „Ein Artefakt.“
    „Was für ein Artefakt?“, fragte er.
    Sie kicherte. „Ein magisches Messer.“
    Zog sie ihn auf? Wollte sie ihn ärgern?
    Er wartete auf eine weitere Antwort, während sie die Klinge in ihren Händen wendete und die Inschrift begutachtete.
    „Wo haben Sie das Messer gefunden“ – sie zögerte – „Tatsu-san?“ Sie schien zu merken, dass etwas mit dem Namen nicht stimmte. Kaum verwunderlich, war es doch kein normaler Name.
    „In einer Höhle,“ erwiderte er. „Jemand hat mir einen Hinweis gegeben.“ Er streckte die Hand aus und sie gab ihm das Messer zurück.
    „Was haben Sie in dieser Höhle gemacht?“, fragte sie weiter.
    „Wie gesagt: Jemand hat mir einen Hinweis gegeben,“ antwortete er. Wie sollte er es erklären? „Ich habe eigentlich etwas anderes gesucht.“
    Wieder wurde ihr Lächeln verschmitzt. „Und Sie glauben, dass meine Antwort Sie zu dieser anderen Sache führen könnte?“
    Er nickte. Musterte sie.
    Eine Strähne des Haares hatte sich von ihrer Spange gelöst und war ihr über das linke Auge gefallen, von wo sie sie nun sehr betont zurückschob. Was war ihr Ziel? Wollte sie ihn testen oder nur einen Spaß mit ihm treiben?
    Wieder musterte er sie und bemerkte, dass ihr Oberteil, dessen Schnitt einem Yukata nachempfunden war, etwas loser um die Brust zu sitzen schien, als zuvor. Versuchte sie wirklich ihn zu verführen? Wieso?
    „So in etwa,“ antwortete er.
    Die Kitsune schwieg und füllte dann etwas von dem eigentlich schon zu weit abgekühlten Sake in die zwei Tassen. Sie trank, während er zögerte.
    „Ich kann Ihnen so viel sagen,“ sagte sie. „Das Messer ist einst von einer Gottheit erschaffen worden. Es ist alt. Und man hat es lange vermisst.“
    „Von was für einer Gottheit?“, fragte er.
    „Einem Beschützer,“ erwiderte sie. „Einem der Schützer dieser Stadt. Es war ein Artefakt, das einem Helden gegeben wurde.“
    „Ich verstehe.“ Zögernd griff er nach dem Sakebecher und trank, während er das Messer weiter musterte. Hatte er etwas mit diesem Helden zu tun? „Wissen Sie mehr darüber?“
    „Ich kann mehr herausfinden,“ antwortete sie. „Wenn Sie wollen.“ Dann lächelte sie. „Doch wollen wir nicht erst essen? Die Speisen werden kalt.“
    Er nickte und nahm selbst etwas von dem Gemüse, zögerte aber, bevor er aß. „Was ist die Bezahlung, die Sie dafür verlangen würden?“
    Wieder erschien das verschmitzte Lächeln auf ihren Lippen. „Ein Teil Ihres Geheimnis“ – ein erneutes Zögern – „Tatsu-san.“




    Das Spiel


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    Shou sah auf den kleinen Bildschirm zu, wie der Batter ausholte, den Ball traf und ihn damit quer über das Spielfeld beförderte, ehe er losrannte.
    Es hatte für ihn immer wieder etwas katastasisches, auch wenn er wusste, dass es albern war. Dennoch: Es lenkte ihn davon ab, dass seine Schwester ohne ihn in der Stadt war, wo ihr allerhand passieren konnte. Er wusste, dass sie Zeit für sich brauchte, dass er sie nicht immer um sich herum behalten konnte, doch er hasste das Gefühl, dass sie ohne ihn da draußen war.
    Und so saß er zusammengekauert vor dem kleinen Fernseher und kämpfte nicht einmal gegen die Tränen an, die in ihm aufstiegen.
    Die Tür ging auf und er zuckte zusammen. Schnell wandte er den Kopf zur Seite, um seine Tränen zu verbergen.
    „Wo ist deine Schwester?“, fragte Tsuki und machte einen Schritt in den Raum hinein.
    „In der Stadt“, erwiderte er kurz angebunden. „Wollte etwas kaufen gehen.“
    Tsuki schien zu zögern. Hatte sie die Heiserkeit seiner Stimme bemerkt? Dann kam sie zu ihm hinüber und kniete sich neben ihn. „Alles in Ordnung?“
    Er sah sie nicht an.
    Er hatte nie mit seinem Vater irgendwelche Ballspiele gespielt – dafür war sein Vater immer zu beschäftigt gewesen. Aber zumindest hatten sie am Wochenende gemeinsam die Spiele geschaut, jedenfalls wenn es der Zeitplan seines Vaters erlaubt hatte.
    Tsuki zögerte und legte dann mit einiger Zurückhaltung eine Hand auf seine Schulter. „Was ist?“
    Shou schüttelte den Kopf und sah wieder auf den Fernseher. „Nur ein paar Erinnerungen. Erinnerungen an früher, weißt du? Als meine Eltern...“ Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte er schon zu viel gesagt.
    Die Kitsune runzelte die Stirn, fuhr dann aber damit fort, seinen Rücken zu streicheln. „Ich verstehe, glaube ich“, sagte sie mit leiser Stimme. Sie ließ so etwas, wie ein Seufzen hören. „Ja, ich glaube, ich verstehe.“
    Shou sah sie an und erkannte zum ersten Mal wirklich, dass auch sie Gefühle hatte. Und auch sie musste Eltern haben. Wo waren sie?
    Er wischte sich die Augen mit dem Ärmel seines Pullovers und sah dann wieder auf den Bildschirm, wo das Spiel weiterging.

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    Vorwort:
    Tatsächlich einmal wieder eine Fanfiction und noch dazu eine Fanfic, die ich erst diese Woche geschrieben habe. Und zwar zu einem Fandom, zu dem ich immer hatte schreiben wollen - zu dem mir jedoch nie eine konkrete Idee eingefallen ist: "Chihiros Reise ins Zauberland". Es ist und bleibt mein liebster Animefilm <3 All the feelz!
    Allerdings ist das hier nicht ganz die Standard-Fanfiction, sondern eine Sammlung von sieben Drabbles, die zusammen mehr oder weniger eine "sieben Jahre später" Geschichte erzählen. :3
    Mehr will ich gar nicht verraten und wünsche euch damit eigentlich nur viel Spaß! Es würde mich wirklich sehr interessieren, was ihr dazu denkt.
    (Apropos: Zumindest ein Drabble hat technisch gesehen 103 Wörter, da ich Namen als ein Wort zähle, selbst wenn sie aus mehreren Teilen bestehen. In diesem Fall Hakus voller Name ;D Das ist so also beabsichtigt.)


    Zeit




    Ein letztes Mal wandte sie sich ihren Freundinnen zu. „Ich gehe dann!“
    „Bis nächste Woche!“, riefen Maki und Fujiko und winkten, während sie ihre Fahrräder in die entgegengesetzte Richtung schoben.
    Chihiro atmete durch. Sommer. Wochenende. Eine weitere Chance.
    Lange schon hatte sie sich mit den Gedanken gequält. Was war damals geschehen? Oft schon hatte sie vor dem Tunnel gestanden; hatte sich gefragt, was passieren würde, wagte sie den ersten Schritt.
    Der Tunnel flüsterte nicht mehr.
    Sie würde dennoch dorthin fahren. Um ihre Freunde wiederzusehen.
    Und so machte sie sich auf den Weg zum Zug, der sie zum Portal zurückbringen würde.



    Rin sah dem Zug nach, der über das Wasser zu schweben schien. Es hatte die ganze Nacht geregnet. Wahrscheinlich war irgendein Regengott letzte Nacht im Badehaus gewesen.
    Sie wandte sich um, öffnete die Tür und betrat den Heizungsraum. „Irgendwann fahre ich auch fort“, verkündigte sie.
    Kamaji, halb unter seiner Decke vergraben, schnaubte. „Mit welchem Ziel?“
    „Vielleicht finde ich meinen Namen wieder.“
    „Und dann?“
    Rin zuckte mit den Schultern. „Dann fange ich ein neues Leben an.“ Sie schenkte ihm einen strafenden Blick. „Sei nicht so negativ, alter Mann.“
    „Du solltest auch schlafen“, erwiderte der Sechsarmige nur und zog die Decke höher.



    Sie behaupteten, es sei leicht, das Badehaus zu führen! Pah Es brauchte Quellen, brauchte Kräuter und auch wenn die Gehälter minimal waren, wollten die Mitarbeiter genau so essen, wie ihre Gäste. Sie ahnten alle nicht, wie schwer die Beschaffung war.
    Doch natürlich war sie die Böse. Pah! Dabei verbrachte sie den Tag damit, Rechnungen zu wälzen und Bestellungen zu machen, während andere schliefen.
    Schwere Schritte. „Baba. Boh will raus.“
    Yubaba grunzte und sah auf. „Schon wieder?“
    „Boh will raus“, erwiderte das Riesenbaby.
    Yubaba seufzte und schnipste mit den Fingern, verwandelte ihren Sohn in eine Ratte. „Sei vor Nacht wieder zurück.“



    Die Luft, die über dem Wald hing, war süßlich und schwer. Das Zirpen der Zikaden laut und andersweltlich. Einst hatte Chihiro ihren Vater angefleht, nicht hierher zu fahren. Es war sieben Jahre her. Etwas weniger, da die Zeit eine seltsame Sache war.
    Sie war allein, doch sie fürchtete sich nicht. Sie war oftmals hergekommen.
    Damals hatte sie all diese Dinge getan, um in diese Welt zurückzukehren und ihre Eltern zu retten. Doch seither hatte sie ihre Freunde jeden Tag vermisst und sich manchmal gefragt, ob nicht alles ein Traum gewesen war.
    Irgendwann würde sie zurückkehren! Irgendwann...
    Sie sah den Tunnel.



    Ein alter Sumpf. Das Quietschen einer Lampe, die auf einer Hand hin und her sprang. Eine schattenhafte Gestalt, die etwas Schilfgras pflückte.
    Die Nacht brach langsam herein und in der ferne sauste der Zug an der sechsten Station - vom Badehaus gesehen - vorbei.
    Die Gestalt, deren Gesicht eine Maske war, sah auf. Kaonashi erinnerte sich daran, wie ein Mädchen ihn mit dem Zug hergebracht hatte. Sen. Chihiro.
    Das Quietschen der Lampe wurde ungeduldiger.
    Kaonashi wandte sich um, kehrte zu dem alten Gutshof zurück, wo warmes Licht ihn empfing.
    „Besten Dank, mein Lieber“, sagte die alte Hexe. „Möchtest du Tee?“



    Nigihayami Kohaku Nushi kehrte manchmal zum Badehaus zurück - als Gast und weil er dort nicht schwand. Er war ein Drache, ein Gott, doch sein Fluss war ein von Beton eingefasstes Gerinsel.
    Mit seinem Namen hatte er auch seine Erinnerung an früher zurückerlangt. Doch der Fluss verlief nun durch unterirdische Röhren. Der umgebende Wald war einer Straße gewichen.
    Er war heimatlos.
    Doch er wartete. Auf sie. Wenn er am ehemaligen Flussufer saß, wartete er. Wenn er das Badehaus besuchte, wartete er. Auf sie. Chihiro. Er hatte es versprochen. Manchmal wartete er am Tunnel, der in die Welt der Götter führte. Auf Chihiro.



    Da war der Tunnel, der sich in die hohe, rote Mauer bohrte. Davor die grinsende Statue. Der Wind wehte mit einem unheimlichen Heulen den langen Gang entlang.
    Chihiro stand still, lauschte. Ihr Herz schlug schneller. War das ein Flüstern?
    Sie sah sich um. Zögerte. Wenn sie ging. Konnte sie zurückkehren? Würde sie ihre Freunde überhaupt treffen? Wie viel Zeit war in der Welt der Götter vergangen?
    Also wagte sie den ersten Schritt, in den Tunnel.
    Sie setzte zum zweiten an, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.
    Sie drehte sich um, Tränen in den Augen. Dann lächelte sie. „Kohaku.“

  • Alle Kurzgeschichten sind recht nichtssagend. Sie zeigen dem Leser nicht wirklich etwas neues über die Charaktere, stellen sie andererseits aber richtig da. Man versteht das du die Charaktere verstehst. Die einzige Ausnahme ist Yubaba. Ihre Ministory gefällt mir sehr gut, sie ist alltäglich, realistisch und liefert einen etwas anderen Blick auf sie.
    Chihiro ist ein wirklich schönes Thema, aber auch ein schweres, weil die Story so schön abgeschlossen ist.


    Die vorige Story über die Kitsune und der Yuuki Onna hat mir auch gefallen und ich hätte auch was dazu geschrieben, aber ich hatte einfach keinen Plan was es dazu zu sagen gibt. Es klingt nach einer guten Story und ich würde sie weiterverfolgen, falls du vorhast noch weiteres Material zu posten.





    Fomori. Fomorian. Keltische Ungeheuer. Jedenfalls von der Idee daran angelehnt. (Mehr kann man auch kaum machen, da die Fomori in der keltischen Mythologie sehr unterschiedlich dargestellt werden.)

    Danke für den Namen, sehr Aufmerksamkeit.

    Das ist so die Idee Es ist kein besonders schnelles Monster. Und kein besonders "kluges". Denk dir Flegmon, das ein wenig Verzögerung hat, ehe es merkt, dass es verletzt ist.

    Ach sorry, das habe ich nicht so mitbekommen. In dem Fall ist es schon eher nachvollziehbar.

    gab es Ophanimon nicht, und als es das dann gab, mochte ich mein Meje Angewomon lieber <3 Weil mehr Sex. xD

    Ja, das ist natürlich das wichtigste, nä? :D

    Ohne großartiges drumherum: Heute möchte ich mal den zweiten Teil von [EN]counters hochladen :3 Beim dritten Teil muss ich noch überlegen, wie ich ihn auf FSK16 runterstufen kann, ohne dass zentrale Plotaspekte verloren gehen. *hüstel*

    +.+ Den lese ich mir dann vermutlich unzensiert auf Animexx durch.


  • .

    [Blockierte Grafik: https://imgur.com/PHMHWJn.jpg]

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    Vorwort:
    So, wie in Der Schleier der Welt bereits angekündigt, hier nun die Sidestory, die ich über die nächsten paar Wochen verteilt hier hochladen werde. (Wahrscheinlich etwas fixer als wöchentlich.) Wie @Aprikose, @Sheogorath, @Thrawn und @Sunaki wissen, spielt diese Geschichte zwischen Kapitel 17 und Kapitel 18 von Der Schleier der Welt - ist allerdings, so würde ich behaupten, recht leicht auch ohne das Vorwissen aus der anderen Geschichte zu verstehen. ;)


    Es geht um einen Mordfall in einem Frauenfußballverein! Viel mehr will ich gar nicht sagen.


    .

    Teamgeist
    -
    Teil 1

    .



    „Crime Division, Scottland Police, Sutherland spricht“, erklang die Stimme des Chief Inspectors müde aus Kyras Telefon.
    „Guten Morgen, Inspector Sutherland“, erwiderte Kyra. „Kyra Hare hier.“
    „Ah, Ms. Hare.“ Der Polizist klang deutlich mitgenommen. Offenbar hatte er wenig Schlaf gehabt. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie noch nicht zurückgerufen habe. Ich war gestern außer Haus.“
    „Schon gut“, entgegnete Kyra. „Haben die Eltern von Graham etwas gesagt?“
    „Wie?“ Für einen Moment klang Sutherland verwirrt. „Ach. Nun, nicht wirklich.“ Er zögerte für einen langen Moment. „Ms. Hare?“, fragte er dann. „Würde es Ihnen etwas ausmachen zur Station zu kommen?“
    Kyra sah zu Watson, der noch immer nicht ganz getrocknet war. „Ähm. Nein. Nicht wirklich. Wenn Sie mir etwa eine Dreiviertelstunde geben …“
    „Natürlich“, erwiderte Sutherlang fahrig. „Natürlich. Kommen Sie dann einfach zu meinem Büro.“
    „Kann ich machen“, antwortete Kyra, etwas verwirrt, warum sie herkommen sollte. Ein mulmiges Gefühl sagte ihr, dass Sutherland sie wahrscheinlich von dem Fall abziehen wollte. Vielleicht hatte er die Antwort schon auf anderem Wege gefunden? Oder er war genervt, weil sie bisher keine Antworten gefunden hatte?
    Sie würde warten müssen, sagte sie sich und holte ein Handtuch aus dem Bad, um Watson trocken zu rubbeln.
    Immerhin konnte sie ihn kaum wieder mit Jason allein lassen. Zwar hasste sie es, ihn im Auto allein zu lassen, doch gab es kaum eine Alternative.
    Also machte sie sich daran ihn zu trocknen, ehe sie ihn und die Hundedecke mit ins Auto nahm. Sie deckte Watson zu, während sie zur Polizeistation in der Fettes Avenue fuhr.
    Wieder musste sie durch die Schleuse, sagte, dass sie zu Sutherland wollte und wurde dann durchgebuzzt. Wieder ging es in den zweiten Stock, nur an das andere Ende des Flures. Und irgendwie war Kyra froh, nicht auf Molly zu treffen.
    Sie klopfte – ziemlich genau eine Dreiviertelstunde nachdem sie telefoniert hatten – an der Tür von Chief Inspector Sutherland.
    Als er „Herein“ antwortete klang seine Stimme noch immer genau so müde, wie zuvor am Telefon, und als sie in das Büro kam, sah er auch nicht minder müde aus.
    Er hatte deutliche Ringe unter den Augen.
    Für einen Moment überlegte Kyra etwas dazu zu sagen, unterließ es aber. Sie wollte immerhin professionell wirken und kannte den Mann kaum.
    „Ah, Ms. Hare“, begrüßte er sie und stellte seinen Kaffeebecher ab. „Gut, dass Sie herkommen konnten.“
    „Kein Problem.“ Kyra war ein wenig unsicher, als sie die Tür hinter sich schloss, setzte sich aber, als er auf den Stuhl ihm gegenüber gestikulierte. „Warum sollte ich herkommen?“, fragte sie dann schließlich.
    „Ah, ja“, erwiderte er und rieb sich kurz die Schläfen, als müsse er sich erst sammeln. „Entschuldigen Sie.“
    „Kein Problem“, antwortete Kyra mit einem angedeuteten Schulterzucken.
    „Nun, ähm …“ Er sah kurz auf seinen Rechnerbildschirm. „Ja … Ms. Hare. Würde es Sie stören, wenn ich Sie von Ihrem aktuellen Fall abziehe?“
    Wusste sie es doch! Ach, verdammt. Nun, zumindest zwei Tage bezahlte Arbeit. „Natürlich nicht“, log sie. „Das ist Ihre Entscheidung.“
    „Ah, gut“, erwiderte er. „Ich habe nämlich einen anderen Fall reinbekommen. Noch von heute Morgen. Und ja, ähm, ich brauche dringend Leute.“
    Moment. Meinte er das, was sie glaubte, das er meinte? „Äh, wie?“
    „Ähm, ja, entschuldigen Sie“, sagte er. „Wir haben heute morgen einen neuen Mordfall reinbekommen und … Nun, es gibt einige Leute, die mit dem Opfer zu tun hatten. Da der Fall von öffentlichen Interesse ist, haben wir Interesse daran ihn, wenn möglichst, schnell aufzuklären. Ich würde daher Sie damit beauftragen, die Interviews mit den Kollegen des Opfers durchzuführen. Sind Sie mit den Prozeduren vertraut?“
    Für einen Moment starrte Kyra ihn vollkommen überfordert an, ehe seine Frage an ihr Bewusstsein durchdrang. „Ähm, ja, natürlich.“ Immerhin war sie lange genug mit Molly zusammen gewesen und hatte auch entsprechende Kurse belegt. Irgendwann einmal zumindest. „Natürlich“, wiederholte sie dann noch einmal. „Ähm … Ja.“
    „Gut, gut“, antwortete der Polizist. „Sehr gut.“ Dieses Mal hatte er die Erklärungen offenbar bereits vorbereitet, denn er reichte sie ihr zum Unterschreiben hinüber.
    Neben den üblichen Verschwiegenheitserklärungen gab es auch noch eine zu der Umstellung des Falls. Doch hey, wenn es wirklich ein Fall „öffentlichen Interesses“ – was auch immer dies bedeutete – war, konnte sie ja keinen allzu schlechten Eindruck zuvor hinterlassen haben. Sie klopfte sich mental auf die Schulter.
    „Also, folgendes“, sagte Sutherland schließlich geschäftsmäßig und mit schneller Stimme, so als würde er sie möglichst schnell einweisen wollen, um dann selbst weiterarbeiten zu können. „Thalia von den Hibernian F.C. Ladies wurde vor wenigen Stunden ermordet aufgefunden. Da sie Teil der Mannschaft war und wir aktuell noch keinen Hinweis auf ein Motiv haben, sollen die anderen Mannschaftsmitglieder interviewt werden.“ Er reichte ihr eine neue Mappe herüber. „Da drin finden Sie eine Liste. Ein Teil der Teamkollegen werden wir selbst verhören. Es geht nur darum, einzugrenzen, wer möglicher Weise ein Motiv gehabt hat, sowie wo die einzelnen Teamkollegen vergangene Nacht waren.“ Er lächelte sie matt an. „Niemand erwartet von Ihnen mehr, als diese Interviews, ja?“
    Aka, „Sie lösen nicht den Fall, das machen wir“, dachte sie sich. Ja, das war eine sehr übliche Grundlage, um einen Privatdetektiv anzuheuern. Immerhin war es die etwas langweilige Realität, dass es eher selten war, dass die Polizei selbst einen Privatdetektiv anheuerte, um à la Sherlock Holmes einen Mordfall aufzuklären. Viel eher wurden Privatdetektive hinter Papierkram, der aufgespürt werden musste, hergeschickt, oder eventuell irgendwelchen Erbstücken, die direkt oder indirekt mit dem Mord zu tun haben könnten. Oder sie wurden angeheuert um Leute, die mit einem etwaigen Mordopfer zu tun hatten, aber nicht prinzipiell verdächtigt wurden, zu interviewen, wie Sutherland es gerade mit ihr machte. Immerhin hatte die Polizei einfach nicht die Leute und nicht die Zeit, um den gesamten Bekanntenkreis des Opfers zu befragen, was jedoch oft genug notwendig war. Immerhin war das Leben keine Fernsehserie, wo der Kreis der möglichen Täter sich meist auf übersichtliche fünf beschränkte.
    Sie öffnete die Mappe und fand darin eine Liste mit 14 Namen. Offenbar alles Fußballerinnen aus der Damenmannschaft der Stadt. Nun, das schien machbar, zumal die Adressen und Telefonnummern direkt dabei standen.
    „Natürlich“, antwortete sie schließlich mit dem professionellsten Lächeln, dass sie zustande brachte. „Überlassen Sie das mir.“
    „Danke.“ Sutherland nickte und schien tatsächlich dankbar zu sein. „Ich gebe Ihnen noch ein paar weitere Unterlagen mit. Wenn Sie die Befragungen bis in zwei Tagen abgeschlossen hätten, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
    Blieb nur zu hoffen, dass alle 14 in den zwei Tagen zu erreichen waren. Doch Kyra nickte. „Natürlich.“


    Kyra musste zugeben, noch immer überrascht zu sein. Klar, sie konnte verstehen, was Sutherlands Gedankengang gewesen sein musste. Denn ja, auch wenn es am Ende nur die „Frauenmannschaft“ war, war es eine lokale Fußballmannschaft, die – wie ein kurzer Blick auf Wikipedia ihr gesagt hatte – nicht einmal gänzlich schlecht abgeschnitten hatte bisher. Entsprechend war es zumindest für lokale Verhältnisse fraglos ein Mord, der öffentliches Interesse erregen würde, und sei es nur weil sich die lokalen Medien davon angezogen werden würden, wie Motten vom Licht.
    Umso mehr war es jedoch überraschend für sie, dass er sie damit beauftragt hatte. Klar, sie würde nicht die einzige Detektivin sein, die das Umfeld des Opfers abklopfen würde, aber hey, für ihre Verhältnisse war es definitiv ein Schritt nach oben.
    Irgendwo wurmte es sie, dass sie dem Fall mit Graham nicht weiter nachgehen konnte, doch was war schon eine illegale Operation gegenüber einem echten Mordfall?
    Ja, eventuell war sie ein wenig zu erfreut darüber, in einem Mord zu ermitteln oder besser gesagt Leute befragen zu dürfen.
    Dennoch: Sie wollte zeigen, dass es keine schlechte Entscheidung war. Entsprechend hatte sie sich zurück im Auto auch zuerst daran gemacht, die Unterlagen, die Sutherland ihr gegeben hatte, durchgeschaut.
    Das Opfer, Talia Russel, war Verteidigerin der Mannschaft gewesen und von allem, was Kyra herauslesen konnte, eine der Spielerinnen, die meistens auch in Spielen aufgestellt wurden. Sie war mir 23 jung, doch dies schien nicht besonders ungewöhnlich im Profisport. Jedenfalls war sie am Morgen um kurz vor sieben von einer Mannschaftskollegin – Charleigh Aitken – tot aufgefunden worden. Bisher ging man davon aus, dass die Todesursache Stichwunden waren, die sie erlitten hatte. Der Autopsiebericht war noch nicht da, entsprechend wusste man es nicht mit Sicherheit, doch die Beschreibung der Leiche sprach von sieben Stichen in den Oberkörper, die wahrscheinlich mit einem Küchenmesser erfolgt waren.
    Oh, die Politiker würden sich freuen. Ein Grund mehr, Nutzmesser einzuschränken.
    Ms. Aitken würde von der Polizei befragt werden – natürlich. Dasselbe galt für Marcel Reilly, den Manager der Fußballmannschaft und wahrscheinlich ein paar andere Personen, die näher mit dem Opfer vertraut waren. Eltern, der Bruder, der erwähnt war, und sobald man darüber mehr wusste wahrscheinlich auch Lebensgefährte und, beziehungsweise „oder“ Expartner.
    Kyras Liste umfasste die anderen Mannschaftsmitglieder. 14 an der Zahl. Und da sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte, entschloss sie sich einfach oben in der Liste anzufangen, da den Adressen nach gleich zwei der Mitglieder im selben Haus lebten: Schwestern, offenbar, mit den Namen Lilly und Alexa Bell.
    Offenbar war Alexa Bell die Mannschaftskapitänin. Es wunderte Kyra beinahe, dass sie als solche nicht direkt von der Polizei befragt wurde. Aber gut, was sollte sie sich beschweren?
    Für einen Moment überlegte sie zuerst anzurufen, wie es die Höflichkeit diktierte. Dann jedoch entschloss sie sich dagegen. Hey, wenn eine der beiden mit dem Mord zu tun hatte, wollte sie ihr nicht lange Zeit geben, sich eine Ausrede zurecht zu legen.
    Ja, sie dachte schon daran, den Fall zu lösen. Etwas, das sie explizit nicht tun sollte. Aber hey, wenn es sich so ergeben würde, dass sie den Fall durch einen Zufall lösen konnte, dann wäre ihr niemand deswegen böse, oder? Vielleicht könnte es dafür sorgen, dass sie häufiger angeheuert wurde.
    Von dieser glorreichen Vorstellung beseelt fuhr sie zur Adresse, die in ihren Unterlagen angegeben war. Ein Haus das, wie sie feststellen durfte, in der Nähe von Silverglow lag. Nun, sie konnte nur Hoffen nicht Wright über den Weg zu laufen.
    Mittlerweile hatte der Regen tatsächlich aufgehört, was ihr nur zu gelegen kam. In der Straße, an deren Rand sich Neubauten mit für Städteverhältnisse großen Gärten drängten, war es schwer einen Parkplatz zu kommen, so dass sie ein ganzes Stück entfernt von dem Haus mit der Nummer 21 parken musste, in dem die Geschwister lebten.
    Die Bell-Geschwister waren 25 und 22 Jahre alt. Die Ältere, Alexa, war nicht nur Kapitänin, sondern auch Torwärtin der Mannschaft. Lilly war Stürmerin und laut ihren Unterlagen außerdem Sportstudentin.
    Kyra kam ja nicht umher sich zu fragen, ob Frauenfußball, selbst in der ersten Liga, genug war, um davon zu leben. Immerhin hörte man alles in allem doch recht wenig davon.
    Nun, hätte sie auch nur versucht eine Karriere als Sportlerin zu verfolgen, hätte sie sich wohl eher blamiert und dann den Hals gebrochen. Vielleicht auch in der umgekehrten Reihenfolge. Jedenfalls war Sport nie ihre Stärke gewesen, selbst wenn sie eine recht gute Ausdauer hatte und zumindest in Leichtathletik ganz gut abgeschlossen hatte.
    „Magst du mitkommen?“, fragte sie Watson, der auf dem Rücksitz unter seiner Hundedecke lag und in einem wohligen Halbschlaf gefallen war.
    Seine Ohren richteten sich auf, als er ihre Stimme hörte, und er hob müde den Kopf und sah sie fragend an.
    „Magst du mitkommen, Junge?“, wiederholte sie ihre Frage und strich ihn über den Kopf.
    Ein Schnauben, gefolgt von einem kurzen Bellen, war seine Antwort. Er stand auf und sein wedelnder Schwanz wischte über die Decke der niedrigen Wagenkabine.
    „Na, dann komm mal“, meinte Kyra. Sie war ganz froh, ihn so mitnehmen zu können. Immerhin bedeutete es weniger schlechtes Gewissen und weniger vorwurfsvolle Hundeblicke. Blieb zu hoffen, dass die Fußballerinnen keine Hundehaarallergie oder vergleichbares hatten.
    Diese Befürchtung stellte sich als unnötig heraus, wenngleich sie nicht an eine andere Möglichkeit gedacht hatte.
    Das Haus schien ein Einfamilienhaus zu sein. Es war ein relativer Neubau und komplett weiß gestrichen, während das Dach mit blauen Ziegeln gedeckt war. Eine dreistufige Treppe führte zur Haustür hinauf, wo ein kupfernes Klingelschild verkündete, dass hier Familie – oder in diesem Fall wohl eher die Geschwister – Bell hier lebte.
    Kyra klingelte und hörte bald darauf ein heiseres Kläffen aus dem Inneren. Etwas offenbar eher kleines schien eine Treppe herunterzukommen und sich auf der Innenseite der Haustür zu positionieren, um diese feindselig anzubellen.
    Watson gefiel das natürlich gar nicht und erwiderte das Kläffen seinerseits mit einem tiefen Bellen.
    „Ist ja gut“, meinte Kyra und hockte sich neben ihn, um ihn festzuhalten. Das letzte, was sie brauchte, war ein Watson, der auf einen kleineren Hund losging und ihr damit die Ermittlung, beziehungsweise Befragung erschwerte. Sie tätschelte seine Seite. „Ist gut, Junge. Ist nur ein Bettvorleger. Kein Grund zur Aufregung.“
    Watson hörte zumindest auf zu bellen, ließ jedoch weiterhin ein leises Knurren hören, während das Bellen von drinnen nicht verstummte.
    Dann hörte Kyra Schritte, gefolgt von einer Stimme. „Ist ja gut, Blake“, sagte die Stimme. Dann war es kurz still, ehe die Tür von einer jungen, kräftig gebauten Frau, die einen vor Aufregung zitternden Spitz auf dem Arm hatte, geöffnet wurde.
    „Ja?“, fragte die Frau und schob verwirrt die Augenbrauen zusammen, als sie Kyra sah. „Ähm, was kann ich für Sie tun?“
    Wie immer spulte Kyra ihre Begrüßungsformel ab. „Guten Tag. Mein Name ist Kyra Hare. Ich bin Privatdetektivin und bin im Auftrag der Polizei hier.“ Wie kramte ihre Zulassung und den Wisch, den Sutherland ihr gegeben hatte, hervor.
    Misstrauisch musterte die Frau, die wohl Alexa Bell war, Kyra. Dann begutachtete sie die Zulassung und seufzte. „Sie sind wegen Talia da, oder?“
    „Das ist korrekt“, erwiderte Kyra. „Sie haben schon davon gehört?“
    Alexa Bell nickte nur. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
    „Ich soll Sie kurz zum Opfer befragen“, antwortete Kyra. „Also Sie und ihre Schwester, Lilly Bell. Ist sie hier?“
    „Klar“, erwiderte die ältere Bell-Schwester. „Sie ist aber unter der Dusche.“ Sie zögerte, offenbar unsicher, ob sie Kyra herein lassen sollte, trat dann aber bei Seite. „Wollen Sie hineinkommen?“
    „Gern.“ Kyra kam herein, gefolgt von Watson, der dem schwarzen Spitz einen herabwürdigenden Blick zuwarf. Watson mochte keine kleinen Hunde.
    Ganz begeistert war Alexa Bell wohl nicht, dass auch Watson reinkam. Jedoch schien sie nichts dagegen sagen zu wollen. Stattdessen führte sie Kyra in eine relativ kleine Küche und zeigte auf den Tisch. „Wenn Sie sich setzen würden“, meinte sie gestelzt. „Ich sage meiner Schwester kurz Bescheid.“
    Kyra nickte nur zustimmend und sah der jungen Frau hinterher.
    Alexa Bell hatte eine recht abgetragene Jeans und ein ziemlich weites T-Shirt an. Sie sah nicht aus, als ob sie das Haus noch verlassen wollte.
    Für einen Moment ärgerte sich Kyra, dass sie Sutherland nicht gefragt hatte, wie das überhaupt mit dem Training der Mannschaft aussehen würde. Fiel es aus? Wann trainierten sie? Immerhin, so fiel ihr nun ein, hätte sie auch Pech haben können und niemanden antreffen können. Das wäre unpraktisch gewesen, vor allem wenn sie bedachte, dass das Trainingscenter ein ganzes Stück außerhalb der Stadt lag.
    Wartend musterte Kyra die Küche, die wirklich erstaunlich klein war, wenn man das Haus bedachte. Sie schätzte die Küche nur auf dreiviertel der Größe der Küche ihrer Wohnung. Dafür wirkte alles hier nagelneu. Die Schränke waren in einem modernen, weißen Plastikdesign gehalten und auch die Bodenfliesen, sowie die Fliesen an der Wand waren strahlend weiß. Offenbar wurde hier nicht viel gekocht.
    Bevor sie wieder von Alexa hörte, kam der Spitz – Blake – wieder die Treppe runter und stellte sich in die Küchentür, um Watson erst einmal ausgiebig anzukläffen.
    Watson knurrte zurück, bis Kyra ihn anstupste und dafür einen beleidigten und verständnislosen Blick erntete.
    „Nun, ähm“, meinte Alexa Bell, als sie keine zwei Minuten später die Treppe hinab kam. „Was wollen Sie denn wissen?“
    Kyra holte ihren Block heraus. „Fangen wir damit an, was Sie mir über Ms. Russel sagen können.“
    „Talia?“ Alexa zögerte und setzte sich erst einmal auf einen der anderen beiden Stühle in der Küche. „Sie war eine gute Spielerin.“ Wieder hob sie den Spitz vom Boden auf und streichelte Geistesabwesend seinen Kopf. „Allerdings … Wir waren nie wirklich Freunde.“
    „Aha?“ Überrascht sah Kyra sie an. Normal waren das etwas, was kaum jemand in der Befragung nach einem Mord sagte. Entweder, weil sich die Leute fürchteten, verdächtig zu wirken, oder weil sie nicht schlecht über den Toten reden wollten.
    „Sie war neidisch auf Lilly“, meinte Alexa. „Lilly hat als Stürmer mehr Aufmerksamkeit bekommen als Talia in der Verteidigung. Daher … Na ja, Talia meinte halt immer, dass ich Lilly nur weil sie meine Schwester ist als Stürmer aufgestellt habe.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Dachte, es wäre nur fair, sowas zu erwähnen.“
    „Ja …“, murmelte Kyra nur und notierte sich das.
    „Ansonsten … Außerhalb von Spielen und Training hatten wir wenig miteinander zu tun“, fuhr Alexa Bell fort, weiterhin eine Hand auf dem Kopf des Hundes. „Also klar, wir waren mal ab und an auf Partys zusammen, mit anderen Leuten in der Mannschaft. Aber nicht mehr. Entsprechend weiß ich wenig über sie.“ Ein erneutes Schulterzucken.
    „Okay, verstehe“, sagte Kyra, um sich eine kurze Pause zu erwirtschaften, ehe sie weiter fragte: „Was ist mit Freunden innerhalb der Mannschaft? Oder auch so? Hat sie vielleicht mal jemanden mitgebracht?“
    Alexa schien auf die Innenseite ihrer Wange zu beißen, während sie überlegte. „Halt Charleigh. Charlyn und Willow. Also das waren die in der Mannschaft, mit denen sie abgehangen ist.“ Ein weiteres Schulterzucken. „Ansonsten … Da war mal dieser Kerl … Jamie. Den hatte sie vor 'ner Weile mal auf eine Feier mitgebracht. Wahrscheinlich der damalige Macker.“ Als sie Kyras fragenden Blick sah, fügte sie hinzu: „Den Nachnamen von dem kenne ich nicht.“
    Kyra nickte und notierte sich den Namen Jamie mit einem Fragezeichen dahinter. Vielleicht wusste ja jemand anderes was über ihn. „Sonst irgendwas? Mit wem kam sie nicht gut aus?“
    „Mit den meisten“, erwiderte Alexa. „Na ja, okay, das ist übertrieben. Aber sie hat halt viel gezickt wegen Kleinkram, nicht? Also sie und Eleanor hatten sich irgendwann mal in den Haaren … Irgendwas, weil sie Eleanor wohl den Freund ausgespannt hat. Weiß' nicht, was dran ist. Da fragst du am besten Elly.“
    „Okay.“ Eine weitere Notiz.
    „Außerdem hat sie sich vor zwei Wochen ziemlich mit Irene gezofft“, fügte eine weitere Stimme hinzu und Kyra bemerkte, dass die jüngere Schwester, die etwas kleiner und sehniger als Alexa war, nun in der Tür stand. Ihr braunes Haar war relativ kurz geschnitten, so dass es nur knapp über die Ohren fiel. „Ich weiß aber nicht, worum es da ging. Die beiden haben nur in der Umkleide auf einmal einen Streit angefangen. Irgendwas ging Irene nicht an.“ Auch sie zuckte die Schultern und wirkte dabei trotz unterschiedlichem Körperbau und anderer Frisur ihrer Schwester sehr ähnlich.
    Kyra sah sie an. „Lilly Bell, nehme ich an.“
    Die jüngere Schwester nickte und kam hinüber, um sich auf den letzten Stuhl zu sitzen. „Und Sie sind die Privatdetektivin?“
    „Kyra Hare“, stellte Kyra sich vor.
    Lilly nickte und sah dann mit einem kindlichen Glänzen in den Augen unter den Tisch und streckte eine Hand nach Watson aus. „Und das ist?“
    „Watson“, erwiderte Kyra, während Watsons Schwanz begann gegen den Stuhl zu wedeln.
    „Wie bei Sherlock Holmes?“, fragte Lilly.
    „Genau so.“
    Mittlerweile war Watson aufgestanden und hatte zwei Hundeschritte auf Lilly zugemacht, die ihn nun am Hals kraulte. „Braver Junge. Brav.“
    Ein Bellen, das den Spitz zusammenfahren ließ, war die Antwort.
    „Ähm ja“, meinte Kyra. „Ich müsste übrigens gleich noch ihre Ausweise sehen.“ Das war ihr auch gerade erst wieder eingefallen. Sie machte das ganze für die Polizei eindeutig zu selten.
    „Kein Problem“, meinte Alexa mit hochgezogener Augenbraue. „Ähm, jetzt direkt.“
    „Reicht nachher.“ Nun war es Kyra, die mit den Schultern zuckte und sich der jüngeren Schwester zuwandte. „Ich nehme an, auch Sie haben schon gehört …“
    „Dass Talia tot ist?“ Der Blick auf dem Gesicht der jungen Frau wurde ernster und sie setzte sich wieder ganz auf. „Ja.“
    „Können Sie mir noch etwas über Ms. Russel erzählen?“, fragte Kyra.
    Lilly zuckte mit den Schultern. „Sie war neidisch auf meine Position und hat immer Streitereien mit allen angefangen.“ Sie legte den Kopf auf die Seite. „Ansonsten … Ja … Halt nicht viel?“
    „Sie wirken wenig betroffen von ihrem Tod“, stellte Kyra fest und wieder war ein Schulterzucken die Antwort.
    „Na ja, ich meine, es ist schon hart“, meinte Lilly Bell defensiv. „Als ich heute morgen davon gehört habe, ist es mir schon ganz schön zu Magen geschlagen. Also mehr, dass es ein Mord war, als alles andere, ne? Aber … Ich mein, ich bin ehrlich, ich mochte die Zicke nicht besonders und … Ja, ich mein. Ja …“ Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich habe ihr nicht den Tod gewünscht, aber … Ich bin nicht wirklich überrascht?“ Sie formulierte es beinahe wie eine Frage, während sie nun zu ihrer Schwester sah.
    „Inwiefern nicht überrascht?“, fragte Kyra.
    Noch ein Schulterzucken. „Weiß nicht. Sie wurde ja in ihrer Wohnung gefunden, nicht? Und ja … Das heißt ja, dass jemand mit ihr in der Wohnung war, den sie reingelassen hat, oder?“
    Kyra schwieg nur. Natürlich war sie auch schon zu diesem Schluss gekommen, aber es konnte genau so gut sein, dass man noch irgendwo Einbruchspuren fand oder der Mörder einen Schlüssel gehabt hat.
    „Ich geh' davon aus, dass jemand da war und sie einen Streit angefangen hat“, meinte Lilly. „Sie konnte manchmal unausstehlich sein.“
    „Aha“, machte Kyra nur und notierte sich auch das.
    „Also ich mein, ich hätte sie nicht getötet“, setzte Lilly schnell nach und verschränkte die Arme. Ihr war offenbar klar geworden, wie das ganze klang. „Aber ja, ich mein, ich hätte ihr einige Male echt gern den Hals umgedreht, wenn Sie verstehen.“
    „Ja …“ Kyra unterdrückte nur schwer ein Seufzen. „Würde Ihnen denn jemand einfallen, der auf so ein Verlangen hin handeln würde?“
    „Ne“, meinte Lilly nur und sah zu ihrer Schwester.
    Diese fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass es jemand aus dem Verein war. Eher … Keine Ahnung, vielleicht ein Freund oder sowas?“
    Kyra nickte. Dann zögerte sie. „Nur der Vollständigkeit halber: Wo waren Sie letzte Nacht?“
    „Zu Hause“, antwortete Alexa.
    „Beide“, fügte Lilly hinzu.
    „Wir können es gegenseitig bestätigen“, stimmte Alexa zu.
    Noch einmal nickte Kyra und notierte sich das. Dann seufzte sie. „Darf ich dann nur fürs Protokoll ihre Ausweise sehen?“
    Wenn es stimmte, was die Schwestern sagten, konnte das noch heiter werden. Sie beneidete die Polizisten nicht, denn wenn die beiden Recht behielten, gab es mehr als eine Person mit einem Motiv – die beiden eingeschlossen.

  • Teamgeist, so so. Wenns leicht ironisch ist, sprichts mich immer an.
    Dem Titel nach wird es wohl auch einer von der Mannschaft sein.
    Die Schwestern fallen jetzt schon auf, mit ihrer sehr direkten Art.
    Entweder stechen sie damit heraus, oder die Tote war wirklich so schlimm, dass das noch das netteste ist, was man über sie sagen konnte.
    Deshalb bin ich darauf gespannt, wie die Anderen mit der Situation umgehen.

  • Hallo Alaiya (:


    Ich schau auch mal wieder vorbei nachdem ich die Fanfiction bestehend aus Drabbeln entdeckt hab! Tolles Konzept, ich selbst hab das vor Jahren auch mal gemacht und hatte viel Spaß dabei. Spirited Away ist wirklich ein herrlicher Film, obwohl ich ihn beim ersten Mal sehen nicht verstanden hab, war ich gleich eingenommen von der Atmosphäre und der visuellen Präsentation. Und jetzt schau ich ihn mir immer wieder gerne an. Deshalb bin ich auch schon ganz gespannt auf deine Drabbles! :3


    Zeit
    Du hast es wirklich geschafft den Stil des Filmes hier einzufangen, das hat mir sehr gefallen! Anfangs hatte ich ja noch gedacht, dass es nur um Chihiro gehen wird, nachdem du mit ihr angefangen hast, aber dann hast du praktisch jedes Drabble zu einer kurzen Szene gemacht, die andere Charaktere zeigt. Sah ich also wie Schnitte in einem Film, Szenenwechsel, die sich sehr wenig durch Dialoge auszeichnen, sondern mehr durch das Visuelle.
    Rin ist ja irgendwie so ein Charakter, der anfangs etwas unsympathisch ist, aber später sehr sympathisch wird, deshalb würd ich mich sehr für sie freuen, wenn sie ihren Namen wiederfindet und woanders neu anfangen kann. Dass Kamaji dafür wenig Verständnis hat, kann ich verstehen, ich denk, er ist mit seinem Job doch ganz zufrieden — auch wenn er sich darüber beschweren mag.
    Yubaba war ja von Anfang an die böse Hexe, der man nicht wirklich angesehen hat, dass sie sich durchaus um das Badehaus passioniert kümmert. Auch Boh ist so ein komischer Charakter, dessen Charakterentwicklung ich im Film aber sehr mochte. Verwöhnte Kinder sind ja allgemein keine freundlichen Zeitgenossen. Wie Yubaba sich um Boh kümmert wird aber auch in diesem kleinen Text sehr deutlich, sie hat ihn wirklich sehr lieb.
    Der Sprung beim vierten Drabble zurück zu Chihiro war sehr passend und hat wieder die Hauptperson in den Vordergrund gerückt. War also ein schöner Szenenwechsel an der Stelle, aber auch ein passender Rückblick auf ihre ersten Eindrücke des Tunnels. Wie man eben so zurückdenkt und feststellt, wie eine Sache plötzlich anders auf einen wirkt als beim ersten Mal.
    No-face hab ich erstmal nicht erkannt, vermutlich weil ich seinen japanischen Namen Kaonashi einfach nicht kannte. Das war ja auch so ein überraschender Charakter im Film, es hat mich aber am Ende sehr gefreut, dass er bei Yubabas Schwester — ach ja, Namen, ich weiß grad gar nicht wie sie heißt — geblieben ist. Ich denk, das hat ihm ganz gut getan und man merkt es hier ja auch. Schönes Detail ist natürlich die einbeinige Lampe, ich mag die irgendwie. (:
    Von all den Charakteren fehlt aber natürlich noch einer: Haku oder besser gesagt Kohaku. Er kann einem wirklich leid tun, so ganz heimatlos, nachdem man seinen Fluss derartig umgeleitet und die Umgebung zerstört hat. Hier hast du sehr subtil die Botschaft aus dem Film eingebaut, wo ich selbst der Umweltverschmutzung erst so richtig gewahr wurde, als Chihiro ein Fahrrad und allerlei anderen Unrat aus dem Flussgott im Badehaus gezogen hat. Dass Kohaku auf Chihiro wartet ist verständlich und gerade da hab ich gehofft, dass sie sich auch treffen.
    Und tatsächlich! Im letzten Drabble trifft Chihiro auf Kohaku. Wenn auch eher offscreen, nachdem du wieder vor allem die Stimmung und die Umgebung hier eingefangen hast. Die Fragen, die Chihiro durch den Kopf gehen sind nur nachvollziehbar und ich hab ein richtig schönes Gefühl bekommen, als sie am Ende Kohaku sagt!


    Alles in allem also eine sehr, sehr schöne kleine Drabble-Fanfiction. :3 Schön zu lesen. Und auch sehr schön anzusehen, ich mag die Hintergrundfarben der Titel und den Farbverlauf. Ist ein schönes, simples Gestaltungselement.
    Das einzige, was mich etwas verwirrt hat, war die Sache mit dem Zug zu Beginn. Irgendwie klang es für mich so, als würde der Zug Chihiro zu dem Tunnel bringen, dabei brachte der Zug sie doch nur zu Yubabas Schwester. Der Tunnel war ja mit dem Auto zu erreichen und afaik war das neue Haus von Chihiro von diesem Tunnel gar nicht so weit entfernt. Oder meine Erinnerung spielt mir gerade einen Streich, das kann auch gut sein.
    Anyway, ich hatte viel Spaß beim Lesen! Jetzt muss ich den Film demnächst unbedingt mal wieder sehen.