Hallo, Eagle,
warum hat deine Geschichte so wenig Leser und Kommentare? Ich bin ziemlich begeistert, sie hat mich in den letzten Tagen gut unterhalten und vor allem neugierig gemacht, wie es denn nun weiter geht. Einen Spannungsbogen aufbauen kannst du. Es sind zwar immer wieder Hinweise eingestreut und Elemente eingeführt, die erst später wichtig werden (prominent etwa Lucarios Vergangenheit), aber vorhersehbar fand ich die Handlung fast nie. Außer vielleicht, was das Verhalten des Bürgermeisters angeht, aber selbst das ist eigentlich als Stilmittel anzusehen.
Die Verschmelzung eines Western und Krimis mit dem Pokémon-Universum ist ziemlich originell und scheint dir mühelos zu gelingen. Die typischen Elemente eines Western (ein Sheriff mit Stern, Postkutschen, der Saloon, die Siedler als Außenseiter, sogar der Ladenbesitzer) sind alle vorhanden und versuchen erst gar nicht, die Referenz zu verstecken. Dennoch fügt sich die Pokémon-Schablone, die darüber gelegt wird, wunderbar ein, so dass sie sich keineswegs wie eine Schablone anfühlt. Mir ist aufgefallen, dass ich jede Besetzung eines Pokémon zu seiner Rolle wirklich passend fand. Es war eigentlich nur Kukmarda, das mir als schmieriger, aufgeblasener Bürgermeister nicht ganz in den Kopf wollte. aber vielleicht hat sich seine Rolle als schreckhafter Vizeschuldirektor in Pokémon Super Mystery Dungeon zu sehr festgesetzt. Womit ich auch schon beim nächsten Punkt wäre, die Einfügung in das Mystery Dungeon-Universum klappt gut und erscheint logisch, auch wenn du nur lose darauf aufbaust und deine eigene Stadt kreierst. Die Metaphern und Ortsbeschreibung sind wirklich sehr ausschweifend und pathetisch. Beim Lesen war es mir manchmal etwas zu viel, andererseits greifst du auch damit ein Spezifikum vieler Westernromane auf. In die gleiche Kerbe schlägt wohl, dass Lucario schnell zu Drohungen und Gewalt neigt und Rutena ziemlich schamlos erscheint. Viele Pokémon im Laufe der Handlung bleiben ungenannt und werden nur als Männer, Frauen und Kinder beschrieben, sogar handlungsrelevante wie Igamaros Mutter. Die Stärke, die damit erreicht wird, ist, dass nicht zu viel erklärt wird und der Fokus auf dem Wesentlichen liegt, auch wenn meine begrenzte Phantasie noch daran scheitert, sich eine Straße voller Pokémon vorzustellen.
Mir war tatsächlich im Laufe der Erzählung aufgefallen, dass, bis auf Tauros und Keldeo, nur von zweibeinigen Pokémon die Rede war. Darum bin ich beeindruckt, dass dieser Umstand in Kapitel 18 aufnommen und erklärt wird. Es scheint, die Vierbeiner waren bis vor nicht allzu langer Zeit niedriger gestellt oder sogar Besitz ("Brandzeichen") und werden immer noch diskriminiert. Natürlich schließt sich hier der Kreis zu den Afroamerikanern, doch ist das Thema so subtil eingebracht, dass es überhaupt nicht aufgesetzt wirkt. Ich weiß nicht mal, ob es diese Erklärung gebraucht hätte, aber dass es sie gibt, spricht für das Worldbuilding.
Kurz noch ein paar Worte zum aktuellsten Kapitel: Der plötzliche Settings- und Akteurswechsel ist natürlich mit ein paar Risiken verbunden, durch die vielen bereits vorher angeteasten Elemente, und sei es nur die Parole der Schwarzen Kralle, finde ich mich aber gut zurecht. Der Konflikt zwischen den Gilden klingt nachvollziehbar, und mal wieder ist keine der Figuren unschuldig oder gar sympathisch. Was mich tatsächlich ein wenig stört, ist die letztendliche Auflösung von Lucarios Vergangenheitstrauma. Wir wissen nun, dass er unwissend den Feuerball des in Panik geratenen Liberlo in Notwehr und instinktiv zur Seite geleitet hat, wo unglücklicherweise das mitgebrachte Schwarzpulver stand und eine Explosion ausgelöst hat. Die Schilderung des Ausgangs ist wirklich tragisch, aber die geringe, wissentliche Beteiligung Lucarios empfand ich als etwas enttäuschend im Hinblick auf die Konsequenzen, die er daraus gezogen hat. Mir ist schon klar, dass Entscheidungen in Trauersituationen selten rational getroffen werden, aber wie wäre es hiermit gewesen: Fuegro und Lucario werden von ihren beiden Auftraggebern und durch ihre Berufsehre aufeinander gehetzt, kämpfen miteinander und Lucario löst dabei, entweder aus Versehen oder als letzten Ausweg, um seinen Gegner doch noch zu besiegen (inklusive eines "Ich muss meinen Auftrag vollenden"-Mono- beziehungsweise Dialogs) die Explosion aus und wirft sich anschließend vor, nur für die Erfüllung seines Auftrags ohne nachzudenken eine solche Katastrophe ausgelöst zu haben. Natürlich müsste man das ausformulieren, aber der Gedanke klingt für mich erst mal stimmiger als die Variante mit der Notwehr.
So langsam scheint sich die Erzählung dem Ende anzunähern, aber ich bleibe gespannt. Habe ich eigentlich erwähnt, dass die Kapitel für meinen Geschmack genau die richtige Länge hatten? In diesem Sinne, bis zum nächsten.