[Kurzgeschichte] Alte Sünden [abgeschlossen]

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  • Hallo, Eagle,

    warum hat deine Geschichte so wenig Leser und Kommentare? Ich bin ziemlich begeistert, sie hat mich in den letzten Tagen gut unterhalten und vor allem neugierig gemacht, wie es denn nun weiter geht. Einen Spannungsbogen aufbauen kannst du. Es sind zwar immer wieder Hinweise eingestreut und Elemente eingeführt, die erst später wichtig werden (prominent etwa Lucarios Vergangenheit), aber vorhersehbar fand ich die Handlung fast nie. Außer vielleicht, was das Verhalten des Bürgermeisters angeht, aber selbst das ist eigentlich als Stilmittel anzusehen.


    Die Verschmelzung eines Western und Krimis mit dem Pokémon-Universum ist ziemlich originell und scheint dir mühelos zu gelingen. Die typischen Elemente eines Western (ein Sheriff mit Stern, Postkutschen, der Saloon, die Siedler als Außenseiter, sogar der Ladenbesitzer) sind alle vorhanden und versuchen erst gar nicht, die Referenz zu verstecken. Dennoch fügt sich die Pokémon-Schablone, die darüber gelegt wird, wunderbar ein, so dass sie sich keineswegs wie eine Schablone anfühlt. Mir ist aufgefallen, dass ich jede Besetzung eines Pokémon zu seiner Rolle wirklich passend fand. Es war eigentlich nur Kukmarda, das mir als schmieriger, aufgeblasener Bürgermeister nicht ganz in den Kopf wollte. aber vielleicht hat sich seine Rolle als schreckhafter Vizeschuldirektor in Pokémon Super Mystery Dungeon zu sehr festgesetzt. Womit ich auch schon beim nächsten Punkt wäre, die Einfügung in das Mystery Dungeon-Universum klappt gut und erscheint logisch, auch wenn du nur lose darauf aufbaust und deine eigene Stadt kreierst. Die Metaphern und Ortsbeschreibung sind wirklich sehr ausschweifend und pathetisch. Beim Lesen war es mir manchmal etwas zu viel, andererseits greifst du auch damit ein Spezifikum vieler Westernromane auf. In die gleiche Kerbe schlägt wohl, dass Lucario schnell zu Drohungen und Gewalt neigt und Rutena ziemlich schamlos erscheint. Viele Pokémon im Laufe der Handlung bleiben ungenannt und werden nur als Männer, Frauen und Kinder beschrieben, sogar handlungsrelevante wie Igamaros Mutter. Die Stärke, die damit erreicht wird, ist, dass nicht zu viel erklärt wird und der Fokus auf dem Wesentlichen liegt, auch wenn meine begrenzte Phantasie noch daran scheitert, sich eine Straße voller Pokémon vorzustellen.


    Mir war tatsächlich im Laufe der Erzählung aufgefallen, dass, bis auf Tauros und Keldeo, nur von zweibeinigen Pokémon die Rede war. Darum bin ich beeindruckt, dass dieser Umstand in Kapitel 18 aufnommen und erklärt wird. Es scheint, die Vierbeiner waren bis vor nicht allzu langer Zeit niedriger gestellt oder sogar Besitz ("Brandzeichen") und werden immer noch diskriminiert. Natürlich schließt sich hier der Kreis zu den Afroamerikanern, doch ist das Thema so subtil eingebracht, dass es überhaupt nicht aufgesetzt wirkt. Ich weiß nicht mal, ob es diese Erklärung gebraucht hätte, aber dass es sie gibt, spricht für das Worldbuilding.


    Kurz noch ein paar Worte zum aktuellsten Kapitel: Der plötzliche Settings- und Akteurswechsel ist natürlich mit ein paar Risiken verbunden, durch die vielen bereits vorher angeteasten Elemente, und sei es nur die Parole der Schwarzen Kralle, finde ich mich aber gut zurecht. Der Konflikt zwischen den Gilden klingt nachvollziehbar, und mal wieder ist keine der Figuren unschuldig oder gar sympathisch. Was mich tatsächlich ein wenig stört, ist die letztendliche Auflösung von Lucarios Vergangenheitstrauma. Wir wissen nun, dass er unwissend den Feuerball des in Panik geratenen Liberlo in Notwehr und instinktiv zur Seite geleitet hat, wo unglücklicherweise das mitgebrachte Schwarzpulver stand und eine Explosion ausgelöst hat. Die Schilderung des Ausgangs ist wirklich tragisch, aber die geringe, wissentliche Beteiligung Lucarios empfand ich als etwas enttäuschend im Hinblick auf die Konsequenzen, die er daraus gezogen hat. Mir ist schon klar, dass Entscheidungen in Trauersituationen selten rational getroffen werden, aber wie wäre es hiermit gewesen: Fuegro und Lucario werden von ihren beiden Auftraggebern und durch ihre Berufsehre aufeinander gehetzt, kämpfen miteinander und Lucario löst dabei, entweder aus Versehen oder als letzten Ausweg, um seinen Gegner doch noch zu besiegen (inklusive eines "Ich muss meinen Auftrag vollenden"-Mono- beziehungsweise Dialogs) die Explosion aus und wirft sich anschließend vor, nur für die Erfüllung seines Auftrags ohne nachzudenken eine solche Katastrophe ausgelöst zu haben. Natürlich müsste man das ausformulieren, aber der Gedanke klingt für mich erst mal stimmiger als die Variante mit der Notwehr.


    So langsam scheint sich die Erzählung dem Ende anzunähern, aber ich bleibe gespannt. Habe ich eigentlich erwähnt, dass die Kapitel für meinen Geschmack genau die richtige Länge hatten? In diesem Sinne, bis zum nächsten.

    Und plötzlich schien ein neuer Kontinent

    am Horizont, wir sind noch lange nicht am End’!
    _________________________________________________- Flocon

    Vielen Dank an Evoluna für diesen wunderbaren Avatar ^-^

  • 19. Sühne


    »Schaff das Kind hier raus!«

    Das Geschehen in den Kellerräumen des Saloons überschlug sich in Sekundenschnelle. Alle Anwesenden waren wieder auf den Beinen. Im hinteren Bereich des Raumes, dort, wo die drei durch die Wucht der Explosion umgestoßenen und ausgehöhlten Destillierapparate lichterloh in Flammen standen, fochten Z und Rameidon ihren Kampf aus. Der Glücksspieler hatte die Fänge aus seinen Tatzen ausgefahren. Was er einst als ein Werkzeug genutzt hatte, um Äpfel zu schälen, war zu einer messerscharfen, verheerenden Waffe geworden. Wann immer Rameidon in die Nähe des Glücksspielers kam, stießen die hellbläulich leuchtenden Krallen klirrend mit der wilden Ansammlung spitzer Kopfhörner zusammen wie zwei Klingen, die gekreuzt wurden.

    Am anderen Ende des Zimmers waren die Enden von Lucario Armen und Beinen in einem Feuer aus tiefster blauer Farbe gehüllt. Ihm stand Galagladi entgegen, dessen Armklingen in ein purpurfarbenes Licht getaucht waren. Auf der Suche nach einer Lücke in der Verteidigung tänzelten sie halbkreisförmig um den anderen. Einer von Lucarios so schnellen wie unbarmherzigen Hieben teilte die Rauchschwaden in der Luft und ließ eine bläulich glitzernde Schneise zurück. Als der Angriff mit einem klirrenden Geräusch auf Galagladi Armklinge niederschmetterte und aufeinander schleiften wie glühendes Metall, stoben blassblaue Funken in alle Himmelsrichtungen, die auf die beiden Kontrahenten einstachen wie ein wütender Bienenschwarm und – im Fall von Lucario – kleine Glutnester auf dessen Mantel brannten. Mit malmenden Kiefern presste Lucario sich gegen die Verteidigung seines Gegners. Als Galagladis andere freie Armklinge mit einer Aufwärtsbewegung heranraste, machte der Gesetzeshüter einen Satz zurück und antwortete sofort mit einem schwungvollen, kreisförmigen Tritt in Richtung Galagladis Schläfe. Mit ausdrucksloser Miene parierte dieser den Angriff mit dem rechten Arm, drückte Lucario von sich weg, der daraufhin das Gleichgewicht verlor und zurücktaumelte. Hastig stemmte Lucario das ganze Körpergewicht in sein Standbein und fand gerade noch rechtzeitig die Balance, um unter einer weiteren purpurfarbenen Armklinge hinwegzuducken. Im gleichen Moment rammte er mit vollem Körpereinsatz und einem wütenden Schrei die linke Schulter in Galagladis entblößte Hüfte, schob ihn vor sich hin, bis sie gemeinsam gegen ein dahinterliegendes Regal krachten. Durch wie Wucht des Aufpralls wurden Gläser und Flaschen aus ihren Halterungen gerissen, die sich auf die beiden Beteiligten ergossen wie eine Glaslawine.

    Während er den benommenen Galagladi mit einem zermürbenden Haltegriff an Ort und Stelle festnagelte, folgte Lucario mit einem raschen Schulterblick einem Geräusch hinter seinem Rücken. Gerade noch so bekam er Rutenas buschigen Schwanz zu Gesicht, der auch sogleich in dem geheimen Tunnel verschwand. Als sich Lucario wieder dem dem Geschehen vor ihm zuwandte, betrachtete er ungläubig das leere Regal vor ihm. Galagladi war verschwunden.

    Der Moment der Unachtsamkeit, als Lucario den Druck von seinem Haltegriff ein wenig lockerte, wurde mit einem jähen, stumpfen Schmerz in seiner Magengegend bestraft, der an einen Tritt mit ausgestrecktem Knie erinnerte. Atemringend taumelte er zurück, stolperte fast über einige herumliegende Flaschen. Durch immer dichter werdenden Qualm und gerötete Augen zuckte aus dem Nichts eine purpurfarbene Halbmondsichel heran. Lucario riss die rechte Faust instinktiv nach oben, wo er den Angriff nur weniger fingerbreit vor dem eigenen Gesicht parierte. Ein heftiger Seitentritt nach vorne in Richtung seines unsichtbaren Angreifers wurde sogleich mit einem unerwarteten Widerstand und einem lauten Ächzen beantwortet. Lucario hatte getroffen - dieses Mal.

    »Tarnung, hm?«, grunzte Luario zwischen zusammengepressten Zähnen, als sich vor ihm erneut zwei purpurfarbene Klingen aus der Luft schälten. Bewunderung und Panik schwangen in seiner Stimme. Damit hatte er nicht gerechnet.

    Dort, wo das Feuer am zerstörerischsten wütete und seinen Kreis immer enger schloss, schenkten sich Z und Rameidon weiterhin nichts. An der rechten Schulter des Glücksspielers, hinter einer Bresche in dem sonnengelben Fell, klaffte eine frische Schnittwunde, aus der ein feines Rinnsal Blut quoll. Kratzspuren an Rameidons Wangen zeugten davon, dass auch Z einige Treffer gelandet hatte. Mit dem Feuer im Rücken hatte es Z schwerer, die Hörnern seines Gegners zu parieren oder ihnen auszuweichen. Als Rameidon um die eigene Achse wirbelte, um Z mit einem Schlag seines Schwanzes von den Beinen zu fegen, ruderte Z wild mit dem Armen, um nach einem rettenden Sprung gerade noch so das Gleichgewicht zu finden.

    »Als Ablenkung bist du nicht zu gebrauchen, und sterben kannst du auch nicht. Was kannst du überhaupt?«, höhnte Rameidon.

    Zs offene Handfläche zuckte nach vorne. Ein kleines, zylinderförmiges, hellblau leuchtendes Projektil löste sich daraus und schlug mit einem lauten Knall auf Rameidons entblößte Brust ein. Der Glücksspieler quittierte seinen strauchelnden Gegner, der ihn nun mit fletschenden Zähnen ansah, breit grinsend.

    »Man sagt mir nach, ich sei ziemlich gut darin, den Leuten auf die Nerven zu gehen. Ungerechtfertigt, wie ich finde. Aber an jeder Geschichte steckt eben doch ein Körnchen Wahrheit.«

    Rameidon stemmte seinen dicken Schädel in den kurzen Nacken, gefolgt von einem wütenden Aufschrei, der dem Geheul einer entfesselten Bestie ähnelte und den Raum regelrecht beben ließ. Wie Peitschenschläge prasselten derweil weitere Entladungen auf den Poststellenbetreiber ein. Rameidon aber streckte dem Angreifer nun seine stark gepanzerte Schulter entgegen und zeigte keine Anzeichen von Schmerzen, bevor er aus kurzer Distanz wieder mit seinen Hörnern ausholte. Instinktiv packte Z zu. Während sich der Glücksspieler mit ganzer Kraft gegen die überwältigende Gewalt vor ihm stemmte, lenkte er einen unablässigen Stromfluss in den Schädel seines Widersachers. Bereits als ein stark nach Schwefel riechender Qualm sich mit der rußigen Luft vermengte, riss Rameidon den Kopf erst in die eine und dann ruckartig in die andere Richtung.

    Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erhaschte Lucario einen letzten kurzen Moment, wie ein großes, gelbes Fellbündel schreiend durch die Luft flog und nur unweit seiner Position auf allen vieren und mit ausgefahrenen Klauen landete. Der Glücksspieler sah hinauf; in seinen Augen dieselbe Überraschung wie in dem Gesicht, in das er blickte.

    »Probleme?«, fragte Lucario beiläufig und half Z wieder auf die Beine. Beide standen jetzt Rücken an Rücken. »Nicht dein typisches Umfeld, was?«, bemerkte Lucario über die Schulter hinweg.

    Z quittierte die Bemerkung mit einem Lächeln.

    »Ich war schon in angenehmerer Gesellschaft, das ist wahr. Aber die Unterhaltung hier ist mit keiner Show auf dem Kontinent aufzuwiegen. So etwas wollte ich um kein Geld der Welt verpassen.«

    Unter Lucarios schwere Atemzüge mischte sich ein amüsierter, wenn auch nur kurzer Gluckser. Seine Augen waren gerötet und tränten vom immer intensiver werdenden Qualm in der Luft. Er erkannte die Lüge in der Stimme des Glücksspielers, denn er spürte dessen rasenden Herzschlag durch die eigene Wirbelsäule hämmern. Das Pochen wurde nur übertroffen von Rameidons unheilvolles Stampfen, unter dessen Gewicht er die Asche zu einem feinen Pulver zermahlte. Der Poststellenbetreiber hatte die kurze Distanz zu den beiden fast zurückgelegt und stieß bei deren Anblick einen zornigen Aufschrei aus.

    »Macht dir doch nichts aus, wenn ich einen alten Freund mitbringe, oder?«, scherzte Z. »Wo haben Sie eigentlich Ihren Spielgefährten gelassen, Constable?«

    »Unsichtbar«, knurrte Lucario. Er nickte in seine Blickrichtung, wo sich bereits wieder die purpurfarbenen Armklingen aus dem Rauch schälten. Er parierte den Angriff und stieß den Unsichtbaren mit aller Kraft von sich. Zu seiner Verwunderung aber schnalzte Z missbilligend mit der Zunge.

    Mit einem tiefen Seufzen, das an einen genervten Elternteil erinnerte, der seinen Nachwuchs zum wiederholten Mal ermahnte, antwortete Z: »Und das bereitet Ihnen Kopfzerbrechen? Wirklich?« Er hob eine der herumliegenden Flaschen auf und schnellte hinter Lucario hervor. Dann schleuderte er die Flasche dem Angreifer entgegen. Eine Armklinge manifestierte sich aus dem Qual. Glas splitterte, als die Waffe wie ein heißes Messer durch Butter hindurch glitt. Dort, wo eigentlich der Inhalt der Flasche eine Lache aus Alkohol auf dem Boden hätte bilden müssen, schwebte nun ein geisterhafter Fleck in der Luft. Die bordeauxfarbene Flüssigkeit tränkte Galagladis bislang unsichtbaren Oberkörper und rann langsam in Richtung seiner Beine. Lucario wusste, warum die Bewegungen seines Feindes plötzlich erlahmten: Das Blatt hatte sich zu ihren Gunsten gewendet.

    Z schnitt dem Sheriff eine Grimasse.

    »War das jetzt so schwer?« Anschließend baute er sich vor Galagladi auf und fuhr die Krallen aus den Tatzen. »Ich übernehme den Wunderknaben - mir war eh gerade langweilig. Das Schwergewicht überlasse ich Ihnen, Constable.«

    Lucario bekam gar keine Zeit, zu widersprechen. So wie Z seine Seite verlassen hatte, donnerte Rameidon den Namen des Sheriffs.

    Lucario duckte sich beim Klang seines Namens seitlich zu den heranrasenden Hörnern hinweg und stieß Rameidon mit einem Wutschrei seine geballte Faust in die entblößte Magengegend. Der dumpfe Aufprall klang, als hätte Lucario soeben auf eine blanke Ziegelwand eingedroschen, und auch das Gefühl in seiner Faust, als ob er sich gerade sämtliche Fingerknöchel gebrochen hätte, erinnerte schmerzhaft an diese Erfahrung. Rameidon dagegen zuckte nicht einmal mit einer Wimper, sondern holte mit einer kreiselnden Bewegung seines Schwanzes aus. Dieses Mal sprang Lucario über den Angriff hinweg. Noch in der Luft sah er im Rücken seines Feindes eine Öffnung in dessen Verteidigung. Einmal links, einmal rechts stieß er die zu Vogelklauen geformten Finger nach vorne. Jede Bewegung gebar eine apfelsinengroße Kugel - der Kern pechschwarz wie die finsterste Nacht, die Korona ein dunkelvioletter Flammenkranz. Bei Kontakt mit dem ungedeckten Rücken explodierten die Angriffe in einem nachtfarbenen Feuer. Der Poststellenbetreiber zuckte sichtbar zusammen und stolperte laut ächzend von einem auf das andere Bein. Doch nur Sekunden, nachdem Lucario wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rasten die Hörner seines Gegners erneut heran. Lucario schnellte nach hinten und setzte zu weiteren Energiekugelangriffen an. Statt aber seinem Feind ins Straucheln zu bringen, verpufften die Projektile wirkungslos an dessen stark gepanzerten Schulter. Zu spät duckte sich Lucario zur Seite hinweg, so dass die Schulterhörner des Hünen durch den Sheriffmantel hindurch eine zentimeterlange Furche in die Schulter rissen.

    Mit einem Schmerzensschrei und blutgetränkter Wunde ging Lucario zu Boden. Ächzend versuchte er, sich wieder aufzurichten, und blickte dabei in Rameidons hasserfüllte Fratze. Der Poststellenbetreiber verlagerte sein Gewicht auf beide Beine und setzte zu einem sowohl niedrigen als auch kurzen Sprung an. Glassplitter gruben sich in Lucarios Brust und Rücken, als er sich mit einer Seitwärtsrolle gerade noch in Sicherheit brachte, bevor neben ihm Rameidon wie ein Kanonenschlag auf den Boden krachte. Lucario begann, vor Schmerzen laut aufzuheulen, während er die gröbsten Scherben aus den frischen Wunden herauszog. Er fühlte die Atemlosigkeit in seiner Lunge brennen so wie die Flammen, die an seinem Fell leckten. Schwere Schritte hämmerten in seinem Trommelfell. Über ihm tauchte Rameidons zähnefletschendes Grinsen auf. Wie ein Richter und Henker vom hohen Stuhl thronte er über ihm, kurz davor, das Todesurteil über ihn zu fällen.

    »So ist es richtig. Auf dem Boden sollst du kriechen. Der ist Dreck gewöhnt,« spottete der Poststellenbetreiber.

    Noch bevor Lucario sich aufrichten konnte, riss Rameidon ihn am Kragen in die Höhe. Eine Kopfnuss traf Lucario so hart, dass er sofort auf die Knie zusammensackte und die Umgebung um ihn herum wild zu drehen begann.

    »Jetzt darfst du sterben.«

    Etwas donnerte in Lucarios Ohren. Doch war es nicht die Welt, die um ihn herum zusammenbrach, sondern ein Feuerball, der auf Rameidons Rücken einschlug. Der Sheriff blinzelte und erkannte hinter Rameidon eine Gestalt im sonnengelben Pelzkleid, deren rote, zu Schlitzen verengte Augen brannten wie das Feuer der Hölle.

    Ein Flüstern huschte über Lucarios Lippen, nicht mehr als ein Stammeln: »Rutena?« Und auch Rameidon, der ihm nun den Rücken zugewandt hatte, nannte die Saloonbetreiberin beim Namen, er aber schrie aus voller Kehle. Lucario nutzte die Ablenkung und trat mit ganzer Kraft gegen Rameidons Wadenbein. Während der Getroffene würgend in die Knie ging, rappelte sich Lucario wieder auf. Auch Rameidon war wieder auf den Beinen und wirbelte herum. Doch da holte der Gesetzeshüter bereits zu einem rücksichtslosen Kinnhaken aus, der Rameidons Kiefer mit einem hässlichen Knirschen zermalmte, gefolgt von einem mächtigen Seitentritt gegen die Schläfe seines Feindes. Rameidons Schmerzensschrei mündete in ein heißeres Gurgeln, bevor er rücklings auf den Boden schmetterte. Im selben Moment erreichte Rutena Lucario.

    »Der Kleine?«, keuchte Lucario.

    »In Sicherheit.« Tränen glitzerten in Rutenas Augen, die Stimme klang heißer. Doch lächelte sie. Zaghaft. Beim Anblick ihrer blutbefleckten Pfote, als sie Lucarios Schulter streichelte und diese instinktiv zusammenzuckte, bröckelte ihr Lächeln. »Das tut mir leid! Tut es sehr weh?«

    »Flauscheöhrchen hat recht. Was haben Sie nur getrieben, Constable? Sie sehen furchtbar aus.«

    Auch Z war nun an seiner Seite aufgetaucht. Obwohl ihm ganze Haarbüschel an Schulter, Brust und Armen fehlten und eine frische Wunde seine rechte Wange zierte, grinste er. In seine Tatze hielt eine volle, noch verschlossene Flasche Schnaps.

    Lucario musterte die beiden ungläubig. Er interpretierte Galagladis Abwesenheit, dass der Glücksspieler ihn aus dem Weg geräumt haben musste. Rauchschwaden und der süße Duft in der kochend-heißen Luft vernebelten ihm die restlichen Sinne. Erst ein hässliches Knarzen über ihm ließ ihn aufschrecken wie aus einem wilden Traum. Die Decke würde jeden Moment einbrechen.

    »Kaffeekränzchen, oder was? Raus hier!«


    Stück für Stück schlossen die Flammen die verbliebenen Lücken im Keller des Fröhlichen Fuchses. Auf den Weg ins Freie durch den Geheimtunnel drehte sich Lucario ein letztes Mal um. In die unheimliche Stille mischten sich die entfernten Schreie zweier sterbenden Männer.

    »Wo ihr hingeht, kommt kein Postbote mehr hin«, murmelte Lucario und stieg die Treppenstufen zum Postamt hinauf.

  • Hallo,


    in diesem Kapitel zeigt sich wieder einmal eindrucksvoll, wie gut du Kämpfe beschreiben kannst. Die Faust- und Kopfstoßwechsel sind sehr kreativ gestaltet und die Unterhaltung zwischen Lucario und Z hat nicht nur einmal für ein Schmunzeln gesorgt. Obwohl ich es schade finde, dass die Begegnung mit Galagladi zum Schluss hin gar nicht mehr behandelt wurde und er auf einmal besiegt war, hätte die Begegnung in dem Inferno wohl kein passenderes Ende nehmen können. Rutenas Auftauchen war doch überraschend und Z zeigt mit der vollen Flasche Schnaps erneut seine lockere Art. In jedem Fall eine gute Unterhaltung.


    Wir lesen uns!

  • 20. Epilog: Was übrig bleibt


    Ein altersschwacher Ableger des Wendigos verirrte sich in Rhinos Hauptstraße. Von dem ungewöhnlich geschäftigen Nachtleben inspiriert, steigerte der Westwind sich in einen Zustand rauschhafter Trance hinauf, der an seine jungen, wilden Tage erinnerte. Plötzlich steckte wieder die verlorengeglaubte Kraft in seinen Böen. In schelmischer Manier blies er den über dem Fröhlichen Fuchs aufsteigenden Qualm Rhinos aufgebrachten Bürgern in die Augen und riss einer den Tränen nahen älteren Frau die weiße Schlafhaube vom Kopf. Als mit einem lauten Knall ein Fenster platzte, fand der Wendigo großen Gefallen darin, die aus der Öffnung schlagenden Flammen zum Tanz aufzufordern. Erst als das hitzige Techtelmechtel von dem kalten Wasser aus der einzigen Feuerspritze in Rhino und einer Eimerkette rüde unterbrochen wurde, blähten sich die Backen des Westwinds in Verdruss und er antwortete mit einer Mischung aus Qualm und Wüstensand in den Augen der Störenfriede.

    Aus dem benachbarten Postamt, das bislang noch von den Flammen verschont blieb, stolperten derweil Rhinos Sheriff, die Inhaberin des Saloons und ein stadtbekannter Glücksspieler auf die Straße.

    »Verdammt an der Zeit!«, kommentierte ein älterer Mitbürger das Erscheinen des Gesetzeshüters. Ob er sich geprügelt habe, fragte eine Frau mit kritischem Blick auf das blutverschmierte Fell und die Schnittwunden. Selbst aus dieser großen Entfernung, war die Hitze der Flammen deutlich zu spüren.

    »Sheriff?« Ein junger Mann trat aus der versammelten Menge hervor. »Der Mayor hat bereits nach Ihnen gesucht. Klang alles andere als gut gelaunt. Muss hier eigentlich noch irgendwo sein …«

    »Oh, ich wette, das hat er«, knurrte Lucario. Der Sheriff aber machte keine Anstalten, nach dem Bürgermeister Ausschau zu halten. Stattdessen wandte er sich Rutena zu, deren Augen von Sekunde zu Sekunde wässriger wurde. Doch nur Augenblicke später kämpfte sich Rhinos Bürgermeister bereits mit vollem Ellenbogeneinsatz durch die Menge. Die Feindseligkeit stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben.

    »Lucario! Sie …! Ich meine … Was stehen Sie hier rum, Mann! Machen Sie sich gefälligst nützlich!«

    »Ich kann das Feuer schlecht verhaften. Sie dagegen kann ich einlochen, Kukmarda!«

    »Was maßen Sie sich an? Loslassen!«

    Ein Handgemenge brach zwischen Gesetzeshüter und dem Mayor der Stadt aus. Kurzzeitig sah es tatsächlich so aus, als hätte Lucario die Oberhand. Als dann aber die ersten Bürger zwischen die beiden Männer gingen, ließ Lucario notgedrungen von ihm ab.

    »H-haben Sie den Verstand verloren?!« Kukmarda wich zwei Meter von seinem Gegenüber zurück. »Was sollte das? Was gibt Ihnen das Recht dazu?!«

    »Beteiligung an versuchten und ausgeübten Mordes, beispielsweise. Vertuschung. Verschwörung. Entführung. Illegales Schnapsbrennen. Schwarzhandel.« Lucarios Blick verhärtete sich. »Eine ganz schön lange Liste; fast so lang, wie ihr hübscher Hals. Ich hörte, man baumelt außergewöhnlich gut von Ramals Galgen.«

    Unnatürlich nervös rollten Kukmardas Augen in den Höhlen umher. Schneller aber, als es Lucario lieb war, strafften sich die kurzzeitig hängenden Schultern des Bürgermeisters wieder zu üblicher Härte.

    »Wie können Sie es wagen!?« Kukmardas Aufregung ließ seine Nasenlöcher blähen, und sein Schnauben stand dem ausgewachsenen Wendigo in nichts nach. »Wenn hier jemand am Galgen baumeln wird, dann sind Sie das! Für unverschämte Verleumdung! Und für Brandstiftung! Das geht ja wohl auf Ihre Kappe, nicht wahr?!«

    »Es gibt Zeugen, mehrere, dass Sie an einem Schwarzbrennerring beteiligt sind. Unten im Saloon wurde mehrere Monate lang illegal Schnaps gebrannt und über das Postamt aus der Stadt geschmuggelt. Sheriffs wurden auf Ihr Geheiß aus dem Weg geräumt, Zeugen zum Verschwinden gebracht.« Lucario machte einen energischen Schritt auf Kukmarda zu. »Was haben Sie dazu zu sagen, Mayor?« Er spuckte das letzte Wort förmlich aus.

    »Zeugen? Zeugen?!« Kukmardas Stimme steigerte sich immer mehr in ein fanatisches Stakkato. »Welche Zeugen? Dieser dahergelaufene Säufer? Diese flennende Hure?« Er sah die beiden Angesprochenen mit blankem Hass an, doch die vielen verstörten Blicke der Stadtbewohner lasteten schwer auf seinen dünnen Schultern. »Schwache Worte von einem schwachen Mann! Von einem Mann ohne Job! Scheren Sie sich zum Teufel! Raus aus meiner Stadt! Raus!«

    Lucario machte einen weiteren Schritt auf den Mayor zu. Dieses Mal aber hielt Z ihn zurück, der den nun Ex-Sheriff zu sich zur Seite zog.

    »Lassen Sie es gut sein, Constable«, flüsterte er. »Männer wie wir können uns keine Gerechtigkeit leisten. Da kann ich ein Lied von singen, glauben Sie mir. Die werden die Beweise im Keller finden, und der Kleine wird die Geschichte bestätigen. Kindermund tut Wahrheit kund, wie man so schön sagt. Und dann ist da noch ihr werter Deputy, der singen wird wie ein Galgenvogel, wenn man ihn nur genug motiviert.«

    Obwohl der Zorn in Lucarios Magen wie ein Vulkan brodelte, konnte er nicht anders, als den Glücksspieler sowohl für seine unerschütterliche Geduld als auch für dessen Scharfsinn zu bewundern.

    Lucario trat an Rutenas Seite. Schwere Tränen kullernden der Barkeeperin von den Wangen, während sie tatenlos mitansehen musste, wie ihr Hab und Gut von den Flammen ausgeweidet wurde.

    »Tut mir Leid …« Es waren schwache Worte. Doch es waren Worte. Worte, von Mitleid und Anteilnahme, die der ehemalige Sheriff der Stadt nur selten fand. Er wusste um seine Mitschuld, war sich im Klaren, dass die Sache mit einer diskreteren Vorgehensweise auch ganz anders hätte ausgehen können. Doch dafür war es nun zu spät. Zwei Männer waren tot. Und der Fröhliche Fuchs würde nicht mehr zu retten sein, das wusste er schon jetzt.

    Rutena schluckte. Ihre ersten Worte erstickten ihr in der Kehle. Erst nachdem sie heftig den Kopf schüttelte, fand sie eine ungewöhnlich brüchige Stimme wieder.

    »S-schon gut«, wisperte sie. Dann legte sie ihren Kopf in den Nacken, den Blick zum sternengesprenkelten Nachthimmel gerichtet. »Ehrlich gesagt … Ich habe angefangen, den Laden zu hassen. Tag für Tag kam es mir vor, als würde ich auf einer tickenden Zeitbombe sitzen. Ich hoffe nur, es haben alle rechtzeitig rausgeschafft …!«


    Noch eine Zeit lang betrachteten die drei Überlebenden das Geschehen. Als schließlich die ersten Flammen aus dem Dachstuhl des Gebäudes schossen, signalisierte Rutena mit einem letzten Kopfschütteln, dass auch sie genug gesehen hatte. Gemeinsam kehrten sie Rhinos Innenstadt, den Schreien und dem Zischen und Knacken des Feuers den Rücken zu.

    Der Rest von Rhinos Straße war verlassen, die Stille, die sich vor den Dreien ausbreitete, fast schon surreal. Z, der die Mitte zwischen Lucario und Rutena füllte, lachte bei Rutenas Frage laut auf, was er mit der Schnapsflasche beabsichtigte.

    »Echter Rhino Schwarzbrand«, flötete er und streichelte dabei den langen Flaschenhals wie ein Lustobjekt. »Die wird noch ein hübsches Sümmchen abwerfen, wenn sich die Geschichte hier herumspricht.« Als er Lucarios geringschätzigen Seitenblick auffing, ergänzte er: »Verurteilen Sie mich nicht, Constable. Schließlich habe ich in einer einzigen Nacht mein ganzes Hab und Gut verloren. Irgendwie und irgendwo muss ich neu anfangen.«

    »Die Bank gewinnt eben doch immer«, seufzte Rutena. Und Zs triumphierender Gesichtsausdruck gab ihr recht.

    »Scheint so«, nickte auch Lucario. Plötzlich verlangsamte er seine Schritte, bis er still stand. »Da fällt mir ein: Ich hätte da noch ein paar Fragen an dich …«

    Auch Z und Rutena stoppten nun. Zum ersten Mal seit Langem wirkte der Glücksspieler neugierig überrascht.

    »Constable?«

    »Ich bin kein Constable. Nicht mal mehr ein Sheriff. Nur noch ein Mann.«

    Zs wieder zum Leben erwachtes strahlendes Grinsen wetteiferte mit den Sternen am Nachthimmel.

    »Für mich werden Sie immer der Constable bleiben. Was liegt Ihnen auf dem Herzen?«

    »Was war das mit dir und Pantimos? Warum tat er die ganze Zeit so verschwiegen?«

    »Oh, das …« Z wirkte ein wenig peinlich berührt, als er mit den Schultern zuckte. »Eigentlich nicht der Rede wert und eigentlich hatte er mich ja um Stillschweigen gebeten. Aber Sie wissen ja: Ich kann Ihnen keinen Wunsch abschlagen, Constable.«

    »Ich höre …«, sagte Lucario. Und auch Rutena spitzte die Ohren.

    »Pantimos und ich kamen wenige Tage versetzt in Rhino an. Wie Sie ja wissen, waren wir beide im Saloon untergebracht. Und, na ja, da sieht man sich halt häufig. Irgendwann hat er und der Rest seiner Truppe angefangen, mit mir zu spielen. Anfangs war er noch ziemlich gesprächig, will sagen, ziemlich übermütig, insbesondere dann, wenn er einen über den Durst getrunken hatte. Also ließ ich ihn einige Male gewinnen. Und als dann der Rausch des Geldes und Alkohols ihm die Sinne vernebelt hatten, habe ich ihn schließlich ausgenommen wie einen Festtagsbraten. Dummerweise für ihn und glücklicherweise für mich verwettete er dabei auch seinen Hochzeitsring. Den wollte er unbedingt von mir wiederhaben. Aber Wettschulden sind eben Ehrenschulden. Da ich aber eine äußerst ehrliche Haut bin, wie ich an dieser Stelle betonen möchte, habe ich ihm angeboten, ihm den Ring wieder zu geben, sofern er mich im Glücksspiel schlägt.«

    »Erpressung«, stellte Lucario grimmig fest.

    »C’est la vie. Ich betrachte es eher als ein gutes Geschäftsmodell«, erwiderte Z. »Selbstverständlich wollte Pantimos die Sache diskret behandeln, denn er fürchtete, dass sich die Nachricht verbreitete. Nicht auszudenken, was das für seinen ›guten Ruf‹ oder den seiner Truppe bedeutet hätte! Da kam ihm natürlich ein Schnüffler auf Schnüffeltour reichlich ungelegen.«

    »Und in der einen Nacht, als man mich aus dem Weg räumen wollte, da warst du zur Stelle?«

    Z schürzte tadelnd die Lippen. Doch er nickte.

    »Nicht der Rede wert. Was tut man doch nicht alles für einen guten Freund.«

    »Und wie lange wusstest du über Rameidon Bescheid?«, wollte Lucario wissen.

    »Schon eine ganze Weile. Ein paar Wochen? Vielleicht Monate?« Z zuckte unschuldig die Schultern. »Macht das wirklich einen Unterschied?«

    »Es hätte mir die Sache erheblich einfacher gemacht«, knurrte Lucario.

    »Nun, dann hätten Sie vielleicht die richtigen Fragen stellen sollen, Constable. Außerdem hätten Sie mir dann nicht solche Aufmerksamkeit geschenkt. Und Sie wissen ja: Die Rolle des Schnurrbart zwirbelnden Schurken ist mir wie auf den Leib geschneidert. Ich liebe das Rampenlicht, und ich schätze Ihre Gesellschaft ungemein.« Er wandte sich Rutena zu. »Alle Anwesende eingeschlossen. Rawr!«, knurrte er sie sinnlich an.

    Rutena strafte den Glücksspieler mit einem Augenrollen und kalter Schulter.

    »Das ist es also?« Lucario hob eine Braue. »Keine weiteren Geheimnisse mehr zwischen uns beiden?«

    »Jetzt tun Sie mal nicht so überrascht, Constable! Es gab niemals Geheimnisse zwischen uns, schon vergessen? Ich darf Sie erinnern: Ich habe stets mit offenen Karten gespielt. Von Anfang an habe ich betont, ich sei nichts weiter als ein bescheidener Glücksritter auf der Suche nach einem guten Tropfen und guter Gesellschaft.« Er stoppte kurz. Sein Grinsen wurde breiter. »Oder wer weiß: Vielleicht bin ich auch ein Geheimagent aus Ramal, der auf den Postkutschenraub angesetzt wurde und ein Auge auf Sie halten sollte? Aber was macht das an dieser Stelle noch für einen Unterschied?«, schwärmte er geheimnisvoll. »Tatsache ist: Als Rameidon meinem besten Freund an den Kragen wollte, wurde es für mich persönlich. Und da trat ich aus den Schatten. Den Rest kennen Sie ja.«

    »Kenne ich, ja …«, nickte Lucario. »Und … danke!« Die letzten Worte kosteten ihn erhebliche Überwindung. Nun sah er Rutena an. »Und was ist mit dir?«

    Sie zog eine Schnute.

    »Ich weiß, ich hatte ein, zwei Geheimnisse vor dir, Sugar. Aber ansonsten war ich immer ein offenes Buch für dich.«

    »Das meinte ich nicht«, erwiderte Lucario. »Was du jetzt vorhast, wollte ich wissen.«

    »Oh!« Rutena schaute peinlich berührt in den Nachthimmel, während sie die Arme in den Nacken legte. »Ein Neubeginn, denke ich. Irgendwie muss ich ja meine Brötchen verdienen. Gibt genug Orte, wo ein streunendes Kätzchen unterkommen kann.«

    »Damit ist dein Billard-Tisch wohl abgeschrieben, hm?«

    Sie erwiderte mit einem Kopfschütteln: »Es war nur ein dummer Wunschgedanke. – Was ist mit dir? Pläne?«

    Lucario setzte sich in Bewegung, den Blick nach vorne gerichtet. Die beiden anderen schlossen sich ihm wieder an.

    »Gibt immer was zu tun.«

    Z legte den Kopf zur Seite. »Ich lasse Sie nur ungern alleine ziehen, Constable. Was wird aus Ihnen, wenn ich nicht aus Sie aufpasse?«

    Lucarios Augenbrauen verengten sich etwas.

    »Bin bislang immer gut alleine zurechtgekommen.«

    »Wir drei sind doch ein tolles Gespann. Wir sollten was auf die Beine stellen, eine Bande gründen. Oder ein Erkunderteam. Der erstaunliche Z und Anhang – das klingt richtig gut! Und meine liebsten Leutchen hätte ich dann auch immer um mich herum. Gute Freunde und guter Schnaps. Besser geht es gar nicht!«

    »Das mit dem Erkunderteam lasse ich mir vielleicht noch gefallen. Aber der Name …«

    Auch Rutena schien von dem Gedanken angetan. Sie strahlte regelrecht, als sie Lucario am Arm packte. »Ich finde die Idee richtig gut! Sag schon ja, Sugar. Bitte sag ja.«

    Z packte derweil den anderen Arm und imitierte Rutenas Stimme auf erschreckende Weise.

    »Ja, Sugar, sag schon ja, Sugar!«

    »Scheint ja, als wäre ich überstimmt«, sagte Lucario kurz angebunden.

    »Aber mit dem Namen müssen wir uns wirklich noch was einfallen lassen«, forderte Rutena. »Wie wäre es stattdessen mit den Fröhlichen Füchsen? Die Kunden werden uns die Bude einrennen wie Säufer einen Saloon.«

    »Zerbrich dir mal nicht deinen süßen Kopf, Zuckerpüppchen, und lass uns Männer das …«

    Mit einer solchen Wucht, dass Z auf den Boden landete und er fast seine Flasche Schwarzbrand fallen ließ, pfefferte ihm Rutena eine Ohrfeige an die rechte Wange. Lucario erkannte in der Schelle die Signatur einer willensstarken Frau, die in ihrer Vergangenheit als Barkeeperin tatenlos unzählige Anbiederungsversuche über sich ergehen lassen musste. Doch diese Frau gab es nicht mehr. Und plötzlich gefiel ihm die Idee mit dem Erkunderteam umso mehr.

    Rutena fuhr sich aufgebracht durch die Haare, während sie von oben auf Z herabblickte.

    »Chauvinistisches Schwein! Miese Type!«

    Noch auf dem Boden liegend rieb sich Z mit einer schnellen Bewegung über die Wangen. Ein energisches Grinsen entblößte seine Zähne, während er sich gleichzeitig über die Lippen leckte.

    »Oh, man! Ich liebe dieses Weibsbild!« Er richtete sich auf und legte den beiden schließlich die Arme um die Schultern. »Also ist es beschlossene Sache: Z, Flauscheöhrchen und der Constable. Was soll da noch schiefgehen?«


    Die Schwarzpfotenfüchse waren geboren.


    Fin


    Copyright:

    Text: Jens Häßel (aka Eagle)

    Bild: Maike Häßel (aka Akane)


    Ein besonderes Dankeschön auch an Rusalka , Cyndaquil und Mandelev , die mich auf dieser Reise begleitet haben.

  • Eagle

    Hat den Titel des Themas von „[Kurzgeschichte] Alte Sünden“ zu „[Kurzgeschichte] Alte Sünden [abgeschlossen]“ geändert.
  • Hallo,


    und so fand die Sache ihr Ende. Dass der Bürgermeister am Ende nur noch verbal belangt wird und nicht auf für ihn angemessene Weise lässt einen etwas faden Beigeschmack zurück, aber letztendlich hat Z recht. Wenn Nachforschungen angestellt werden, werden sicherlich die richtigen Schlüsse gezogen. Jedenfalls empfand ich den Abschluss als sehr witzig. Z zeigt sich noch einmal von seiner gelassenen Seite und überhaupt kam die Gründung eines Erkunderteams überraschend. Ich bin gespannt, ob man den Schwarzpfotenfüchsen in Zukunft noch einmal hört. Übrigens: Hübsches Bild am Ende. Richte ihr ein Lob für den gelungenen Ausdruck aus!


    Wir lesen uns!

  • Hallo, Eagle, ich wollte dir auch noch etwas schreiben, allerdings hat Rusalka schon das meiste vorweggenommen ^^'


    Freut mich, dass die Geschichte nun abgeschlossen ist und auf einer guten Note endet, aber auch Perspektiven zeigt, wie es weitergeht. Ob das in einer nächsten Geschichte geschieht oder meiner Phantasie überlassen bleibt, wird sich zeigen. Der Kampf zwischen Galagladi, Rameidon, Lucario und Z ist ziemlich ausgeglichen und spannend, selbst wenn sich das Ergebnis schon erahnen ließ. Galagladis Unsichtbarkeit mit der farbigen Flüssigkeit aus der Flasche zu umgehen, ist aber so clever, dass sich die beiden Helden den Sieg letztendlich verdient haben.


    Was mich ebenfalls beeindruckt hat, war die Einleitung des Epilogs, in der das Feuer im Saloon aus der Perspektive des Windes beschrieben wird. Hut ab für diese Idee und ihre Umsetzung. Der Abschnitt zeigt auch mal wieder deinen großen Wortschatz, der, selbst an den etwas geschwollenen Stellen, der Geschichte eine ganz eigene Faszination verleiht. Zu verbessern wüsste ich spontan wirklich wenig. Am Ende hatte ich Grillchita vermisst, dann aber beim Nachlesen festgestellt, dass er ja noch in der Gefängniszelle sitzen müsste. Es ist für alle Beteiligten ein gelungener Schluss, der gar nicht erst so tut, als könne er alles auflösen, aber zumindest wenig Fragen offen lässt.


    Ich bedanke mich für die gute Unterhaltung und die spannenden Momente. Bis bald!

    Und plötzlich schien ein neuer Kontinent

    am Horizont, wir sind noch lange nicht am End’!
    _________________________________________________- Flocon

    Vielen Dank an Evoluna für diesen wunderbaren Avatar ^-^