Die Theorie des Erzählens
ist eine der grundlegenden Disziplinen der Literaturwissenschaft, an denen bis heute geforscht wird. Das bedeutet, dass es zwar festgestellte Regelmäßigkeiten beim Vorgang des ‹Erzählens› gibt, wie der Name ‹Theorie› aber bereits andeutet, handelt es sich keineswegs um Gesetzmäßigkeiten. Die folgende Auflistung stellt daher lediglich Kategorien dar, nach denen das Erzählen strukturiert und analysiert werden kann.
Überblick
- Arten des Erzählens ✓
- Das ‹Wie› - die Darstellung des Erzählens [begonnen]
- Zeit [begonnen]
- Modus
- Stimme
- ‹Erzählsituationen‹
- Unzuverlässiges Erzählen
- Das ‹Was› - der Inhalt des Erzählens [ausstehend]
- Handlung
- Erzählte Welt
- Figur
- Raum
- Kontexte des Erzählens [ausstehend]
Zusammengefasst und vereinfacht dargestellt nach Matías Martínez und Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. 10., überarbeitete und aktualisierte Auflage. C.H. Beck: München 1999 (10. Auflage 2016).
1. Arten des Erzählens
‹Erzählen› heißt grundsätzlich, etwas zeitlich Vorausliegendes durch mündliche oder schriftliche Rede zu vergegenwärtigen. Man kann von seinem Tag erzählen, eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen, Unfug erzählen, aber auch literarisch erzählen. Erzählungen unterscheiden sich ganz allgemein durch:
- den Realitätscharakter dessen, das erzählt wird und
- die Situation, in der erzählt wird.
Ist die Erzählung nicht literarisch (/dichterisch/poetisch) intendiert und beruft sich auf reale Ereignisse – etwa einen Arbeitstag oder einen Autounfall – spricht man von faktualem Erzählen. Der Begriff ‹faktual› steht dabei als Gegensatz zum geläufigeren ‹fiktional›, ist aber nicht gleichbedeutend mit ‹wahr›; eine faktuale Geschichte kann auch erfunden sein: etwa eine Lüge oder eine Täuschung, sie ist ‹fingiert›.
Sowohl ‹fiktional› als auch ‹fingiert› beziehen sich auf den ‹fiktiven› Charakter des Erzählten. Fiktiv ist etwas, das nicht ‹real›, also erfunden, ist. Fiktionales Erzählen stellt, anders als eine Lüge, keinen Anspruch darauf, die ‹reale› Wirklichkeit darzustellen, sondern eine erfundene, ‹fiktive› Wirklichkeit. ‹Fiktion› ist nicht wahr, aber auch keine Lüge oder Täuschung. Ein Text kann durch so genannte ‹Fiktionssignale› als Fiktion erkannt werden. Dazu zählen paratextuelle Markierungen wie die Bezeichnung als ‹Roman› oder das Auftreten eines fiktiven ‹Erzählers› im Text. Was der Autor schreibt, meint er so, muss aber nicht seine Meinung wiedergeben, sondern ist die des fiktiven Erzählers. Was er schreibt, ist ‹real›, aber ‹inauthentisch›, also nicht echt. Was der Erzähler sagt, ist ‹authentisch›, aber nicht real, sondern ‹imaginär›. Auf das Verhältnis zwischen Autor und Erzähler wird [später, Link] näher eingegangen.
Daraus ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten des Erzählens, dessen Kategorien im Folgenden aufgezeigt werden sollen.
2. Das ‹Wie› - die Darstellung des Erzählens
Für den Autor ist nicht nur relevant, was er erzählen möchte, vor allem ‹wie› er es erzählt macht aus, ob der Text als gut empfunden wird. Also: die Erzählung des Erzählten.
Zeit
Erzählungen sind durch eine doppelte Zeitperspektive geprägt:
- die erzählte Zeit, also die Zeit der Handlung
- die Erzählzeit, die Zeit, die für das Erzählen bzw. Lesen der geschriebenen Erzählung, benötigt wird und
- deren Verhältnis zueinander.
Drei Fragen tun sich auf, wenn man die zeitlichen Bedingungen in einer Geschichte untersuchen will: In welcher Reihenfolge werden Ereignisse erzählt? Wie lange wird etwas erzählt? Und wie oft wird ein Ereignis erzählt?
Jede Geschichte besitzt eine zeitliche Ordnung. Grundsätzlich muss ein Ereignis nach dem anderen erzählt werden, da sprachliche Äußerungen linear sind und zeitliche Geschehen chronologisch verlaufen. Beim Erzählen kann aber von dieser Chronologie abgewichen werden:
- ‹Analepsen› (höhö, sie hat anal geschrieben), zu deutsch Rückwendungen, erzählen von einem Ereignis, das vor dem zuletzt erzählten geschehen ist.
aufbauende Analepse: Nacherzählung der Hintergründe, die zur aktuellen Situation geführt haben
auflösende Analepse: Lücken im bisherigen Erzählen werden ergänzt, um Unklares klarzustellen oder eine neue Perspektive zu ermöglichen z.B. bei Krimis. - ‹Prolepsen› im Gegensatz dazu sind Vorausdeutungen, die etwas erzählen, das noch in (weiterer) Zukunft liegt.
zukunftsgewisse Prolepse: der Erzähler außerhalb des Geschehens ‹spoilert› etwas oder führt in die Handlung ein, etwa durch ein Vorwort, Kapitelüberschriften oder Buchtitel.
zukunftsungewisse Prolepse: zum Beispiel Träume, Prophezeiungen, von welchen womöglich auf die weitere Handlung geschlossen werden kann.
Beide Formen der ‹Anachronie› sind an die Perspektive des Erzählers und/oder einer Figur gebunden. Analepsen und Prolepsen haben jeweils eine gewisse ‹Reichweite› (zeitliche Entfernung vom aktuellen Geschehen) und einen ‹Umfang› (also die Dauer des zurückliegenden/vorausgedeuteten Geschehens). Sind sie ‹komplett›, sofern Reichweite und Umfang identisch sind, also mit dem aktuellen Geschehen abschließen.
[tbc]
Ich poste das jetzt erstmal als Beispiel und Konzept, damit man sich ein Bild machen kann, wie das aussieht/aussehen kann. Über Feedback wäre ich glücklich, ob eh alles verständlich ist, und natürlich können sich auch Fehler einschleichen. Zur Orientierung: ich bin jetzt bei Seite 40 von etwa 220 des Buches (bisher zwei A4-Seiten), falls jemand einen Eindruck von der Länge haben möchte. Ich gehe davon aus, dass sich die Erstellung des Guides noch einige Wochen/Monate hinzieht. ^^'