Alea iacta est

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    Alea iacta est

    ~ Wohin der Weg auch führt ~




    Klappentext

    Wenn der Würfel geworfen wurde, steht das Unvermeidliche kurz bevor - und wir können nur erraten, was das Schicksal für uns bereit hält.

    Das kleine Bergdorf Königstein verfolgt eine alte Tradition: Mit fünfzehn Jahren treten die Jugendlichen die sogenannte "Ausreise" an. Sie müssen sich den Herausforderungen der Außenwelt stellen und dann entscheiden, ob sie wieder zurückkehren wollen - oder müssen anderswo ihr Glück versuchen. Erwartungen und Träume kollidieren dabei unweigerlich mit der Realität und der Wille und die Überzeugung der Ausreisenden wird nicht selten auf die Probe gestellt.

    Der Weg sollte in zwei Richtungen führen - doch was, wenn das Schicksal etwas anderes geplant hat?



    Begrüßung

    Willkommen zu meinem neuen Projekt, geneigter Leser!

    Ich will hier einmal etwas (in meinen Augen) Besonderes versuchen. In "Alea iacta est" (wörtl.: "Der Würfel ist geworfen (worden)") betretet ihr meine eigene kleine Welt. Dabei gibt der Prolog das Setting vor, was danach geschieht - das entscheiden die Würfel. Für jedes Kapitel wird ein Wurf Rory's Story Cubes den Inhalt der Handlung inspirieren - Planung wird es also kaum geben und ich werde mich vom Verlauf der Geschichte selbst überraschen lassen müssen!

    Kommt mit mir auf diese Reise und lasst euch überraschen, was alles passieren kann!


    ~ Sheo

    P.S.: Im Anhang findet ihr Mitnahmedateien (aktuell nur PDF, ePub und MOBI werden beizeiten nachgereicht). Diesem Post hier hängt eine Gesamtausgabe der aktuell erschienenen Kapitel an, den Kapitelposts nur die jeweiligen Kapitel. Im Topic gibt es ggf. aber noch Zusatzinfos, die in den Dateien nicht vorhanden sind! ;)



    Karte

    Im folgenden Spoiler findet ihr eine vorläufige Karte des Reiches, in dem wir uns bewegen werden. Ich möchte sie allerdings noch größer zeichnen und vervollständigen.




    Inhaltsverzeichnis



  • Prolog



    „Das kleine Dorf Königstein in den ost-miriadischen Bergen besticht durch einen starken Kontrast zwischen einem einfachen Lebensstil und Traditionen, wie man sie sonst nirgends im Reich finden kann. Trotz seiner geringen Größe ist es unter Kennern berühmt für seine erfolgreiche Zucht robuster Steinböcke, die … wie könnte man ‚robust‘ anders beschreiben, Matteo?“

    Nicolo di Spassivo blickte fragend zu seinem Schreiber hinunter, der mit übergeschlagenen Beinen auf einem Findling saß und die Worte seines Herrn in eine Tontafel ritzte.

    Der dachte einen Moment nach und schlug schließlich vor: „Ausdauernd, widerstandsfähig, zäh?“

    Di Spassivo klatschte in die Hände, wie er es immer tat, wenn er meinte, eine großartige Idee gehabt zu haben. „Ich weiß! ‚Die aufgrund ihrer Ausdauer, Widerstandsfähigkeit und Zähigkeit geschätzt werden‘! Hier sollte noch ein detaillierter Exkurs über die Tiere folgen. Der König weiß eine genaue Abhandlung über ihre Vor- und Nachteile sicher zu schätzen!“

    Er ignorierte das Augenrollen seines Schreibers und wartete, während dieser ein paar Symbole notierte, die er später zu einer vollständigen Abschrift verarbeiten würde. Natürlich war dem Adligen klar, dass Vincente II. sich nicht im Geringsten für ausführliche Beschreibungen über das Paarungsverhalten und rassespezifische Merkmale von Steinböcken interessierte. Doch für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Monarch sein Werk je lesen würde, sollte er sich ruhig durch alle langweiligen Details quälen.

    Der König hatte den aufstrebenden Schriftsteller auf die Mission geschickt, die verschiedenen Winkel seines Reiches zu erkunden und Aufzeichnungen über Sitten, Gebräuche und alles Erzählenswerte zu führen, das man über die unterschiedlichen Regionen berichten konnte. Dass das nur aufgrund der wachsenden Zuneigung der Königin für di Spassivo geschehen war und Vincente den potentiellen Rivalen möglichst lange vom Hof fernhalten wollte, war dabei ein offenes Geheimnis. Dass eine Affäre für ihn nie in Betracht gekommen wäre, spielte dabei weder für den König noch für den Klatsch liebenden Hofstaat eine tragende Rolle.

    Nicolo hatte zwar nichts dagegen, auf Staatskosten durchs Land zu ziehen, doch bei dem Gedanken an diese kleine persönliche Rache stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen.

    Ein leises Klappern unterbrach seine Gedanken und sagte ihm, dass Matteo seine Schreibtafel zur Seite gelegt und durch eine neue ersetzt hatte. Nicola dachte einen Moment nach und strich sich über den schwarz gefärbten Ziegenbart, bedeutete seinem Schreiber dann aber mit einer abwehrenden Geste, dass er vorerst nichts weiter diktieren würde. Er ließ seinen Blick über den Dorfplatz schweifen, auf dem sich allmählich fast alle Einwohner der kleinen Siedlung zusammenfanden.

    Denn heute war ein besonderer Tag.

    Di Spassivo fand es äußerst faszinierend, was für eigenentümliche Gebräuche sich in den entlegenen Winkeln des Reiches entwickeln oder aus alten Zeiten erhalten konnten. Schon die Tatsache, dass die Menschen hier den Tag der Geburt feierten, war ungewöhnlich, aber auch die Traditionen, die den Übergang ins Erwachsenenalter begleiteten, waren in Königstein besonders und für sich genommen eigene Untersuchungen wert.

    Seine Augen wanderten über die verhängte Statue eines lokalen Naturgottes in der Mitte des Dorfplatzes zu den dunkelblau gefärbten Stoffbändern, die von allen möglichen Büschen und Bäumen hingen und sich wie die Schweife hunderter Geistwesen sanft im Wind wiegten. Diese Zeichen der Trauer standen für die Natur des Tages – denn ein Teil der Jugendlichen, in diesem Jahr fünf an der Zahl, würde den Ort heute verlassen und mindestens ein Jahr lang nicht zurückkehren. Sie sollten in die Welt hinausgehen, sich sattsehen an den Wundern und Verlockungen der Außenwelt, und anschließend entscheiden, ob sie zurück zu den Traditionen des Dorfes kommen oder außerhalb ihr Glück versuchen wollten.

    Auch die Kleidung der Dorfbewohner war heute vornehmlich dunkelblau gehalten, doch die Stimmung war eher aufgeregt und ausgelassen. Wahrscheinlich, weil sich alle auf das spätere Fest freuten, bei dem die Familien der Ausgereisten die Gäste mit Speisen und Getränken bewirten mussten.

    Nicolo blinzelte und prüfte den Stand der Sonne. Es dämmerte schon seit etwa zwei Stunden, doch die Sonnennadel am Rand des Platzes warf ihren Schatten gerade erst auf die Markierung zu, die den entscheidenden Zeitpunkt des Tages markieren würde. Gleich müsste es soweit sein …

    Das anhebende Gemurmel, das wie ein herannahender Hornissenschwarm klang, bestätigte ihn in seiner Vermutung. Nicolo stieß sich von der knorrigen Eiche ab, an der er gelehnt hatte, strich sich noch einmal den feinen himmelblauen Gehrock glatt und schloss sich der Menge an.

    Einen Moment später kamen die Ausreisenden auch schon in Sichtweite.

    Der Schriftsteller erhob sich auf Zehenspitzen, um besser sehen und sich jedes Detail einprägen zu können.

    Die drei Jungen und zwei Mädchen trugen zweckmäßige Reisekleidung und führten ihre Steinböcke mit ernsten Mienen auf den Dorfplatz zu. Sie blickten geradeaus, sahen sich nicht um und sprachen keine Worte des Abschieds, während sie sich immer weiter auf den Ortsausgang zubewegten.

    Plötzlich fluchte Matteo leise an seiner Seite – ein kleines Kind, nicht älter als vielleicht drei oder vier Jahre, lief aufgeregt zwischen den Beinen der Erwachsenen umher und hatte den Schreiber dabei so stark angerempelt, dass ihm seine Tontafeln beinahe aus den Händen geglitten wären.

    Nicola schmunzelte amüsiert. Die Kinder Königsteins redeten schon seit Wochen von nichts anderem, und träumten von dem Tag, an dem sie selbst die Wunder der Welt sehen und Abenteuer wie in den alten Märchen und Sagen erleben konnten.

    „Wie selig doch die unschuldige Freude eines Kindes ist, meinst du nicht, Matteo?“

    Der Angesprochene grummelte etwas Unverständliches, und Nicola wandte sich mit einem unterdrückten Lachen wieder dem Geschehen zu.

    Die Jugendlichen kamen gerade an der Stelle vorbei, die er sich als Beobachtungsposten ausgesucht hatte. Er konnte den erdigen Geruch der Steinböcke riechen und erkannte nun, dass die Ausreisenden sehr unterschiedlich ausgestattet waren. Manche hatten große, prall gefüllte Provianttaschen an ihren Sätteln befestigt, andere mussten sich mit einer sorgfältig gepackten Tasche begnügen. Bei einem Tier sah er glänzende Verzierungen am Zaumzeug, ein anderes trug Ausrüstung, die offenbar schon durch mehrere Hände gegangen war. Nicola schätzte, dass sich unabhängig ihrer Ausstattung und Herkunft vielleicht einer oder zwei von ihnen weiter als bis zur Marktstadt Costarin wagen würden. Der Rest käme mit geleerten Taschen schneller wieder zurück, als ein Mundschenk eine Flasche Wein hinunterkippen konnte.

    Die flackernden Schatten der Baumkronen verschwommen, als die ersten grauen Wolken wie schmutzige Schafe über den Himmel zogen. Der Wind frischte auf und schob die Reisenden sanft vorwärts, die sich nun in die Sättel schwangen und immer weiter aus dem Blickfeld entfernten.

    Nachdenklich strich sich Nicola übers Kinn und blickte den Jugendlichen noch nach, als die restlichen Zuschauer sich bereits abwandten und in Richtung Festplatz strebten.


    Es roch nach Regen, fand Giulia, und musterte mit besorgtem Blick den Himmel, der sich zunehmend verdunkelte und immer weniger Licht durch das lichter werdende Blätterdach über ihren Köpfen rieselte.

    Heute war also der große Tag – und es würde regnen. Was für ein wundervolles Omen.

    Ihr schlug das Herz noch immer bis zum Hals, auch, wenn sie bereits außer Sichtweite des Dorfes waren und sich die Anspannung schon bei den meisten gelöst hatte. Francesca, Edoardo und Antonio waren ein Stück vorausgeritten und unterhielten sich ausgelassen, während sie und ihr Kindheitsfreund Marco etwas zurückgefallen waren. Das heißt – weniger unterhielten die drei sich, als dass die beiden Jungen an den Lippen des älteren Mädchens klebten, das immer wieder seine langen blonden Haare in einer verführerischen Geste zurückwarf.

    „Du siehst besorgt aus“, bemerkte Marco mit einem aufmerksamen Seitenblick und riss Giulia damit aus ihren Gedanken.

    Sie zögerte einen Moment und entschied sich schließlich für die augenscheinlichste aller möglichen Erwiderungen: „Wenn es in Strömen gießt, werden wir noch vor Mittag nass bis auf die Knochen sein.“

    Marco lachte auf und strich eine Strähne seines haselnussbraunen Haars zurück, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte.

    „Ja, natürlich, Herzchen. Als ob das deine wirkliche Sorge ist!“, kommentierte er heiter, was ihm einen bösen Seitenblick seiner Freundin einbrachte.

    Die tätschelte den Hals ihres grau-braunen Steinbocks und flüsterte so laut, dass ihr Begleiter es hören musste: „Dem wird das Lachen im Hals stecken bleiben, wenn wir in einem trockenen Unterschlupf stehen, während er nach Costarin schwimmen darf!“

    Marcos Reittier schnaubte und schüttelte den mit einem gestutztem Geweih bewehrten Kopf, fast, als amüsierte er sich über die Bemerkung. Sein Reiter seufzte theatralisch.

    „Gut, Ihr habt gewonnen, Mylady!“ Er deutete eine Verbeugung an, die unter anderen Umständen ehrerbietig hätte sein können, und fügte grinsend hinzu: „Verzeiht Eurem demütigen Diener und gewährt ihm Unterschlupf, wenn die Götter ihren Zorn und ihre Tränen auf uns niedergehen lassen!“

    Nur der Abstand zwischen ihnen schützte ihn davor, sich einen schmerzhaften Hieb in die Seite einzufangen.

    „Nun schau nicht so“, meinte er mit etwas ernsterer Stimme. „Wir schaukeln das schon. Sieh’s positiv: Wir werden Francesca und ihren Hofstaat für einige Monate nicht zu Gesicht bekommen müssen!“

    Giulia unterdrückte ein Kichern. Marco schaffte es immer wieder, sie abzulenken und zum Lachen zu bringen. Das ungute Gefühl in ihrem Magen verschwand zwar nicht, wurde aber etwas erträglicher. Sie rückte ihren grauen Filzhut zum wiederholten Mal zurecht und atmete tief durch.

    Sie wusste, was Marco ihr vermitteln wollte: Der Schritt ins Unbekannte war groß, aber sie waren ihr Leben lang auf das Ausreisejahr vorbereitet worden. Sie waren darin unterrichtet worden, sich notfalls auch in der Wildnis zurechtzufinden und konnten sich gegen das übliche Gesindel verteidigen, theoretisch jedenfalls. Außerdem waren die Gefahren in diesem Teil der Welt im Allgemeinen recht überschaubar.

    Sie straffte die Schultern, drängte Sorgen und Ängste entschlossen beiseite und drückte leicht in die Flanken ihres Steinbocks, der daraufhin seinen Schritt etwas beschleunigte.

    Im Grunde hat Marco doch Recht‘, dachte sie. ‚Wir sind hier in der hintersten Provinz und schon fast erwachsen. Was soll schon passieren?‘

  • Na mein Lieblingsfürst?

    Ich dachte mir einfach mal, dass ich dir ein kleines Feedback für deine neue FF dalasse. Kann ja nicht schaden, oder? Außerdem hat das noch keiner gemacht, da kann Onkel Sanguine natürlich nicht Nein sagen.


    Ich muss sagen, dass ich die Idee ziemlich interessant finde, wenn nicht sogar genial, haha. Ich kann mir vorstellen, dass eine Plotplanung stellenweise unglaublich anstrengend sein kann (ich plotte selbst nur einen Teil; beim Anderen lasse ich mich ebenso überraschen) und es daher einfach dem Zufall bzw. den Würfeln zu überlassen, finde ich schon richtig lustig. Ich mein, man kann einfach nicht vorhersehen, was passieren wird. Was passiert mit Charakter xy und was macht Charakter z in Stadt n? Ich weiß natürlich nicht im Genauen, wie die Würfel funktionieren (also was sie im Genauen vorgeben), aber das Konzept dieser Geschichte ist einfach genial. Was Neues! Zumindest für mich, weswegen ich auch so begeistert bin. Ich denke mal, ich werde diese Geschichte mit Wein Freude verfolgen!

    Besonders gut gelungen ist dir da auch der Klappentext. Selbst ohne das Storykonzept klingts für mich sehr interessant. Denn: Wann verläuft das Leben schon so, wie man es geplant hat? Man sagt ja nicht umsonst »Leben passiert während man gerade damit beschäftigt ist, Pläne zu schmieden.« und gerade zu dieser Story passts doch ziemlich gut. Auch die Aussage, dass der Weg das Ziel ist. xd Na ja, egal. Ich mag die Idee, ich mag die Welt und ich mag das Konzept. Ach ja, und ich mag dich. Perfekte Ausgangslage also.


    Der Prolog bieten einen guten Einstieg in die Geschichte. Es werden dem Leser ein paar Charaktere vorgestellt und er wird einfach mal ins Geschehen geschmissen, ohne wirklich zu wissen, was eigentlich los ist. Wobei ich sagen muss, dass ich den fast schon normal erscheinenden Anfang echt angenehm zu lesen fand. Generell: Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, der quasi "dahinschwindet", sodass man einfach mitgetragen wird, haha. Ach übrigens: Ists schlimm das ich die beiden Herrschaften am Anfang irgendwie mit Sheo und dem guten Haskill verglichen habe? *lach* Irgendwie musste ich beim Lesen ständig darüber grinsen; insbesondere weil du Parallelen geschaffen hast. War das Absicht?

    Dann haben wir noch Marco und Guil- ne, warte. Wie hieß sie? Guilia, stimmt. Du hast ganz schön exotische Namen, nimms mir nicht übel, wenn ich mir die Schreibweise nicht merke (okay, bin da auch nicht besser *lach*). Wie ich halt auch erst mal dachte, dass Guilia der Steinbock wäre und mega irritiert war, haha. Aber gut, das ist meiner nicht vorhanden Aufmerksamkeitsspanne heute zu verdanken. Jedenfalls: Schöner Start ins Abenteuer - erst mal Regen. Da freut man sich doch! Pluspunkt: Sie reiten nicht auf Pferden, sondern auf Steinböcken. Auch wieder was Neues, gefällt mir. Ich bin ja mal gespannt, was die Reise für die Beiden bereit hält ... Regen wird wohl das geringste Problem sein, haha.


    So, das war es dann an der Stelle auch erst mal von mir. Schöne erste Eindrücke! Ich freue mich auf mehr. ♥


  • Na mein Lieblingsfürst?

    Na, Herzchen? :smirk: Schön, dass du dich hierher verirrt hast!


    Ich muss sagen, dass ich die Idee ziemlich interessant finde, wenn nicht sogar genial, haha. Ich kann mir vorstellen, dass eine Plotplanung stellenweise unglaublich anstrengend sein kann (ich plotte selbst nur einen Teil; beim Anderen lasse ich mich ebenso überraschen) und es daher einfach dem Zufall bzw. den Würfeln zu überlassen, finde ich schon richtig lustig. Ich mein, man kann einfach nicht vorhersehen, was passieren wird. Was passiert mit Charakter xy und was macht Charakter z in Stadt n? Ich weiß natürlich nicht im Genauen, wie die Würfel funktionieren (also was sie im Genauen vorgeben), aber das Konzept dieser Geschichte ist einfach genial. Was Neues! Zumindest für mich, weswegen ich auch so begeistert bin. Ich denke mal, ich werde diese Geschichte mit Wein Freude verfolgen!

    Wie kein Wein? Bist du krank? Oder besoffen?

    Ich mag das Konzept sehr. Erst einmal lassen sich mit dieser Art der Inspiration generell gut Geschichten schreiben, zum anderen muss man sich nicht damit herumschlagen, den Handlungsverlauf zu planen. Außerdem bist du dann irgendwann nicht so angefressen, weil es nicht so läuft oder nicht mehr so passt, wie du es dir am Anfang vorgestellt hast. Bin gespannt, wohin das Ganze noch führt, K. 1 ist sogar fast fertig - die Handlung wird aber vermutlich weniger lustig sein, schätze ich, haha :D
    Wie das mit den Würfeln funktioniert, kann ich dir gern nochmal genauer erklären, wenn du magst.


    Besonders gut gelungen ist dir da auch der Klappentext. Selbst ohne das Storykonzept klingts für mich sehr interessant. Denn: Wann verläuft das Leben schon so, wie man es geplant hat? Man sagt ja nicht umsonst »Leben passiert während man gerade damit beschäftigt ist, Pläne zu schmieden.« und gerade zu dieser Story passts doch ziemlich gut. Auch die Aussage, dass der Weg das Ziel ist. xd Na ja, egal. Ich mag die Idee, ich mag die Welt und ich mag das Konzept. Ach ja, und ich mag dich. Perfekte Ausgangslage also.

    Ui, wirklich? Danke! Ich wusste nicht so recht, was ich da schreiben soll x3"

    "Ich mag dich" - ohgottogottogottodaedra, du machst mich verlegen ...


    Der Prolog bieten einen guten Einstieg in die Geschichte. Es werden dem Leser ein paar Charaktere vorgestellt und er wird einfach mal ins Geschehen geschmissen, ohne wirklich zu wissen, was eigentlich los ist.

    Zuerst stand für mich im Raum, da so ein "ich muss fliehen weil mir mein Haus unterm Hintern weggebrannt wird"-Szenario im Raum, aber das ist irgendwie schon fast langweilig, finde ich. Warum könnte man also sonst sein Heimatkaff verlassen - mir fiel da diese "Springer"-Tradition der ... heißen die Amish? Die Glaubensmenschen, die Technik ablehnen und ihre Kids irgendwann für eine Zeit auf die Welt loslassen, damit sie sich entscheiden können, ob sie in der Glaubensgemeinschaft leben möchten oder lieber in die Welt ziehen.

    Das fand ich als Ausgangslage einfach schöner.


    Wobei ich sagen muss, dass ich den fast schon normal erscheinenden Anfang echt angenehm zu lesen fand. Generell: Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil, der quasi "dahinschwindet", sodass man einfach mitgetragen wird, haha.

    Das freut mich sehr ... ich habe mich bemüht, nicht ganz so lyrisch zu schreiben, damit man dem Ganzen besser folgen kann.


    Ach übrigens: Ists schlimm das ich die beiden Herrschaften am Anfang irgendwie mit Sheo und dem guten Haskill verglichen habe? *lach* Irgendwie musste ich beim Lesen ständig darüber grinsen; insbesondere weil du Parallelen geschaffen hast. War das Absicht?

    xDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD ne schlimm auf keinen Fall, aber das ist eine interessante Vermutung. Das passt ungewollt tatsächlich, haha - auch, wenn Sheo nicht so harmlos gewesen wäre, schätze ich. Nein, der Schriftsteller hat eigentlich einen praktischen Nutzen. Ursprünglich wollte ich den Abschied bzw. den Auszug aus dem Dorf (die Familien der Kinder sind btw beim Auszug nicht anwesend) aus Sicht Giulias beschreiben. Mir fiel dann aber auf, dass ich so viele Erklärungen einstreuen muss, da sich diese unbekannte Welt ja nicht von selbst erklärt. Also habe ich überlegt, dass man diese Erklärungen auch einfach zum Teil der Handlung machen und so nem Gesellschaftsforschungsschreiberdingsda die Erklärlast aufbürden könnte.


    Dann haben wir noch Marco und Guil- ne, warte. Wie hieß sie? Guilia, stimmt. Du hast ganz schön exotische Namen, nimms mir nicht übel, wenn ich mir die Schreibweise nicht merke (okay, bin da auch nicht besser *lach*).

    Giulia, ja. Exotisch - ja, relativ vielleicht. Tatsächlich sind das reguläre italienische Namen, die ich bewusst gewählt habe, weil ich das Sprachliche ein wenig an unsere Realitäten anlehnen wollte. ich gebe allerdings zu. ob es den Familiennamen Spassivo gibt, weiß ich nicht, das passte nur so gut imo


    Pluspunkt: Sie reiten nicht auf Pferden, sondern auf Steinböcken.

    Ich wollte das irgendwann unbedingt mal irgendwo einbauen. Die sind dann zwar nicht so schnell wie Pferde, können sich auf schwierigem Terrain aber besser fortbewegen und sind vor allem Gebirgszügen oder höher gelegenen Hügellandschaften sehr beliebt. Als Zugtiere von Kutschen o.Ä. trifft man sie aber auch


    Regen wird wohl das geringste Problem sein, haha.

    Ohja, absolut >:D

    Das wird man schon im nächsten Kapitel merken. mwahahaha

    So, das war es dann an der Stelle auch erst mal von mir. Schöne erste Eindrücke! Ich freue mich auf mehr. ♥

    Freut mich, wenn es dir gefallen hat! Ich hoffe, du schaust auch wieder rein! Bring aber einen guten Tropfen mit! :*

  • Kapitel 1: Widrige Umstände





    Wenn sie nicht vor Erschöpfung zusammenbrechen würde, ließe der Gestank sie wahrscheinlich in Ohnmacht fallen. Aber sich in diesem Rattenloch auf dem Boden niederzulassen, war eine derart grauenvolle Vorstellung, dass ihr Wille sie aufrecht hielt.

    Noch.

    Giulia rieb sich energisch über die Augen und fragte sich, ab wann genau die Dinge aus dem Ruder gelaufen waren. Als sie sich dafür entschieden hatte, diesen dubiosen Auftrag anzunehmen und das Königsamulett zu stehlen? Oder doch erst, als sie vom Dach gesprungen und direkt in die Arme einer Stadtwache gelaufen war? Vielleicht auch schon, als sie vor gut zwölf Jahren zu ihrer Ausreise aufgebrochen war?

    Die junge Frau lächelte matt und strich sich gedankenverloren eine Strähne ihres kinnlangen, braunen Haares hinters Ohr. Ja, vielleicht hätte sie gleich nach der Ortsgrenze wieder kehrtmachen sollen. Dann wäre so vieles von dem, was sie erlebt hatte, nie geschehen.

    Sie schüttelte sich und verdrängte die aufkeimenden Erinnerungen, so gut es ging. Die Vergangenheit noch einmal zu durchleben würde ihr jetzt auch nicht helfen.

    Seufzend sah sie sich in ihrer Zelle um, wie schon etliche Male zuvor. Und wie bei jeder erneuten Betrachtung kam sie zu demselben Schluss: An Flucht war nicht zu denken. So schäbig es hier auch aussehen mochte, sie konnte keine Risse in den Mauern oder dem Mörtel und keine losen Steine entdecken, der Boden war gepflastert. Nur der allgegenwärtigen Gestank nach längst getrocknetem Urin, vergammeltem Stroh und etwas Undefinierbarem, das sie lieber nicht genauer untersuchen wollte, stach hervor, was ihr aber wenig nützte. Ein paar Fackeln leckten mit hungrigen Flammen über die Wände innerhalb der Gefängnismauern und warfen zitternde Schatten an die Wände. Ansonsten gab es keine Lichtquelle in den Kerkern von Thengen.

    Wut kochte in Giulia hoch. Ob auf sich selbst oder die Autoritäten oder ihren Auftraggeber, wusste sie nicht genau. Wahrscheinlich eine Mischung aus allem.

    Ein Rasseln sammelte sich in ihrem Brustkorb und entlud sich in einem Hustenanfall, der schnell zu einem krampfhaften Keuchen wurde und sie heftig würgen ließ.

    ,Verdammt‘, dachte sie, als sie langsam zur Ruhe kam, und schnappte mühsam nach Luft. ‚Das wird ja immer schlimmer …

    Wenn sie nicht schnell eine Möglichkeit fand, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, sah ihre Zukunft verdammt düster aus. Der Lungennebel, unter dem sie litt, war nämlich nur eines ihrer Probleme.

    Mit dem missglückten Diebstahl hatte sie einen sehr einflussreichen Adligen sehr wütend gemacht. Der in Gold gefasste Rubin, den sie hatte stehlen sollen, war ein Geschenk für dessen Verlobte gewesen und sei angeblich seinerzeit vom Königshaus selbst in die Hände der Familie gegeben worden.

    Und nun forderte der zeternde Besitzer des Schmuckstücks ihren Kopf. Normalerweise keine Strafe für Diebstahl, aber da die Stadtherren keine Gelegenheit ausließen, um Leuten wie ihm den Bauch zu Pinseln ...

    Sie schlang den dünnen Mantel, den man ihr zum Glück noch gelassen hatte, enger um sich. Sie fröstelte jedoch nicht nur wegen der Kälte, die hier im Bauch der Erde ihren Atem wie Gespensterhauch vor ihrem Gesicht tanzen ließ.

    Erneut schüttelte sie ein krampfhafter Hustenanfall durch, bis kleine Funken vor ihren Augen tanzten. Sie kam nur schwer wieder zu Atem, daher nahm sie das Stimmgewirr auch erst war, als der Tonfall lauter und gereizter wurde.

    Sie wusste, dass die Wachen ein Stück weiter den Gang hinunter einen Aufenthaltsraum hatten, und wenn sie sich nicht täuschte, kamen die streitenden Stimmen auch von dort. Sie konnte den Inhalt der Auseinandersetzung nicht genau verstehen und nur einzelne Worte wie „Dieb“, „Meister“ und „Hai“ ausmachen. Vielleicht auch „Tief“, „meistens“ und „Ei“. An diesen merkwürdigen Akzent im Südosten des navalisischen Reiches hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt.

    Guilia ging auf das Gitter zu, das den einzigen Weg aus ihrer Zelle markierte, und lauschte angestrengt. Wenn es eines gab, das sie in all den Jahren gelernt hatte, dann, dass Informationen äußerst wertvoll sein konnten – egal, um was genau es ging.

    Bevor sie mehr in Erfahrung bringen konnte, hörte sie jedoch bereits ein paar schwerfällige Schritte näherkommen, begleitet von unverständlichem Knurren und Murren.

    Augenblicke später sah sie den Trunkenen Tancredi den Gang entlangschlurfen. Manchmal dachte sie, der Mann war irgendein Günstling, dass man ihn bei derartiger Unfähigkeit im Dienst beließ. Seine dunkle Uniformjacke saß etwas schief und man hätte meinen können, er sei schon ein alter Mann, so dürr und eingefallen wirkte er. Tatsächlich war er wohl aber nur wenige Jahre älter als sie selbst.

    Er suchte angestrengt nach dem richtigen Schlüssel und schien nicht gerade bester Laune zu sein.

    In der Stimmung sollte man sich nicht mit ihm anlegen – darum verschwendete Guilia auch keine Zeit und wich hastig in eine der hinteren Ecken zurück, wo sie sich in schmerzhafter Erinnerung die rechte Seite rieb. Wenn sie sich unauffällig verhielt, würde er sie vielleicht nicht bemerken und einfach weitergehen.

    Genau vor ihrer Zelle blieb er stehen.

    „Keine Ahnung, wie de das gemacht ‘ast“, schnaufte er, während er sie mit finsterem Blick von oben bis unten musterte und sich über die gerötete Nase rieb, „aber sieht so aus, als müsstse jeman ‘eeeeeerzlich dankbar sein!“ Sein breites Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen.

    Guilia musste unwillkürlich schlucken, rührte sich aber nicht vom Fleck.

    Tancredi runzelte die Stirn und nickte ihr herrisch zu.

    „Schwer von Begriff, Kleene? Du kommst ‘ier raus!“

    Guilia öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihr fielen nicht die richtigen Worte ein, um annähernd auszudrücken, was ihr gerade durch den Kopf ging.

    Der Wärter seufzte schwer und fügte gelangweilt hinzu: „Näherkomm, umdrehn, ‘ände auf den ‘intern.“

    Irgendetwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht, davon war Giulia fest überzeugt. Weshalb sollte sich jemand darum scheren, was mit ihr geschah, und sie vor dem Henker bewahren? Ihre Instinkte schrien Alarm und sie überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Tancredi würde sie holen kommen, daran bestand kein Zweifel. Und selbst, wenn er es doch nicht tat, würde sie definitiv hier vor sich hinvegetieren, bis man sie zum Schafott führte. Vielleicht könnte sie ihn in Sicherheit wiegen und dann überwältigen … das konnte nicht so schwer sein!

    Ihre Gedanken überschlugen sich, doch schließlich kam sie zu dem einzigen Schluss, der im Moment sinnvoll erschien. Langsam, argwöhnisch, näherte sie sich den Metallstangen. Selbst, wenn sie sich gegen den Säufer behaupten konnte, gab es immer noch die andere Wache im Wachraum, die sie nicht so leicht würde überrumpeln können. Vielleicht ergab sich ja später eine Gelegenheit zur Flucht.

    Hatte sie denn überhaupt eine große Wahl?

    Sie wandte dem Wärter den Rücken zu, drehte die Hände auf den Rücken und wartete, bis er Handgelenke und Daumen verschnürt hatte. Natürlich nicht, ohne wie zufällig über ihren Allerwertesten zu streichen und dabei zufrieden zu glucksen.

    Dieser …! ‘, dachte Guilia wütend und biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu fluchen. Angestrengt wartete sie, bis das metallische Knacken und Knarren in ihrem Rücken ihr verrieten, dass die Tür zur Freiheit nun offenstand. Theoretisch zumindest.

    Tancredi packte sie am Arm und zog sie mit sich in Richtung Wachstube. Unauffällig drehte die junge Frau ihre Handgelenke.

    Selbstverständlich hatte sie kein Glück.

    Man konnte dem Mann vorwerfen, was man wollte, aber Fesseln und Knoten gehörten offenbar zu den wenigen Dingen, von denen der perverse Sack etwas verstand. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, warum das so war.

    Als sie den Aufenthaltsraum erreichten, trafen sie Tancredis Kollege bereits vor der Tür an. Zu Guilias Verwunderung bugsierten die beiden sie bloß in den Raum hinein, ohne ihr zu folgen, und verschlossen sofort die Tür.

    Der Raum war klein, aber sauber, seine Einrichtung – eigentlich achtete Guilia nicht besonders darauf, wie das Innere genau aussah. Etwas anderes, weitaus Wesentlicheres hatte ihre Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.

    In die gegenüberliegende Wand war ein schmales Fenster eingelassen, das den Raum mit Licht flutete. Da es geöffnet war, wehte sogar eine wenig angenehm duftende, dennoch seltsam erfrischende Luft durch das Zimmer. Sie hätte das Streicheln des Windes auf ihrer Haut sicher genossen – wäre da nicht die Person gewesen, die mit dem Rücken zu ihr vor dem geöffneten Fenster stand und sich nun langsam zu ihr umdrehte.

    Giulia hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen. Sie schien um die vierzig Jahre alt zu sein, schätzte sie, auch, wenn der harte Gesichtsausdruck und die deutlich sichtbaren Furchen um ihre Mundwinkel sie älter aussehen ließen. Die weißen Haare, die an den Wurzeln einen ganz feinen Grad braun erkennen ließen, waren von der Stirn bis zum hinteren Ende des Kopfes in einem schmalen Streifen wegrasiert worden. Die blassrote Robe, in die sie gehüllt war, war ein weiteres Indiz dafür, in wessen Auftrag sie hier war.

    Eine Anhängerin des Rosenordens‘, dachte Giulia verwundert. Die Blumenpriester, wie sie auf der Straße abfällig bezeichnet wurden, verehrten keine Götter oder Wald- und Flussgeister. Sie huldigten der Natur selbst als allumgebende Kraft und fanden immer mehr Zulauf aus allen möglichen Schichten der Gesellschaft.

    Die entscheidende Frage war nur: Was führte einen ihrer Anhänger ausgerechnet hierher?

    Plötzlich schüttelte ihr Gegenüber den Kopf und stemmte die Hände in die Hüften.

    „Nicht ideal, aber wir müssen wohl mit dem arbeiten, was wir zur Verfügung haben.“

    Für einen Moment vergaß Giulia die prekäre Lage, in der sie sich befand. ‚Was fällt ihr ein? ‘, dachte sie erhitzt. ‚Die will doch was von mir, dann soll sie sich auch nicht so aufspielen!

    Am liebsten hätte sie die Priesterin angekeift oder sich wie eine Furie auf die Frau gestürzt. Doch leider fehlte ihr trotz all der Jahre auf den Straßen und in der Wildnis, trotz allem, was sie erlebt hatte, noch immer etwas Entscheidendes: Der Mut zu direkten Konfrontationen. Also brodelte es weiter in ihrem Innern, doch sie schwieg und presste die Zähne so fest aufeinander, dass es beinahe schmerzte.

    „Mein Name ist Basile“, verkündete die mysteriöse Frau schließlich in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, wer hier das Sagen hatte. Gemessenen Schrittes ging sie auf Giulia zu. Diese machte sich nicht die Mühe, die Freundlichkeit zu erwidern - vermutlich wusste Madame Gewürzrose ohnehin, wer sie war.

    Direkt vor Giulia blieb sie stehen, umfasste ihr Kinn und drehte den Kopf unsanft von einer Seite zur anderen, hob mit ihrer behandschuhten Hand einzelne Haarsträhnen hoch und betrachtete aufmerksam die Kopfhaut. Diese Inspektion wie auf einem Viehmarkt zehrte schwer an Giulias Nerven und Geduld, und als Basile geräuschvoll an ihrem Nacken schnüffelte, war selbst für sie die Grenze des Ertragbaren überschritten.

    Wütend holte sie tief Luft, um der Priesterin die Meinung zu sagen, doch genau das entpuppte sich als Fehler. Erneut wurde sie von heftigen Hustenkrämpfen geschüttelt und spürte das vertraute Rasseln gefährlich schwer in ihrer Brust.

    Basile packte die junge Frau am Arm und drückte sie schnell auf einen nahestehenden Stuhl. Sie wuchtete einen kleinen Korb auf den Tisch und entleerte den gesamten Inhalt achtlos auf dem Esstisch. Neben ein paar Schriftrollen und einer Ledermappe plumpsten ein Stück Käse, ein Kanten Brot und ein bauchiges Bündel auf den Tisch, das dem köstlichen Duft nach zu urteilen gebratene Hammelkeule enthalten müsste.

    Giulia schaffte es zwar nicht, richtigen Appetit zu entwickeln, doch die Konzentration auf das Essen und die Gerüche vor ihrer Nase halfen ein wenig. Schwer atmend lehnte sie sich im Stuhl zurück und bemühte sich, die Fassung wiederzugewinnen.

    Basile hatte inzwischen gefunden, was sie suchte, und entkorkte einen offensichtlich robusten, mit groben Schnüren umwickelten Flakon. Ein intensiver, erdiger Duft strömte daraus hervor und bevor die junge Frau protestieren könnte, hatte die Priesterin ihr den Kopf zurückgebogen und ihr das bittere Gebräu in den Mund gekippt.

    „Du wärest gut daran, das zu schlucken“, meinte sie streng, doch auch eine Spur Besorgnis war in ihrer Stimme zu hören. Zur Sicherheit beließ sie es nicht bei dem Ratschlag, sondern drückte Giulias Kopf noch weiter in den Nacken und zwang sie so, die bittere Flüssigkeit hinunterzuschlucken. Zufrieden nickte die Priesterin und verbarg jede Spur von Mitgefühl wieder sorgfältig hinter ihrer harten Maske. In nüchternen Ton stellte sie fest: „Du wirst wohl noch ein paar Tage behandelt werden müssen, bevor wir dich einsetzen können ... was soll's, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Sie bemerkte Giulias fragenden Blick und hob abwehrend die Hand. „Mir ist durchaus bewusst, dass du keine Ahnung hast, was hier vor sich geht - wie solltest du auch? Aber für ein mühsames Frage-Antwort-Spielchen ist weder jetzt noch hier der geeignete Ort oder die richtige Zeit. Im Ordenshaus wird man dir alles weitere erklären.“

    Offenbar brauchten diese Leute sie für irgendetwas. Vielleicht lag es an diesem Gedanken, vielleicht auch an den Medikamenten, aber ein kleiner rebellischer Funke glomm in Giulia auf. Also hob sie eine Augenbraue und fragte: „Und wenn ich mich weigere, mitzukommen?“

    Basile hob die entgegengesetzte Augenbraue. „Dann endest du wohl auf dem Schafott“, konterte sie gerade heraus und erhob sich.

    Giulia atmete tief ein und aus, was ihr jetzt deutlich weniger Probleme machte als zuvor. Ein flaues Gefühl sammelte sich in ihrem Magen, während sie die Priesterin dabei beobachtete, wie sie die verstreuten Habseligkeiten wieder einsammelte und in ihrem Korb verstaute.

    Ich hoffe, das läuft nicht auf eine dieser ‚lauf von A nach B und hol unter Lebensgefahr das Ding Z‘-Geschichten hinaus ‘, dachte sie und kaute nervös an ihrer Unterlippe. ‚Die konnte ich noch nie leiden.

    Dann fiel ihr Blick auf das noch immer geöffnete Fenster.




  • Hallo na! ♥

    Neues Kapitel, juhu. Direkt mal kommentieren habe ich gehört. Richtig schlimm übrigens - du hast mir Lust auf eine eigene FF gemacht. Schäm dich! Wobei nun einige andere dir wohl danken würden, weil sie mal wieder was von mir lesen wollen, lul. Aber egal, darum geht's grad nicht. Geht um dich und deine Geschichte, jaja. Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, wie lustig ich den FF-Namen finde? Liegt vermutlich daran, dass ich am Anfang "Alea intakt Rest" gelesen habe und mich gefragt habe, ob du auf der Tastatur ausgerutscht bist. *räusper* Aber die wirkliche Bedeutung finde ich ... Überraschung ... echt zur Geschichte passend. Immer diese böse, bösen Würfel. Was sie nur für die Charaktere bereithalten?


    Okay, bevor ich was zum Kapitel an sich sage: Was zum Teufel ...? xD

    Ich glaube, da ist irgendwas schief gelaufen, meine Liebe. Das Kapitel scheint doppelt drin zu sein und auch der Code am Ende will nicht so ganz, wie er sollte. Als ich das Kapitel gelesen habe war ich so: Hm, ja, ja ... warte, ist das nicht das gleiche Kapitel nochmal? Und ja. In der Tat. Scheinbar hast du irgendwie das Kapitel doppelt drin. *grins*

    So, nun zum eigentlichen Geschehnis.


    Ich liebe Guilia, lol.

    Ernsthaft. Ich mag ihre Charakterbeschreibung bisher total. Sie erscheint mir richtig sympathisch - zumindest so sympathisch, wie dir ein Charakter in einer solch missligen Lage erscheinen kann, haha. Ich muss sagen, dass der Break bzw. Zeitsprung von 12 Jahren doch schon recht unerwartet kam. Ohnehin hat das Kapitel sehr unvermittelt angefangen. Man wusste im ersten Moment gar nicht, was überhaupt los ist. Nur, dass ganz schön viele Dinge falsch gelaufen sind. Und na ja, irgendwie musste ich lachen. ): Hat mich so ein bisschen an das "Wenn etwas schief gehen kann, geht es auch schief" erinnert.

    Also da war dieses Amulett, was sie geklaut hat. Warum? Keine Ahnung. Für wen? Ebenfalls kein Plan. Scheinbar war das eine dieser dummen Ideen, die man im Leben trifft. Ich frage mich, ob man dazu noch mehr erfahren wird. Immerhin ist das ja der Grund, warum die Gute im Gefängnis saß. Und überhaupt: Wo ist Marco? Tot? Irgendwo anders? Verloren gegangen? Da interessierts mich auch noch immens, was der eigentlich macht.

    Orden der Rose ... ernsthaft? xD'' Meine Gedanken brauch ich dir wohl nicht mitteilen an der Stelle, haha. Vor allem nicht in der Kombination mit der komischen betrunkenen Wache. Urgh. Der war mir unsympathisch. Der hat mich irgendwie an einen richtig schmierigen Typen erinnert, dem man nicht über den Weg laufen will. Vor allem der Popograbscher. Ich glaube, ich wäre auch innerlich an die Decke gegangen.

    Okay, die komische Frau ist ... komisch. Wobei ich sie auch sehr interessant finde. Was sie wohl von Guilia will? Dieses "Wir holen dich aus dem Gefängnis raus und dafür machst du xy" ist meistens kein gutes Zeichen. Wobei da mitunter auch sehr unterhaltsame Dinge passieren, aber nun gut. Ich werde wohl noch dahinter kommen, was es damit auf sich hat. Mit den Gartenblumen, jaja.


    Uff, ja. Ich mochte das Kapitel. :3

    Bis zum Nächsten!


  • Na, mein Fürst?

    Richtig schlimm übrigens - du hast mir Lust auf eine eigene FF gemacht.

    Na dann mal los! Wenn du Würfel benutzen willst, stell ich mich gern fürs Werfen zur Verfügung :3


    Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, wie lustig ich den FF-Namen finde? Liegt vermutlich daran, dass ich am Anfang "Alea intakt Rest" gelesen habe und mich gefragt habe, ob du auf der Tastatur ausgerutscht bist. *räusper* Aber die wirkliche Bedeutung finde ich ... Überraschung ... echt zur Geschichte passend. Immer diese böse, bösen Würfel. Was sie nur für die Charaktere bereithalten?

    Ne xD hast du nicht. Aber besser, als wenn du rektal oder so gelesen hättest *hust*

    Im Grunde ist der Titel ja total schlicht und ... vielleicht schon zu simpel. Zumal er zur Handlung nur am Rande passt, aber ich mochte ihn als Projekttitel


    Okay, bevor ich was zum Kapitel an sich sage: Was zum Teufel ...? xD


    Ich glaube, da ist irgendwas schief gelaufen, meine Liebe. Das Kapitel scheint doppelt drin zu sein und auch der Code am Ende will nicht so ganz, wie er sollte. Als ich das Kapitel gelesen habe war ich so: Hm, ja, ja ... warte, ist das nicht das gleiche Kapitel nochmal? Und ja. In der Tat. Scheinbar hast du irgendwie das Kapitel doppelt drin. *grins*

    ... ups. Ja, die Hälfte hab ich wieder rausgekratzt^^"

    Hast du immer noch Probleme mit dem Code? Bei mir war da nichts


    Ich liebe Guilia, lol.


    Ernsthaft. Ich mag ihre Charakterbeschreibung bisher total. Sie erscheint mir richtig sympathisch - zumindest so sympathisch, wie dir ein Charakter in einer solch missligen Lage erscheinen kann, haha.

    Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht so ganz genau, wo ich mit ihr hin will. Aber sie hat im Laufe der Jahre gelernt, zu tun, was nötig ist, um ihr überleben zu sichern. Schön, dass sie dir bis jetzt gefällt!


    Ich muss sagen, dass der Break bzw. Zeitsprung von 12 Jahren doch schon recht unerwartet kam. Ohnehin hat das Kapitel sehr unvermittelt angefangen. Man wusste im ersten Moment gar nicht, was überhaupt los ist. Nur, dass ganz schön viele Dinge falsch gelaufen sind.

    Der Zeitsprung hängt einerseits mit dem Wurf zusammen - Knast bot sich bei den Bildern irgendwie an und sie z.B. direkt in der Küstenstadt einlochen zu lassen, das wäre irgendwie ... mh, das hätte denke ich nicht so gut gepasst. Außerdem wollte ich bewusst in eine ganz andere Situation hineinwerfen - einfach, weil das Folgende wichtig sein und das, was dazwischen passiert ist, eher HIntergrundzeugs sein soll.


    Also da war dieses Amulett, was sie geklaut hat. Warum? Keine Ahnung. Für wen? Ebenfalls kein Plan. Scheinbar war das eine dieser dummen Ideen, die man im Leben trifft. Ich frage mich, ob man dazu noch mehr erfahren wird. Immerhin ist das ja der Grund, warum die Gute im Gefängnis saß.

    Das Warum und für wen ist eigentlich (noch?) nicht entscheidend - du hast recht, es ist eine dieser "Entscheidungen", die sie in ihrem Fall aus Notwendigkeit getroffen hat. Sie hat ... diverse Probleme in der Stadt und wollte sie schnellstmöglich verlassen, aber dazu braucht sie genug Kohle.

    Hat ja nun nicht so reibungslos geklappt, haha


    Und überhaupt: Wo ist Marco? Tot? Irgendwo anders? Verloren gegangen? Da interessierts mich auch noch immens, was der eigentlich macht.

    hast du eigentlich an Mannimarco gedacht, als du den Typ gelesen hast? ich nicht, mir fiel es nur gerade so auf xD

    Kann ich mir denken - auf jeden fall ist er nicht mehr mit Giulia unterwegs. So viel sei verraten :3


    Orden der Rose ... ernsthaft? xD'' Meine Gedanken brauch ich dir wohl nicht mitteilen an der Stelle, haha.

    DAS WAR KEINE ABSICHT xDDDDDD Da war wohl irgendein Prinz in meinem Kopf, haha. Nein keine Ahnung, warum Rosen eigentlich ... das ergab sich so beim Schreiben. Ursprünglich sollte da ja ein Mitglied so einer stadtbekannten Bande sitzen, aber das kam mir dann irgendwie merkwürdiger vor.


    Vor allem nicht in der Kombination mit der komischen betrunkenen Wache. Urgh. Der war mir unsympathisch. Der hat mich irgendwie an einen richtig schmierigen Typen erinnert, dem man nicht über den Weg laufen will. Vor allem der Popograbscher. Ich glaube, ich wäre auch innerlich an die Decke gegangen.

    Ich habe fast die Befürchtung, der riecht zu sehr nach Klischee. Aber dann habe ich mir gedacht: Naja, der ist halt so. Der hat so viel durch, dem ist sein Verhalten einfach pupsegal.


    Okay, die komische Frau ist ... komisch. Wobei ich sie auch sehr interessant finde. Was sie wohl von Guilia will? Dieses "Wir holen dich aus dem Gefängnis raus und dafür machst du xy" ist meistens kein gutes Zeichen. Wobei da mitunter auch sehr unterhaltsame Dinge passieren, aber nun gut. Ich werde wohl noch dahinter kommen, was es damit auf sich hat. Mit den Gartenblumen, jaja.

    Jah, die versucht son bisschen auf hart zu machen, hatten aber einen ganz soften Kern. Naja, teilweise wenigstens. Die Situation an sich ist ja klassisch, wenn nicht zu sagen klischeehaft, aber hier hat das nichts mit Auserwähltendasein oder so zu tun. Auf die Aufgabe, die sie erledigen sollte, kommen wir später irgendwann zurück (hoffe ich jedenfalls), aber Giulia selbst war/ist dafür relativ austauschbar.


    Uff, ja. Ich mochte das Kapitel. :3

    Das freut mich. ich bin gespannt, was bei dem rauskommt, was du gewürfelt hast ... :'D

    Bis zum nächsten mal. Und geh mal deine Weinberge löschen, die kokeln noch son bisschen.

  • so, hier kommt der versprochene Text!


    Prolog

    Ich finde die Idee mit der Reise aus dem Dorf raus als eine gute Sache! Ich habe leider gerade nicht ganz im Kopf, mit welchen Alter die Kinder das Dorf verlassen. Ich habe nur eine Stelle gefunden wo was stand, dass sie bald Erwachsen sind (also gehe ich mal von 17 Jahren aus oder war es damals nicht mit 20/21 Jahren erst erwachsen?).Man hätte die Kinder im Alter von 10 Jahren auf die Reisen schicken sollen, Pokemon Trainer kriegen das doch auch hin xD

    Mich würde es ja freuen, wenn die beiden alten Herren nochmal vorkommen würden in der Geschichte. Ob nun, dass man mehr von ihrer Geschichte erfährt oder den Kindern wieder begegnet. Toll fände ich es auch, mehr von den Kindern zu erfahren, wie die so sind und sowas halt, also vorgeschichte, mehr Infos (neugierig, ich sein). :D


    1. Kapitel

    Erstmal dachte ich mich, ich habe mit verlesen mit dem großen Zeitsprung. Was ist in der Zwischenzeit passiert, warum sind sie nur noch zu zweit, etc. Soviele offene Fragen, soviel neugierde die Befriedigt werden möchte. Gib mir Filler Kapitel xD

    Was ich mich auch Frage, diese Krankheit names Lungennebel, hatte sie das schon immer, kam das erst in diesem riesigen Zeitsprung, ist diese Heilbar und soweit. Zu viele Fragen offen, zu viel neugierde x.x

    Aber mal ne andere Frage, gibt es auch eine weniger kinderfreundliche Variante von dem Text, wenn dem Mädel schon auf den Hinter gefasst wird? xD



    Zu beiden noch was: Mir gefällt deine Schreibweise und die Art und Weise, wie du die Sichten zeigst und beschreibst. Ich hätte nur eine Bitte: Lass mich nicht mit noch mehr Fragen zurück mit den nächtsen Kapiteln, sonst wird es noch unerträglicher auf das nächste Kapitel zu warten und zu hoffen, dass was geklärt wird xD

    Aber wie schon angedeutet: Mehr, give me more! My Soul is ready for more!

  • Sag du nochmal, du weißt nicht, was du schreiben sollst, Onel !

    Hat mich sehr, sehr gefreut, dass du mich mit einem Kommi beehrt hast^///^


    Die ziehen so etwa mit 15 los. Sie bekommen eine gewisse Grunderziehung und werden intensiv auf dieses Jahr vorbereitet. Deswegen und weil davon ausgegangen wird, dass sie in der Regel sowieso nicht weit weggehen, ziehen sie in dem Alter los. Wobei früher auch möglich wäre, aber die Grunderziehung ist zumindest in Königstein wichtig, da sie theoretisch ja auch gar nicht mehr zurückkommen könnten.


    "Die beiden alten Herren", meinst du Nicolo und Matteo? Nicolo ist gar nicht so alt, vielleicht Ende 20 zum Zeitpunkt der Ausreise, evtl. auch etwas jünger. Aber die kommen bestimmt noch irgendwann wieder, nur liegt das nur bedingt in meiner Hand, haha xD


    Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich mit den Kapiteln springe - also abwechselnd Gegenwart und Vergangenheit erzähle, so ähnlich, wie es in "Once upon a time" gemacht wird. Nur kam ich zu dem Schluss, dass man das in einer Fernsehserie wie Ouat durch den optischen Wechsel viel deutlicher machen kann, wobei selbst das schon manche Zuschauer verwirrt. In einer geschriebenen Geschichte wäre das auf Dauer glaube ich zu wirr und würde zu sehr rausreißen. Aber über die Zwischenzeit erfährt man an geeigneten Stellen bits and pieces, na klar :)


    Nein, eine weniger kinderfreundliche Variante gibt es nicht, aber es ist ja noch nicht bekannt, was zuvor alles passiert ist


    Haha, es freut mich total, dass dir die Geschichte so viel Spaß zu machen scheint und dir der Schrewibstil gefällt - ich bemühe mich auch, meine poetische Ader etwas zurückzuschrauben, damit der Fokus auf der Handlung liegt. Vielen, vielen Dank für diesen lieben Kommentar, ich hoffe, ich seh dich beim nächsten mal wieder!


    lg


    ~ Sheo


    P.S.: Für deinen ersten Kommentar in dieser Geschichte erhältst du die Ehre, die Würfelsets für den Wurf zu Kapitel 3 auszuwählen :3


    - Original

    - Actions

    - voyages

    - spurensuche

    - verzaubert

    - schrecken

    - animalia

    - Mythen

    - mittelalter

    - Intergalaktisch

    - Urzeit


    Die ersten drei Sets haben je 9 Würfel, die anderen je drei. Bitte wähle die Sets so, dass insgesamt mindestens 9 Würfel in den Wurf kommen. Hast du insgesamt mehr als 9 Würfel ausgewählt (z.B. voyages + Urzeit + spurensuche = 15 Würfel), kann es passieren, dass nicht aus jedem Set Würfel enthalten sind, weil die App die Würfel für den Wurf dann zufällig zusammenschmeißt.

  • Kapitel 2: Schmetterlingseffekt



    Hinweis: Im letzten Abschnitt spielt Gewalt eine zentrale Rolle.



    Müde und angespannt schleppte Giulia sich durch die Gassen. Bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen, fürchtete, von irgendjemandem erkannt und gefasst zu werden.

    Ihre Lage wurde zunehmend düsterer. Auch, wenn man den heutigen Morgen eigentlich als gegenteiliges Omen deuten könnte.


    Sie hatte die Gelegenheit zur Flucht sofort erkannt und keinen Moment gezögert. Instinktiv war sie aufgesprungen und auf das offene Fenster zugerannt. Noch bevor die Anhängerin des Rosenordens nach den Wachen rufen konnte, war Giulia auch schon aus dem Fenster gesprungen. Die Landung war zwar sehr unsanft gewesen, aber da sich die Wachstube des Gefängnisses nur gut einen Meter über dem Boden befand, hatte sie das in Kauf genommen und durch geschicktes Abrollen ihren Schwung genutzt, um im richtigen Moment wieder auf die Beine zu springen. So schnell sie konnte war sie in dem Labyrinth aus Gassen und Abzweigungen verschwunden, das Thengen wie ein feines Netz durchzog.


    Die Ausweglosigkeit ihrer Situation war nach der anfänglichen Euphorie mit aller Macht auf sie eingestürzt.

    Sie schuldete beinahe jeder Untergrundbande der Stadt Geld, hatte sie bestohlen oder anderweitig verärgert. Außerdem war klar, dass der Orden, der sie offenbar für irgendeine dubiose Aufgabe hatte anheuern wollen, sie nun bestimmt nicht mehr freikaufen würde.

    Feinde an allen möglichen Ecken, niemand, der ihr Schutz bieten würde, nur das bisschen Proviant und Geld, das sie auf dem Markt gestohlen hatte - wie hatte bloß so vieles so furchtbar schiefgehen können?

    Verzweiflung drohte sie zu übermannen. Ihr Atem ging stockend und sie musste sich an einer Mauer abstützen, um nicht zusammenzubrechen.

    „Eine Möglichkeit habe ich noch“, flüsterte sie leise. Immer wieder, wie ein Mantra, wie einen Zauberspruch, um sich Mut zu machen.

    Ganz langsam beruhigte sich ihr Herzschlag, bis sie ihren Weg fortsetzen konnte.

    Ja, eine Möglichkeit gab es noch: Sie musste unbedingt jemanden finden, der ihr half, aus der Stadt zu fliehen. Und es gab eine Person, die sicherlich großes Interesse an ihrem Verschwinden hatte.

    Ein paar letzte, aufgeplatzte Stufen stieg die hinunter, dann befand sie sich in einem alten, vergessenen und verwilderten Hinterhof. Ein Ort, der ihr so vertraut war, als wäre sie erst kürzlich hier gewesen - obwohl tatsächlich fast zwei Jahre seit dem letzten Mal vergangen waren.

    Sie bewegte sich langsam auf die kleine Mauer zu, die ganz unscheinbar am anderen Ende des Innenhofes entlanglief und hockte sich nieder. Das gesamte Mauerwerk, das in der späten Abendsonne wie in Flammen getaucht zu sein schien, war von Schlingpflanzen im Laufe der Zeit so stark überwuchert worden, was die darunter liegenden Steine kaum noch erkennbar waren. Geschweige denn das schmiedeeiserne Tor, das genau in der Mitte eingelassen war.

    Giulia tastete hinter den Ranken nach dem schmalen Loch, das sich direkt neben dem verborgenen Tor befand, und steckte ihre Hand hindurch. Mit geübten Fingern formte sie das komplexe Erkennungszeichen, dann wartete sie.

    Ganz deutlich konnte sie das Blut in ihren Ohren rauschen hören, wie die Wellen des Meeres, die sich an einer unnachgiebigen Steilküste brachen.

    Plötzlich erklang ein leises, metallisches Klimpern, und Giulia stieß erleichtert die Luft aus.

    Schnell schlüpfte sie durch den schmalen Spalt, der sich zwischen den Ranken aufgetan hatte und fast lautlos wieder hinter ihr schloss.

    Hinter dem natürlichen, grünen Vorhang war es finster und angenehm kühl. Kein Lichtstrahl schien durch die Schlingpflanzen zu dringen, doch für Giulia war das keineswegs furchterregend. Es war eher ein vertrautes Gefühl, das sie beruhigte und ihr eine Form von Sicherheit gab, wie sie sie lange nicht gespürt hatte.

    Eine plötzliche Bewegung zu ihrer Linken ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Aus einer Öffnung in der Wand kam ein wahrer Hüne von einem Mann, über dessen Handfläche eine kleine, leuchtende Kugel schwebte. Giulia musste ihre Augen mit dem Arm abschirmen, um mehr erkennen zu können. Der Mann trug eine alte Weste, die aus verschiedenen Tierfellen zusammengenäht war, und die Muskeln unter seiner gräulich schimmernden Haut ließen keinen Zweifel daran, dass man sich mit ihm nicht anlegen sollte. Was an ihm aber am meisten hervorstach, war, dass er nur ein Auge besaß. Es prangte in der Mitte der Stirn und blickte mit ernstem Blick auf Giulia hinab.

    „Danke Sam“, stieß sie mit einem leichten Seufzer hervor, „aber du hättest mich fast zu Tode erschreckt!“

    Der Angesprochene schnaubte. „Dank mir nicht zu früh, kleine dessa“, erwiderte er mit besorgtem Unterton in der Stimme. Dessa, ‚Gänseblümchen‘ in der Muttersprache des Zyklopen ... Giulia musste lächeln. So hatte er sie früher auch immer genannt.

    Als er das Licht etwas dimmte, nahm sie den Arm runter und legte ihn in einer, wie sie hoffte, beruhigenden Geste auf den des Torwächters.

    „Ich hätte mir auch gewünscht, dich unter besseren Umständen wiederzusehen“, entgegnete sie mit mattem Lächeln, „aber es ist leider ... kompliziert.“

    Sam nickte langsam. Natürlich hatte er von dem gehört, was ihr widerfahren war, seit sie die Bande der Falter hatte verlassen müssen.

    „Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dir viel Glück zu wünschen, Kleines.“ Sein Gesicht hatte einen sehr ernsten Ausdruck angenommen und die Falten über seinem Auge sich bedenklich vertieft.

    Ich hätte nicht gedacht, dass meine Chancen so schlecht stehen‘, dachte sie. Doch es gab jetzt kein zurück mehr.

    Giulia drückte noch einmal den Arm den Zyklopen und wandte sich schnell ab, damit Sam die Tränen in ihren Augen nicht sah.

    „Es wird schon“, sagte sie leise. Sie wusste nicht, wen sie damit beruhigen wollte: Ihn oder sich selbst.


    Es war erstaunlich, dass die meisten Thengener nichts von dem Wunder ahnten, das sich direkt unter ihren Füßen befand.

    Als vor hunderten von Jahren die Raubritterkriege im Reich gewütet hatten, hatte es hier noch keine größere Siedlung gegeben. Dennoch waren die umliegenden Dörfer des Tales bei herannahenden Armeen und anderen Gefahren in das damalige Dorf Thengenheim geströmt. Denn dieser kleine Ort barg ein Geheimnis - eine Stadt, verborgen unter tiefen Schichten aus Erde und Gestein. Ein komplexes Geflecht aus Tunneln und zahlreichen Hohlräumen erstreckte sich auf mehreren Ebenen unterhalb der Erde. Bereits vor Ankunft der ersten Siedler war die weitläufige Anlage in den weichen Stein gehauen worden und diente seit ihrer Entdeckung den Dörflern als Zufluchtsstädte. Wer oder was diese unterirdische Stadt geschaffen hatte, wusste niemand. Vielleicht handelte es sich um eine verlassene Siedlung der sagenhaften Erdvölker - oder etwas vollkommen anderes. So oder so, im Laufe der Jahre war das alles in Vergessenheit geraten und nur noch Teile der thengener Unterwelt wussten von der Existenz des Tunnelsystems.

    Giulia seufzte und massierte sich den Nacken. Es war nicht überraschend, dass Missani sie warten ließ. Es war auch nicht überraschend, dass sie nicht in den ausladenden Raum mit dem beeindruckenden Steinthron geführt worden war, den der Anführer der Bande für den Empfang wichtiger Gäste nutzte. Aber allmählich machte sie das Warten nervöser, als ihr lieb war. Die Tatsache, dass das bevorstehende Wiedersehen mit dem Anführer der Falter ihr verräterisches Herz schneller schlagen ließ, machte es nicht besser. Und sich in der Geschichte dieses Verstecks, das einmal auch ihr Zuhause gewesen war, zu verlieren, schien ebenfalls nicht zu helfen.

    Giulia schloss die Augen. Sie erinnerte sich noch gut an die Nacht, die alles verändert und dazu geführt hatte, dass sie aus der Bande geworfen worden war - obwohl sie wohl dankbar sein sollte, dass es dabei geblieben war. Jene Nacht, in der die Mutter von Missanis kleinem Sohn Milano zu Tode gekommen war. Sie verfolgte sie oft bis in die Träume, in einsamen, kalten Nächten, wenn sie schreiend aufwachte, wie ein gehetzter Steinbock durch die Straßen rannte, bis sie an irgendeiner Mauer erschöpft in sich zusammensackte und endlich ihren Tränen freien Lauf ließ-

    „Giuuuuu!“

    Der plötzliche, hohe Schrei riss Giulia so abrupt aus den Gedanken, dass sie sich beinahe beim Luftholen verschluckt hätte.

    Ein kleiner Junge, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, rannte mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu.

    Die haselnussbraune Haut des Kleinen schimmerte im Licht der Fackeln und sein schwarzer Lockenkopf wippte aufgeregt auf und ab, als er ihr auch schon in die Arme fiel - oder eher Giulias Beine fest umklammerte.

    „Giulia, wo warst du, wo warst du?“, rief er halb aufgeregt, halb vorwurfsvoll. „Papa hat gesagt, du wärst weggegangen!“

    Giulia beugte sich zu dem kleinen Jungen hinab, der sich nur widerstrebend von ihr löste.

    „Es tut mir Leid, mein kleiner-“, begann sie, doch als sie sah, wie sich sein Blick verfinsterte, korrigierte sie sich schnell. „Mein großer Freund“, berichtigte sie sich mit ernster Stimme und strich ihm behutsam durchs Haar. „Es tut mir Leid ... ich habe dich auch sehr vermisst.“

    Bei dem Gedanken, dass sie Milano, den sie bereits nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen hatte, nie wieder sehen würde, schien ihr Herz in tausend Stücke zu zerspringen.

    Sie wollte ihm sagen, dass sie sich bald wohl gar nicht mehr sehen würden, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.

    Sie überlegte angestrengt, was sie erwidern könnte, als Milano schon weiterplapperte: „Ich habe so viele tolle Ideen, Giulia! Papa hält sie für Kinderträume, obwohl ich doch schon groß bin, und will mir gar nicht zuhören, aber dir muss ich alles erzählen! Guck Mal!“ Er zog ein zerknitterten Stück Papier aus der Hosentasche, das wohl einmal ein Plakat gewesen sein musste, und reichte es ihr. „Das habe ich für dich gemacht!“, rief er mit glitzernden Augen und deutete auf die Zeichnung, die er mit einem Stück Kohle auf die Rückseite gemalt hatte. Sie zeigte etwas, das man am Besten als Ball mit Armen und Klauen beschreiben könnte. Ein rundes Objekt, an dessen Seiten kleine Striche nach außen liefen und in tödlich aussehenden Krallen endeten.

    „Das“, raunte Milano verschwörerisch, „wird meine erste große Erfindung, wenn ich mal groß- noch größer bin! Ein automatischer Diener, oder so, der Name steht noch nicht fest! Ich werde ihn aus Holz und Metall und Glas und Stein und ganz harten Sachen bauen, damit er alle beschützen kann und uns hilft - ist das nicht toll?“

    Giulia betrachtete das Bild mit einem traurigen Lächeln. „Eine wundervolle Idee“, erwiderte sie. „Du wirst bestimmt einmal ein großartiger Erfinder sein.“

    Der vor Freude fast platzende Junge wollte offensichtlich noch etwas hinzufügen, doch er kam nicht dazu.

    „Wie ich sehe, müssen wir ein ernstes Wort zum Thema Gehorsam wechseln, junger Mann“, sagte eine tiefe, ruhige Stimme unvermittelt. Eine Stimme, die Giulia heiße und kalte Schauer über den Rücken jagte.

    Mit zitterndem Atem hob Giulia den Blick.

    Massani war noch immer so atemberaubend, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Seine Haut war dunkler als Milanos, wie glatt gestrichener, bitter-süßer Kakao, der im Schein der Fackeln verführerisch glänzte. Sein Haar, das noch wilder gelockt war als das seines Sohnes, fiel ihm in Wellen auf die Schultern.

    Heiße Schauer jagten durch Giulias Körper und ließen ihr Herz wild in ihrem Brustkorb galloppieren. Sie hatte gedacht, sie hätte mit der Zeit gelernt, den Mann zu vergessen, den sie heiß und innig geliebt hatte, ihn aus ihrem Herzen verbannt zu haben. Offensichtlich war das ein Irrtum gewesen.

    Der Blick seiner bernsteinfarben Augen hatte etwas Hartes, Unnachgiebiges, das das höfliche Lächeln, mit dem er sich an seinen Sohn wandte, falsch erscheinen ließ.

    „Milano“, sagte er sanft, „Giulia und ich müssen etwas Wichtiges besprechen.“ Als er die enttäuschte Miene seines Sohnes sah, beugte er sich hinab und wuschelte ihm durchs Haar. „Du kannst ja schauen, was unser guter Schmied so macht. Vielleicht darfst du wieder helfen?“

    Milanos Augen leuchteten und Giulia musste unwillkürlich lächeln, als er auf und ab hüpfte und ganz schnell den Raum verließ. Die Begeisterungsfähigkeit des Jungen war immer noch so herzerwärmend, wie sie in Erinnerung hatte.

    Als Milanos fröhliches Lachen im Gang verhallt war, wandte Missani sich zu Giulia um. Einen Moment schwiegen beide, dann schnaubte er und schüttelte den Kopf.

    „Du musst wirklich verzweifelt sein, wenn du wieder hier auftauchst“, sagte er und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

    Verzweiflung brodelte langsam immer stärker in Giulias Innerem. Früher hatten die Augen des Schmetterlingskönigs vor Leidenschaft und Zuneigung geglüht, wenn er sie angesehen hatte. Jetzt lagen nur noch Kälte und Verachtung in seinem Blick.

    „Dir ist hoffentlich bewusst, dass Milano der einzige Grund ist, warum du überhaupt hier stehst?“

    Ein weiterer Stich, doch sie zwang sich, die Schultern zu straffen und ihren ehemaligen Geliebten gerade heraus anzusehen.

    „Ja“, erwiderte sie und konnte nur mühsam das Zittern in ihrer Stimme unterdrücken. „Und ich weiß auch, dass du ... mich lieber heute als morgen aus der Stadt verschwinden sehen willst. Wenn du mir hilfst, erfüllt sich dieser Wunsch vielleicht.“

    Ausdruckslos starrte Missani sie an und mahlte angestrengt mit den Kiefern. Der Gedanke, Giulia einen Gefallen zu erweisen, schien ihm nicht gerade Freude zu bereiten.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte er schließlich doch.

    „Na schön. Um Milanos Willen - ich möchte nicht, dass er irgendwann deiner Hinrichtung beiwohnen muss oder mitbekommt, dass deine Leiche in irgendeiner Gosse gefunden wurde. Ich werde dir helfen, aus der Stadt zu verschwinden, und du wirst nie wieder zurückkommen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Von Milano wirst du dich nicht verabschieden. Er hätte dich hier erst gar nicht sehen dürfen.“

    Er setzte sich ohne weitere Worte in Bewegung und bedeutete ihr mit einem knappen Kopfnicken, ihm zu folgen.

    Ich habe erreicht, was ich wollte, ich kann die Stadt verlassen und hingehen, wo mich niemand kennt‘, dachte Giulia und folgte Missani wie in Trance durch die Gänge des Verstecks.

    Warum fühlte es sich nur so an, als würde sie innerlich zerreißen?


    In der fernen Hauptstadt Rasenna blickte Magister Di Caie missbilligend auf das kleine, leblose Wesen auf seinem Seziertisch. Die vier zarten, zerbrechlich wirkenden Flügel waren entweder zerrissen oder mit kleinen Nägeln auf dem hölzernen Tisch festgemacht worden. Der feingliedrige, an einen Menschen erinnernde Körper war übel zugerichtet, die Haut zerfetzt von zahlreichen Stichen und Schnitten.

    Wieder schüttelte der Gelehrte den Kopf und wandte sich schließlich mit kritischem Blick seinem Schüler zu, der abwartend neben der schweren Metalltür lehnte, die den Eingang zum Labor sicher verschloss.

    „Was hast du dir dabei gedacht, Lariś?“, fragte Di Caie herrisch und deutete auf das kleine Wesen, das kaum größer als ein Handteller war. „Weißt du, wie schwer es ist, Feen als Versuchsobjekte zu bekommen? Und du Stümper bringst eines der letzten Exemplare um, das wir hatten!“

    Schnaubend wanderte er zu den wenigen Glasröhren, die noch in einem Regal an der Wand aufbewahrt wurden. In zweien von ihnen hockten apathisch wirkende Feen auf dem Boden, als hätten sie sich bereits mit ihrem Schicksal abgefunden und erwarteten das Unvermeidliche. In der dritten befand sich ebenfalls eines der kleinen Zauberwesen, das sich allerdings nicht mehr rührte und in besonders desolatem Zustand zu sein schien.

    „Kein Sinn für den Umgang mit wichtigen Ressourcen“, murmelte der alte Mann und kritisierte seinen Assistenten damit nicht zum ersten Mal.

    Seit er den Jungen vor einigen Jahren bei sich aufgenommen hatte, hatte dieser enorme Fortschritte gemacht, blieb aber leider ein enttäuschendes Landei, ohne Visionen und den nötigen Sinn für die größeren Zusammenhänge. „Vielleicht sollte ich mich langsam nach einem neuen Mitstreiter für meine Forschung umsehen, nach jemandem, der-“

    Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Heißer, stechender Schmerz bohrte sich plötzlich zwischen seine Rippen und betäubte seine Gedanken mit einer Welle aus Ungläubigigkeit und Schmerz.

    Ein grauenhaftes Gurgeln und Röcheln entfloh Di Caies Kehle und etwas Feuchtes, Warmes rann sein Kinn hinab, während sein Blickfeld langsam verschwamm.

    Doch er fiel nicht zu Boden - noch nicht.

    „Du hast dich einmal zu oft wie ein hochnäsiger Arsch verhalten“, flüsterte sein Assistent mit Genugtuung in das Ohr seines ehemaligen Meisters. Es war das letzte, was dieser je hören sollte. „Ab jetzt werden sich hier einige Dinge ändern. Ich werde Erfolg haben, wo du schon viel zu lange im Nebel stocherst. Ich werde Siegen, wo du gescheitert bist, alter Narr.“

    Er wartete, bis der alte Mann nur noch leblos in seinen Armen ging, dann ließ er ihn achtlos fallen und wischte den Dolch an dessen hellroter Tunika ab. Dann spuckte er mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte, auf den leblosen Körper.

    Ein befreiender Seufzer entschlüpfte den Lippen des Lehrlings. „Jetzt bin ich am Zug“, flüsterte er lächelnd und dachte an den alten, schon etwas muffigen Filzhut, den er vor langer Zeit in seiner Kammer versteckt hatte. Sein Lächeln vertiefte sich. „Ich sollte meine neue Freiheit nutzen, um ein paar alte Rechnungen zu begleichen.“




  • Kapitel 3: Alte Wunden





    Wie konnte man sich nur so hoffnungslos volllaufen lassen?

    Stöhnend rollte Giulia sich auf den Rücken. Eine ganze Armada Feuerspechte schien Löcher in ihren Kopf hacken zu wollen und im Rücken zog und stach es, als hätte sie die ganze Nacht auf dem Kopfsteinpflaster in irgendeiner Gosse geschlafen.

    Sie wusste noch, dass sie sich hemmungslos hatte betrinken wollen. Sie wusste auch, dass sie jemand als moralische Unterstützung hatte begleiten wollen, konnte beim besten Willen aber nicht mehr sagen, wer das gewesen war. Und natürlich erinnerte sie sich daran, weshalb sie diesen Entschluss überhaupt gefasst hatte. Obwohl sie gerade das liebend gern vergessen hätte.

    Denn Niva war zurückgekehrt. Niva, die ausländische Schönheit mit der porzellanweißen Haut, den ebenholzschwarzen Haaren und den fein geschwungenen Gesichtszügen, die nur mit den langen Wimpern klimpern musste, um Männlein und Weiblein gleichermaßen um den Finger zu wickeln. Sie war einmal mit Giulias geliebtem Missani zusammen gewesen – und die Mutter des kleinen Milano. Wut und Schmerz durchzuckten sie, als sie daran dachte, wie dieses Weib wie selbstverständlich wieder im Versteck der Falter erschienen war und so getan hatte, als wäre nie etwas geschehen. Als wäre sie nicht bei Nacht und Nebel verschwunden, hätte ihr wenige Wochen altes Kind zurückgelassen und sich von niemandem verabschiedet, weil sie angeblich das Heimweh geplagt hatte!

    Giulia biss fest die Zähne zusammen und zwang sich, tief durchzuatmen. Niva hatte sie behandelt wie eine Gossenratte und seit dem ersten Tag ihrer Ankunft versucht, sie von Missanis Seite zu verdrängen und ihn wieder für sich allein zu beanspruchen. Als der dann erklärt hatte, dass er sich nicht für eine von ihnen entscheiden würde, weil sie beide einen Platz in seinem Herzen hätten, war Giulia einerseits erleichtert gewesen; andererseits plagte sie seit dem aber auch die Angst, dass die Nähe zur Mutter seines Sohnes ihr den charismatischen Südländer irgendwann entreißen würde. Und momentan hatte sie ganz das Gefühl, als würde Missani zugunsten seiner ‚Familie‘ tatsächlich immer mehr das Interesse an ihr verlieren.

    Bevor sie sich weiter in Bitterkeit verlieren konnte, brandete eine neue Welle Schmerz durch ihren Kopf und ließ sie aufstöhnen. Sie drückte die Finger auf die Schläfen, wollte den entsetzlichen Druck wegmassieren – und hielt in dem Moment inne, als sie ihren Kopf berührte.

    Warum waren ihre Finger so feucht?

    Sie riss die Augen auf, trotz der Dunkelheit der Nacht sah sie das Blut leuchtend rot auf ihren Händen und Armen.

    Verschiedene Eindrücke stürmten auf sie ein: Der Hinterhof bei der alten Brücke. Ein Kater, der in der Nähe schrie. Der feuchte, brackige Geruch des Flusses. Und das Wissen um das, was neben ihr lag.

    Sie sah es nicht, aber sie wusste, was es war, die Erkenntnis kratzte an ihrem Hinterkopf, verschaffte sich langsam aber unaufhaltsam Zugang zu ihrem Verstand. Sie wollte sich nicht aufsetzen, doch sie tat es. Sie wollte sich nicht umdrehten – doch sie tat auch das.

    Neben ihr lag Niva, deren leere Augen sie anklagend anstarrten. Und tief in ihrer Brust steckte eine kurze, scharfe Klinge.

    Giulias Dolch.

    Sie schrie. Schrie und schrie …


    … und schreckte schwer atmend hoch.

    Hektisch floh ihr Blick hin und her, streifte hüfthohe Farne und Büsche, die Stämme alter Laub- und Nadelbäume. Sie ließ sich zurück auf den Teppich aus Nadeln und Laub fallen und ignorierte den Schmerz, als sie auf einem darunter verborgenen Stein landete. Sie zitterte und presste sich die Hände auf die Augen, versuchte, die Verzweiflung zurückzudrängen. Wie immer, wenn sie von jener Nacht geträumt hatte, gelang ihr das nur sehr langsam.

    Anfangs hatte sie noch gedacht, dass ihr das erneute Durchleben des Ereignisses Hinweise darauf eröffnen würde, was genau passiert war. Doch der Großteil ihrer Erinnerungen blieb blank wie eine unbeschriebene Tontafel. Bilder blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Bilder davon, wie sie in ihrer Panik sofort zu Missani gelaufen war, dem sie mehr vertraute als jemandem sonst – wofür sie sich schon so oft verflucht hatte. Wie einige der Bandenmitglieder sie verteidigt hatten, ihr diese Tat niemals zugetraut hätten und letztlich zu einem der ausschlaggebenden Faktoren wurden, wieso Giulia noch lebte. Und besonders erinnerte sie sich an Missanis eisigen Blick, aus dem jede Wärme gewichen war.

    Allmählich wurde Giulias Atem regelmäßiger, die Bilder verloren an Farbe, und sie begann wieder, ihre Umgebung deutlicher wahrzunehmen. Sie hörte das sanfte Flüstern des Windes in den Zweigen, das helle Zwitschern einiger Singvögel und das Krächzen eines Eichelhähers, das ferne Knacken von Ästen und Zweigen. Tief sog sie die feuchte Morgenluft ein, die nach Erde und einer Mischung aus modrigem Laub und getrockneten Tannennadeln roch.

    Sie konnte immer noch nicht glauben, dass ihr ehemaliger Geliebter, der ihr ohne nachzudenken die Schuld am Tod Nivas gegeben hatte, ihr tatsächlich geholfen hatte.

    Man hatte sie über einen der von den Faltern benutzten Tunnel unter den Ringen der Stadtmauern hindurch bis in die Außenbezirke gebracht. Von dort aus hatte sie sich im Schutz der Dunkelheit Richtung Norden geschlichen, unter akribischer Vermeidung der Wege und Dörfer den Waldrand erreicht. Sie war so lange gelaufen, bis sie irgendwo im tiefen Dickicht erschöpft zusammengebrochen war.

    Im Stillen dankte sie dem Schutzpatron des Waldes dafür, dass die Nacht verhältnismäßig milde gewesen war.

    Ihre Augen brannten, doch sie zwang sich, sie trotzdem zu öffnen, und richtete sich auf. Ein plötzlicher Hustenanfall schüttelte sie, doch er war weit weniger schlimm als noch Tage zuvor. Anscheinend hatte sie das der Medizin dieser Priesterin zu verdanken …

    Giulia lächelte schief, angelte sich ihren Beutel und erhob sich. Wenn sie das nächste Mal an einem Rosentempel vorbeikam, würde sie etwas in den Spendenkasten werfen, nahm sie sich vor. Doch zunächst einmal galt es, die Geister der Vergangenheit tief in die Gruft ihrer Gedanken zu sperren und sich den Problemen zu stellen, die unmittelbar vor ihr lagen.

    Denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie als nächstes tun oder wohin sie gehen sollte.

    Sie schob sich etwas hartes Brot aus ihrem Beutel in den Mund und ging zu dem kleinen Bach ganz in der Nähe, um sich für die weitere Reise mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Wohin auch immer die führen mochte …

    Gerade, als sie sich bückte, um eine ihrer Feldflaschen zu füllen, raschelte und knackte es ganz in der Nähe. Reflexartig griff Giulia nach ihrem Messer und spähte konzentriert ins Unterholz, das in der Nähe des schmalen Baches besonders dicht und hoch stand.

    Ein amüsiertes Lachen ließ sie herumfahren.

    Hinter ihr lehnte ein Mann mit verschränkten Armen an einer alten Eiche und grinste sie selbstbewusst an.

    Giulia spannte sich an, bereit, jeden Moment zuzuschlagen, wenn es sein musste. Doch die lockere Haltung des Mannes und seine ganz natürliche Ruhe irritierten sie.

    In seinen grünen Augen schienen Funken zu tanzen und trotz seiner dunklen Bartstoppeln und der Falten an Augen und Mundwinkeln war sein Alter schwer einzuschätzen. Er trug die schlichte Ledermontur eines Jägers und einen aschegrauen Umhang darüber, aber er hatte keine Waffen bei sich, soweit Giulia sehen konnte. Wenn er ihr etwas tun wollte oder ihr gefolgt war, um sie zurück nach Thengen zu bringen, würde er sich nicht so gelassen verhalten oder hätte sie trotz fehlender Waffen schon längst überwältigen können, schloss sie.

    Sie senkte das Messer, steckte es aber nicht weg.

    „Darf ich fragen, wer Ihr seid? Und was Ihr so komisch findet?“, fragte sie wachsam, doch das entlockte dem Fremden nur ein erneutes Lachen.

    „Du brauchst keine Angst zu haben, meine liebe, ich gehöre nicht zu denen, die dich verfolgen oder dir schaden wollen.“ Als sie sich erneut anspannte und einen Schritt zurückmachte, hob er abwehrend die Hand und fügte hinzu: „Nein, wirklich. Dass dir irgendjemand auf den Fersen ist, wäre selbst für einen ungeübten Beobachter mehr als offensichtlich. Ich bin nur zufällig vorbeigekommen.“

    Giulia ließ ihn nicht aus den Augen. Sicher, wenn ein unschuldiger Kerl eine junge Frau im Wald fand, die ihrer Erschöpfung nach zu urteilen furchtbar aussehen musste und kurz davor war, mit gezücktem Messer auf ihn loszugehen, war es nicht schwer, entsprechende Schlüsse zu ziehen. Aber das hieß nicht, dass sie ihm blind vertrauen konnte – geschweige denn sollte.

    „Der wachsame Hase springt dem Jäger davon und rennt über die Klippe“, seufzte ihr Gegenüber und schüttelte den Kopf. „Eigentlich sollte es mir egal sein, was du denkst, und mich nicht weiter darum kümmern, was aus dir wird. Aber irgendetwas an dir ist … interessant, weißt du?“ Er legte den Kopf schief, als würde er überlegen, was genau das sein könnte.

    Giulia runzelte die Stirn. „Danke“, erwiderte sie, doch der seltsame Fremde fiel ihr ins Wort, bevor sie noch etwas hinzufügen konnte.

    „Wenn dir Namen so wichtig sind, kannst du mich … sagen wir, Runkel nennen. Aber viel wichtiger: Kennst du die Geschichte von Ulisse?“

    Der plötzliche Themenwechsel irritierte sie so sehr, dass sie reflexartig nickte und antwortete: „Sicher … Ulisse ist der Held aus einer alten Sage, der sich mit Hilfe einer gestohlenen Rüstung in ein feindliches Lager schlich und den General mit seinem magischen, dreizackigen Speer erstach. Aber was-“

    „Ja, ja, ja, so in etwa“, winkte ‚Runkel‘ ab. „Das Entscheidende für dich ist der Teil, wo er sich unter die Männer seines Gegners mischt, um ihn im geeigneten Moment zu überraschen.“ Er machte eine kurze, effektvolle Pause. „Als du zu diesen Motten gegangen bist, um sie um Hilfe zu bitten, waren ebenfalls nicht nur Freunde anwesend, weißt du.“

    Feine Nadelstiche rasten Giulias Wirbelsäule hinunter, doch schon einen Augenblick später wurde ihr klar, dass der Fremde nicht von sich selbst gesprochen hatte.

    Ganz in der Nähe, aus Richtung ihres Schlafplatzes, erklang ein triumphierender Schrei.

    „Wenn ich du wäre, würde ich jetzt rennen“, bemerkte Runkel lächelnd.




  • Kapitel 4: Puppenspiel





    Giulia lief im Zickzack zwischen den Bäumen hindurch und musste dabei dichtem Gestrüpp und freiliegenden Wurzeln ausweichen, ohne sich den Hals zu brechen. Durch die plötzliche Anstrengung begannen ihre Muskeln bereits zu schmerzen, doch die Angst, geschnappt zu werden, ließ sie immer weiter rennen. Hinter sich hörte sie das Gröhlen ihrer Verfolger, die ihr dicht auf den Fersen waren.

    Die Abstände zwischen den Bäumen wurden plötzlich größer und auch das Unterholz wich weitestgehend zurück. Nur noch vereinzelt bildeten hüfthohe Sträucher und Farne grüne Seen in den Senken und Furchen, die den Waldboden durchpflügten.

    Giulia stieß einen unterdrückten Fluch aus. Sie kam zwar jetzt deutlich leichter voran, aber das gleiche traf auch auf ihre Verfolger zu.

    Sie übersprang einen breiten Graben, auf dessen Grund ein Bach in trügerischer Idylle dahinsäuselte, und landete sicher auf der anderen Seite.

    Das Fliehen vor den Wachen und die Hindernisläufe über die Dächer waren anscheinend ein gutes Training‘, dachte sie zufrieden. Ohne anzuhalten lief die junge Frau weiter. Sie schlidderte einen Abhang hinab - und plötzlich gab der Boden unter ihren Füßen nach. Giulias überraschter Aufschrei fiel zusammen mit ihr in die verborgene Grube.

    Der Aufprall war schmerzhaft und sie wand sich stöhnend auf dem Grund der Fallgrube, die jemand gut unter einem Geflecht aus Zweigen, Laub und Nadeln versteckt hatte.

    „Was zum ...“, murmelte sie und setzte sich mühsam auf. Ihr Herz schlug schmerzhaft in der Kehle und ihr Verstand brauchte einen Moment, um zu realisieren, was gerade passiert war. Obwohl ihr erschöpfter Körper lautstark eine Verschnaufpause forderte, zwang sie sich auf die Beine und belastete sie vorsichtig. Giulia atmete erleichtert auf: Scheinbar hatte sie sich höchstens ein paar blaue Flecke zugezogen, zumindest konnte sie sicher auftreten und würde weiterlaufen können - sofern sie es rechtzeitig aus diesem Loch herausschaffte!

    Das musste etwa zwei Mannslängen tief und eine breit sein, schätzte sie mit einem kritischen Blick den Schacht hinauf. ‚Ein bisschen tief für eine einfache Wildfalle‘, dachte Giulia, ‚aber bestimmt nicht unüberwindbar.

    Entschlossen krallte sie sich in den weichen Wänden fest und versuchte, nach oben zu klettern. Doch die Erde war nicht fest genug und bröckelte unter ihren Fingern weg, sobald sie sich hochzuhieven versuchte.

    "Steinbockscheiße", fluchte sie und sah sich hektisch um, versuchte immer wieder, eine andere Stelle zu finden, die besser zum Klettern geeignet war - doch es half nichts.

    Dann hörte sie schwere Schritte und aufgeregte Stimmen. Wenige Herzschläge später lugten ein paar Gesichter über den Rand der Grube, doch sie waren zu schnell wieder verschwunden, um mehr als ihr triumphierendes Grinsen erkennen zu können.

    Giulia drückte sich mit zitterndem Atem gegen die Wand des Lochs. Dich verstecken konnte die sich nicht.

    „Sieh Mal einer an, da 'aben wir ja unsere Kleene!“, rief eine männliche Stimme.

    Eine zweite fügte enttäuscht hinzu: „Irgendwie schade ... Ich 'atte mit 'ner größeren 'erausforderung gerechnet.“

    Die Gruppe beglückwünschte sich zu ihrem Fang, doch keiner machte Anstalten, sie aus der Grube herauszuholen.

    Giulias Verstand arbeitete fieberhaft an einem Ausweg. Doch ihre Gedanken fühlten sich an wie zähflüssig er Honig und kamen zu keiner Lösung.

    Plötzlich verstummten die Gespräche und einen Augenblick später beugte sich jemand über den Rand der Grube. Jemand, dem niemand freiwillig über den Weg lief.

    Oh nein‘, dachte Giulia und spürte, wie ihr Herz irgendwo in der Bauchgegend aufschlug.

    Die finsteren, mit Kohle aufgemalten Ringe um die Augen, die seinem Gesicht etwas zutiefst Bedrohliches verliehen, waren wohl das deutlichste Erkennungszeichen dieses Mannes. Und jeder, der in Thengens Unterwelt verkehrte, kannte ihn. 'Il procione', der Waschbär, war ein Kopfgeldjäger, der von den Verbrechern der Stadt gleichermaßen respektiert wie gefürchtet wurde. Er konnte eine nahezu fehlerfreie Erfolgsquote vorweisen und arbeitete für jeden, der seine Dienste bezahlen konnte.

    Der Waschbär seufzte theatralisch und schüttelte betont langsam den Kopf.

    „Du kleines, unglückliches, verlorenes Ding“, sagte er laut, „wie kann man sich in so kurzer Zeit nur so viele Feinde machen? Meine Klienten haben sich mit ihren Geboten für diesen Auftrag überschlagen!“ Er grinste breit und warf sich das lange, blonde Haare mit einer effektvollen Geste über die Schultern. Er erhob sich und holte tief Luft - was seine Kameraden kollektiv aufstöhnen ließ. Augenblicke später verstand Giulia die Reaktion und hätte am Liebsten mit eingestimmt.

    „Zu dumm, dass der ehrenwerte, furchtlose und gefürchtete Procione, beispielloser Fährtenleser und Spurensucher, Meister des-“ Er unterbrach sich, als einer seiner Untergebenen ein gespielt diskretes Hüsteln von sich gab. „... und seine treuen Gefährten“, fügte er hinzu und rollte mit den Augen, „auf dich angesetzt wurden. Jedenfalls, Kleines, bin ich ziemlich enttäuscht. Ich hatte gedacht, an dir sei irgendetwas Besonderes, Interessantes, aber du bist erschreckend ... gewöhnlich.“

    Giulia spannte sich automatisch an und knirschte mit den Zähnen, erwiderte jedoch nichts. Doch sie wäre vermutlich auch nicht dazu gekommen, denn der Waschbär sprach umgehend weiter.

    "Aber zu deiner Verteidigung sei gesagt, dass du natürlich nicht ahnen konntest, dass du es mit mir zu tun bekommst. Du hattest nicht die geringste-"

    Er krächzte auf, ruderte mit den Armen und fiel kopfüber in die Grube, wobei er Giulia nur knapp verfehlte. Der Kopfgeldjäger stöhnte und rollte sich auf die Seite, griff zwischen die Schulterblätter, wo ihn offenbar irgendetwas getroffen hatte.

    Die Gefährten des Waschbären schrien auf und brüllen durcheinander. Manche entfernten sich von der Grube, um nach dem Angreifer zu suchen, andere krochen am Rand herum und suchten einen Weg, um zu ihrem Anführer zu gelangen.

    Il procione richtete sich langsam auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. Instinktiv griff Giulia an ihre Hüfte, wollte schnell ihr Messer ziehen – und tastete ins Leere. Anscheinend hatte sie es auf der Flucht verloren.

    Hitze schoss ihr ins Gesicht und sie spannte sich erneut an, ließ ihren Gegner nicht aus den Augen.

    „Auch der Kluge nimmt Schaden“, knurrte dieser, „aber wenn wir deine Freunde erwischen, werden sie sich wünschen, nie geboren worden zu sein.“ Ein überhebliches Grinsen umspielte seine Lippen und sein Blick war entschlossener denn je.

    Bevor er jedoch noch mehr sagen könnte, ließ ein Schmerzensschrei beide Köpfe synchron nach oben fahren, doch es war nichts zu sehen. Es folgten weitere Schreie, manche überrascht, manche gezeichnet von purer Todesangst.

    Der Waschbär drehte sich ruckartig zu Giulia um. „Was geht da vor?“, verlangte er mit zitternder Stimme zu wissen. Sein Gesicht war kreidebleich, was die schwarzen Ringe um seine Augen geradezu grotesk erscheinen ließ. Er wirkte beinahe wie ein gepeinigtes Gespenst, in dessen tiefliegenden Augen sich die Angst seiner Opfer wiederspiegelte.

    Giulia war nur zu einem stummen Kopfschütteln fähig. Sie hatte tatsächlich keine Ahnung, was da oben passierte, aber sie ahnte, dass es nichts Gutes sein konnte.

    Die beiden starrten sich an, lauernd, aber auch das verängstigte Spiegelbild des anderen. Bald wurden die Stimmen an der Oberfläche leiser, und auch das letzte Wimmern verstummte.

    Die anschließende Stille war ohrenbetäubend.

    Der Kopfgeldjäger rückte instinktiv dichter an Giulia heran, und beide warteten angespannt, mit flachen Atem und bebenden Herzen.

    „Was ist da los … was passiert hier bloß …“ flüsterte der Kopfgeldjäger und drückte sich direkt neben Giulia in die erdige Wand. Gerade wollte sie ihn zur Seite stoßen, als ein schwerer Ast knapp an ihr vorbeisegelte und den Waschbären direkt am Kopf erwischte. Wie ein nasser Sack Getreide sackte er zu Boden.

    „Was…“, Giulia blickte ungläubig auf den Mann hinab, doch sie hatte kaum Zeit, zu reagieren, bevor sie das gleiche Schicksal ereilte und sie in bleierne Bewusstlosigkeit stürzte.


    „Lass mich hier raus, du … was immer du bist!"

    „Jammernder Mensch. Ruhe, oder Schmerzen.“

    Das abgehackte Lachen, das folgte, ließ Giulia endgültig in die Wirklichkeit zurückgleiten. Sie brummte und ertastete eine dicke Beule an der Stelle, wo sie getroffen worden war und die dumpfen Schmerz in Wellen durch ihren Kopf jagte. Mühsam öffnete sie die Augen und versuchte, sich zu orientieren.

    Der Raum, in dem sie sich befand, war überwiegend dunkel. Schwere Vorhänge, die von der hohen Decke bis zum Boden reichten, ließen nur wenig Licht hinein und schufen eine schummrige, unheimliche Atmosphäre. Vermutlich hätte sie den verhängten Gemälden, den abgedeckten Möbeln und dem hier und da aufblitzenden Gold und Silber auch ein wenig Beachtung geschenkt, wenn etwas anderes ihre Aufmerksamkeit nicht stärker in Anspruch genommen hätte. Die Tatsache, dass sie in einer Art übergroßem Vogelkäfig auf Höhe der Galerie im ersten Stock von der Decke baumelte, zum Beispiel.

    Sie spürte, wie sich die Haare an ihren Armen aufstellten und bemühte sich, ruhig zu atmen.

    Der Waschbär, der wenige Meter neben ihr in einem vergleichbaren Käfig baumelte, redete unterdessen weiter auf jemanden ein, der sich irgendwo in den Schatten aufhalten musste.

    „Du weißt wohl nicht, wen du vor dir hast! Aber ich will darüber hinweg sehen: Wenn du mich rauslässt, werde ich niemandem etwas erzählen und dir einen fairen Teil der Belohnung für die Kleine da abgeben.“

    „Hey!“, rief Giulia und funkelte wütend zu dem Kopfgeldjäger hinüber. Für einen Moment vergaß sie ihre Lage, bereute diese Unachtsamkeit aber sogleich wieder, als der Käfig unter ihrer Aufregung zu schwanken begann. Sie lehnte sich vorsichtig zurück und wartete, bis ihr rebellierender Magen sich wieder beruhigte.

    „Unnötig“, erklang die Stimme, die sie zuvor schon wahrgenommen hatte. „Frau wach. Gut. Meister bald zurück. Still, Jammermann!“

    Giulia versuchte angestrengt, etwas zwischen den schemenhaften Umrissen der Möbel zu erkennen, doch es war einfach zu dunkel. Allerdings kam die Stimme aus der Richtung eines seltsamen, riesigen Kastens, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand und auf seltsame Weise das Licht zu reflektieren schien.

    Sie schüttelte den Kopf. ‚Konzentrier' dich auf's Wesentliche‘, mahnte sie sich. Laut fragte sie: „Wer bist du? Und was ist passiert?“

    „Kein Name. Andere Frage: Auftrag Mensch aus Grube holen. Zwei da. Beide geholt.“

    Na, du bist ja ein richtige Quasselstrippe‘, dachte Giulia stirnrunzelnd. Sie erinnerte sich allerdings an die Schreie der Leute des Kopfgeldjägers und beschloss, es lieber dabei bewenden zu lassen.

    Es ertönte der laute Knall einer zuschlagenden Tür – offenbar hatte ihr Gefängniswärter den Raum gerade verlassen. Einen Moment lang war es still, bis Giulias Mitgefangener sich wieder an sie wandte.

    „Wieso musstest du auch in diese Grube in diesem verwilderten Teil dieses verdammten Waldes rennen? So etwas Tolpatischiges habe ich noch nie erlebt, und deinetwegen sterben wir jetzt auch noch!“, fauchte il precione.

    „Wie bitte?“, gab Giulia irritiert zurück und bemühte sich, den Käfig nicht zu sehr ins Schwanken zu bringen. Ihr Geduldsfaden war dermaßen strapaziert worden, dass jetzt auch für sie eine Grenze überschritten war. „Sei mal schön ruhig, du Möchtegernkopfgeldjäger! Du wolltest mich vor wenigen Augenblicken noch verschachern, um deine Haut zu retten, und jetzt bin ich an allem Schuld?“

    „Natürlich ist alles deine Schuld! Wegen dir sind meine Männer tot. Tot! Verstehst du das? Dieses verrückte Stück Kantholz hat sie alle-“ Seine Stimme brach plötzlich, und er schwieg.

    Obwohl sich ihr Mitleid in Grenzen halten sollte, spürte Giulia einen harten Klumpen in der Brust.

    „Sicher? Vielleicht … konnten sie ja entkommen ...", meinte sie unsicher. Doch sie glaubte genauso wenig daran wie ihr Gegenüber, der nur ein freudloses Lachen ausstieß. Seine offensichtliche Verbitterung und Trauer überraschten sie und passten nicht zu dem selbstgerechten, egozentrischen Kerl, dem sie im Wald begegnet war. Andererseits kannte sie ihn auch nicht besonders gut, nicht wahr?

    „Tut mir Leid“, flüsterte sie in die Stille hinein. Ein Schnauben war die einzige Antwort. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas.

    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte Giulia schließlich, um das unangenehme Schweigen zu brechen. „Waschbär ist kaum dein Segnungsname, oder?“ Sie war schon sicher, dass er sie mit Schweigen strafen wollte, als er doch noch etwas sagte.

    „Samu", flüsterte er kaum hörbar.

    „Giulia“, erwiderte sie mit leichtem Lächeln.

    Der Angesprochene schnaubte. „Ich weiß. Ich habe schließlich den Auftrag bekommen, dich zu fassen, falls du Spatzenhirn es vergessen haben solltest.“

    Und schon kehrt sein sprühender Charme zurück‘, dachte Giulia zähneknirschend. Sie wollte etwas Entsprechendes erwidern, als das Knarren einer Tür erneut durch den zweistöckigen Raum hallte.

    Gleich darauf flammten mehrere Fackeln an den Wänden auf und erzeugten Schatten, die wie flüchtige Gespenster auf der Suche nach Opfern überall im Raum umhertanzten.

    Giulias Blick huschte sofort in Richtung des kastenartigen Gebildes. Dort war niemand zu sehen, außer des seltsamsten Objektes, dass sie je gesehen hatte. Diese „Kiste“ hatte scheinbar durchsichtige Wände und war bis knapp unter den Rand mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt. Darin schwebten ein paar bläuliche Quallen umher, die lange, dünne Tentakel wie zerrissene Schleier hinter sich herzogen.

    Auf den Märkten in den Hafenstädten ihrer Heimatinsel hatten Händler manchmal getrocknete Quallen feilgeboten. Solche Exemplare hatte Giulia aber noch nie gesehen, schon gar nicht lebend und innerhalb eines Gebäudes!

    Schwere Schritte, die die Treppe zur Galerie hinaufkamen, rissen sie aus ihrer Faszination.

    Sie sog scharf die Luft ein und starrte das Wesen an, das Stufe um Stufe erklomm, bis es im ersten Stock auf Höhe der Käfige angekommen war.

    Am ehesten konnte man es vielleicht als kleinen Mann beschreiben, der sich mit leicht gebücktem Gang und stampfenden Schritten fortbewegte. Das Auffallendste an dem Wesen war aber, dass es ganz aus Holz bestand. Dort, wo man eine Nase vermuten würde, ragte ein kleiner Zweig aus dem Gesicht hervor, an dessen Spitze ein kleines, grünes Blättchen wippte.

    „Mund zu, Mensch“, bemerkte es in Richtung Giulias, die vollkommen sprachlos war. Dabei bewegte sich eine kleine Klappe an der Unterseite seines Kopfes, als würde es die Bewegungen eines menschlichen Mundes immitieren wollen. „Fleischwesen komisch.“ Er bewegte ruckartig den Kopf von einer Seite zur andern und schaffte es schließlich, ihn einmal um sich selbst zu drehen, sodass er ihn mit seinen erstaunlich feingliedrigen Fingern festhalten musste.

    Samu lachte auf und wollte gerade zu einer hämischen Bemerkung ansetzen, als er überrascht aufschrie und sich jammernd die Stirn rieb. Der Holzmann hatte irgendetwas so schnell und zielsicher auf den Kopfgeldjäger geworfen, dass Giulia es nicht mitbekommen hatte.

    „Schweig. Unerträglich“, kommentierte das Wesen und griff hinter sich. Was es dabei zutage förderte, war allerdings kein weiteres Wurfgeschoss - es war eine blank polierte Kupferplatte, wie man sie in den Ankleidezimmern wohlhabender Damen finden konnte. Dann tippte der Holzmann ein paarmal mit seiner Nasenspitze auf die glänzende Oberfläche und begann in einer Sprache, die Giulia nicht bekannt vorkam, zu sprechen. Es war zwar bloß seine Stimme zu hören, doch ab und zu legte es Pausen ein oder bewegte den Holzkopf in zustimmender oder ablehnender Weise. Irgendjemand schien ihm lautlos zu antworten ...

    „Pst!“

    Giulia wandte sich von dem seltsamen Spektakel ab und ihrem Mitgefangenen zu. Im Licht der Fackeln konnte sie jetzt sehen, dass er nicht nur schmutzig und seine Kohleaugen verwischt und verschmiert waren, sondern er auch ziemlich zerschunden aussah: Sein rechtes Auge schwoll bereits ein wenig an und sie konnte die eine oder andere Schramme in seinem Gesicht erkennen. Offenbar hatten er und ihr treffsicherer Gefängniswärter mehr als eine Auseinandersetzung gehabt, während sie ohnmächtig gewesen war.

    „Das Ding ist verrückt“, wisperte er so leise, dass sie es gerade noch verstehen konnte. „und wer auch immer der ‚Meister‘ ist, ist es mindestens genauso. Ich möchte jedenfalls nicht darauf warten, dass der kommt und uns das Feuer löscht.“

    Giulia verzog das Gesicht und antwortete ebenso leise: „Willst du etwa vorschlagen, zusammenzuarbeiten? Nachdem du mich verraten und verkaufen wolltest? Mehrfach?“

    Samu zuckte mit den Schultern. „Bin auch nicht so scharf drauf, aber haben wir eine Wahl?“

    Giulia stieß genervt die Luft aus und strich sich das kurze Haar aus der Stirn. Wenn sie jemandem nicht vertrauen konnte und sollte, geschweige denn wollte, war es dieser Kopfgeldjäger. Die Alternative, einem verschrobenen Einsiedler mit einem hölzernen Mädchen für alles zu irgendwelchen dubiosen Zwecken zur Verüfung zu stehen, war allerdings auch keine berauschende Vorstellung.

    „Ich nehme an, du hast schon einen großartigen Plan?“, fragte sie skeptisch.

    Ein Lächeln stahl sich auf Samus Lippen, das unter anderen Umständen gewinnend und charmant gewirkt hätte.

    „Natürlich“, flüsterte er, „und jetzt hör zu …“




  • Hallo meine Liebe!

    Ich bin endlich mal dazu gekommen, alles nachzulesen, haha. Waren dann doch drei Kapitel, die ich verpasst habe. Mir ist übrigens aufgefallen, dass es mittlerweile schon sehr viele Sideinfos gibt. Hast du vor, diese näher zu beleuchten oder aber war das nur den Würfeln geschuldet? Ich muss sagen, ich würde es außerordentlich schade finden, wenn man zB nichts weiter von der komischen Frau & ihrem Blumenclub erfährt oder vom Gelehrten und seinem jetzt totem Meister oder von Missani und seinem Sohn. Uffu. Die ganzen Sidestories finde ich nämlich irgendwie total interessant. Beispielsweise auch Samu - den will ich behalten, glaube das wird lustig mit dem! Ach und Runkel! Der ist genial gewesen, lmfao. Irgendwie machen diese Kleinigkeiten nämlich die Geschichte ein Stück weit auch aus; jede noch so kleine Sideinformation macht Guilia lebendiger und irgendwie auch menschlicher. Man kann sich immer besser in sie hineinversetzen, wenn man mehr über sie und ihre Vergangenheit erfährt. Zwar weiß ich nicht, ob dein Fokus nicht eher auf der Gegenwart und der Zukunft liegt und die Vergangenheit womöglich gar nicht weiter beleuchtet werden soll, aber ... meh, ich liebe sowas. ):

    Ich finde es irgendwie lustig, dass bisher eher männliche Charaktere aufgetaucht sind, haha. Wo bleibt Khaeyriil?! Ist keine Kritik, kam mir nur gerade in den Sinn. Ich neige stellenweise auch dazu, eher männliche Charaktee als NPCs einzubauen. Oder es kommt mir gerade nur so vor, wer weiß. Ich bin übrigens noch immer neugierig, ob man erfahren wird, was eigentlich aus Marco geworden ist. Vielleicht war das ja sogar der Lehrling, der seinen Meister umgebracht hat? Warte ... hatte der einen Namen? Ich glaube nämlich nicht. Hm. Wäre irgendwie amüsant und interessant. Generell frage ich mich, was es mit diesem kleinen Einwurf auf sich hatte. Aber da werde ich mich wohl noch ein wenig gedulden müssen.

    Der Baum- bzw. Holzkerl ist irgendwie auch amüsant. Hat mich ein bisschen an Baumbart oder Pinoccio erinnert. Oder eine Mischung aus Beiden? Wer weiß. Jedenfalls stimme ich Samu zu - wer der Meister ist, will man da dann wirklich nicht unbedingt wissen. Außerdem stelle ich es mir ziemlich lustig vor, wenn zwischen Samu und Guilia eine Zweckgemeinschaft entsteht - ja, vielleicht sogar eine Freundschaft? Vielleicht will er sie ja irgendwann auch gar nicht mehr verraten und irgendwo abladen? Tah, wer weiß. Ich bin jedenfalls gespannt. Ich mag den Vogel irgendwie. :3


    So, dann war es das auch von mir. Freue mich schon auf das nächste Kapitel. ^-^




  • Heeeeeeeey meine liebe Kaios ! :D


    Vielen Dank für den lieben Kommentar, es freut mich, wenn es dir bisher gefallen hat ^-^


    Ich bin endlich mal dazu gekommen, alles nachzulesen, haha. Waren dann doch drei Kapitel, die ich verpasst habe.

    Haben die Zusammenfassungen dabei eigentlich geholfen? Ich experimentiere ja zum ersten Mal damit und mich würde interessieren, ob die überhaupt was bringen ...


    Mir ist übrigens aufgefallen, dass es mittlerweile schon sehr viele Sideinfos gibt. Hast du vor, diese näher zu beleuchten oder aber war das nur den Würfeln geschuldet? Ich muss sagen, ich würde es außerordentlich schade finden, wenn man zB nichts weiter von der komischen Frau & ihrem Blumenclub erfährt oder vom Gelehrten und seinem jetzt totem Meister oder von Missani und seinem Sohn.

    Wenn mir die Würfel die Chance geben, ja. Zumindest habe ich vor, nochmal irgendwann einzubauen oder zumindest anzudeuten, was das war, das der Naturkult erledigt haben wollte. Der komische Schüler soll auch nochmal vorkommen ... bei Missani und Milano weiß ich es noch nicht genau ... vielleicht. Ursprünglich wollte ich den Kleinen ja ausbüchsen und Giulia folgen lassen, haha


    Beispielsweise auch Samu - den will ich behalten, glaube das wird lustig mit dem! Ach und Runkel! Der ist genial gewesen, lmfao. Irgendwie machen diese Kleinigkeiten nämlich die Geschichte ein Stück weit auch aus;

    Samu ist ne ganz spezielle Socke, glaube ich. Ich bin auch gespannt, was das mit dem noch wird! Und Runkel ist mein persönlicher Fav bisher. Könnte auch daran liegen, dass ich schon den ein oder anderen Gedanken mehr zu ihm habe, haha xD

    Und vielen Dank - es ist schön, wenn das, was ich hier versuche, seinen Anklang findet ^^


    jede noch so kleine Sideinformation macht Guilia lebendiger und irgendwie auch menschlicher. Man kann sich immer besser in sie hineinversetzen, wenn man mehr über sie und ihre Vergangenheit erfährt. Zwar weiß ich nicht, ob dein Fokus nicht eher auf der Gegenwart und der Zukunft liegt und die Vergangenheit womöglich gar nicht weiter beleuchtet werden soll, aber ... meh, ich liebe sowas. ):

    Es ist toll, dass das so rüberkommt! Das ist schließlich etwas, das man sich als Autor nur wünschen kann.

    Die Vergangenheit soll irgendwann tatsächlich noch ins Spiel kommen. Vielleicht, wenn sie mal wen von damals wiedertrifft ... wer weiß?


    Ich finde es irgendwie lustig, dass bisher eher männliche Charaktere aufgetaucht sind, haha.

    Oha, das ist mir gar nicht aufgefallen xD" liegt u.a. aber auch daran, dass die Weibchen, die ich drin hatte, dem Cut zum Opfer gefallen sind. Das heißt, nicht die Personen an sich, sondern die Szenen, in denen sie enthalten waren. z.B. sollte es im Traum eigentlich eine ausführlichere Interaktion mit Milanos Mutter geben, eine weibliche Harpyie sollte Giulia ursprünglich zu Missani führen und es gab eine Frau in Samus Gruppe. Aber vielleicht könnte man tatsächlich mal etwas diverser werden, hmmm ...


    Ich bin übrigens noch immer neugierig, ob man erfahren wird, was eigentlich aus Marco geworden ist. Vielleicht war das ja sogar der Lehrling, der seinen Meister umgebracht hat? Warte ... hatte der einen Namen? Ich glaube nämlich nicht. Hm. Wäre irgendwie amüsant und interessant. Generell frage ich mich, was es mit diesem kleinen Einwurf auf sich hatte. Aber da werde ich mich wohl noch ein wenig gedulden müssen.

    Zu Marco schweige ich mich mal aus.

    Der Einwurf an sich entstand hauptsächlich aufgrund der Würfel - aber wenn das einen interessanten Reiz bietet, freut mich das!


    Der Baum- bzw. Holzkerl ist irgendwie auch amüsant. Hat mich ein bisschen an Baumbart oder Pinoccio erinnert. Oder eine Mischung aus Beiden? Wer weiß.

    Mich sehr an Puppetmon *hust*. Aber letztendlich ist das eine sehr grobe Gestalt, mit wenig Finesse gearbeitet. Hatte ich erwähnt, dass er so schief aufgemalte Augen hat? xD

    Ach, übrigens heißt er "Radicchio" bzw. Radieschen. Die entsprechende Szene habe ich nur geschnitten, weil das alles sonst zu lang geworden wäre und ich das Kapitel nicht aufteilen wollte.


    Außerdem stelle ich es mir ziemlich lustig vor, wenn zwischen Samu und Guilia eine Zweckgemeinschaft entsteht - ja, vielleicht sogar eine Freundschaft? Vielleicht will er sie ja irgendwann auch gar nicht mehr verraten und irgendwo abladen?

    Wer weiß - Zweckgemeinschaft definitiv, ich muss mir nur noch etwas überlegen, das sie dazu veranlasst, wirklich keien Wahl zu haben, als zusammenzuarbeiten.



    Es freut mich sehr, dass es dir gefallen hat! Vielleicht lesen wir uns einmal wieder!


    glg


    ~Sheo~




    Sidenote: Die Dateien werden im Laufe des Tages aktualisiert x3

  • Kapitel 5: Heil in der Flucht?





    ,Das kann doch niemals funktionieren‘, dachte Giulia und versuchte gleichzeitig, ihre Atmung so flach wie möglich zu halten und keine verräterische Bewegung zu machen.

    Im Grunde war der Plan des Kopfgeldjägers denkbar einfach. Einer von beiden täuschte einen Schwächeanfall vor, während der andere versuchte, das seltsame Wächterwesen zu überzeugen, den Käfig herunterzulassen. Der „Geschwächte“ sollte aufspringen, sobald die Tür sich öffnete, und den Mann aus Holz überwältigen.

    „Nun beeil dich, siehst du denn nicht, dass sie fast hinüber ist? Wenn sie verreckt, wird dein Meister sehr unzufrieden sein und ich nie etwas von meinem Lohn sehen!“, rief Samu gerade mit gespielter Hektik in der Stimme. Eins musste man ihm lassen: Schauspielern konnte er gar nicht so schlecht.

    Trotzdem zweifelte etwas in Giulia daran, ob das Ganze funktionieren würde. Andererseits … es bestand immerhin eine gewisse Möglichkeit, dass dieser absurde Plan funktionieren könnte. Und solange das der Fall war … Andererseits befanden sie sich nicht gerade in der Position, besondere Ansprüche an ihre Fluchtpläne zu stellen.

    Giulia lauschte angestrengt. Der Holzmann antwortete nicht, doch dem mühsam unterdrückten Lachen im Käfig neben ihr entnahm sie, dass alles nach Plan verlief. Ein kräftiger Ruck, der sie kaum merklich zusammenzucken ließ, und der Käfig begann sich leise knarrend auf den Weg nach unten zu machen.

    Ihr Herz schlug heftig in ihren Ohren und ihre Kehle fühlte sich rau wie der Sand der fernen Wüsten an. Sollte es tatsächlich funktionieren? Jetzt kam es nur noch auf das richtige Timing an. Giulia konzentrierte sich, versuchte zu schätzen, wie lange das Ablassen des Käfigs noch dauern würde. Wenige Augenblicke später kam sie mitsamt ihres Käfigs unter lautem Poltern und kräftigem Ruckeln auf dem Boden auf, als der Käfig auf dem Boden der Halle aufsetzte.

    Schritte näherten sich. Dumpfe, wie sie nun wusste hölzerne, Schritte, begleitet vom leisen, fast schon zarten Klimpern eines Schlüsselbundes.

    Der würzige Geruch von Tannenzweigen und Kiefernnadeln stieg ihr in die Nase. Ob er von ihrem Gefängniswärter stammte?

    Sie hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss des Käfigs geschoben wurde, und spannte sich an.

    Gleich …

    Als die Tür mit einem ächzenden Knarren aufschwang und auf der anderen Seite wieder gegen die Gitterstäbe prallte, sprang Giulia auf und warf sich in Richtung des Geräusches. Mit einem lauten Stöhnen prallte sie gegen den Holzmann, der ein überraschtes Quietschen von sich gab, und riss ihn mit sich zu Boden.

    „Betrug! Strafe!“, brüllte er mit laut klappernden Mundstücken und versuchte, Giulia abzuwerfen. Verbissen hielt sie sich auf der Marionette und bemühte sich nach Leibeskräften, deren Arme und Beine mit ihrem eigenen Gewicht irgendwie festzunageln.

    Doch ihr Gegner war stärker. Unter lautem Raspeln, das wie das Knurren eines wilden Tieres klang, warf er sich zur Seite und Giulia gegen ein nahestehendes Podest. Sie zischte, als ihr Rücken gegen den harten Stein prallte, und konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, bevor die tönerne Figur eines galoppierenden Pferdes direkt neben ihrem Kopf auf dem Boden aufschlug.

    Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie auf und wollte sich gerade aufrichten, da stand der Mann aus Holz schon mit unheimlich ausdruckslosem Gesicht über ihr.

    „Mensch klug. Nicht klug genug für Radicchio!“, sprach er und ließ sein rasselndes Lachen hören.

    Plötzlich erstarrte das Wesen mitten in seinem Tun. Eine schmale, glänzende Klinge bohrte sich mitten durch den hölzernen Hals. Knackend brach das beanspruchte Holz an dieser Stelle immer mehr.

    „Un … er.. wartet …“, krächzte der Holzmann überrascht.

    Samu war wie aus der Leeren Weite hinter ‚Radicchio‘ aufgetaucht. Er hatte mit seinen Fähigkeiten als Schlossknacker offenbar nicht bloß angegeben, stellte Giulia erstaunt fest, wenn er sich so schnell aus dem Käfig hatte befreien können. Woher er das seltsame Schwert mit der langen, dünnen Klinge genommen hatte, das nun im Hals des Holzmannes steckte, war ihr allerdings schleierhaft.

    Auf den überraschten Ausruf Radicchios hin lachte Samu kurz auf. „Du hast es ja auch mit mir zu tun bekommen, du modriges Stück Treibgut! Aber mit einem solchen Namen kann man auch kein ernstzunehmender Gegner sein. Radicchio, wie ein verkümmertes, zweitklassiges Gemüse!“, rief er halb triumphierend, halb prustend vor Belustigung.

    Radicchio fuchtelte mit den Armen, konnte seinen Angreifer jedoch nicht erreichen, der sich immer wieder so geschickt hinter ihn stellte, dass er ihnen ausweichen konnte. Schließlich wollte der Holzmann nach der Klingenspitze greifen, die seinen Hals durchstochen hatte, doch Samu reagierte schnell. Er drehte die Klinge weiter und weiter, immer mehr splitterndes Holz, bis der Kopf mit fürchterlichem Knacken zur Seite knickte, den Gesetzen der Schwerkraft folgend abriss und nach dumpfem Aufschlagen über den Boden kullerte.

    Der Torso bewegte sich immer noch und irrte mit wild fuchtelnden Armen umher, schien jedoch seine Orientierungsfähigkeit eingebüßt zu haben. Samu winkte Giulia lautlos zu, die daraufhin vorsichtig aus der Stolperbahn ihres ehemaligen Wärters kroch und gemeinsam mit dem Kopfgeldjäger auf die hohen Flügeltüren zuschlich, die sich am Kopfende der Halle abzeichneten. Auf dem Weg nach draußen hielt sie kurz inne und griff nach einer der Fackeln, die in Griffhöhe an der Wand hingen.

    „Was tust du da?“, zischte Samu ungeduldig und blieb in der Tür stehen, die er bereits einen Spalt geöffnet hatte und durch die helles Tageslicht hereinblinzelte.

    „Dafür sorgen, dass er uns nicht folgen kann“, erwiderte Giulia flüsternd. Sie wusste zwar nicht, ob Radicchio sie noch hören konnte, aber riskieren wollte sie lieber nichts.

    Sie hielt die knisternden Flammen an den nächstbesten Vorhang, ließ die warmen Feuerzungen über den staubigen Stoff lecken, bis sie darauf übergegriffen hatten. Dann ließ sie die Fackel fallen und folgte Samu so schnell sie konnte ins Freie.

    Sie hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern, dass sie direkt auf einen breiten Holzsteg rannten, der über eine schlammige Lichtung führte. Die Hitze in ihrem Rücken wurde immer stärker – das Feuer musste deutlich schneller wachsen, als sie angenommen hatte! Doch sie ließ sich keine Zeit, sich umzudrehen. Sie folgte dem hektisch hin und her peitschenden Haar Samus durch hochgewachsenes Schilf und an mächtigen Findlingen vorbei, bis sie den Rand der Lichtung erreicht und wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Erst jetzt, abgestützt an einer verkümmerten Birke und mühsam nach Atem ringend, gestattete sie sich, einen Blick zurück zu werfen.

    Die weitgehend freie, von zurückweichenden Bäumen eingerahmte Ebene wirkte unnatürlich rund und schlammig, und der hölzerne Stegschien der einzige wirklich sichere Weg zu sein, wenn man nicht in der blubbernden braunen Masse versinken wollte.

    Und inmitten dieser sumpfigen Fläche, die nur vereinzelt von Pflanzen und Steinen durchbrochen wurde, stand das merkwürdigste Gebäude, dass Giulia je gesehen hatte.

    Es war hoch wie ein Baum, was einer Stadt noch üblich gewesen wäre, hier im Wald aber sehr merkwürdig anmutete. Noch seltsamer war, dass die Mauern komplett aus Stämmen zu bestehen schienen – erst recht, wenn man die mit durchsichtigem Stein verkleideten Fenster betrachtete. Als Dach fungierte ein Geflecht aus Ästen und Blättern, das sie irgendwie an die Fallgrube denken ließ, die ihr zum Verhängnis geworden war. Das Gebäude hatte deutlich Schrägseite, als würde es langsam im Boden versinken – wäre es nicht gerade dabei, von wild tosenden Flammen verschlungen zu werden.

    Die Flammen zerfraßen bereits die Bedeckung des Dachs und hatten längst die eigentümlichen Fenster mit lautem Klirren zum Bersten gebracht.

    Schweigend beobachteten die beiden unfreiwilligen Gefährten das Schauspiel.

    Giulias Gedanken rasten. Ihr Verstand schien kaum verarbeiten zu können, was in den letzten Stunden geschehen war, wo sie gelandet war, was das alles zu bedeuten hatte. „Das war …“, stieß sie mühsam hervor, fand jedoch nicht die richtigen Worte, um ihre Gefühle in Worte zu fassen.

    „… reichlich unüberlegt?“, beendete Samu den Satz und blickte sie von der Seite an.

    Giulia blinzelte und starrte ihn an, als würde sie erst jetzt realisieren, dass er noch immer da war. „Warum das?“

    „Du hättest den halben Wald in Brand stecken können, meinst du nicht?“, erwiderte er seufzend und schüttelte den Kopf, als spräche er mit einem kleinen Kind, das eine Kerze umgestoßen hatte.

    Giulia sog scharf die Luft ein. „Offensichtlich nicht!“, entgegnete sie und drehte ihren Kopf demonstrativ in Richtung des winzigen Sumpfes vor ihnen, der das Feuer glücklicherweise daran hinderte, sich auszubreiten.

    „Und woher konntest du das wissen? Ach, weißt du was? Lass gut sein.“ Er seufzte erneut. „Das Ergebnis ist das, was letztendlich zählt.“ Er hievte sich hoch, klopfte den Dreck von seiner Kleidung und band die langen, blonden Haare am Hinterkopf zu einem Knoten zusammen. „Wir sollten hier verschwinden, so oder so. Wer weiß, wann dieser ominöse Meister zurückkehrt.“

    Schweigend stimmte Giulia ihm zu, hielt jedoch einen gewissen Abstand zu ihm. Zielstrebig entfernten sie sich vom Ort des Geschehens, bewegten sich vorsichtig über den feuchten, laubbedeckten Boden und lauschten auf jedes Geräusch, das einen möglichen Verfolger verraten könnte.

    Irgendwann wurde der Boden immer fester und auch das Laub schien immer mehr dem knisternden, trockenen Belag zu weichen, den sie aus anderen Teilen des Waldes kannten.

    Giulia hing ihren Gedanken nach und versuchte, die Zeit zu nutzen, um so etwas wie Ordnung hineinzubekommen. Es gab so vieles, das sie nicht verstand und sich zu einem dunklen Klumpen in ihrer Körpermitte verdichtete. Was war das für ein eigenartiges Wesen, das sich selbst Radicchio nannte? Keine Magie der Welt konnte toten Gegenständen Leben einhauchen! Oder doch? Und was war das für ein merkwürdiges Haus, mitten auf sumpfigem Gelände in einem unbekannten Teil des Waldes? Wer war der ominöse Meister Radicchios, der es auf die beiden Flüchtigen abgesehen hatte?

    Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und sie war im Grunde froh, dass ihr Begleiter zu wissen schien, wo es langging, und sie nicht blind durch die Gegend stolpern musste.

    Schließlich ertrug sie die Stille nicht mehr, die nur von den jagenden Gedanken in ihrem Kopf ausgefüllt wurde. „Du hast nicht zufällig eine Ahnung, was da eigentlich passiert ist?“, fragte sie an den Kopfgeldjäger gewandt.

    Ihr Gegenüber schüttelte ohne zu zögern den Kopf. „Nicht die geringste. Ich habe auch keine Ahnung, was das für ein Ding war oder wer auf die merkwürdige Idee kommt, in einem Zwergsumpf so ein … Haus zu bauen. So viel, wie ich weiß, könnte es ebenso gut das Versteck vom Nachtkater, dem Schlächter von Verdici oder Magister Magicus sein.“

    Giulia erkannte die Namen sofort und damit auch, dass es keine ernst gemeinten Vermutungen waren. Der Nachtkater war ein mythischer Dieb, der den Göttern ein paar Sterne gestohlen hatte und dessen Unterschlupf mit Fallen gespickt gewesen sein soll. Beim Schlächter von Verdici handelte es sich um den Mörder zahlreicher Menschen, den man nie hatte fassen können und von dem man nur wusste, dass er bevorzugt zur Zeit des großen Maskenballs der Stadt zuschlug. Und Magister Magicus war der verrückte Protagonist eines alten Kinderliedes, der mit seinen Experimenten Dinge zum Schweben bringen wollte und dabei versehentlich die Magie erschuf.

    „Egal, wer für unsere Entführung verantwortlich ist“, fuhr Samu schließlich fort, „ich weiß ungefähr, wo er uns hinbringen ließ und welchen Weg wir einschlagen müssen.“

    „Rechts von Baum und nördlich von nirgendwo, ja?“, erwiderte sie und sah sich demonstrativ um. Sie war Samu zwar ohne nachzudenken gefolgt, hatte aber angenommen, dass er einfach nur so viel Abstand zwischen sich und dem brennenden Haus bringen wollte wie möglich. Dass er sofort wusste, wo sie sich befanden, erschien ihr eher unwahrscheinlich.

    „Wie wenig ihr eure eigene Umgebung kennt, ist mal wieder erstaunlich. So beschränkte Horizonte“, seufzte er, und fuhr schneller fort, als Giulia dazwischenplatzen konnte. „So ein Zwergsumpf, wie der hinter uns, findet sich gelegentlich in den östlichen Teilen dieses Waldes. Zumindest stand das so auf der Karte, die wir vor unserem Jagdantritt studiert haben …“ Er brach ab und räusperte sich, bevor er fortfuhr. „Jedenfalls müssen wir uns ziemlich sicher nach Südwesten richten, um zurück nach Thengen zu kommen.“

    Abrupt blieb Giulia stehen und griff instinktiv nach ihrem Messer, dass sie bereits lange zuvor verloren hatte. „Vergiss es!“, knurrte sie. „Du wirst mich auf keinen Fall dorthin zurückbringen!“

    „Was du willst, und was nicht, spielt leider keine Rolle, meine Liebe. Ich bin einen Vertrag eingegangen, und den muss ich erfüllen.“ Mit lockerer Hand löste der Waschbär den Degen, den er vom Ort ihrer Gefangenschaft hatte mitgehen lassen, aus seinem Gürtel und richtete ihn gelassen auf Giulias Brust. „Ab nach Hause!“, fügte er lächelnd hinzu. „Oder meinst du, du könntest etwas gegen mich ausrichten?“




  • Kapitel 6: Nachtmusik





    Unter dem dichten Dach aus Laub und Zweigen war es schon früh dunkel geworden und zu den Melodien der zartesten Ärmchen der Bäume gesellten sich die Geräusche allerlei nachtaktiver Waldbewohner. Wenn der Mond heute Nacht am Himmel erschienen war, so ließ er in der flachen Senke, in der Samu und Giulia ihr Lager aufgeschlagen hatten, wenig von sich sehen. So würde der kleine Tümpel in der Mitte auch glänzen wie geschwärztes Eisen, wenn er nicht von einer Schicht aus Blättern und Algen fast vollständig bedeckt worden wäre. Zwei Bäume flankierten ihn wie stumme, einsame Wächter: Eine schmale Blutbirke, deren weinfarbene Flecken in der Dunkelheit schwarz wirkten, und eine alte Eiche, die aussah, als hätte ihr ein Blitz vor langer Zeit das Leben aus dem Stamm geschmettert. Zwischen ihren knorrigen und ächzenden Ästen hockte eine kleine Sumpfohreule, die von Zeit zu Zeit ein abgehacktes, stotterndes huhuhuhuhu hören lies. Die beiden Menschen, die sich zu Füßen ihres Rastplatzes niedergelassen hatten, schienen sie nicht übermäßig zu stören.

    Samu stocherte in den schwach brennenden Ästen herum, die er zu einem Häufchen aufgeschichtet hatte. Er bemühte sich, die glühenden Gerippe gleichmäßig in der steinernen Abgrenzung des Lagerfeuers zu verteilen. Eigentlich hatte er gehofft, diese stumpfe Tätigkeit würde ihn auf andere Gedanken bringen – was in etwa so wirkungsvoll war, als würde man versuchen, einer Kuh die Flecken vom Leib zu bürsten.

    Sie waren den ganzen Rest des Tages gelaufen, hatten nur inne gehalten, um sich der Laufrichtung zu vergewissern. Wenn sie gut vorankämen, würden sie spätestens zur Mittagsstunde am übernächsten Tag die Stadtgrenzen Thengens erreichen – und diesen Wald und seine merkwürdigen Geschehnisse hinter sich lassen, die ihn an seinem Verstand zweifeln ließen.

    Eine kuriose Villa aus Stein inmitten eines Sumpfes, das eine sprechende Holzpuppe mit einem ominöser „Meister“ beherbergte, von dem sie keine Spur gesehen hatten … all diese Dinge wirkten wie Bruchstücke eines Märchens oder einer der surrealistischen Geschichten, die gerade in Mode waren. Und doch war das Ganze erschreckend real gewesen …

    Er nahm das Schwert mit der schmalen Klinge auf, dass er aus der Villa hatte mitgehen lassen, und betrachtete die glühenden Reflexionen, die auf seiner Schneide tanzten. ‚Noch ein Rätsel‘, dachte er und drehte die Waffe mit zusammengekniffenen Brauen von einer Seite zur anderen. Sie war den Degen aus Meradée an der Westküste des Kontinents nicht unähnlich, aber soweit er wusste, waren diese zu reinen Sportzwecken konzipierten Schwerter biegsame Stichwaffen, mit denen man vielleicht weiches Fleisch durchstoßen, aber sicher nichts festeres durchschneiden konnte.

    Geschweige denn einen hölzernen Schädel von seinem Körper trennen.

    Trotz des Schwermuts, der ihn überkam, konnte er nicht verhindern, dass sich ein wehmütiges Lächeln auf seine Lippen stahl.

    Julika hätte gewaltigen Spaß an der ganzen Situation gehabt‘, dachte er.


    Seine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, in der sie sich kennengelernt hatten. Er war, müde, hungrig und verletzt, an den Grenzen der Farm von Julikas Eltern zusammengebrochen. Das damals gerade erblühende Mädchen hatte ihn gefunden und zunächst in einer alten Scheune versteckt. Dort, am Rande der Großen Steppen, war man Fremden gegenüber äußerst misstrauisch und sie hatte befürchtet, dass ihre Eltern ihm nicht gerade freundlich gesonnen sein würden, wie sie ihm später gestanden hatte. Doch die Pereschkas hatten sich entgegen aller Sorge als äußerst zuvorkommend erwiesen und ihn letztlich bei sich aufgenommen.

    Er half, die schuppigen, massigen Dreispitzechsen zu versorgen, die den Steppenländern Fleisch und Leder für Kleidung lieferten oder die Eier der kljiuveeinzusammeln, die wie anderorts Hühner in kleinen Verschlägen gehalten wurden. Die kleinen Reptilien mit den ledrigen Flügeln, deren Name übersetzt so viel wie „Schnäbel“ bedeutete, hatten Samu immer an große, nackte Fledermäuse erinnert und ihm nicht nur einmal gewaltiges Gelächter seiner Gastgeber eingebracht, wenn er vor diesen fremdartigen Tieren zurückgeschreckt war.


    Ein anderer kurioser Ort, zu einer anderen, verrückten Zeit – wenn man es harmlos ausdrücken wollte. Doch im Gegensatz zu den Ereignissen hier, in Navalis, in einem großen Wald im Süden des Mittelgebirges, war er sich am Rand der Großen Steppe stets bewusst gewesen, dass er sich bloß in einem anderen Land, in einer anderen Kultur befand. Was für ihn entgeisternd und fremd war, war für die Bewohner am Rand der Steppen etwas ganz Alltägliches, keine Auswüchse eines wilden Fiebertraums, die man sich mit Logik und Vernunft allein nicht erklären konnte.

    Und es gab noch einen weiteren, gravierenden Unterschied zu Samus jetziger Situation: Damals war Julika noch am Leben gewesen.

    Das stotternde Heulen der Eule im Geäst über ihm riss ihn aus seinen schmerzhaften Erinnerungen. Die Verbitterung, die sich zu einem schweren Klumpen in seinem Magen verdichtet hatte, blieb.

    Hätte ich sie doch niemals mitgenommen‘, dachte er zum wiederholten Mal. Auch, wenn er im Inneren wusste, dass er nichts von alldem hätte verhindern können.

    Als er von der Farm fortgezogen war, hatte Julika ihn unbedingt begleiten wollen, war ihm im Laufe der Zeit zu einer mehr als treuen Gefährtin geworden, sie hatten gekämpft, gelacht, geweint, gezittert, sich in einsamen und kalten Nächten gegenseitig gewärmt und gemeinsam die Einsamkeit aus ihren Herzen getrieben.

    Und nun lag ihr zerfallender Körper irgendwo in diesem Wald, fern der Sterne ihrer Heimat, wurde von fremdem Getier zerrissen. Er hatte ihren Schrei als einen von wenigen nicht gehört, als die mörderische Holzpuppe seine Truppe niedergemetzelt hatte. Doch er war sich sicher, dass dieses verdammte Wesen niemanden lebend zurückgelassen hatte.

    Er schluckte den Kloß hinunter, der ihm schwer im Hals steckte, und atmete tief durch. Das Trauern musste warten – er würde noch genug Zeit haben, in Kummer und Schmerz zu ertrinken, wenn seine Aufgabe erledigt war.

    Er hob den Blick und betrachtete seine ‚Beute‘, die er mit ein paar stabilen Schlingfarnen an die Birke gebunden hatte. Sein Herzschlag beruhigte sich langsam, als er die entspannten Züge der Schlafenden betrachtete. Er schnaubte leise und lies den Blick über die leicht eingefallenen Wangen und völlig entspannten Gesichtszüge gleiten, um schließlich an ihren schmalen, leicht geöffneten Lippen hängen zu bleiben. Er ließ ihren Namen wie einen flüchtigen Geist durch seinen Kopf schweben.

    Giulia‘. Ein Name, der dem seiner vertrauten Julika so ähnlich war, doch trotz dieser ‚Verwandtschaft‘ hätten die beiden Frauen unterschiedlicher nicht sein können.

    Julika hätte niemals im Angesicht eines Feindes auch nur ein Auge zugetan, geschweige denn so friedlich und arglos geschlafen wie dieses naive Ding neben ihm. Wo sie sich zitternd in eine Ecke verdrückte, schob Julika trotzig das Kinn vor und lachte ihrem Gegenüber im Angesicht der Gefahr ins Gesicht. Die eine war naiv und zurückhaltend, die andere heißblütig und wagemutig. Während das Mädchen hier von einer Feindschaft in die nächste schlidderte und wie eine dreibeinige Gans durch die Gegend stolperte, ging Julika klug und methodisch vor und würde es den Schrecken der Stadt Thengen niemals gestatten, ihrer habhaft zu werden.

    Oder hätte es.

    Samu sog scharf die Luft ein und schüttelte den Kopf. Er versuchte, den erneut aufkeimenden Schmerz in Entschlossenheit umzulenken. Immerhin war dieses Mädchen, so unschuldig sie erscheinen mochte, der Grund für seinen Auftrag gewesen. Der Grund dafür, dass er und die seinen sich an ihre Fersen geheftet hatten, in diesen verfluchten Wald gelaufen waren – und nun Futter für Würmer und Käfer sein würden.

    Doch irgendwie gelang es ihm nicht.

    Er schloss die Augen und lehnte sich an den Stamm der toten Eiche. So groß die Unterschiede zu Julika waren – in manchen, blendenden Momenten waren sie sich auch sehr ähnlich. Ein schwaches Lächeln kroch auf seine Lippen und er stellte sich vor, dass sie zu dritt aus dem Haus im Sumpf geflohen wären. Während Giulia in einem Anfall spontanen Tatendrangs das Gemäuer in Brand gesteckt hatte, hätte Julika sie angefeuert und wäre nur unter Protest dazu bewegen gewesen, nicht ebenfalls zur nächstbesten Fackel zu greifen. Dann wären sie über den Steg zum Wald gerannt und während sie sich keuchend ins Laub fallen ließen, hätte Julika gelacht und Giulia dafür getadelt, dass sie das Feuer viel großflächiger hätte anlegen müssen.

    Ein leises Rascheln ließ ihn erneut aufschauen.

    Giulia bewegte sich unruhig in ihren provisorischen Fesseln. Mit zusammengekniffenen Augen streckte sie sich gegen den Baum in ihrem Rücken und glitt langsam wieder in die Länder der Wachen und Lebenden zurück.

    Samu beeilte sich, eine lässigere Haltung einzunehmen und seine Lippen zu einem spöttischen Lächeln zu zwingen.

    „So etwas Argloses trifft man wirklich nicht alle Tage. Ich in deiner Situation hätte jedenfalls nicht so seelenruhig schlafen können“, kommentierte er, als sein Gegenüber erfolglos versuchte, den Schlaf aus den Augen zu blinzeln.

    Giulia grummelte etwas Unverständliches und warf ihm einen kurzen, aber unverhohlen feindseligen Blick zu. Ein paar Fetzen trockenen Laubes hatten sich in ihren kurzen Haaren verfangen und ließen sie ein bisschen wie einen verschlafenen Waldschrat aussehen. Einen kleinen, harmlosen Waldschrat, der mit seinem bohrenden Blick eher etwas ungewollt Komisches an sich hatte, als wirklich bedrohlich auszusehen.

    Samus Mundwinkel zuckten leicht und für einen Moment traten die trüben Nebel seiner Gedanken zurück. „Ich habe dich nicht verstanden“, bemerkte er und legte mit übertriebener Geste die Hand ans Ohr.

    „Ich sagte“, erwiderte Giulia hörbar gereizt, „dass du ein widerlicher Verräter bist, du … Mistkerl!“

    Ob seine Nerven einfach überreizt waren, die Situation eine eigene, unfreiwillige Komik besaß oder eine Mischung aus allem, konnte er später nicht mit Sicherheit sagen. Aber plötzlich fing der Kopfgeldjäger laut zu lachen an und schaffte es erst, sich wieder zu beruhigen, als er sich verschluckte und in einem wilden Hustenanfall schüttelte.

    „Da du leider doch nicht erstickt bist“, presste Giulia mühsam hervor, als Samu zwischen Keuchen und Lachen wieder zu Atem kam, „kannst du mir vielleicht verraten, was so irrsinnig komisch ist!“

    Samu nahm einen tiefen Schluck aus seiner Feldflasche und dankte den nicht existenten Göttern dafür, dass der hölzerne Mörder ihm seine Tasche nicht abgenommen hatte. Nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und blickte Giulia direkt in die Augen.

    „Weißt du, meine Liebe … mit so einer harmlosen, naiven Ausstrahlung, solltest du nicht-“, er hustete noch einmal kurz, „ich meine, wenn du jemanden wirklich beleidigen und bedrohlich wirken willst, solltest du dringend an deinem Wortschatz arbeiten. Mistkerl steht nicht gerade weit oben auf der Provokationsskala.“

    Wenn Blicke töten könnten, wäre Samu vermutlich auf jede erdenkliche Art gestorben, die ein Sterblicher ersinnen kann. Doch trotz der brodelnden Spannung in der Luft fühlte er sich … beinahe befreit. Zumindest gelang es ihm, seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken.

    Giulia schnaubte und wandte demonstrativ den Kopf ab. Das Feuer war inzwischen weiter heruntergebrannt und knackte ungerührt vor sich hin, während es beinahe gespenstische, scharfe Schatten auf die Gesichtszüge der jungen Frau malte. Ihre schwach olivfarbene Haut wirkte an manchen Stellen wie Asche, die man auf ein karges Feld gestreut hatte. Doch Samu erinnerte sich gut an daran, wie sie bei Tageslicht aussah, und wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber.

    Wenn man als Kopfgeldjäger erfolgreich sein wollte, waren Details und Informationen der Anfang und das Ende des Liedes. Auch über Giulia hatten il procione und seine Leute ausführlich recherchiert, doch trotz der Tatsache, dass die gesamte Thengener Unterwelt sie auf die eine oder andere Weise kannte und sehr kreativer Vorstellungen entwickelt hatte, um sie umzubringen, hatten sie sehr wenig über die Vergangenheit und Herkunft der jungen Frau herausfinden können. Es war anscheinend nur bekannt, dass sie vor einigen Jahren wie aus dem Nichts in der Stadt aufgetaucht war und sich schnell einen Namen gemacht hatte, doch darüber hinaus hatte ihnen niemand Auskunft erteilen können. Sie sprach nicht mit dem für die Region typischen Dialekt und auch ihre Haut hatte einen anderen, helleren Farbton als der der Einheimischen. Doch was genau das bedeutete, war für Samu nach wie vor ein Rätsel.

    „Sag mal“, fragte er schließlich nach einigen Momenten des Schweigens, „woher kommst du eigentlich?“

    Etwas zu finden, auf das er sich konzentrieren konnte, kam ihm im Moment sehr gelegen.

    „Hah“, stieß Giulia aus und verengte die Augen zu Schlitzen, blickte aber immer noch zur Seite. „Was kümmert es dich? Für dich mieses … Dreckstück mit dem Ehrgefühl einer Mistgabel zählt doch eh nichts als dein Profit!“

    Samu hob die Augenbrauen. Einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte. ‚Ganz schön … lernwillig‘, dachte er. Ihre Beleidigungskünste waren zwar noch immer ausbaufähig, aber der Wille war durchaus vorhanden.

    Ohne direkt darauf einzugehen, erwiderte er: „Aber, aber, Schätzchen. Dir hätte klar sein sollen, dass ich einen Job zu tun habe. Was wird denn aus meinem guten Ruf, wenn ich mich mit meiner Beute anfreunden würde?“

    Oder aus den Angehörigen meiner Leute, wenn ich ihnen nichts von der Belohnung als schwachen Trost anbieten kann‘ fügte er in Gedanken hinzu. Doch das musste sie nicht unbedingt wissen.

    Schnell sprach er weiter. „Nun, dass du nicht von hier kommst, ist jedenfalls offensichtlich. Den Waschbären kannst du da nicht zu täuschen hoffen, Teuerste. Ich denke, dass du irgendwo aus dem Norden kommst. Aus irgendeinem Dorf oder einer Provinzstadt vielleicht? Oder kommst du doch eher von der Küste? Von den Klippenländern? Den Schratinseln? Oder bist du-“

    „… hör auf damit“, brachte sie mit zittriger Stimme hervor. Sie schluckte schwer und versuchte, ihren Kopf noch weiter aus seinem Blickfeld zu drehen.

    „Weinst du etwa?“, entgegnete Samu verwundert und lauschte ihrem schweren Atmen. Ein Hauch Bedauern flackerte in seinem Innern auf – er war sich zwar nicht bewusst, was genau er getan hatte, aber es war nicht seine Absicht gewesen, ihr Schmerz zuzufügen.

    „Ich habe keine Ahnung, wo ich herkomme“, stieß Giulia mühsam hervor. „Ich erinnere mich nicht. Ich habe keine Ahnung, warum, was geschehen ist und was das zu bedeuten hat. Der Großteil meines Lebens besteht nur noch aus Fetzen, ich erinnere mich an Bilder, an meinen Namen, aber wer ich bin, was ich bin, wen ich mal gekannt, gehasst, geliebt habe-“

    Sie brach ab und schluckte erneut, kämpfte hörbar mit den aufkommenden Emotionen.

    Samu schwieg einen Moment. Für die Verhältnisse Giulias war das ein regelrechter Ausbruch an Gefühlen, mit denen er so nicht gerechnet oder dass er hier den Finger in eine sehr schmerzhafte Wunde gelegt hatte. Er widerstand dem Drang, zu ihr zu gehen, und wollte sich stattdessen aus sicherer Entfernung erkundigen, vielleicht sogar entschuldigen – doch er kam nicht mehr dazu.

    Ein kräftiges Rascheln drang vom gegenüberliegenden Rand der Senke, wo der Lichtschein ihres Feuers nicht hinreichte, und knisternde Schritte näherten sich gemächlich aus der Dunkelheit.

    Giulia drückte sich instinktiv enger an die Blutbirke, während Samu langsam nach dem Degen griff und angestrengt auf den Rand des Lichtkreises starrte.

    Ein kurzes Lachen ertönte aus der Dunkelheit, dann schritt eine vermummte Gestalt in den Schein des Feuers. „Immer mit der Ruhe, Junge“, sprach der Mann ruhig und mit beinahe belustigter Stimme, während er mit erhobenen Händen stehen blieb. „Ich habe bestimmt nicht vor, euch Ärger zu machen.“

    Die Sumpfohreule schrie drei Mal, als hieße sie den Eindringling in ihrem kleinen Kreis willkommen.

    Samu griff indes den Schwertgriff fester und stand auf.

    „Und mit wem haben wir das Vergnügen?“, entgegnete er trocken und versuchte, den Mann einzuschätzen.

    Dieser hob eine Hand an die sturmgraue Kapuze, bevor er sie mit einer leichten Bewegung vom Kopf streifte. „Ich bin nur … ein Forscher, gewissermaßen“, entgegnete er geheimnisvoll.

    Samu hörte, wie Giulia scharf die Luft einsog und ging kaum merklich einen Schritt auf sie zu, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Wenn er ihre Reaktion für ein Zeichen der Angst gehalten hatte, hatte er sich allerdings getäuscht.

    Du?“, fragte sie ungläubig und starrte den Mann an. „Wo kommst du denn plötzlich her?“

    Der Fremde strich sich lächelnd über das stopplige Kinn. „Von hier und dort und nirgendwo, kleines Reh“, erwiderte er kryptisch und zwinkerte ihr zu. Sein Blick glitt zu Samus Degen und er winkte belustigt ab. „Nun nimm das Ding schon runter“, sagte er. „Das wirst du nicht brauchen.“

    Samu schüttelte seine Verwunderung darüber ab, dass seine Beute und der Mann vor ihm sich offenbar nicht unbekannt waren, und spannte sich wieder an. „Erst, wenn du mir verrätst, was du von uns willst“, sprach er mit leiser, aber fester Stimme.

    „Immer diese schrecklich irrelevanten Fragen. Ihr seid euch verdammt ähnlich“, kommentierte sein Gegenüber seufzend. „Aber zu eurem Glück bin ich in gehobener Stimmung und vergebe euch.“

    Er ließ Samus darauf folgendes Schnauben unkommentiert stehen und verneigte sich mit ausladender Handbewegung. „Der Einfachheit halber“, meinte er mit einem erneuten Augenzwinkern in Giulias Richtung, „kannst du mich ebenfalls Runkel nennen.“